Vom Manuskript zum fertigen Druck
Buchproduktion in Zeiten des Handpressendrucks Christoph Boveland, HAB
HAB Wolfenbüttel, 16. November 2011
Ziel der Fortbildung
• Rekonstruktion des Idealzustands einer Ausgabe zur besseren bibliographischen Beschreibbarkeit
• Beschreibung der Abweichung des vorliegenden Exemplars vom Idealzustand
• Aber:
Bibliographische Beschreibung konkuriert nicht mit analytischer Druckforschung!
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Übersicht
• Theoretischer Teil
– Druckprozess (Schnelldurchlauf)
– Aufbau eines Druckes
– Besonderheiten Alter Drucke
• Praktischer Teil
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Was passiert dazwischen?
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Druckerei – Officina Typographeum
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Arbeitsprozesse in der Offizin
Buchdruck in 3 – 4 Arbeitsschritten:
I. Herstellung der Druckform (Setzen)
I. (Korrektur des Satzes)
II. (Be-)Drucken der Bögen auf der Handpresse
III. Fertigstellung der Exemplare („Lagen machen“)
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Druckvorbereitung
• Gedruckt bzw. gesetzt wird i.d.R. nach einem Manuskript oder auch nach einem gedruckten Exemplar
• Der Papierbedarf wird kalkuliert
– Am Manuskript wird ausgerecht, wieviele Druckseiten benötigt werden
– Das Format des Drucks wird festgelegt
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Druck mit beweglichen Lettern
1. Lettern werden Zeichen für Zeichen im Winkelhaken zu einer (bzw. mehreren) Zeile/n zusammengestellt
2. Ist der Winkelhaken voll, werden die fertig gesetzten Zeilen auf das (Setz-)Schiff gelegt
3. Vorgang wird wiederholt, bis alle Zeilen einer Seite fertig gesetzt sind. Die Kolumne wird ausgeschossen.
(Kolumne = Satz für eine Seite)
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Druck mit beweglichen Lettern
4. Der Vorgang wird wiederholt, bis mehrere Kolumnen gesetzt sind
5. Mehrere Kolumnen werden auf Setzbrett zur (Druck-)Form ausgeschossen; Stege werden eingesetzt, die Form wird geschlossen
• s. Formatbücher – Gessner
6. Ein Korrekturabzug wird erstellt
7. Der Korrektor vermerkt Fehler auf dem Korrekturbogen, die der Setzer verbessert
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Druck mit beweglichen Lettern
8. Die korrigierte Form wird in die Presse gelegt
9. Das Papier wird genässt
10. Die Form wird auf Karren ausgerichtet, um beide Seiten des Bogens „im Register“ zu drucken
11. Die Form wird geschwärzt
12. Das Papier wird in die Punkturen im Deckel eingestochen
13. Rähmchen und Deckel werden geschlossen
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Druck mit beweglichen Lettern
15. Der Karren wird unter die Presse gefahren
16. Der Tiegel wird mit dem Bengel „gezogen“ und auf den Deckel gepresst
17. Der Karren wird herausgezogen, der Deckel wieder geöffnet
18. Der gedruckte Bogen wird abgelegt
19. Bogen für Bogen wird die Auflage ausgedruckt
20. Der Stapel wird umgestülpt/umgeschlagen
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Druck mit beweglichen Lettern
21. Druckvorgang wird für den Widerdruck wiederholt
22. Der Vorgang wird wiederholt, bis alle Bögen des Buches fertig gedruckt sind
23. Die Bögen werden zum Trocknen aufgehängt
24. Die Formen werden aufgelöst und abgelegt
25. Die Auflage jedes Bogens wird gestapelt
26. Die Exemplar werden zusammenzustellen („Lagen machen“)
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Aufbau Druck
• Ein (fertiger) Druck besteht aus mehreren Blättern
• Jedes Blatt ist Teil eines gefalzten Bogens
• Jeweils 2 Blätter sind im Falz miteinander verbunden (Doppelblatt)
• Mehrere Doppelblätter sind im Falz zusammengeheftet
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Aufbau Druck
• Die Anzahl der Blätter pro Bogen ist abhängig von der Anzahl der Falze
• Bogen 1-mal gefalzt => 2 Blatt = 2° / Folio
• Bogen 2-mal gefalzt => 4 Blatt = 4° / Quart
• Bogen 3-mal gefalzt => 8 Blatt = 8° / Oktav
etc.
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Bogen
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Schöndruck Widerdruck
Bogen - Lage
• (Druck-)Bogen = zweiseitig bedrucktes Papier (Schöndruck und Widerdruck)
• Druckbögen werden gefalzt und zu Lagen zusammengestellt
• Eine Lage besteht aus einem oder mehreren Bögen (Duern, Tritern, Quartern) oder aus Teilbögen
• Mehrere Lagen bilden den Buchblock
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Bogen - Lage
• Um die Blätter zu öffnen, müssen die Lagen an ein oder zwei Kanten (Stegen) beschnitten werden (nicht bei 2°)
• Dadurch entstehen Doppelblätter (Blätter, die im Falz verbunden sind)
(2° = 1 Doppelbl., 4° = 2 Doppelbl., 8° = 4 Doppelbl. pro Bogen)
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Seiten
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S a t z s p i e g e l K o l u m n e
K o p f s t e g K o l u m n e n t i t e l
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F u ß s t e g
• Presse wird vom Anführgespann bedient:
– Ballenmeister: • Trägt Druckerschwärze auf die Druckform auf
– Pressenmeister • Legt Papier ein
• Bedient die Presse – Arbeitsleistung: ca. 200 Bogen/Stunde
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Setzen
• 1 Setzer setzt gesamten Druck
• Gelegentlich teilen sich mehrere Setzer die Arbeit.
Das setzt präziser Kalkulation des Satzes voraus
– Arbeitsleistung: ca. 1500 Zeichen/Stunde – ca. 1/2 der Arbeitszeit eines Setzers
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Papier
• Bis ca. 1760 ausschließlich geripptes Papier • Kett- und Ripplinien sind im Gegenlicht erkennbar
• Richtung der Kettlinien für Formatbestimmung
• Ab ca. 1757 auch Velinpapier • Keine Linien mehr erkennbar
• Formatbestimmung schwieriger
• Wasserzeichen • Bei kleinen Formaten (ab 8°) nicht erkennbar
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Besonderheiten Alter Drucke
• Exemplar
– Unvollständig
– Fehlerhaft gebunden
– Fehldruck
– Beschädigung der Druckform
– Änderung der Druckform (Satzfehler)
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Besonderheiten Alter Drucke
• Ausgabe
– Cancellans/Karton – Cancelandum/Cancelatum • Einzelblätter oder Doppelblätter
– Titelauflage • Neudruck der Titellage oder Karton
– Paralleldruck
– Formatausgabe
– Nachdruck
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Literatur
• Moxon, Joseph: Mechanick exercises. – London 1683-84 (Digitalisat – GBV (Ausg. 1694) – Nachdrucke)
• Ernesti, Johann Heinrich: Die wol-eingerichtete Buchdruckerey. – Nürnberg 1721 (2. Aufl. 1733) (GBV bzw. GBV)
• Geßner, Christian Friedrich: Die so nöthige als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. – Leipzig 1740-45 (Digitalisat HAB – Nachdruck 1981 GBV)
• Täubel, Christian Gottlob: Praktisches Handbuch der Buchdruckerkunst für Anfänger. – Leipzig 1791 (GBV – Nachdruck)
• McKerrow, Ronald B.: An introduction to bibliography. – Oxford 1927 (GBV – 2. Aufl. 1928 – Nachdrucke)
• Bowers, Fredson: Principles of bibliographical description. - Princeton 1949 (GBV – mehrere Reprints)
• Gaskell, Philip: A new introduction to bibliography. – Oxford 1972 (GBV – mehrere Reprints)
• Boghardt, Martin: Analytische Druckforschung. – Hamburg 1977 (GBV)
• Weismann, Christoph: Die Beschreibung und Verzeichnung alter Drucke. – In: Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit. – Stuttgart 1981. – Hier besonders Beilage 1: Fachbegriffe. S. 477-558 (GBV)
• Giesecke, Michael: Arbeitsvorgänge in der Druckerei (URL). In: Michael Giesecke: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. – Frankfurt am Main 1998 (GBV – und weitere Aufl./Ausg.)
• Wolf, Hans Jürgen: Geschichte der Druckpressen. – Frankfurt/Main 1974. – 1981 mit Sacht.: Schwarze Kunst (GBV bzw. GBV)
• Müller, Wolfgang: Die Drucke des 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum. – Wiesbaden 1990 (GBV)
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Begriffe
Druck – Ausgabe – Auflage – Exemplar
Varianz – Titelausgabe – Paralleldruck/Doppeldruck
Seite – Blatt – Bogen – Lage
Kolumne – Kolumnentitel – Satzspiegel – Signatur – Kustos – Norm – Format – Stege (Aussen-, Bund-, Fuß-, Kopf-) – geripptes Papier – Vélin – Seide –
Pergament – Kett-, Ripplinien – Wasserzeichen – Doppelblatt – Duern, Tritern, Quartern – „direction line“
(Druck-)Form
Winkelhaken – Setzschiff – ausschießen – ausschließen –Lettern/(Druck-)Typen – Schöndruck – Widerdruck – Röschen – Vignetten, Finalstöcke, Zierleisten
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