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Christian Teubner
Transformation der Wirtschaftsordnung in Polen und Spanien
Christian Teubner
Transformation der Wirtschaftsordnung in Polen und Spanien Entwicklungsprozesse seit Mitte der siebziger Jahre
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christoph Buchheim
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme
Teubner, Christian: Transformation der Wirtschaksordnung in Polen und Spanien : Entwicklungsprozesse seit Mille der siebziger Jahre / Christian Teubner. Mit einem Geleitw. von Christoph Buchheim. - Wiesbaden : DUV, Dt. Univ.-Verl., 1999
(DUV: Wirtschakswissenschakl Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1998
Aile Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 1999 UrsprOnglich erschienen bei Deutscher Universitats-Verlag GmbH, Wiesbaden, 1999
Lektorat: Claudia Splittgerber / Sabine Stohldreyer
http://www.duv.de
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ISBN 978-3-8244-0448-3 ISBN 978-3-663-08208-8 (eBook) 10.1007/978-3-663-08208-8 DOI
Geleitwort Die Modernisierungstheorie postuliert einen Zusamrnenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicldung und Demokratisierung einer Gesellschaft. Die Studie von Christian Teubner belegt, daJ3 es diesen Zusamrnenhang im Falle Polens und Spaniens tatsiichlich gegeben hat. Ja, dies macht in der Tat den hauptsiichlichen Erkenntniswert der vorliegenden Monographie aus.
Sie ist als Teil eines gr06eren Projektes iiber "VerzOgerte Industrialisierung in Europa" entstanden. Dabei sollte durch einen Vergleich der beiden genannten Liinder den Ursachen dafUr nachgegangen werden, warurn es ihnen nicht gelang, parallel zur Industriellen Revolution in Kerneuropa im 19. Jahrhundert sich ebenfalls zu industrialisieren und zu rnodemisieren. Warum fielen beide Liinder beim Lebensstandard ihrer BevOlkerung relativ zurUck, warurn hinkte der wirtschaftliche Strukturwandel hier hinterher? Diese und iihnliche Fragen sollten beantwortet werden. Wie sich herausstellte, war ein wesentlicher Faktor fUr das Zuriickbleiben beider Liinder in verschiedenen Phasen der vergangenen zwei Jahrhunderte die Existenz starker oligarchischer Eliten, die ein autoritares Regime installierten. Auf diese Weise hatten sie die MOglichkeit, ihre eigenen Okonomischen und politischen Interessen mithilfe des Staates durchzusetzen. Da diese Interessen jedoch auf weite Strecken im Widerspruch zu den Erfordemissen von Modemisierung nach westlichem Muster standen, fand nur ein stark deforrnierter Entwicldungsproze6 statt. Seine Kennzeichen waren dauerhaft niedrige gesarntwirtschaftliche Produktivillit, Autarkiebestrebungen, vorrangiger Ausbau der Schwer- und Riistungsindustrie sowie die Vemachliissigung der Konsumgiiterproduktion und darnit der Massenwohlfahrt.
Das war die Ausgangslage, als nach dem Tode Francos im Jahr 1975 bzw. nach der Wende im sozialistischen Ostblock 1989 in Spanien und Polen durchgreifende Reform- bzw. Transformationsprozesse einsetzten. Ihre Analyse stellt den Kern der Teubner'schen Arbeit dar. Dabei wird ganz deutlich, wie eng der Durchbruch zu unverzerrtem Wirtschaftswachstum mit der Demokratisierung des politischen Systems verknUpft war, was nach dem bisher Gesagten nicht mehr Uberraschen dUrfte.
Man Ubertreibt daher nicht, wenn man die Studie von Christian Teubner als einen Meilenstein in der Modemisierungsforschung bezeichnet mit einer Reihe von Erkenntnissen, die auch fUr zukUnftige Entwicklungsprozesse von Entwicklungslandern und die Entwicklungspolitik der Industrielander wichtig sind. Daruber hinaus vermittelt sie Einsichten in die jUngste Geschichte Spaniens und Polens, die von groBem Interesse fUr die Wissenschaft und Offentlichkeit dieser beiden Lander sein dUrften. Dem Buch ist also eine breite intemationale Leserschaft zu wlinschen.
Prof. Dr. C. Buchheim
VI
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis eines dreijahrigen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefOrderten Projekts am Mannheimer Zentrum fUr Europaische Sozialforschung. Gleiehzeitig wurde sie als Dissertation an der Fakultat fUr Volkswirtschaftslehre der Universitat Mannheim eingereicht. Prof. Buchheim ilbernahm als Doktorvater die Betreuung, fUr die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken mochte. Durch seine standige Bereitschaft, neue Gedanken zu erortern sowie die Offenheit und Sachlichkeit, mit der Kritik geauBert wurde, fand eine Betreuung statt, die ich mir kaum besser hatte wilnschen konnen. Weitere wichtige Anregungen ergaben sich durch Gesprache mit dem Korreferenten Prof. Hellwig sowie durch die Doktoranden und Diplomanden des Lehrstuhls im Rahmen des Oberseminars. Bedanken mochte ich mieh auch bei meinen Kollegen Jonas und Peter, mit denen ich immer wieder fachliche Probleme erortern konnte.
Neben Recherchen zu Polen am Osteuropa-Institut in Milnchen und dem Institut fUr Weltwirtschaft in Kiel fand ein wesentlicher Teil der Recherche in Spanien statt. Dort bin ich insbesondere Prof. Dr. Jordi Catalan aus Barcelona zu Dank verpflichtet, der als Mitglied im Gesamtprojekt von Beginn an niltzliche Hinweise sowohl im Hinblick auf das Konzept der Arbeit als auch auf zugangliche Quellen in Spanien gab. Durch seine freundliche Vermittlung kam der Kontakt mit den ebenfalls in Barcelona ansassigen Professoren Dr. Ernest Lluch und Dr. Joan Trollen zustande. Prof. Lluch gewiihrte mir Zugang zu seinem Privatarchiv, welches Dokumente zu den Wirtschaftsreformen in Spanien aus dem Jahr 1977 enthalt. Prof. Trollen als Spezialist fiir die spanischen Wirtschaftsreformen versorgte mieh nieht nur mehrmals bereitwillig mit den interessierenden Dokumenten aus dem Privatarchiv, sondern stand auch mehrfach als auBerst anregender Ansprechpartner zur Verfiigung.
Was den ProzeB der Fertigstellung anbelangt, moehte ich mieh bei Mike flir die griindliehe Korrektur der gesamten Arbeit, bei Annette und Karin flir ihre Hilfe zu untersehiedliehen Zeiten und die standige Hilfsbereitsehaft bedanken. Ein ganz besonderer Dank geht an Catalina, die mieh in der anstrengenden AbsehluBphase nicht nur ertragen, sondern daruber hinaus noeh zu hOherer Leistung inspiriert hat. AbsehlieBend noeh vielen Dank an meine Eltern, die mich wahrend des gesamten Studiums unterstUtzt haben.
Die Besehiiftigung mit dem Therna wirtsehaftlieher und politi seher Transformation hat deutlieh gemaeht, daB interne Faktoren sowie institutionelle Reformen flir alle Lander von iiberragender Bedeutung sind, die an der Sehwelle des Ubergangs zu modernen liberalen Wirtsehaftsordnungen stehen. Dies gilt unabhangig davon, ob es sich urn ehemals sozialistisehe oder autoritiire Systeme handelt. Aus diesem Grund erseheint ein groBeres Gewicht dieser beiden Aspekte, vor allem in der von internationalen Organisationen verfolgten Reform- und Entwieklungsstrategie, wiinsehenswert.
Christian Teubner
VIII
INHALTSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG .................................................................................................... 1
1.1 Die ProzeBbetrachtung als Ansatzpunkt flir einen Vergleich .......................... I
1.2 Reform und Transformation: Unterschiede und Gemeinsarnkeiten 2
1.3 Aufbau der Arbeit. ......................................................................................... 6
2 AUSGANGSBEDINGUNGEN UND ENTWICKLUNG DER WIRT"
SCHAFTSSTRUKTUR 1M VORFELD ........................................................... 9
2.1 Wirtschaftliche Liberalisierung in einem autoriUiren System: Vom Ende der
Autarkiepolitik bis zum Tode Francos ........................................................... 9
2.1.1 Autarkiepolitik und Ansatze zum Wechsel der wirtschaftspolitischen
Strategie ............................................................................................... 9
2.1.2 Der Stabilisierungsplan von 1959 und seine Folgen ............................ 13
2.2 Reformversuche in Polen seit Anfang der 1980er Jahre ............................... 21
2.2.1 Politische Offnungstendenz und die Ausarbeitung der
Wirtschaftsreform in Polen ................................................................. 21
2.2.2 Die Durchflihrung der "ersten Etappe" der Wirtschaftsreform in
Polen
2.2.3 Die "zweite Etappe" der Wirtschaftsreform in Polen
2.3 Vergleich der Ausgangslage in Spanien und Polen
26
32
35
2.4 Der Ansatz zur Untersuchung wirtschaftlicher Umgestaltungsprojekte ........ 38
IX
3 DER PROZE6 DES ZUSTANDEKOMMENS WIRTSCHAFTLICHER
REFORM- UND TRANSFORMATIONSPROGRAMME IN SPANIEN UND
POLEN .........•...........•....................................................................................... 45
3.1 Der DemokratisierungsprozeB und wirtschaftliche Reformen in Spanien nach
dem Tode Francos ....................................................................................... 45
3.1.1 Der DemokratisierungsprozeB und sein EinfluB auf die Konsens-
findung ............................................................................................... 45
3.1.2 Die Verhandlungen zu den Monc1oapakten ........................................ 53
3.2 Der politische und wirtschaftliche Umbruch in Polen 67
3.2.1 Von den Verhandlungen am "Runden Tisch" zum Regierungs
wechsel 67
3.2.2 Das wirtschaftliche Stabilisierungs- und Transformationsprogramm .. 72
3.3 Die Hinarbeitung auf die Programmverabschiedung im Vergleich .............. 81
4 DIE DURCHSETZUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN
x
UMGESTALTUNGSPROGRAMME IN SPANIEN UND POLEN .............. 85
4.1 Die Durchsetzung wirtschaftlicher Reformen in Spanien ............................. 85
4.1.1 Reformbestrebungen unter einer Regierung mit schwachem Mandat.. 85
4.1.2 Die Durchsetzung wirtschaftlicher Reformen unter der PSOE-
Regierung ........................................................................................... 95
4.2 Die Umsetzung des Transformationsprogramms in Polen .......................... 103
4.2.1 Die schrittweise Konsolidierung der Demokratie in Polen ................ 103
4.2.2 Die Umsetzung der MaBnahmen zur wirtschaftlichen
Transformation ................................................................................. 106
4.3 Der EinfluB der EG auf den wirtschaftlichen ReformprozeB in Spanien .... 122
4.3.1 Spaniens Beitrittsbestrebungen und der Beitritt zu den EG ............... 122
4.3.2 Wirtschaftliche Reformen im Zuge des EG-Beitritts ........................ 128
4.4 Der EinfluB von auBen auf den polnischen TransformationsprozeB ........... 131
4.4.1 Die Rolle internationaler Organisationen in der polnischen
Transformation ................................................................................. 131
4.4.2 Die Rolle der ED in der polnischen Transformation ......................... 134
4.5 Die Durchsetzung der Projekte im Vergleich ............................................. 140
5 AUSWIRKUNG DER REFORM BZW. TRANSFORMATION AUF DIE
WIRKUNGSWEISE DER WIRTSCHAFT .................................................. 147
5.1 Modernisierungstendenzen in der spanischen Wirtschaft seit Ende def
1970er Jahre .............................................................................................. 147
5.1.1 Die Entwicklung des spanischen AuBenhande1s fUr Industriegiiter ... 147
5.1.2 Die Entwicklung des spanischen Arbeitsmarkts ............................... 156
5.2 Auswirkungen auf die Funktionsweise und Struktur der polnischen
Wirtschaft
5.2.1 Die Entwicklung des polnischen AuBenhandels
5.2.2 Die Entwicklung des Privatsektors in Polen
160
160
163
5.2.3 Die Entwicklung def Beschaftigungssituation in Polen ..................... 165
6 DIE ERWEITERTE BETRACHTUNG ALS UNTERSUCHUNGS-
METHODE ..................................................................................................... 169
ARCHIV VON DR. ERNEST LLUCH ................................................................ 175
LITERA TURVERZEI CHNIS .............................................................................. 177
XI
T ABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 4.1: Steuereinnahmen Spaniens aus der Einkommen-, Korperschaft-,
Erbschaft- und Vermogensteuer von 1978 bis 1983 (in Pta von 1978;
1978 = 100) ........................................................................................................ 88
Tabelle 4.2: Zahl der privatisierten Staatsunternehmen in Polen zum
Jahresende ...................................................................................................... 118
Tabelle 5.1: Intraindustrieller Handel Spaniens mit den Mitgliedstaaten der
EG im Zeitraum 1979 bis 1994 ...................................................................... 148
Tabelle 5.2: Intraindustrieller Handel Spaniens mit den Staaten der OECD
(auBer EG) im Zeitraum 1979 bis 1994 ......................................................... 150
Tabelle 5.3: Das Handelsvolumen Spaniens fUr Industriegiiter (SITC 5-8) im
Zeitraum 1979 bis 1994 .................................................................................. 152
Tabelle 5.4: Die Ausgaben fUr Forschung und Entwicklung (F&E) in
Spanien im Zeitraum 1980 bis 1992 .............................................................. 154
Tabelle 5.5: Veranderung der aktiven BevOlkerung, der Arbeitslosigkeit und der
Zahl der ArbeitspIatze in Spanien im Zeitraum 1979 bis 1990 (in 1000) .... 157
Tabelle 5.6: Polens AuBenhandel nach Landergruppen von 1989 bis 1996
(in Mio. US-$) ................................................................................................. 161
Tabelle 5.7: Der intraindustrielle Handel Polens mit dem Ausland im Zeitraum
1989 bis 1995 ................................................................................................... 163
Tabelle 5.8: Anteil des Privatsektors an de. Gesamtwirtschaft
in Polen (in % ) ................................................................................................ 164
Tabelle 5.9: Beschaftigte in Polen nach ausgewahlten Sektoren (in 1 000) ........ 166
Tabelle 5.10: Aufteilung der Arbeitslosen in Polen nach Bildungsstand von
1992 bis 1995 (in %) ....................................................................................... 168
ABKURZUNGSVERZEICHNIS
AES Acuerdo Economico y Social
AHM Altos Homos de Meditemineo
AHV Altos Homos de Vizcaya
AP Alianza Popular
CC.OO. Comisiones Obreras
CEFT A Central European Free Trade Agreement
CEOE Confederacion Espanola de Organizaciones Empresariales -(Spanischer Dachverband der Arbeitgeberorganisationen)
CEPYME Confederacion Espanola de Pequena y Mediana Empresa - (Verband der Kleinen und Mittleren Untemehmen)
EBRD
EG
EGKS
European Bank for Reconstruction and Development
Europaische Gemeinschaften
Europaische Gemeinschaft fUr Kohle und Stahl
EURATOM Europaische Atomgemeinschaft
EWG
G-7
GATT
ICGI
INI
IWF
KOR
MKS
NIF
OECD
OEEC
Europaische Wirtschaftsgemeinschaft
W eltwirtschafts gipfel
General Agreement on Tariffs and Trade
Impuesto de Compensacion de Gravamenes Interiores - (Kompensationssteuer fUr interne Belastungen)
Instituto Nacional de Industria
Intemationaler Wahrungsfonds
Komitet Obrony Robotnikow - (Komitee zur Verteidigung der Arbeiterschaft)
Uberbetriebliches Streikkomitee
Nationaler Investitionsfonds
Organization for Economic Cooperation and Development
Organization for European Economic Cooperation
OKP
OPZZ
PCE
PHARE
PNB
PSL
PSOE
PSRE
PVAP
RGW
SD
SLD
SPD
UCD
UGT
ZSL
XVI
Biirgerkomitee
Og61nopolskie Pororzumienie Zwi~zk6w Zawodowych - (Nationale Gewerkschaftliche Ubereinkunft)
Partido Comunista Espafiol- (Kommunistische Partei Spaniens)
Poland and Hungary Assistance for Restructuring of the Economy
Polnische National Bank
Polskie Stronnictwo Ludowe - (Polnische Bauernpartei)
Partido Socialista Obrero Espafiol - (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens)
Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica
Polnische Vereinigte Arbeiterpartei
Rat fUr Gegenseitige Wirtschaftshilfe
Stronnictwo Demokratyczne - (Demokratische Partei)
Sojusz Lewicy Demokratycznej - (Biindnis der Demokratischen Linken)
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Uni6n de Centro Democratico - (Union des demokratischen Zentrums)
Uni6n General de Trabajadores - (Allgemeine Arbeitergewerkschaft)
Zjednoczone Stronnictwo Ludowe - (Vereinigte Bauempartei)
1 Einleitung
1.1 Die ProzeBbetrachtung als Ansatzpunkt fUr einen Vergleich
Seit Anfang der 1970er Jahre haben Spanien und Polen groBe Fortschritte im ProzeB der Integration in Europa erzielt. Spanien ist seit 1986 Mitglied der EU und Polen befindet sich auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft.! Urn Mitglied in der EU zu werden, muB ein Land bestimmte Mindestvoraussetzungen erflillen. Dazu gehoren allgemein eine demokratische Grundordnung und wirtschaftliche Voraussetzungen zur Integration in die Union.2 Nachdem zu Beginn der 1970er Jahre in Spanien noch das autoritare Francoregime und in Polen ein sozialistisches System bestanden hatte, war es nachfolgend beiden Uindern gelungen, demokratische Systeme zu etablieren. In Spanien begann der DemokratisierungsprozeB bereits in der zweiten Halfte der 1970er Jahre, in Polen hingegen erst mit dem Systemumbruch im Jahr 1989. Beinahe zeitgleich mit den jeweiligen politischen Veranderungen setzten umfangreiche Bestrebungen zur wirtschaftlichen Umgestaltung ein. Umgestaltung solI dabei als Sammelbegriff flir Reform und Transformation, die im anschlieBenden Abschnitt genauer erlautert werden, dienen. Eine begriffliche Unterscheidung wird zwischen Programm und Projekt getroffen. Wahrend Programm die konkrete Festlegung von MaBnahmen bezeichnet, ist Projekt breiter gefaBt und solI die Menge der angestrebten Veranderungen benennen.
I Ende Marz 1998 wurden die konkreten Beitrittsverhandlungen der EU mit Polen begonnen. Vgl. o. V. (l998b): Mitglieder und Anwarter sehen in der Erweiterung der EU eine "Herausforderung fUr aile", in: FAZ vom 31.03.1998, S. I.
2 Genaue Vorgaben zu den Voraussetzungen, die ein Land erfUllen muG, hat die Europaische Union beispielsweise in ihrer 1997 vorgelegten Stellungnahme zum Beitrittsantrag Polens gemacht. V gl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften (I997a): Stellungnahme der Kommission zum Antrag Polens auf Beitritt zur Europaischen Union, S. 5.
Die Bestrebungen zur wirtschaftlichen Umgestaltung schlugen sich in wirtschaftlichen Umgestaltungsprojekten - ein wirtschaftliches Reformprojekt in Spanien, ein Projekt der wirtschaftlichen Transformation in Polen - nieder und diese werden im Zentrum des Vergleichs stehen. Dabei wird der ProzeB der Umgestaltung wesentlicher Gegenstand der Untersuchung sein. Denn es ste11t sich die Frage, welche Faktoren fUr die Ausgestaltung der Projekte und ihre erfolgreiche Umsetzung entscheidend sind.
Weshalb eine ProzeBbetrachtung gewahlt wird, kann anhand eines Vergleichs zur komparativ statischen Analyse erlautert werden. Ftir die Beantwortung der oben genannten Frageste11ung scheint eine komparativ statische Betrachtungsweise, die vor a11em in der wirtschaftstheoretischen Literatur zur Transformation tiberwiegt,3 aus folgenden GrUnden als Instrument wenig geeignet zu sein. Die komparativ statische Analyse ist auf Ergebnisse ausgerichtet, die innerhalb eines betrachteten Zeitraums eintreten oder ausbleiben, und beschaftigt sich insofern gerade nicht mit der Frage, wie die Umsetzung einzelner MaBnahmen ermoglicht worden ist. AuBerdem ergeben sich dann schwerwiegende Probleme hinsichtlich der Vergleichbarkeit der beiden Lander. Werden wirtschaftliche Daten fUr einen Zeitpunkt verglichen, sind groBe Unterschiede zwischen beiden Landern festste11bar. So lag beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Polen 1995 bei gerade einmal 40 % des spanischen.4 Selbst wenn die zeitliche Verschiebung im Ausgangspunkt der wirtschaftlichen Umgestaltungsprojekte berticksichtigt wird, bleibt sowohl die Schwierigkeit bestehen, welcher Referenzpunkt jeweils gewahlt werden so11, als auch das Problem, daB landerspezifische Unterschiede in der Ausgangslage, die auf den ProzeB einwirken, nur unzureichend Berticksichtigung finden. Welche moglichen Vorteile fUr einen Vergleich der wirtschaftlichen Umgestaltungsprojekte in Spanien und Polen sich aus der ProzeBbetrachtung ergeben und in welcher Form diese durchgefUhrt werden so11, wird unter anderem im folgenden Abschnitt eriautert.
1.2 Reform und Transformation: Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Auch wenn als gemeinsames Ziel der wirtschaftlichen Reformen in Spanien nach Franco und der wirtschaftlichen Transformation in Polen seit 1989 - dies gilt jedoch grundsatzlich fUr a11e wirtschaftlichen Reform- oder Transformationsprojekte - die
J Auf das Obergewicht komparativ statischer gegeniiber dynamischen Ansatzen in der wirtschaftstheoretischen Literatur zur Transformation weist Wagener hin. Vgl. Wagener, H.-J. (1994): Transformation as a political-economic process, in: ders. (Hrsg.): The political economy of transformation, S. 3f.
4 Gemessen in US-$ umgerechnet zu Kaufkraftparitaten. Die Zahlen zu Spanien beziehen sich auf 1994. Vgl. DECO (Hrsg.) (1996b): DECO Economic Surveys 1996-1997. Poland, S. VII; Anhang.
2
Steigerung der Effizienz unterstellt werden kann, so springen dennoeh die Untersehiede stark ins Auge. Dies bezieht sieh zum einen auf Untersehiede in der Ausgangslage der beiden Lander. Spanien wurde als ohne Zweifel Westeuropa zugehOrig angesehen, und der Weg in die EG als langst tiberfalliger Sehritt5, wahrend Polen Ende der 1980er Jahre immer noeh in Warsehauer Pakt und RGW eingebunden war. Zum anderen bestanden groBe Untersehiede im AusmaB der untersuehten Reform- und Transformationsprojekte. Als Beispiel kann die in Polen notwendige Privatisierung der tiberwiegend in staatliehem Eigentum befindliehen Industrieuntemehmen angeftihrt werden. Sie fand, aufgrund des tiberwiegend privaten Untemehmertums, auf spanischer Seite keine Entsprechung.
Die Transformationsforschung nimmt, vor all em seit dem Umbruch in den ehemals sozialistischen Staaten in den lahren 1989190, in der volkswirtschaftlichen Literatur einen breiten Raum ein. Dieser steht ein wesentlieh geringerer Umfang an Literatur zum Thema wirtschaftlieher Reformen gegentiber. 6 Es sollen im folgenden zunachst die Unterschiede zwischen Reform und Transformation kurz dargestellt und im AnschluB daran erlautert werden, inwieweit die Konzepte der Reform und der Transformation Gemeinsarnkeiten aufweisen. Diese eher allgemeine Betrachtung spielt eine Rolle bei der Beantwortung der Frage, inwieweit und unter we1chen Gesichtspunkten die beiden Projekte gemeinsam untersucht werden konnen.
Der Unterschied zwischen Transformation und Reform laBt sich wie folgt beschreiben: Wahrend eine Reform eine Abwandlung innerhalb eines bestehenden Systems bedeutet, umfaBt eine Transformation die grundsatzliche, systernische Neugestaltung.7 Reformen zielen sornit auf die Beseitigung von Verzerrungen und Ineffizienzen in einem System, beispielsweise die Abschaffung staatlicher Eingriffe in einem Marktpreissystem, Transformationen hingegen betreffen einen Weehsel des Systems, beispielsweise den Wechsel von einem System adrninistrativ festgelegter Preise zu einem
5 In einer 1971 vom Centro de Investigaciones Sociologicas unter 1 000 Spaniern in Madrid und Barcelona durchgefiihrten Befragung vertraten 56 % der Befragten die Auffassung, daB Spanien in weniger als 10 lahren Vollmitglied der EG wiirde. Vgl. o. V. (1985): La opinion publica espanola ante la Comunidad Economica Europea, 1968-1985, in: Revista Espanola de Investigaciones Sociologicas, Nr. 29, S. 302.
6 Serrano und Costas stellen einen Mangel an Literatur speziell fiir die Reformen in Spanien fest, wobei sie eine Abgrenzung gegeniiber der Literatur zur Stabilisierung vomehmen. Vgl. Serrano Sanz, 1. M.; Costas Comesana, A. (1990): La reforma del marco institucional, in: Garda Delgado, 1. L. (Hrsg.): Economfa espanola de la transicion y la democracia 1973 - 1986, S. 506.
7 Vgl. Bossak, 1. W. (1991): Adjustment, trade reform and competitiveness - the Polish experience, in: Corbo, V.; Coricelli, F; Bossak, J. (Hrsg.): Reforming Central and Eastern European economies. Initial results and challenges, S. 210.
3
Marktpreissystem. Es ist deshalb bei der Abgrenzung von Reform und Transformation entscheidend, wie umfassend die ergriffenen MaBnahmen jeweils sind und weniger das Spektrum der re- oder transformierten Bereiche.8 Die Reform in vielen Einzelbereichen bedeutet in ihrer Summe damit nicht automatisch die Transformation des Gesamtsystems. Vielmehr ist fUr jeden Bereich zu unterscheiden, ob eine Reform oder eine Transformation stattgefunden hat. Ftir eine Gesamteinschiitzung sind deshalb auch Veranderungen in der Wirkungsweise der Wirtschaft und in den Handlungsweisen der Wirtschaftssubjekte von Belang.
Das Konzept der Transformation wird tiblicherweise in die folgenden Teilbereiche aufgeschltisselt: in die makrookonomische Stabilisierung, die mikrookonomische Liberalisierung und die institutionelle Umgestaltung.9 Wahrend die makrookonomische Stabilisierung Teil der ProzeBpolitik ist - hierunter fallen Bereiche wie die Inflationsbekampfung und die Budgetpolitik -, sind die beiden anderen Teilbereiche der Ordnungspolitik zuzuordnen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den drei Teilbereichen besteht hinsichtlich des Zeitrahmens. Wahrend prozeBpolitische MaBnahmen schnell durchsetzbar sind und auch rasch Wirkung zeigen konnen, ist die mikrookonomische Liberalisierung mit Gesetzesanderungen verbunden, deren Formulierung, Ratifizierung und Anwendung deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die A.nderung bestehender und der Aufbau neuer Institutionen, beispielsweise die Privatisierung staatlicher Unternehmen, der Umbau des Steuersystems und der staatlichen Verwaltung, sind nochmals zeitaufwendiger. Da die Liberalisierung und der institutionelle Umbau die wesentlichen Elemente der Systemtransformation darstellen, kommt der Stabilitat der Bestrebungen in diesen Bereichen eine Schltisselrolle fUr den Erfolg der Transformation zu. Da Veranderungen immer zu Lasten bestimmter Gruppen gehen, die vom ehemaligen System profitiert haben, ist mit Widerstanden gegen diese Veranderungen zu rechnen.1O
Die Unterteilung in die drei Teilbereiche Stabilisierung, Liberalisierung und institutionelle Umgestaltung laBt sich auf Reformprojekte tibertragen. Auch hier existieren
8 Vgl. Wagener, H. 1. (1996): Transformation als historisches Phanomen (F.I.T. Discussion Paper 7/96), S. 2f.
9 Vgl. Balcerowicz, L. (1997): Common fallacies in the debate on the economic transition in Central and Eastern Europe, in: Hare, P. G., Davis, J. R. (Hrsg.): Transition to the market economy. Critical perspectives on the world economy, Vol. I, S. 122. Eine weitere gebrauchliche Unterteilung unterscheidet die fiinf Teilbereiche Liberalisierung der internen und externen Markte, Stabilisierung, Privatisierung, Bildung von Institutionen und Strukturwande1, sie unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich von der hier gewahlten.
\0 Vgl. International Bank for Reconstruction and Development (Hrsg.) (1996): World development report 1996. From plan to market, S. II.
4
unterschiedliche Zeitrahmen fUr die verschiedenen Teilbereiche eines Reformprojektes und auch hier ist anzunehmen, daB sich WidersUinde von seiten der Gruppen formieren werden, die von den vorher bestehenden Verhaltnissen am meisten profitierten bzw.
die durch die beschlossenen MaBnahmen am stiirksten negativ betroffen sind. Weitgehende Ubereinstimmung besteht hinsichtlich der inhalthchen Ausgestaltung von
Reform- und Transformationsprogrammen. Wesentliche Forderungen sind dabei die
Koharenz der getroffenen MaBnahmen und ihre Ausrichtung an Effizienzkriterien. Die internationalen Organisationen wie IWF und Weltbank haben dazu detaillierte Vorgaben verfal3t,11 weshalb schon von einer Standardstrategie gesprochen wird. Die inhalt
hche Koharenz und Effizienzausrichtung der Programme wird in der vorliegenden Arbeit als notwendige Bedingung fiir den Erfolg wirtschaftlicher Reformen und Transformationen betrachtet. Ein erfolgreicher AbschluB der Programme ist jedoch erst dann gegeben, wenn sich die Wirkungsweise der Wirtschaft tatsachlich effizienter gestaltet. Es wird hier die These vertreten, daB dafiir die institutionelle Umgestaltung wesentlich
iSt. 12 Aufgrund der vorangegangenen Uberlegungen wird fiir beide Prozesse, Reform und Transformation, zu untersuchen sein, we1che Faktoren fiir ihre Stabilitat von Bedeutung sind.
Als weitere grundlegende Gemeinsarnkeit von Reform und Transformation ist aufzufiihren, daB beide Prozesse von Eliten beschlossen und durchgesetzt werden. Es handelt sich sornit urn eine von der Spitze der Gesellschaft ausgehende, geplante Veranderung, in Abgrenzung zur evolutorischen wirtschaftlichen Entwicklung einerseits13 und andererseits zur Revolution. 14 Deshalb spielen die Entscheidungstrager der Reform und Transformation eine wichtige Rolle in der Untersuchung. In der vorliegenden Arbeit solI versucht werden, in Anlehnung an die politische Transitionsforschung einen Untersuchungsrahmen fUr wirtschaftliche Reformen und Transformationen zu
II Der IWF legt dabei den Schwerpunkt auf die Herstellung des auBen- und binnenwirtschaftlichen Gleichgewichts und eines "angemessenen" Wirtschaftswachstums, wobei den fiskal- und geldpolitischen Instrumenten Vorrang vor strukturellen Anpassungen eingeraumt wird. V gl. International Monetary Fund (1987): Theoretical aspects of the design of fund-supported adjustment programs, S.8ff.
12 Die Institutionenokonomik erklart erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung im wesentlichen mit der Existenz moderner und effizienter Institutionen, die zu geringeren Transaktionskosten und damit zu hoherer Effizienz fiihren. Vgl. North, D. C. (1989): Institutions and economic growth, in: World Development, Nr. 9, S. 1320.
IJ Vgl. Wagener, H. J. (1996): Transformation als historisches Phanomen, S. 2. 14 In der Revolution geht der Impuls zur Veranderung nicht von der Spitze der Gesellschaft aus. Trotz
fehlender Dbereinstimmung beziiglich der begrifflichen Definition von Revolution, besteht ein gewisser Konsens, daB diese sich durch intensive Umwalzungen der Herrschafts- und Gesellschaftsordnung auszeichnet, wobei die revolutionare Machtiibernahme zumeist durch einen Regimesturz erfolgt. Vgl. Krumwiede, H.-W. (1992): Revolutionstheorien, S. 873.
5
entwickeln. 15 Diese Vorgehensweise wurde auch deshalb gewahlt, da die wirtschaftlichen Reformen in Spanien und die wirtschaftliche Transformation in Polen Ende der 1980er Jahre vor dem Hintergrund von Demokratisierungsprozessen abliefen. Die Untersuchung der wirtschaftlichen Reform- und Transformationsprozesse sollte daher nicht isoliert von den politischen Entwicklungen erfolgen.
1.3 Aufbau der Arbeit
Das zweite Kapitel befaBt sich mit der Entwicklung in Spanien und Polen im Vorfeld der beiden wirtschaftlichen Umgestaltungsprojekte, sowohl hinsichtlich des Wirtschaftswachstums und der Wirtschaftsstruktur als auch hinsichtlich der Zusammensetzung der Eliten. Mit Hilfe dieser Darstellung wird anschlieBend ein Vergleich der Ausgangssituation in beiden Uindem gezogen, der die Umgestaltungserfordemisse deutlich macht und schlieBlich wird ein theoretischer Rahmen fiir die Untersuchung der wirtschaftlichen Reform- bzw. Transformationsprojekte erstellt.
Das dritte Kapitel behandelt das Zustandekommen der jeweiligen Umgestaltungsprogramme unter Einbeziehung der parallel ablaufenden Demokratisierungsprozesse. Ftir die Untersuchung des zu Beginn verabschiedeten wirtschaftlichen Reformprogramms in Spanien, welches tiber einen Allparteienkonsens zustandekam, wurden Unterlagen aus dem Privatarchiv von Prof. Lluch16 aus Barcelona verwendet. Es wird dabei im einzelnen betrachtet, wie eine Einigung zu Teilbereichen erzielt werden konnte oder ausblieb. In Polen, wo kein vergleichbarer ProzeB bei der Ausarbeitung des wirtschaftlichen Programms stattfand, wird versucht, anhand von Hinweisen aus der Sekundarliteratur zu erlautem, wie Entscheidungen tiber Teilaspekte des Programms zustandekamen. Daran schlieBt sich ein Vergleich zwischen den Prozessen, die zur Ausarbeitung wirtschaftlicher Umgestaltungsprogramme fiihrten, an.
1m vierten Kapitel wird zum einen untersucht, inwieweit die beschlossenen Umgestaltungsprogramme im weiteren Veri auf von den einzelnen Regierungen in Spanien und
15 In der politischen Transitionsforschung, deren Hauptuntersuchungsgegenstand Demokratisierungsprozesse sind, wird zwischen modernisierungstheoretischen und akteurstheoretischen Ansatzen unterschieden. Wahrend die Modernisierungstheorie im wesentlichen strukturelle Voraussetzungen zur ErkIarung von Demokratisierungsprozessen heranzieht, stiitzt sich die Akteurstheorie auf das strategische Handeln der an den Prozessen beteiligten Akteure. Vgl. Bos, E. (1994): Die Rolle von Eliten und kollektiven Akteuren in Transitionsprozessen, in: Merkel, W. (Hrsg.): Systemwechsel I, S. 81 f.
16 Prof. Lluch hatte an den Verhandlungen zu der Vereinbarung teilgenomrnen. Die Unterlagen umfassen das Programrn, das Ausgangspunkt der Verhandlungen war, im Verhandlungsablauf iiberarbeitete Versionen des Programms sowie Vorschlage einzelner Parteien zu speziellen Punkten hierin. Die Dokumente sind aufgefiihrt unter "Acuerdos de la Moncloa".
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in Polen umgesetzt wurden und we1che WidersUinde dabei auftraten. Wiederum werden politische Entwicklungen in die Untersuchung einbezogen. Zum anderen werden auBere Einfltisse auf die Umsetzung betrachtet. In Spanien wird in diesem Zusammenhang der EinfluB der Verhandlungen zum EG-Beitritt sowie des erfolgten EG-Beitritts auf den wirtschaftlichen ReforrnprozeB untersucht, in Polen wird dagegen der EinfluB von seiten intemationaler Organisationen und der EG betrachtet. Danach wird in einem Vergleich, der Unterschiede und Parallelen sowohl innerhalb der Lander im Zeitablauf als auch zwischen den Landem umfaBt, herausgestellt, we1che Faktoren eine erfolgreiche Umsetzung der Programme fOrderten und we1che hemmend wirkten. Der Vergleich erstreckt sich dabei auch auf die auBeren Einfltisse, und es wird speziell fUr den Fall Polens untersucht, we1che Unterschiede zwischen den intemationalen Organisationen und den EG bestanden.
Das fUnfte Kapitel untersucht anhand der auBenwirtschaftlichen Entwicklung und Veranderungen auf dem Arbeitsmarkt, inwieweit sich Veranderungen in der Funktionsweise der polnischen unci spanischen Wirtschaft nach Einsetzen der wirtschaftlichen Umgestaltung abzeichneten. Das abschlieBende sechste Kapitel greift nochmals die aus der Betrachtung des zweiten Kapitels gewonnenen Erkenntnisse auf und erlautert ihre Bedeutung fUr die Bestatigung von Teilergebnissen der Untersuchung.
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2 Ausgangsbedingungen und Entwicklung der Wirtschaftsstruktur im Vorfeld
Die folgende Betrachtung dient dazu, anhand der wirtschaftlichen Entwicklung in Spanien und in Polen im Vorfeld der Programmdiskussion und -verabschiedung die Umgestaltungserfordemisse aufzuzeigen. In beiden Uindem waren in dieser vorgelagerten Phase Anderungen aufgetreten, die, indem sie die Wirkungsweise und die Struktur der Wirtschaft beeinfluBten, das Spektrum und das AusmaB der zu ergreifenden MaBnahmen bestimmten.
2.1 WirtschaftIiche Liberalisierung in einem autoritiiren System: Vom Ende der Autarkiepolitik bis zum Tode Francos
2.1.1 Autarkiepolitik und Ansiitze zum Wechsel der wirtschaftspolitischen Strategie
In der unter dem autoritaren Francoregime verfolgten wirtschaftspolitischen Strategie fand mit einem 1959 eingefiihrten wirtschaftlichen Stabilisierungsplan eine grundlegende Wende statt. Sie bedeutete eine Abkehr von der seit dem Ende des Btirgerkriegs in Spanien im Jahr 1939 angestrebten wirtschaftlichen Autarkie und eine Hinwendung zu einer liberaleren Wirtschaftspolitik. Dieser Schritt tiberraschte insofem, als die im Stabilisierungsplan enthaltene wirtschaftliche Liberalisierung teilweise im Widerspruch zu den yom autoritaren Regime verfolgten politischen Zielen stand.'
I Vgl. Fuentes Quintana, E. (l984a): El Plan de Estabilizaci6n econ6mica, in: Informacion Comercial Espanola, S. 25.
Die Autarkiebestrebungen gingen einher mit einer bis Ende der 1950er Jahre verfolgten, strikten Importsubstitutionspolitik.2 Trotz einer durchschnittlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von rund 5 % in den 1950er Jahren, die im wesentlichen auf das einsetzende Wachs tum in der Industrie nach der Stagnation in den 1940er Jahren und die Abwanderung von Arbeitskraften aus den landlichen Regionen in die Stadte zuriickzufiihren war,3 befand sich die spanische Wirtschaft Ende der 1950er Jahre in einer Krise. In den Jahren 1958/59 stagnierte die Industrieproduktion und die spanischen Devisenreserven beliefen sich Anfang 1959 auf gerade einmal 60 Mio. US_$.4 Eine Ursache fiir die Krise kann in der starken Abschottung der spanischen Industrie als Resultat der Importsubstitutionspolitik gesehen werden. 1m Jahr 1958 stammten 94 % des spanischen Konsumgiiterangebots, 82 % des Angebots an Halbfertigwaren und 71 % des Angebots an AusrUstungsgiitern aus inHindischer Produktion.5 Andererseits lag der Anteil der spanischen Exporte von Fertigwaren an der Produktion im selben Jahr nur bei 3 %, was die mangelnde internationale Wettbewerbsfahigkeit der spanischen Industrie unterstrich. Dafiir sprach auch das starke Wachstum des Welthandels mit Fertigwaren im Verlauf der 1950er Jahre, wobei hier die Zunahme des innereuropaischen Handels besonders ausgepragt war.
Neben der angespannten Zahlungsbilanzsituation war die Inflation ein weiteres Element der Krise. Die Lebenshaltungskosten in Spanien waren 1958 urn annahernd 14 %
gestiegen. Das war nicht zuletzt darauf zUrUckzufiihren, daB bis Ende der 1950er Jahre weder der politische Wille noch die M6glichkeiten fiir eine aktive Geldpolitk bestanden.6 Der Zentralbankprasident unterstand der direkten Aufsicht durch den Finanzminister. Die fehlende Kontrolle der Geldmenge resultierte aus der bis 1959 bestehen den M6glichkeit, budgetare und auBerbudgetare Defizite unbegrenzt durch staatliche Schuldverschreibungen zu finanzieren, die wiederum bei der Zentralbank redis-
2 Mit den Gesetzen "tiber den Schutz und die Entwicklung der heimischen Industrie" und "tiber die Regulierung und Verteidigung der heimischen Industrie" aus dem Jahr 1939 wurden umfangreiche Vergiinstigungen fiir staatliche und private Unternehmen von "nationalem Interesse" eingeraumt, die sich im Gegenzug verpflichten muBten, ausschlieBlich Rohstoffe und Vorprodukte aus dem Inland -soweit verfiigbar - zu verwenden. Vgl. Lieberman, S. (1995): Growth and crisis in the Spanish economy: 1940-93, S. 29f.
3 Der Index der Industrieproduktion stieg von 1950 bis 1958 auf das 1,9-fache und zeigte damit ein ahnlich rapides Wachstum wie der westdeutsche Index der Industrieproduktion, der auf das 2,I-fache anstieg. Vgl. Garda Delgado, J. L. (1991): La industrializaci6n y el desarollo econ6mico de Espana durante el Franquismo, in: Nadal, J.; Carreras, A.; Sudria, C. (Hrsg.): La economfa espanola en el siglo XX, S. 169, 171ff.
4 Vgl. Lieberman, S. (1995): Growth and crisis in the Spanish economy: 1940-93, S. 50. S Vgl. Donges, J. B. (1976): La industrializaci6n en Espana, S. 155ff. 6 Vgl. Merig6, E. (1982): Spain, in: Boltho, A. (Hrsg.): The European economy. Growth and crisis,
S.562.
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kontiert werden konnten. In der Statistik tauchten die rediskontierten staatlichen
Schuldverschreibungen dann als Zentralbankkredite an private Finanzinstiutionen auf. 1m Zeitraum 1951 bis 1959 emittierte der Staat kurzfristige Papiere im Wert von 22
Mrd. Pta, die ausschlieBlich zur Finanzierung der Investitionen des Instituto Nacional de Industria (INI) dienten.7 Das 1941 gegriindete INI spielte eine wichtige Rolle in der spanischen Industriepolitik und verfolgte bis 1970 im wesentlichen das Ziel, die Industrieproduktion zu steigern, wobei es sich durch die wachsende Anzahl an Unterneh
mensbeteiligungen immer mehr zu einer Staatsholding entwickelte.8
Vor der Verabschiedung des Stabilisierungsplans kam es im Rahmen der Kabinetts
umbildung von 1957 zu personellen Umbesetzungen in wichtigen wirtschaftspolitischen Ftihrungspositionen.9 Die Leitungen der Banco de Espana, des Finanz-, des Handels- und des Wirtschaftsministeriums, die zuvor von Beftirwortern der Autarkiepolitik besetzt waren, gingen dabei an auBerhalb von Francos Nationaler Bewegung stehende Wirtschaftswissenschaftler. 1o Mit Ullastres Calvo als Handels- und Navarro Rubio als Finanzminister gelangten zwei AngehOrige der katholischen Laienbruderschaft Opus Dei an die Spitze der wirtschaftspolitischen Instanzen. ll Dartiber hinaus wurden weitere Mitglieder in wirtschaftspolitisch wichtige Positionen berufen, beispiels weise L6pez Rod6 als technischer GeneralsekreUir eines 1957 aufgebauten Planungsstabes l2 und spaterer Leiter des Stabilisierungsplans. In der Wirtschaftspolitik sprachen sich die Mitglieder des Opus Dei ftir eine auBenwirtschaftliche bffnung und einen funktionierenden Marktpreismechanismus aus,13 politisch untersttitzten sie je
doch das autoritare Regime. Ais religiOse Gruppe war das Opus Dei zudem ftir Franco
7 Vgl. Fontana, J.; Nadal, J. (1980): Spanien 1914-1970, in: Cipolla, C. M.; Borchardt, K. (Hrsg.): Die europaischen Volkswirtschaften im zwanzigsten Jahrhundert, S. 366.
g Vgl. Schwartz, P.; Gonzalez, M.-G. (1978): Una historia del Instituto Nacional de Industria (1941-1976), S. 2f.
9 Vgl. Fuentes Quintana, E. (l984a): El Plan de Estabilizacion economica, S. 25f. 10 Vgl. Bernecker, W. L. (I 984b): Spaniens Geschichte seit dem Btirgerkrieg, S. Iliff. Der vorherige Handelsminister war aufgrund der zunehmenden Korruption im Handelsministerium in die Offentliche Kritik geraten. Vgl. Payne, S. G. (1996): Gobierno y oposicion (1939-1969), in: Carr, R. (Hrsg.): La epoca de Franco (1939-1975), (Historia de Espana Menendez Pidal, Bd. 41), S. 85f.
II Vgl. Anderson, C. W. (1970): The political economy of modern Spain. Policy making in an authoritarian system, S. 107.
12 Das Secretarfa General Tecnica de la Presidencia del Gobierno war der Staatskanzlei zugeordnet und haue die Aufgabe, die 1957 eingeleitete Verwaltungsreform zu koordinieren. Vgl. Zelinsky, U. (1984): Spaniens wirtschaftspolitische Wende von 1959: Vorgeschichte, Determinanten, Durchsetzungsstrategie, in: Waldmann, P.; Bernecker, W. L.; Lopez-Casero, F. (Hrsg.): Sozialer Wandel und Herrschaft im Spanien Francos, S. 292f.
\3 Vgl. Anderson, C. W. (1970): The political economy of modern Spain. Policy making in an authoritarian system, S. 104f.
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tiber den Verdacht des politis chen Liberalismus erhaben. Dieser weitreichende Ftih
rungswechsel fOrderte die zielstrebige Vorbereitung und spatere Durchsetzung des Stabilisierungsplans.
Die personelle Veranderung fUhrte auch zu einer engeren Zusammenarbeit mit inter
nationalen Organisationen. 1m April 1958 ersuchte Spanien bei der Weltbank und dem Intemationalen Wahrungsfonds (IWF) urn technische Unterstiltzung bei der Ausarbei
tung eines Programms zur Bekampfung der Krise. Nachdem die Gewahrung von einem vorherigen Beitritt abhlingig gemacht worden war, trat Spanien im September 1958 dem IWF und der Weltbank bei.14 1m Verlauf des Jahres 1958 verhandelte die spani
sche Regierung mit der Organisation fUr wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) tiber ein multilaterales Handelsabkommen. 15 Die OEEC machte dabei eine Ausweitung der gegenseitigen Beziehungen davon abhangig, daB die spanische Regierung entscheidende MaBnahmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung einleitete. Ein bedeutcnder EinfluB auf die Bereitschaft zur Verabschiedung eines Stabilisierungsprogramms ging
auBerdem von der Griindung der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) aus. 16
Dadurch verstarkte sich in Spanien die Auffassung, daB ein Festhalten an der Autarkiepolitik die Isolation Spaniens von den anderen westeuropaischen Landem verstarken und damit die wirtschaftliche Entwicklung behindem wiirde. Deutlich wurde die verandcrte Haltung in einem von der spanischen Regierung am 30. Juni 1959 an den IWF und die OEEC iibermittelten Memorandum, in dem sie die Absicht erklarte, "der Wirtschaftspolitik eine neue Richtung zu geben mit dem Ziel, die spanische Wirtschaft an die Lander der westlichen Welt anzupassen und sie von den aus der Vergangenheit stammenden Eingriffen zu befreien, die nicht in Ubereinstimmung mit den Notwendigkeiten der bestehenden Situation stehen".17 Der in Ubereinkunft mit dem IWF und der OEEC ausgearbeitete Stabilisierungsplan wurde durch Finanzhilfen18 in Hohe von 544 Mio. US-$ gestiitzt. 19
14 Vgl. Fuentes Quintana, E. (I 984a): EI Plan de Estabilizacion economica, S. 33. 15 Vgl. Muns, J. (1984): Historia de las relaciones entre Espana y el Fondo Monetario Internacional
1958-1982, S. 35f. 16 V gl. Garcia Delgado, J. L. (1991): La industria1izacion y el desarrollo economico de Espana durante el Franquismo, S. 175.
17 Memorandum del Gobierno Espanol al Fondo Monetario Internacional y a la Organizacion Europea de Cooperacion Economica, S. 327, abgedruckt in: Muns, J. (1984): Historia de las relaciones entre Espana y el Fondo Monetario InternacionaI1958-1982, S. 326-336.
18 Neben dem IWF und der OEEC stellte auch die Regierung der USA Mittel bereit. 19 Vgl. Muns, J. (1984): Historia de las relacioncs entre Espana y el Fondo Monetario Internacional
1958-1982, S. 38.
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2.1.2 Der Stabilisierungsplan von 1959 ond seine Foigen
1m Juli 1959 wurde ein weitreichender Stabilisierungsplan von der spanischen Regierung verabschiedet. Ein Teil des Plans umfaBte MaBnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft, die im wesentlichen den Abbau der UberschuBnachfrage zum Ziel hatten. Das Budgetdefizit des Staates wurde durch Ausgabenkiirzungen einerseits und durch EinfUhrung neuer Steuem, im wesentlichen auf Erd61, und Zolle andererseits stark verringert.20 Der Schwerpunkt des Stabilisierungsplans lag jedoch auf strukturellen MaBnahmen, die auf Drangen des IWF und der OEEC in das Programm aufgenommen worden waren. Die umfangreichsten Anderungen ergaben sich im Bereich des Au Benhandels und der Wahrungspolitik. Als erste Reformschritte wurden die Preiskontrollen fUr frei importierte Giiter, fUr die keine Gewinnspanne festgelegt war, abgeschafft, ebenso der Zuteilungsmechanismus fUr frei importierte Rohstoffe. Das System multipler Wechselkurse wurde durch einen einheitlichen Wechselkurs von 60 PtaJUS-$ ersetzt,21 was gleichzeitig eine durchschnittliche Abwertung urn rund 20 % bedeutete?2 Exportsteuem und Importsubventionen wurden in wenigen Fallen und dort nur tibergangsweise beibehalten. Beinahe die Halfte der Importe wurde liberalisiert und ein weiterer groBer Teil auf glob ale Importquoten umgestellt, auBerdem wurde der staatliche Importhandel, der bis dahin weit verbreitet war, auf Agrargtiter begrenzt. SchlieBlich wurde eine Arnnestie fUr Inlander mit Vermogensbestanden im Ausland bei Repatriierung binnen Halbjahresfrist sowie ein neues, wei taus liberaleres Gesetz tiber auslandische Investitionen erlassen.
1m AnschluB an die Verabschiedung des Stabilisierungsplans durchlief die spanische Wirtschaft eine Periode rasanten Wachstums, mit einer durchschnittlichen jahrlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von 7,4 % im Zeitraum 1960 bis 1973.23 Das Wirtschaftswachstum Spaniens in dies em Zeitraum wurde damit innerhalb der OECD nur von Japan tibertroffen und es lag deutlich tiber dem durchschnittlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der OECD-Lander von 4,9 %.24 1m selben Zeitraum kam es auBerdem zu einem rapiden Wandel der Beschaftigtenstruktur. Wahrend 1960 noch 42 % der Beschaftigten in der Landwirtschaft tatig waren, sank dieser An-
20Vgl. Merig6, E. (1982): Spain, S. 564f. 21 Da ein System multipler Wechselkurse gegen Artikel VIII des IWF-Vertrags verstieB, bestand der
IWF auf seiner Abschaffung. Vgl. Varela, M. (1990): EI Plan de Estabilizaci6n como yo 10 recuerdo, in: Informacion Comercial Espanola, S. 47.
22 Vgl. Merig6, E. (1982): Spain, S. 564, Fn. 8. 23 Vgl. Vazquez Garda, J. A. (1993): Regiones de tradici6n industrial en declive: la comisa cantabrica,
in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.): Espana, econornia, S. 972. 24 Vgl. OECD (Hrsg.) (1991): Historical statistics 1960-1989, S. 48.
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teil bis 1973 auf 24 %?5 Sowoh1 in der Industrie a1s auch im Baugewerbe war 1edig1ich ein 1eichter Anstieg des Beschaftigtenantei1s urn 1,5 bzw. 2,3 Prozentpunkte zu verzeichnen, es fand jedoch ein deutlicher Zuwachs bei den Dienstleistungen von 28 % im Jahr 1960 auf 43 % im Jahr 1973 statt. Zwei Faktoren sind ftir die Erklarung des Wande1s in der Beschaftigungsstruktur hervorzuheben. Zum einen schuf das massive, deutlich tiber dem allgemeinen Wirtschaftswachstum 1iegende Wachstum des ausHindischen Tourismus in Spanien26 in groBem Urnfang Arbeitsp1atze im Bereich Dienst-1eistungen?7 Zum anderen wurde durch die Emigration spanischer Arbeitskrafte, tiberwiegend in andere westeuropaische Lander, der Abbau der Beschaftigung in der Landwirtschaft ohne das Auftreten massiver Arbeits10sigkeit ermog1icht. 28 Dartiber hinaus stell ten die sowoh1 durch den aus1andischen Tourismus als auch durch die spanischen Emigranten zuflieBenden Devisen einen GroBteil der spanischen Deviseneinnahmen dar und damit das wesentliche Element zur Finanzierung des typischerweise negativen Hande1sbilanzsa1dos?9
Es besteht weitgehende Ubereinstimmung in der Einschatzung, daB der Stabilisierungsplan die Grundlage fUr das rasante Wachs tum der spanischen Wirtschaft in den 1960er Jahren schuf und daB die 1964 einsetzenden Bestrebungen der WachstumsfOrderung in Gestalt der Entwicklungsplane demgegentiber ein potentiell eher noch hoheres Wachstum verhinderten.30 Bereits 1962 begann die Vorbereitung des ersten von drei Entwicklungsplanen31 , die sich in ihrem Aufbau stark an die in Frankreich
25 Vgl. Banco Bilbao (1986): Informe economico 1985, S. 256; Banco Bilbao Vizcaya (1994): Informe economico 1993, S. 217.
26 Die Zahl der ausHindischen Touristen stieg im Zeitraum von 1960 bis 1973 auf mehr als das Fiinffache, die Deviseneinnahmen in US-$ stiegen auf mehr als das Zehnfache im selben Zeitraum. Vgl. Secretarfa General de Turismo (Hrsg.) (1990): Anuario de estadfsticas de turismo. Ano 1989, S. 516f.
27 Fiir den Zeitraum von 1960 bis 1968 wurde die Zunahme der ArbeitspHitze auf 400000 geschatzt. Vgl. Cals i Giiell, 1. (1974): Turismo y poiftica turfstica en Espana, S. 121.
28 Die offizielle Zahl der Emigranten in den I 960er lahren in Spanien betrug 711 000 Personen. Vgl. Fuentes Quintana, E. (l993a): Tres decenios largos de la economfa espanola en perspectiva, in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.): Espana, economfa, S. 26. Eine andere Angabe beziffert die Zahl der Emigranten fur den selben Zeitraumjedoch mit 1,5 Mio. Personen. Vgl. Bernecker, W. L. (l984a): Ein Interpretationsversuch: Franquismus - ein autoritares Modernisierungsregime? S. 415.
29 Der Anteil, zu dem die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus das Handelsbilanzdefizit abdeckten, betrug fur die Fiinfjahreszeitraume 1959-1963, 1964-1968 und 1969-1973 jeweils 97 %, 70 % und 96 %. Vgl. Ministerio de Comercio (Hrsg.): Balanza de Pagos de Espana, verschiedene lahrgange. Die privaten Transfers aus dem Ausland lagen im selben Zeitraum im Verhaltnis zu den Deviseneinnahmen aus dem Tourismus bei ungef<ihr 40 %. Vgl. Alonso, J. A. (1993): EI sector exterior, in: Garcfa Delgado, J. L. (Hrsg.): Espana, economfa, S. 435, 440.
30 V gl. Fuentes Quintana, E. (I 993a): Tres decenios largos de la econornfa espanola en perspectiva, S.7f.
31 Planes de Desarrollo Economico y Social
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praktizierte indikative Planung anlehnten und zusammen den Zeitraum von 1964 bis 1975 umfaBten.32 Der Umfang und die Struktur des Staatshaushalts wurden in diesen
PHinen flir den Planungszeitraum festgeschrieben. Sie waren flir die private Wirtschaft als Orientierung gedacht, flir den Staat hingegen verbindlich. Doch einerseits konnte die vorgeschriebene Verbindlichkeit krasse Abweichungen von den PlangrOBen, die
bereits im ersten Entwicklungsplan von 1964 bis 1967 auftraten, nicht verhindem. Andererseits ging die indikative Planung mit einem Riickschritt in der Wirtschaftspoli
tik einher, der sich in der versUirkten Subventionierung privater Industriebetriebe, vor
allem in den Bereichen Chemie, Stahl und Schiffbau ausdruckte. 33 Die den EntwicklungspHinen zugrundeliegenden Bestrebungen, das Infragestellen und Verzogem des wirtschaftlichen Liberalisierungsprozesses, hatten ihren Ursprung in einem wieder auflebenden Autarkiedenken?4 1m wirtschaftlichen Bereich wurde dieses durch die Interessengruppen vertreten, die von der Autarkiepolitik am starks ten profitiert hatten, im politis chen Bereich durch die Teile des Regimes, die seinen Fortbestand durch den
im Rahmen der Liberalisierung auftretenden Verlust an direkter Kontrolle gefiihrdet sahen.35 Das Aushohlen der im Stabilisierungsplan festgelegten Liberalisierung fand auf drei Ebenen statt: erstens durch die bereits fruh einsetzende Unterbrechung des Zollabbaus, zweitens durch den Versuch, die Importliberalisierung zu stoppen, der zwar keinen durchschlagenden Erfolg hatte, aber zu einer Verlangsamung des Liberalisierungsprozesses flihrte. 36 Drittens wurde die Umsetzung von MaBnahmen behindert, die grundlegend flir den Ubergang zu einem liberalen marktwirtschaftlichen System waren. Dies flihrte dazu, daB weder die notwendige Flexibilisierung des starren Ar
beitsmarktes, noch die konsequente Liberalisierung des Finanzsystems, noch die Einflihrung eines flexiblen, effizienten und verteilungsgerechten Steuersystems stattfand.
32 Vgl. Tamames, R. (1990): Los Planes de Desarrollo, S. 59. 33 Vgl. Lieberman, S. (1982): The contemporary Spanish economy, S. 216f. 34 Vgl. Fuentes Quintana, E. (1993a): Tres decenios largos de la economfa espanola en perspectiva,
S.23f. 35 Es wird sogar die Meinung vertreten, daB eine bewuBte Verzerrung der Wirtschaft stattgefunden
habe, urn notwendige politische Reformen, die einen MachtverIust bedeuten konnten, zu vermeiden. Gonzalez, M J. (1979): La economfa polftica del franquismo, 1940-1970, zit. nach: Fuentes Quintana, E. (1993a): Tres decenios largos de la economfa espanola en perspectiva, S. 23.
36 Vgl. Alonso, J. A. (1993): El sector exterior, S. 388f.
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Der ausgepragte Interventionismus des spanischen Staates sttitzte sich im wesentlichen auf Regulierungen und nicht auf den Einsatz finanzieller Ressourcen.37 Dies auBerte sich in einem geringen Anteil der Staatsausgaben am Volkseinkommen.38 Dieser Umstand erklart sich aus der im internationalen Vergleich untergeordneten Rolle des Staates in der Bereitstellung offentlicher Giiter. So war beispielsweise das spanische Bildungssystem tiberwiegend in kirchlicher Hand. 1m Vergleich zu anderen westlichen Industrielandern lag in Spanien der Anteil der Staatsausgaben am Volkseinkommen deutlich niedriger. Wahrend er in Spanien nach verschiedenen Schatzungen von 11 bzw. 15 % Ende der 1950er Jahre auf l7 bzw. 21 % Anfang der 1970er Jahre stieg, lag er in anderen Landern wie den USA, Frankreich, GroBbritannien und der Bundesrepublik Deutschland Ende der 1950er Jahre zwischen 31 und 52 %, Anfang der 1970er Jahre zwischen 34 und 50 %.39 Die Festlegung der Staatsausgaben lag im wesentlichen bei den einzelnen Ministerien - hier nahm das Finanzrninisterium eine herausragende Rolle ein, und weder der Ministerrat noch Franco selbst griffen in die durch gegenseitige Vereinbarung zwischen den Ministerien erarbeitete Budgetplanung in nennenswertem Urnfang ein.40 Ebensowenig existierte eine institutionalisierte Form der EinfluBnahme durch Interessengruppen auf die Budgetplanung. Die Moglichkeit der EinfluBnahme blieb auf personliche Verbindungen beschrankt und betraf tiblicherweise Entscheidungen von untergeordneter Bedeutung. Durch die relative Autonornie der Ministerien in der Budgetplanung sollte ihre Politisierung verhindert und darnit die Stabilitat des Regimes sichergestellt werden. Die wichtigste Institution, durch die der Staat direkt in das Wirtschaftsgeschehen eingriff, war das oben erwahnte INI.
1m Marz 1961 traf eine Gruppe von Experten der Weltbank in Spanien ein, die auf Bitten spanischer Wirtschaftspolitiker die Probleme der spanischen Wirtschaft untersuchte und Ansatze fUr eine geeignete Entwicklungsstrategie ausarbeitete, die in den ersten Entwicklungsplan von 1963 Eingang find en sollten.41 Ihr im August 1962 erschienener Bericht sprach sich fUr eine weitreichende Liberalisierung aus und kritisierte expJizit die Funktionsweise der offentlichen Unternehmen in Spanien und darnit
37 Vgl. Serrano Sanz, J. M.; Costas Comesana, A. (1990): La reforma del marco institucional, S. 508. 38 Vgl. Comin, F. (l993a): Las administraciones publicas, in: Garda Delgado, J. L. (Hrsg.): Espana,
economia, S. 553ff. 39 Vgl. Garcia Delgado, 1. L.; Jimenez, J. C. (1996): La economia, in: Carr, R. (Hrsg.): La epoca de
Franco (1939-1975), (Historia de Espana Mendez Pidal, Bd. 41), S. 503. 40 Vgl. Gunther, R. (1984): Okonomische Planung in einem autoriHiren System, in: Waldmann, P.;
Bernecker, W. L.; L6pez-Casero, F. (Hrsg.): Sozialer Wandel und Herrschaft im Spanien Francos, S. 307, 31Of.
41 Vgl. Schwartz, P.; Gonzalez, M.-G. (1978): Una historia del Instituto Nacional de Industria (1941-1976), S. 93f.
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die Politik des INI. Insbesondere wurde in dies em Zusammenhang eine Gleichstellung offentlicher und privater Untemehmen gefordert. Die Experten auBerten dariiber hinaus die Ansicht, daB "das INI in keinem Sektor tatig werden darf, in dem Plane privater Untemehmen zum Eintritt vorliegen.'.42 1m Gesetz zum ersten Entwicklungsplan wurde jedoch folgende Bestimmung festgelegt: "Die Regierung darf sich die Einschatzung der Unzuliinglichkeit privater Initiative und die M6glichkeit, diese durch staatliches Handeln auszugleichen, unter anderem in dem Fall vorbehalten, in dem jene [die private Initiative, Anm. d. Verf.] in einem bestimmten Sektor die vorgegebenen, indikativen Ziele des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungsplans nicht erreicht. ,,43 Zwar wurden die direkten Interventionsmoglichkeiten des INI durch die Gesetze zum ersten Entwicklungsplan eingeschrankt, aber beispielsweise die Finanzierung iiber zinsvergiinstigte Anleihen, deren Abschaffung von der Weltbank gefordert worden war, als Instrment der Industriepolitik beibehalten.44 Die Emission von Anleihen diente damit weiterhin als Hauptfinanzierungsinstrument des INI.45 Die Anleihen wurden im wesentlichen von den Sparkassen und der Sozialversicherung erworben, wozu diese Institutionen per Gesetz bis zu einer bestimmten Hohe verpflichtet waren. Die Mittel wurden als Kredite zu geringen Zinsen - urn 6 % p.a. - hauptsachlich an private Untemehmen im Kohlebergbau und der Eisenhiittenindustrie vergeben.46
Die von seiten des INI erfolgte Unterstiitzung trug mit dazu bei, daB die Industrieproduktion in bestimmten Sektoren besonders stark stieg. Wahrend der Index der Industrieproduktion auf Basis 1962 fUr die gesamte verarbeitende Industrie bis 1973 auf 335 gestiegen war, verzeichnete er mit einem Wert von 486 fUr die Eisen- und Stahlindustrie, von 473 fUr die metallverarbeitende Industrie und von 522 fUr die Transportmittelindustrie47 weit iiberdurchschnittliche Zuwachse.48 In der Schiffbauindustrie, die in den meisten J ahren Verluste erwirtschaftete, stieg die Beteiligung des INI von 40 %
im Jahr 1966 auf 95 % im Jahr 1972, was einer Verstaatlichung dieses Sektors gleich-
42 Banco Internacional de Reconstrucci6n y Desarrollo (1962): Informe del -. EI desarrollo econ6mico de Espana, S. 193.
43 Artikel 4, Absatz 2 des Ley 19411963 vom 28. Dezember 1963, zit. nach: Schwartz, P.; Gonzalez, M.-G. (1978): Una historia del Instituto Nacional de Industria (1941-1976), S. 99f.
44 Vgl. Schwartz, P.; Gonzalez, M.-G. (1978): Una historia del Instituto Nacional de Industria (1941-1976), S. I02f.
45 Vgl. ebenda, S. 119-122. 46 Die Schwerpunktsetzung in Spanien auf die Schwerindustrie weist damit eine Parallele zur Industrie
politik in den sozialistischen Uindern auf. 47 Der Schiffbau als wichtiger Teil der Transportmittelindustrie verzeichnete einen geringfugig h6heren
Zuwachs. 48 Vgl. Instituto Nacional de Estadfstica (Hrsg.) (1975): Espana. Anuario estadfstico 1975, S. 110-115.
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kam.49 Auch im Bergbau war das INI an mehreren Unternehmen beteiligt. Im April 1966 unternahm das INI eine Rettungsaktion des Bergbauunternehmens Hunosa, welches sich durch die typischen Probleme dieses Sektors auszeichnete: Uberalterung der Anlagen, tiberfltissige Maschinen, zu geringe Investitionen und geringen Ertrag.50 In der Folgezeit erwirtschaftete Hunosa zunehmend Verluste, die nominal von 390 Mio. Pta im Jahr 1967 auf 6 479 Mio. Pta im Jahr 1975 stiegen. Die Schwerpunktsetzung in der Politik des INI spiegelte sich in der Entwicklung der Anteile ihrer Aktienbeteiligungen wider.5! Der Anteil der Beteiligungen im Sektor Bergbau, Stahlerzeugung und -verarbeitung stieg von 5 % im Jahr 1950 und 37 % im Jahr 1960 auf 42 % im Jahr 1970. Im AnschluB daran war er wieder riicklaufig.
Die im Stabilisierungsplan festgelegte Liberalisierung des AuBenhandels wurde mit den Entwicklungsplanen abgeschwacht und teilweise sogar umgekehrt. Ein wichtiges Instrument war in dies em Zusamrnenhang die 1964 eingefUhrte "Kompensationssteuer fUr interne Belastungen,,52 (ICGI), die als Multiphasensteuer konzipiert war, also je
nach Verarbeitungsgrad der Produkte variierte.53 Das System, nach dem diese Steuer erhoben wurde, war so untibersichtlich, daB es den BehOrden viel Spielraum fUr die Festsetzung gab; Schatzungen tiber den Protektionseffekt der ICGI lagen zwischen 20 % und 40 % an der gesamten Protektion. Auch der durchschnittliche Zollsatz, der von 16,5 % im Jahr 1960 auf 9,8 % im Jahr 1965 gesunken war,54 stieg erneut auf 11,6 % im Jahr 1967.55
Mit Einsetzen der ersten Olkrise 1973 war auch die spanische Wirtschaft mit groBeren Problemen konfrontiert, die wahrend der Boomphase noch nicht offensichtlich waren und nun einige Schwachen der spanischen Wirtschaft enthtillten. Direkt mit dem sprunghaften Anstieg der Energiepreise war die hohe Abhangigkeit der spanischen Wirtschaft von Energierohstoffimporten erkennbar geworden. 56 Gleichzeitig waren spanische Exporte einem wachsenden Wettbewerbsdruck seitens der Schwellenlander ausgesetzt. Dies geschah tiberwiegend in Bereichen, wie beispielsweise dem Schiffbau
49 Vgl. Martin Acena, P; Comfn, F. (1991): INI: 50 an os de industrializaci6n, S. 398ff. 50 Vgl. ebenda, S. 375, 380. 51 Vgl. ebenda, S. 47. 52 Impuesto de Compensaci6n de Gravamenes Interiores 53 Vgl. Alonso, J. A. (1993): El sector exterior, S. 388. 54 Eine Zollsenkung war nicht im Stabilisierungsplan enthalten, wohl aber die Verpflichtung zur Aus
arbeitung eines neuen Zollsystems, welches im Mai 1960 in Anlehnung an die intemationale Klassifikation als Gesetz verabschiedet wurde. Vgl. Alonso, J. A. (1993): EI sector exterior, S. 387.
55 Vgl. Antonio Alonso, J. (1993): El sector exterior, S. 389. 56 Vgl. Garcia Delgado, 1. L. (1991): La industrializaci6n y el desarollo econ6mico de Espana durante el
franquismo, S. 184f.
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und der Eisen- und Stahlerzeugung, in den en ausHindische Technologie eingesetzt worden war, ohne parallel laufende Anstrengungen in der Weiterentwicklung der Technologie. AuBerdem war der spanische Arbeitsmarkt durch besonders starre Regelungen gekennzeichnet. Entlassungen konnten nur gegen erhebliche Entschadigungszahlungen vorgenommen werden, und es existierten weitreichende Kiindigungsschutzbestimmungen.57 Dies wurde insbesondere durch politisch motivierte, iibersteigerte Tarifabschliisse seit 1970 zu einem Problem flir die spanischen Untemehmen. Das Versaurnnis der Regierung, bei Einsetzen der Krise MaBnahmen zu ergreifen, flihrte dazu, daB sich die wirtschaftlichen Probleme bis zur Diskussion und Verabschiedung des Reformprogramms 1977 immer weiter verscharften. Neben der Hinnahme hoher Tarifabschliisse, die als untere Richtmarke die Inflationsrate des Vorjahres heranzogen und damit die Inflationstendenzen verscharften, war ein herausragendes Merkmal der spatfranquistischen Wirtschaftspolitik die mangelnde Weitergabe der gestiegenen Energiepreise an die inlandische Wirtschaft, was - entgegen der Tendenz in den anderen westeuropaischen Industrielandem - zu einem weiteren Anstieg des Treibstoffverbrauchs in Spanien flihrte.58 Unterstiitzt wurde diese Fehlentwicklung durch die Beibehaltung der Forderung besonders energieintensiver Sektoren, wie der Petrochemie und der Aluminiumindustrie.
1m Rahmen der wirtschaftlichen Modemisierung im AnschluB an den Stabilisierungsplan fand auch eine teilweise Liberalisierung des spanischen Bankensektors statt. Bis 1962 unterlag der Zugang zum Banksektor der strikten staatlichen Kontrolle: Neugriindungen waren verboten, die ErOffnung von Filialen streng limitiert und die Aktiv- und Passivzinssatze administrativ so festgelegt, daB den Banken stetig wachsende Gewinne garantiert waren.59 Mit dem Rahmengesetz zur Ordnung des Kredit- und Bankwesens60
wurde 1962 eine starkere Kontrolle des Bankensektors durch die spanische Zentralbank und die Moglichkeit zur Neugriindung von Banken mit einem festgelegten Mindestkapital gewahrleistet. In diesem Zusammenhang wurde jedoch die Zwiespaltigkeit in der Haltung des Finanzministeriums gegeniiber dem im Stabilisierungsplan festge-
57 Vgl. Alshuth, S. (1994): Die internationale Wettbewerbsfahigkeit Spaniens, S. 134f. 58 Der Preis fur Rohal auf dem Weltmarkt hatte sich von 1973 bis 1977 beinahe verfunffacht, der inHin
disc he Preis fur Treibstoff stieg im selben Zeitraum jedoch gerade einmal urn das 1,4-fache. Wahrend in GroBbritannien, Deutschland und Frankreich der Bruttoverbrauch an ErdOi zuriickging, stieg er in Spanien bis 1977 urn 17 %. Vgl. Sudria, C. (1991): Un factor determinante: la energia, in: Nadal, J; Carreras, A., Sudria, C. (Hrsg.): La econornia espanola en el siglo XX. Una perspectiva historica, S. 349f.
59 Vgl. Cuervo, A. (1988): La crisis bancaria en Espana, S. 40f. 60 Ley de Bases de Ordenacion del Credito y la Banca
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legten Liberalisierungskurs deutlich.61 Denn gleichzeitig zur Starkung der Rolle der Zentralbank wurde diese direkt dem Finanzministerium unterstellt. Dies ftihrte zu einem zunehmenden Eingreifen des Staates in die Finanzautonomie der Kreditinstitute durch obligatorische Investitionskoeffizienten. So waren beispielsweise die Sparkassen verpflichtet, 60 % ihrer Mittel in staatliche Schuldverschreibungen oder in autorisierte, meist von groBen Untemehmen emittierte Anleihen zu investieren. Zusatzlich muBten sie 7 % der Mittel flir Wohnungsbaukredite und weitere 23 % flir verschiedene andere bevorzugte Finanzierungsbereiche bereitstellen. Auch die Geschiiftsbanken waren verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Mittel - 1969 erreichte er 22 % - in 6ffentlichen Anleihen anzulegen, deren Verzinsung deutlich unterhalb des Marktzinses lag. Insgesamt wurde in den 1960er lahren rund die Halfte der Finanzmittel durch das untiberschaubare System von Interventionsmechanismen verteilt. Weitere Liberalisierungsschritte erfolgten jedoch erst 1971, als die Spezialisierung der Banken und ihre geographische Ausweitung erm6g1icht wurde, sowie 1974, als mit dem Ziel einer Steigerung des inlandischen Bankenwettbewerbs die Zinssatze fUr Kredite mit einer Laufzeit tiber 2 lahren freigegeben wurden. Die privaten Banken, die insgesamt betrachtet am meisten yom Francoregime profitierten, sprachen sich einhellig gegen eine Offnung des spanischen Bankensektors gegentiber dem Ausland aus.62
Das geringe finanzielle Gewicht des Staates in der spanischen Wirtschaft war bedingt durch die Unzulanglichkeit des spanischen Steuersystems. Der Anteil der Steuereinnahmen am Bruttoinlandsprodukt war der niedrigste unter allen OECD-Staaten, wobei dieser sich tiberwiegend und in zunehmendem MaBe aus indirekten Steuem zusammensetzte.63 Da die Regierung weder entschieden gegen die verbreitete Steuerhinterziehung im Bereich der K6rperschaftsteuem vorging, noch ein leistungsfahiges System der personenbezogenen Einkommensteuer einflihrte, machten die direkten Steuem 1973 nur 18 % des Steueraufkommens aus. Zur Finanzierung der Staatseinnahmen griff die Regierung deshalb starker auf indirekte Steuem und dartiber hinaus auf Sozi-
61 Vgl. Merig6, E. (1982): Spain, S. 57lf. 62 Vgl. Holman, O. (1995): A short history of Spanish banking, S. 34f. Dabei lie13en sich unterschied
liche Positionen innerhalb der privaten Banken ausmachen, die sich aus ihrer Bedeutung in unterschiedlichen Perioden ableitete. Wahrend die baskischen Banken (Banco de Bilbao und Banco de Vizcaya), deren Kapital starker mit der Grundstoffindustrie verbunden war, in der Anfangsphase der Autarkiepolitik enger mit dem Regime verbunden waren, verlagerte sich der Schwerpunkt in den 1960er lahren hin zu den Madrider Banken (die beiden groBten waren Banesto und die Banco Central), die starker in den Aufbau einer Konsumgiiterindustrie investierten. Die beiden Gruppen unterschieden sich auch hinsichtlich ihrer Einstellung zur Rolle des Staates. Die baskischen Banken befiirworteten ein direktes Eingreifen des Staates, die Madrider Banken lehnten hingegen staatlichen Interventionismus und die Beanspruchung offentlicher Mittel durch das INI abo
63 Vgl. Merig6, E. (1982): Spain, S. 570f.
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alversicherungsabgaben zurUck. Dabei stieg der Anteil der Sozialversicherungsabgaben an den Staatseinnahmen von 22 % Mitte der 1950er Jahre auf 36 % im Jahr 1973.
1m Uberblick der wirtschaftlichen Entwicklung Spaniens und der Wirtschaftspolitik unter Franco wurde deutlich, daB als grundlegende Probleme weniger die im Zuge der Wirtschaftskrise aufgetretenen wirtschaftlichen Ungleichgewichte, sondern vielmehr die UnzuHlnglichkeit der wirtschaftspolitischen Institutionen anzusehen waren.64
2.2 Reformversuche in Polen seit Anfang der 1980er Jahre
Die unter der polnischen Regierung Gierek in den 1970er Jahren verfolgte wirtschaftliche Strategie einer gleichzeitigen Steigerung von Akkumulation und privatem Konsum war durch eine massive Kreditaufnahme und Importe aus dem westlichen Ausland finanziert worden.65 Dadurch konnte die bestehende Konsum- und Investitionsgiiterknappheit in der ersten Halfte der 1970er Jahre verringert werden. Ab der zweiten HaIfte der 1970er Jahre fUhrte die wachsende Verschuldung zusammen mit steigenden Zinsen zu einem Kurswechsel, der zum Ziel hatte, durch Einschrankungen im Konsum einen Aktivsaldo im AuBenhandel mit den HartwahrungsHindern zu erreichen, urn so die Kreditwtirdigkeit diesen Uindern gegentiber wiederherzustellen. Die Umsetzung des Konzepts scheiterte jedoch am Widerstand der streikenden Arbeiterschaft. Der Rtickgang der westlichen Importe fUhrte aufgrund der hohen Importabhangigkeit der polnischen Wirtschaft zu einer Krise, in deren Folge es 1979 zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu einem Rilckgang des Volkseinkommens kam.66 Am 1. Juli 1980 machte die Regierung einen erneuten Versuch, den privaten Konsum zUrUckzudrangen, indem sie Preiserh6hungen fUr Konsumgiiter erlieB.
2.2.1 Politische Offnungstendenz und die Ausarbeitung der Wirtschaftsreform in Polen
Als Reaktionen auf Preiserh6hungen im Juli 1980 kam es zu einer ersten Welle von Streiks in Polen, ausgehend von einem spontanen Streik in den militarischen Flugzeugwerken Swidnik bis hin zu einem Generalstreik in der Lubliner Region.67 Am 31.
64 Vgl. Serrano Sanz, 1.M.; Costas Comesafia, A. (1990): La reforma del marco institucional, S. 507f. 65 Vgl. Pysz, P. (l985a): Konzeption, Bilanz und Perspektiven der polnischen Wirtschaftsreform 1982-
1985, S. 7f. 66 Das Volkseinkommen ging 1979 urn 2,3 %, 1980 urn 6,0 % und 1981 urn 12,0 % zurUck. Vgl. Slay,
B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 53. 67 Vgl. Strobel, G. W. (1985): NSZZ "Solidarnosc". Beitrag zur Analyse der Organisation und politi
schen Wirkung einer sozialen Samrn1ungsbewegung, S. 5lf.
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August 1980 unterzeichneten eine Regierungskomrnission und das liberbetriebliche Streikkomitee eine Vereinbarung, das sogenannte Danziger Abkommen, die 21 Forderungen umfasste, wobei die erste Forderung die Anerkennung von von der Partei und dem Arbeitgeber unabhangigen freien Gewerkschaften betraf.68 In der ersten Forderung war unter anderem auch ausgeflihrt, daB die Gewerkschaft Solidarnosc nicht beabsichtigte, die Rolle einer politis chen Partei zu spielen oder die flihrende Rolle der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) in Frage zu stellen. Flir die Einleitung der sich anschlieBenden Phase der Reformdiskussion war die sechste Forderung von Belang, die festlegte, ,,reale Schritte zu unternehmen, urn unser Land aus der Krisensituation herauszubringen durch: a) offentliche Bekanntgabe samtlicher Informationen liber die sozialOkonomische Lage und b) Ermoglichung der Teilnahme an der Diskussion zum Reformprogramm flir alle Gesellschaftskreise und -schichten. [ ... ] Die Staatsorgane bestimmen und verOffentlichen in den nachsten Monaten die Grundziele dieser Reform. ,,69
Die librigen Forderungen betrafen die Pressefreiheit, die Freilassung politischer Gefangener sowie eine Reihe von MaBnahmen zur Verbesserung der Situation der Arbeiter. Forderungen nach politischen Reformen waren indirekt mit den in die Vereinbarung aufgenommenen verbunden, beispielsw,eise durch die Anerkennung freier Gewerkschaften und die Erweiterung der Pressefreiheit, wurden jedoch nicht explizit geauBert. Allerdings waren die Vertreter der Opposition nahe daran, soIehe Forderungen offentlich zu stellen. Nach Diskussionen der Mitglieder des liberbetrieblichen Streikkomitees (MKS) und auf Druck des KOR7o-Mitglieds Borusewicz, entschied das MKS in der Nacht des 17. August 1980 aber, die Forderungen nach freien Parlamentswahlen als Bestandteil des in Danzig libermittelten Forderungskatalogs fallenzulassen.71 Auffallend ist die Zuriickhaltung der Solidarnosc hinsichtlich einer eigenstandigen Formulierung eines Reformkonzeptes, die die anfangliche Strategie der Gewerkschaft widerspiegelte, sich moglichst strikt auf die Rolle als Vertretungsorgan der Arbeitnehmer zu beschranken und nicht in die Angelegenheiten der Partei einzugreifen.72 Das Ziel war eine Beschrankung des Wirkungsbereichs staatlicher Kontrolle,
68 Vgl. Buscher, B. et al. (Hrsg.)(l983): "Solidamosc". Die polnische Gewerkschaft "Solidaritat" in Dokumenten, Diskussionen und Beitragen 1980 his 1982, S. 36. Hierin ist eine deutsche i.'Jbersetzung der gesamten Vereinbarung enthalten.
69 Buscher, B. et al. (Hrsg.)(1983): "Solidarnosc". Die polnische Gewerkschaft "SolidariUH" in Doku-menten, Diskussionen und Beitragen 1980 his 1982, S. 39.
70 Komitee zur Verteidigung der Arbeiterschaft 71 Vgl. Staniszkis, J. (1984): Poland's self-limiting revolution, S. 45 Fn. 2. 72 Vgl. Ito, T. (1985): Nomenklatura in Polen. Die Kontroverse urn die Vorherrschaft der Partei (PZPR)
und Gesellschaft, 1980-1981, S. 108f.
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die jedoch nicht grundsatzlich den Herrschaftsanspruch der Partei in Frage steBte, wodurch eine friedliche Koexistenz von Partei und Gewerkschaft ermoglicht werden soBte.
Die Reformdiskussion der Jahre 1980/81 zeichnete sich insbesondere dadurch aus, daB neben einem von der Wirtschaftsreforrnkommission fUr die Regierung erarbeiteten Reforrnkonzept noch zahlreiche andere Konzepte in der Offentlichkeit diskutiert wurden.73 Die Wirtschaftsreforrnkommission setzte sich aus rund 500 Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, der Partei, der Gewerkschaften und Vertretern anderer Berufsgruppen zusammen.74 Das am meisten diskutierte alternative Konzept wurde von einer Gruppe von Wissenschaftlern unter Leitung von Leszek Balcerowicz an der Hochschule fUr Planung und Statistik in Warschau im Sommer 1980 ausgearbeitet, weshalb sich der Name "Balcerowicz-Gruppe" im Sprachgebrauch einbtirgerte. Das Programm der Wirtschaftsreforrnkommission75 kam zu dem Ergebnis, daB die Wirtschaftsreform sowohl ein soziales als auch ein politisches Unternehmen sei. Es erwahnte die Bedeutung der Entwicklung einer sozialistischen Demokratie und der Selbstverwaltung und woBte zu diesem ProzeB beitragen, indem es "Voraussetzungen und Mechanismen schafft, die den Werktatigen die Teilnahme und Austibung einer tibergeordneten KontroBe tiber samtliche Verwaltungsprozesse auf der Ebene der Region und des Landes, das Mitwirken in Organisationen der Arbeiterselbstverwaltung, in den Genossenschaften, Gewerkschaften, in schOpferischen Vereinen, Nationalraten und im Sejm sichert. ,,76
Es wurde jedoch nicht erwahnt, in welcher Form die Mitwirkung erfolgen soBte, insbesondere sprach das Programm keine Anderungen im Wahlmodus an, welche einen
73 Vgl. Pysz, P. (l983a): Wirtschaftsreformdiskussion in Polen 1980-1981, S. 289. Neben den beiden vorgestellten Konzepten sind noch zu nennen: (I) das Konzept der Kommission der Polnischen Okonomischen Gesellschaft mit dem Titel "VorschHige zu grundsatzlichen Li:isungen der Wirtschaftsreform in Polen", (2) das Konzept einer Autorengruppe der Okonomischen Akademie in Breslau: "Vorschlage zu Veranderungen des Wirtschaftssystems", (3) das Konept "Richtlinien der politischen und wirtschaftlichen Reformen in Polen" einer Autorengruppe des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Universitat Warschau, (4) "Richtlinien der Veranderungen des Verwaltungssystems in Polen" einer Autorengruppe des Fachbereichs Verwaltungswissenschaft der Universitat Warschau und (5) das Konzept "Ansichten iiber die grundsetzlichen Probleme der Wirtschaftsreform" der Kommission der Polnischen Technischen Hauptorganisation.
74 V gl. Bundesstelle fUr Aussenhandelsinformation (1981): Polen. Allgemeine Wirtschaftsreform und AuBenwirtschaftsreform, S. 2.
75 Wirtschaftsreformkommission (1981): Grundsatze der Wirtschaftsreform (Entwurf), Dbersetzung in: Bundesstelle fUr Aussenhandelsinformation (1981): Polen. Allgemeine Wirtschaftsreform und Au Benwirtschaftsreform, S. 1-82.
76 Wirtschaftsreformkommission (1981): Grundsatze der Wirtschaftsreform (Entwurf), S. 6.
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grundlegenden Schritt in Richtung einer Demokratisierung bedeutet hatten. Als allgemeines Ziel formulierte das Konzept einerseits die Uberwindung der wirtschaftlichen Ungleichgewichte und andererseits eine, im Zuge der Reform zu schaffende, hOhere
Effektivitat im Wirtschaftssystem.77 In Verbindung damit wurden die Grundsatze des
spater als Prinzip der ,,3-S", fUr Selbstandigkeit, Selbstverwaltung und Selbstfinanzierung, bezeichneten Unabhangigkeit der Unternehmen formuliert. 78 In der zentralen
Frage, in wessen Kompetenzbereich die Berufung oder Abberufung des Direktors liegt, wurde folgendes festgelegt.
"Den Direktor muB berufen oder abberufen (alternativ): a) ein iibergeordnetes Organ bei Konsultation der Selbstverwaltung, b) die Selbstverwaltung auf Vorschlag des iibergeordneten Organs, c) die Selbstverwaltung nominiert einen Kandidaten auf dem Wege einer Aus-
schreibung, und dieser wird yom iibergeordneten Organ bestatigt. ,,79
Somit blieb die Entscheidungsgewalt in den ersten beiden Fallen beim iibergeordneten
Organ - und im dritten Fall konnte es seine Zustimmung verweigern -, was nicht im Einklang mit einer uneingeschrankten Selbstverwaltung der staatlichen Unternehmen
stand.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Reformkonzepten der Wirtschaftsreformkomrnission und der Ba1cerowicz-Gruppe bestand hinsichtlich der Abfolge in der Umsetzung der Reformen. Die Regierungskommission sprach sich fUr eine Ubergangsphase aus, in der die bestehenden Probleme - der Inflationsdruck und der Nachfrageiiberhang auf dem Konsumgiitermarkt - mittels direkter staatlicher Eingriffe beseitigt werden sollten.80 Die Anwendung indirekter marktkonformer Leitungsinstrumente war erst im AnschluB daran vorgesehen. Diese Einteilung verdeutlichte das fehlende Vertrauen in die Regulierungsfunktion marktwirtschaftlicher Instrumente fUr die Erreichung eines Gleichgewichts auf den Markten. Das Konzept der Ba1cerowicz-Gruppe sprach sich hingegen fUr die umgehende Abschaffung aller direkten Steuerungsinstrumente und ihre Ersetzung durch indirekte marktkonforme Steuerungsinstrumente aus. 81
AuBerdem sah es eine Umsetzung der Reform auf ,,komplexe und zeitlich konzen-
77 Unter Steigerung der Effektivitat wird die Erhohung der Arbeits- und Kapitalproduktivitat sowie die Senkung der Energie- und Materialintensitat verstanden. Vgl. Tobik, A. (1985): Ergebnisse der polnischen Wirtschaftsreform (dreijahrige Zwischenbilanz), S. 219.
78 Vgl. Wirtschaftsreformkommission (1981): Grundsatze der Wirtschaftsreform (Entwurf), S. 46-54. 79 Wirtschaftsreformkommission (1981): Grundsatze der Wirtschaftsreform (Entwurf), S. 47f. 80 Vgl. Wirtschaftsreformkommission (1981): Grundsatze der Wirtschaftsreform (Entwurf), S. 7f. 81 Vgl. Pysz, P. (l983a): Wirtschaftsreformdiskussion in Polen 1980-1981, S. 295.
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trierte Weise,,82 vor, was als ErkHirung dafUr dienen kann, daB Problerne einer Ubergangsphase der EinfUhrung der Reformen nicht angesprochen wurden.83
Am 3. Juli 1981 stellte die Regierungskomrnission eine tiberarbeitete Version ihres Reformkonzepts vor, die von der Allgerneinheit tiberwiegend als Fortschritt gegentiber der ursprtinglichen Fassung angesehen wurde.84 In vielen zentralen Bereichen, wie der Marktregulierung, der Vergesellschaftung volkswirtschaftlicher Planunl5 und der Arbeiterselbstverwaltung, hatte sich das Konzept an die VorschHige der Ba1cerowiczGruppe angenahert. Der Zeitpunkt fUr die Urnsetzung eines Pakets von Systernveranderungen wurde in dieser tiberarbeiteten Version urn ein Jahr auf den Beginn des Jahres 1982 vorgezogen.86 Als grundlegendes Subjekt der Wirtschaft nannte das Konzept das auf die Prinzipien der SelbsUindigkeit, Selbstverwaltung und Selbstfinanzierung gesttitzte Unternehrnen. Dartiber hinaus legte das Konzept fest, daB die Partei weder in die planerischen Entscheidungen oder die laufende operative Verwaltung, noch in die den staatlichen Behorden, den Selbstverwaltungen und Direktionen der Unternehrnen zugewiesenen Kornpetenzen eingreift. Ftir die DurchfUhrung der Reform war eine rnoglichst gleichzeitig, zurnindest aber in kurzen Zeitabstanden vollzogene Einftihrung der grundlegenden Losungen vorgesehen. Das Regierungsprogramm sah fUr die nicht naher bestimmte Anfangsphase vor, die zentrale Verteilung von Ressourcen, insbesondere von Rohstoffen und Devisen, sowie verschiedene Forrnen der Rationierung beizubehalten.87 Urn sicherzustellen, daB diese MaBnahrnen die Urnsetzung
82 Pysz, P. (1983b): Wirtschaftsreform in Polen. Der Entwurf aus der Hochschule fur Planung und Statistik 1980, S. 236.
83 Dies stellte einen wesentlichen Kritikpunkt am Konzept der Balcerowicz-Gruppe dar, worauf diese im Veri auf des Jahres 1981 mit der Ausarbeitung eines Konzepts fur die Einfuhrung der Reformen reagierte, welches als Kernthese formulierte, daB die katastrophale wirtschaftliche Lage eine ziigige Einfuhrung in moglichst weitreichendem AusrnaB erforderlich mache. Da nach Lieferung der ersten 50 Exemplare Ende November, Anfang Dezember 1981 das Kriegsrecht ausgerufen wurde, stoppte der Verlag die volle Auflage und das Konzept blieb weitgehend unbekannt. Vgl. Pysz, P. (l983b): Wirtschaftsreform in Polen. Der Entwurf aus der Hochschule fiir Planung und Statistik 1980, S. 221.
84 Vgl. Pysz, P. (l985a): Konzeption, Bilanz und Perspektiven der polnischen Wirtschaftsreform 1982-1985,S.9f.
85 Die Idee der Vergesellschaftung volkswirtschaftlicher Planung raumte reprasentativen und gesellschaftlichen Organisationen wesentliche EinfluBnahme und wirsame Kontrolle bei den wichtigsten okonomischen Entscheidungen ein. Vgl. Mujzel, J.; Wojciechowska, U. (1985): Wirtschaftsreform in Polen. Diskussionen und Probleme seit 1980, S. 138.
86 Vgl. Gajewski, M.; Ostaszewski, J. (1981): Veranderungen im System - Veranderungen in den Methoden (Zmiany w systemie - zmiany w metodach), in: Trybuna Ludu, Nr. 160 vom 10. Juli 1981, S. 4, als auszugsweise deutsche Dbersetzung in: Delhaes, K. von (1987): Anspruch und Wirklichkeit der polnischen Wirtschaftsreform, S. 11-14.
87 Vgl. Polish Interpress Agency (Hrsg.) (1981): Government Programme of overcoming the crisis and stabilizing the economy. S. 9f.
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der Reform nieht behinderten, soUte tiber die Verteilung nicht auf Ebene der Ministe
rien sondem innerhalb von "Operativprogrammen" der Regierung, die sich an den wichtigsten Zielen ausrichteten, entschieden werden. Auf dem 9. AuBerordentlichen Parteitag der PV AP vom 14. bis 20. Juli 1981 wurde die Zustimmung zu den Richtlinien der Wirtschaftsreform gegeben.88
2.2.2 Die Durchfiihrung der "ersten Etappe" der Wirtschaftsreform in Polen
Wichtigstes Ziel in den Reformbestrebungen war die Steigerung der Effizienz der pol
nischen Untemehmen. Die Grundlage fUr die Erreichung dieses Ziels soUte die Einfiihrung der oben dargesteUten ,,3-S" fUr die staatlichen Untemehmen sein. Die Unternehmen soUten selbstandig tiber aUe Tatigkeitsbereiche des Untemehmens entscheiden konnen, beispielsweise die Festlegung der Produktion und das Aushandeln der Preise.
Die Finanzierung der UntemehmensUitigkeit sowie der Investitionen soUte aus den erwirtschafteten Mitteln erfolgen, wobei der MiBerfolg nicht wie bisher durch Subventionen kompensiert werden, sondem zum Ausscheiden des Untemehmens tiber den Konkurs fiihren soUte. SchlieBlich soUte die Belegschaft im Rahmen der Selbstverwaltung an den innerbetrieblichen Entscheidungsprozessen beteiligt werden.89 Dies erscheint aus marktwirtschaftlicher Sieht problematisch, da sich die Interessen der Beschaftigten in der Regel von denen der Eigenttimer unterscheiden, d.h. weniger an Effizienz- und Gewinnmaxirnierungskriterien ausgerichtet sind als vielmehr an der Lohnmaxirnierung.90 Dennoch ware bei konsequenter Durchsetzung des Programms durch die Moglichkeit, tiber den Einsatz der erwirtschafteten Uberschtisse selbst zu entscheiden und die Preise zwischen den Untemehmen frei auszuhandeln91 , eine starkere Ausrichtung der Untemehmen an Effizienzkriterien und in Verbindung darnit eine erhohte Innovationsbereitschaft zu erwarten gewesen.
Urn die weiterhin bestehende Skepsis beztiglich der Reformbereitschaft der Regierung zu zerstreuen, wurden frtih erste Reformschritte eingeleitet. Bereits Ende September
88 Vgl. Delhaes, K. von (1987): Anspruch und Wirklichkeit der polnischen Wirtschaftsreform, S. 22f. 89 Vgl. Tobik, A. (1985): Ergebnisse der polnischen Wirtschaftsreform (dreijahrige Zwischenbilanz),
S.219. 90 Vgl. Tietzel, M. (1981): Die Okonomie der Property Rights: Ein Oberblick, in: ZeitschriJt fur Wirt
schaftspolitik, 30. Jg., S. 225f. 91 Als wesentliche EinfluBfaktoren auf die - typischerweise mangelnde - Innovationstatigkeit in Zentral
verwaltungswirtschaften werden unter anderem die fehlenden Sanktionsmoglichkeiten der Betriebe gegeniiber ihren Lieferanten, die nicht im Preis system sich wiederspiegelnde relative Ressourcenknappheit und der Umstand aufgefiihrt, daB der InnovationsprozeB im wesentlichen angebotsinduziert is!. Vgl. Wagener, H.-J. (1995): Anlage oder Umwelt? Oberlegungen zur Innovationsschwache der DDR-Wirtschaft, S. 74.
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1981 wurde das "Gesetz liber die Selbstverwaltung der Belegschaft eines staatlichen Betriebes" und das "Gesetz liber die staatlichen Betriebe" verabschiedet.92 Das Konzept der Selbstverwaltung hatte insofem besondere Bedeutung, als seine Verwirklichung die Beteiligung der Gesellschaft, in diesem Fall der Arbeiterschaft, am wirtschaftlichen RefonnprozeB gewahrleisten wlirde. 1m Gesetz liber die Selbstverwaltung wurde die Wahl eines Arbeitnehmerrates festgelegt,93 der in allen wesentlichen wirtschaftlichen Fragen entscheidet (Art. 24(1)) und liber die Berufung oder Abberufung des Direktors des Untemehmens bestimmt (Art. 24(2)). Nach Artikel 24(1) war der Arbeitnehmerrat u.a. befugt: ,,1) den Jahresplan des Betriebes zu beschlieBen und zu verandem, 2) den Jahresbericht entgegenzunehmen und die Bilanz zu bestatigen, 3)
Beschliisse tiber Investitionsvorhaben zu treffen,,94. Eine Beschrankung der Selbstverwaltungsbefugnis durch den Direktor in Form eines Klagerechts war jedoch bei Beschliissen des Arbeitnehmerrates vorgesehen, die das nicht naher umschriebene, "allgemeingesellschaftliche Interesse" verletzten. Obwohl damit die Arbeiterrate fonnell mit den im Gesetz enthaltenen Kompetenzen ausgestattet wurden, gab es folgende wesentliche Einschrankungen.
Wahrend der Dauer des Kriegsrechts vom 13. Dezember 1981 bis zum 22. Juli 1983 wurden alle Kompetenzen der Arbeiterrate auf Direktoren oder militlirische Kommissare tibertragen.95 AuBerdem war kurz vor Verhangung des Kriegsrechts in einem KompromiB mit der Solidarnosc eine Liste von 200 Untemehmen von "grundlegender nationaler Bedeutung" aufgestellt worden, in denen das Recht zur Bestimmung des Direktors beim Staat blieb.96 Der Umfang der Liste war bis 1985 auf 1371 Finnen angewachsen, von denen manche Zusammenschliisse mehrerer Untemehmen bildeten. Deshalb ist zu vennuten, daB diese ,,AusschluBliste" alle wesentlichen Bereiche der polnischen Wirtschaft berlihrte. Ein Bericht an den Sejm, das polnische Parlament, von 1984 besagte, daB 87 % der insgesamt 6 403 berechtigten Untemehmen, die 5,5 Mio. Arbeiter auf sich vereinten, selbstverwaltet waren. Allerdings bestanden viele der Arbeitnehmerrate nur formell und besaBen wenig Unabhangigkeit. Eine geschatzte
92 Vgl. Wilke, R. (1982): Die Einschrankung der fiihrenden Rolle der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, S. 70f.
9) In Artikel 13 des Gesetzes. V gl. Polnische Aussenhandelskammer (1982): Gesetz tiber die Selbstverwaltung der Belegschaft eines staat lichen Betriebes vom 25. September 1981, S. 38.
94 Polnische Aussenhandelskammer (1982): Gesetz tiber die Selbstverwaltung der Belegschaft eines staatlichen Betriebes vom 25. September 1981, S. 40.
95 Vgl. Kaminski, B. (1991): Economic reform and directive capacity of the Polish state in the 1980s, in: Kemme, D. M. (Hrsg.): Economic reform in Poland: The aftermath of martial law 1981-1988, S. 59.
96 Vgl. Holland, D. C. (1988): Workers' self-management before and after 1981, in: Marer, P.; Siwmski, W. (Hrsg.): Creditworthiness and reform in Poland, S. 135f.
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Minderheit von nur 10 % waren aktiv und unabhangig an der Selbstverwaltung beteiligt, zumeist in Betrieben, in denen eine Kontinuitat seit 1981 bestand. Viele der 1981 aktiven Arbeitnehmerrate nahmen ihre Tatigkeit nach Ende des Kriegsrechts jedoch nicht mehr auf. In wichtigen Unternehmen wie Ursus, WSK Ok~cie und ZK Polcolor in Warschau oder der Raffinerie in Danzig wurde die politische Situation noch 1985 als zu unsicher fUr die Wiederaufnahme der Tatigkeit der Arbeitnehmerrate angesehen.
Das polnische Konkursrecht geht auf eine Rechtsverordnung des Prasidenten der Republik yom 24.10.1934 zuruck, die jedoch wahrend der Zeit des sozialistischen Wirtschaftssystems faktisch auBer Kraft gesetzt war.97 Ende Juni 1983 wurde yom Sejm das "Gesetz iiber die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen und iiber ihren Konkurs" verabschiedet.98 Es bezog sich im wesentlichen auf die Selbstfinanzierung der Unternehmen und stellte damit einen weiteren Schritt in der Umsetzung der Selbstverwaltung staatlicher Unternehmen dar. Die Moglichkeit eines Konkurses von Unternehmen spielte eine entscheidende Rolle fUr die Gewahrleistung der Wirksamkeit marktwirtschaftlicher Elemente in der polnischen Wirtschaft, da erst sie wichtige Ameize zur Effizienzsteigerung gewahrleisten wiirde, urn damit den Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu fOrdern. Es zeigte sich jedoch, daB das verabschiedete Gesetz in seiner Ausforrnulierung bereits Schwachen aufwies und in keiner Weise konsequent umgesetzt wurde. Dem Griindungsorgan, welches entweder yom iibergeordneten Fachministerium oder der iibergeordneten territorialen staatlichen Verwaltung gebildet wurde, oblag demnach die Entscheidung iiber den Konkurs, wobei dieses sich am Kriterium des "wichtigen gesellschaftlichen Interesses" orientieren sollte. Es fehlten somit konkrete Vorgaben fUr die Einleitung eines Konkursverfahrens. Der Arbeitnehmerrat war lediglich befugt, das yom Direktor vorgeschlagene Sanierungskonzept anzunehmen oder abzulehnen, sowie die Auflosung eines staatlichen Unternehmens beim Grundungsorgan zu beantragen. Die 1982 von den Banken errnittelte Zahl von 700 potentiell konkursgefahrdeten Unternehmen verringerte sich im Verlauf erst auf 70, dann auf 15 und schlieBlich auf Null. Auch aufgrund fehlender AusfUhrungsvorschriften blieb der Konkurs bis 1990 faktisch weiterhin unmoglich.
97 Vgl. Tigges, M.; Lechmann-Becker, A. (1994): Polen: Verordnung "Das Konkursrecht", in: Wirtschaft und Recht in Osteuropa, Heft 411994, S. 126.
98 Vgl. Pysz, P. (1984a): Der Konkurs von staatlichen Untemehmen in Polen moglich, in: Osteuropa, S.586ff.
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lIn Zuge der Reform des polnischen AuBenhandels waren eine Umstrukturierung des AuBenhandelsministeriums vorgesehen sowie die Abschaffung der direkten Kontrolle der AuBenhandelsorganisationen.99 Dadurch sollten sich die AuBenhandelsorganisationen, die mehrheitlich in Aktiengesellschaften umgewandelt wurden, sHirker nach den Belangen der Unternehmen richten. Ein hOheres MaB an Wettbewerb sollte dadurch erreicht werden, daB die Unternehmen die AuBenhandelsorganisation frei wahlen durften. AuBerdem waren die Unternehmen per Gesetz dazu berechtigt, auch eigenstandig AuBenhandel zu betreiben. Bereits 1982 wurden aber die AuBenhandelsorganisationen und die AuBenhandelsaktivitaten der Unternehmen mit Exportberechtigung wieder dem Aufgabenbereich des AuBenhandelsministeriums zugeordnet. Die starkere Unabhangigkeit der AuBenhandelsorganisationen wurde obendrein dadurch untergraben, daB das Ministerium in allen Organisationen Mehrheitsaktionar war.
Seit den 1970er lahren galt fUr die Bestimmung der Lohnfonds das sogenannte Normativsystem, das eine Abwandlung des Systems der unmittelbaren Regulierung darstellte und das Wachstum des Lohnfonds mit dem Wachstum der Wirtschaftseffektivi tat, die sich gewohnlich am Urnfang der Nettoproduktion orientierte, verband. 100 Mit der EinfUhrung der Selbstandigkeit der Unternehmen wurde das parametrische System der Lohnzuteilung eingefUhrt, in dem die Unternehmen nicht unmittelbar an zentrale Vorgaben gebunden waren. 101 In dem neuen System war die Festsetzung der Lohne und ihrer Struktur abhangig von der Erwirtschaftung finanzieller Mittel im Unternehmen, wobei das Unternehmen frei entscheiden konnte tiber die Aufteilung der erwirtschafteten Mittel auf Lohne und Pramien oder auf Investitionen. 102 Ziel der Reform war ein anreizkompatibles Entlohnungssystem. Gleichzeitig waren die Unternehmen jedoch angehalten, das Lohnwachstum zu beschranken.
Ftir die Gestaltung der Konsumgtiterpreise galten ab Ende Februar 1982 verschiedene Regeln in den drei Kategorien amtliche, regulierte und Vertragspreise. 103 Amtliche Preise galten fUr die Konsumgtiter und Dienstleistungen, die fUr die Lebenshaltung und die Gesundheit der BevOlkerung unerlaBlich sind, und berechneten sich nach der traditionellen Preisbildungsformel "Erzeugerkosten plus Gewinnaufschlag", wobei das Ziel
99 Vgl. Slay, B. (1991): A comparison of Polish and Hungarian foreign trade reforms, S. 186f. I()() Vgl. Wiatr, S. (1984): Motivationssystem in der Wirtschaftsreform in Polen, S. I If. 101 Vgl. ebenda, S. 15f. 102 Der Umfang der erwirtschafteten Mittel ergibt sich aus den Einnahmen aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen abzuglich des zur Aufrechterhaltung des Produktionsprozesses notwendigen Marterialverbrauchs und der an den Staatshaushalt zu entrichtenden finanziellen Leistungen.
103 Vgl. Quaisser, W. (\988): Die Wirtschaftsentwicklung Polens 1987 unter besonderer Berucksichtigung der Preisreform, inflationarer Prozesse und der Situation auf dem Konsumgiiterrnarkt, S. 32f.
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eines Marktgleichgewichts bei der Preisbildung sHirker berticksichtigt werden soUte. Die regulierten Preise galten vor aUem fUr Betriebe mit einer MonopolsteUung auf dem Markt und wurden, abgesehen von einem erweiterten Spielraum der Betriebe bei der Preisfestlegung, nach den gleichen Prinzipien wie die amtlichen Preise erstellt. Die amtlichen und regulierten Preise waren als H6chstpreise festgelegt. 104 Die frei zwischen den Vertragspartnern ausgehandelten Vertragspreise galten schlieBlich fUr aUe Gi.iter, die nicht unter die ersten beiden Kategorien fielen. Als Besonderheit enthielten die Bestimmungen die Pflicht des Verkaufers, auf Verlangen des Kaufers eine Kostenkalkulation vorzulegen.
Die am 1. Februar 1982 durchgesetzten drastischen PreiserhOhungen fanden vor dem Hintergrund weiterhin bestehender Gtiterrationierung105 statt106, was wiederum die Strategie der parallelen Anwendung staatlicher Eingriffe und marktwirtschaftlicher Liberalisierung verdeutlicht, wobei auch die Festlegung der Preissteigerungen ein administrativer Vorgang war. Zur Vermeidung von HartefaUen wurden Kompensationszahlungen gewiihrt, die tiberwiegend sozial motiviert, jedoch teilweise auch nach Leistungsgruppen und Berufen gestaffelt waren. Mit der EinfUhrung eines einheitlichen Wechselkurses im Jahr 1982 sollte erreicht werden, daB die Weltmarktpreise als Richtschnur fUr das inHindische Preissystem dienten. Durch mehrfache Abwertungen -der offizielle Wechselkurs stieg von 80 ZlotyIUS-$ im Jahr 1982 auf 502,5 ZlotyIUS-$ im Jahr 1988 - vergr6Berte sich aber die Kluft zwischen Weltmarkt- und Inlandspreisen, weil die Preisanpassungen zu langsam vorgenommen wurden.107 Die daraus resultierenden Knappheiten wurden als Rechtfertigung fi.ir die Beibehaltung des ursprtinglichen Systems der zentralen Rationierung und Preisanpassung herangezogen, dessen ausfUhrende Organe das AuBenhandelsministerium sowie die wieder eingefUhrten Branchenministerien waren. Der Exportanreiz fUr die Unternehmen blieb somit gering. Zudem war der Inflationsdruck weiterhin betrachtlich und praktisch die gesamte Produktion konnte auf dem Inlandsmarkt abgesetzt werden.
104 Vgl. Pysz, P. (1985b): Die Preisreform 1982 und die Perspektiven fur das G1eichgewicht auf dem po1nischen Konsumgiitermarkt, S. 316f.
105 Diese stiitzte sich auf ein allgemeines Bezugsscheinsystem, das unter anderem einige Grundnahrungsmittel umfaBte. Vgl. Pysz, P. (1984b): Die Preisreform 1982 auf dem Konsumgiitermarkt in Polen, S. 23.
106 Gleichzeitig wurden Ausgleichszahlungen fur die Preissteigerungen fur Grundnahrungsmittel und Energietrager eingefuhrt. Vgl. Lippe, P. v. d. (1985): Die Wirtschaftspolitik der Regierung laruzelski 1982-1984, in: Bingen, D. (Hrsg.): Polen 1980-1984. Dauerkrise oder Stabilisierung, S. 271.
107 Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 63.
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Verschiedene Studien deuten darauf hin, daB bis 1988 der Arbeitskdiftemangel von den Untemehmen als bedeutendste Beschrankung fiir ihr Wachstum angesehen wurde. 108 Der Arbeitskraftemangel als typisches Phtinomen in Zentralplanwirtschaften wurde im Falle Polens noch durch ein zu Beginn der Krise in Polen eingefiihrtes System der Friihverrentung verschtirft, welches aus der irrigen Erwartung einer durch die Wirtschaftsreformen drohenden Arbeitslosigkeit heraus ins Leben gerufen worden war. 109
Ein wichtiger Aspekt im Reformprogramm der Regierung war das Zuriickdrangen der zentral gesteuerten Inputallokation, was eine gr6Bere Selbstandigkeit der Untemehmen gewahrleisten sollte. Die zentral gesteuerte Inputallokation wurde dernnach von 70 % im Jahr 1982 auf 10 % im Jahr 1989 reduziert. llo Eine entgegengesetzte Wirkung hatten allerdings die ebenfalls 1982 eingefiihrten "Betriebsprogramme" und "Regierungskontrakte", die neue Formen der zentralen Steuerung der Wirtschaftstatigkeit und der Inputallokation darstellten. Dies fiihrte dazu, daB die Regierung 1986 immer noch an rund 80 % der Verkaufe von Produktionsglitem beteiligt war.
Trotz heftiger Einwande seitens des Konsultativen Wirtschaftsrats der Regierung und des Sozio-6konornischen Rats des Sejm wurde der institutionelle Rahmen fiir Investitionsentscheidungen nicht verandert. lll Dies hatte zur Folge, daB kapitalintensive Investitionsprojekte ihren vorrangigen Status im zentralen Plan behielten und darnit die Investitionspolitik der 1970er Jahre im wesentlichen fortgefiihrt wurde. 112
Die im Mtirz 1981 von polnischer Seite vorgebrachte Forderung nach einer Umstrukturierung der Auslandsschuld fiihrte zu einem starken Verlust an Kreditwlirdigkeit auf den intemationalen Kapitalmtirkten, der durch die Einfiihrung des Kriegsrechts noch verschtirft wurde. ll3 Deshalb wurden im Zeitraum 1981 bis 1987 auch nicht in nennenswertem Urnfang neue Auslandskredite von Banken oder Regierungen vergeben, so
108 Vgl. Ostrowski, M. (1991): Economic development and the economic reform in Poland, in: Kemme, D. M. (Hrsg.): Economic reform in Poland: The aftermath of martial law 1981-1988, S. 41.
109 Vgl. FaUenbuchl, Z. M. (1991): The 1986-1990 five year plan: Strategy and reform dependency, in: Kemme, D. M. (Hrsg.): Economic reform in Poland: The aftermath of martial law 1981-1988, S. 20.
110 Vgl. Lipton, D.; Sachs, 1. (1990): Creating a market economy in Eastern Europe: The case of Poland, S. 107.
III Vgl. Kaminski, B. (1991): Economic reform and directive capacity of the Polish state in the 1980s, S.60f.
112 Beispielsweise sah die Planung fUr den Bau eines Stahlwerks in Katowice den Transport des dort erzeugten Stahls zur Weiterverarbeitung an andere Stahlwerke vor, obwohl dafUr 60 % des urspriinglichen Energieaufwands notwendig waren.
113 Vgl. Slay, B. (1991): A comparison of Polish and Hungarian foreign trade reforms, S. 184.
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daB rund 60 % der polnischen Westimporte tiber die Exporteinnahmen finanziert werden muBten, obwohl in der ersten Halfte der 1980er Jahre die Irnporte aus Hartwahrungslandern jahrlich urn bis zu 40 % zurtickgegangen waren. Die Verschuldung gegentiber der Sowjetunion stieg in der ersten Halfte der 1980er Jahre stark an und betrug 1986 tiber 6 Mrd. Transferrubel. 114 AusgelOst wurde dieser Schuldenanstieg durch das hohe AuBenhandelsdefizit gegentiber der Sowjetunion, das diese als Kompensation fUr die stark geschrumpften westlichen Importe, wohl zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in Polen, zulieB.
Die mangelnde Durchsetzung der in den Gesetzen festgeschriebenen Reformvorhaben verdeutlichte die Zerrissenheit der polnischen Ftihrung zwischen Erweiterung des Handlungsspielraumes der Wirtschaftseinheiten einerseits und Erhaltung der eigenen Machtposition andererseits. 115 Nicht zuletzt deshalb konnte das Ziel der "ersten Etappe" der Wirtschaftsreform, tiber eine Politik der Verknappung der verftigbaren liquiden Mittel gegentiber den Betrieben ein Gleichgewicht auf den Konsum- und Investitionsgtitermarkten zu erreichen, nicht wie geplant bis 1984 erreicht werden. I 16
2.2.3 Die "zweite Etappe" der Wirtschaftsreform in Polen
Die Diskussionen tiber eine "zweite Etappe" der Wirtschaftsreformen begannen 1984, nach der im Reformprogramm vorgesehenen Dbergangsfrist von zwei bis drei Jahren, als die yom Bevollmachtigten der Regierung fUr die Wirtschaftsreform und yom Konsultativen Wirtschaftsrat veroffentlichten Berichte zur Wirtschaftsreform erschienen. 117
Aufgrund des Grades ihrer Abhangigkeit von der Regierung unterschieden sich die beiden Berichte: Wahrend der Bericht des Regierungsbevollmachtigten die Reform als annahernd erfolgreich abgeschlossen bezeichnete, fUhrte der Bericht des starker unabhangigen Wirtschaftsrates das ab 1983 wieder einsetzende Wirtschaftswachstum vornehmlich auf die ProzeBpolitik zurtick und sprach sich fUr eine neue Auflage der Wirtschaftsreform aus.
114 Vgl. Pysz, P.; Quaisser, W. (1988): Polens Wirtschaft zwischen Krise und Reform, S. 53. 115 Trotz Verhangung des Kriegsrechts blieb die Gewerkschaft Solidarnosc im Untergrund aktiv und es
fanden Massendemonstrationen statt. Deshalb richtete sich die Wirtschaftspolitik der Regierung vornehmlich auf die gesellschaftliche Stabilisierung. Vgl. Pysz, P.; Scharff, R. (1988): Polnische Volkswirtschaft in den 80er Jahren - Reformen und wirtschaftliche Ergebnisse, in: Schliiter, R. (Hrsg.): Wirtschaftsreformen im Ostblock in den 1980er Jahren, S. 95.
116 V gl. Pysz, P. (1985a): Konzeption, Bilanz und Perspektiven der polnischen Wirtschaftsreform 1982-1985, S. 24.
117 Vgl. Pysz, P.; Quaisser, W. (1988): Polens Wirtschaft zwischen Krise und Reform, S. 56.
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Als die Regierung Ende 1985 elf Zusatze zur wirtschaftlichen Reformgesetzgebung von 1982 mit der Begriindung einbringen woHte, sie seien zur Erftillung des Ftinfjahresplans 1986-1990 notwendig, regte sich Widerstand im Sejm. 1l8 Einige der Zusatze wurden daraufhin in abgewandelter Form angenommen, andere wurden abgewiesen. Es handelte sich hierbei wiederum urn die Kontroverse, ob eher unabhangige Marktmechanismen oder strikte administrative Kontrollen als wirtschaftspolitische Instrumente eingesetzt werden sollten. Auch wenn sich die Partei auf dem Zehnten Parteitag im Juli 1986 in den "The sen zur Zweiten Stufe der Wirtschaftsreform" offiziell auf eine marktwirtschaftliche Strategie einigte, blieb die Spaltung bis Ende der 1980er Jahre bestehen.
Am 2. Oktober 1987 wurde das Programm zur Durchftihrung der Zweiten Stufe der Wirtschaftsreform von der Regierung dem Wirtschaftsreformkomitee zur Beurteilung vorgelegt. 119 Das Programm war Ergebnis einer breiten Diskussion der Thesen innerhalb und auBerhalb der Partei 120 und enthielt einen Zeitplan fUr die innerhalb der folgenden zwei Jahre einzuleitenden Reformen. 1m Unterschied zum Reformprogramm von 1981 sah das Programm die Reorganisation des zentralen Wirtschaftsapparats als ersten Reformschritt vor, die im vorherigen Programm den letzten Schritt im ReformprozeB dargestellt hatte. Die Reform des institutionellen Aufbaus wurde somit als notwendige Bedingung ftir den Erfolg des Reformprozesses gesehen und nicht als dessen Ergebnis. Als wichtige personelle Veranderung wurde Zdislaw Sadowski, ein anerkannter parteiloser Okonom, zum Chef der Planungskommission, die ein Zentrum der Reformgegner war, berufen. 121 Thm unterstand auBerdem die Reformkommission, die das "Realisierungsprogramm fUr die zweite Reformetappe" vorbereitete.
Ein wesentlicher Bestandteil des Reformprogramms waren die geplanten Preiserhohungen fUr Nahrungsmittel, Energie im Bereich der Raushalte, Mieten, Alkohol und Tabak.122 Die Arbeiterschaft sollte durch Kompensationszahlungen fUr die Preiserhohungen, wenn auch nicht in voller Rohe, entschadigt werden. Die Regierung erhoffte damit einerseits, die Zustimmung zu den anderen geplanten MaBnahmen zu erhalten, andererseits sollten durch die Preiserhohungen die Verzerrungen in den Relativpreisen und damit in der Allokation abgebaut sowie die Budgetsituation durch
118 Vgl. Fallenbuchl, Z. M. (1991): The 1986-1990 five year plan: Strategy and reform dependency, S. 18f.
119 Vgl. Ostrowski, M. (1991): Economic development and the economic reform in Poland, S. 44ff. 120 Vgl. Gabrisch, H. (1988): Die "zweite Etappe der Wirtschaftsreform" in Polen: Ausgangslage,
Programm, Diskussion und MaBnahmen 1987, S. 13-19. 121 Vgl. Pysz, P.; Quaisser, W. (1988): Polens Wirtschaft zwischen Krise und Reform, S. 57. 122 Vgl. Milanovic, B. (1992): Poland's quest for economic stabilisation, 1988-91, S. 512f.
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steigende Einnahmen und sinkende Subventionen verbessert werden. Erstmals in der Geschichte der sozialistischen Lander wurde am 29. November 1987 tiber das Reformprogramrn in einem Referendum abgestimrnt. Das Ergebnis des Referendums bedeutete, trotz einer Mehrheit der abgegebenen Stimrnen, aufgrund der geringen Wahlbeteiligung von 67 % eine Ablehnung des Programrns.123 Die daraus resultierende Schwachung der Regierungsposition fUhrte dazu, daB die am 1. Februar 1988 eingefUhrten Preiserhahungen fUr Verbrauchsgtiter nur 40 % statt der ursprtinglich vorgesehenen 110 % betrugen.
1m Mai 1988 gewahrte der Sejm der Regierung ein Paket spezieUer Rechte zur Durchsetzung der Wirtschaftsreform. 124 In der Folge wurde die direkte KontroUe der Lahne durch die Ministerien abgeschafft, und die BetriebsfUhrung konnte nun direkt mit den Arbeitern verhandeln. 125 Da die Betriebsleitungen jedoch nach wie vor weder Ameize noch Maglichkeiten hatten, dem Arbeitnehmerdruck nach Lohnerhahungen entgegenzuwirken, fUhrte die Reform zu einer starkeren Macht der Arbeitnehmer tiber die Betriebsleitung. Begtinstigt durch diese neue Regelung und mit Hilfe einer Reihe von Streiks konnte die Arbeiterschaft massive Kompensationsforderungen durchsetzen, weshalb eine der Zielsetzung des Programrns entgegengesetzte Entwicklung einsetzte und die Lahne im Verlauf des lahres 1988 deutlich starker als die Preise stiegen. 126
Hemrnend auf die Durchsetzung der im Reformprogramrn angestrebten Veranderungen wirkte sich der Fi.infjahresplan 1986-1990 aus, der im Dezember 1986 verabschiedet worden war. Die dort getroffenen Vorgaben standen nicht im Einklang mit den Zielsetzungen der ,,zweiten Etappe", es fand aUerdings auch keine nachtragliche Anderung statt. 1m Investitionsplan war ein Zuwachs der Investitionen im Bereich der materieUen Produktion von 67 % im 1 ahr 1985 auf 72 % im 1 ahr 1990 vorgesehen. 127 Der Anteil der Industrie an den gesamten Investitionen soUte dabei im selben Zeitraum von 30 %
auf 38 % zunehmen. Die Farderung des Strukturwandels durch Investitionen war begrenzt, da 72 % der im zentralen Plan vorgesehenen Investitionsmittel in bereits beste-
123 Vgl. Pysz, P.; Quaisser, W. (1988): Polens Wirtschaft zwischen Krise und Reform, S. 60. 124 Vgl. Kaminski, B. (1991): Economic reform and directive capacity of the Polish state in the 1980s, S.57.
125 Vgl. Johnson, S. (1991): Did socialism fail in Poland?, in: Comparative Economic Studies, Bd. 33, Nr. 3, S. 135.
126 Wiihrend die Einzelhandelspreise im Dezember 1988 gegeniiber dem Vorjahresmonat urn 73 % erbOht hatten, lag der Lohnanstieg im selben Zeitraum bei 156 %. Vgl. Milanovic, B. (1992): Poland's quest for economic stabilisation, 1988-91, S. 513.
127 Dies fiihrte zu einer anhaltenden Finanzmittelknappheit im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in anderen Dienstleistungsbereichen. Vgl. Fallenbuchl, Z. M. (1991): The 1986-1990 five year plan: Strategy and reform dependency, S. 22f.
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hende Projekte flossen.1 28 Diese zeichneten sich durch ihre hohe Kapital-, Rohstoffund MaterialintensiUit aus.
Als wesentliches Merkmal im gescheiterten polnischen ReformprozeB zeichnete sich die Widerstandsfiihigkeit der sozialistischen Institutionen gegeniiber Reformbestrebungen ab. 129 Darin kommen zwei grundlegende Widerspriiche in der von der polnischen Regierung seit 1982 verfolgten wirtschaftlichen und politischen Strategie zum Ausdruck. Einerseits ging die anfiingliche Toleranz politischer Opposition mit der Weigerung einher, die notwendigen politischen Reformen einzuleiten. Denn diese hatten der Opposition eine tragende Beteiligung am politischen Leben ermoglicht. Andererseits auBerte sich der Widerspruch in dem Versuch, marktwirtschaftliche Reformen in einem nicht marktwirtschaftlichen Umfeld einzuflihren.
2.3 Vergleich der Ausgangslage in Spanien und Polen
Ein Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung in Spanien unter Franco und in Polen in den 1980er Jahren zeigt deutlich den Unterschied in den wirtschaftlichen Problemlagen beider Lander und damit in den bestehenden Reformerfordemissen. In Spanien flihrten im wesentlichen eine fehlerhafte Wirtschaftspolitik, die nicht ausreichend auf die 1973 einsetzende, intemationale Wirtschaftskrise reagierte sowie das Versaurnnis, notwendige institutionelle Reformen einzuleiten, zu Verzerrungen in der Wirtschaftsstruktur und zu einer verscharften Krisensituation Mitte der 1970er Jahre. Diese Entwicklung war jedoch begleitet von einer Periode rasanten wirtschaftlichen Wachstums im AnschluB an die im Stabilisierungsplan enthaltene Reform, die unter anderem einen urnfassenden Wandel in der Beschaftigtenstruktur und eine bffnung der spanischen Wirtschaft nach auBen nach sich zog. In Polen gelang es hingegen zu keinem Zeitpunkt, die bestehenden Mangel des Wirtschaftssystems, die mitverantwortlich flir die Ende der 1970er Jahre aufgetretene Krise waren, mit Hilfe der eingeleiteten Reformen zu iiberwinden.
Ein Unterschied zwischen beiden Reformen bestand hinsichtlich des Impulses zur Veranderung. Wahrend sich dieser in Spanien iiberwiegend aus dem bestehenden Regime heraus entwickelte, war es in Polen die in Opposition zum Regime stehende Solidamosc, die den ProzeB der Reformdiskussion in Gang setzte. Entscheidender war
128 Dabei waren 30 % der gesamten Investitionen fUr Projekte vorgesehen, die bereits in den 1970er lahren begonnen worden waren.
129 Vgl. Kaminski, B. (1991): Economic reform and directive capacity of the Polish state in the 1980s, S.50f.
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jedoch, inwieweit sich die Anderungen in der Zielsetzung im weiteren Verlauf verfestigten und damit Teil des Systems wurden. In Spanien war die Anderung in der wirtschaftspolitischen Zielsetzung verbunden mit weitreichenden personellen Veranderungen bei den Entscheidungstragern der Wirtschaftspolitik. Diese neuen Eliten bestimmten bis zum Ende des Regimes den wirtschaftspolitischen Kurs und trugen groBen Anteil an den eingetretenen Veranderungen. 130 In Polen fand mit der Einflihrung des Kriegsrechts im Dezember 1981 und dem Verbot der Solidamosc zwar keine grundsatzliche 'Anderung der wirtschaftspolitischen Zielsetzung statt, ein urnfassender Wechsel in den wirtschaftspolitischen Entscheidungsinstanzen blieb dadurch jedoch aus. 1m Reformprogramm der polnischen Regierung von 1981 lag die Bestimmung und Ausarbeitung der wirtschaftspolitischen Zielsetzungen nach wie vor bei den leitenden Organen der PV AP. 131 1m Verlauf der Reformdiskussion war diese Regelung kritisiert und als Lasung eine Reform des polnischen Parlaments vorgeschlagen worden. 1m Rahmen der Reform war die Einrichtung einer zweiten Kammer vorgesehen, we1che sich ausschlieBlich mit wirtschaftlichen und sozialen Fragen befassen und deren Mitglieder von den selbstverwalteten Einheiten bestimmt werden sollten. Da eine so1che Reform die flihrende Rolle der Partei eingeschrankt hatte, wurde der Vorschlag nicht beriicksichtigt. Den Reformprojekten in Polen kann nicht unterstellt werden, daB sie reine Lippenbekenntnisse der Regierung waren, die allein dem Zweck dienten, nach auBen hin staatliche Reformwilligkeit zu demonstrieren. Denn eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage lag auch im Interesse der Entscheidungstrager auf Regierungsseite. Die mit der Reform angestrebte, steigende Unabhangigkeit der Unternehmen von den zentralen Planungsinstanzen stand jedoch in Konflikt mit dem obersten Ziel der Regierung, welches die Wiederherstellung der im Rahmen der Krise und Reformdiskussion geschwachten politischen Machtposition der PV AP urnfaBte. 132 Der bestehende Konflikt zwischen Liberalisierung der Wirtschaft und Erhaltung der politischen Macht kann aber auch im FaIle Spaniens als Grund flir die zumindest partiell fehlgelei tete Entwicklung aufgeflihrt werden.
Erhebliche Unterschiede zwischen Spanien und Polen existierten auBerdem hinsichtlich der auBeren Einfliissen auf die Wirtschaft und die Wirtschaftspolitik. Neben der engen Zusammenarbeit mit dem IWF und der OEEC bei der Formulierung des Stabilisierungsplans spielte im weiteren Verlauf die auBenwirtschaftliche Offnung eine we-
1)0 Vgl. Cazorla, J. (1993): The theory and reality of the authoritarian regime, thirty years later, S. 74 131 Vgl. J6zefiak, C. (1987): The structural changes in the power centre, and economic reform in Poland, S.6f.
IJ2 Ihr Scheitem verdeutlicht auch die Entwicklung in der Zahl der Parteimitglieder, die von tiber 3 Mio. 1980 auf 2 Mio. 1985 zuriickging. V gl. Batt, J (1991): East Central Europe from reform to transformation, S. I3f.
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sentliche Rolle fUr die Modemisierung der spanischen Wirtschaft. Sie ging einher mit einem Wachstum der spanischen Exporte und Importe bis Mitte der 1970er Jahre, das deutlich tiber dem Wachstum des Welthandels lag. 133 Demgegentiber trat in Polen im AnschluB an die Verhangung des Kriegsrechts bis Mitte der 1980er Jahre eine Abkehr vom westlichen Ausland ein. 134 Infolgedessen war sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen im Zeitraum 1980 bis 1989 ein drastischer Rtickgang zu verzeichnen. Dabei sanken - gemessen in jeweiligen Preisen in US-$ - die Importe bis 1989 auf 53 % und die Exporte auf 77 % ihres Niveaus von 1980.135
Dartiber hinaus scheint, neben den oben angesprochenen Ursachen, auch die mangelnde Leistungsfiihigkeit des sozialistischen Wirtschaftssystems eine Rolle gespielt zu haben. Der wichtigste Unterschied - bei einem Vergleich Spaniens in der Phase der Autarkiepolitik bis Ende der 1950er Jahre und dem polnischen System, die sich beide durch einen umfassenden staatlichen Dirigismus auszeichneten - existierte beztiglich der Eigentumsform. Denn in Spanien blieb das Privateigentum an den Produktionsmitteln weitgehend erhalten, wahrend sich in Polen beinahe der gesamte gewerbliche und Dienstleistungssektor in Staatseigentum befand. Obwohl die vielfaltigen Mangel bei der Durchsetzung der polnischen Reformen die Beurteilung erschweren, erscheint es fraglich, ob die konsequente Umsetzung der vorgesehenen MaBnahmen einen durchgreifenden Erfolg gebracht hatte. Die in Polen durchgefUhrten Reformen stellten einen Versuch dar, marktwirtschaftliche Anreize fUr die staatlichen Unternehmen zu schaffen. Die Orientierung an wirtschaftlicher Effizienz sollte dabei unter anderem durch das umstrittene Instrument der Selbstverwaltung der staatlichen Betriebel36 und eine Verringerung der Zahl der Branchenministerien gewahrleistet werden, urn damit das tiberkommene System der btirokratischen Koordination aufzu16sen. Die neuen Ministerien, aber auch die Betriebsleitungen strebten jedoch weiterhin enge gegenseitige Verbindungen an und trugen auf diese Weise zur Wiederherstellung der Branchenstruktur der Ministerien bei. 137 Aus den Erfahrungen mit den beiden gescheiterten
133 Vgl. Alonso, J. A. (1993): El sector exterior, S. 406f. 134 Als Folge der Verhangung des Kriegsrechts erlieBen die USA und die westeuropaischen Staaten wirt
schaftliche Sanktionen, die bis Ende der 1980er Jahre weitgehend aufrechterhalten wurden. Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 82.
135 Vgl. United Nations (Hrsg.) (1995): 1993 international trade statistics yearbook, Volume 1. Trade by country, S. 757.
136 Vgl. KapiteI2.2.2, S. 26 137 Die Grenzen einer Reform des staatlichen Sektors in sozialistischen Wirtschaftssystemen begriindet
Kornai mit der bestehenden Tendenz zur Reproduktion der biirokratischen Koordinationsmechanismen. Vgl. Kornai, J. (1995): Highways and byways. Studies on reform and post-communist transition, S.46f.
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Reformprojekten in Polen wurde deutlich, daB fUr die polnische Wirtschaft eine Transformation als Schritt zur erfolgreichen Weiterentwicklung notwendig war.
2.4 Der Ansatz zur Untersuchung wirtschaftIicher Umgestaltungsprojekte
Die Betrachtung der Reformen und Reformversuche in Spanien und in Polen litBt auf einen bedeutenden EinfluB politischer Faktoren schlieBen. In autoriUiren Regimes wie dem franquistischen Spanien lliBt sich eine ausgepragte Interdependenz zwischen wirtschaftlicher und politi scher Situation feststellen. 138 So fUhrten die ersten Anzeichen der einsetzenden Wirtschaftskrise Anfang der 1970er Jahre nicht nur zu einer Bedrohung des Regimes sondern auch dazu, daB eine Anpassung an die geanderten Bedingungen, die mit Einschnitten verbunden gewesen ware, unterblieb und statt dessen eine kompensatorische Wirtschaftspolitik betrieben wurde. Die Gegebenheiten im sozialistischen Polen in den 1980er Jahre waren tihnlich, da trotz der Bestrebungen, ein totalitares Regime nach dem Zweiten Weltkrieg zu errichten, ein gewisses MaB an Pluralismus erhalten blieb. Der 1980 einsetzende Dialog mit oppositionellen Kraften, der zur Zulassung der Gewerkschaftsbewegung Solidarnos6 fUhrte, kam mit Verhangung des Kriegsrechts Ende 1981 zum Erliegen, ab Mitte der 1980er Jahre fand jedoch wiederum eine innenpolitische Entspannung statt. Es kann daher auch in Polen eher von einem autoritaren Regime gesprochen werden. 139
Ausgangspunkt einer langen Reihe von Untersuchungen tiber eine Verbindung zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Demokratie stellt eine von Lipset Ende der 1950er Jahre im Social Science Research Council durchgefUhrte Studie dar, in der ein statistischer Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Demokratie nachgewiesen wurde. 140 Obwohl in dieser Untersuchung ausdrticklich nur eine Korrelation festgestellt wurde, gingen nachfolgende Studien von einer ursachlichen Beziehung aus und formulierten die Hypothese, daB ein bestimmtes Niveau an wirtschaftlicher Entwicklung eine notwendige Bedingung fiir eine erfolgreiche Demokratisierung sei.141 Der wesentliche Kritikpunkt an der modernisierungstheoretischen Forschungsrich tung bezieht sich auf den ihr innewohnenden Deterrninismus, der historische
138 Eine Untersuchung von Regierungen in 23 Uindern in Ost- und Siidostasien, in Lateinamerika und in Afrika kam zu dem Ergebnis, daB sich autoriHire Regimes im Durchschnitt sHirker anfallig gegeniiber Legitimitiitskrisen aufgrund wirtschaftlicher Krisensituationen zeigten als demokratische Systeme. Vgl. Haggard, S.; Evans, P. B. (Hrsg.) (1992): The politics of economic adjustment, S. 330.
139 Vgl. Linz, J. J.; Stepan, A. (1996): Problems of democratic transition and consolidation, S. 255f. 140 Lipset, S. M. (1959): Some social requisites of democracy: Economic development and political
legitimacy, in: The American Political Science Review, Bd. 53, S. 69-105. 141 Vgl. Rustow, D. A. (1970): Transitions to democracy, S. 34lf.
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Phanomene und Verhaltensweisen vo11sUindig auBer acht Hi.Bt. In neueren Beitragen ist dann auch eine abgeschwachte Argumentation festzustellen, und es werden weitere Faktoren, unter anderem historische Sondersituationen, als erklarende Variablen
herangezogen. 142 Umstritten ist innerhalb der Modernisierungsforschung nach wie vor, wie die Wirkungsrichtung verlauft, also ob wirtschaftliche Entwicklung ursachlich flir Demokratie ist oder umgekehrt.
1m Unterschied zur Modernisierungsforschung verzichtet die akteursorientierte Transi
tionsforschung darauf, Voraussetzungen flir Demokratisierungsprozesse zu ermitteln. 143 Ihr Ziel ist es vielmehr, anhand der Untersuchung verschiedener Prozesse typische Verhaltens- und Ablaufmuster abzuleiten. Die akteursorientierte Transitionsforschung ist damit in ihrer Grundausrichtung deskriptiv, und sie bezieht sich beinahe ausschlieBlich auf interne Faktoren zur Erklarung von Demokratisierungsprozessen.
Die in der Transitionsforschung nach wie vor bestehende Dichotomie zwischen mo
dernisierungstheoretischen und akteurstheoretischen Erklarungsansatzen144 soIl in der vorliegenden Arbeit nicht beibehalten werden. Vielmehr wird grundsatzlich davon ausgegangen, daB ein wechselseitiger EinfluB zwischen strukturellen Faktoren und den Verhaltensweisen der Akteure besteht. Allerdings wird der Schwerpunkt in den einzelnen Phasen der Veranderung unterschiedlich gesetzt werden. 1m ProzeB der wirtschaftlichen Umgestaltung lassen sich drei Phasen unterscheiden:
1. In der Phase der Diskussion von Reform- bzw. Transformationsprojekten ist von Bedeutung, welche Akteure an der Diskussion beteiligt sind und in welchem Rahmen die Verhandlungen ablaufen.
2. In der Phase der Verabschiedung der Programme werden der Umfang und der Zeitplan der vorgesehenen MaBnahmen festgeschrieben.
142 Vgl. Lipset, S. M.; Seong, K.-R.; Torres, J. C. (1993): A comparative analysis of the social requisites of democracy, S. 164f, 168ff. Neben wirtschaftlichen Faktoren wie dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf werden noch kulturelle Faktoren als erkHirende Variablen fUr Demokratisierung aufgefUhrt. Diese haben jedoch eher den Charakter einer Sammelvariable zur Abdeckung der durch das Grundmodell nicht erkHirten Abweichungen.
143 Vgl. Bos, E. (1994): Die Rolle von Eliten und kollektiven Akteuren in Transitionsprozessen, S. 82. 144 Nach Merkel tendieren die systemtheoretischen und strukturalistischen Analysen aufgrund ihrer
Makroorientierung dazu, "zu viel" erkJaren zu wollen, die akteursorientierten Ansatze aufgrund ihrer Mikroorientierung hingegen "zu wenig". So besteht in der Modernisierungstheorie trotz statistisch robuster Ergebnisse weiterhin die Dunkelheit der black box beziiglich des Zusammenhangs zwischen soziookonomischen Gegebenheiten und demokratischen Systemen. Vgl. Merkel, W. (1994): Struktur oder Akteur, System oder Handlung: Gibt es einen Konigsweg in der sozialwissenschaftlichen Transformationsforschung?, S. 321f.
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3. Die Phase der Durchsetzung der Programme erstreckt sich tiber einen Hingeren Zeitraum. Sie umfaBt sowohl die Anderung bestehender Regelungen als auch deren
Durchsetzung und gilt dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn sich die Wirkungsweise der Wirtschaft gemaB den Zielen verandert hat.
Die hier getroffene Einteilung bedeutet jedoch nicht, daB sich der Gesamtverlauf von Reform- und Transformationsprogrammen streng nach diesem Muster richtet. Es kann
zu zeitlichen Uberschneidungen verschiedener Phasen oder Zll erneuten Verhandlungen und Programmverabschiedungen kommen.
Ftir die Phasen der Diskussion und der Verabschiedung von Reform- bzw. Transformationsprogrammen liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf den Entscheidungs
tragern. In der Betrachtung und Einschatzung des Erfolgs bei der Durchsetzung von Reform- und Transformationsprogrammen wird groBeres Gewicht auf strukturelle Faktoren gelegt werden. Wie oben bereits angesprochen, ist hier mit Widerstanden seitens der von den Veranderungen negativ betroffenen Unternehmen oder Wirtschaftssubjekten zu rechnen. Wahrend die Akteure weiterhin eine entscheidende Rolle fUr die Kontinuitat der Bestrebungen spie1en werden, ist zu erwarten, daB das AusmaB der Widerstande oder Barrieren durch strukturelle Faktoren bestimmt ist.
AuslOser und gemeinsamer Ausgangspunkt fUr jegliche Art von grundlegenden Veranderungen, wie sie Reformen und vor all em Transformationen darstellen, ist eine Krisensituation. Es kann sich dabei sowohl urn politische als auch urn wirtschaftliche Krisen- oder Umbruchsituationen handeln. Leszek Ba1cerowicz stellt ein einfaches Zwei-Phasen-Modell fUr die Politik im direkten AnschluB an einen epochalen politischen Umschwung auf. 145 In dies em Modell existiert eine hohe Bereitschaft, direkt nach einem derartigen Umschwung radikale wirtschaftliche MaBnahmen hinzunehmen. Der Grund wird in den noch im FluB befindlichen politischen Strukturen bei gleichzeitiger Diskreditierung der traditionellen politischen Eliten gesehen, was dazu fUhrt, daB
sowohl die Bevolkerung als auch die politischen Ftihrungskrafte starker im Sinne des Allgemeinwohls denken und handeln. Diese erste Phase nennt Ba1cerowicz die Periode der "auBergewohnlichen Politik". Diese wird vergleichsweise rasch von der Rtickkehr
zur "normalen Politik" abgelOst, was sich aus der beginnenden Konkurrenz der Parteien und Interessengruppen ergibt. Die Parteien sind auf der Suche nach einem politi
schen Programm und Profil, die wichtigen Themen werden zunehmend politisiert.
Deswegen ist es entscheidend, noch wahrend der Phase der "auBergewohnlichen Poli-
145 V gl. Ba1cerowicz, L. (1995): Socialism, capitalism, transformation, S. 160ff.
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tik" ein moglichst umfassendes Programm festzulegen, da spater mit wachsenden Widerstanden zu rechnen ist.
In einem von John Keeler speziell fUr Reformen in etablierten Demokratien aufgestellten Modell wird die These vertreten, daB der Umfang der Reformmoglichkeiten durch das AusmaB der Krise und die GroBe des politischen Mandats bestimmt wird. Dieses "window for reform" bestimmt wiederum die Tragweite der legislativen Veranderungen. Je nachdem, welches Element tiberwiegt, wird von mandatsgesteuerten oder krisengesteuerten Regierungen gesprochen.146 Das Erreichen eines Konsenses, sowohl zwischen Politikern als auch auf gesellschaftlicher Ebene, kann eine Alternative zu einem umfangreichen Mandat darstellen. 147 Das Erreichen eines Konsenses hat den Vorteil, daB durch die breite Zustimmung die Kontinuitat der beschlossenen Vereinbarungen wahrscheinlicher wird. Es soll an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden, daB sich die Uberlegungen auf den Fall der in Umbruchphasen verhandelten Projekte bezieht. Damit soll nicht die Konsenslosung als allgemein zu praferierende Politik propagiert werden, denn sie besitzt auch Schwachpunkte. Zum einen ist zu erwarten, daB in kleineren Gruppen Entscheidungen schneller getroffen werden. Zum anderen beinhaltet ein Konsens immer auch einen KompromiB, der in der Regel zu weniger klar formulierten Programmen ftihrt. 1m Kontext des Umbruchs oder der Krise ist jedoch, wie oben angefUhrt, eine erhohte Konsensbereitschaft der Akteure und damit sowohl eine schnelle Einigung als auch ein in geringerem MaBe durch Partikularinteressen verzerrtes Programm zu erwarten.
Ein Grundkonsens bezieht sich tiblicherweise auf grundsatzliche und langerfristige Probleme, wobei ein wesentliches Element die UngewiBheit der an der Entscheidung Beteiligten tiber ihre zukiinftige Position ist. 148 Bereiche, in denen ein Grundkonsens geschlossen werden kann, sind neben der Festlegung grundlegender politi scher Regeln und Institutionen auch gesellschaftliche Entscheidungssysteme und wirtschaftliche Grundregeln im Bereich der Allokation.
Ftir die Erreichung eines Konsenses und fUr die Durchsetzung von MaBnahmen ist die Legitimation der Entscheidungstrager von Bedeutung. Einerseits stattet sie die Entscheidungstrager mit dem notwendigen MaB an Machtbefugnis fUr die Durchsetzung von in vielen Fallen mit Einschnitten verbundenen MaBnahmen aus, andererseits legt
146 Vgl. Keeler, J. T. S. (1993): Opening the window for reform. Mandates, crises, and extraordinary policy-making, S. 436f.
147 Vgl. Maravall, J. M. (1994): Economias y regfmenes politicos (Centro de Estudios Avanzados en Ciencias Sociales del Insituto Juan March, EstudiolWorking Paper 1994/59), S. 41.
148 Vgl. Frey, B.; Kirchgassner, G. (1994): Demokratische Wirtschaftspolitik, S. 340.
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sie die Position der an den Reformentscheidungen Beteiligten bei den Verhandlungen fest. Es ist dabei zu vermuten, daB die im Rahmen freier, demokratischer Wahlen hergestellte Legitimation eine Konsensfindung, die fiir das Erreichen einer Ubereinkunft notwendig ist, sHirker fOrdert als andere Formen der Legitimation. 149 Denn neben der durch allgemeine Wahlen geschaffenen breiten Legitimationsbasis wird eine quantifizierte Rangfolge festgelegt, ausgedriickt in den Anteilen an den abgegebenen Stimmen, die die Starke der Verhandlungsposition der am Konsens beteiligten Krafte widerspiegelt. Von Bedeutung ist dies unter dem Aspekt der Anerkennung der Verhandlungspartner als gleichberechtigte Krafte, die auch dadurch gefOrdert wird, daB die Beteiligten ihre Legitimation aus derselben Quelle beziehen.
Eine Moglichkeit fiir die Festschreibung eines Konsenses stellt die SchlieBung von Pakten dar. Ein Pakt laBt sich als explizite Ubereinkunft zwischen einer ausgewahlten Gruppe von Akteuren beschreiben, welche bestehende Regeln, gestiitzt auf gegenseitige Garantien beztiglich der grundlegenden Interessen, neu definieren wollen. ISO
Neben der Legitimation der Verhandlungspartner ist die Vereinbarkeit der Zielvorstellungen entscheidend fiir das Erreichen eines Konsenses. Es sind verschiedene Szenarien denkbar:
1. Die wirtschaftliche Reform oder Transformation ist gemeinsames oberstes Ziel aller oder zumindest der Mehrheit der an der Verhandlung Beteiligten. Damit ist zu erwarten, daB ein Konsens problemlos erreicht wird.
2. Es existiert Ubereinstimmung hinsichtlich des obersten Ziels, welches jedoch nicht die wirtschaftliche Reform oder Transformation ist. Das Erreichen des Konsenses kann dann entweder tiber eine Einbindung der wirtschaftlichen Reform oder Transformation in einen die obersten Zie1e umfassenden Gesamtkonsens erfolgen oder tiber eine durch Tauschgeschafte hinsichtlich von Zielen hoherer Prioritat herbeigefiihrte Ubereinkunft.
149 Nach Luhmann fiihrt die Konkurrenz urn den Zugang zu Entscheidungskompetenzen zu einer Angleichung der Strategien und Programmangebote. Dariiber hinaus ermoglicht es das Verfahren der politischen Wahl, gesellschaftliche Konflikte - und wirtschaftliche Krisen konnen als gesellschaftlicher Konflikt angesehen werden - in das politische System hineinzuleiten und auf diese Weise zu IOsen. Vgl. Luhmann, N. (1989): Legitimation durch Verfahren, S. 16lff.
150 Fur den Fall des Systems politischer Machtausiibung findet sich diese Definition von Pakten bei O'Donnell, G.; Schmitter, P.C. (1986): Tentative conclusions about uncertain democracies, S. 37.
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3. Es existiert keine Ubereinstimmung hinsichtlich des obersten Ziels. Hier ist zu vermuten, daB ein Konsens nur schwer zu erreichen sein wird, es sei denn tiber umfangreiche wechselseitige Tauschgeschafte.
Die beiden letztgenannten Szenarien erfordern ein breites Spektrum an zu verhandelnden Themen, welches Tauschgeschafte moglich macht. Ein parallel ablaufender politischer TransformationsprozeB kann solch ein breites Spektrum an zu verhandelnden Themenbereichen liefern und die Konsenserreichung fOrdern. Wird ein Konsens erreicht, so ist zu erwarten, daB die Umsetzung der Vereinbarungen wenig problematisch sein wird, da sie von einer groBen Mehrheit getragen werden. Allerdings ist die KonsenslOsung in der Regel zeitaufwendiger als eine alleinige Entscheidung und es ist zudem schwieriger, eine Ubereinstimmung in allen Bereichen der wirtschaftlichen Umgestaltung zu erreichen. Werden Teilbereiche aus der Vereinbarung ausgeklammert oder ziehen sich die Verhandlungen tiber die Phase der "auBergewohnlichen Politik" hinweg, so sind groBere Schwierigkeiten zu erwarten.
Der Erfolg von Reformen und Transformationen spiegelt sich in Verlinderungen der Funktionsweise der Wirtschaft wider. Neben der Ausgestaltung der Programme ist dabei entscheidend, wie die Voraussetzungen in den jeweiligen Volkswirtschaften waren. So ist zu erwarten, daB eine ausgepragte Rtickstandigkeit oder urnfangreiche strukturelle Verzerrungen der Wirtschaft zu groBeren Widerstlinden bei der Umsetzung fUhren werden und damit den Erfolg der Programme geflihrden. Andererseits ist bei einem bestehenden Aufholpotential der Wirtschaft mit geringeren Widerstanden und Problemen bei der Durchsetzung zu rechnen. Beispielsweise ist bei einem hohen Bestand an Humankapital mit einem starkeren Wachstumspotential der Wirtschaft und damit einer schnelleren Anpassung an den steigenden Wettbewerb zu rechnen.
Die bisherigen Betrachtungen beschrankten sich auf interne Faktoren zur Bestimmung des Erfolgs oder Scheiterns von Reform- und Transformationsprozessen. Denn fUr den Ablauf der Entscheidung und die Durchsetzung von wirtschaftlichen Reform- und Transformationsprogrammen kommt der Zusammensetzung der an der Programmverabschiedung Beteiligten und der davon bestimmten Programrninhalte eine herausragende Rolle zu, ebenso wie der Wirtschaftsstruktur und dem Urnfang der bestehenden Verzerrungen fUr mogliche Schwierigkeiten bei der Programmumsetzung. Diese internen Faktoren, Akteure und Strukturen stehen jedoch in Verbindung mit und werden beeinfluBt vom Ausland.
Ftir die Gruppe der Akteure bzw. Entscheidungstrliger - dies sind in der Regel Parteien, einzelne Politiker oder Interessengruppen - ist zu erwarten, daB sie mit auslandi-
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schen Organisationen in Verbindung stehen und von diesen beeinfluBt werden. AusHindische Organisationen konnen Parteien, Interessengruppen und inter- oder supranationale Organisationen sein, beispielsweise der IWF, die Weltbank oder die OEeD als intemationale Organisationen und die EO als supranationale Organisation. Wie eingangs angesprochen, war diesbeztiglich die Ausgangslage in Spanien und Polen sehr unterschiedlich.
1m Unterschied dazu findet der EinfluB auf die wirtschaftlichen Strukturen tiber den Kontakt mit anderen Volkswirtschaften statt, also im wesentlichen tiber den AuBenhandel und tiber wechselseitige Investitionen. Wahrend Spanien seit dem Stabilisierungsplan von 1959 und im Zuge der Phase hohen wirtschaftlichen Wachstums immer starker wirtschaftlich mit den westlichen Industrielandem verflochten war, befand sich Polen fest im wirtschaftlichen Verbund im ROW mit den anderen Ostblockstaaten. Der AuBenhandel mit dem Westen unterlag der strikten administrativen Kontrolle und war in seinem Umfang viel geringer als der Spaniens. Allein die hohe Verschuldung gegentiber dem Westen schuf eine weitere Verbindung mit dem westlichen Ausland.
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3 Der ProzeE des Zustandekommens wirtschaftlicher Reform- und Transformationsprogramme in Spanien und Polen
1m folgenden Abschnitt wird zuerst untersucht, wie sich im Rahmen der politischen Offnung die Zusammensetzung der fUr die Programmverabschiedung verantwortlichen Akteure gestaltete bzw. veranderte. Denn es ist, wie erwahnt, davon auszugehen, daB fUr die Ausarbeitung und Verabschiedung von wirtschaftlichen Umgestaltungsprogrammen die Akteure als Entscheidungstrager eine wichtige Rolle spielen. 1m AnschluB daran wird der ProzeB der Programmerstellung und -verabschiedung untersucht. Dies geschieht u.a. im Hinblick darauf, in we1chem Umfang Ubereinstimmung zwischen den Akteuren bestand oder hergestellt werden konnte.
3.1 Der DemokratisierungsprozeB und wirtschaftliche Reformen in Spanien nach dem Tode Francos
3.1.1 Der DemokratisierungsprozeB und sein EinfluB auf die Konsensfindung
Der erste Schritt zu wirtschaftlichen Reformen nach dem Tode Francos im November 1975 wurde in Spanien mit der Verabschiedung der Monc1oapakte1 von 1977 vollzogen. Die Monc1oapakte setzen sich aus zwei Teilen zusammen, einer Ubereinkunft zur wirtschaftlichen Stabilisierung und Reform und einer Ubereinkunft tiber ein gesetzliches und politisches Handlungsprogramm. Ein wesentliches Merkmal dieser zwischen Politikern geschlossenen Vereinbarung ist der breite Grundkonsens. Am 25.
I Die Moncloapakte sind eine Ubereinkunft zwischen den wichtigsten spanischen Parteien tiber wirtschaftliche und politische Reformen, die am 25. Oktober 1977 nach mehrtagigen Verhandlungen im spanischen Regierungssitz "Palacio de la Moncloa" getroffen wurde, woher sich auch die Bezeichnung "Moncloapakte" ableitet.
Oktober 1977 unterzeichneten Vertreter der Union des demokratischen Zentrums (UCD), der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE), der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), der Franco-Nachfolgepartei Alianza Popular (AP), der baskischen und katalanischen Sozialisten sowie der Sozialistischen Volkspartei das Dokument.2 Die weitgehende Ubereinstimmung wird auBerdem deutlich anhand der iiberwaltigenden Mehrheit bei der Verabschiedung im spanischen Parlament. Am 27. Oktober 1977 wurden die Monc1oapakte im spanischen KongreB mit nur einer Gegenstimme verabschiedet und am 11. November im Senat mit drei Gegenstimmen.3 1m folgenden soIl untersucht werden, inwieweit die Demokratisierung der Konsenserreichung zu- bzw. abtrliglich war und ob der Konsens eine notwendige Voraussetzung fUr die Verabschiedung des Reformprogramms darstellte.
Nach Francos Tod trat Juan Carlos, wie bereits im Juli 1969 festgelegt, als spanischer Konig dessen Nachfolge an. Als ersten Rcgierungschef ernannte er den von Franco Ende 1973 als Premierminister eingesetzten4 , regimetreuen Carlos Arias Navarro. Die Regierung Navarro, die sich wachsendem Druck zur politischen und wirtschaftlichen Reform ausgesetzt sah, hielt an der unter Franco verfolgten Politik fest. 5 Da somit keine entscheidenden Reformen in die Wege geleitet wurden, muBte Navarro bereits im Juli 1976 von seinem Amt zuriicktreten.6 Der wachsende offentliche Druck auf die Regierung, politische Reformen voranzutreiben, manifestierte sich in einer massiven Anstieg der Streiktlitigkeit, die zunehmend politisch motiviert war.? Die schwierige Aufgabe fUr Juan Carlos bestand demnach darin, einen Nachfolger zu finden, der einerseits den politischen ReformprozeB entschiedener vorantreiben und andererseits von den Vertretern des alten Regimes akzeptiert wiirde. Fiir die Wahl des Nachfolgers war, wie unter Franco iiblich, vorgesehen, dem Konig eine Liste dreier Kandidaten vorzulegen, aus der er den Premierminister auswahlte. Der ProzeB der Vorauswahl fand im fiinfzehn Personen umfassenden Rat des Konigreiches statt, des sen Mitglieder
2 Eine Ausnahme bildet hierbei die Alianza Popular, die zwar die Ubereinkunft zur wirtschaftlichen Stabilisierung und Reform, jedoch nicht die politische Ubereinkunft unterzeichnete. Vgl. Rubio Lara, J. (1992): Algunos textos significativos de la transici6n y consolidaci6n de la democracia espanola, in: Cotarelo, R. (Hrsg.): Transici6n politica y consolidaci6n democnitica. Espana (1975-1986), S. 473.
3 Vgl. Fuentes Quintana, E. (1990): De los Pactos de la Monc1oa a la Constituci6n, S. 32. 4 Der urspriinglich von Franco vorgesehene Kandidat fur das Amt des Premierministers, Carrero
Blanco, wurde 1973 Opfer eines Attentats der ETA. S Vgl. Lieberman, S. (1995): Growth and crisis in the Spanish economy 1940-93, S. 168ff. 6 In einem Interview mit Newsweek im Juni 1976 nannte Juan Carlos den Premierminister Navarro "ein
vollkommenes Desaster". 7 Gegeniiber 1975 hatte sich 1976 die Zahl der Konflikte verdoppeJt, die Zahl der streikenden Arbeiter
rnehr als versechsfacht und die Zahl der ausgefallenen Arbeitsstunden mehr als verzehnfacht. Vgl. Nohlen, D.; Huneeus, C. (1984): Elitenwettbewerb in der Spiitphase des Franco-Regimes, S. 359.
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tiberwiegend eine FortfUhrung des alten Systems befUrworteten. Laut Colomer verteilten sich die Positionen der Ratsmitglieder wie folgt: 8 Ftinf Mitglieder befUrworteten eine bffnung des Systems, acht Mitglieder streb ten seine FortfUhrung und zwei ultrarechte Mitglieder die Rtickkehr zu einem repressiveren System an. Aus dies em Grund hatte der yom Konig und in der Presse bevorzugte, bekanntermaBen reformfreundliche Kandidat Areilza keine Erfolgsaussichten, weshalb der Parlaments- und Ratsvorsitzende Fernandez-Miranda dem Konig Adolfo Suarez als Wunschkandidat vorschlug. Dieser hatte in der Vergangenheit eine fUhrende Rolle in der Nationalen Bewegung gespielt und galt bis dahin weder als erklartermaBen reformfreundlich, noch als Vertreter der SystemfortfUhrung.9 Eine vorlaufige Liste von 32 Kandidaten wurde durch Konsens der Ratsmitglieder auf 19 reduziert. Diese wurden yom Ratsvorsitzenden in drei ideologische "Familien" aufgeteilt - "Katholiken", "Technokraten" und "Falangisten" -, wobei diese Einteilung jedoch keiner politischen Ausrichtung entsprach, sondern eher durch einen gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund oder personliche Verbindungen der Kandidaten bedingt war. Aus den 19 aufgestellten Kandidaten wurde getrennt fUr jeden Kandidaten nach dem einfachen Mehrheitsprinzip abgestimmt und diejenigen mit Stimmenmehrheit in die nachste Abstimmungsrunde tibernommen. Nachdem nur noch 6 Kandidaten verblieben waren, sollten die Mitglieder diesmal eine Dreiergruppe wahlen, die je ein Mitglied aus einer "Familie" enthielt, was eine Neuerung darstellte. Durch dieses spezielle Verfahren erhohten sich die Chancen fUr Suarez, der der Familie der "Falangisten" zugeordnet wurde und bis zuletzt nicht als favorisierter Kandidat galt, deutlich. Nachdem der zweite Kandidat in der Familie der "Falangisten" weder beim regimetreuen noch beim reformfreundlichen Fltigel der Ratsmitglieder eine Mehrheit auf sich vereinigen konnte, wurde Suarez in die Liste der drei Kandidaten gewlihlt, die Juan Carlos prasentiert wurde. Am darauffolgenden Tag ernannte der Konig Suarez zum Premier der Regierung.
1m Unterschied zu den von der Regierung Navarro vorgeschlagenen Reformpllinen, sahen die Reformplane von Suarez keine Uberarbeitung der bestehenden Verfassung durch das bestehende Parlament vor, sondern betonten explizit, daB diese durch ein frei gewahltes Parlament neu ausgearbeitet werden sollte.1O Am 8. September 1976 und damit zwei Tage vor der offentlichen Bekanntgabe, daB dem Nationalratll ein Gesetzentwurf zur politischen Reform zur Erorterung im Parlament tibermittelt werden sollte,
B Vgl. Colomer, J. (1995): Game theory and the transition to democracy. The Spanish model, S. 40-48. 9 Vgl. Nohlen, D.; Huneeus, C. (1984): Elitenwettbewerb in der Spiitphase des Franco-Regimes, S. 349. 10 Vgl. Agiiero, F. (1995): Militares, civiles y democracia, S. 136f. II Dem Nationalrat war im Zuge der Verfassungsiinderung von 1967 eine Funktion als zweite Kammer eingeriiumt worden.
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berief Suarez ein Treffen mit den Spitzen der spanischen Streitkrafte ein. Bei dieser Zusammenkunft legte er die Griinde und Ziele seines politischen Reforrnprojektes dar, welches auf unerwartet positive Resonanz stieB. Am 8. Oktober 1976 wurde der
Gesetzentwurf im Nationalrat debattiert und mit 80 la-Stimmen, bei 6 Enthaltungen und 13 Gegenstimmen, angenommen. 12 Urn zu verhindern, daB der Entwurf vor der
Weiterleitung zur Beratung im Parlament der Komrnission, einem Bollwerk der ultrarechten Francoanhiinger, vorgelegt werden muBte, wurde das Verfahren vom Parla
mentsprasidenten als "dringlich" eingestuft. In der Diskussion im Parlament vom 16. bis 18. November 1976 wurde eine Vielfalt von Anderungsvorschlagen vorgebracht. 13
Diese reichten von der Forderung nach Beibehaltung des "organischen" Vertretungsprinzipsl4 bis zum Vorschlag, nur eine Kammer einzurichten, wobei jedoch die Reform des Wahlrechts das wesentliche Thema blieb. Denn mit der Verabschiedung
des politis chen Reforrngesetzes, die eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordnetenstimmen erforderte, beschloB das Parlament seine Auflosung. Von den 531 Abgeordneten konnten jedoch nur ungefahr 250 dem reforrnwilligen Flugel zugerechnet werden. 15
Weshalb es dennoch gelang, in der Abstimmung eine Mehrheit von 420 Stimmen zu erreichen, lag u.a. an einer Fehleinschatzung der Parteimitglieder der Alianza Popular (AP) uber ihre Wahlchancen bei demokratischen Wahlen. Die AP war im Oktober 1976 als in der Tradition des Franquismus stehendes Parteienbundnis entstanden, dessen Spitzenpolitiker uberwiegend ehemalige wichtige Mitglieder der Franco-Regierung waren. 16 1m Unterschied zu der im Gesetzesvorschlag enthaltenen Regelung, die ein mehrheitliches System fUr die Wahl zum Senat und ein proportionales System fUr die Wahl zUIp KongreB vorsah, forderte die AP die EinfUhrung eines Mehrheitssystems fUr beide Kammern. Mit dies em Vorschlag wurde die Herausbildung eines Zweiparteien-
12 In den Beratungen wurde unter anderem vorgebracht, daB der Gesetzentwurf einen wichtigen Schritt im ProzeB der Institutionalisierung eines Systems darstelle, an dessen Spitze klar die Monarchie stehe und Demokratie weniger ein System als vielmehr eine Methode darstelle. Vgl. Soto Carmona, A. (1994): De las Cortes organicas a las Cortes democniticas, in: Redero San Roman, M. (Hrsg.): La transici6n a la democracia en Espana, S. 115ff.
13 Vgl. Soto Carmona, A. (1994): De las Cortes organicas a las Cortes democraticas, S. 118f. 14 Francos Idee eines "organischen" Staates sah eine Beteiligung der verschiedenen Gruppen des
"Movimiento" - auch "Familien" genannt - in den Cortes vor, die als Standeparlament 1942 eingefiihrt wurden. Von den beinahe 600 Mitgliedem (procuradores) der Cortes, wurden urspriinglich 400 designiert oder sie gehorten den Cortes aufgrund von Geburtsrechten an, wobei 50 Mitglieder direkt von Franco emannt wurden. Seit 1967 konnten 100 Abgeordnete - 2 Mitglieder des "Movimiento" je Provinz - gewahlt werden. 150 Abgeordnete kamen als Vertreter der Syndikate in die Cortes, die restlichen Abgeordneten setzten sich aus Vertretem der Gemeinden, Berufskammem, Akademien u.a. zusammen. Vgl. Bemecker, W. (l990a): Cortes, in: ders. et al. (Hrsg.): Spanien-Lexikon, S. 124.
15 Vgl. Colomer, J. (1995): Game theory and the transition to democracy. The Spanish model, S. 59ff. 16 Vgl. Bemecker, W. (1990b): Partido Popular, in: ders. et al. (Hrsg.): Spanien-Lexikon, S. 325.
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systems in Spanien angestrebt. Diesem Vorschlag wurde in dieser Form nicht entsprochen, Suarez und die AP einigten sich jedoch darauf, das proportionale System mit Korrekturmechanismen auszustatten, die den beiden sUirksten Parteien hahere Anteile der Abgeordnetensitze sicherte. 17
Mit dem Gesetz zur politischen Reform vom 18. November 1976, welches die Ersetzung des alten Parlarnents durch ein in freien Wahlen bestimmtes vorsah, wurde die Grundlage zur Abhaltung freier Parlamentswahlen geschaffen. 18 Ein anschlieBend im Dezember 1976 abgehaltenes, landesweites Referendum tiber das Gesetz zur politischen Reform brachte eine Zustimmung von 94 % der abgegebenen Stimmen. 19 Dieses Ergebnis machte deutlich, wie ausgepragt der Wunsch nach Demokratie in der spanischen BevOlkerung war. Aus den ersten demokratischen Parlamentswahlen vom Juni 1977 ging die UCD mit 47,1 % der Sitze als starkste Partei im KongreB hervor, gefolgt vom PSOE mit 33,7 %, dem PCE mit 5,7 % und der AP mit 4,6 %.20 Dieses Ergebnis veranschaulichte die deutliche Mehrheit in Spanien fUr die gemaBigten Parteien?l Eine Untersuchung tiber das Wahlverhalten leitender Manager in spanischen Unternehmen zeigte, daB auch sie mit tiber 60 % zu den gemaBigten Parteien tendierten, was auf eine positive Einstellung der spanischen Wirtschaftseliten gegentiber Reformen hinwies.22
Trotz des Wahlsiegs der UCD verfehlte sie mit dem erreichten Ergebnis eine absolute Mehrheit und war dernnach nicht in der Lage, durch ein umfangreiches politisches Mandat Reformen im Alleingang durchzusetzen. Ebensowenig konnte die gesarntwirtschafliche Situation in Spanien als ausgepragte Krise bezeichnet werden, wenn auch einzelne Sektoren starker von der Krise betroffen waren. Das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts lag 1977 bei 3,4 %, die Arbeitslosenquote bei 5,3 % und die
17 Colomer spricht dariiber hinaus von direktem Druck, der auf einzelne reformunwillige Abgeordnete ausgeiibt wurde, indem die Enthiillung bestimmter lukrativer Absprachen, die viele Abgeordnete getroffen hatten, angedroht wurde.
18 Vgl. Colomer, J. M. (1995): Game theory and the transition to democracy. The Spanish model, S.59f.
19 Vgl. Maravall, J. M. (1985): The socialist alternative: The policies and electorate of the PSOE, S. 137. Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei annahernd 80 %, wobei sie vor allem im Baskenland aufgrund der Ablehnung der Zentralregierung deutlich niedriger war. Vgl. Coverdale, 1. F. (1985): Regional nationalism and the elections in the Basque country, S. 233.
20 Vgl. Gunther, R.; Sani, G.; Shabad, G. (1988): Spain after Franco. The making of a competitive party system, S. 38.
21 Der Anteil der fUr die UCD und PSOE abgegebenen Stimmen betrug 65 %. Vgl. Maravall, J. M. (1997): Regimes, politics and markets, S. 81.
22 Von 228 befragten Managern hatten 59 % die UCD, lediglich 3 % die PSOE und annahernd 20 % die AP gewahlt. Vgl. Martinez, R. E. (1993b): The business sector and political change in Spain: Apertura, reforma, and democratic consolidation, S. 123.
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Leistungsbilanz war - nach starken Defiziten seit 1973 - erstmals annahemd ausgegli
chen. Lediglich der Anstieg der Lebenshaltungskosten war mit 25 % auBergewohnlich hoch?3 Die Hinarbeitung auf einen Konsens kann demnach als Versuch angesehen werden, das fehlende urnfangreiche Mandat als Voraussetzung fUr die Durchsetzung urnfassender Reformen durch eine Ubereinkunft zu ersetzen?4
Eine weitere Erklarung fUr die Bereitschaft der UCD als Regierungspartei und der anderen politischen Parteien, eine Ubereinkunft tiber wirtschaftliche Reformen zu
schlieBen, HiBt sich im politischen Bereich finden. Unter den politischen Parteien bestand Ubereinstimmung dartiber, daB die Konsolidierung der Demokratie das vorrangige Ziel darstellte, dem aIle anderen Ziele untergeordnet waren?5 Die Hinarbeitung auf eine von allen bedeutenden politischen Kraften getragene, demokratische Verfassung sollte den Grundstein hierzu legen. Die Bestrebungen waren somit vomehmlich darauf gerichtet, einen friedlichen Ubergang vom autoritaren franquistischen System zur Demokratie zu gewahrleisten. Der PSOE als starkste Partei der Opposition war der
Uberzeugung, daB die Uberwindung der wirtschaftlichen Krise eine grundlegende Voraussetzung ftir die Konsolidierung der Demokratie darstellte.26 Auch die Spitze der kommunistischen Partei sttitzte ihre Kooperation in wirtschaftlichen Fragen auf politische Zielsetzungen. In den Resolutionen zum 9. ParteikongreB rechtfertigte die ParteifUhrung des PCE ihre Vorgehensweise und vertrat die Meinung, daB ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit den ProzeB derfriedlichen Demokratisierung gefOrdert habe?7
Neben dieser gemeinsamen vorrangigen Zielsetzung gab es jedoch auch Einfltisse, die aus dem DemokratisierungsprozeB resultierten und eine Konsensfindung erleichterten. In Spanien fUhrte die Vorbereitung auf die ersten demokratischen Parlamentswahlen zu einer merklichen Annaherung in den Wahlprogrammen der Parteien von im Vorfeld stark unterschiedlichen Positionen. So enthielten die Resolutionen des 27. Parteikongresses des PSOE, der im Dezember 1976 abgehalten wurde, noch sehr ausgepragt sozialistische Ztige. In den Prinzipien der Partei ist unter Punkt 2 folgendes festgelegt:
"Der P.S.O.E. definiert sich als sozialistisch, da sein Programnl und seine Handlungen auf die Uberwindung der kapitalistischen Produktionsweise ausge-
23 Vgl. Banco Bilbao Vizcaya (1994): Informe econ6mico 1993, S. 215, 222, 234. 24 Vgl. Maravall, J. M. (1994): Economias y regimenes polfticos, S. 41. 25 Vgl. Fuentes Quintana, E. (l993b): Wirtschaftspolitik im Ubergang, in:Bernecker, W. L.; Collado
Seidel, C. (Hrsg.): Spanien nach Franco. Der Ubergang von der Diktatur zur Demokratie 1975-1982, S.30.
26 Vgl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y polfticos, S. 2. 27 Vgl. Partido Comunista de Espana (1978): 9° Congreso del Partido Comunista de Espana. 19/23
Abril 1978. Resoluciones, S. 7f.
50
richtet sind und die Ergreifung der politis chen Macht und die Verstaatlichung der Produktionsmittel, der Verteilungs- und Tauschmittel durch die Arbeiterklasse angestrebt wird. Wir verstehen den Sozialismus als Ziel und als ProzeB, der zu diesem Ziel hinftihrt, und unsere Ideologie HiBt uns jeglichen Weg einer Anpassung an den Kapitalismus oder seiner schlichten Reform ablehnen. ,,28
Weniger als ein Jahr vor Verabschiedung der Monc1oapakte hatte die Partei somit Prinzipien festgelegt, die einer Zustimmung zu dem spater vereinbarten Reformprogramm klar entgegenstanden. 1m Wahlkampf zu den Parlamentswahlen trat diese stark ideologisch gepragte Ausrichtung des PSOE jedoch nicht in den Vordergrund.29 Vielmehr konzentrierte sich die Kampagne auf die Person ihres charismatischen Kandidaten Felipe Gonzalez und zielte mit unkontroversen Themen wie der geplanten Ausarbeitung einer neuen Verfassung, Vorschlagen zur Verbesserung der Lebenssituation der Btirger und der Aussicht auf Spaniens Integration in Europa auf das gemaBigte Zentrum der Wahlerschaft. Untersttitzung erhielt der PSOE dabei von der Sozialistischen Internationale, insbesondere von der bundesdeutschen SPD.
Ein auBerst schwieriger Schritt war die Legalisierung der kommunistischen Partei Spaniens. Nachdem Suarez gegentiber der spanischen Militiirftihrung, die eine Legalisierung der Kommunistischen Partei strikt ablehnte, noch am 8. September 1976 geauBert hatte, daB "unter Berticksichtigung der Statu ten des PCE, seine Legalisierung nicht moglich ist,,30, ftihrte er insgeheim Verhandlungen mit dem Ftihrer der kommunistischen Partei Carrillo, urn ihn zu einer Anerkennung der Monarchie und weiteren Zugestandnissen zu bewegen. Es war darum kein Zufall, daB die Legalisierung am Ostersamstag, den 9. April 1977, bekanntgegeben wurde, da der GroBteil der Militiirs und der Minister zu diesem Zeitpunkt in Urlaub war und erst tiber die Medien von diesem Schritt informiert wurde.31 Die Ausrichtung der kommunistischen Partei unter der Ftihrung von Santiago Carillo war an einem moderaten Eurokommunismus orientiert, mit dem Ziel der Errichtung einer stabilen Demokratie und der Zusicherung, frei von sowjetischem EinfluB zu bleiben.32
28 Vgl. Partido Socialista Obrero Espanol (1976): Resoluciones del XXVII Congreso del PSOE, S. 2. 29 Vgl. Gunther, R.; Sani, G.; Shabad, G. (1988): Spain after Franco. The making of a competitive
party system, S. 75. 30 Zit. nach: Gunther, R.; Sani, G.; Shabad, G. (1988): Spain after Franco. The making of a competitive
party system, S. 69. 31 Vgl. Colomer, 1. M. (1995): Game theory and the transition to democracy. The Spanish model, S. 73. 32 Vgl. Lieberman, S. (1995): Growth and crisis in the Spanish economy 1940-93, S. 176.
51
Die Annaherung in den Positionen der Parteien durfte das Zustandekommen eines Konsenses im Bereich der wirtschaftlichen Reformen gefOrdert haben. Durch die Legalisierung der Oppositionsparteien und deren Beteiligung an den Parlamentswahlen war sichergestellt, daB ein moglichst groBer Teil der neuen Eliten, ausgestattet mit der durch die Wahlen geschaffenen Legitimation, als Verhandlungspartner an den Gesprachen zum Reformprogramm teilnehmen konnte.33 Dariiber hinaus spiel ten die Erfahrungen aus der Zeit der Zweiten Republik34, als der Dissens unter den regierenden Parteien mit zur Destabilisierung des Systems beitrug, eine wichtige Rolle fUr die herrschende Einsicht, daB ein Konsens eine wichtige Voraussetzung fUr die Schaffung einer stabilen Demokratie war.35
Obwohl Spanien als Paradebeispiel einer mittels Ubereinkunft zwischen den Eliten beschlossenen Demokratisierung, einer sogenannten ,,reformaJruptura pactada,,36, beschrieben wird,37 ging eine Gefahr fUr den DemokratisierungsprozeB von den Militars aus, einem Teil der alten Eliten, der nicht an der Ubereinkunft beteiligt und bis zur Verabschiedung der Verfassung praktisch unverandert in seiner Struktur und Machtbefugnis war.38 Diese Bedrohung fUr den ProzeB der friedlichen Demokratisierung manifestierte sich beispielsweise in der "Operacion Galaxia,,39 vom November 1978, kurz vor Verabschiedung der Verfassung im Dezember.40 Eine besondere Rolle in der Eindammung dieser Gefahr fiel dem spanischen Konig Juan Carlos zu, der zunehmend als Bindeglied zwischen Regierung, den Militars und der Gesellschaft fungierte. Fur die Anhlinger des alten Regimes stellte seine Einbindung in den politischen Verande-
33 Es zeigte sich somit auch im Faile Spaniens, daB die demokratische Wahl dazu beitrug, gesellschaftliche Konflikte in das politische System hineinzuleiten, urn sie auf dem Weg der zwischenparteilichen Verhandlung zu IOsen. Vgl. dazu Luhmann, N. (1983): Legitimation durch Verfahren, S. 163f.
34 Die Zweite Republik in Spanien dauerte von Friihjahr 1931 bis zum Ausbruch des spanischen Burgerkriegs im Sommer 1936. Die groBe Zerstrittenheit unter den Linksparteien wurde dabei in hohem MaBe fur das Scheitern der Zweiten Republik verantwortlich gemacht.
35 Vgl. Fuentes Quintana, E. (I 984b): Los Pactos de la Moncloa y la democracia espanola. XX Congreso Latinoamericano de industriales agrupados en la AlULA, S. 6.
36 Sie bezeichnet die Reform (reforma) durch Verhandlungen mit Vertretern und auf der verfassungsrechtlichen Grundlage des alten Systems, die inhaltlich zum Bruch (ruptura) mit dem alten System fiihrten.
37 Vgl. Puhle, H.-J. (1994): Transitions, Demokratisierung und Transformationsprozesse in Siideuropa, S.I77f.
38 Vgl. AgUero, F. (1995): Militares, civiles y democracia, S. 22f. 39 Am 16. November 1978 wird in Madrid ein geplanter MiliUirputsch aufgedeckt und die verantwort
lichen MiliHirangehorigen werden verhaftet. 40 Vgl. Maravall, J. M. (1995): La politica de las reformas econ6micas: La experiencia del sur de Eu
ropa, in: Bresser Pereira, L. C.; Maravall, J. M.; Przeworski, A.: Las reformas econ6micas en las nuevas democracias. Un enfoque socialdem6crata, S. I 12f.
52
rungsprozeB eine Garantie fiir ein bestimmtes MaB an Kontinuitat dar.41 Auf seiten der linken Oppositionsparteien herrschte in der Zeit direkt nach Francos Tod groBes MiB
trauen gegentiber dem spanischen Konig, dessen Legitimation weniger aus seiner Rolle als Kronprinz sondem vielmehr aus der Emennung als Nachfolger durch Franco
stammte. Erst durch seine Untersttitzung des Demokratisierungsprozesses anderte sich die Einstellung der Oppositionsparteien. In den Verhandlungen zur Verfassung Anfang Mai 1978 erklarte der kommunistische Parteifiihrer Santiago Carrillo, daB Juan Carlos
"eine entscheidende Rolle als Bindeglied zwischen dem Staatsapparat und den grundlegend en Erwartungen der zivilen Gesellschaft" eingenommen habe, und erlauterte anschlieBend im Hinblick auf den Standpunkt der spanischen Kommunisten zur Frage, ob eine Republik oder eine reprasentative Monarchie als Staatsform in der Verfassung
festgeschrieben werden sollte: "Solange die Monarchie die Verfassung und die Souveranitat des Volke~ anerkennt, respektieren wir [die Kommunisten] die Monarchie".42
3.1.2 Die Verhandlungen zu den Moncloapakten
Dennoch scheinen die Annaherung in den Positionen der Parteien und die Existenz des gemeinsamen Ziels, die Konsolidierung der Demokratie, al1ein nicht ausreichend fiir das Zustandekommen des Konsenses tiber wirtschaftliche Reformen gewesen zu sein. In einer programmatischen Erklarung der Regierung Suarez yom 11. Juli 1977 wurden ihre wichtigsten wirtschaftlichen und politischen Ziele formuliert. 43 Diese umfassten die konsensuelle Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung, die politische Angleichung an die Lander des Westens und den Beginn der Verhandlungen tiber den Beitritt Spaniens zu den Europaischen Gemeinschaften. AuBerdem wurde allgemein die Bereitschaft erklart, die Mitarbeit aller politischen Parteien und sozialen Gruppen an einem drastischen Programm zur Beseitigung der grundlegenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte zu erreichen. Am ausgepragtesten war der Widerstand gegen den von der Regierung verabschiedeten wirtschaftlichen Dringlichkeitsplan auf Seiten des
PSOE als starkster oppositioneller Kraft.44 Noch am 7. August 1977 erklarte Felipe
41 Podol ny, J. (1993): The role of Juan Carlos I in the consolidation of the parliamentary monarchy, in: Gunther, R. (Hrsg.): Politics, society, and democracy. The case of Spain, S. 104f. Hier wird die besondere Rolle des spanischen Konigs anhand der Mischung aus einer aus dem alten Regime stammenden Legitimation und der durch den Einsatz fUr die Demokratie erwachsenen Legitimation beschrieben.
42 Diario de Sesiones, Nr. 59, 5. Mai 1978, zit. nach: Podolny, J. (1993): The role of Juan Carlos I in the consolidation of the parliamentary monarchy, S. 102.
43 Vgl. Trullen i Thomas, J. (1993): Fundamentos econ6micos de la transici6n polftica espanola. La polftica econ6mica de los Acuerdos de la Moncloa, S. 161.
44 Der PSOE kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Haltung des PCE, der bereit gewesen sei, "eine vorherige und nur dem Anschein nach ausgehandelte Anerkennung" des Programms der Regie-
53
Gonzalez in einer Stellungnahme zu dem am 23. Juli 1977 von der Regierung verab
schiedeten Programm der UCD, daB die dort vorgesehenen MaBnahmen unvollstandig und unzureichend sowie ohne die Mitarbeit der von der Krise am sUirksten betroffenen
sozialen Bereiche festgelegt worden seien.45 Nur zwei Tage spater, am 9. August 1977, tauchte in einer Debatte zu dringenden MaBnahmen der Steuerreform der von den "Katalanischen Sozialisten,,46 und den Abgeordneten des PSOE gemachte Vorschlag
auf, einen VerhandlungsprozeB zu einer Ubereinkunft einzuleiten, die unter Mitarbeit der Oppositionsparteien einen Ausweg aus der Krise ermoglichen sollte.47
Die Position der Regierung in den dann tatsachlich stattfindenden Verhandlungen war in dem unter der Leitung von Enrique Fuentes Quintana - Professor fUr Volkswirt
schaftslehre und zu dieser Zeit Wirtschaftsminister - erarbeiteten "Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica" (PSRE) enthalten. Es wurde Ende September 1977 den politis chen Parteien zuganglich gemacht und stellte den Ausgangspunkt fUr die am 8. Oktober beginnenden Verhandlungen im Monc1oapalast dar.48 Der PSOE auBerte nachtraglich in einer Parteiveroffentlichung, daB seine Zielsetzung fUr die Verhand
lungen "die Demontage des Franquismus, einen Ausgleich fUr die aus den Reformen erwachsenden Kosten auf Seiten der Arbeiterschaft und die Sicherstellung einer Reihe politischer, wirtschaftlicher und institutioneller Zugestandnisse,,49 vorgesehen hatte.
Bereits nach dem ersten Verhandlungstag wurde am 9. Oktober eine Ubereinkunft tiber vorlaufige Kriterien des Reformprogramms erzielt.50 Darin war die Obergrenze fUr das Lohnwachstum von 22 % enthalten, die restlichen Bereiche der Stabilisierungspolitik wurden nur in allgemeiner Form abgehandelt. AuBerdem einigten sich die Regierung und die politischen Parteien darauf anzuerkennen, daB die Uberwindung der Krise durch die folgenden grundlegenden Veranderungen im Wirtschaftssystem erleichtert wtirde. Die bereits eingeleitete Steuerreform, die Kontrolle der Staatsausgaben, eine
rung hinzunehmen. V gl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y poifticos, S. 3.
45 V gl. La Vanguardia vom 07.08. I 977, zit. nach: Velarde Fuertes, J. (1989): EI Pacto de la MoncJoa: Analisis del acuerdo econ6mico-social que hizo posible la Constituci6n de 1978, in: Informacion Comercial Espanola, Dic. 89 - Enero 1990, S. lIS.
46 Socialistes de Catalunya 47 Vgl. TruIIen i Thomas, J. (1993): Fundamentos econ6micos de la transici6n poiftica espanola. La
poiftica econ6mica de los Acuerdos de la MoncJoa, S. I 86ff. 48 Vgl. Fuentes Quintana, E. (l984b): Los Pact os de la MoncJoa y la democracia espanola. XX Con
greso Latinoamericano de industriales agrupados an la AlULA, S. 10. 49 Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y poifticos, S. 3. 50 V gl. Presidencia del Gobiemo (1977): Los Pactos de la MoncJoa, Colecci6n Informe num. 17, 1977,
abgedruckt in: Rubio Lara, 1. (1992): Algunos textos significativos de la transici6n y consolidaci6n de la democracia espanola, in: Cotarelo, R. (Hrsg.): Transici6n poiftica y consolidaci6n democratica, S.473f.
54
sUirkere Beteiligung der Gesellschaft an der Ausgestaltung der Sozialversicherung, ein Bildungsprogramm, das die schulische Ausbildung fUr alle sicherstellen sollte, die Umgestaltung der Arbeitsbeziehungen, die Reform des Finanzsystems, die Modernisierung der Landwirtschaft und ein Statut fUr 6ffentliche Unternehmen. Damit wurden vor den Detailverhandlungen der Rahmen und die Ziele der Verhandlungen festgelegt und die Beteiligten auf die Erreichung dieser Ziele, wenn auch in nicht konkretisierter Form, verpflichtet. Die im AnschluB daran gefUhrten Verhandlungen des Reformprogramms verteilten sich auf verschiedene Unterkommissionen.51
Ausgehend von den VorschHigen der Regierung im PSRE solI im folgenden fUr einige Bereiche untersucht werden, we1che A.nderungen sich im Verhandlungsablauf ergaben. Nicht betrachtet werden hierbei die VorschHige zu den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei, da dieser Sektor zum einen nicht sehr stark von der herrschenden Krise betroffen war und zum anderen gesamtwirtschaftlich weiter an Bedeutung verlor.52
Der erste Abschnitt des PSRE enthielt eine Analyse der herrschenden Wirtschaftskrise und nannte die Inflation, die Arbeitslosigkeit und das auBenwirtschaftliche Defizit als wesentliche Ungleichgewichte in der spanischen Wirtschaft.53 Ein erkHirender Abschnitt zu den grundlegenden Problemen tauchte auch in der zweiten Uberarbeitung des Textes und im endgiiltigen Text der Monc!oapakte auf, jedoch in deutlich gekiirzter Form.54 1m Rahmen der Diskussion der zweiten Uberarbeitung wurde eine Textpassage eingefUgt, die eine L6sung der wirtschaftlichen Probleme in "einem Klima der verniinftigen Zusammenarbeit, das zur Konsolidierung der Demokratie beitragt,,55, vorsah und damit explizit auf die Bedeutung der wirtschaftlichen Stabilisierungs- und Reformpolitik fUr die Demokratisierung hinwies.
Der zweite Abschnitt des PSRE befaBte sich mit den wirtschaftspolitischen Zielen der Regierung. Neben der Bekampfung der Inflation, des auBenwirtschaftlichen Defizits
51 Vgl. Tamames, R. (1990): Estructura econ6mica de Espana, S. 796. 52 Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt lag 1977 bei 9,3 %, die Beschaftigung in
diesem Sektor machte hingegen noch 19,4 % der Gesamtbeschaftigung aus. Bis 1993 waren die jeweiligen Anteile auf 4,5 % bzw. 9,5 % gesunken. Vgl. Banco Bilbao Vizcaya (1994): Informe econ6mico 1993, S. 217, 219.
53 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 5-13. 54 Weder in der ersten Fassung des Textes zu den Moncloapakten, noch in der ersten Uberarbeitung war
diese Passage enthalten. V gl. Acuerdos de la Moncloa (02): 1. Fassung des Textes der Pactos de la Moncloa; Acuerdos de la Moncloa (03): Oberarbeitung der I. Fassung des Textes der Pactos de la Moncloa.
55 Vgl. Handschriftliche Einfiigung von Prof. Lluch, in: Acuerdos de la Moncloa (04): 2. Fassung des Textes der Pactos de la Moncloa, S. 1. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Moncloa, Colecci6n Informe mim. 17, 1977, S. 475.
55
und der Arbeitslosigkeit wurde dabei auch die gleichgewichtige Verteilung der durch die Krise und die Sanierung entstehenden Kosten genannt.56 Die gleichgewichtige Verteilung zwischen Empfangem hOherer und niedriger Einkommen soUte einerseits durch die Einflihrung progressiver Steuem erreicht werden, spezieU durch eine grundlegende Transformation des Systems der direkten Besteuerung mittels Einflihrung einer einheitlichen Steuer auf das Einkommen und einer personlichen Steuer auf das Reinvermogen. Andererseits soUte durch eine Reform des Finanzsystems und der Handelspolitik der Monopolgrad und Privilegien abgebaut werden, die oftmals Grundlage von ausgepragten Ungleichheiten in den Einkommen seien. Zur gleichgewichtigen Verteilung der Kosten zwischen staatlichem und privatem Sektor und groBen sowie kleinen und mittleren Untemehmen waren die Vorschlage aUgemein gehalten, indem nur von einem angemessenen "Biindel an Politiken" die Rede war. Der Abschnitt des PSRE tiber die Ziele der Wirtschaftspolitik war im endgtiltigen Vereinbarungstext der Monc1oapakte nicht mehr vorhanden. Er machte jedoch die Position der Regierung zu den Fragen der Reform deutlich und diente damit als Ansatzpunkt flir die anstehenden Verhandlungen. Wie oben gezeigt, war beispielsweise die gleichgewichtige Verteilung der durch die Reform verursachten Kosten auch ein wesentliches Anliegen des PSOE.57
1m Rahmen der Stabilisierungspolitik wurden die Budgetpolitik des Staates und der Sozialversicherung, die Geld-, Preis-, und Einkommenspolitik sowie die Beschaftigungspolitik als Themenbereiche behandelt, wobei sich wichtige Anderungen bei der Budget-, der Geld- und der Einkommenspolitik ergaben. Zum Abbau des Budgetdefizits war im PSRE sowohl eine Beschrankung des Staatsausgabenwachstums auf das nominale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts als auch eine Beschrankung der Neuverschuldung vorgesehen, die zu Marktbedingungen erfolgen soUte.58 Gleichzeitig war eine Steigerung der staatlichen Einnahmen urn annahernd ein Drittel geplant, wobei insgesamt eine "leichte Reduzierung des staatlichen Budgetdefizits" angestrebt wurde. Das Budget der Sozialversicherung soUte hingegen 1978 ausgeglichen sein, mit einer Beschrankung des Beitragswachstums auf 18 %. Zur weiteren Finanzierung des Budgets der Sozialversicherung waren Transferzahlungen des Staates in Hohe von 100 Mrd. Pta vorgesehen. Die wichtigsten Anderungsvorschlage des PSOE zur Budgetpolitik betrafen die Einflihrung eines progressiven Beitragssystems der Sozialversiche-
56 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Economica, S. 22f. 57 Vgl. S. 54.
58 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Economica, S. 34-39.
56
rung und eine starkere Angleichung zwischen den Renten.59 Beide Vorschlage wurden, neben den im PSRE gemachten, in das endgiiltige Dokument aufgenommen.60 Im Rahmen der Geldpolitik schlug das PSRE eine schrittweise Reduzierung des Geldmengenwachstums auf eine jahrliche Rate von 17 % bis Ende 1978 und ein "leicht hoheres" Wachstum der Bankkredite an den privaten Sektor VOr.61 Mit diesen MaBnahmen soUte die Inflation eingedammt werden, ohne starke Einschrankungen bei der Finanzierung privater Investitionen. Die wichtigsten Anderungen der geldpolitischen Strategie lieBen sich wiederum auf die Initiative der Sozialisten zuruckftihren, die sich gegen ein Punktziel fUr die Beschrankung des Geldmengenwachstums als Instrument zur Inflationsbekampfung aussprachen.62 Die grundlegende BefUrchtung war, daB eine Politik, die sich allein auf die Restriktion der Geldmenge sttitzte, implizit eine Kreditbeschrankung fUr den Privatsektor bedeute, was nach Meinung des PSOE zu unvorhersehbaren Konsequenzen und hohen sozialen Kosten fUhren konnte.63 In den Monc1oapakten war daraufhin festgelegt, daB Ubergangsregelungen eingefUhrt werden soUten, die eine Gleichverteilung der durch das Programm entstandenen Kosten im Bereich der Kreditvergabe der Privatbanken an groBe, rnittlere und kleine Unternehmen sichersteUte.64 GroBeres Gewicht im Vergleich zum PSRE wurde auf die Kontrolle gelegt, indem die Bildung einer Sektion der parlamentarischen Wirtschaftskomrnission zur Kontrolle der Geldpolitik sowie der offentlichen und privaten Finanzinstitutionen vorgeschlagen wurde.65 In der Einkommenspolitik sprach das PSRE eine Empfehlung fUr die Unternehmen und Gewerkschaften aus.66 Danach sollten die 1978 auszuhandelnden Lohnsteigerungen 20 %, fUr den Offentlichen Sektor 22 % nicht tibersteigen. Unternehmen, die sich durch gewerkschaftliche Forderungen gezwungen sahen, dartiber hinausgehende LohnerhOhungen zu gewahren, sollten berechtigt sein, bis zu 5 %
ihrer Belegschaft abzubauen. Aufgrund der Anderungsvorschlage des PSOE wurde eine einheitliche Obergrenze von 22 % fUr Lohnsteigerungen im Vereinbarungsdokument festgeschrieben, wobei darin auch altersbezogene und durch BefOrderungen
59 Vgl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y politicos, S.IO.
60 Vgl. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 475f. 61 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 47ff. 62 Vgl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y politicos,
S.IO. 63 V gl. Trullen i Thomas, J. (1993): Fundamentos econ6micos de la transici6n politica espanola. La
politica econ6mica de los Acuerdos de la Moncloa, S. 225f. 64 Vgl. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 476. 65 Auch diese Anderung ging auf den Vorschlag der Sozialisten zuriick. Vgl. Partido Socialista Obrero
Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y politicos, S. 10. 66 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 43.
57
bedingte Steigerungen enthalten waren.67 Weiterhin wurde eine Ausstiegsklausel aufgenommen, die ftir den Fall einer Preissteigerung von tiber 11,5 % bis Mitte 197868 zur Aufhebung der bindenden Empfehlung fiihrte. Die Berechtigung der Untemehmen zum Abbau der Belegschaft bei tiberhOhten Lohnforderungen wurde in den Vereinbarungstext tibemommen und damit zu einem Druckmittel gegentiber den Gewerkschaften zur Einhaltung der Empfehlung. Obwohl es dem PSOE gelang, im Stabilisierungsprograrnm eine Reihe von Anderungen einzufUhren, konnte sich die Regierung insgesamt mit ihrer restriktiven Politik durchsetzen.
Die folgenden Abschnitte beschiiftigten sich mit den Vorschliigen zur Reform des Wirtschaftssystems. Auffallend bei der Betrachtung der Vorschliige zur Reform des Steuersystems ist die Nennung konkreter Ziele im PSRE, die im endgtiltigen Text der Monc1oapakte nicht mehr auftauchten. Beispielsweise soUte die Steuerreform von Regierungsseite vor Ablauf des Jahres 1977 ausgearbeitet sein und die Ausweitung des offentlichen Sektors auf ungefiihr 30 % des Bruttoinlandsprodukts bis 1983 ermoglichen, wobei der Staat eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der Sozialversicherung spielen soUte.69 Der Vorschlag des PSOE zur Reform des Steuersystems sah u.a. eine sofortige Revision der bestehenden Regelungen zur Steuerbefreiung und -vergiinstigung vor, die einer parlamentarischen Kommission vorzulegen war, sowie eine fUr die Regierung verbindliche Frist fUr die DurchfUhrung der Steuerreform.70
Wiihrend im endgtiltigen Text keine Frist fUr die Umsetzung der Steuerreform enthalten war, fand der Vorschlag zur Einrichtung einer parlamentarischen Komrnission Eingang unter der Rubrik "Optimierung der KontroUe der offentlichen Ausgaben".71
Die Reform der Sozialversicherung war im PSRE als weitere MaBnahme zur Verringerung der durch die Krise entstehenden Kosten fUr wirtschaftlich schlechter gestellte Gruppen vorgesehen.72 Als Handlungsfelder wurden einerseits die Finanzierung der Sozialversicherung und andererseits der Umfang und die Aufteilung der Ausgaben genannt, wobei hier der zeitliche Horizont weiter gefaBt war. Der Anteil des Staates an der Finanzierung der Sozialversicherung soUte bis 1983 auf 20 % steigen und damit
67 V gl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y poifticos, S. 12, Presidencia del Gobiemo (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 476f.
68 Ausgenonunen davon waren Erhohungen der Energiepreise und der Preise fUr Agrargiiter aufgrund von Sondersituationen.
69 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 56f. 70 Vgl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y poifticos,
S. 13. 71 Vgl. Presidencia del Gobiemo (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 477f. 72 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 57f.
58
ein ahnliches Niveau wie in den anderen europaischen Landern erreichen. Vor dem 30.
Juni 1978 sollten Kontrollmechanismen eingeflihrt werden, unter Beteiligung der "verschiedenen gesellschaftlichen Krafte,,73. Die Bestimmungen zur Reform der Sozi
alversicherung in den Moncloapakten umfaBten die im PSRE enthaltenen MaBnahmen, waren aber mit Abschnitten speziell zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung umfangreicher.74 Dariiber hinaus unterstellten sie das Budget, die Ausgaben und
die Leitung der Sozialversicherung der Kontrolle durch das Parlament. Wie bereits in den Festlegungen zur Stabilisierungspolitik gezeigt, war auf Vorschlag des PSOE flir
die Sozialversicherung die Einflihrung eines nach Kriterien der ProgressiviUit und Umverteilung ausgelegten Beitragssystems vorgesehen.75
1m Abschnitt uber Beschaftigungspolitik und Arbeitsbeziehungen des PSRE wurde auf
die Besonderheiten des spanischen Arbeitsmarktes eingegangen.76 Als Ursachen fur die geringen Almlichkeiten mit den Arbeitsmarkten der westlichen Nachbarlander wurden unter anderem das Streikverbot und die gleichzeitig bestehenden gravierenden Beschrankungen bei Kundigungen genannt. Eine wesentliche Verbesserung der Beschaftigungssituation musse notwendigerweise mit einer Uberarbeitung der institutionellen Normen einhergehen, die flir die Erstarrung der Arbeitsbeziehungen verantwortlich seien. Dennoch wurde eine radikale und grundlegende Anderung dieser Normen wr starken Verunsicherung all derjenigen sozialen Gruppen flihren, die am Wirtschaftsleben beteiligt sind. Deshalb schlug die Regierung vor, die Kundigungsfreiheit vortibergehend auf die Arbeitsvertrage w beschranken, die nach der Verabschiedung des Reformprogramms abgeschlossen wurden. Ais Anreiz flir die Unternehmen zur Schaffung neuer ArbeitspHitze sollte der Staat wahrend der ersten zwOlf Monate die Halfte der Sozialversicherungsbeitrage bei neu geschaffenen Arbeitsplatzen ubernehmen. AuBerdem sollte die Annahme eines Arbeitnehmerstatuts, die Regelung der Gewerkschaftsaktivitaten im Betrieb und die Regelung des Streikrechts jeweils vor dem 31. Dezember 1977 stattfinden. In den Moncloapakten war dariiber hinaus noch die M6glichkeit der zeitlich befristeten Beschaftigung von Berufsanfangem festgelegt, die ebenfalls eine Halbierung der Sozialversicherungsbeitrage be
inhaltete.77 Mit dieser MaBnahme sollte speziell die Beschaftigung Jugendlicher gef6rdert werden. Die Regelungen wr Beschaftigungspolitik sind im Vergleich zu anderen
73 Ebenda: S. 60. 74 Vgl. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la MoncJoa, S. 48lf. 75 Vgl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Aniilisis de los acuerdos econ6micos y politicos,
S.IO. 76 Vgl. Acuerdos de la MoncJoa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 73ff. 77 Vgl. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la MoncJoa, S. 477.
59
Bereichen sehr knapp gehalten, da eine genauere Ausarbeitung in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberorganisationen erfolgen sollte.
Das PSRE enthielt einen gesonderten Abschnitt zur Bildungspolitik, die - neben der Steuerreform und der Reform der Sozialversicherung - durch eine Verbesserung der offentlichen Grundversorgung zu einem Anstieg der Realeinkommen der unteren Einkommensschichten beitragen sollte.78 Als wichtigstes Ziel wurde die Bereitstellung der Grundschulbildung fUr alle formuliert, das durch die Schaffung von 400 000 GrundschulpHitzen im Jahr 1978 und einer ahnlichen Anzahl im folgenden Jahr vorangetrieben werden sollte. 1m Vorschulbereich war die Schaffung von 400 000 Platzen fUr die Jahre 1978/79 vorgesehen, und 200000 PHitze sollten im Bereich der allgemeinen Hochschulbildung geschaffen werden. Zur Finanzierung dieser V orhaben sah das Programm die Emission staatlicher Sonderschuldverschreibungen zu Marktbedingungen vor. In ihrem Alternativvorschlag zur Bildungspolitik kritisierte der PSOE unter anderem die fehlenden Angaben iiber die mit der Schaffung neuer Schulplatze verbundenen Kosten und dariiber, ob es sich dabei urn staatliche oder nichtstaatliche Platze handeln sollte.79 1m Text zu den Monc1oapakten tauchten die Zahlen iiber die zu schaffenden Platze in unveranderter Form auf, bezogen sich jedoch nur auf ein Jahr gemaB der Giiltigkeitsdauer der Ubereinkunft.80 Allerdings wurde hier, wie im Alternativvorschlag des PSOE gefordert, explizit Bezug auf staatliche Schulplatze genommen sowie ein konkreter Geldbetrag von 40 Mrd. Pta genannt. AuBerdem wurde als Prinzip die Demokratisierung des Bildungssystems81 festgeschrieben und die Ausarbeitung eines Statuts fiir die Bildungszentren und den Lehrkorper festgelegt, was ebenso auf einen Vorschlag des PSOE zur Bildungspolitik zuriickging.82 Als weiteres vorrangiges Ziel wurde die qualitative Verbesserung der Lehre und die Angleichung der technischen Ausstattung offentlicher und privater Schulen genannt.
Das PSRE sah im Bereich der Verbesserung der geldpolitischen Instrumente, zusammen mit dem bestehenden System der LiquidiUitssteuerung, die Schaffung eines Marktes fUr Schatzanweisungen vor dem 31. Dezember 1978 vor. 83 1m Rahmen der
78 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 6Iff. 79 Die PSOE forderte die ausschlieBliche Einrichtung staatlicher SchulpHitze V gl. Acuerdos de la
Moncloa (06): Sechste Unterkommission Wirtschaft (Bildung): Ensenanza. Alternativa PSOE, S. If. 80 Vgl. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 478f. 81 Hierunter war im wesentlichen die Beteiligung der Eltern- und Lehrerschaft bei der Kontrolle der
Schulzentren zu verstehen. 82 V gl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): AmUisis de los acuerdos econ6micos y politicos,
S.16. 83 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 7 If.
60
Reform des Finanzsystems wurde die vollstandige Liberalisierung der Zinssatze vor dem 30. Juni 1979 vorgeschlagen sowie eine Anpassung der Renditesatze von Anlei
hen an die Marktsatze und eine Revision der Zinssatze fUr offentliche Kredite und der Zinssatze fUr Spezialkredite von Banken und Sparkassen vor dem 31. Dezember 1979. Dartiber hinaus war noch vor Ende 1977 die Einfiihrung eines Systems der Einlagen
sicherung fUr alle Einlagen bis zu einer bestimmten Hohe vorgesehen. SchlieBlich sollten die Bildung neuer Banken erleichtert und alle Restriktionen beziiglich der Er
offnung neuer Zweigstellen abgeschafft werden. Weiterhin sah die Regierung eine Uberarbeitung der Bestimmungen zur Bankendisziplin und zu den Sanktionsinstrumenten, eben so der Bankenaufsicht und der Normen fUr die Kreditvergabe an groBe sowie kleine und mittlere Untemehmen vor dem 31. Dezember 1977 vor. Zusatzliche
Reformen des Finanzsystems sollten noch vor Ende 1978 von der Regierung festgelegt werden. Der Vorschlag des PSOE sah im Zusammenhang mit der Uberarbeitung der Regelungen zur Bankenaufsicht einen zusatzlichen Passus vor, der scharfere AusschluBkriterien fUr eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat von Banken festlegte. 84 Dartiber hinaus wurde eine Beschrankung der Kreditvergabe an die Untemehmen gefordert, die mit Aufsichtsratmitgliedem in Verbindung standen. Dieser Passus und die im PSRE enthaltenen Vorschlage zur Neuregelung der Bankendisziplin und der Normen fUr die Kreditvergabe wurden, abgesehen von geringfUgigen Fristanderungen, in den endgiiltigen Text Ubemommen.85 Nicht iibemommen wurden die geplante EinfUhrung des Systems der Einlagensicherung, die Erleichterung des Markteintritts fUr Banken sowie die Freiheit bei der Einrichtung von Zweigstellen. Die iibrigen Vorschlage waren ohne Angabe von Fristen im Vereinbarungstext enthalten.
Ein weiterer wichtiger Bereich der Verhandlungen war die Industriepolitik, da die spanische Industrie nach Einsetzen der Olkrise 1973 zunehmend in die Krise geraten war.86 In einem Abschnitt des PSRE zur Industriepolitik schlug die Regierung als
MaBnahme fUr die Erweiterung des marktwirtschaftlichen Systems den drastischen Abbau von Monopolpraktiken VOr. 87 Die AusfUhrungen zu diesem Bereich blieben dabei auBerst vage. Der Abbau sollte "auf Vorschlag von Institutionen", "unter Beteili-
84 V gl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y poifticos, S. 21. Der gemeinsam von PSOE, PCE und den Katalanischen Sozialisten gemachte Vorschlag, daB die Gewerkschaften im Direktorium der spanischen Zentralbank vertreten sein sollten, wurde hingegen nicht in die Moncloapakte iibernommen. Vgl. Acuerdos de la Moncloa (05): Zweite Unterkommission Wirtschaft (Steuern und Finanzen): Propuesta de los partidos PSOE, PCE Y PSC sobre 6rganos de direcci6n del Banco de Espana, propuesta del Gobierno, S. I.
85 Vgl. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 482f. 86 Vgl. KapiteI2.1, S. 18. 87 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 80ff.
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gung verschiedener sozialer Krafte", und "unter Verwendung der dafUr erforderlichen Marktliberalisierungsinstrumente" erfolgen. Die im Rahmen der Industriepolitik geplante Investitionstatigkeit sollte auf die Stimulierung von Investitionen in arbeitsintensive Bereiche gerichtet sein, urn damit das Beschliftigungsniveau zu sichem. Ein weiteres Ziel der Industriepolitik im PSRE war die massive Steigerung der Industrieexporte, urn einen ahnlichen Prozentsatz an der inlandischen Produktion zu erreichen wie die anderen europaischen Lander. Mittelfristig lehnte die Regierung eine allgemeine und biirokratische Kontrolle der Industriegiiterpreise ab, da sie dies en Weg fiir unvereinbar hielt mit einer Strategie der Reallokation der Ressourcen hin zum Export und den produktivsten Sektoren. Allerdings sei die alarrnierende technologische Abhlingigkeit Spaniens yom Ausland offensichtlich, was eine Korrektur dieses Ungleichgewichts mit "adaquaten Mitteln" unausweichlich mache. Zu diesem Zweck wollte die Regierung den Stand der inlandischen Technologie durch die Unterstiitzung der Forschung der Untemehmen und einer Orientierung der Forschung auf die "Felder des unmittelbaren Interesses" fUr den Sektor Industrie verbessem.88 Die Ausarbeitung eines Plans zur Ordnung der Industrie89 , der die notwendige Umgestaltung der Produktionssektoren nach den aufgefUhrten Kriterien beinhaltete, war vor dem 31. Dezember 1978 vorgesehen. Auch der Vorschlag des PSOE zur Industriepolitik beinhaltete eine Forderung der exportorientierten Sektoren und die Abschaffung der bestehenden Wettbewerbshemmnisse, urn die Produktivitat und Wettbewerbsfahigkeit der spanischen Industrieuntemehmen zu steigem.90 In der Frage der Untemehmensstruktur sprach sich der Vorschlag einerseits fUr eine Konzentration und Verstaatlichung von Untemehmen, beispielsweise in der integrierten Eisenhtittenindustrie und der pharmazeutischen Industrie aus, urn die intemationale Wettbewerbsfahigkeit zu erhohen, rliumte jedoch auch ein, daB groBe Untemehmen nicht zwangslaufig wettbewerbsfahiger seien, und forderte deshalb andererseits eine verstarkte Forderung kleiner und mittlerer Untemehmen durch offentliche Kredite. 91 Die Sozialisten konnten sich mit ihren Vorschlagen zur Industriepolitik nicht durchsetzen und es wurde auch keine Einigung in dieser Frage erzielt, weshalb die Monc!oapakte keinen Abschnitt zur Industriepolitik enthielten. Nach Angaben von Fuentes Quintana lag es am geringen zeitlichen Horizont des Programms, daB erste Schritte auf dem Weg zur Umstrukturierung in der Industrie nicht vereinbart werden konnten. Das Ausklammem der Industriepolitik in den Monc!oapakten schien jedoch nicht unbeabsichtigt zustandegekommen zu sein. Es war vielmehr
88 VgI. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 84. 89 Plan de Ordenaci6n Industrial 90 VgI. Acuerdos de la Moncloa (07): Siebte Unterkommission Wirtschaft (Offentliche Untemehmen,
Industrie und Energie): Directrices de polftica industrial (socialistas), S. 1 f. 91 VgI. ebenda, S. 2f.
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Ausdruck einer Verlagerung des Schwerpunkts in der Industriepolitik auf Regierungsseite. Diese sttitzte sich versUirkt auf das wirtschaftliche Reforrn- und Stabilisierungs
prograrnrn und die darin enthaltenen Liberalisierungsschritte als Mittel, effiziente Sektoren und Untemehmen in der Industrie herauszufiltem.92
Als einen grundlegenden Aspekt der Industriepolitik nannte das PSRE die Unterordnung der Energiepolitik unter die vorrangigen Ziele der Wirtschaftspolitik, insbeson
dere im Hinblick auf die Zahlungsbilanz.93 Die bestehende Struktur des Energiekonsums durfe nicht weiter die zukiinftige Entwicklung des Landes durch eine Bela
stung der Zahlungsbilanz behindem, was bei einer Aufrechterhaltung der aktuellen IntensiUit des Energiekonsums in Verbindung mit dem absehbaren Anstieg der Rohstoffpreise unweigerlich der Fall ware. Urn eine soIehe Entwicklung zu vermeiden, schlug die Regierung vor, einen Gesamtplan zu formulieren, der integriert die Probleme und U:isungen fUr dies en Sektor behandelt und Kriterien fUr das offentliche Vorgehen in den nachsten Jahren vorgab. Zu diesem Zweck sollte ein Nationaler Energieplan vor dem 31. Dezember 1977 ausgearbeitet werden. In den Monc1oapakten wurden fUr das besonders groBe AusmaB der Energiekrise in Spanien drei Faktoren angefUhrt:94 erstens der exzessive Energiekonsum im Verhaltnis zum Bruttosozialprodukt und die wenig spars arne Verwendung von Primarenergie; zweitens die ausgepragte Knappheit an inlandischen Energieressourcen, die ursachlich fUr die hohe Energieabhangigkeit vom Ausland sei; drittens das groBe Gewicht der Energieimporte in der Zahlungsbilanz. Ohne Anderungen wurde die Unterordnung der Energiepolitik unter die Ziele der Wirtschaftspolitik und die Verabschiedung eines Nationalen Energieplans vor Ablauf der Jahresfrist aus dem PSRE ubemornrnen. Dieser Plan sollte sich durch eine koharente Energiesparpolitik auszeichnen, die sich im wesentlichen auf eine realistische Preispolitik sttitzte und eine fortgefUhrte Niedrighaltung der Energiepreise sowohl im Verhaltnis zum Weltmarktpreis als auch im Verhaltnis zu den ubrigen Giitem und Dienstleistungen unterband. In zweiter Linie sollten Mittel zur Energieeinsparung, gegebenenfalls auch die Beschrankung des Energiekonsums eingefUhrt
werden. Die Vereinbarungen zur Energiepolitik umfassten daruber hinaus eine Politik der Diversifizierung sowohl der Energietrager als auch der Herkunftslander, eine Politik der beschleunigten Entwicklung der eigenen Energieressourcen, innerhalb der
Kriterien der wirtschaftlichen und sozialen ZweckmaBigkeit einer inlandischen OlfOrderung, Produktion von Nuklearenergie, Energiegewinnung aus Wasser oder Kohle
energie. AuBerdem wurde eine Politik der Forderung von Forschung und Entwicklung
92 Vgl. Trullen i Thomas, J. (1993): Fundamentos econ6micos de la transici6n polftica espanola, S. 245. 93 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (a\): Programa de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 83f. 94 Vgl. Presidencia del Gobiemo (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 485f.
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im Bereich der altemativen Energiequellen vereinbart, mit besonderem Schwerpunkt auf der Solarenergie, die eine Entwicklung der entsprechenden Technologie anregen sollte. Das wesentliche Anliegen des PSOE, die baldige Ausarbeitung eines nationalen Energieplans, deckte sich mit dem der Regierung. Auf seinen Vorschlag hin gingen auBerdem die im Eigentum der Banco de Espana befindlichen Aktienanteile an Elektrizitiitsuntemehmen an das INI, urn diesem einen starkeren EinfluB auf die Elektrizitiitswirtschaft zu verschaffen.95
Wahrend sich im PSRE in der Frage der offentlichen Untemehmen lediglich der Hinweis auf die Ausarbeitung eines Statuts fand96, konnte sich der PSOE mit seinen VorschHigen tiber die Kontrolle der offentlichen Untemehmen durch eine parlamentarische Kommission, die gewerkschaftliche Mitbestimmung und das Verbot der gleichzeitigen Betatigung in der staatlichen Verwaltung und in bffentlichen Unternehmen durchsetzen.97
Die Ubereinkunft tiber ein gesetzgeberisches und politisches Handlungsprogramm98
war Gegenstand der Verhandlungen und nicht im PSRE enthalten. Sie stellt damit die wesentliche Erweiterung im Spektrum der verhandelten Themenbereiche dar. 1m einleitenden Abschnitt des Vereinbarungstextes wurde als kurzfristiges Ziel der Politik "die Anpassung des bestehenden Rechtssystems an die Anforderungen der neuen demokratischen Realitat,,99 genannt. Die vereinbarten Anderungen betrafen unter anderem die Festlegung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf Bildung einer politis chen Vereinigung, eine Beschrankung des Wirkungsbereichs der Militarjustiz sowie die bffentliche Sicherheit. Nach Angaben des PSOE lag das Hauptanliegen der Regierung in der Verabschiedung eines neuen Antiterrorismusgesetzes, welches die Einrichtung einer Antiterroreinheit urnfassen sollte; die restlichen Gesetzentwtirfe seien erst im Verlauf der Gesprache prasentiert worden und hatten im wesentlichen, in einigen Fallen sogar wortlich, mit den Vorschlagen des PSOE tibereingestimmt. lOO 1m abschlieBenden Dokument war kein spezielles Antiterrorismusgesetz, gegen das sich
95 Vgl. Acuerdos de la Moncloa (08): Siebte Unterkommission Wirtschaft (Offentliche Unternehmen, Industrie und Energie): Ernpresa publica, politica industrial y politica energetica, S. 4.
% Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Prograrna de Saneamiento y Reforma Econ6mica, S. 84. 97 Vgl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): Amilisis de los acuerdos econ6micos y politicos,
S. 26, Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Moncloa, Colecci6n Inforrne nurn. 17, 1977, S.486f.
98 Acuerdo sobre el Prograrna de Actuaci6n lurfdica y Polftica 99 Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 487. 100 Vgl. Partido Socialista Obrero Espanol (1977): An:ilisis de los acuerdos econ6micos y politicos, S.30f.
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die Sozialisten ausgesprochen hatten, enthalten.101 Allerdings war die Einrichtung einer Spezialeinheit der Polizei vorgesehen, die unter Kontrolle der Gerichte stehen sollte. Die Ubereinkunft tiber ein gesetzliches und politisches Handlungsprograrnrn kam damit in weiten Teilen dem Anliegen des PSOE - der Demontage der franquistischen Institutionen - im politischen Bereich entgegen. Sie stellte eine Verpflichtung der Regierung zur Weiterftihrung der Demokratisierung dar und bildete ein Gegengewicht zu den von den Oppositionsparteien gemachten Zugestandnissen in der Frage der wirtschaftlichen Stabilisierung und Reform. Die dadurch erreichte Ausweitung der zu verhandelnden Themen erleichterte somit die Konsensfindung.
Zusammenfassend WBt sich zum VerhandlungsprozeB der Monc1oapakte feststellen, daB die ursprtinglich im PSRE vorgesehene wirtschaftliche Reformstrategie in drei Richtungen modifiziert wurde. Erstens wurde die Rolle des Parlaments als Instanz zur Formulierung und zur Kontrolle der Wirtschaftspolitik der Regierung gestarkt. Das schlug sich in seiner Beteiligung am ProzeB der Diskussion und Anwendung einer bedeutenden Anzahl von Gesetzen, MaBnahmen und Regulierungen in Institutionen wie der Banco de Espana, dem Rechnungshof und in offentlichen Untemehmen nieder. Dies betraf die Steuergesetze, aber auch die Gestaltung der Sozialversicherung. AuBerdem wurde es als notwendig erachtet, seitens des Parlaments sowohl die Geldpolitik als auch die offentlichen und privaten Finanzinstitute zu kontrollieren. Zweitens wurde eine Reform des institutionellen Gertists der wirtschaftlichen Entscheidungen vereinbart mit einem Abbau der bestehenden Institutionen des Regimes und der Starkung der Position gesellschaftlicher Gruppen, beispielsweise mit der Anerkennung der Rolle der Gewerkschaften in Bereichen wie der Preispolitik, der Landwirtschaftsplanung, den Verwaltungsbehorden der Sozialversicherung, der Regierungsorgane der offentlichen Untemehmen und dem PreisausschuB. 102 Drittens wurdeein bedeutendes Paket politischer Reformen einbezogen, die als Bezugsrahmen die Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung hatten. !O3
Es gab auch auBere Einfltisse, die ftir die erreichte Ubereinkunft von Bedeutung waren. So lassen sich unter den in den Verhandlungen zu den Monc1oapakten vorgenommenen Veranderungen einige Pas sagen finden, die - in manchen Fallen sogar wortlich - aus dem im Juli 1977 in Italien verabschiedeten wirtschaftlichen Reformprograrnrn104
101 Vgl. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pact os de la Monc\oa, S. 490f. 102 Vgl. Trullen i Thomas, J. (1993): Fundamentos econ6micos de la transici6n polftica espanola, S.249.
10) Vgl. Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Monc\oa, S. 487. 104 Accordo Programmatico fra i partiti dell'arco costituzionale
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fibernommen waren. 105 Eine von der OECD in Auf trag gegebene und im Sommer 1977 erschienene Studie zu moglichen Strategien fUr eine Wachstums- und Vollbeschaftigungspolitik sprach sich ebenso fUr eine Konsensli:isung aus. Sie hob hervor, daB ein Konsens zwischen Regierung und den ffir die Preis- und Einkommensentwicklung bestimmenden Stellen fiber wirksame MaBnahmen zur Inflationsbekampfung die Rfickkehr zu Vollbeschaftigung in der bestehenden Situation fordere.'06
Der GroBteil der wahrend der Verhandlungen eingefUhrten Veranderungen im PSRE war auf die Initiative der Sozialisten zurUckzufUhren. Wenig in Erscheinung trat der PCE, der zwar als Partei nach dem Ergebnis der Parlamentswahlen deutlich weniger Gewicht als die beiden groBen Parteien UCD und PSOE besaB, jedoch durch seine Verbindung zur groBten spanischen Gewerkschaft Comisiones Obreras (CC.OO.) eine wichtige Rolle fUr die Akzeptanz des Programms innehatte. Die untergeordnete Rolle des PCE im VerhandlungsprozeB laBt sich durch seine im Vergleich zum PSOE st1i.rkere Ubereinstimmung mit dem Regierungsprogramm erklaren. Bereits am 15. Oktober erklarte die Ffihrung der CC.OO. offentlich ihre Unterstiltzung der Monc1oapakte.'07 Die Position der Alianza Popular im VerhandlungsprozeB zu den Monc1oapakten war demgegenfiber auBerst schwach und spiegelte das in den Parlamentswahlen festgelegte Krafteverhaltnis wider. Denn sie reprasentierte eine politische Kraft, deren Zielsetzung, die Reform innerhalb des alten Systems, durch die Ergebnisse der Wahlen vom 15. Juni 1977 eine klare Absage erteilt wurde.
Der Wirkungsbereich des zwischen politischen Parteien geschlossenen Konsenses wurde durch die enge Verbindung des PSOE zur Gewerkschaft Uni6n General de Trabajadores (UGT) und des PCE zur Gewerkschaft CC.OO., welches die beiden groBten spanischen Gewerkschaften waren, erweitert. Auf Seiten der Gewerkschaften bestanden drei Handlungsalternativen. Sie konnten sich fUr die Mitarbeit an der Einffihrung einer neoliberalen wirtschaftspolitischen Losung entschlieBen, die jedoch in klarem Gegensatz zu ihrer eigenen Position gestanden hatte, oder eine Politik des grundlegenden Konsenses unterstiltzen, die eine gleichgewichtige Verteilung der durch die Reform verursachten Kosten bringen wfirde, oder freie, dezentrale Verhandlungen
105 Vgl. Trullen i Thomas, J. (1993): Fundamentos econ6micos de la transici6n polftica espanola, S. 39ff, S. 223f.
106 Vgl. McCracken, P. et al. (1977): Towards full employment and price stability, S. 183. 107 Vgl. Trullen i Thomas, J. (1993): Fundamentos econ6micos de la transici6n polftica espanola, S.216f.
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anstreben, die korporative Praktiken ermoglicht hatte. lOS Angesichts der geringen Erfolgsaussichten der dritten Alternative - ein Vertretungsorgan der Arbeitgeberseite
entstand erst spater - entschieden sich die Gewerkschaften kiar fUr die zweite Alternative. 109
3.2 Der politische und wirtschaftliche Umbruch in Polen
1m Verlauf des Jahres 1988 setzte sich in Polen auf seiten der politischen Fuhrung der PV AP die Uberzeugung immer starker durch, daB ein Ausweg aus der politischen und
wirtschaftlichen Krise ohne Verhandlungen mit den oppositionellen Kraften der Gesellschaft nicht moglich seL llO AuslOser fUr diesen Gesinnungswechsel waren das verlorene Referendum zu den wirtschaftlichen und politischen Reformen im November 198i 11, eine als Reaktion auf die von der Regierung durchgefUhrten PreiserhOhungen
einsetzende Streikwelle im April und Mai 1988, der in der geringen Wahlbeteiligung
bei den Kommunalwahlen im Juni 1988 sich auBernden Unmut und eine zweite Streikwelle im August.
3.2.1 Von den Verhandlungen am "Runden Tisch" zum Regierungswechsel
Am 27. August 1988 erging durch Innenminister Kiszczak die formale Aufforderung an alle "an der Weiterentwickiung Pol ens Interessierten" zur Teilnahme an Gesprachen mit der polnischen Regierung. 112 Die in einer Fernsehansprache ubermittelte Aufforderung formulierte keine Vorbedingungen im Hinblick auf die Thematik oder die Teilnehmer. Die Motivation der Regierung zur Einleitung dieser Gesprache grtindete sich auf die Hoffnung, durch einen Dialog mit der zu der Zeit noch illegalen Opposition das Verhaltnis zum west lichen Ausland zu verbessern und damit den Zugang zu westlicher Finanzhilfe, mit der die Regierung Rakowski die wirtschaftlichen Reformen finanzieren wollte, zu gewahrleisten. ll3 Dartiber hinaus hatte sich das auBenpolitische Klima
108 Vgl. Martinez-Alier, 1.; Roca lusmet. l. (1988): Economfa polftica del corporativismo en el estado espanol: Del franquismo al posfranquismo, in: Revista Espanola de Investigaciones Sociologicas, Nr. 41, S. 37.
109 Unter den Gewerkschaftsmitgliedem war die Haltung gegeniiber der in den Moncloapakten auferlegten Lohnzuriickhaltung gespalten - in einer Urnfrage sprachen sich jeweils annahemd die Halfte der Befragten fUr bzw. gegen eine Einhaltung der festgesetzen Grenzen im Lohnwachstum aus. Vgl. Fishman, R. M. (1990): Working-class organization and the return to democracy in Spain, S. 219ff.
110 Vgl. Bingen, D. (l990a): Reformpolitik in Polen, in: Politische Studien, S. 305f. III Vgl. KapiteI2.2, S. 34. 112 Vgl. Polnische Agentur Interpress (Hrsg.) (1989): Polen gestem - heute - morgen, S. 8. 113 Vgl. Kundigraber, C. (1991): Der Weg Polens zum Systemwandel, S. 39. In einer spieltheoretischen
Untersuchung kommt losep Colomer zu dem Ergebnis, daB aufgrund der im Vergleich zu 1981 veran-
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im Vergleich zu 1982 stark gewandelt, vor allem die Position der Sowjetunion betreffend. Bei seinem Polenbesuch im Juli 1988 hatte der sowjetische Prasident Michail Gorbatschow die Eigenverantwortung der polnischen Fiihrung fiir das weitere Vorgehen betont. Ein Festhalten am Alleinherrschaftsanspruch der PV AP konnte damit nicht langer mit dem Hinweis auf drohende Sanktionen seitens der Sowjetunion gerechtfertigt werden, wodurch der Druck auf die Parteifiihrung wuchs, eine Einigung mit der Opposition zu erreichen. Die Motivation der Fiihrung von Solidarnosc zur Teilnahme an den Gesprachen am "Runden Tisch" griindete sich auf die Bestrebung, die Wiederzulassung der Organisation iiber den KompromiB zu erreichen.
Von seiten der radikaleren Mitglieder der Solidaritat gab es Widerstand gegen den von Wal~sa eingeschlagenen KompromiBkurs. Sie riefen nach dem AbschluB der Vereinbarungen zu einem Boykott der Parlamentswahlen auf und stellten Wal~sas Rolle als Gewerkschaftsfiihrer in Frage. 114 Wal~sa selbst machte seine Distanz gegeniiber den Vereinbarungen am "Runden Tisch" deutlich, indem er sie als "den schrecklichen Preis, den wir bezahlen miissen, urn unsere Gewerkschaft zuriickzuerhalten" bezeichnete. Auch in Reihen der PVAP-Mitglieder regte sich Widerstand, die Jaruzelski und Rakowski beschuldigten, einen "Ausverkauf des Sozialismus" zu betreiben. 115 In beiden Fallen blieb der Widerstand jedoch ohne wesentliche Folgen.
Der wichtigste Gegenstand in den Verhandlungen am "Runden Tisch" war die Frage, in welcher Form und in welchem Umfang zukiinftig oppositionelle Gruppen im polnischen Parlament vertreten sein sollten. Der Vorschlag der Regierungsseite sah vor, der Solidarnosc einen Anteil von zwischen 30 % und 40 % der Parlamentssitze einzuraumen. 1l6 Die Vertreter der Solidarnosclehnten diesen Vorschlag ab, denn er hatte keine Demokratisierung bedeutet, und bestanden auf der Vergabe eines Anteils der Parlamentssitze iiber freie Wahlen. Eine bloBe Zuteilung der Sitze hatte der Opposition eine ahnliche Rolle wie den Koalitionspartnem in der Regierung zugewiesen. Es wurde schlieBlich vereinbart, daB 35 % der Sitze durch freie Wahlen vergeben werden soll-
derten Praferenzordnung der Regierung, d.h. anstatt Kontinuitat des Regimes seine Reform als hOchste Prioritat, eine Vereinbarung erreicht werden konnte. Vgl. Colomer, J. M.; Pascual, M. (1994): The Polish games of transition, in: Communist and Post-Communist Studies, S. 278-287.
114 Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 74, 193f. liS Auf der 10. ZK-Sitzung der PV AP im Dezember 1988 sowie auf einer zweiten Sitzung im Januar
1989, die zur Vorbereitung der Verhandlungen am "Runden Tisch" dienten, muBten Parteichef Jaruzelski, Ministerprasident Rakowski, Innenminister Kiszczak und Verteidigungsminister Siwicki mit ihrem Riicktritt von den Regierungs-und Parteiamtern drohen, urn eine knappe Mehrheit von 55 % der ZK-Mitglieder fur das Programm der "sozialistischen parlamentarischen Demokratie" zu gewinnen. Vgl. Bingen, D. (J990a): Reformpolitik in Polen, in: Politische Studien, S. 307.
116 Vgl. Taras, R. (1995): Consolidating democracy in Poland, S. 134ff.
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ten.l17 Wahrend die Einrichtung des Senats als zweiter Kammer, die im wesentlichen Kontrollfunktionen austiben und deren Mitglieder durch freie und allgemeine Wahl
ermittelt werden sollte, wenig umstritten war, blieben die Fronten in der Frage verhartet, mit welcher Stimmenmehrheit das Parlament ein vom Senat zurtickgewiesenes
Gesetzesprojekt verabschieden konne.118 Da 35 % der ParI aments sitze durch freie Wahl bestimmt werden sollten, war diese Frage von einiger Bedeutung. Der Vorschlag
der Regierungsseite sah eine Dreifiinftelmehrheit vor, die Solidarnosc bestand auf einer Zweidrittelmehrheit. Denn bei Gewinn aller durch freie Wahl vergebenen Sitze
durch Kandidaten der Solidarnosc ware der Regierung und ihren Koalitionspartnern damit die Moglichkeit genommen worden, vom Senat zurtickgewiesene Gesetzesprojekte doch noch im Parlament zu verabschieden. Die Vertreter der Solidarnosc setzten sich schlieBlich mit ihrem Vorschlag durch.119
Der umstrittenste Teil des Abkommens war der Teil, der sich mit den wirtschaftlichen Reformen befaBte. Entgegen den Erwartungen war dies jedoch nicht auf einen Konflikt
zwischen den Vertretern der Regierung und der Solidarnosc zurtickzuftihren, sondern auf die ablehnende Haltung der offiziellen Gewerkschaft OPZZI20.121 Diese auBerte sich am deutlichsten in der Frage der Lohnindexierung, die einen Inflationsausgleich durch LohnerhOhungen, allerdings nicht in vollem Umfang herstellen sollte. Der Vorschlag der Regierungsseite sah eine Quote von 70 %, die Solidarnosc eine Quote von 85 % vor, wobei rasch eine Einigung auf 80 % erfolgte. Die OPZZ hielt bis zum AbschluB der Verhandlungen an ihrer Forderung eines vollstandigen Ausgleichs fest und legle bei der Unterzeichnung des Protokolls am 5. April 1989 in dieser Frage ihr Veto ein. Das sechs Kapitel umfassende KompromiBpapier der Arbeitsgruppe Wirtschaft enthielt eher eine Liste von Zielbeschreibungen als konkrete wirtschaftspolitische MaBnahmen. 122 Zwar war darin der Ausgleich des Anstiegs der Lebenshaltungskosten zu 80 % tiber Lohnzuschlage zu Beginn jedes Quartals festgeschrieben, die von der Solidarnosc geforderte Bildung einer gemischten Komrnission zur Kontrolle der Reformumsetzung wurde jedoch nicht in das KompromiBpapier aufgenommen. In
117 Vgl. Polnische Agentur Interpress (1989): Polen gestern - heute - morgen, S. 15. 118 Vgl. o. V. (1989b): Endspurt an Polens "rundem Tisch", in: NZZ yom 04.04.1989, o. Seite. 119 Vgl. o. V. (1989a): Der Anfang auf dem Weg zur parlamentarischen Demokratie, in: FAZ Yom
11.04.1989, o. Seite. 120 Og6lnopolskie Pororzumienie Zwiqzk6w Zawodowych 121 Vgl. Bachmann, K. (1989): In den schweren Wehen des dialektischen Pluralismus, in: Die Presse
yom 15.116. April 1989, o. Seite. 122 Vgl. o. V. (l989c): Die polnischen Kommunisten machen ihren Frieden mit der Opposition, in: FAZ yom 06.04.1989, sowie Bingen, D. (l990b): Vorgeschichte und Phasen des Systemwechsels in Polen 1989,S.32f.
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bestimmten Punkten waren die Vereinbarungen sogar widerspruchlich. 123 So wurde zwar die weitgehende EinfUhrung marktwirtschaftlicher Mechanismen als Ziel formuliert, was unweigerlich eine Rezession zur Folge gehabt hiitte, gleichzeitig jedoch ge
fordert, ein mit dem IWF und anderen Finanzinstitutionen abgestimmtes Programm umzusetzen, welches die Realeinkommensverluste der BevOlkerung nicht nur kompen
sieren, sondern sogar ein jahrliches Wachstum von 2 % gewahrleisten soUte. In bezug auf die Selbstverwaltung zeigte sich, daB auch auf seiten der Solidarnosc-Vertreter die
Untersttitzung eines "dritten Wegs", d.h. einer Reform des sozialistischen Wirtschaftssystems, tiberwog. 124 Denn trotz der tiberwiegenden Ablehnung des Konzepts der Selbstverwaltung in der okonomischen Theorie und den schlechten Erfahrungen mit diesem Konzept in Jugoslawien in den 1980er Jahren, wurde im AbschluBdokument nicht nur die Selbstverwaltung in staatlichen Betrieben hervorgehoben, sondern es war
sogar ihre Ausweitung auf private Unternehmen mit mehr als 100 Beschaftigten vorgesehen. Die Plane fUr eine konkrete Wirtschaftsreform wurden bis zur Neubildung einer Regierung im Herbst 1989 aufgeschoben.125
Mit den Verhandlungen tiber die Anderung des Wahlsystems fiel der Gruppe "Politische Reformen" das Kernsttick der Verhandlungen am "Runden Tisch" zu. Als SofortmaBnahmen wurden u.a. die Legalisierung der Solidarnosc und die Anerkennung des Rechts der Opposition auf legale Betatigung beschlossen.126 Die Wahl zu Sejm und neu geschaffenem Senat wurde fUr Juni 1989 angesetzt. Ftir die Sejmwahlen war einmalig festgelegt, daB 65 % der Sitze fUr das Regierungsbtindnis aus PVAP, Vereinigter Bauernpartei 127 (ZSL) und Demokratischer Partei 128 (SD) von vornherein reserviert
waren und lediglich die tibrigen 35 % der Sitze durch freie Wahl zu besetzen waren. 129
Die nachsten Parlamentswahlen sollten hingegen vollstandig frei ablaufen.
Dieses Ergebnis der Verhandlungen am "Runden Tisch" war nicht zuletzt auf die Fehleinschatzung der eigentlichen Starke der Verhandlungspartner zuruckzufUhren. Wahrend die Vertreter der PV AP ihre Position tiberschiitzten, beurteilten die Vertreter
123 Vgl. Ziemer, K. (1989): Auf dem Weg zum Systemwandel in Polen (II), S. 964. 124 Vgl. Winiecki, 1. (1992b): Privatization in Poland, S. 52. 125 Vgl. Mickiewicz, T. (1990): Politische Rahmenbedingungen fUr die Wirtschaftsreform in Polen, S.321.
126 Neben der Solidamosc wurde auch die Solidamosc der Privatbauem und der Unabhtingige Studentenverband legalisiert. Vgl. o. V. (1989a): Der Anfang auf dem Weg zur pariamentarischen Demokratie, in: FAZ yom 11.04. I 989, o. Seite.
127 Zjednoczone Stronnictwo Ludowe 128 Stronnictwo Demokratyczne 129 Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 73.
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der Solidarnosc den Umfang der offentlichen Untersttitzung, der sich in den sich anschlieBenden, eingeschrankt freien Wahlen manifestierte, zu gering. 130
Die Juniwahlen brachten einen iiberwaltigenden Erfolg fUr Solidarnosc. In den Parlamentswahlen gewannen die Kandidaten des Biirgerkomitees, des politischen Fltigels der Solidarnosc, aIle 161 frei wiihlbaren Sitze, wahrend einige Kandidaten der PV AP, darunter auch Jaruzelski und Rakowski, nicht gentigend Stimmen flir eine giiltige Wahl erhielten. In den voIlstandig freien Wahlen zum Senat erlangte das Btirgerkomitee 99 von 100 Sitzen. l3l Das polnische Wahlvolk sprach damit sehr deutlich sein MiBtrauen gegeniiber der Regierung aus. Trotz des iiberwaltigenden Erfolgs der Solidarnosc war ihre Position im Parlament zu schwach flir eine Regierungsbildung, jedoch konnte sich auch die PVAP mit ihrer Regierungsbildung durch den von Jaruzelski designierten Premierminister Kiszczak nicht durchsetzen, da die Blockparteien ihre Zustimmung verweigerten. Diese Pattsituation wurde von Walttsa und seinen Beratem aufgelOst, indem sie in geheime Verhandlungen - auch hinter dem Riicken der parlamentarischen Delegation des Btirgerkomitees - mit der Bauempartei und der demokratischen Partei traten. Die beiden ehemaligen Koalitionspartner der PV AP willigten ein, einer vom Biirgerkomitee geleiteten Koalitionsregierung beizutreten, da sie erheblichen politischen Schaden von einer weiteren Allianz mit der PV AP beflirchteten. Durch die Zusicherung, das Verteidigungs- und Innenministerium in den minden der PV AP zu belassen, sicherte sich Walttsa das Einverstandnis des sowjetischen Botschafters und Jaruzelskis flir seine Plane zur AblOsung der Regienmg. Diese wurden den Parlamentariem von Btirgerkomitee und PVAP dann als Fait accompli prasentiert, was zu heftigem Widerspruch auf beiden Seiten flihrte, jedoch nicht mehr zu andem war. Eine Gruppe von drei Kandidaten des Btirgerkomitees wurde Jaruzelski zur Auswahl eines Premierministers vorgeschlagen, aus der er mit Tadeusz Mazowiecki den am stiirksten gemaBigten auswiihlte. Bier besteht eine deutliche ParaIlele zum DemokratisierungsprozeB in Spanien, als Konig Juan Carlos mit Adolfo Suarez den am stiirksten gemaBigten aus drei Kandidaten auswahlte, wobei diese jedoch aIle Vertreter des ehemaligen Systems waren.
130 Aleksander Kwasniewski, der als Vorsitzender die Regierungsseite am Gewerkschaftstisch vertrat, bestatigte in einem Interview im Sommer 1990 diese Einschatzung: "DaB sich die Partei stark fiihlte, offnete erst den Weg zum Runden Tisch und zu den freien Wahlen. Es ist paradox: In der Fehleinschatzung lag Polens Chance", zit. nach: Kundigraber, C. (1991): Der Weg Polens zum Systemwandel, S. XXIV.
13I Vgl. Bingen, D. (1990b): Vorgeschichte und Phasen des Systemwandels in Polen 1989, S. 38; Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 74.
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Am 24. August 1989 wurde Mazowiecki mit uberwaltigender Mehrheit zum Ministerprasidenten gewahlt.132 Das von ihm bis zum 12. September gebildete Koalitionskabi
nett urnfasste Minister aus dem Burgerkomitee, der ZSL, der SD und der PV AP und hob sich durch seine Ausgewogenheit hinsichtlich der politischen Krafteverteilung
hervor. Die vier von den Mitgliedem der PV AP besetzten Ministerien waren das Innen-, das Verteidigungs-, das AuBenhandels- sowie das Transport- und Kommunika
tionsministerium. Das Parlament bestatigte die Regierung mit 402 Stimmen ohne Gegenstimme bei 13 Enthaltungen.
3.2.2 Das wirtschaftliche Stabilisierungs- und Transformationsprograrnm
Uber die Frage der Ausgestaltung der wirtschaftlichen Reformen herrschte innerhalb der Fiihrung von Solidamosc keine Einigkeit. Es gab einerseits die BefUrworter eines
"liberalen" Ansatzes, die sich fUr eine moglichst rasche, auf Marktmechanismen gegriindete Transformation aussprachen, andererseits die Anhanger eines sogenannten "dritten Weges" fUr den Ubergang von der Zentralplan- zur Marktwirtschaft, die ein graduelles Vorgehen mit starkerem Eingreifen des Staates befUrworteten. 133 Fur die Untersuchung des Zustandekommens der endgultigen Regelungen sind insbesondere zwei Dokumente von Bedeutung. Ein von Wirtschaftsexperten erarbeiteter Vorschlag134 und das anschlieBend von der Regierung tiffentlich vorgestellte Wirtschaftsprogramm135 • Da dieses in vielen Punkten noch keine konkreten Angaben uber die zu treffenden MaBnahmen enthielt, wird auBerdem betrachtet, we1che endgultigen Beschliisse bis zum Anlaufen des Stabilisierungsprograrnms - der sogenannten "Schocktherapie" - im Januar 1990 getroffen wurden. 1m Unterschied zu Spanien wurde das polnische Programm nicht im Zuge eines ausgehandelten Allparteienkonsenses, sondem einseitig von der Regierung, hier vor allem vom marktwirtschaftlich orientierten Flugel der Solidamosc ausgearbeitet. 136
132 Fiir ihn stimmte dabei auch eine Mehrheit der PV AP-Abgeordneten. Vgl. Bingen, D. (1990b): Vorgeschichte und Phasen des Systemwechsels in Polen 1989, S. 4 If.
133 Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 89f. 134 Abgedruckt in: Beksiak, J. et al. (1991): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, in: Centre for Research into Communist Economies (Hrsg.): The Polish transformation: programme and progress, S. 19-59.
135 Eine deutsche Obersetzung des Programms findet sich in: o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, in: Bak, H.; Pysz, P.; Scharff, R. (Hrsg.): Das BaIcerowicz-Programm. Konzept, Realisierungsschritte, Zwischenergebnisse, S. 9-29.
136 Auch wenn einzelne Ministerposten als ZugesUindnis an Mitglieder der PV AP vergeben worden waren, so spieite die PV AP dennoch keine Rolle bei der Ausarbeitung des Wirtschaftsprogramms und es kann auch nicht von einer Allparteienregierung gesprochen werden. Bingen spricht von einer Zeit
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Am 1. September 1989 beauftragte der Fraktionsflihrer des Btirgerkomitees (OKP)
Geremek offiziell eine Expertengruppe unter Leitung von Janusz Beksiak, das Konzept eines Programms flir die wirtschaftliche Stabilisierung und - in Verbindung damit - den
Systemwechsel in Richtung einer Marktwirtschaft auszuarbeiten. 137 Die Expertengruppe, der sHindig auch Berater aus den USA, unter anderen Jeffrey Sachs und David
Lipton138, angeh6rten, verfaBte bis Ende September einen Bericht. 139 Er enthielt neben VorschHigen zu den beiden Teilprogrammen auch Vorschlage zu ihrem zeitlichen Ab
lauf und ihrer Koordination. Dieser Bericht diente als Grundlage flir das spater von der Regierung Mazowiecki beschlossene Wirtschaftsprogramm, welches nicht in allen Punkten mit dem Entwurf tibereinstimmte.
Der Vorschlag der Expertengruppe zur Stabilisierung sah eine Laufzeit des Programms von 26 Monaten vor, wobei sich die MaBnahmen in flinf Bl6cke aufteilten. 14o Das Wirtschaftsprogramm der Regierung unterschied demgegentiber zwei Phasen der Stabilisierungspolitik. In der ersten Phase, die nicht langer als bis Anfang 1990 dauern sollte, war vorgesehen, ein weiteres Wachstum der Inflationsrate zu verhindern oder dieses sogar zu verringern, das Budgetdefizit unter das Niveau von Oktober 1989 zu senken und die Flucht aus dem Zloty einzudammen. 141 Daran sollte sich die Phase grundsatzlicher Systemanderungen anschlieBen, mit der Einflihrung eines Btindels radikaler antiinflationarer MaBnahmen zur Stabilisierung und der gleichzeitigen Umsetzung der bis Anfang 1990 vorbereiteten, fundamentalen Systemanderungen. Die Regierung hob dabei besonders hervor, daB eine erfolgreiche Umsetzung des Stabilisierungsprogramms eine unerlaBliche Voraussetzung flir das Gelingen der Systemveranderungen darstellte.
Der erste Block des Vorschlags der Expertengruppe zur Stabilisierung beschliftigte sich mit der Preisreform und sprach sich flir eine Abschaffung aller Preiskontrollen aus. Ausnahmen waren flir inlandische Energie- und Brennstoffpreise vorgesehen, die
des Zerfalls und Neuaufbaus von Parteien, in der es keine nennenswerte Opposition gab. Vgl. Bingen, D. (I 990a): Reformpolitik in Polen, S. 313f.
137 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 21. 138 Sie sprachen sich klar fUr eine "Schocktherapie" aus, unter anderem aufgrund der schlechten Erfah
rungen osteuropaischer Staaten mit schrittweisen Reformen und der besseren Miiglichkeiten einer schwachen Regierung, die sich einer tiefen wirtschaftlichen Krise gegeniibersieht, Reformen zu Beginn ihrer Amtszeit durchzufUhren. Vgl. Lipton, D.; Sachs, J. (1990): Creating a market economy in Eastern Europe: The case of Poland, S. 99f.
139 Vgl. Beksiak, J.; Winiecki, J. (1990): A comparative analysis of our programme and the Polish government programme, S. 9.
140 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 25f. 141 Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 10f.
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bis Ablauf des Programms auf 75 % des Weltmarktpreises festgesetzt werden sollten, sowie fUr die Absatzpreise der lebensmittelverarbeitenden Industrie, bei der Preissteigerungen bzw. -senkungen an gleichgerichtete prozentuale Preisveranderungen der agrarischen Inputpreise gekoppelt waren. Da liberwiegend mit Preissteigerungen zu rechnen war, sollte mit der zweiten Regelung verhindert werden, daB der monopolisierte lebensmittelverarbeitende Sektor aufgrund seiner Quasi-Monopsonstellung Gewinne aus der Preisliberalisierung ohne Beteiligung der stark dezentralisierten Landwirtschaft erwirtschaftete. 142 Die Regelungen des Wirtschaftsprogramms zur Preisliberalisierung waren im Vergleich weniger detailliert. Es sah in der Vorbereitungsphase vor, den Anwendungsbereich arntlicher Preise und anderer administrativer Preiskontrollen zu verringem. 143 1m AnschluB daran plante die Regierung, alle administrativen Preiskontrollen abzuschaffen, mit Ausnahme der Bereiche, die unter die Antimonopolgesetzgebung .. fielen. Der V orschlag der Expertengruppe zur Preiskontrolle in der lebensmittelverarbeitenden Industrie wurde jedoch nicht in das Wirtschaftsprogramm der Regierung libemommen. Es urnfaBte lediglich eine Kontrolle der Energiepreise, die nach einer einmaligen, drastischen Erhtihung zum Programmstart fUr mindestens 6 Monate fixiert wurden. 144
Der zweite Block beschaftigte sich mit dem Abbau des Budgetdefizits und der Vorschlag der Expertengruppe sah unter anderem die Abschaffung von Exportsubventionen, von Subventionen fUr Lebensmittel sowie der Beihilfen fUr den Betrieb und die Instandhaltung des tiffentlichen Wohnungswesens VOr. 145 Dartiber hinaus sollte eine Reduzierung der Schuldenlast gegentiber ausHindischen Geschaftsbanken durch Verhandlungen und eine radikale Beschrankung der Subventionen fUr zentralstaatliche und Untemehmensinvestitionen vorgenommen werden. Das Wirtschaftsprogramm der Regierung machte in diesem Zusammenhang urnfangreichere V orgaben. Es plante fUr die Vorbereitungsphase, einzelne zentrale Investitionsvorhaben, vor allem im Brennstoff- und Energiebereich zurlickzuziehen, mit dem Verkauf staatlichen Eigentums in tiffentlichen Auktionen zu beginnen und die Dotationen fUr Steinkohle durch eine Systemanderung einzuschranken. 146 Dartiber hinaus war die Anhebung der Umsatzsteuer fUr einzelne Konsumgtiter, die Verschtirfung der Steuerdisziplin gegentiber
142 Vgl. Beksiak, J.; Winiecki, J. (1990): A comparative analysis of our programme and the Polish government programme, S. 11.
143 Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 14f. 144 Der Preis fUr Kohle wurde auf das Fiinf- bis Siebenfache erhoht, die Preise fUr Strom und Gas auf das Vier- bis Fiinffache. Vgl. Milanovic, B. (1992): Poland's quest for economic stabilisation, 1988-91: Interaction of political economy and economics, S. 522.
145 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 26f. 146 Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 12f.
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Unternehmen mit Steuerrtickstanden und die EinsteUung der Ausgleichszahlungen an regionale Budgets flir Preissteigerungen vorgesehen. In Ubereinstimmung mit dem
Vorschlag der Expertengruppe soUten zudem die Subventionen flir Lebensmittel ge
ldirzt werden. In der zweiten Phase ab 1990 sollten dann Steuererleichterungen147 radikal begrenzt und die Dotationen flir Energieinvestitionen und flir Steinkohle abgeschafft werden. 148 SchlieBlich soUte in dieser Phase die Finanzierung des Budgetde
fizits, die zuvor aus unverzinsten Krediten der polnischen Nationalbank erfolgen konnte, auf Staatsanleihen und zu Marktbedingungen aufgenommene Kredite von
Geschaftsbanken beschrankt werden.
1m dritten Block des Konzepts der Expertengruppe wurde der flir Anfang 1990 vorgesehene, vorlaufige Umbau des Steuersystems behandelt. 149 Dieser umfaBte eine einheitliche Einkommensteuer auf Wirtschaftseinheiten, eine Einkommensteuer auf die personlichen Einkommen der BevOlkerung auBerhalb der Landwirtschaft und eine
Verbrauchsteuer, die das bisherige System ersetzen soUten. Zu einem nicht prazisierten spateren Zeitpunkt war die Einflihrung eines endgtiltigen Steuersystems geplant. Das Wirtschaftsprogramm der Regierung sah hingegen die Einflihrung des reformierten Steuersystems bereits flir 1991 vor. 150 Als Hauptbestandteile nannte es eine flir aUe Wirtschaftseinheiten einheitliche Einkommensteuer flir juristische Personen, eine Mehrwertsteuer, die die bisherige Umsatzsteuer ersetzen soUte, sowie eine personliche Einkommensteuer, deren Bemessungsgrundlage praktisch aUe von Einzelpersonen erzielten Einkommen sein sollten. Ftir die Ubergangszeit im Jahr 1990 schlug das Wirtschaftsprogramm die Begrenzung der Zahl der Umsatzsteuersatze, eine Ausweitung des Kreises der Einkommensausgleichsteuerpflichtigen in Verbindung mit einer leichten Progression der Tarife vor. Dartiber hinaus sollten die gewahrten Vergtinstigungen sowie die Ausnahmen von der Ausgleichsteuer radikal reduziert und die Agrarsteuersatze angepaBt werden.
Der vierte Block des Konzepts beschaftigte sich mit der Rolle des Bankensystems in der Stabilisierung und sah die Einflihrung positiver realer Zinssatze sowie die Be
schrankung der Vorzugskredite im Bereich Landwirtschaft und Wohnungsbau und im Bereich der zentralen Investitionen vor. AuBerdem sollten nicht abgesicherte Kredite
zurtickgezogen werden. Mit der Abschaffung der gesamten Vorzugskredite ging das
Wirtschaftsprogramm tiber den Vorschlag der Expertengruppe hinaus. 151 Die geplante
147 Die Vergiinstigungen aus dem Export sollten dabei vollstandig abgeschafft werden. 148 Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 14f. 149 V gl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 27. 150 V gl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 20. 151 Vgl. ebenda, S. 15.
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Einftihrung positiver Realzinsen wurde in das Programm tibernommen, die MaBnahmen beztiglich nicht abgesicherter Kredite tauchten dort jedoch nicht explizit auf, es erfolgte lediglich der allgemeine Hinweis auf "Methoden zur Verscharfung der Oeldund Kreditpolitik,,152.
Der ftinfte Block des Konzepts behandelte auBenwirtschaftliche Aspekte der Stabilisierung. 153 Darin waren die sofortige Einftihrung der vollstandigen Konvertibilitat des Zloty, Vereinbarungen mit den Partnerlandern im ROW zur Umstellung der Verrechnung auf konvertible Wahrungen, der Abbau der Schuldenlast gegentiber westlichen und tistlichen Landern sowie der AbschluB von Verhandlungen mit dem IWF und der Weltbank tiber Kredite zur Untersttitzung des wirtschaftlichen Programms der Regierung vorgesehen. Wahrend die tibrigen V orschlage der Expertengruppe ohne Anderung in das Wirtschaftsprogramm der Regierung aufgenommen wurden,154 bestand ein wesentlicher Unterschied hinsichtlich der geplanten Konvertibilitat des Zloty.155 Die Regierung sah ftir Anfang 1990 die Herstellung der Inlanderkonvertibilitat und erst nach einer erfolgreichen Stabilisierung der Wirtschaft die vollstlindige Konvertibilitat des Zloty vor.
In der Frage des Systemwechsels bestand angesichts des offensichtlichen Versagens der zentralen Planwirtschaft Ubereinstimmung in der Expertengruppe, daB das Ziel die Entwicklung einer Marktwirtschaft westlichen Typs sein sollte. 156 Einem alternativen "dritten Weg" wurden hingegen keinerlei Erfolgsaussichten zugesprochen. Dieselbe Auffassung wurde an erster Stelle des Wirtschaftsprogramms der Regierung vertreten: "Polens Wirtschaft bedarf grundsatzlicher Systemanderungen. Deren Ziel ist der Aufbau eines marktwirtschaftlichen Systems, ahnlich jenem, wie es in den hochentwickelten Landern existiert. ,.157 Die Vorschlage der Expertengruppe zum wirtschaftlichen Transformationsprogramm unterschieden drei grundlegende Elemente: die Liberalisierung der Wirtschaftstlitigkeit durch eine strikte Beschrankung des staatlichen
152 ebenda, S. 15. 153 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes,
S. 28f.; Beksiak, 1.; Winiecki, J. (1990): A comparative analysis of our programme and the Polish government programme, S. II.
154 1m Wirtschaftsprogramm der Regierung fielen sie jedoch nicht unter den Abschnitt zur Stabilisie-rung, sondern waren Teil eines eigenen Abschnitts zur Unterstiitzung durch das Ausland.
ISS Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 19. 156 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 37. 157 o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 9.
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Einflusses, die Schaffung marktwirtschaftlicher lnstitutionen und die Transformation der Eigentumsrechte durch Privatisierung. 158
Als MaBnahmen zur Liberalisierung wurde einerseits die Freigabe der marktbestimmenden GraBen vorgeschlagen - darunter fielen Preise, Zinssatze und Wechselkurse -andererseits die Abschaffung und Uberarbeitung von Regeln, die die Wirtschaftstatigkeit einschranken - beispielsweise beim Verkauf von Land. 159 AuBerdem sollte tibergangsweise, bis die Privatisierung Erfolge zeigte, eine Verordnung erlassen werden, die die Unabhangigkeit der Direktoren staatlicher Unternehmen von der Verwaltung sicherstellte. Als weitere LiberalisierungsmaBnahme war die Zerschlagung monopolartiger Unternehmenszusammenschliisse vorgesehen. Als ein Ziel der Liberalisierungspolitik formulierte der Vorschlag der Expertengruppe die schrittweise Veriingerung des staatlichen Budgets. Die von der Expertengruppe vorgeschlagenen MaBnahmen fanden sich auch im Wirtschaftsprogramm der Regierung wieder. Noch fUr 1989 war die Vorlage eines Projekts zur Novellierung der Gesetze tiber Staatsunternehmen und tiber die Se1bstverwaltung staat1icher Unternehmen vorgesehen, die deren Selbstandigkeitsbereich erweitern sollten. 160 Bis spatestens Anfang 1990 sollten die sogenannten PreishOchstgrenzen aufgehoben sowie die Bewirtschaftung von Waren und der obligatorische Zwischenhande1 innerhalb des Handels mit Versorgungsgtitern abgeschafft werden. Explizit wies das Programm in diesem Zusammenhang darauf hin, daB "die selbstherrliche EinfUhrung einer Reglementierung durch Lieferanten [ ... ] als ein VerstoB gegen die Antimonopolvorschriften betrachtet,,161 wtirde.
1m Abschnitt zur Errichtung marktwirtschaftlicher lnstitutionen nannte das Programm der Expertengruppe drei Bereiche: den Finanzmarkt, die Einrichtung einer Kartellbeharde und den Arbeitsmarkt. 162 Als grundlegendes Element in der Transformation des Bankensystems sollte die Funktion der Polnischen Nationalbank auf die einer Zentralbank beschrankt werden. 1m Zuge des sen wurde die Formulierung ihrer Aufgaben, die Geld- und Wahrungspolitik, und die Schaffung geeigneter Instrumente zur Beeinflussung der Kreditpolitik der Geschaftsbanken - Mindestreserve- und Diskontsatze sowie Offenmarktoperationen - vorgeschlagen. Gleichzeitig sollte der Marktzutritt fUr neue Geschaftsbanken, darunter auch Zweigstellen auslandischer Banken, erleichtert werden, urn die Finanzierungsmaglichkeiten vor allem kleiner Privatunter-
158 V gl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S.37ff.
159 Vgl. ebenda, S. 39f. 160 Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 18f. 161 ebenda, S. 18. 162 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 40f.
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nehmen zu verbessem. Der Vorschlag, einen Geld- und Kapitalmarkt zu errichten, wurde im Wirtschaftsprogramm der Regierung mit der Grtindung einer Wertpapierborse bis spatestens 1990 weiter konkretisiert. 163 In diesem Zusammenhang sollten auBerdem die Konkursvorschriften dahingehend geandert werden, daB ,jedem Glaubiger, dessen Forderungen nicht fristgerecht abgegolten wurden, das Recht zuerkannt wird, einen Konkursantrag zu stellen,.164. Die VorschIage zur Transformation wurden
von der Regierung im wesentlichen tibemommen, wobei die AusfUhrungen zu den geplanten Instrumenten der polnischen N ationalbank wegfielen.
1m Hinblick auf die Einrichtung einer Kartellbehorde verwies die Expertengruppe auf die bereits bestehenden Studien zu den Aufgaben dieser Institution, machte jedoch deutlich, daB diese Behorde unabhangig von der Regierung sein mtisse,165 was in das Wirtschaftsprogramm tibemommen wurde, indem das Antimonopolorgan aus der Struktur des Finanzministeriums ausgegliedert und auBerdem mit nicht naher erlauterten, "erweiterten Befugnissen" ausgestattet werden solIte. 166
Wesentliche Abweichungen zwischen dem Vorschlag der Expertengruppe und dem Wirtschaftsprogramm der Regierung gab es in der Frage des Arbeitsmarktes. Die Expertengruppe sprach sich fUr die Abschaffung aller Lohnkontrollen auBerhalb des staatlichen Sektors aus, da ihre Beibehaltung den Faktor Arbeit ktinstlich verteuere und damit seine effiziente Allokation unterbinde. 167 1m Juli 1989 war das System der Lohnindexierung von der scheidenden Regierung Rakowski eingefUhrt worden, welches auf die Vereinbarungen am "Runden Tisch" zurtickging und eine Strafsteuer auf "exzessive" LohnerhOhungen der Staatsuntemehmen beinhaltete. 168 Die Regierung hielt jedoch an der Indexierung der Lohne fest, was im wesentlichen auf die Unsicherheit dartiber zurtickzufUhren war, ob die Geldpolitik als alleiniges Instrument zur Kontrolle des Lohnwachstums ausreichte. 169 In ihrem Wirtschaftsprogramm ktindigte sie eine Novellierung des Gesetzes tiber die Lohnindexierung an, die insoweit eine Verscharfung bedeutete, als ein indexierter Anstieg der Lohne nur denjenigen Unternehmen ermoglicht wurde, in denen nicht bereits zuvor ein Lohnzuschlag ausgezahlt
163 Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 2lf. 164 ebenda, S. 22. 165 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 4lf. 166 Vgl. o.y. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 19. 167 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 42f. 168 Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy, S. 92, Poznanski, K. Z. (1996): Poland's protracted tran-
sition. Institutional change and economic growth 1970-1994, S. 176. 169 Vgl. Gomulka, S. (1992): Polish economic reform, 1990-91: principles, policies and outcomes, in:
Cambridge Journal of Economics, S. 366.
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wurde. 170 Bis zur Umsetzung des verscharften Systems wurde auBerdem auf Druck der
weniger liberalen Solidarnos6-Mitglieder der Geltungsbereich der Lohnindexierung auf
private Betriebe ausgedehnt.l7l Wahrend die Beflirchtung liberzogener Lohnsteige
rungen in Staatsbetrieben aufgrund fehlender Eigentiimerkontrolle, was tiber eine
erhOhte Konkursgefahr den Staatshaushalt zusatzlich belastet hatte, berechtigt er
schien, traf dies auf private Betriebe nicht zu.
Einen Schwerpunkt im Vorschlag der Expertengruppe stellte das Privatisierungspro
gramm als grundlegendes Element fiir den Erfolg der Wirtschaftstransformation dar.172
Sie schlug vor, daB in einem ersten Schritt 20 % der Anteile staatlicher Unternehmen
mit mehr als 250 Mitarbeitern173 in das Eigentum der Beschaftigten libergehen sollten
bei gleichzeitiger Umwandlung der Unternehmen in Aktiengesellschaften. Das Stimm
recht sollte bis zum Ubergang der restlichen 80 % der Anteile aus dem Staatseigentum
allein bei den ausgegebenen 20 % der Aktien liegen. Es wurde eingeraumt, daB diese
Vorgehensweise nicht ideal sei, jedoch zwei wichtige Kriterien, die breite Streuung
des Eigentums und die rasche Erzielung erster Fortschritte im PrivatisierungsprozeB,
erflille. 1m Vergleich dazu machte das Wirtschaftsprogramm der Regierung deutlich
weniger konkrete Angaben. 174 Es legte lediglich fest, daB die Umgestaltung der
Eigentumsverhaltnisse nach den vom Parlament gebilligten Grundsatzen erfolgen
sollte, wobei als Grundregel der Offentliche Verkauf gelten sollte. AuBerdem war vor
gesehen, L6sungen zu schaffen, die den Erwerb von Aktien durch Mitarbeiter und, bei
der Privatisierung groBer Untemehmen, den Erwerb einer geringen Zahl von Aktien
durch Blirger erleichtern sollten. Bis Anfang 1990 waren in der Frage der Privatisie
rung noch keine konkreten Regelungen getroffen worden.
Besonderes Gewicht legte das Wirtschaftsprogramm auf die Unterstlitzung des Umge
staltungsprozesses durch das Ausland, der ein eigener Abschnitt gewidmet war. 175 Flir
die Durchfiihrung der Stabilisierungs- und der systemverandernden MaBnahmen sol1-
ten unter anderem ein Stand-by Kredit des IWF fUr ein mit ihm abgestimmtes Anpas
sungsprogramm, ein Strukturanpassungskredit der Weltbank, Stabilisierungsanleihen
170 Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 12. 171 Vgl. Beksiak, J.; Winiecki, J. (1990): A comparative analysis of our programme and the Polish government programme, S. 10f.
172 Vgl. Beksiak, J. et al. (1990): Outline of a programme for stabilisation and systemic changes, S. 43-51.
173 Davon ausgenommen sollten lediglich Staatsunternehmen sein, die von Bedeutung fUr die gesamte Bevolkerung waren - beispielsweise die Post - und einige Riistungsbetriebe.
174 Vgl. o.V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 16f. 175 Vgl. ebenda, S. 24-27.
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der hochentwickelten Lander zur Sicherung der angestrebten Wahrungskonvertibilitat sowie ein Schuldenaufschub und -erlaB mit westlichen Glaubigerregierungen und -banken vereinbart werden. Dariiber hinaus war als untersttitzendes Element eine Senkung der Barrieren im Handel und Kapitalverkehr mit den EG vorgesehen.
Mitte Oktober 1989, kurz nach dem Amtsantritt von Mazowiecki, wurde das Wirtschaftsprogramm der Regierung dem Senat vorgelegt. In den polnischen Medien wurde es ausfUhrlich besprochen. 176 Wie die Betrachtung des Wirtschaftsprogramms gezeigt hat, waren die darin enthaltenen Regelungen eher allgemein gehalten. Eine genauere Ausarbeitung der Teilprogramme erfolgte spater. 177 Das konkretisierte Stabilisierungsprogramm wurde in enger Zusammenarbeit mit Experten des lWF und nach des sen Standardstabilisierungsansatz, namlich gesttitzt auf geldpolitische und fiskalische Beschrankungen, ausgearbeitet und am 22. Dezember von der Regierung tibernommen. 178 Die Zielsetzung des Ansatzes lag schwerpunktmaBig, wie es fUr die Formulierung von lWF-Programmen typisch war,179 auf der Herstellung des auBenwirtschaftlichen Gleichgewichts. Neben der Eindammung der Nachfrage sah das Stabilisierungsprogramm die Eindammung der Inflation durch zwei nominale ,,Anker", einen fixen Wechselkurs gegentiber dem US-$ und strikte Lohnkontrollen, VOr. 180 In der Liberalisierung des AuBenhandels war der Wechsel von quantitativen Handelsbeschrankungen auf Zolle ab 1990 geplant, die den Vorgaben des harmonisierten Zollsystems des GATT entsprechen sollten. 181 Das mit dem Regierungsprogramm verbundene Paket von Wirtschaftsgesetzen wurde am 27.128. Dezember 1989 mit groBer Mehrheit vom Parlament verabschiedet. 182
Die Diskrepanz zwischen den prazisen Angaben zur Stabilisierungspolitik, die im wesentlichen in Zusammenarbeit mit dem lWF entwickelt wurden, und den pauschal gehaltenen Vorgaben im Bereich des Programms zur Umstrukturierung sind dabei auf-
176 Vgl. Mickiewicz, T. (1990): Politische Rahmenbedingungen fUr die Wirtschaftsreform in Polen, S.333.
177 V gl. Dabrowski, M. (1992): Interventionist pressures on a policy maker during the transition to economic freedom (personal experience); S. 71, Fn. 2.
178 Vgl. Rosati, D. K. (1992): The stabilization program and institutional reform in Poland, in: Siebert, H.: The transformation of socialist economies, S. 250.
179 V gl. International Monetary Fund (1987): Theoretical aspects of the design of fund-supported adjustment programs, S. 2. Diese Ausrichtung wurde u.a. mit den gesetzlichen Grundlagen des Fonds begriindet.
180 Vgl. Winiecki, J. (l992a): The Polish transition programme: Underpinnings, results, interpretations, S.81!'
181 Vgl. Rosati, D. K. (1991): Sequencing the reforms in Poland, S. 213. 182 Vgl. Bingen, D. (l990b): Vorgeschichte und Phasen des Systemwechsels in Polen 1989, S. 48.
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fiillig. Die Strategie des wirtschaftlichen Programms der Regierung sah zuerst die Losung makrookonomischer Probleme vor - beispielsweise des Budgetdefizits, der Inflation, der Wahrungsreserven und der Auslandsverschuldung - und im AnschluB daran die Losung des grundlegenderen und zeitaufwendigeren183 Problems der mikrookonomischen Effizienz.184
Die institutionellen Aspekte des Wirtschaftsprogramms der Regierung wurden in einem Memorandum zur Entwicklungspolitik festgelegt, welches in Abstimmung mit der Weltbank im Rahmen der Verhandlungen tiber strukturelle Anpassungskredite ausgearbeitet worden war. 185 Die polnische Regierung gab im Juli 1990 ihre offizielle Zustimmung zu dies em Programm. Das Regierungsprogramm zur Privatisierung wurde schlieBlich im November 1990 vorgestellt.
3.3 Die Hinarbeitung auf die Programmverabschiedung im Vergleich
Werden die beiden Prozesse - der Weg zur Verabschiedung der Monc1oapakte in Spanien und zur Einftihrung des Stabilisierungsprogramms in Polen - verglichen, sind einige Unterschiede festzustellen. In Spanien wurde der wichtigste Schritt auf dem Weg zur Demokratisierung mit der Abhaltung allgemeiner und freier Wahlen vor der Verhandlung des wirtschaftlichen Reformprogramms vollzogen. Der Wendepunkt in der politis chen Transformation wurde durch das Gesetz zur politischen Reform von 1976 erreicht. Nach den Wahlen war der Weg einer tiber einen Allparteienkonsens geschlossenen Vereinbarung zur wirtschaftlichen Reform vor allem deshalb notwendig geworden, weil die Regierungspartei UCD keine absolute Mehrheit erringen konnte und durch den Konsens zugleich die politische Stabilitat auf dem Weg zu einer demokratischen Verfassung Ende 1978 gewahrleistet werden sollte. Zum Zeitpunkt der Vereinbarungen am "Runden Tisch" in Polen war demgegentiber der Schritt zur Etablierung einer Demokratie der wichtigste Gegenstand der Verhandlungen zwischen Regierung und auBerparlamentarischer Opposition. Der "Runde Tisch" ist insofern eher vergleichbar mit dem Gesetz zur politischen Reform von 1976 in Spanien, wenn auch dieses durch Vereinbarung innerhalb des alten Establishments zustandegekommen ist. In beiden Fallen ermoglichte eine Fehleinschatzung der alten Eliten die Absprachen. So ging sowohl die Ftihrungsspitze der PV AP in den Verhandlungen am "Runden
183 Eine Ausnahme hiervon bilden die Preisfreigaben, die rasch durchgefiihrt werden kiinnen. 184 Vgl. Gomulka, S. (1992): Polish economic reform, 1990-91: principles, policies and outcomes, S.358.
185 Vgl. Dabrowski, M. (1992): Interventionist pressures on a policy maker during the transition to economic freedom (personal experience); S. 71, Fn. 2.
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Tisch" davon aus, daB die bestehende Regierung noch zumindest bis zu den flir 1993 vereinbarten freien Wahlen erhalten bliebe. 186 In Spanien wurde die Fehleinschatzung auf Seiten der AP dadurch deutlich, daB sie auf der Festlegung eines Wahlmodus bestand, der die beiden Parteien mit dem hOchsten Stimmenanteil bei der Sitzverteilung im Parlament tiberreprasentierte. Das heiBt, sie ging davon aus, nach der Wahl als stlirkste oder zweitstlirkste Kraft dazustehen. 187
Anders als in Spanien, wo das wirtschaftliche Reformprogramm selbst Inhalt der Konsensentscheidung war, wurden in Polen im Rahmen der Verhandlungen am "Runden Tisch" keine entscheidenden Schritte in dieser Richtung erzielt und das Programm zur Stabilisierung und Umstrukturierung der Wirtschaft erst spater von der neuen Mehrparteienregierung ausgearbeitet. Flir den unterschiedlichen Ablauf lassen sich folgende Grtinde nennen. Von herausragender Bedeutung war dabei, daB in Polen zum Zeitpunkt der Verhandlungen am "Runden Tisch" die Delegitimation der alten Eliten und die Legitimation der neuen Elite noch nicht stattgefunden hatte. Dieser entscheidende Schritt wurde erst durch Abhaltung der Wahlen vollzogen. Obwohl durch die Besonderheiten der Parlamentswahlen in Polen, mit einer gesicherten Mehrheit von 65 % der Sitze flir die Regierungsparteien, die Position des Btirgerkomitees, gemessen an den Mehrheitsverhaltnissen, schwacher als die der UCD in Spailien war,188 so war seine faktische Durchsetzungsfahigkeit dennoch stlirker einzuschatzen. Denn die PV AP als stlirkste oppositionelle Kraft befand sich zu dieser Zeit bereits im ProzeB des Niedergangs. 189 AuBerdem war das AusmaB der wirtschaftlichen Krise zum Zeitpunkt der Programmerstellung und -verabschiedung in Polen viel groBer als in Spanien, was einen starkeren Handlungsbedarf auf seiten der politischen Akteure impliziert. Die Regierung war damit im Vergleich zu Spanien sowohl mit einem stlirkeren Mandat ausgestattet als auch mit einer groBeren Krise konfrontiert, welches die Durchsetzung von Reformen erleichtert haben dlirfte. 190 Die Ausarbeitung eines Programms, das die
186 Vgl. Taras, R. (1995): Consolidating democracy in Poland, S. 133 sowie Ziemer, K. (1998): Die Konsolidierung der polnischen Demokratie in den neunziger Jahren, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, S.30.
187 Vgl. KapiteI3.1.1, S. 48. 188 Mit einem Stimmenanteil von 34 % hatte die UCD in den Parlamentswahlen von 1977 einen Anteil
von 47 % der Sitze erhalten. Vgl. Penniman, H. R.; Mujal-Leon, E. M. (Hrsg.) (1985): Spain at the polls, 1977, 1979, and 1982, S. 323.
189 Auf ihrem 11. Parteitag Ende Januar 1990 beschloB die PVAP ihre Selbstauflosung. Aus ihr gingen die "Sozialdemokratie der Republik Polen" mit dem spateren Prasidenten Aleksander Kwasniewski als Vorsitzendem und als kleinere Gruppierung die "Polnische Sozialdemokratische Union" hervor. Vgl. Bingen, D. (1990a): Reformpolitik in Polen, in: Politische Studien, S. 312f.
190 Vgl. Keeler, J. T. S. (1993): Opening the window for reform, S. 436f.
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schockartige Transformation191 der polnischen Wirtschaft in ein marktwirtschaftliches System zum Ziel hatte, ist ebenfalls auf das AusmaB der Krise zuruckzufiihren, aber dartiber hinaus auf die in Polen gemachten Erfahrungen mit fehlgeschlagenen Reformversuchen sowie auf den auch in anderen RGW-Landem offenkundig werdenden Zusammenbruch des sozialistischen Wirtschaftssystems.
Trotz des unterschiedlichen Verlaufs, hatte die Demokratisierung in beiden Fallen einen bedeutenden EinfluB auf die Art, wie die wirtschaftlichen Umgestaltungsprogramme zustandekamen. In Spanien fiihrte sie zur Einbindung der neuen politischen Krafte in den VerhandlungsprozeB, was erst auf dem Wege ihrer Legalisierung sowie der anschlieBenden Parlamentswahlen moglich geworden war und zu einer breiten Zustimmung zu den beschlossenen MaBnahmen beitrug. Weiterhin hat sich gezeigt, daB es dort im Zuge des Parteienwettbewerbs zu einer deutlichen Annaherung der von den Parteien vertretenen Positionen kam, die das Erreichen eines Konsenses erleichterte. Auch in Polen konnte ein Konsens zwischen den Parteien dartiber hergestellt werden, daB die Transformation des sozialistischen Wirtschaftssystems eine Notwendigkeit darstellte. l92 Der Konsens reichte sogar bis hin zu konkreteren Zielen der Transformation wie der Stabilisierung, der Liberalisierung der Preise und des Au Benhandels und der Schaffung eines Privatsektors, weshalb die Kommunisten das allgemein gehaltene "Balcerowicz-Programm" bei seiner Vorstellung auch begruBten. Unstimrnigkeiten traten hinsichtlich der Reformgeschwindigkeit, der Strategie und der Sozialpolitik auf.
Sowohl in Spanien als auch in Polen kamen SOInit wirtschaftliche Umgestaltungsprogramme zustande, die in ihrer Gesamtheit, wenn auch nicht in allen Punkten detailliert ausgearbeitet, geeignet schienen, eine erfolgreiche Reform bzw. Transformation in die Wege zu leiten. Ob und inwieweit sich dieser Erfolg einstellte, vor allem im Hinblick auf die langerfristigen Elemente mikrookonomischer Liberalisierung und institutioneller Umgestaltung,193 solI im nachsten Kapitel untersucht werden.
191 Die mit dem Programm zur Inflationsbekampfung einhergehende Notwendigkeit einer drastischen Senkung der Rea1l6hne erforderte eine starke Regierung. Vgl. Gomulka, S. (1992): Polish economic reform, 1990-91: principles, policies and outcomes, S. 357.
192 Vgl. Maravall, 1. M. (1997): Regimes, politics, and markets. Democratization and economic change in Southern and Eastern Europe, S. 104f.
193 Vgl. Kapitel1.2, S. 4.
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4 Die Durchsetzung der wirtschaftlichen Umgestaltungsprogramme in Spanien und Polen
4.1 Die Durchsetzung wirtschaftlicher Reformen in Spanien
Fur Spanien lassen sieh im Hinbliek auf die Umsetzung von Reformen anhand der regierenden Parteien zwei Phasen unterseheiden. Die erste Phase umfaBt die Regierungszeit der UCD von Mitte 1976 bis Ende 1982 - hier insbesondere die Zeit naeh Verabsehiedung der Monc1oapakte im Herbst 1977 -, die zweite Phase die Regierungszeit des PSOE ab Ende 1982 bis 1996. Es wird untersueht, inwieweit sieh die Reformbestrebungen dieser beiden Regierungen an dem in den Monc1oapakten vereinbarten Kurs orientierten und we1che Untersehiede oder Gemeinsamkeiten in den Reformpolitiken bestanden.
4.1.1 Reformbestrebungen unter einer Regierung mit schwachem Mandat
Die ursprtinglieh von der Regierung anvisierte Geltungsdauer des in den Monc1oapakten enthaltenen wirtsehaftliehen Reformprogramms belief sieh auf zwei Jahre, also bis Ende 1979.1 Ende 1978 stand eine VerUingerung des Konsenses zur Debatte, ein erneuter KompromiB kam jedoeh nieht zustande.2 Die anfangliehen Erfolge in der wirtsehaftliehen Stabilisierung hatten einerseits dazu geftihrt, daB die anstehenden Reformen von der Regierung nieht konsequent weitergeftihrt wurden. Neben einem leiehten Ruekgang der Inflationsrate war vor aHem der Weehsel von einem Leistungsbilanzdefizit zu einem -ubersehuB als positive Entwieklung gewertet worden. Anderer-
I Vgl. Acuerdos de la Moncloa (01): Programa de Saneamiento y Reforrna Econ6mica. S. 13f. 2 Vgl. Fuentes Quintana, E. (1984b): Los Pactos de la Moncloa y la democracia espanola. XX Con
greso Latinoamericano de industriales agrupados en la AlULA. S. 15f.
seits war die Regierung darauf bedacht, durch vorgezogene Parlamentswahlen politisch Kapital aus diesen Erfolgen zu schlagen, was die Untersttitzung der linken Parteien zu einem weiterftihrenden Pakt unterband und die Gewerkschaften dazu veranlaBte, ihre Einwilligung in einen neuen KompromiB zu verweigem. Die raschen Fortschritte in der durch den Konsens ermoglichten Reform- und Stabilisierungspolitik verhinderten somit paradoxerweise ihre FortfUhrung. In den vorgezogenen Parlamentswahlen von 1979 gelang es der UCD mit 48 % der Sitze jedoch wiederum nicht, eine absolute Mehrheit zu erringen. 3 Einen hemrnenden EinfluB auf die Handlungsfahigkeit der Regierung hatte auch die zunehmende Aufsplitterung innerhalb der UCD.4 Dies auBerte sich in offentlichen Auseinandersetzungen zwischen den unter dem Dach der UCD vereinten Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen und ftihrte schlieBlich zum Riicktritt von Suarez im Januar 1981.
Ais einer der ersten Reformschritte nach AbschluB der Monc1oapakte wurde Ende 1977 mit der Verabschiedung des Gesetzes tiber dringliche MaBnahmen der Steuerreform5 der Umbau des Steuersystems begonnen.6 In dies em Punkt gingen die Reformbestrebungen tiber das von der OECD empfohlene Vorgehen hinaus, das zwar mittelfristig eine Reform des Steuersystems vorsah, jedoch eine striktere Anwendung der bestehenden Gesetze als ausreichend betrachtete.7
Das spanische Steuersystem vor 1977 war durch eine geringe Steuerbelastung, ein relativ starkeres Gewicht der Besteuerung der Ausgaben gegentiber den direkten Belastungen, eine geringere Besteuerung der Vermogenseinkomrnen im Vergleich zu den Einkomrnen aus unselbstandiger Arbeit und durch geringere Steuem auf Gewinne und Eigentum von Kapital gegentiber der Erbschaftsteuer bestimrnt.8 AuBerdem war die indirekte Besteuerung sehr umfangreich und unsystematisch. Sie sttitzte sich im wesentlichen auf eine Allphasenumsatzsteuer und einige Sonderverbrauchsteuem. Die direkten Steuem wurden von den Ertragsteuem dominiert, und es existierte keine echte Einkomrnensteuer. 1m Laufe der Zeit hatten die Ausnahmen und Vergiinstigungen bei bestimrnten Steuem zugenommen. Da zudem die Steuerbehorden schlecht gefUhrt wurden, mit Spezialisten fUr jede Belastungsart bei einer gieichzeitig geringen Steuer-
3 Vgl. Penniman, H. R.; Mujal-Le6n, E. M. (Hrsg.) (1985): Spain at the polls 1977, 1979 and 1982, Appendix B, S. 328.
4 Vgl. Lieberman, S. (1995): Growth and crisis in the Spanish economy 1940-93, S. 208f. 5 Ley de Medidas Urgentes de Reforma Fiscal 6 Vgl. Trullen i Thomas, 1. (1993): Fundamentos econ6micos de la transici6n politica espanola, S. 168. 7 Vgl. OECD (Hrsg.) (1977): Economic studies, luni 1977, S. 37. 8 Vgl. Comin, F. (I 993b): Reforma tributaria y polftica fiscal, in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.):
Espana, economfa, S. 1083ff.
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priifungskapaziUit und wenig Information tiber die Steuerbemessungsgrundlagen, wurde in hohem Umfang Steuerausweichung betrieben, vor allem in den am wenigsten regressiven Bereichen des Steuersystems.
Bereits seit 1973 lag ein ausgearbeitetes Konzept des Instituto de Estudios Fiscales vor, das, zusammen mit einer weiteren Studie desselben Instituts von 1976, in fast alle Parteiprogrammen fUr die Wahl von 1977 einbezogen war. Eine Veroffentlichung des Instituts zur DurchfUhrung der Steuerreform fUhrte als Ziel der Steuerreform die Annaherung des spanischen an die Steuersysteme der anderen westeuropaischen Staaten auf, mit den drei wichtigsten Steuerarten: Besteuerung des Einkommens nattirlicher Personen, Besteuerung des Einkommens von Gesellschaften und Besteuerung des Mehrwerts. Das Gesetz tiber dringliche MaBnahmen der Steuerreform legte eine Sondersteuer auf das Vermogen nattirlicher Personen, Regelungen zur Aufhebung des Bankgeheimnisses fUr steuerliche Zwecke und den Straftatbestand der Steuerhinterziehung fest. 9 Mit der Ley 6111978 vom 27. Dezember wurde die Korperschaftsteuer eingefUhrt, die eine proportion ale Besteuerung der Gewinne einfUhrte. 10 Langfristig fUhrte diese Steuerpolitik dazu, daB sich einige groBe Untemehmen und wohlhabende Spanier von der UCD abwendeten. ll Diese hatten haufig Nutzen aus den Schwachen des vorherigen Steuersystems gezogen und unter Franco die Steuerhinterziehung zu einem "Nationalsport" gemacht.
Nach ersten MaBnahmen zur Reform des Steuersystems kam es jedoch zur sogenannten "steuerlichen Gegenreform".12 Einige Fehler und Verzogerungen bei der DurchfUhrung der Steuerreform verhinderten, daB der regressive Charakter des alten Steuersystems schnell tiberwunden werden konnte. Durch die bis 1985 bestehende Moglichkeit, Steuerguthaben bei Vermogensteuem mit anderen Steuerschulden zu verrechnen,13 wurde die Progressivitat der Einkommensteuer nattirlicher Personen unter-
9 Vgl. Baratech Sales, F. (1986): La reforma fiscal, in: Abella, R. et al. (Hrsg.): Espana diez an os despues de Franco (1975-1985), S. 144.
JO Vgl. Tamames, R. (1993): Estructura econ6mica de Espana, S. 693. II Vgl. Gunther, R.; Sani, G.; Shabad, G. (1988): Spain after Franco. The making of a competitive
party system, S. 125. 12 Vgl. Tamames, R. (1993): Estructura econ6mica de Espana, S. 798. 13 In der Begriindung zur Ley 14/85 vom 29. Mai 1985 tiber Finanzaktiva wird erHiutert, daB im vorherigen System die Moglichkeit bestand, durch DekIarierung von Wertminderungen und Verlusten beim Vermogen die Steuerguthaben zu rnaximieren, wahrend im umgekehrten Fall von Wertsteigerungen und Gewinnen die DekIarierung unterbleiben konnte. Dies verstoBe gegen den Grundsatz der Gleichheit und der Allgemeinheit, der fur das Steuersystem gel ten solie. V gl. Ley 29 mayo 1985, num. 14/85 (lefatura del Estado). Activos financieros. Regimen fiscal de varios, S. 2205.
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laufen.14 Der Wertverfall bei den Verm6gen seit 1978, der sich im 1979 einsetzenden Riickgang der Einnahmen aus der Erbschaft- und Verm6gensteuer niederschlug (siehe TabeUe 4.1), und das daraus entstandene Steuerguthaben trugen somit zur Verminderung der Steuerbelastung der verm6genden Schichten bei.
Tabelle 4.1: Steuereinnahmen Spaoiens aus der Einkommen-, Korperschaft-, Erbschaft- und Vermogensteuer von 1978 bis 1983 {in Pta von 1978; 1978 = 100)
Jahr Einkommensteuer K6rperschaftsteuer Erbschaft- und Verm6gensteuer
1978 100,0 100,0 100,0
1979 105,2 98,2 114,8
1980 117,8 107,7 111,4
1981 123,9 105,5 98,4
1982 121,0 102,4 99,9
1983 131,8 118,2 102,5
QueUe: Baratech Sales, F. (1986): La reforma fiscal, S. 145f.
Die fehlenden Kapazitaten zur Steuererhebung flihrten dazu, daB zwar die Einkommen der abhangig Beschaftigten von der Steuer erfaBt wurden, eine ahnlich flachendeckende Erfassung jedoch nicht flir die Einkommen Selbstandiger und die Verm6-genseinkommen erfolgte, wodurch die abhangig Beschaftigten weiterhin einen iiberproportionalen Anteil an den direkten Steuem leisteten. So lag 1983 der geschatzte Umfang der hinterzogenen Steuem im Bereich der Lohneinkommen bei gut einem Drittel der Steuereinnahmen, im Bereich der iibrigen Einkommen jedoch bei rund drei Viertel. 15 Ein anderer Schwachpunkt in der progressiven Einkommensteuer waren Spriinge in den Grenzsteuersatzen, die durch den in den Monc1oapakten ausgehandelten KompromiB verursacht waren. Die auf Drangen der linken Parteien eingeflihrte Progressivitat muBte durch einen von den rechten Parteien geforderten maximalen Durchschnittssteuersatz erganzt werden. Urn der umfangreichen Steuerausweichung entgegenzuwirken, wurden ab 1977 fiir die Einkommensteuer Listen mit den individuell deklarierten zu versteuemden Einkommen verOffentlicht. 16 Diese Praxis wurde 1981 mit dem Hinweis darauf eingestellt, daB die Listen als Anhaltspunkt flir Terroristen dienen k6nnten. Wie Tabelle 4.1 zeigt, war von 1981 bis 1982 ein Riickgang in
14 Vgl. Comfn. F. (I 993b): Reforma tributaria y polftica fiscal, S. 1088f. 15 Vgl. ebenda. S. 1087. 16 Vgl. Tamames. R. (1993): Estructura econ6mica de Espana, S. 691.
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I
den Einnahmen aus der Einkommensteuer zu verzeichnen. Die geringe Zunahme der Einnahmen ails der K6rperschaftsteuer bis 1982 erkHirt sich aus dem erst dann erfo1gten Absch11lB der Ausfiihrungsverordnungen zum Gesetz von Dezember 1978.17
Die Einfiihrung der Mehrwertsteuer, die ebenfalls bereits in den Vereinbarungen zur Steuerreform der Monc1oapakte festgelegt war'8 und gleichzeitig eine Voraussetzung fiir Spaniens Beitritt zu den EG darstellte, wurde unter der UCD-Regierung nicht in Angriff genommen. Der Dachverband der spanischen Arbeitgeberorganisationen (CEOE) sprach sich in einem 1981 verOffentlichten Bericht zur Ha1tung der spanischen Arbeitgeber gegeniiber dem Beitritt Spaniens in die EG gegen eine rasche Anpassung des Steuersystems aus, unter anderem wegen des hohen Aufwands bei der Umstellung der Verrechnungssysteme, insbesondere fiir kleine und mittlere Unternehmen.'9 Als weiteres Argument gegen eine rasche Anpassung wurde angefiihrt:
,,Es ist weithin bekannt, daB bei groBen Unterschieden zwischen Steuerstrukturen zweier Lander, selbst zwischen Landem, die ahnliche wirtschaftliche und gesetzliche Bedingungen aufweisen, diese auf tief verwurzelte Traditionen und Empfindungen der Biirger zuriickzufiihren sind. ,,20
Dariiber hinaus verwies der Dachverband auf die lange Anpassungsdauer von fiinfzehn Jahren fiir die Einfiihrung der Mehrwertsteuer in den Mitgliedsstaaten der EG. Hier wurde jedoch Bezug genommen auf ein Steuersystem, welches vomehmlich durch den Dirigismus des Francoregimes gepragt war. Die Versaurnnisse der UCD-Regierung in der Umsetzung der Steuerreform hatten zur Folge, daB die Staatsverschuldung von 1,6 % des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 1979 auf 6 % im Jahr 1982 anstieg?'
17 Der Gesetzgeber rechtfertigte die Verzogerung mit dem groBen Umfang von iiber 400 Artikeln sowie damit, daB es sich urn das erste entsprechende Regelwerk seit Anfang des lahrhunderts gehandelt habe. Vgl. Baratech Sales, F. (1986): La reforma fiscal, S. 14.
18 Unter Abschnitt ILB) zur Steuerreform ist beziiglich der Mehrwertsteuer, die "mit dem Ziel einer Anpassung des spanischen Steuersystems an die geltenden [Steuersysteme] in den Liindern, die Teil der Europaischen Gemeinschaften sind" eingefiihrt wird, festgelegt, daB ihre Einfiihrung "abhangig von einer dafiir giinstigen wirtschaftlichen Situation ist, die gewahrleistet, daB sich keine empfindlichen Preissteigerungen ergeben". Zit. nach: Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Monc\oa, S.478.
19 V gl. Confederaci6n Espanola de Organizaciones Empresariales (1981): Spain's entry into the Common Market. The position of Spanish employers, S. 51f.
20 Confederaci6n Espanola de Organizaciones Empresariales (1981): Spain's entry into the Common Market. The position of Spanish employers, S. 52.
21 Vgl. Fuentes Quintana, E. (1993b): Wirtschaftspolitik im Dbergang, S. 37.
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Die Ursachen fUr die Krise im Energiesektor lieBen sich auf die unter Franco ergriffenen MaBnahmen bei Eintreten der Olkrise von 1973 zuriickfiihren. Als erste Reaktion hierauf erfolgte in Spanien eine Kompensationspolitik, deren Prinzip die Abschwachung des Anstiegs im Energiepreisniveau war, was einer Subvention des Energiekonsums entsprach.22 Als Begriindung fUr diese von der in anderen westeuropaischen Landem abweichenden Politik fUhrten die verantwortlichen Wirtschaftspolitiker in Spanien an, daB von einer zeitlich begrenzten Olkrise auszugehen sei, die keine strukturellen Anpassungen erfordere.23 Der Preis fUr HeizOl in Spanien stieg von 1973 bis 1979 auf annahemd das Dreifache, bei einer Versechsfachung des RohOlpreises im selben Zeitraum. Als Folge dieser Kompensationspolitik stieg der ErdOlverbrauch, nach einem anfanglichen Riickgang als Reaktion auf die Krise, mit zunehmenden Wachstumsraten. Die Industriepolitik in dieser Zeit berticksichtigte die bestehende Energiekrise nicht und unterstiitzte sogar die Entwicklung von Sektoren mit sehr hohen Energiekoeffizienten, wie der Petrochemie und der Aluminiumindustrie.24 Der erste Nationale Energieplan von lanuar 1975 ging von einer unbegriindet optimistischen Entwicklung des Weltmarktes fUr Energiegiiter und der spanischen Wirtschaft aus. Von einer urnfassenden Energiepolitik kann erst mit der Verabschiedung des zweiten Nationalen Energieplans (PEN-78) im luli 1979 die Rede sein. Dennoch war auch er durch eine deutliche Uberschatzung der zugrundegelegten Nachfrageentwicklung nach Energie gekennzeichnet, was den Aufbau von Uberkapazitaten vor aHem im Bereich der Elektrizitatsversorgung f6rderte. 25 Da der Plan vorsah, neuerlich auftretende Preissteigerungen direkt an den inlandischen Markt weiterzugeben, kam es im Rahmen der zweiten Olkrise zu deutlichen Preissteigerungen fUr Treibstoffe und infolgedessen in den lahren 1981 bis 1983 erstmals seit Ausbruch der ersten Olkrise zu einem Riickgang im inlandischen Verbrauch.
Sehr deutlich wird die fehlende Bereitschaft des Staates, die Krise in der spanischen Industrie tiber eine Umstrukturierung zu 16sen, am Beispiel des Instituto Nacional de Industria (INI). Der Schwerpunkt des INI lag in reifen und in nachfrageschwachen Sektoren, wie der Eisenhtittenindustrie und dem Schiffbau, die zusammen mit dem Maschinenbau, der Papier-, Nahrungsmittel- und Textilindustrie, in denen das INI
22 V gl. Fuentes Quintana, E. (1993a): Tres decenios largos de la econornfa espanola en perspectiva, S.38f.
23 Vgl. Sudria, C. (1991): Un factor determinante: la energfa, S. 348ff. 24 Wahrend der ErdOlverbrauch in der EG der IO von 1973 bis 1980 urn 13 % zuriickging, stieg er irn
selben Zeitraurn in Spanien urn 32 %. Vgl. Sudria, C. (1991): Un factor determinante: la energfa, S.350.
25 Vgl. Sudria, C. (1991): Un factor determinante: la energfa, S. 351.
90
auch Beteiligungen hatte, besonders schwer von der Krise betroffen waren?6 1977 verzeichnete das INI im zweiten Jahr in Folge zunehmende Verluste, die sich vor
Subventionen auf zusammen 22,8 Mrd. Pta bezifferten. Mit Subventionen in Hohe von 11 Mrd. Pta wurde knapp die Halfte der Verluste abgedeckt.27 In zehn von achtzehn
Bereichen, in denen das Institut intervenierte, war der Saldo negativ, wobei der Kohlebergbau, die Eisenhiittenindustrie und der Schiffbau 80 % der Verluste auf sich ver
einten.
Neben seiner Kompensationsfunktion iibemahm das INI auch die Funktion als Auffangbecken iiber eine Verstaatlichung oder den Erwerb der Aktienmehrheit von mit
Verlust arbeitenden Industrieuntemehmen.28 1m Zeitraum 1976 bis 1983 traf dies auf 23 Untemehmen zu. Es handelte sich dabei urn groBe Unternehmen, die allesamt aus Krisensektoren stammten. Auf diese Weise kam das INI den beiden wichtigsten privaten Gesellschaften in der Eisenhiittenindustrie, AHM und AHV, zu Hilfe. 1m Fall von AHM wurde das INI von der Regierung "aus Griinden des offentlichen und sozialen Interesses" gezwungen, das gesamte Kapital der Gesellschaft zu iibernehmen, urn ihr Uberleben zu sichern. Die Ubernahme war im Dringlichkeitsplan zur Unterstiitzung des Eisenhiittensektors und in der Ley 6011978 yom 23. Dezember 1978 festgelegt. Die Beteiligung an AHV fand 1981 im Rahmen der Gesetzesverordnung iiber MaBnahmen zur Umstrukturierung der Eisenhiittenindustrie statt, die zudem eine Biirgschaft des INI in Hohe von 80 Mrd. Pta fUr Schulden der privaten Eisenhiittenindustrie vorschrieb. Auch in der verarbeitenden und der Ausriistungsindustrie kam es in sechs Fallen zu Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen des INI, die auf Wei sung des Ministerrats vorgenommen wurden und allesamt Untemehmen betrafen, die massive Verluste
erwirtschafteten.29 Urn die "Sozialisierung der Verluste" durch den Ubergang von privaten Krisenunternehmen in die offentliche Hand zu vermeiden, eine iibliche Praxis unter Franco, sollte sich die Umstrukturierungspolitik in dieser Phase auf offentliche Kredite stiitzen. 30 DaB es dennoch zur Verstaatlichung verlustreicher Untemehmen kam, die oftmals im Vorfeld offentliche Kredite in Anspruch genommen hatten, war ein Indiz fUr die Schwache der UCD-Regierung in der Industriepolitik. Diese Schwa
che au Berte sich somit in einem Bereich, in dem in den Moncloapakten keine Ubereinkunft erzielt werden konnte. 31 Der Umstand, daB es sich bei den verstaatlichten
26 Vgl. Martin Acefia, P.; Comfn, F. (1991): IN!. 50 afios de industrializaci6n, S. 471. 27 Vgl. ebenda, S. 521. 28 Vgl. ebenda, S. 507f. 29 Vgl. ebenda, S. 509. 30 Vgl. Navarro, M. (1990): Polftica de reconversi6n: balance critico, S. 53. JI Vgl. KapiteI3.1.2, S. 62.
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Untemehmen ausschlieBlich urn mittlere und groBe Untemehmen handelte, zeigt deren gri:iBeres Potential in der Austibung politischen Drucks.
Die Krise im Finanzsystem war eng verbunden mit der Krise in der Industrie. Die administrativ festgesetzten nominal en Zinssatze bedeuteten wahrend der Krise negative reale Zinssatze. Dadurch hatten viele Untemehmen tiber eine Kreditaufnahme die Verluste ausgeglichen, die sich unter anderem aus den rapide steigenden Lohnen ergaben.32 Die teilweise Aufhebung der administrativ festgesetzten Zinssatze begann 1977 mit der Freigabe der Zinssatze auf Einlagen mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr und fand ihre Fortsetzung 1981, als die Zinssatze auf Guthaben mit einer Laufzeit von mindestens sechs Monaten freigegeben wurden. 33 Neben der Regulierung der Zinssatze auf Guthaben war beinahe die Halfte der Verbindlichkeiten fur die Banken nicht frei verfUgbar. Diese muBten zur ErfUllung von Reservevorschriften und fUr Investitionen in von staatlicher Seite bestirnmte Projekte zu unter dem Marktzinssatz liegenden Konditionen bereitgestellt werden.
Die Bankenkrise begann im Dezember 1977 mit der Banco de Navarro und fand ihren Hohepunkt mit der Banca Catalana im Oktober 1982 und der Verstaatlichung von Rumasa, einem weitverzweigten Untemehmenskonglomerat, im Jahr 1983.34 Die Bankenkrise war die bis dahin fUr ein einzelnes Land weitreichendste, sowohl im Hinblick auf die betroffenen Einlagen als auch die verursachten Kosten, und sie stellte zudem den Fall der urnfangreichsten Subvention des Bankensektors durch den Staat dar. Es gab im wesentlichen zwei Griinde fUr die Schwierigkeiten der Banken. Einerseits hatten Investitionen in hoch spekulative Bereiche zu Verlusten gefUhrt, andererseits existierte eine Risikobtindelung tiber die Konzentration der Geschaftstatigkeit in Industriebereichen, die stark von der Krise betroffen waren. Als weitere wichtige Ursache fUr die Bankenkrise ist fehlendes Expertenwissen zu nennen, was auch dadurch verdeutlicht wird, daB vor allem neu gegriindete Banken in Schwierigkeiten gerieten. 35 Einen besonderen Fall stellten die Banken der Rumasa-Gruppe dar. Sie betrieben massive GeldschOpfung, indem ein Unternehmen der Gruppe eine Einlage
32 Vgl. Torrero Manas, A. (1990): El sector financiero: cambios y tendencias, in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.): Economfa espanola de la transici6n y la democracia, S. 345f.
33 V gl. Lopez-Claros, A. (1988): The search for efficiency in the adjustment process. Spain in the 1980s, S. 20f.
34 Vgl. Martinez de Pablos, F. J. (1991): La banca, de los setenta al mercado unico, in: Etxezarreta, M. (Hrsg.): La reestructuraci6n del capitalismo en Espana, 1970-1990, S. 357f.
35 Wird von Neugriindungen durch bereits bestehende Banken abgesehen, so waren bis auf vier Banken aile neu gegriindeten Banken auf Hi1fe angewiesen. Vgl. Cuervo, A. (1989): La crisis bancaria espanola de los anos setenta, in: Velarde, J.; Garcia Delgado, J. L.; Pedreno, A. (Hrsg.): El sistema financiero de la economfa espanola, S. 45.
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bei Bank A der Gruppe Uitigte, die in groBerem Umfang Kredit an das Untemehmen B der Gruppe vergab, welches einen Teil dieses Kredits seinerseits als Einlage bei Bank C der Gruppe deponierte. Dureh Wiederholung dieses Vorgangs konnte die Gruppe in groBem Umfang Mittel zur Finanzierung generieren. Als Reaktion auf die sieh abzeiehnende Krise wurde dureh den Decreto 3.048177 yom 1l. November 1977 ein Garantiefonds fUr Einlagen eingeriehtet.36 Naeh einer Erweiterung der Handlungsspielraume und Einlagenlimits nahm der Fonds 1980 seine Tatigkeit aue7 Diese Ausweitung fUhrte dazu, daB der Fonds nur in zwei Fallen aussehlieBlich die Einlagen sieherte, in den restliehen 27 Fallen sicherte er, unter anderem tiber Beteiligungen, den Fortbestand der Banken.
Der ZusammenschluB der Arbeitgeber in der CEOE erfolgte rechtlieh-formal zum gleichen Zeitpunkt wie die Zulassung der Gewerkschaften dureh das Gesetz38 yom 1. April 1977.39 Nachdem die Gewerkschaft CC.OO. anfanglich ihre Zusammenarbeit mit der CEOE verweigert hatte, wurde 1979 eine Vereinbarung mit der Gewerksehaft UGT erreicht, die die gegenseitige Anerkennung beinhaltete und den Weg zur Verabschiedung des Arbeitnehmerstatuts durch das Parlament sowie zur Unterzeichnung des Rahmenvertrags40 zwischen UGT und Arbeitgebem Anfang 1980 ebnete. Mit maximalen Lohnsteigerungsraten zwischen 13 % und 16 % fielen die im Rahmenvertrag fUr 1981 vereinbarten Grenzen jedoeh zu hoch aus fUr die angestrebte weitere Senkung der Inflationsrate.41 Deshalb rief der spanische Ministerprasident Sotelo im Marz 1981 zu einem Treffen aller politis chen Parteien, des Arbeitgeberverbands und der Gewerkschaften zur Ausarbeitung eines neuen wirtschafts- und sozialpolitischen Plans auf. Mit der Nationalen Ubereinkunft zur Besehaftigung42 yom 9. Juni 1981 gelang es erstmals seit den Monc1oapakten eine Ubereinkunft zwischen Regierung, anderen politisehen Parteien, den Gewerkschaften und den Arbeitgebem tiber die grundle-
36 Vgl. Cuervo, A. (1989): La crisis bancaria espanola de los anos setenta, S. 47. 37 Durch die Decreto-Ley 411980 und den Decreto 56711980 erfolgte unter anderem eine Erweiterung
der Garantiesumrne von 500 000 Pta auf 750 000 Pta. AuBerdem legten die beiden Verordnungen fest, daB zur Finanzierung des Fonds von den Banken ein Tausendstel der Einlagen zum JahresabschluB sowie derselbe Betrag von der spanischen Zentralbank bereitgestellt werden mtissen. V gl. Cuervo, A. (1988): La crisis bancaria en Espana 1977-1985. Causas, sistemas de tratamiento y coste, S. 106f.
38 Ley 1911977 tiber die Ordnung des Rechts auf Bildung einer gewerkschaftlichen Vereinigung (Regulaci6n del Derecho de Asociaci6n Sindical)
39 Vgl. Mella Marquez, M. (1989): Los grupos de presi6n en la transici6n poiftica, in: Tezanos, J. F.; Cotareio, R.; Bias, A. de (Hrsg.): La transici6n democratic a espanola, S. 150ff.
40 Acuerdo Marco Interconfederal 41 Vgl. Lieberman, S. (1995): Growth and crisis in the Spanish economy 1940-93, S. 244. 42 Acuerdo Nacional de Empleo
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genden Probleme der Wirtschaft und die Mittel zu ihrer Bekampfung zu erreichen.43
Auch wenn der PSOE und der PCE ihre Mitarbeit verweigerten und damit nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt waren, so signalisierte die Zustimmung der Gewerkschaften UGT und CC.OO. implizit auch deren Billigung der Ubereinkunft. Neben der Bereitschaft zur Hinnahme realer LohneinbuBen in den Lohnverhandlungen fUr 1982 wurde in der Ubereinkunft auch eine weitere Fiexibilisierung der Beschaftigungsverhaltnisse durch neue Moglichkeiten fUr den AbschluB von Zeitvertragen und Teilzeitvertragen vereinbart. ledoch wurden im Bereich der Fiexibilisierung keine entscheidenden Fortschritte erzielt.44 Das Zustandekommen der Ubereinkunft war unter anderem durch den fehlgeschlagenen Militarputsch im Februar 1981 erleichtert worden. Sie sollte als stabilisierendes Element im demokratischen KonsolidierungsprozeB dienen.45
Von seiten der CEOE gab es in der Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung eine Reihe von Themen, die regelmaBig Gegenstand von VerOffentlichungen und lnterventionen waren.46 So richteten sich die AuBerungen zumeist vehement gegen eine Fiskalpolitik, die "die private Ersparnis und die privaten Investitionen bestraft und ausschlieBlich das stetige Wachstum der offentlichen Ausgaben fOrdert"47, einen "exzessiyen, ungerechtfertigten und unhaltbaren Anstieg der laufenden offentlichen Ausgaben, die unproduktiv sind", das Wachs tum der Kosten der Sozialversicherung, "die zu 76 %
von den Unternehmen zu tragen sind und eine untragbare Steuer auf Arbeit und ein enormes Hindernis fUr die Wettbewerbsfahigkeit der Unternehmen darstellen" und ahnliches. Die von der CEOE vorgeschlagene wirtschaftspolitische Alternative zur Uisung der Probleme, die laut ihrem Prasidenten durch "eine verfehlte Wirtschaftspolitik und eine iibertriebene Behinderung durch die Regierung und die politis chen Krafte" bedingt waren, stiitzte sich im wesentlichen auf MaBnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und auf steuerliche Anreize, die einen protektionistischen Charakter hatten. Die CEOE bestand auf der Durchsetzung der MaBnahmen, selbst wenn diese, wie in ihrer wirtschaftspolitischen Alternative eingeraumt, unter Umstanden an den
43 Vgl. Linde, L. M. (1990): La profundacion de la crisis economica: 1979-1982, in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.): Economfa espanola de la transicion y la democracia 1973-1986, S. 50f.
44 Vgl. Segura, J. (1990): Del primer Gobierno socialista a la integracion en la CEE: 1983-1985, in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.): Economfa espanola de la transicion y la democracia 1973-1986, S. 70f.
45 Vgl. Martinez-Alier, J.; Roca Jusmet, J. (1988): Economfa politica del corporativismo en el estado espano!, S. 46.
46 Vgl. Mella Marquez, M. (1992): Los grupos de interes en la consolidacion democratica, in: Cotarelo, R. (Hrsg.): Transicion politica y consolidacion democratica. Espana (1975-1986), S. 34lf.
47 Dieses und die folgenden Zitate stammen aus CEDE (Hrsg.) (1981): Discurso del presidente a la asamblea electoral, S. 15f. zit. nach: Mella Marquez, M. (1989): Los grupos de presion en la transicion politica, S. 155
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"Patemalismus des vorherigen Regimes" erinnerten. Seit Anfang 1980 griff die CEOE direkt in das politische Geschehen ein, indem sie die Bildung einer breiteren Rechtspartei unter dem Dach der AP fOrderte. 48 Diese erfolgte unter Einbeziehung konservativer Teile der UCD und trug damit zur Beschleunigung des Zerfalls der UCD bei. Dieser Schritt wurde nicht zuletzt wegen der BefUrchtung eines sozialistischen Wahl sieges bei den kommenden Parlamentswahlen untemommen.
4.1.2 Die DurchsetzuDg wirtschaftlicher ReformeD uDter der PSOE-RegieruDg
In den allgemeinen Parlamentswahlen von Oktober 1982 erreichte der PSOE mit 58 %
der Sitze eine deutliche absolute Mehrheit und steHte mit Felipe Gonzalez den Premierminister.49 1m Unterschied zur UCD, die zu den ersten freien ParI amentswahlen von 1977 noch als Regierungsbtindnis aus Mitte-Rechts-Parteien angetreten war und sich erst Ende Dezember 1977 zu einer auch im weiteren Verlauf heterogenen Partei zusammenschloB,50 stand mit dem PSOE eine vergleichsweise homogene Partei an der Regierung. Nach Aufbrechen des Konsenses 1978 lag damit erstmals wieder die Voraussetzung fUr eine konsequente DurchfUhrung von Reformen vor. Die neue Regierung sah sich einer Reihe nicht abgeschlossener Reformprojekte der Vorgangerregierung gegentiber.51 Dies betraf zum einen die Umstrukturierung der Energiewirtschaft und der Industrie. Wiihrend der bestehende Energieplan durch Zugrundelegung eines tiberhOhten zuktinftigen Wachstums der Energienachfrage Anreize zur Schaffung von Uberkapazitaten in der Elektrizitatsversorgung setzte, hatte die Umsetzung der Ende 1981 festgelegten Umstrukturierungsplane fUr die Industrie noch nicht begonnen. 1m Bereich der 1977 beschlossenen Steuerreform waren die Bestrebungen zur EinfUhrung der Einkommensteuer 1981/82 zum Erliegen gekommen und die Reform der indirekten Steuem noch nicht in Angriff genommen worden. Des weiteren war die 1977 begonnene Liberalisierung des spanischen Finanzsystems nicht wesentlich vorangeschritten, gleiches galt fUr die im Verlauf der Bankenkrise notwendig gewordene Sanierung des privaten Bankwesens und schlieBlich stand die institutioneHe Reform des Arbeitsmarktes weitgehend noch aus.
48 Vgl. Mella Marquez, M. (1992): Los grupos de interes en la consolidaci6n democratica, S. 340f. 49 Vgl. Penniman, H. R.; Mujal-Le6n, E. M. (Hrsg.) (1985): Spain at the polls 1977, 1979 and 1982,
Appendix C, S. 334. 50 Vgl. Gunther, R.; Sani, G.; Shabad, G. (1988): Spain after Franco. The making of a competitive
party system, S. 127f. 51 Vgl. Segura, 1. (1990): Del primer Gobierno socialista a la integraci6n en la CEE: 1983-1985, S. 60f.
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Die Bedeutung des in den Monc1oapakten erreichten Konsenses fUr die Kontinuitat wirtschaftlicher Reforrnbestrebungen in Spanien wird erst bei mittelfristiger Betrachtung ersichtlich. Denn nach dem Regierungswechsel 1982 stellte die PSOE-Regierung ein neues Reforrnprogramm vor. Zwischen diesem unter Miguel Boyer als Wirtschaftsminister ausgearbeiteten Programm und dem der Monc1oapakte bestand eine auffallende Almlichkeit. Fuentes Quintana, unter dessen Leitung das PSRE ausgearbeitet worden war, welches als Diskussionsgrundlage fUr die Monc1oapakte diente, erklarte dazu: "Die Ahnlichkeit - fast konnte man von Ubereinstimmung sprechen -zwischen dem wirtschaftspolitischen Konzept der sozialistischen Regierung und dem der Pactos de la Moncloa von 1977 ist dabei bemerkenswert.,,52 Neben stabilisierungspolitischen MaBnahmen sah das Reformprogramm des PSOE im wesentlichen drei ReforrnmaBnahmen vor:53
1. Den Abbau des Offentlichen Defizits, welches vornehmlich durch das Defizit der Sozialversicherung, die umfangreichen Subventionen an staatliche Untemehmen und die hohe Arbeitslosigkeit bedingt war.
2. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und der Finanzmarkte.
3. Die Umstrukturierung der industriellen Krisensektoren.
Ais erster Punkt im zweiten Teil tiber strukturelle und institutionelle Reformen des insgesamt dreiteiligen Programms war eine Neuformulierung des Nationalen Energieplans54 aufgefUhrt. 55 Der modifizierte Plan konstatierte bestehende Uberkapazitaten und sah eine Verlangsamung im Wachstum der Investitionen im Energiesektor vor, da ,,keine wirtschaftliche Begriindung fUr die Aufrechterhaltung des Umfangs der Investitionstatigkeit in einem Sektor existiert, der einen groBen Teil der finanziellen Ressourcen, unter Beriicksichtigung der enorrnen Knappheit dieser Ressourcen, an sich bindet, wenn keine zu erwartende Nachfrage nach den Produkten dieses Sektors besteht,,56. Die Investitionen im Bereich Elektrizitatsversorgung wurden von 976 Mio. Pta fUr den Zeitraum 1981 bis 1983 im vorherigen Energieplan auf 498 Mio. Pta fUr 1984 bis 1986 gesenkt. Der Nationale Energieplan vom Juli 1979 wurde 1983 aktualisiert. Die aktualisierte Version wurde 1984 vom Parlament verabschiedet, und beinhaltete sowohl
52 Vgl. Fuentes Quintana, E. (1993b): Wirtschaftspolitik im Ubergang, S. 40f. 53 Vgl. Fuentes Quintana, E. (1984b): Los Pactos de la Moncloa y la democracia espanola. XX Con
greso Latinoamericano de industriales agrupados en la AlULA, S. 20f. 54 Plan Energetico Nacional 55 Vgl. Espana. Ministerio de Economfa y Hacienda (1984): Programa Econ6mico a Medio Plaza
1984/87. II Reformas estructurales e institucionales, S. 11. 56 V gl. ebenda, S. 11.
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nachfrage- als auch angebotspolitische MaBnahmen.57 Dabei sollte die Nachfrage nach 01 tiber Preiserhohungen und Steuervergiinstigungen fUr Projekte zur Olsubstitution sowie vorgeschriebene Programme zur Energieeinsparung in der Industrie eingedammt werden. 1m Zeitraum von 1980 bis 1986 fanden mehrfach PreiserhOhungen fUr Energie statt, und die Differenz zum EG-Durchschnitt konnte deutlich verringert werden. Auf der Angebotsseite sah der Nationale Energieplan den Abbau der Abhangigkeit von auslandischer Energie durch den Ausbau inlandischer Kapazitaten, vomehmlich fUr Wasserkraft, Kohle und Kemkraft vor. Die inlandische Deckung des Energiebedarfs stieg von 34 % im Jahr 1982 auf 42 % im Jahr 1986. Die Umstrukturierung der 01-industrie wurde 1983 begonnen, sie beinhaltete Kostensenkungen und Investitionen in die Distributionswege, und war 1987 mit der Schaffung von Repsol abgeschlossen.58
Nach dem Erfolg des PSOE in den Parlamentswahlen yom Oktober 1982 wurde Carlos So1chaga zum neuen Industrieminister emannt. Er gab eine Anderung und Beschleunigung der Industriepolitik bekannt59 und nannte dazu folgende MaBnahmen:
• die Ausarbeitung eines WeiBbuchs (Libro Blanco) zur Umstrukturierung vor Ende Januar 1983
• die Verabschiedung der Real Decreto Ley zur industriellen Umstrukturierung vor 31. Marz 1983
• die Ausarbeitung eines neuen Plans fUr die Elektroindustrie (Plan Electr6nico) im 1. Halbjahr 1983.
Das WeiBbuch zur Umstrukturierung wurde jedoch nicht vor Juni fertiggestellt, beinahe gleichzeitig mit der einseitigen, gegen den Widerstand der Oppositionsparteien durchgesetzten Verabschiedung des Real Decreto 1853/1983 yom 6. Juli tiber Investitionen in der Eisenhtittenindustrie durch die Regierung. Der Verabschiedung waren mehrere Monate erfolgloser Bestrebungen, eine Ubereinkunft auszuhandeln, vorangegangen.
57 Vgl. Lopez-Claros, A. (1988): The search for efficiency in the adjustment process. Spain in the 1980s, S. 19.
58 Vgl. Salmon, K. O. (1991): The modem Spanish economy. Transformation and integration into Europe, S. 93.
59 Vgl. Cambia 16, Nr. 582 vom 24.01.1983, zit. nach Navarro, M. (1990): Polftica de reconversion: balance critico, S. 115.
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Mit der Veroffentlichung eines WeiBbuchs zur Umstrukturierung im Jahr 1983 und der Verabschiedung eines Gesetzes zur Umstrukturierung und Reindustrialisierung Mitte 1984 erhielt die industrielle Umstrukturierung einen Schub. Das Gesetz sah eine Reduzierung der Beschaftigung urn 67 000 ArbeitspHitze in Krisenbereichen der Industrie vor, was einem Anteil von 26 % in den betroffenen Sektoren oder ungefahr 2,5 % der Industriebeschaftigung entsprach.60 Ende 1986 waren annahemd 77 % der angestrebten Arbeitsplatzstreichungen erreicht worden, mit einem Schwerpunkt in den Sektoren Schiffbau, Stahl und Textil. Gleichzeitig wurden finanzielle und steuerliche Anreize flir die Ansiedelung von Untemehmen in sogenannten wirtschaftlichen Dringlichkeitszonen gewahrt. Dazu zahlten die Regionen Asturien, Barcelona, Baskenland, Cadiz, Galizien und Madrid. Das Gewicht in der Industriepolitik verlagerte sich somit von der sektoralen Forderung sHi.rker auf die regionale Forderung. AuBerdem wurde flir Arbeiter tiber 55 Jahre ein Frtihverrentungsschema ausgearbeitet, und die tibrigen Beschaftigten erhielten bei Verlust ihres Arbeitsplatzes Entschadigungszahlungen und Arbeitslosenuntersttitzung flir einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten. Es bestand zudem die Moglichkeit, die Entschadigungszahlungen an einen Fonds zur ArbeitsfOrderung abzutreten, der seine Mittel zur Umschulung und zur Verrnittlung neuer Arbeitsplatze benutzte, wovon 35 % der Betroffenen Gebrauch machten.
Artikel 6.1 des Umstrukturierungsgesetzes sah folgendes vor: "Der Real Decreto zur Umstrukturierung wird eine Kontroll- und Ablaufkomrnission etablieren, in der die Vertreter der staatlichen Verwaltung, der betroffenen autonomen Regionen und der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen vertreten sein werden, falls sie ihre Zustimmung zum Plan gegeben haben und deren Zusammensetzung reprasentativ sein wird. ,,61 Die Plane bezogen sich jeweils auf einzelne Sektoren, tiber die getrennt abgestimmt werden muBte. Durch diese Klausel wollte die PSOE-Regierung sicherstellen, daB sich die Komrnission nur aus solchen Vertretem zusammensetzte, die die Ubereinkunft unterzeichnet hatten. Diese Klausel war klar gegen die Gewerkschaften gerichtet. Da die CC.OO. sich gegen die Umstrukturierungsplane ausgesprochen hatten - ausgenommen in den Sektoren Textil, Dtingemittel und Eisenhtittenindustrie -, blieben sie in der Mehrzahl der Sektoren aus der Komrnission ausgeschlossen. Bier zeigt sich deutlich der Unterschied zwischen der mandatsschwachen Regierung der UCD und des PSOE als Regierung mit absoluter Mehrheit, die aufgrund ihrer starken Position bereit und in der Lage war, das von ihr angestrebte Programm im Zweifelsfall auch im Alleingang durchzusetzen. 1m Rahmen der industrlellen Umstrukturierung machte die
60 V gl. Lopez-Claros, A. (1988): The search for efficiency in the adjustment process. Spain in the 1980s,S.18.
61 Vgl. Navarro, M. (1990): Polftica de reconversion: balance crltico, S. 13lf.
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PSOE-Regierung mehrfach deutlich, beispielsweise bei der Umstrukturierung des Stahlwerks Altos Homos de Mediternineo, daB sie sich tiber bestehende Widerstande hinwegsetzen wtirde.62
Einen entscheidenden Schritt zur Bewaltigung der Bankenkrise machte die Regierung Gonzalez mit der im Februar 1983 angektindigten und im Juni 1983 vollzogenen Verstaatlichung63 der Rumasa-Gruppe, die sich bis dahin der Zusammenarbeit mit der Bankenaufsicht widersetzt und immer groBere Verluste angehauft hatte.64 Die durch die Bankenkrise verursachten Kosten beliefen sich bis 1985 auf annlihemd 2 Billionen Pta65 , wovon allein der Fall Rumasa mehr als ein Viertel auf sich vereinte.66 Das spanische Bankensystem war Ende der 1980er Jahre durch seine geringe Effizienz aufgrund der hohen Zinsspannen67 gekennzeichnet, die ihre Ursache unter anderem in bestehenden Kartellpraktiken hatten.68 Die hohen Zinsspannen waren teilweise verzerrt durch hohe, vorgeschriebene Liquiditats-, Solvenz- und Investitionsraten, waren jedoch auch verursacht durch die aus der Uberbeschliftigung und zu hohen Filialdichte resultierenden hohen Kosten im Bankwesen. Allgemein waren die Banken in Spanien Ende der 1980er Jahre von auslandischer Konkurrenz abgeschottet und auf den spanischen Markt konzentriert. Wegen der im intemationalen Vergleich geringen GroBe der spanischen Banken wurde von staatlicher Seite ein KonzentrationsprozeB im Bankensektor beftirwortet, der die intemationale Konkurrenzflihigkeit verbessem sollte. Bei den privaten Banken kam es zu zwei wesentlichen Fusionen: 1988 fusionierten Banco Bilbao und Banco Vizcaya und 1991 Banco Central und Banco Hispano Americano. In der Gruppe der Sparkassen fand 1990 die Fusion von la Caixa de Pensiones und la Caixa de Barcelona statt. In der Gruppe der im Eigentum der Offentlichen Hand befindlichen Finanzinstitutionen kam es 1991 zur Grtindung von Argentaria, einer Holdinggesellschaft, die aIle Offentlichen Finanzinstitutionen unter ihrem Dach vereinte. In zwei nachfolgenden Runden von Aktienverkliufen wurde der Anteil des Staates an der Holding auf 50 % gesenkt.
62 Vgl. Lang, W. (1991): Die wirtschaftliche Entwicklung Spaniens seit dem Dbergang zur Demokratie: Von der Depression zur iikonomischen Revitalisierung, S. 213f.
63 Die entsprechende Real Decreto Ley (Kiinigliche Verordnung) wurde im Marz 1983 im Eilverfahren verabschiedet, das endgiiltige Gesetz Ende J uni 1983.
64 Vgl. Cuervo, A. (1988): La crisis bancaria en Espana, S. 118f. 65 in Preisen von 1985 66 Vgl. Torrero Manas, A. (1990): El sector financiero: cambios y tendencias, S. 358. 67 Zinsspannen ergeben sich aus der Differenz zwischen Soll- und Habenzins. 68 Vgl. European Commission (1995): The economic and financial situation in Spain, S. 218f.
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Nach 1991 war dann auch eine Verringerung sowoh1 in den Zinsspannen als auch in den Lohnkosten zu beobachten. Durch die Einflihrung von hochverzinslichen Konten, sogenannten Supercuentas, im Jahr 1990 kam es zu versUirktem Wettbewerb zwischen den spanischen Banken, und ihre Zinsausgaben stiegen in der Folge.69 Die Zinsspannen bei den Geschaftsbanken gingen von 4 % im Jahr 1991 auf 3 % im Jahr 1993 zuriick, und die Lohnkosten sanken im gleichen Zeitraum von 1,8 % der Bilanzsumme auf 1,5 %. Steigender Wettbewerbsdruck ging zudem von inHindischen Finanzinstitutionen aus dem Nichtbankenbereich aus, vor allem durch die Entstehung eines Marktes flir staatliche Schuldtitel, die eine Alternative zu Bankverbindlichkeiten darstellten.
Die Verfligbarkeit der Mittel wurde durch eine Senkung des Mindestreservesatzes bei der spanischen Zentralbank erweitert. Dieser wurde von 17 % vor 1990 schrittweise auf 2 % im September 1993 gesenkt. Gleichzeitig wurden die Investitionskoeffizienten verringert, deren Mittel seit 1987 iiberwiegend in staatliche Schuldverschreibungen geflossen waren und die Ende 1992 ganzlich abgeschafft wurden. Anfang 1989 wurde ein Zeitplan flir die schrittweise Reduzierung der Investitionskoeffizienten ausgearbeitet.70 Bis Mfu"z 1989 machte der Investitionskoeffizient 11 % der Passiva der Banken aus, wovon 10 % in Schatzwechseln zu halten waren, die eine geringere Verzinsung als der Marktzins aufwiesen. Die Reduzierung des Koeffizienten flihrte zu einer Umschichtung in der Finanzierung der Staats schuld, weg von Schatzwechseln71 ,
hin zu Schatzbriefen und Schatzanweisungen, die zu Marktpreisen und ohne steuerliche Anreize ausgegeben wurden. Die vollstandige Offnung des spanischen Marktes flir auslandische Banken fand erst mit der Verabschiedung der zweiten Bankrichtlinie im April 1994, und damit beinahe eineinhalb Jahre spater als in den EG-Ubergangsfristen vorgesehen, statt.
Am 9. Oktober 1984 verabschiedeten die Regierung, die spanischen Arbeitgeberverbande CEOE und CEPYME72 und die Gewerkschaft UGT eine wirtschaftliche und soziale Ubereinkunft, die einen KompromiB aller Beteiligten in den Bereichen des Steuersystems, der Beschaftigung und beruflichen Ausbildung, der Sozialversicherung
69 Vgl. Ontiveros, E.; Valero, F. J. (1993): El sistema financiero: Instituciones y funcionamiento, in: Garda Delgado, J. L. (Hrsg.): Espafia, economfa, S. 492.
70 Vgl. Mafias Ant6n, L. A. (1992): El sector financiero espafiol ante su integraci6n en el Mercado Unico, in: Vifials, J. (Hrsg.): La economfa espafiola ante el Mercado Unico europeo. Las cJaves del proceso de integraci6n, S. 489.
71 Pagan~s de Tesoro 72 Confederaci6n Espafiola de Pequefia y Mediana Empresa (Verband der Kleinen und Mittleren Unter
nehmen)
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und des Arbeitsrechts umfaBte.73 AuBerdem enthielt sie die Verpflichtung der beteiligten Arbeitgeberverbande und der Gewerkschaft, an Tarifabschliissen fUr die Jahre 1985 und 1986 mitzuarbeiten. Die Regierung erklarte im Rahmen der Vereinbarung ihre Bereitschaft, das spanische Arbeitsrecht an die gtiltigen EG-Bestimmungen anzupassen.74 Dartiber hinaus wurde fUr die Tarifabschliisse 1985 eine Bandbreite fUr LohnerhOhungen von 5,5 bis 7,5 % festgelegt.75
Ein wichtiger Punkt der Vereinbarung zwischen den drei Gruppen war die gemeinsam erklarte Auffassung, daB das yom Parlament verabschiedete Gesetz yom August 1984, das die Moglichkeit des Abschlusses von Zeit- und Teilzeitvertragen sowie spezielle Zeitarbeitsvertrage fUr Jugendliche vorsah, eine positive Neuerung fUr die Schaffung von Arbeitsplatzen darstellte.76 Die Arbeitgeber- und die Gewerkschaftsseite verpflichteten sich, die notwendigen Bedingungen fUr die Anwendung dieser Vertrag~ in den Betrieben zu schaffen. Diese Bestimmung durfte wesentlich dazu beigetragen haben, daB sich Zeit- und Teilzeitvertrage seit Mitte der 1980er Jahre verstarkt durchsetzen konnten.77
Die Leistungen der Arbeitslosenuntersttitzung in Spanien waren im westeuropaischen Vergleich bezuglich des Umfangs, vor allem aber bezuglich der Dauer der Untersttitzungszahlungen sehr weitreichend.78 Die Hohe des gezahlten Betrags war dabei unabhangig von der Bedurftigkeit des Arbeitslosen. Ein Bundel von 1982 verabschiedeten MaBnahmen gestaltete den Zugang, die Leistungsdauer und den Leistungsumfang restriktiver. Der Mindestbeitragszeitraum fUr die Inanspruchnahme der Leistungen der Arbeitslosenversicherung verdoppelte sich von 6 auf 12 Monate. Durch den Anstieg des Anteils der Arbeitslosenuntersttitzung beziehenden Arbeitslosen von 32,4 % im Jahr 1985 auf 68,7 % im Jahr 1993 wurde das System in der Folgezeit dennoch stark belastet.79
7J Vgl. Presidencia del Gobierno. Servicio Central de Publicaciones (1984): Acuerdo Econ6mico y Social (AES), S. lOf.
74 Vgl. ebenda, S. 20-23. 75 Mit einem TarifabschluB fur 1985, der Lohnerhiihungen von 7,4 % brachte, lagen die Tarifparteien
innerhalb der Bandbreite. 76 Presidencia del Gobierno. Servicio Central de Publicaciones (1984): Acuerdo Econ6mico y Social
(AES), S. 18f. 77 Vgl. limeno, 1.; Toharia, L. (1994): Unemployment and labour market flexibility: Spain, S. 18f. 78 Vgl. European Commission (1995): The economic and financial situation in Spain, S. 47. 79 Die Arbeits1osenquote war von 20,8 % im lahr 1985 auf 15,7 % in den lahren 199011991 gesunken,
stieg im AnschluB daran jedoch sprunghaft erneut auf 20,8 % 1993 an. Vgl. Banco Bilbao Vizcaya (1994): Informeecon6mico 1993, S. 217.
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1m Dezember 1993 wurde ein Paket von MaBnahmen zur Reform des Arbeitsmarktes von der Regierung beschlossen, das nach Beratungen im Mai 1994 vom Parlament verabschiedet wurde.80 Dieses Paket enthielt drei Gesetze, von denen das wichtigste das Gesetz zur Reform des Arbeitnehmerstatuts war. Es lockerte die Bestimmungen tiber Arbeitszeiten, Entlassungsvoraussetzungen, geographische und funktionale Mobilitat und Lohnvereinbarungen. Die beiden anderen Gesetze regelten die Einrichtung privater Arbeitsvermittlungen und dringliche MaBnahmen zur ArbeitsfOrderung. Vom zweiten Quartal 1994 bis zum dritten Quartal 1995 ging die Arbeitslosenquote zum ersten Mal seit 1991 wieder zurilck. 81 Ein bedeutender Anteil des Zuwachses an Arbeitsplatzen konnte auf die Arbeitsmarktreformen von 1994 zurilckgefilhrt werden. Ungefahr ein Drittel der seit Mitte 1994 geschlossenen Arbeitsvertrage war mit Hilfe finanzieller Anreize zur Arbeitsplatzschaffung zustandegekommen, von den en die Mehrzahl Teilzeitbeschaftigungsverhaltnisse waren. Ein weiteres Drittel der geschaffenen Arbeitsplatze basierte auf Zeitvertragen. Eine rasche Zunahme an Zeitvertragen war, nach deren Einfilhrung im Rahmen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ubereinkunft82 von 1984, bereits in der zweiten Halfte der 1980er Jahre zu beobachten. 83 Vom zweiten Quartal1987 bis zum zweiten Quartal1991 stieg der Anteil der Beschliftigten mit Zeitvertragen von 15 % auf 32 %. Besonders stark vertreten waren Zeitvertrage in den Sektoren Landwirtschaft und Fischerei sowie in der Bauwirtschaft. AuBerdem war festzustellen, daB der Anteil in kleinen und neugegrtindeten Unternehmen hoher als in groBen Untemehmen lag.
80 Vgl. European Commission (1995): The economic and financial situation in Spain, S. 59ff. 81 Vgl. OECD (Hrsg.) (I 996a): OECD economic surveys. Spain 1996, S. 9f. 82 Acuerdo Econ6mico y Social 83 Vgl. Jimeno, J.; Toharia, L. (1994): Unemployment and labour market flexibility: Spain, S. 18f.
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4.2 Die Umsetzung des Transformationsprogramms in Polen
Wahrend sich in Spanien nach Ab16sung der schwachen UCD-Regierung in den Parlamentswahlen von 1982 eine lange Phase der Kontinuitat unter der sozialistischen Regierung Gonzalez anschloB, war die politische Situation im demokratischen Polen von ausgepragten Schwankungen gekennzeichnet. Angesichts von neun Regierungen in der Zeit von 1989 bis 1997 soll einleitend ein kurzer AbriB der politischen Entwicklung in Polen gegeben werden.
4.2.1 Die schrittweise Konsolidierung der Demokratie in Polen
Nach dem Amtsantritt der Regierung Mazowiecki im Herbst 1989 und der Auflosung der PVAP Anfang 1990 lieB der auBere Druck auf den politischen Arm der Solidarnosc, in dem sehr unterschiedliche Gruppierungen vereinigt waren, nach,84 was zu zunehmenden Spannungen innerhalb des Blindnisses fiihrte. Durch den Rlicktritt des bis 1995 gewahlten Prasidenten Jaruzelski im Herbst 1990 wurden Ende des Jahres die ersten freien Prasidentschaftswahlen in Polen abgehalten. Mit Lech Walc.sa und Tadeusz Mazowiecki als Hauptkontrahenten traten zwei Kandidaten aus dem Lager der Solidarnosc gegeneinander an, wobei Wal~sa eine "Beschleunigung" des Transfonnationsprozesses zusammen mit eher populistischen MaBnahmen85 forderte, wahrend Mazowiecki im wesentlichen die Kontinuitat und Stabilitat des eingeschlagenen Transformationskurses propagierte. 86 Nachdem Mazowiecki, der bereits im ersten Wahlgang sowohl Wal~sa als auch dem liberraschend erfolgreichen AuBenseiterkandidaten Tyminski unterlegen war, seinen Rlicktritt eingereicht hatte, trat Jan Bielecki von Januar bis November 1991 seine Nachfolge an. Die anschlieBende Stichwahl gewann Wal~sa mit annahernd drei Viertel der Stimmen. Trotz der fonnalen Starkung der Solidarnosc-Position durch den Gewinn der Prasidentschaftswahlen sah sich die Regierung Bielecki zunehmenden Schwierigkeiten bei der Fortfiihrung des Transformationsprogramms gegenliber. Dies lag einerseits an dem seit Mitte 1990 wieder auflebenden Protest der polnischen Arbeiterschaft, andererseits an der starken Opposition im Parlament gegen die Privatisierungsplane der Regierung.87
84 Vgl. Ziemer, K. (1998): Die Konsolidierung der polnischen Demokratie in den neunziger Jahren, S.30.
85 Er versprach beispielsweise, jedem Biirger einen Betrag von 100 Mio. Zloty als "Kompensation fur die Jahre der Entbehrung" unter dem kommunistischen Regime auszuzahlen.
86 Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 123f. 87 Wiihrend im ersten Halbjahr 1990 lediglich 87 Streiks mit 24500 Streikenden zu verzeichnen waren,
stiegen diese Zahlen im zweiten Halbjahr auf 163 Streiks, bzw. 134500 Streikende. Es handelte sich dabei iiberwiegend urn spontane, nicht von der Gewerkschaftsfiihrung genehmigte Streiks in der Eisen-
lO3
Nach den ersten freien Parlamentswahlen im Oktober 1991 wurde Jan Olszewski von Wal~sa zum Ministerprasidenten emannt. 1m Unterschied zur vorherigen Regierung, die vom Liberal-Demokratischen KongreB, einer eng an die britischen Konservativen angelehnten Partei, untersttitzt wurde, fand die Regierung Olszewski ihre wichtigsten BefUrworter in den Reihen der Bauemparteien88 sowie der Zentrumsallianz, einer zunehmend nationalistischen Vereinigung.89 Dies schlug sich in der von der Regierung verfolgten wirtschaftspolitischen Zielsetzung nieder, die eine Abkehr von der liberal en und gleichzeitig restriktiven Politik der beiden Vorgangerregierungen bedeutete.9o 1m AnschluB an einen Skandal im Zusammenhang mit der Vertiffentlichung geheimer Polizeiakten tiber Kollaborateure der PV AP stimmte das Parlament der Forderung des Prasidenten nach Abltisung der Regierung im Juni 1992 zu. Nachdem es dem von Wal~sa bestimmten Nachfolger Waldemar Pawlak, einem Mitglied der Bauempartei (PSL), nicht gelungen war, eine Regierung zu bilden, wurde Hanna Suchocka einen Monat spater als Premierrninisterin vom Parlament bestatigt. Die neue Regierung brachte, mit einer VerIangerung der IWF-Hilfen und der Verabschiedung einer Reihe wichtiger Gesetze zur Massenprivatisierung und Umstrukturierung der Schulden, emeut Stabilitat in die Transformationsbestrebungen. Als die Regierung Suchocka im Mai 1993 ein MiBtrauensvotum verIor, ltiste Wal~sa das Parlament auf und setzte Neuwahlen an. Aus den Parlamentswahlen vom September 1993 ging das postkommunistische Btindnis der Demokratischen Linken (SLD) mit 37 % der Sitze als starkste politische Gruppierung hervor.91 Nachdem bei den Parlamentswahlen von 1993 erstmals ein Mindestanteil an den Stimmen - 5 % fUr Parteien, 8 % fUr Wahlkoalitionen -ftir den Einzug ins Parlament festgelegt worden war, blieben 35 % der gtiltigen Stimmen bei der Sitzverteilung unberucksichtigt. Diese Neuerung war entscheidend fUr das schlechte Abschneiden der Mitte-Rechts-Parteien, zu denen die dem Solidarnosc-Lager angehtirenden Parteien zu zahlen waren, die stark zersplittert zur Wahl angetreten waren und deshalb haufig an dieser Htirde scheiterten.
Damit war in Polen die Situation eingetreten, daB eine linke Regierung unter einem dem Mitte-rechts-Lager zugehtirigen Prasidenten agieren muBte. Die SLD bildete eine Koalitionsregierung mit der PSL, die mit Waldemar Pawlak den Prernierrninister stellte
hiittenindustrie und im Bereich offentliche Versorgung. Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation S. 126f.
BB Dies waren neben der Bauempartei (PSL), dem ehemaligen Koalitionsparter der PV AP, die Bauem-aIlianz (PL) und die Bauempartei "Solidamosc" (PSL "S").
B9 Vgl. Taras, R. (1995): Consolidating democracy in Poland, S. 183f. 90 Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 130f. 91 Vgl. Ziemer, K. (1998): Die Konsolidierung der polnischen Demokratie in den neunziger Jahren,
S.3lff.
104
und bis Februar 1995 im Amt blieb. Sie fUhrte den ProzeB der Wirtschaftsreformen, entgegen starker BefUrchtungen aus den Reihen der Solidarnosc, im wesentlichen fort,
allerdings wurden in bestimmten Bereichen wie der Massenprivatisierung keinerlei Fortschritte erzielt.92 Aufgrund von Streitigkeiten innerhalb der Koalition tiber perso
nelle Umbesetzungsfragen auBerte der Prasident im Februar 1995 Zweifel an der Regierungsfahigkeit und drohte emeut mit der Auflosung des Parlaments. Daraufhin ent
schied sich die Koalition fUr die Bildung einer neuen Regierung unter Leitung von J6zef Oleksy.93 Bei den Prasidentschaftswahlen von 1995 siegte der Kandidat des
postkommunistischen Btindnis der demokratischen Linken, Aleksander Kwasniewski,
in der Stichwahl knapp vor Lech W al~sa.
Wahrend seiner Prasidentschaft hatte W al~sa zunehmend in die Entscheidungen des Parlaments eingegriffen. Neben seiner Rolle bei der Absetzung der Ministerprasidenten Olszewski 1992 und Pawlak 1995 weigerte sich der Prasident insbesondere seit den Wahlen von 1993, yom Parlament verabschiedete Gesetze zu unterzeichnen.94
Unter dem neuen Prasidenten lieB das Spannungsverhaltnis zwischen Prasident und Parlament nacho Kurz vor seinem Ausscheiden hatte W al~sa entscheidenden Anteil bei der Erhebung von Spionagevorwtirfen gegen Premierminister Oleksy genommen, die Anfang 1996 zu dessen Rticktritt fUhrten.95 Sein Nachfolger war der formal parteilose Wlodzimierz Cimoszewicz, der jedoch dem Lager der SLD zugerechnet werden konnte.96 Mitte des Jahres 1996 begannen sich drei aus dem Solidarnosc-Lager stammende Oppositionsparteien herauszubilden.97 Die Bewegung fUr den Wiederaufbau Polens als wirtschaftspolitisch eher egalitar-populistische Vereinigung, die liberale
Freiheitsunion mit Balcerowicz als Vorsitzendem und die "Wahlaktion Solidamosc" als Btindnis aus 20 kleineren Rechts- und Mitte-Rechtsgruppierungen. Aus den ParI amentswahlen yom September 1997 ging schlieBlich die "Wahlaktion Solidarnosc" mit 44 % der Sitze als starkste Gruppierung hervor und stellte mit Jerzy Buzek den Premierminister, was einer Umkehrung der nach den Parlamentswahlen von 1993 eingetretenen Situation entsprach.
92 Vgl. Tworzecki, H. (1996): Parties and politics in post-1989 Poland, S. 64f. 93 Die SLD hatte sich geweigert, Wal~sas Wunschkandidaten, den spiiteren Priisidenten AIeksander
Kwasniewski, fur das Amt des Premierministers zu nominieren. 94 V gl. The Economist Intelligence Unit (1997): Country profile. Poland, S. 6f. 95 Vgl. Tworzecki, H. (1996): Parties and politics in post-1989 Poland, S. 67f. % Vgl. The Economist Intelligence Unit (1997): Country profile. Poland, S. 9. 97 Vgl. luchler, 1. (1998): Machtwechsel in Polen. Die Pariamentswahlen und ihre Folgen, S. 148f.
105
4.2.2 Die Umsetzung der Ma6nahmen zur wirtschaftlichen Transformation
Schon in der Phase der Vorbereitung des wirtschaftlichen Transformationsprograrnms
von September bis Ende 1989 wurden erste MaBnahmen ergriffen.98 Die Kontrolle tiber das staatliche Budget wurde durch massive Investitionsldirzungen und - nach der Freigabe der Lebensmittelpreise im August 1989 - durch die Beseitigung der verbliebenen Lebensmittelsubventionen, die 1988 noch 5 % des BIP ausgemacht hatten, im
Oktober wiederhergestellt. Ebenfalls im Oktober 1989 wurden verschiedene Importund Agrarsubventionen abgeschafft. Das System der Lohnindexierung, das in den Ver
einbarungen am "Runden Tisch" festgelegt worden war, wurde insofern verscharrt, als LohnerhOhungen nach dem Index nicht mehr zusatzlich zu bereits anderweitig gewahrten Lohnerhohungen erfolgen konnten. Dies hatte zur Folge, daB die Reallohne in den wichtigsten Industriesektoren von August bis November 1989 urn 37 % zurUckgingen. Dariiber hinaus verstarkte die polnische Zentralbank ihre Bemtihungen zur Eindarnmung des Kreditwachstums, die zu einem Rtickgang der Geldmenge M2 von
27 % im letzten Quartal1989 fUhrten.
Am 1. Januar 1990 wurde das "Stabilisierungs- und Reformprograrnm" der Regierung offiziell eingeleitet. Das Stabilisierungsprograrnm stiitzte sich auf zwei "nominale Anker", die Herstellung von Inlanderkonvertibilitat99 und die strikte Kontrolle der Nominallohne. 1oo Die Schaffung der Inlanderkonvertibilitat ging einher mit einem drastischen Anstieg des Wechselkurses gegentiber dem US-$ von 5400 Zl./US-$ am 22. Dezember auf 6 500 Zl./US-$ am 28. Dezember und schlieBlich auf 9 500 Zl./US-$ am 1. Januar, was einer Zunahme von mehr als 75 % innerhalb von zehn Tagen entsprach. Dadurch sollte ein Ausgleich zwischen Devisenangebot und -nachfrage erreicht werden, urn die Abschaffung der administrativen Beschrankungen und eine Vereinheitlichung des segmentierten Devisenmarkts zu ermoglichen. 101 Neben der Sttitzung
98 Vgl. Lipton, D.; Sachs, J. (1990): Creating a market economy in Eastern Europe: The case of Poland, S. II If.
99 Dies bedeutete freien Urntausch des polnischen Zloty zurn offiziellen Kurs fUr Warentransaktionen, jedoch nicht fUr Kapitaltransaktionen, die weiterhin unter der Kontrolle der polnischen Zentralbank blieben. Diese Regelungen waren beschrankt auf inIandische Wirtschaftssubjekte. Vgl. Beksiak, J.; Winiecki, J. (1991): A comparative analysis of our programme and the Polish Government programme, S. II. Mit der Verabschiedung eines neuen Devisengesetzes im Dezernber 1994 wurde die volle Konvertibilitat des Zloty hergestellt, und im Juni 1995 iibernahm Polen die Verpflichtungen aus Artikel VIII der IWF-Vereinbarung. Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (Hrsg.) (1996): Transition report 1996, S. 166.
100 Vgl. Rosati, D. K. (1991): Sequencing the reforms in Poland, S. 21 If. 101 Der Wechselkurs blieb bis Mai 1991 auf den US-$ fixiert. Anschliel3end erfolgte eine Abwertung auf
II 100 ZlotyfUS-$ und gleichzeitig die Umstellung auf einen Wahrungskorb aus US-$, DM, Briti-
106
des Zloty durch die Zinspolitik der polnischen Zentralbank wurde ein von ausHindischen Banken bereitgestellter Fonds in Hohe von 1 Mrd. US-$ flir Interventionen eingerichtet, der jedoch in der Folgezeit nicht in Anspruch genommen werden muBte. 102 In der Lohnpolitik war als Obergrenze fur das Wachs tum der Lohnsumme ein Koeffizient von 0,3 der Inflationsrate flir lanuar festgelegt worden. I03 Fur Marz bis April wurde der Wert auf 0,2 gesenkt und danach bis luni 1990 auf 0,6 angehoben. Bei Uberschreiten der Obergrenze urn weniger als 2 % wurde eine Strafsteuer auf die Uberschreitung der Lohnnorrn von 200 % erhoben, bei einer starkeren Uberschreitung belief sich die Strafsteuer auf 500 %. 1m ersten Halbjahr 1990 lagen die Lohnerhohungen allesamt unterhalb des festgelegten Limits lO4 , bis Ende des lahres zahlten jedoch bereits mehr als 1 000 polnische Staatsunternehmen Strafsteuern. I05 Die Preispolitik hatte uber den Abbau der uberschussigen Geldbestande eine wichtige Funktion in der Stabilisierungspolitik. Neben verordneten Preiserhohungen flir Energie l06 zwischen 400 % und 600 % fand eine urnfassende Preisliberalisierung statt. Der Anteil der kontrollierten Preise sank von 50 % im lahr 1989 auf 10 % Ende lanuar 1990. Aus der strikten Kontrolle der Lohne zusammen mit dem Preisanstieg resultierte ein weiterer drastischer Ruckgang der Reallohne. I07 Allein im lanuar 1990 gingen diese, bei einer Inflationsrate von 78 %, urn uber 30 % zurUck. Da in einer Marktwirtschaft ein sinkendes Reallohnniveau ublicherweise ein Sinken des Lebensstandards der Beschaftigten impliziert, sind Einschnitte in diesem Bereich allgemein schwer durchsetzbar. In Polen war dieser RuckschluB jedoch insofern irreflihrend, als das vor 1990 bestehende Reallohnniveau nur begrenzt aussagekraftig flir den Lebensstandard war. lOB Denn die mangelnde Verfugbarkeit vieler Produkte zu den offiziellen, unterhalb des Marktpreises festgesetzten Preisen deutete auf eine starke Uberzeichnung des Reallohnniveaus
schen Pfund, FF und SF. Vgl. Jasmski, L. (1994): The Polish exchange rate policy and economic system transformation, S. 55f.
102 Vgl. Coricelli, F.; Rezende Rocha, R. de (1991): A comparative analysis of the Polish and Yugoslav programmes of 1990, S. 219, 22lf.
103 Vgl. Rosati, D. K. (1991): Sequencing the reforms in Poland, S. 212. 104 Vgl. Poznanski, K. Z. (1996): Poland's protracted transition. Institutional change and economic growth 1970-1994, S. 309, Fn. 3.
105 Vgl. Sachs, J. (1993): Poland's jump to the market economy, S. 80f. 106 Ende 1989 lag der Kohlepreis in Polen bei 10 % des Weltmarktpreises. Vgl. Gomulka, S. (1992): Polish economic reform, 1990-91, S. 359.
107 Der Riickgang belief sich Ende des Jahres nach einer leichten Erholung immer noch auf 24,4 %. Vgl. Poznanski, K. Z. (1996): Poland's protracted transition. Institutional change and economic growth 1970-1994, S. 176.
108 Vgl. Lipton, D.; Sachs, J. (1990): Creating a market economy in Eastern Europe: The case of Poland, S. 79.
107
als MaB flir den Lebensstandard hin. I09 Als Folge der restriktiven MaBnahmen sank die monatliche Inflationsrate in Polen von 78 % im Januar auf 3,5 % im Juni 1990. llo
Durch die starke Abwertung und den Rtickgang der inlandischen Nachfrage erzielte Polen auBerdem einen HandelsbilanztiberschuB von 3,8 Mrd. US_$.lll
Der eingeschlagene restriktive Kurs in der Stabilisierungspolitik wurde, nach den raschen Stabilisierungserfolgen im ersten Halbjahr, im Sommer 1990 gelockert. ll2 Die
polnische Zentralbank senkte ihre Refinanzierungszinssatze auf 34 % p.a., was gleichzeitig einen Wechsel von der monatlichen auf die jahrliche Festlegung der Zinssatze bedeutete. Dadurch lagen die Refinanzierungszinsen unter der bestehenden Inflationsrate, flir die jedoch ein weiterer Rtickgang in der naheren Zukunft erwartet wurde. Auch die Fiskalpolitik gestaltete sich weniger restriktiv, indem auf Antrag der Auf
schub von Steuerzahlungen ermtiglicht sowie die Bestimmungen zur Lohnindexierung und damit zur Anwendung der Strafsteuer gelockert wurden. ll3 Daraufhin stiegen die Realltihne von Juni bis Dezember urn 36 %, und die Industrieproduktion nahm von August bis Dezember urn 20 % ZU. 114
Durch die schnellen Erfolge in der Stabilisierungspolitik wuchs der Widerstand gegen deren konsequente Fortflihrung. Der Druck auf die Regierung zur Lockerung des restriktiven Kurses wuchs auBerdem durch die mit der Umsetzung des Stabilisierungsprogramms einsetzende Anpassungsrezession. Dies machte sich vor aHem durch einen Rtickgang der Industrieproduktion urn rund 25 % und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf annahernd 1,2 Mio. Personenil5 bis Ende 1990 bemerkbar. 116 Angesichts des sofortigen Einbruchs der Industrieproduktion von 32 % im Januar 1990 erscheint es zunachst tiberraschend, daB sich die Regierung nicht frtiher Widerstand von seiten der Unternehmen gegentibersah. 117 Entgegen den Erwartungen erwirtschafteten die Unter-
109 In ihrem Wirtschaftsprogramm von Oktober 1989 sprach die Regierung deshalb auch von einer zu erwartenden "Reduzierung des statistischen Reallohn-Index". o. V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. IS.
110 Vgl. Coricelli, F.; Rezende Rocha, R. de (1991): A comparative analysis of the Polish and Yugoslav programmes of 1990, S. 189.
III Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 93. 112 Vgl. Winiecki, J. (l992a): The Polish transition programme: Underpinnings, results, interpretations,
in: Soviet Studies, Bd. 44, Nr. 5, S. 817ff. 113 V gl. Winiecki, J. (1991): The Polish transition programme at mid-1991: Stabilisation under threat, S.5.
114 Vgl. Slay, B. (1994): The Polish economy. Crisis, reform, and transformation, S. 94. 115 Dies entsprach eine Arbeitslosenrate von 6,3 %. Vgl. IMF (1996): Poland - Statistical tables, S. 10. 116 Vgl. Milanovic, B. (1992): Poland's quest for economic stabilisation, 1988-91, S. 525. 117 V gl. Winiecki, J. (l992a): The Polish transition programme: Underpinnings, results, interpretations, S.814ff.
108
nehmen im ersten Halbjahr aber hohe Gewinne und sahen sich deshalb nicht gezwungen, Anpassungen vorzunehmen. In dies em Zeitraum waren dernnach auch keine
Unternehmenszusammenbrtiche zu verzeichnen. Diese Verzogerung erkHirte sich zum einen aus dem Riickgriff auf den Bestand billiger Inputgiiter, die in der Zeit vor 1990
von den Unternehmen gehortet worden waren, wodurch sich die Gewinnspanne angesichts der gestiegenen Absatzpreise sehr stark erhOhte. Zum anderen konnten die
Unternehmen Liquiditatsengpasse durch den Abbau der unter dem alten System angesammelten Devisenbestande vortibergehend vermeiden. 1m ersten Halbjahr 1990 verringerten sich diese Bestande um drei Viertel.
Nach einem erneuten Anstieg der Inflationsrate im September 1990 wurden die Refinanzierungszinssatze im Oktober auf 43 % und erneut im November auf 55 % erhoht. ll8 ledoch war erst mit dem Regierungswechsel Anfang 1991 eine umfassende Riickkehr zur im ersten Halbjahr des Vorjahres betriebenen, restriktiven Politik verbunden, da ein erneuter Anstieg des Budgetdefizits befiirchtet wurde. 119 Die strikte Kontrolle der Lohne durch Strafsteuern wurde in der Folgezeit beibehalten, jedoch sowohl hinsichtlich des Geltungsbereichs als auch der Kriterien geandert. 120 Anfang
1991 wurden private Unternehmen durch ein neues Gesetz von der Strafsteuer ausgenommen, was unter anderem einen Anreiz zur beschleunigten Privatisierung setzte,121 da das Privatisierungsgesetz yom 13. luli 1990 den Arbeitnehmerraten und den Betriebsleitungen eine zentrale Rolle bei der Einleitung der Privatisierung einraumte. 122
AuBerdem fielen durch eine Verordnung des Finanzministeriums einzelne Lohnbestandteile nicht mehr in die Bemessungsgrundlage. 1m Herbst 1992 wurde die Indexierung aufgehoben und durch eine vierteljahrlich yom Ministerrat festgelegte Lohnnorm ersetzt.
Neben der oben dargestellten Preisliberalisierung wurden weitreichende Veranderungen im AuBenhandel vorgenommen. Zum lanuar 1990 wurden die meisten nichttarifaren Handelsbeschrankungen abgeschafft und Mitte des lahres wurden die Zolle
118 Vgl. Winiecki, J. (1991): The Polish transition programme at mid-1991: Stabilisation under threat, S.5.
119 Vgl. Vgl. Poznanski, K. Z. (1996): Poland's protracted transition. Institutional change and economic growth 1970-1994, S. 178.
120 Vgl. Schwartz, G. (1994): Public finances, S. 21. 121 Vgl. Frydman, R et al. (1993): The privatization process in Central Europe, S. 204f. 122 Danach konnte die Privatisierung Staatsunternehmen grundsatzlich entweder auf gemeinsamen An
trag der Unternehmensfiihrung und des Selbstverwa1tungsrats oder auf Antrag des zustandigen Ministers, der jedoch der gemeinsamen Zustimmung durch Unternehmensfiihrung und Selbstverwaltungsrat bedurfte, eingeleitet werden. Vgl. Winiecki, J. (l992b): Privatization in Poland, S. 56.
109
auf 4 500 Importgtiter ausgesetzt. 123 Dadurch verringerte sich der durchschnittliche
Zollsatz von 18,3 % im lanuar 1989 auf 5,5 %. Die Reduzierung der Zollsatze sollte
dabei zum einen sicherstellen, daB die Weltmarktpreise starker als Richtschnur fiir die
inlandische Preisfindung fungieren konnten, zum anderen sollte sie als Mittel zur
Bekampfung der Inflation dienen. Mitte 1991 wurde die Aussetzung wieder riickgangig
gemacht, urn sowohl zusatzliche Budgetmittel zu erhalten als auch das Handelsbilanz
defizit zu verringern. Der durchschnittliche ungewichtete Zollsatz nach dem Status der
Meistbegtinstigung stieg daraufhin auf 18,4 % an. Eine weitere Zunahme der Protek
tion erfolgte Ende 1992 mit der Einfiihrung eines allgemeinen Importzuschlags in
Hohe von 6 %.
Das aus der Zeit vor 1989 stammende Steuersystem erwies sich als nicht kompatibel
mit der jungen Marktwirtschaft in Polen. Es wurde deshalb ein modernes Steuersystem
in Stufen eingefiihrt, mit der Reform der Korperschaftsteuern 1989, der Einkommen
steuer 1992 und der indirekten Steuern Mitte 1993. 124 Mit dem Oesetz tiber die Ein
kommen juristischer Personen vom 31.01.1989 wurde ein einheitlicher Steuersatz von
40 % fiir polnische Unternehmen eingefiihrt. 125 Nach der Erhebung einer Steuer in
Hohe von 2 % zur Finanzierung der neu eingerichteten Arbeits10senversicherung
wurde in einem nachsten Schritt 1992 eine personenbezogene Einkommensteuer mit einem Orenzsteuerhochstsatz von ebenfalls 40 % eingefiihrt. 126 Da in der Zeit vor 1989
die meisten Btirger nicht direkt durch Steuern belastet waren, kam es im Zuge der
Einfiihrung zu einer breiten offentlichen Diskussion von Steuerangelegenheiten, die
jedoch die Umsetzung der Reform nicht behinderte.
1m luli 1993 wurde die bisher bestehende Umsatzsteuer durch eine Mehrwertsteuer
von 22 % ersetzt, wobei neben Printerzeugnissen, Exporten und Medikamenten auch
agrarische Inputs von der Steuer ausgenommen waren. 127 1m Verg1eich zu Spanien, wo
die Einfiihrung der Mehrwertsteuer erst gegen den Widerstand der spanischen Produ
zenten im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zu den EO zum Beginn des lahres 1986
durchgesetzt werden konnte,128 gestaltete sich dieser Schritt wesentlich unproblema-
123 Vgl. Mylonas, P. (1994): Integration into the World Economy, S. 69, Anhang Tabelle A 16, S. 105. 124 Vgl. Gros, D.; Steinherr, A. (1995): Winds of change. Economic transition in Central and Eastern Europe, S. 307.
125 Vgl. Kaligin, T. (1992): Optimale Strukturierung von geschaftiichen Aktivitaten in Osteuropa, S. 69. !26 Vgl. Schwartz, G. (1994): Public finances, S. 7f. !27 V gl. ebenda, S. 19. 128 Vgl. KapiteI4.3.1, S. 123.
110
tischer. 129 Der Unterschied dtirfte zum einen darauf zuruckzufUhren sein, daB in Polen mit der EinfUhrung der Mehrwertsteuer kein protektionistisches Instrument im AuBenhandel, wie es die "Kompensationssteuer fUr interne Belastungen" (IeGI) in Spanien darstellte,130 ersetzt wurde. Zum anderen dtirfte sich die Notwendigkeit, ein grundle
gend neues Steuersystem aufzubauen, generell hemmend auf die Formulierung von WidersUinden ausgewirkt haben.
Der Druck auf die Regierung, den konsequenten Liberalisierungskurs durch staatliche Eingriffe abzumildern, war besonders stark in der Verwaltung zu sptiren, da personelle Umbesetzungen nur langsam voranschritten. 131 In den Abteilungen herrschten deshalb vielfach noch die aus der zentralen Planung stammenden Verhaltensweisen vor. Dies wurde bei den tiber ein Jahr dauernden Verhandlungen urn die Abschaffung der auBerbudgetiiren Fonds deutlich, als die Mehrzahl der Regierungsabteilungen heftigen Widerstand gegen die EinfUhrung der notwendigen Gesetze leisteten. 132 Almliche Widerstande ergaben sich auch im Zusammenhang mit der Steuerreform, indem einzelne Ministerien auf die Aufrechterhaltung bisheriger Steuerprivilegien drangten. 133
Als eine wesentliche Ursache fUr die WidersUinde auf seiten der Verwaltung kann die Beibehaltung der aus dem sozialistischen System stammenden Struktur der Branchenministerien unter der Regierung Mazowiecki gesehen werden.
Das Bankgesetz und das Gesetz tiber die polnische Zentralbank wurden 1989 verabschiedet. Sie fUhrten ein zweistufiges Bankensystem in Polen ein,134 mit der Polnischen Nationalbank (PNB) als unabhangige Zentralbank. 135 In einem ersten Schritt wurden neun im Staatseigentum befindliche Geschaftsbanken gegrundet, die das
129 Es fand allerdings auch in Polen eine leichte Verzogerung gegeniiber der im Wirtschaftsprogramm der Regierung anvisierten Frist von Anfang 1991 stat!. Vgl. o. V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 20.
IlOVgl. Kapitel2.1.2, S. 18. III Vgl. Dabrowski, M. (1992): Interventionist pressure on a policy maker during the transition to eco
nomic freedom (personal experience), in: Communist Economies and Economic Transformation, Bd. 4, Nr. I, S. 60f.
132 Die betroffenen Minister versuchten den jeweiligen, ihnen unterstellten Fonds mit dem Argument zu rechtfertigen, daB er ftir die ErfUllung ihrer Aufgaben und wichtiger sozialer Interessen unabdingbar sei.
133 V gl. Dabrowski, M. (1992): Interventionist pressure on a policy maker during the transition to economic freedom (personal experience), S. 61.
134 Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (1996): Transition report 1996, S. 166. 135 Die wichtigsten Aufgaben der PNB erstreckten sich auf die DurchfUhrung der Geld- und Wahrungs
politik, die Kontrolle des polnischen Bankensysterns, die Lizenzvergabe fUr Banken und die Ausgabe von Berechtigungsscheinen fUr Devisentransaktionen. Vgl. Pawlowicz, L. (1995): Transformation of the banking system in Poland, S. 138f.
111
Einlagen- und Kreditgeschaft von der PNB ubemahmen. Von 1989 bis 1991 wurden auBerdem die Niederlassungen und regionalen Zweigstellen der polnischen Zentralbank in selbstandige Geschaftsbanken umgewandelt. Durch die im Bankgesetz festgelegten, wenig strengen Kriterien flir die Zulassung von Banken136 hatte sich ihre Zahl bis Mitte 1994 stark erhaht. 137 Die Zahl der Geschaftsbanken betrug 1736, darunter waren 1650 Genossenschaftsbanken sowie 22 Vertretungen auslandischer Banken.
Obwohl die Banken nicht in ihrer Geschaftsmtigkeit beschrankt waren, zogen sie es bis 1992 vor, Kredite an die groBen Staatsbetriebe zu vergeben anstatt an private Firmen oder Haushalte, wobei sie nicht in der Lage waren, saumige Schuldner zu einer Umstrukturierung zu zwingen.138 Denn die starke uberkommene Verflechtung zwischen den in Geschaftsbanken umgewandelten Banken und den Untemehmen tiber Kredite machte vielfach die weitere Existenz der Bank abhangig von der des Untemehmens. Nach Angaben der polnischen Zentralbank vervierfachte sich der Anteil der als "nicht riickzahlbar" und "zweifelhaft" eingestuften Kredite von 1991 bis 1993 auf 35 %,
wobei Schatzungen des IWF diesen Anteil ftir 1992 auf bis zu 60 % bezifferten. Die unprofitablen Staatsbetriebe konnten somit auf dies em Wege die Wirksarnkeit der "harten" Budgets umgehen. 1m Marz 1993 wurde deshalb das Gesetz zur finanziellen Umstrukturierung von Untemehmen und Banken verabschiedet, das die Rekapitalisierung der Banken, die Umstrukturierung ihrer Kreditportfolios sowie die Lasung des Problems notleidender Kredite von Staatsuntemehmen zum Ziel hatte. 139 Nach diesem Pro gramm, welches durch einen Anpassungskredit der Weltbank unterstUtzt wurde, sollten die Banken die notleidenden Kredite gesondert ausweisen und entsprechende Rucklagen140 bilden. Die Ausfalle konnten durch vom Staat finanzierte Anleihen mit einer Laufzeit von 15 Jahren abgedeckt werden. 141 Ausgehend davon wurde der Rekapitalisierungsbedarf ermittelt, der sicherstellen sollte, daB die Banken eine Eigenkapitalquote von 12 % erreichten. Die Banken waren angehalten, bis Friihjahr 1994 die Umstrukturierung ihrer Kreditportfolios durch Verhandlungen mit den betroffenen
136 Die Voraussetzungen sahen u.a. fiir inlandische Banken ein Grundkapital von 2 Mio. US-$, fiir auslandische von 6 Mio.US-$ vor, eine der PNB vorzulegende Liste der Griindungsmitglieder und Satzung, die Existenz einer angemessenen Geschaftsstelle und die Leitung durch angemessen ausgebildetes, nicht vorbestraftes Personal. Nach 1991 wurden diese Bestimmungen aufgrund der Notiage vieler Privat- und Genossenschaftsbanken verscharft.
137 Vgl. Pawlowicz, L. (1995): Transformation of the banking system in Poland, S. 139. 138 Vgl. Slay, B. (1996): Polish banks on the road to recovery, in: Post-Soviet Geography and Eco
nomics, Bd. 37, Nr. 8, S. 511, 515. 139 Vgl. Chopra, A. (1994): Monetary policy and financial sector reform, in: Ebrill, L. P. et al.: Poland. The path to a market economy, S. 36
140 In H6he von 100 % fiir Ausfallkredite und in H6he von 50 % fur zweifelhafte Kredite. 141 Vgl. Slay, B. (1996): Polish banks on the road to recovery, 515.
112
Unternehmen abzuschlieBen. Die mehrheitlich in staatlichem Eigentum befindlichen Banken konnten dabei ihre Kreditportfolios durch Umschuldungen, partielle Schuldenerlasse und Umwandlung notleidender Kredite in Unternehmensanteile142 umstrukturieren. 143 Falls diese Banken keine Einigung erzielen konnten und fUr die tibrigen Banken bestand die Moglichkeit, tiber den offentlichen Verkauf der Forderungen eine Umstrukturierung vorzunehmen. Die 1994 einsetzende Stabilisierung des Umfangs notleidender Kredite war im wesentlichen auf die Umstrukturierung der Schulden bei den mehrheitlich in Staatseigentum befindlichen Banken zurUckzufUhren. Wahrend sich deren finanzielle Situation in den Jahren 1993/94 stark verbesserte, fand bei den tibrigen Banken, vor allem bei den Genossenschaftsbanken, eine weitere Verschlechterung statt.
Da die Eigentumsordnung im sozialistischen Polen mitverantwortlich war fUr das Scheitern der Reformversuche in den 1980er Jahren,144 stellte die Privatisierung staatlichen Eigentums und speziell der staatlichen Unternehmen ein zentrales Element in der Transformation des Wirtschaftssystems dar. Einerseits war angesichts der fehlenden Erfahrung mit marktwirtschaftlichen Gegebenheiten zu erwarten, daB sich die Privatisierung in einem ehemals sozialistischen Wirtschaftssystem im Vergleich zu unterentwickelten Landern, in denen trotz staatlichen Dirigismus Markte existieren, schwieriger gestalten wtirde. 145 Andererseits spricht der im Rahmen der Demokratisierung vollzogene Wandel in den politischen Eliten und damit auch bei den verantwortlichen wirtschaftspolitischen Akteuren fUr eine bessere Durchsetzungsfahigkeit von Privatisierungsprogrammen in ehemals sozialistischen Wirtschaftssystemen. Denn die neuen Eliten besitzen in der Regel keine Privilegien, die durch einen Kontrollverlust tiber die zu privatisierenden Untemehmen verloren gehen, und werden deshalb an einem raschen Ubergang zur Marktwirtschaft starker interessiert sein als die Eliten in Entwicklungslandem. Widerstande sind jedoch von seiten der am starks ten negativ Betroffenen zu erwarten. 1m Fall der Privatisierung polnischer Staatsunternehmen -dies gilt allgemein fUr Staatsunternehmen in sozialistischen Wirtschaftssystemen, die sich durch einen zu hohen Beschaftigungsstand sowie tiberwiegend unzureichendes Management auszeichneten - setzte sich diese Gruppe aus den Beschaftigten und den U h 1 . l~ nterne mens eltungen zusammen.
142 Debt equity swaps 143 Vgl. Pawlowicz, L. (1995): Transformation of the banking system in Poland, S. 143, 149. 144 Vgl. KapiteI2.3, S. 37. 145 Vgl. Winiecki, 1. (1992b): Privatization in Poland, S. 48f. 146 Vgl. Frydman, R.; Rapaczynski, A. (1997): Corporate governance and the political effects of privati
sation, S. 265f.
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In Polen lassen sich grundsatzlich zwei Bereiche der Privatisierung unterscheiden, auf die in den folgenden Abschnitten genauer eingegangen wird: einerseits die ,,kleine
Privatisierung", ftir die in Polen, im Unterschied zu den meisten anderen Landern, kein eigenstandiges Programm erstellt wurde,147 andererseits die durch das Gesetz tiber
staatliche Unternehmen aus dem Jahr 1981 und das Privatisierungsgesetz yom Juli
1990 geregelte Privatisierung. 148 Einen Sonderfall stellte die sogenannte "Nomenklatur"-Privatisierung dar, im Rahmen derer es bereits vor dem Regierungswechsel im
Herbst 1989 zum Ubergang von staatlichem in privates Eigentum gekommen war.149
Dieses Verfahren urnfaBte eine, wenn auch nicht strikt ungesetzliche, so doch eindeutig durch den MiBbrauch politischer Macht herbeigefiihrte Eigentumsumwandlung durch die Mitglieder der kommunistischen Elite. Ublicherweise wurden dabei staat
liche Unternehmen auf Grundlage des Gesetzes tiber staatliche Unternehmen von 1981 und durch manipulierte Offentliche Verkaufe weit unter ihrem Marktwert in private Gesellschaften umgewandelt, in denen Mitglieder der Nomenklatur und deren Angehorige einen GroBteil der Anteile hielten. Der tiberwiegende Teil dieser Transaktionen fand vor 1990 statt, es existieren jedoch keine verlaBlichen Zahlen tiber den Urnfang der "Nomenklatur"-Privatisierung.
1m BeschluB des Sejm tiber die Hauptrichtungen der Privatisierung im Jahre 1990 wurde zur ,,kleinen Privatisierung" folgendes festgelegt: "Unter der .kleinen Privatisierung' wird der ProzeB der Griindung von neuen und der Entwicklung von bestehenden privaten Unternehmen infolge des Verkaufs, der Vermietung oder Verpachtung des Vermogens von staatlichen, kommunalen oder genossenschaftlichen Rechtssubjekten an private Unternehmen ohne direkte Beteiligung der Organe der Regierungsverwaltung verstanden.,,150 Die tiberwiegende Mehrheit der kleinen Unternehmen
in staatlichem Eigentum befand sich in den Sektoren Einzelhandel, Gastronornie sowie sonstige Dienstleistungen. 151 Diese stellten einen Bereich dar, in dem bereits in den 1980er Jahren vermehrt privates Eigentum ermoglicht worden war; so befanden sich beispielsweise Mitte 1990 bereits 8,5 % der Geschafte des gesamten polnischen
Einzelhandelsnetzes in privatem Eigentum. 152 Mit einem 1990 eingefiihrten Zusatz zum polnischen Mietrecht, der den Immobilieneigenttimern die Moglichkeit einraumte, frei tiber ihr Eigentum zu verftigen, wurde ein groBer Fortschritt in der "kleinen Priva-
147 Vgl. Earle, J. S. et al. (Hrsg.) (1994): Small privatization, S. 176. 148 Vgl. Mohlek, P. (1997): Die Privatisierung von Staatsunternehmen in Polen, S. 52. 149 Vgl. Frydman, R et al. (1993): The privatization process in Central Europe, S. 183. 150 Monitor Polski, Nr. 43, Pos. 333, zit. nach: Mohlek, P. (1997): Die Privatisierung von Staatsunter
nehmen in Polen, S. 53. 151 Vgl. Earle, J. S. et al. (Hrsg.) (1994): Small privatization, S. 1 82f. 152 Vgl. Plowiec, U. (1992): Poland: The adjustment programme, S. 305.
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tisierung" erzielt. 153 Obwohl die Gesetzesanderung sich nicht explizit auf die Privatisierung bezog,154 ermoglichte sie die Auflosung zeitlich unbefristeter Mietverhaltnisse innerhalb von drei Monaten, was zu einem massiven Anstieg der Mieten und der Immobilienpreise fUhrte. Dadurch wurden ineffiziente Staatsuntemehmen und Kooperativen durch Verkauf oder Neuvermietung der gewerblichen Immobilien in groBer Zahl aus dem Markt gedrangt. Die Zahl der vom Staat unterhaltenen Einzelhandelsgeschafte ging von 178 000 im Jahr 1989 auf 33000 im Jahr 1992 zurUck. 155 Der sprunghafte Anstieg der privaten Einzelhandelsgeschafte von 72 000 auf 717 000 im selben Zeitraum - darunter fielen auch NeugrUndungen - uberzeichnet jedoch das Gewicht des Privateigentums, da die privaten NeugrUndungen zumeist kleine Geschafte urnfaBte. 156 Dennoch zeigte sich, daB die Privatisierung kleinerer Untemehmen rasch und ohne groBere Widerstande vorangetrieben werden konnte.
In ihrem Wirtschaftsprogramm von Oktober 1989 hatte die Regierung Mazowiecki ihr Bestreben erklart,innerhalb von zwei bis drei Jahren ein marktwirtschaftliches System auf Grundlage privaten Eigentums einzufUhren. 157 Die Weltbank hatte auf einer schnellen gesetzlichen Regelung zur Privatisierung als Voraussetzung fUr die Gewahrung eines Strukturanpassungskredits bestanden. 158 1m Gegensatz zur Privatisierung in Ostdeutschland, wo mit der Treuhandanstalt eine unabhangige, untemehmensahnliche Institution fUr die DurchfUhrung verantwortlich war, wurde in Polen mit dem Privatisierungsministerium ein Regierungsorgan geschaffen, welches der parlamentarischen Kontrolle unterlag. 159 Mit ausschlaggebend fUr diese Entscheidung waren die Erfahrungen mit der "Nomenklatur"-Privatisierung. 160 Denn es bestand die BefUrchtung, daB eine formal unabhangige Organisation dennoch unter starken Druck der aus dem alten System fortbestehenden Verwaltung geraten konnte.
15) Vgl. Earle, 1. S. et al. (Hrsg.) (1994): Small privatization, S. 201ff. 154 Es handelte sich urn einen Verweis auf die entsprechenden Regelungen im Biirgerlichen Gesetzbuch, die eine Kiindigungsfrist jeglicher unbefristeter Mietverhaltnisse binnen drei Monaten vorsahen.
155 Vgl. Earle, 1. S. et al. (Hrsg.) (1994): Small privatization, S. 182f. 156 Darunter wurden auch Kioske, Stande und andere kleine Verkaufsstellen gezahlt. Vgl. ebenda, S. 182f.
157 Vgl. o. V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 16. 158 Vgl. Poznanski, K. Z. (1996): Poland's protracted transition. Institutional change and economic
growth 1970-1994, S. 216; 311, Fn. 7. 159 V gl. Laier, R. (1996): Privatisierung in der Transformationsstrategie: Lehren aus der Privatisierungspolitik in Polen und Ostdeutschland fiir andere Reformiander, S. Illf.
160 Vgl. Frydman, Ret al. (1993): The privatization process in Central Europe, S. 183.
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1m Marz 1990 wurde ein Gesetzesvorschlag zur Privatisierung von Staatsunternehmen yom Ministerrat bestatigt und an den Sejm weitergeleitet, wo in den folgenden drei
Monaten in Higlichen Sitzungen eines Sonderkomitees die Gesetzesvorlage diskutiert wurde. 161 Die Hauptgegner des Regierungsvorschlags - jedoch nicht der Privatisierung
an sich - waren Parlamentarier, die die Selbstverwaltung befUrworteten. Sie brachten gleichzeitig einen eigenen Vorschlag zur Privatisierung ein, wobei die wesentlichen
Unterschiede zwischen beiden Programmen sich auf den Urnfang der gesetzlichen Bestimmungen, den institutioneHen Rahmen - hier vor aHem den Grad der politischen
Kontrolle -, den geplanten Ablauf sowie das Gewicht der vorgesehenen Anteile fUr Beschaftigte bezogen. 162 Der Sejm beschloB, den Regierungsvorschlag als Diskussionsgrundlage heranzuziehen, in der endgtiltigen Version fanden sich jedoch Elemente aus beiden Vorschlagen. Die Verabschiedung des Gesetzes tiber die Privatisierung von Staatsunternehmen bedeutete zwar insgesamt einen klaren Erfolg der politischen Krafte, die einen raschen Ubergang zur Marktwirtschaft befUrworteten, es enthielt jedoch Bestimmungen, die rasche Fortschritte im PrivatisierungsprozeB erschwerten,163
da sie in der Regel die Einleitung der Privatisierung fUr jedes einzelne Unternehmen von der Zustimmung der Arbeitnehmerrate abhangig machten. Das Gesetz von Juli 1990 sah fUr die Privatisierung von Staatsunternehmen verschiedene Moglichkeiten vor. Diese urnfaBten die Privatisierung durch Auflosung, die Kapitalprivatisierung sowie die Massenprivatisierung. Der so gefaBte Privatisierungsbegriff beschrankte sich nicht auf den Ubergang von Eigentumsrechten, sondern orientierte sich an der privatwirtschaftlichen Nutzung der Produktionskapazitaten. 164 Er ging damit tiber den reinen Verkauf staatlichen Eigentums hinaus und unterschied sich, wie auch die allgemeine Festlegung der Privatisierung, von dem in westlichen Landern tiblichen Privatisie
rungsbegriff. 165
In der Kapitalprivatisierung ging die Initiative tiblicherweise yom Staatsunternehmen,
d.h. der Betriebsleitung und dem Arbeitnehmerrat aus, in Ausnahmefallen konnte sie auch einseitig durch den Premierrninister erfolgen. 166 Die Kapitalprivatisierung lief in
161 Vgl. Gomulka, S.; Jasmski, P. (1994): Privatization in Poland 1989-1993: policies, methods, and results, S. 223.
162 Vgl. Gomulka, S.; Jasmski, P. (1994): Privatization in Poland 1989-1993: policies, methods, and results, S. 244, Fn. 7.
163 Vgl. Winiecki, J. (l992b): Privatization in Poland, S. 56f. 164 Vgl. Mohlek, P. (1997): Die Privatisierung von Staatsuntemehmen in Polen, S. 89. 165 Vgl. Winiecki, J. (1992b): Privatization in Poland, S. 45f. 166 Bis 1993 traten einseitige Verfugungen durch den Premierminister nur in den F1il1en auf, in denen es urn die Aufnahme von Untemehmen in das Programm der Massenprivatisierung ging. Vgl. Gomulka, S.; Jasiilski, P. (1994): Privatization in Poland 1989-1993: policies, methods, and results, S. 227; 244, Fn. 16.
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zwei Schritten abo Der erste Schritt umfaBte die Umwandlung der Untemehmen in Kapitalgesellschaften und der zweite Schritt den Verkauf der Anteile an private Investoren. 167 Urn Vorbehalten von seiten des Arbeitnehmerrats entgegenzuwirken, wurde ein Vorkaufsrecht ftir die Beschaftigten in Aussicht gestellt und fiir in Gesellschaften umgewandelte Untemehmen, die sich noch mehrheitlich in staatlichem Eigentum befanden, eine Verringerung der Strafsteuer urn 20 % vereinbart. 168 1m Gesetz war jedoch nicht festgelegt, welches Organ fiir die Verwaltung des Gesellschaftsverm6gens verantwortlich sein und in welcher Form der Verkauf der Anteile an private Investoren erfolgen sollte. Die Zahl der Untemehmen, bei denen die Kapitalprivatisierung eingeleitet wurde, wuchs bis Ende 1992 auf 301 Untemehmenl69 , jedoch war lediglich - wie in Tabelle 4.2 dargestellt - bei 51 Untemehmen die Privatisierung abgeschlossen. Bis Ende 1994 erh6hte sich die Zahl der zu privatisierenden Untemehmen geringfiigig auf 367, allerdings lag mit 132 privatisierten Untemehmen deren Anteil hOher.
Ftir die Aufl6sungsprivatisierung waren zwei M6glichkeiten vorgesehen. Einerseits konnte die Privatisierung nach Artikel 19 des Gesetzes tiber die Staatsuntemehmen von 1981 170 tiber ein Konkursverfahren eingeleitet werden. Die zunehmenden Schwierigkeiten der Staatsuntemehmen lassen sich in Tabelle 4.2 am rapiden Anstieg der FaIle, in denen eine Aufl6sungsprivatisierung nach Artikel 19 eingeleitet wurde, ablesen. Die geringe Zahl der Untemehmen, bei denen die Privatisierung abgeschlossen werden konnte, verdeutlicht die Schwierigkeiten beim Verkauf der in vielen Fallen veralteten Anlagen. 171 Andererseits bestand nach Artikel 37 des Privatisierungsgesetzes von Juli 1990 die M6glichkeit, daB das Grtindungsorgan172 eines Staatsuntemehmens nach Zustimmung des Privatisierungsministers Verm6genswerte des Untemehmens entweder verkauft, in eine Gesellschaft tiberftihrt oder verpachtet. 173 1m Unterschied zur Aufl6sungsprivatisierung muBte dabei keine wirtschaftliche Notlage des Untemehmens
167 Vgl. Kirchner, C. (1992): Privatization plans of Central and East European states, in: Journal of Illstitutional and Theoretical Economics, S. I If.
16< V gl. Frydman, R et al. (1993): The privatization process in Central Europe, S. 204f. 169 Vgl. International Monetary Fund (1996): Poland - Statistical tables, S. 5. Fur die nachfolgenden 1ahre lagen keine getrennten Zahlen uber die Unternehmen vor, bei denen die Kapitalprivatisierung eingeleitet wurde.
170 In den 1ahren 1989 und 1990 hatte es Anderungen der Ausfuhrungsrechtsverordnung zum Gesetz der Staatsunternehmen gegeben, wobei insbesondere die Entscheidung uber die Auflosung eines Staatsunternehmens an den Ministerrat uberging. Vgl. Mohlek, P. (1997): Die Privatisierung von Staatsunternehmen in Polen, S. 172.
171 Vgl. Gomulka, S.; Jasmski, P. (1994): Privatization in Poland 1989-1993: policies, methods, and results, S. 231.
172 Das Grundungsorgan war in der Regel das zusHindige Ministerium. 173 Vgl. Gomulka, S.; Jasmski, P. (1994): Privatization in Poland 1989-1993: policies, methods, and results, S. 229.
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bestehen. Diese Form der Privatisierung wurde von den Beschaftigten praferiert, da sie auch hier bevorzugten Zugang zu den Vermogenswerten hatten. Wie TabeUe 4.2 zeigt, lag die Quote der abgeschlossenen Privatisierungen deutlich hOher.
Tabelle 4.2: Zahl der privatisierten Staatsunternehmen in Polen zum Jabresende(1)
Jahr Gesamt Kapitalpriva- Massenpri- Auflosungsprivatisierung tisierung(2) vatisierung Art. 19 Art. 37
1990 6 (117) 6 (58) 0 0 (18) 0 (31)
1991 228 (1297) 27 (308) 0 19 (540) 182 (449)
1992 612 (2056) 51 (480) 0 86 (857) 475 (719)
1993 989 (2635) 96 (636) 0 186 (1082) 707 (917)
1994 1440 (3132) 132 (845) 0 303 (1245) 945 (1042)
1995 2020 (3582) 159 (1075) 321 396 (1358) 1054 (1149)
1996 2618 (3953) 183 (1229) 512 564 (1405) 1244 (1319)
1997 2967 (4178) 227 (1269) 512 675 (1420) 1423 (1489)
(I) Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Zahl der zur Privatisierung vorgesehenen Unternehmen; (2) Hier beinhalten die Zahlen in Klammern auch soIehe Unternehmen, die zur Massenprivatisierung vorgesehen waren sowie Unternehmen, die im Rahmen des Gesetzes zur finanzieUen Umstrukturierung Schulden in Unternehmensanteile umgewandelt hatten
QueUe: OECD (Hrsg.) (1998): OECD economic surveys 1997-1998. Poland, S.49; eigene Berechnungen.
Weitaus groBere Widerstande waren dagegen bei der Privatisierung der staatlichen GroBunternehmen, der sogenannten Massenprivatisierung, zu erwarten, hier vor aHem bei den Industrieunternehmen, die im Zuge der Liberalisierung zunehmend unter
Druck gerieten. In einer Untersuchung der relativen internationalen Wettbewerbsvorteile polnischer Industrieunternehmen fUr die Jahre 1987/88 wurde ermittelt, daB 24 % der gewerblichen Produktion einen negativen Mehrwert erbrachte, d.h. die
Kosten lagen tiber den Absatzpreisen, 65 % einen relativen Wettbewerbsnachteil und nur 11 % einen relativen Wettbewerbsvorteil aufwiesen.174 In der Frage der Massen
privatisierung waren die Positionen gespalten. Der 1989 von Krzysztof Lis l75 ausge-
174 Die Berechnung erfolgte anhand einer Umbewertung zu Weltmarktpreisen. Vgl. Estrin, S.; Richet, X. (1993): Industrial restructuring and microeconomic adjustment in Poland, S. 191.
175 Als Generalbevollmachtigter der Regierung, der mit den Fragen der Eigentumsumwandlung betraut war, wurde Krzysztof Lis im Oktober 1989 vom Finanzministerium beauftragt, die gesetzlichen
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arbeitete Vorschlag zur Massenprivatisierung orientierte sich an den Privatisierungsprogrammen westlichen Typs, mit der VerauBerung der Staatsunternehmen im Rahmen von Versteigerungen und dem offentlichen Verkauf der Anteile.176 Zur Untersttitzung
des Privatisierungsprozesses sah der Vorschlag die Grtindung einer WertpapierbOrse
und die Entwicklung des Kapitalmarktes vor, er wurde aber im Dezember 1989 aufgrund befiirchteter Widerstande von seiten der Gewerkschaften und Betriebsrate von
der Regierung abgelehnt. Ein Kritikpunkt an dem Konzept war die mangelnde Aussicht auf eine schnelle Privatisierung der groBen Masse der betroffenen Unternehmen. Der alternative Vorschlag zur Massenprivatisierung sah die kostenlose Verteilung von
Anteilen an die polnischen Btirger vor. 177 Er war bereits 1988 formuliert l78 und von der Regierung Mazowiecki aufgrund der Befiirchtung, daB seine Umsetzung angesichts der Macht der Gewerkschaften zu einer Umverteilung der Anteile zu den Arbeiterselbstverwaltungen fiihren wtirde, abgelehnt worden. Die weitere Ausarbeitung des alternativen Vorschlags wurde Mitte 1991 unter der Regierung Bielecki vorangetrie
ben. Auch diese Regierung stand dem Modell der Selbstverwaltung ablehnend gegentiber, das als ebenso ineffizient wie die zentrale Planung angesehen wurde. Sie rechnete jedoch damit, daB die kostenlos verteilten Anteile von den Beschaftigten binnen kurzer Frist weiterverauBert wtirden.
Das "Gesetz tiber die nationalen Investitionsfonds und tiber ihre Privatisierung" wurde, nachdem die Regierung Bielecki im Herbst 1991 mit einem ersten Entwurf im ParI ament gescheitert war, im April 1993 von der Regierung Suchocka durchgesetzt und stellte die Grundlage fiir die Massenprivatisierung der groBen Staatsunternehmen dar. 179 Nach diesem Gesetz lag die Verantwortung zur Bestimmung der Unternehmen, die in Gesellschaften umgewandelt werden sollten, beim Ministerrat. Dem Direktor und dem Betriebsrat eines betroffenen Untemehmens wurde die Moglichkeit einge
raumt, innerhalb einer Frist von 45 Tagen einen "begrtindeten Einwand" vorzubringen.
Grundlagen zur Privatisierung auszuarbeiten. Vgl. Gomulka, S.; Jasinski, P. (1994): Privatization in Poland 1989-1993: policies, methods, and results, S. 222.
176 Vgl. Gomulka, S.; Jasmski, P. (1994): Privatization in Poland 1989-1993: policies, methods, and results, S. 224.
177 V gl. Poznanski, K. Z. (1996): Poland's protracted transition. Institutional change and economic growth 1970-1994, S. 217f.
178 Das Konzept wurde von Privatisierungsminister Lewandowski miterarbeitet und veriiffentlicht in: Lewandowski, J.; Szomburg, J. (1989): Property reform as a basis for social and economic reform, in: Communist Economies, Bd. 1, S. 257-268.
179 V gl. Fiszer, J. (1994): Polen: Gesetz tiber die nationalen Investitionsfonds und tiber ihre Privatisierung, in: WirtschaJt und Recht in Osteuropa, S. I 74f.
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Das eigens fUr die Umsetzung und Kontrolle des Privatisierungsprozesses geschaffene Privatisierungsministerium war sich der mangelnden Mittel und der fehlenden Erfahrung mit Finanzinvestitionen in der polnischen BevOlkerung bewuBt und begann die Privatisierung groBer Staatsuntemehmen in kleinem Rahmen. 18o In einer Art Pilotprojekt wurden fUnf groBe, hoch profitable Staatsuntemehmen privatisiert und der Verkauf der Untemehmensanteile stark publik gemacht. Dennoch dauerte es annahemd zwei Monate, bis rund 70 % der Anteilel81 an die breite Offentlichkeit verkauft werden konnten.
Bis Juni 1996 waren von 8835 Untemehmen, die sich Mitte 1990 in Staatseigentum befunden hatten, 2624 liquidiert oder durch Verkauf von Anteilen privatisiert, 248 verkauft und 1049 in Aktiengesellschaften umgewandelt worden. 182 Von den 1049 Untemehmen wurden 512 in das Programm der "Nationalen Investitionsfonds" (NIF) aufgenommen. Die NIF waren in Ubereinstimmung mit dem "Gesetz tiber die Nationalen Investitionsfonds und ihre Privatisierung" yom 30. April 1993 mit dem Ziel eingerichtet worden, den zogerlichen PrivatisierungsprozeB zu beschleunigen.183 Der mangelnde Fortschritt bei der Privatisierung der Staatsbetriebe durch das Programm der NIF war auch durch die Verkntipfung des Programms mit dem Aufbau eines privaten Pensionsfonds bedingt, tiber den jahrelang keine Einigung erzielt werden konnte. 184 Das Privatisierungsministerium ktindigte 1996 sogar an, daB es so lange keine weiteren Privatisierungen geben werde, bis die Frage des Pensionsfonds geklart sei.
Mitverantwortlich fUr die Verzogerungen in der Massenprivatisierung war die in den GroBuntemehmen bestehende Machtstruktur sowie die veranderte Haltung der Gewerkschaften als einem Element in dieser StruktUr. 185 Gegrtindet auf das "Gesetz tiber die Selbstverwaltung der Belegschaft des Staatsuntemehmens" und das "Gesetz tiber die staatlichen Untemehmen" von 1981 verteilte sich die Entscheidungskompetenz auf die UntemehmensfUhrung, den Arbeitnehmerrat und die Gewerkschaften, wobei letzteren keine formale Entscheidungsbefugnis im Gesetz eingeraumt worden war und ihre Bedeutung erst in der Zeit nach 1989 wesentlich wurde. Die in den Gesetzen eingeraumte Entscheidungsautonomie der Staatsuntemehmen ging einher mit dem Recht der
180 Vgl. Rosati, D. K. (1992): The stabilisation program and institutional reform in Poland, S. 265. 181 Der Gesamtwert der Anteile belief sich auf annahemd 35 Mio. US-$. 182 Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (1996): Transition report 1996, S. 165. 183 Vgl. Lawniczak, R. (\996): A Polish experiment in corporate governance of the National Investment Funds (NIF's), S. 2f.
184 Vgl. Kapoor, M. (1997): Slow death, in: Business Central Europe, Nr. 40, April, S. 11. 185 Vgl. Dqbrowski, J. M. (1995): State-owned enterprises under pressure, S. 65-68.
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Arbeitnehmerrate, unter anderem den Direktor des Untemehmens zu berufen bzw. abzuberufen, die lahresbilanz und die Gewinnverwendung zu bestatigen sowie die allgemeine Entwicklungsrichtung der Untemehmen zu bestimmen. Da der Grad der gewerkschaftlichen Organisation mit zunehmender UntemehmensgroBe hoher lag, war der EinfluB der Gewerkschaften in den staatlichen GroBuntemehmen am starksten. 186
Bis Mitte 1991 wirkte sich das Zusammenspiel der Solidarnosc, die den eingeschlagenen Transformationskurs im wesentlichen untersttitzte, und den Uberwiegend ihr nahestehenden Arbeiterraten positiv auf die Ab16sung der aus der Zeit vor dem Umbruch stammenden Untemehmensdirektoren aus. In den lahren 1990/91 wurden so rund die Halfte der Direktoren abberufen und durch Nachfolger, die zumeist jUnger und besser ausgebildet waren, ersetzt.
Ab Mitte 1991 war eine Veranderung in der Haltung der Gewerkschaften zu verzeichnen. Diese war zum einen auf die aktivere Rolle der ehemaligen kommunistischen Einheitsgewerkschaft OPZZ und anderer, zumeist lokaler Gewerkschaften zuruckzuftihren, die durch massive Forderungen und Opposition zum Transformationskurs der Regierung Zulauf gewannen. Zum anderen anderte auch die Solidamosc ihre Haltung, indem sie ihre Reformorientierung zunehmend zugunsten der Forderung nach einer weniger einschneidenden Politik aufgab. Diese umfaBte neben dem Ruf nach einem Schutz der Sozialleistungen, nach einer weniger restriktiven Geld- und Steuerpolitik sowie nach Abschaffung der Strafsteuer auf Lohnerhohungen auch die Forderung einer Verlangsamung des Privatisierungsprozesses. Zum Richtungswechsel in der Solidamosc trug die starke Abwanderung von Mitarbeitem und Beratem in politische Parteien und Amter bei.
Die wachsende Bedeutung der Gewerkschaften in der Frage der Privatisierung wird auch an dem von der Regierung Suchocka untemommenen Versuch deutlich, den PrivatisierungsprozeB voranzubringen. Nachdem im Parlament kein tragbarer Konsens in der Frage der Privatisierung zustandekam, schlug sie einen "Untemehmenspakt" vor, der zusammen mit den Gewerkschaften ausgearbeitet werden sollte. 187 Die notwendige gesellschaftliche Untersttitzung sollte durch Zugestlindnisse an die Beschliftigten, u.a. die kostenlose Zuteilung von 20 % der Anteile und die Garantie einer dauerhaften Beteiligung im Aufsichtsrat gewonnen werden. Nachdem die Gewerkschaftsftihrungen dem Pakt zugestimmt hatten, wurde er im Verlauf des lahres 1993 im polnischen Parlament debattiert. Danach verpflichteten sich die Betriebskomitees der
186 Der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an den Beschaftigten reichte von 40 % in kleinen Unternehmen bis tiber 70 % in GroBunternehmen.
187 Vgl. Szomburg, J. (1995): The political constraints on Polish privatization, S. 78f.
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Oewerkschaften, binnen eines halben Jahres einen Privatisierungsplan zu erstellen, andemfalls fiele die Entscheidungsgewalt in bezug auf die Privatisierung zuruck an den Staat. 1m Mai 1993 und damit noch vor einer erfolgreichen Verabschiedung des Paktes verlor die Regierung Suchocka ein MiBtrauensvotum im Parlament und muBte zurucktreten.
4.3 Der Einflu6 der EG auf den wirtschaftlichen Reformproze6 in Spanien
Wahrend in Spanien der Stabilisierungsplan von 1959 unter Mitarbeit intemationaler Organisationen zustandekam und Spanien im Zuge des sen Mitglied der OEeD, des IWF und der Weltbank wurde, scheiterten die unter Franco untemommenen Versuche in Richtung einer EO-Mitgliedschaft am bestehenden autoritaren Regime. 1970 konnte lediglich ein Praferenzabkommen mit den EO unterzeichnet werden. Noch am 6. Oktober 1975 auBerte der EO-Ministerrat in einem Kommunique zu den Menschenrechten188 die Ansicht, daB "in der jetzigen Situation die Verhandlungen zwischen den EO und Spanien nicht wieder aufgenommen werden konnen".189 In der Zeit bis zur SteHung des Beitrittsantrags im Juli 1977 machte Spanien deutlich, daB aufgrund des begonnenen Demokratisierungsprozesses eine Wiederaufnahme der Verhandlungen nicht in einer Uberarbeitung des 1970 geschlossenen Praferenzabkommens, sondem ausschlieBlich im Rahmen eines angestrebten Beitritts Spaniens zu den EO stattfinden konne.
4.3.1 Spaniens Beitrittsbestrebungen und der Beitritt zu den EG
1m September 1977 wurde der spanische Beitrittsantrag yom Ministerrat befUrwortet und die Entscheidung an die Komrnission weitergereicht. 190 1m Unterschied zu vorangegangenen Beitrittsablaufen folgte nicht die direkte Aufnahme der Verhandlungen, sondem die Komrnission erarbeitete ein Papier mit dem Titel "Umfassende Uberlegungen zu den Problemen der Erweiterung", das am 20. April 1978 dem Rat vorgesteHt wurde. Es befaBte sich mit moglichen Konsequenzen der Siiderweiterung der Oemeinschaft urn die Beitrittskandidaten Oriechenland, Spanien und Portugal. In einer erganzenden Mitteilung schlug die Europaische Komrnission fUr den geplanten Beitritt
188 Die Stellungnahme war eine Reaktion auf die Hinrichtung von fiinf zum Tode verurteilten Oppositionellen in Spanien.
189 Vgl. Solbes Mira, P. (1990): La economia espanola ante la CEE: el proceso de negociaci6n, in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.): Economia espanola de la transici6n y la democracia, S. 483.
190 Vgl. Solbes Mira, P. (1990): La economia espanola ante la CEE, S. 484f.
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Spaniens Ubergangszeiten zwischen fiinf und zehn Jahren VOr. 191 Die Ubergangszeiten sollten flexibel gestaltet sein, "urn den in den einzelnen Sektoren unterschiedlichen Anpassungsproblemen gerecht werden zu konnen". Am 29. November 1978 wurde dem Rat ein Bericht der Komrnission vorgelegt, der aufgrund der Probleme in den Bereichen industrielle Umstrukturierung, Modernisierung der Landwirtschaft und soziale und regionale Veranderungen, die Spanien noch zu bewaltigen habe, eine Ubergangszeit von zehn Jahren fiir den Beitritt befiirwortete. Am 6. Februar 1979 begannen schlieBlich die Beitrittsverhandlungen der EO mit Portugal und Spanien.
Da der Beitritt Spaniens zu den EO die Ubernahme und Anwendung des ,,Acquis Communautaire"l92 zur Folge haben muBte, waren die Beitrittsverhandlungen nicht darauf gerichtet, eine Ubereinkunft hinsichtlich der Anwendung einzelner Regelungen zu erzielen, sondern vielmehr darauf, fiir welche Regelungen eine Ubergangszeit vereinbart werden sollte. 193 Schwierigkeiten in der Anfangsphase der Verhandlungen waren durch die mangelnden Fortschritte in der EO-internen Reform des Agrarpreisund des Beitragssystems bedingt. 194 1982 brachte einen Wechsel im bis dahin schleppenden Verlauf der Beitrittsverhandlungen.195 Mit Hilfe eines zwischen dem spanischen Ministerprasidenten Calvo Sotelo und der belgischen EO-Prasidentschaft ausgehandelten Arbeitsprogramms konnten binnen eines halben Jahres sechs Kapitel abgeschlossen werden. 196 Ein Fortschritt im Bereich des Kapitels tiber Steuern war u.a. durch die Bereitschaft der spanischen Seite ermoglicht worden, die Einfiihrung der Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt des Beitritts zu akzeptieren, was sich in den vorangegangenen Verhandlungen als am starksten umstrittenes Thema erwiesen hatte. 197 Zur
191 Vgl. Europaische Gemeinschaften. Kornmission (1978b): Die Dbergangszeit und die institutionellen Foigen der Erweiterung (Mitteilung der Kommission an den Rat in Erganzung zu der am 20. April 1978 vorgelegten Mitteilung), in: Bulletin der Europdischen Gemeinschaften, Beilage 2178, S. 7.
192 Der "Acquis Communautaire" bezeichnet die Gesamtheit der in der Gemeinschaft bestehenden und fUr Mitgliedslander verbindlichen gesetzlichen Regelungen und Vorschriften.
19] Vgl. Gonzalez Sanchez, E. (1980): La adhesion de Espana a las Comunidades Europeas: Estado actual de las negociaciones, S. 1029.
194 Die britische Regierung hatte sich geweigert, dem neuen Agrarpreissystem zuzustimmen, solange nicht das Problem des finanziellen Beitrags GroBbritanniens zum Gemeinschaftshaushalt gelost war. 1m Juni 1980 erkiarte der franzosische Prasident Giscard d'Estaing, daB Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen erst nach Klarung der EG-internen Probleme moglich seien. Vgl. Gonzalez Sanchez, E. (1982): Las negociaciones para la adhesion de Espana a las Comunidades Europeas, S. 87-90.
195 Vgl. Solbes Mira, P. (1990): La economia espanola ante la CEE: el proceso de negociacion, S. 486. 196 Diese umfaBten die Bereiche Kapitalverkehr, Transport, Regionalpolitik, Niederlassungsfreiheit und Freiziigigkeit der Arbeitnehmer, Harmonisierung der Gesetzgebung sowie Fragen der Wirtschaft und der Finanzierung.
197 1m Juli 1981 hatte der franzosische Minister fUr Europaische Angelegenheiten erkiart, die Verhandlungen zum Kapitel Zollunion so lange zu unterbrechen, bis sich Spanien zur Einfiihrung der Mehr-
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Frage des Zollabbaus, die in das Kapitel tiber die Zollunion und den freien Warenverkehr fUr Industriegtiter fiel, machte die spanische Regierung den Vorschlag, fUr den Abbau der spanischen Industriezolle eine Ubergangsfrist von 10 Iahren statt der bis dahin geforderten Frist von 5 bis 10 Iahren einzuraumen. Dies geschah mit dem Hinweis auf die wirtschaftliche Situation Spaniens und die in der Frage der Mehrwertsteuer gemachten Zugestandnisse.
Trotz der erzielten Vereinbarungen wurde die Einhaltung des bis dahin offiziell angestrebten Beitrittstermins Anfang 1984 im Verlauf des Iahres 1982 immer unwahrscheinlicher. 198 Durch den Regierungswechsel in Spanien kam dann erneut Bewegung in den VerhandlungsprozeB. 199 In seiner Antrittsrede im November 1982 erkllirte der spanische Premierminister Gonzalez, die volle Mitgliedschaft in die EG bis spates tens zum Ablauf der Legislaturperiode anzustreben. Auf einem Treffen mit Bundeskanzler Kohl wurde die Untersttitzung der spanischen Kandidatur von bundesdeutscher Seite vereinbart. Dies geschah im Gegenzug zur Zusage Spaniens, im FaIle eines Scheiterns der Genfer Abrtistungsverhandlungen Raketen auf spanischem Boden zu stationieren. Auf der Zusammenkunft des Europaischen Rates Mitte 1983 machte die deutsche Seite ihre Zustimmung zur ErhOhung der EG-Beitrage von der Aufnahme Spaniens und Portugais abhangig. Mit der Annahme der deutschen Position durch den Europaischen Rat wurde die EG-Erweiterung somit zu einer notwendigen Bedingung fUr die Reform des Systems der EG-Finanzierung. Der AbschluB der Verhandlungen im Iahr 1983 scheiterte jedoch am Widerstand Frankreichs in der Frage des innergemeinschaftlichen Handels mit Agrarprodukten aus der Mittelmeerregion. Die geforderten Regelungen zum Schutz der franzosischen Landwirtschaft vor dem Wettbewerb mit spanischen Produkten wurden erst im November 1983 vereinbart. Nachdem bis Mlirz 1984 mit den Abschnitten tiber Steuern und die EURATOM zwei weitere der insgesamt 16 Kapitel zum AbschluB gekommen und die Verhandlungen in den Kapiteln tiber Zollunion und freien Warenverkehr fUr Industriegtiter, tiber EGKS, AuBenpolitik sowie Sozialpolitik und Freiztigigkeit der Arbeitnehmer sehr weit fortgeschritten waren, hatte sich in Spanien zunehmend Kritik am Verhandlungsablauf geregt.200 Es wurde bemangelt, daB die spanische Verhandlungsposition in den verbleibenden und fUr Spanien besonders wichtigen Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, sowie in den Abschnitten
wertsteuer zum Zeitpunkt des Beitritts entschlieBt. Vgl. Gonzalez Sanchez, E. (1983): Espana - CEE: Las negociaciones de adhesion a 10 largo de 1982, S. 98.
198 Vgl. Gonzalez Sanchez, E. (1983): Espana - CEE: Las negociaciones de adhesion a 10 largo de 1982, S. 101.
199 Vgl. Lieberman, S. (1995): Growth and crisis in the Spanish economy 1940-93, S. 269ff. 2()() Vgl. Gonzalez Sanchez, E. (1984): Las negociaciones de adhesion de Espana a las Comunidades
Europeas: Enero 1983 - marzo 1984, S. 484-488.
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tiber institutionelle Fragen und das Beitragssystem, in denen bis dahin keine nennenswerten Ergebnisse erzielt werden konnten, durch die Ubereinkunft in den sHirker im Interesse der EG liegenden Kapiteln geschwacht worden sei.201
Wahrend sich Spanien von Beginn der Verhandlungen an fUr ein "globales Gleichgewicht" der gesamten Vereinbarung einsetzte - d.h. bei der Festlegung der Obergangsfristen sollten Vor- oder Nachteile einer Seite in einem Bereich durch Kompensationen in anderen Bereichen beriicksichtigt werden -, sprach sich der Wirtschafts- und Sozialausschul3 der EG Ende 1983 vor allem in wirtschaftlichen Fragen fUr eine unabhangig von gemachten Zugestandnissen festgelegte Differenzierung der Ubergangsfristen aus. Diese sollten nach dem Vorschlag des Ausschusses im industriellen Sektor kurz und im landwirtschaftlichen Sektor lang sein. Von den noch zur Verhandlung anstehenden Kapiteln konnten in verschiedenen Treffen auf Ministerebene in den Jahren 1983 und 1984 bis auf fUnf aIle abgeschlossen werden.202 Zuletzt war dabei im Dezember 1984 eine Einigung in den drei Kapiteln zu Institutionen, Zollunion und EGKS erzielt worden. In der Obereinkunft zur Zollunion wurde, unabhangig von den im Vorfeld erzielten Teilergebnissen, eine Obergangsfrist von 7 Jahren sowohl fUr den Zollabbau gegentiber der Gemeinschaft als auch die Anpassung an die gemeinsamen Aul3enzoIltarife vereinbart. 203 Die Frist lag sornit unterhalb der spanischen Forderung von zehn Jahren, wich jedoch starker von der urspriinglich von den EG vorgeschlagenen Frist von drei Jahren ab.204 Dartiber hinaus hatten die EG ihrerseits auf den vorgelagerten Abbau der hochsten Zolle verzichtet. In der Obereinkunft zum Kapitel EGKS wurde die DurchfUhrung der bereits im Sommer 1984 der Komrnission unterbreiteten Umstrukturierungsplane in einem Zeitraum von maximal 3 Jahren vereinbart.205 Nach Abschlul3 der Umstrukturierung sollte danach die Produktionskapazitat fUr warrngewalzten Stahl 18 Mio. Tonnen nicht tibersteigen. Aufgrund der wahrend der Umstrukturierung weiterlaufenden inlandischen Hilfen sollte auBerdem eine Obergrenze fUr den spanischen Export von Stahlerzeugnissen eingefUhrt werden, die jedoch das
201 Auch der fiir die Verhandlungen mit der EG verantwortliche StaatssekreUir sprach sich Ende 1983 dagegen aus, "weiterhin den AbschluB oder die Beschleunigung des Abschlusses technischer oder teilweiser Kapitel voranzutreiben, da wir sonst Gefahr laufen, am Ende lediglich das Kapitel Landwirtschaft offen zu haben, und unsere Verhandlungsmacht dann praktisch verschwunden ist". In El Pais Yom 11.12.1983, zit. nach: Gonzalez Sanchez, E. (1984): Las negociaciones de adhesionde Espana a las Comunidades Europeas: Enero 1983 - marzo 1984, S. 484.
202 Vgl. Gonzalez Sanchez, E. (1985): Las negociaciones de adhesion de Espana a las Comunidades Europeas desde abril 1984 hasta su conclusion, S. 455.
203 Vgl. ebenda, S. 457f. 204 Vgl. Arroyo Hera, F. (1991): EI reto de Europa: Espana en la CEE, S. 75. 205 Vgl. Gonzalez Sanchez, E. (1985): Las negociaciones de adhesion de Espana a las Comunidades
Europeas desde abril 1984 hasta su conclusion, S. 460.
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Jahresmittel der EG-Importe von 1976/77 nicht unterschreiten durfte. 1m Marz 1985 konnte schlieBlich, nach zwei ausgedehnten Sitzungen, eine abschlieBende Ubereinkunft erzielt werden.206 Nachdem die erste Sitzung durch den Widerstand Frankreichs in der Frage der Fischerei gescheitert war, blieb der spanischen Seite in der notwendig
gewordenen zweiten Sitzung angesichts des Drucks zum AbschluB der Verhand
lungen207 kein Spielraum zur Durchsetzung ihrer Forderungen.208
GroBen Riickhalt fand die Eingliederung Spaniens in die Europaischen Gemeinschaften schon vor den ersten Parlamentswahlen in der spanischen Bev6lkerung. 1m
Januar 1976 stellte das Centro de Investigaciones Sociol6gicas in einer reprasentativen Urnfrage die Frage: "Beflirworten Sie, daB Spanien dem Gemeinsamen Europaischen Markt beitritt?" Darauf antworteten 73 % der Befragten mit "Ja" und nur 4 % mit "Nein,,?09 Auch im Verlauf der Verhandlungen zum EG-Beitritt blieb, trotz der eingetretenen Verz6gerungen, die Beflirwortung zum Beitritt ausgepragt. In einer vom
Gallup-Institut durchgefiihrten Meinungsurnfrage schatzten 60 % der im Oktober 1984 Befragten den Beitritt Spaniens zu den EG als "eine gute Sache" ein und nur 8 % als "eine schlechte Sache".210 1m April 1980 hatte der Anteil der Beflirworter in derselben Urnfrage bei 58 % gelegen.211
Die Aussicht auf einen bevorstehenden Beitritt Spaniens flihrte zu zahlreichen Stellungnahmen spanischer Interessenverbande.212 Der Unternehmerverband Cfrculo de Empresarios sprach sich in seiner Stellungnahme vom Oktober 1979 flir eine einheitliche Ubergangsfrist flir die vollstandige Integration von mindestens 5 Jahren sowie eine annahernd vollstandige und sofortige Abschaffung von Importkontingenten aus.
206 Vgl. Solbes Mira, P. (1990): La economfa espanola ante la CEE: el proceso de negociacion, S. 487. 207 Noch direkt vor Beginn der Sitzungen hatte Gaston Thorn, bis Ende 1984 Prasident der EU-Kom
mission, gegeniiber der spanischen Presse erkiart, daB "der Beitritt Spaniens im Januar 1986 technisch unmoglich ist, es sei denn, es wird an diesem Wochenende eine Ubereinkunft in der Landwirtschaft und der Fischerei erreicht". Prensa Espanola vom 27.03.1985, zit. nach: Gonzalez Sanchez, E. (1985): Las negociaciones de adhesion de Espana a las Comunidades Europeas desde abril 1984 hasta su conclusion, S. 443, Fn. 21.
208 Diese bezogen sich im wesentlichen auf die Ausweitung des Marktzugangs fur spanische Friichte und die Beitragszahlungen an den EG-Haushalt. Vgl. Solbes Mira, P. (1990): La economfa espanola ante la CEE: el proceso de negociacion, S. 487.
209 Befragt wurden 2432 Spanier ab 15 Jahren. Vgl. o. V. (1985): La opinion publica espanola ante la Comunidad Economica Europea, 1968-1985, in: Revista Espanola de Investigaciones Sociologicas, Nr. 29, S. 303.
210 Vgl. Gonzalez Sanchez, E. (1985): Las negociaciones de adhesion de Espana a las Comunidades Europeas desde abril 1984 hasta su conclusion, S. 447.
211 Mit 46 % hatte der Anteil der BefUrworter im Mai 1983 seinen tiefsten Stand erreicht. 212 Die Dokumente stammen aus der Bibliothek des Secretarfa de Estado para las Comunidades Euro
peas und wurden nicht veroffentlicht.
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Ausnahmen sollten nur in geringem Umfang und nur wahrend der Ubergangsfrist zugelassen sein.2J3 Auch fUr die EinfUhrung der Mehrwertsteuer wurde eine Ubergangsfrist von mindestens 5 Jahren gefordert.
Der Verband der ErdOlverarbeitenden Industrie (ASERPETROL) pladierte fUr eine
Ubergangsfrist von sieben Jahren, wahrend der sowohl Importquoten als auch ein Importzoll fUr Erdolprodukte gelten solle.214 Die Anpassung des Sektors sollte in der
Form ablaufen, daB "sowohl die nationalen als auch die verschiedenen innerhalb des Sektors vertretenen Interessen geschUtzt werden,,215. FUr die Verhandlungen der Regie
rung mit der EG-Kommission wurde eine Vorgehensweise vorgeschlagen, die sicher
stellt, "obwohl dieses Kriterium offensichtlich nicht offentlich geauBert werden kann, daB die angestrebte Umstrukturierung die groBten Vorteile fUr Spanien, die geringsten Zugestandnisse gegenUber der Gemeinschaft und die scheinbar groBte Ubereinstimmung mit den gemeinschaftlichen Normen und Gesetzen erbringt,,216.
Die Europaischen Gemeinschaften Ubten im Vorfeld des spanischen Beitritts groBen Druck auf Spanien aus, die Hilfeleistungen an die Stahlindustrie zu verringern. Der Prasident des europaischen Ministerrats, Leo Tindemans, wies 1982 darauf hin, daB die spanischen Plane im Stahlbereich inkonsistent mit dem Umstrukturierungsprogramm der EG seien und deshalb kein Datum fUr Spaniens EG-Beitritt festgelegt werden konne.217 Es fand also bereits im Vorfeld zum Beitritt eine Beeinflussung der Reformbestrebungen in Spanien statt.
21J Vgl. Cfrculo de Empresarios (1979): La integracion de Espana en las Comunidades Europeas. Punto de vista del Cfrculo de Empresarios, S. 5.
214 Vgl. ASERPETROL (1983): La adaptacion del sector petrolero espanol ante la adhesion de Espana ala CEE, S. 2f.
215 ASERPETROL (1983): La adaptacion del sector petrolero espanol ante la adhesion de Espana a la CEE, S. 7
216 Ebenda, S. 7. 217 V gl. Howell, T. R. u.a. (1988): Steel and the state. Government intervention and steel's structural
crisis, S. 383.
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4.3.2 WirtschaftIiche Reformen im Zuge des EG-Beitritts
Anhand der Bereiche AuBenhandel, Finanzsystem und industrielle Umstrukturierung wird im folgenden untersucht, wie die im Rahmen des EG-Beitritts festgelegten
Reformschritte umgesetzt wurden.
Trotz des Praferenzabkommens mit den EG von 1970 und nachfolgenden Bestrebungen zum Zollabbau war die spanische Wirtschaft vor dem Beitritt zu den EG
weiterhin durch das hOchste Protektionsniveau innerhalb der OECD gekennzeichnet.218
Der Anteil des AuBenhandels am Bruttoinlandsprodukt betrug 15 %, was gerade einmal einem Drittel des EG-Durchschnitts entsprach. In einer Untersuchung einzelner Komponenten der Handelsschranken fUr spanische Importe machten die Zolle nur 36 % der Protektion aus, wahrend die Kompensationssteuer fUr interne Belastungen219
(ICGI), die den EinfluB der indirekten Besteuerung spanischer Produkte ausgleichen
sollte und auch nach Studien des Sekretariats des spanischen Handelsministeriums eine protektionistische Wirkung hatte,220 tiber 50 % auf sich vereinte.221 Die EinfUhrung der
Mehrwertsteuer direkt im AnschluB an Spaniens EG-Beitritt brachte die Abschaffung dieser Kompensationssteuer mit sich. Neben Zollen existierten auch nichttarifare Handelshemmnisse. Mit dem Beitritt zu den EG war neben dem Abbau der beiden Instrumente der tarifaren Protektion auch die Abschaffung von Kontingenten im Warenverkehr mit der Gemeinschaft verbunden.222 Ftir den freien Warenverkehr mit den EG-Mitgliedsstaaten wurden ab 1. Marz 1986, ausgehend von dem Ausgangszollsatz am 1. Januar 1985, jiihrliche Zollsenkungen zwischen 10 % und 15 % vereinbart, bis zur letzten Zollsenkung auf Null am 1. Januar 1993.223 Ftir die Zollsatze gegentiber anderen Mittelmeeranrainerstaaten, den AKP-Staaten und den Landern des Allgemeinen Praferenzsystems wurde, abgestuft nach sensiblen und nicht sensiblen Produkten, ebenfalls eine Zollsenkung auf Null zum 1. Januar 1993 vereinbart, die jedoch
218 Vgl. OECD (Hrsg.) (1991): OECD economic surveys. Spain, S. 53f. 219 Impuesto de Compensacion de Gravamenes Intcriores 220 V gl. Lopez-Claros, A. (1988): The search for efficiency in the adjustment process: Spain in the
1980s, S. 28. 221 Vgl. Garda, L.; Suarez, C. (1993): Analisis de la protecion exterior de la industria espanola, in:
Moneda y Credito, Nr. 196, S. 235. 222 Artikel42 der Beitrittsakte sah grundsatzlich eine vollstiindige Abschaffung zum 1. Januar 1986 vor,
es wurden jedoch Obergangsfristen fiir eine Reihe von Ausnahmen eingeraumt. Vgl. Tamames, R. (1996): La Union Europea, S. 436f.
223 Vgl. Europaische Gemeinschaften. Der Rat (1985): Akte tiber die Bedingungen des Beitritts des Konigreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Vertrage, in: Dokumente betreffend den Beitritt des Konigreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zu den Europaischen Gemeinschaften, Band I, S. Nd 18ff.
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III den ersten Jahren langsamer erfolgte.224 Die Zollsatze gegentiber Drittlandern sollten sich im gleichen Zeitraum auf das Niveau der EG-Zollsatze verringern. MengenmaBige Ein- und Ausfuhrbeschrankungen zwischen der Gemeinschaft und Spanien wurden zum 1. Januar 1986 abgeschafft.225 Ausgenommen davon waren bis Ende 1988 Kontingente fUr Farbfemseher und bestimmte Landmaschinen sowie bis Ende 1989 Kontingente fUr einige chemische Erzeugnisse, Textilien, Nahmaschinen und Einachs-Ackerschlepper226 • Ftir die weiter bestehenden Kontingente wurde eine jahrliche Ausweitung von annahernd 20 % festgelegt. Eine Untersuchungtiber nichttariftire Handelshemmnisse in Spanien fUr das J ahr 1990 ergab, daB Importkontingente das wichtigste Instrument darstellten, wobei hier vor allem der Textilsektor noch vergleichsweise stark geschtitzt war, auch im Handel gegentiber den EG.227 Die Werte fUr die tibrigen nichttariftiren Handelshemmnisse entsprachen weitgehend den fUr andere OEeD-Lander ermittelten. Die Liberalisierung des AuBenhandels auBerte sich in einem Anstieg des AuBenhandelsanteils am Bruttoinlandsprodukt auf 29 % im Jahr 1990.228 Nach jahrlichen realen Wachstumsraten des spanischen AuBenhandels von 2,3 % im Zeitraum 1980 bis 1985, wurde im Zeitraum 1986 bis 1990 ein jahrliches Wachstum von 6,8 % verzeichnet. AuBerdem lag das Wachstum des spanischen AuBenhandels von 1978 bis 1994 deutlich tiber dem Wachstum des Welthandels.229
Mit dem Beitritt zu den EG ging ein ProzeB der Liberalisierung und Modemisierung des spanischen Finanzsystems einher. Der festgelegte Ubergangszeitraum fUr die Liberalisierung des Kapitalverkehrs betrug sieben Jahre und sollte zum 31. Dezember 1992 abgeschlossen sein?30 Insgesamt waren die Bemtihungen zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs erfolgreich und die MaBnahmen haufig sogar vor den festgelegten Fristen durchgeftihrt worden. Die letzten Schritte zur Abschaffung von Wahrungskontrollen wurden 1992 vollzogen. Der vollsUindigen Anpassung an die EG-Richtlinien stand weiterhin die Bewilligungsvorschrift fUr den Export von Banknoten und
224 Vgl. Arroyo Ilera, F. (1991): EI reto de Europa: Espana en la CEE, S. 79ff. 225 Vgl. Europaische Gemeinschaften. Der Rat (1985): Akte tiber die Bedingungen des Beitritts des
Konigreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Vertrage, S. Nd 27f. 226 Vgl. Europaische Gemeinschaften. Der Rat (1985): Dokumente betreffend den Beitritt des Konig
reichs Spanien und der Portugiesischen Republik zu den Europaischen Gemeinschaften, Band II, Anhang III, d2; Anhang IV, d1-dlO.
227 Vgl. Garcia, L.; Suarez, C. (1993): Analisis de la proteci6n exterior de la industria espanola, in: Moneda y Credito, Nr. 196, S. 254.
228 Vgl. Alonso, 1. A. (1993): EI sector exterior, S. 406f. 229 Gemessen in konstanten Preisen fand in Spanien annahemd eine Verdreifachung des AuGenhandels
stat!, wahrend sich der Urnfang des Welthandels nur etwas mehr als verdoppelte. Vgl. Gordo, E. (1996): La apertura de los mercados intemacionales y el deficit comercial espanol, S. 99.
230 Vgl. European Commission (1995): The economic and financial situation in Spain, S. 215f.
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Seheeks tiber einen Betrag von mehr als 5 Mio. Pta entgegen, falls dieser nieht tiber das Bankensystem erfolgte. Gleiehes galt fUr die im Real Deereto tiber auslandisehe Investitionen aus Landem auBerhalb der EG festgelegte Bewilligungsvorsehrift. Sie betraf von Regierungen getatigte Investitionen sowie Investitionen in den Bereichen Glticksspiel, Femsehen, Rundfunk, Lufttransport und Verteidigung. Der Umfang des Kapitalverkehrs hatte sich dureh die Liberalisierung noehmals deutlieh erhoht. Er stieg beim Kapitalimport von 5 243 Mrd. Pta im Jahr 1992 auf 10 361 Mrd. Pta im darauffolgenden Jahr. Hier ist jedoeh zu beaehten, daB 1993 bei fallenden Zinsen in groBem Umfang mittel- und langfristige staatliehe Sehuldversehreibungen von auslandisehen Investoren naehgefragt wurden.231 Die spanisehen Kapitalexporte stiegen mit 10279 Mrd. Pta im Jahr 1993 auf mehr als das Doppelte gegentiber dem Vorjahr.
In Artikel 52 der Beitrittsakte fUr Spanien und Portugal232 und in einem Protokoll zur Umstrukturierung der spanisehen Eisen- und Stahlindustrie wurde ein Zeitraum fUr die Umstrukturierung von drei Jahren bestimmt.233 Ende 1986 waren bereits 70 % des geplanten Abbaus von 43 000 Arbeitsplatzen in der Eisen - und Stahlindustrie vollzogen?34 AuBerdem wurden in Ubereinstimmung mit der EG-Politik weitergehende Abbauplane in der Eisen- und Stahlindustrie gefaBt.
Finanzielle Unterstiitzung bei der Umstrukturierung lieferten die Strukturfonds der EG, die sieh in fUnf Zielgruppen aufgliederten. Ziel 1 umfaBte die strukturelle Anpassung der Regionen, die einen Entwieklungsriiekstand aufwiesen, und der dafUr eingeriehtete Fonds hatte das mit Abstand groBte Volumen.235 Ftir die Forderperiode 1989 bis 1993 maehte er mit einem Betrag von tiber 44 Mrd. ECU 69 % des Gesamtvolumens der EG-Strukturfonds aus, und Spaniens Anteil an den Mitteln fUr Ziel 1 betrug 25 %. Den von den Strukturfonds fUr Ziel 1 bereitgestellten Mitteln standen in Spanien Investitionen des Staates in gleicher Hohe gegentiber. Die Ziele 2 bis 5 hatten die wirtschaftliehe Umstellung von Industriegebieten mit riieklaufiger Entwieklung, die Bekampfung der Langzeitarbeitslosigkeit, die berufliehe Eingliederung von Jugendliehen sowie die
231 Die ausHindischen Nettokaufe entsprachen knapp 10 % des Bruttoinlandsprodukts und damit annahemd einem Drittel der Bruttokapitalimporte und -exporte im Jahr 1993. Vgl. OEeD (Hrsg.) (1996a): OEeD economic surveys. Spain 1996, S. 19f.
232 Akte tiber die Bedingungen des Beitritts des Kiinigreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Vertrage
233 Vgl. Europaische Gemeinschaften. Der Rat (1985): Protokoll Nr. 10 tiber die Umstrukturierung der spanischen Eisen- und Stahlindustrie, in: Dokumente betreffend den Beitritt des Kiinigreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zu den Europaischen Gemeinschaften, Band III, S. PlO/dl-PlO/d9.
234 Vgl. OEeD (1988): OEeD Economic Surveys. Spain 198711988, S. 36f. m Europaische Union (1995): Die Strukturfonds 1993: Erste Bilanz der Fiirderperiode 1989-1993,
o. Seite.
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Anpassung der Agrar- und Fischereistrukturen und die wirtschaftliche Diversifizierung anfiilliger Hindlicher Gebiete zum Inhalt. Der Plan fUr den Strukturfonds der EG zur Bekampfung der Langzeitarbeitslosigkeit sab fUr den Zeitraum 1994 bis 1999 die Bereitstellung von annahernd 1,5 Mrd. ECU fUr Spanien vor, denen zusatzlich 1,8 Mrd. ECU von spanischer Seite gegeniiberstehen sollten.236 Schwerpunkte innerhalb des Programms waren dabei die Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt und die Integration Langzeitarbeitsloser. Nach Regionen betrachtet, sollten 82 % der geplanten Mittel in die Regionen Madrid, Katalonien und Baskenland flieSen.
4.4 Der EinfluB von auBen auf den polnischen TransformationsprozeB
1m Verlauf der Jahre 1995 und 1996 wurde deutlich, daB die Europaische Union an Bedeutung fUr die Einbeziehung Polens und der anderen Lander Osteuropas in die Weltwirtschaft gewann und andere internationale Organisationen wie die OECD, der IWF und die EBRD im Verhaltnis dazu an EinfluS verloren.237 Es solI nun einerseits untersucht werden, in welcher Form der auslandische EinfluB auf die wirtschaftliche Transformation in Polen stattfand, und andererseits, inwieweit Unterschiede hinsichtlich der Art der EinfluBnahme zwischen den auslandischen Akteuren bestanden.
4.4.1 Die Rolle internationaler Organisationen in der polnischen Transformation
Von Beginn des wirtschaftlichen Umbruchs in Polen an hatten internationale Organisationen, hier insbesondere der IWF und die Weltbank, einen bedeutenden EinfluB auf die Ausgestaltung des Transformationsablaufs. Das wirtschaftliche Stabilisierungsprogramm, welches im wesentlichen mit dem Standardansatz des IWF zur Stabilisierung iibereinstimmte, wurde unter Mithilfe von Experten des IWF erarbeitet.238 1m Marz 1990 bewilligte der IWF einen auf 13 Monate angelegten Stand-by Kredit in Hahe von 545 Mio. Sonderziehungsrechten (SZR) - das entsprach 730 Mio. US-$ - als Zahlungsbilanzhilfe, die in vier vierteljahrlichen Tranchen bis Marz 1991 bereitgestellt wurde. Die Gewahrung des Kredits war abhangig von der Zustimmung des IWF zum Stabilisierungsprogramm. Weitere finanzielle Unterstiitzung fUr das Programm wurde durch den Stabilisierungsfonds der OECD in Hahe von 1 Mrd. US-$ fUr den Ubergang
236 Vgl. European Commission (1996): EC structural funds. Spain. Community support framework 1994-99, S. 26.
237 Vgl. Jacobsen, H.-D. (1997): The European Union's eastward enlargement (European Integration online Papers, Bd. I, Nr. 14), S. I.
238 Vgl. Wilczynski, R. (1994): The role of international financial institutions in Poland's transition to a market economy, S. 37f.
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des Zloty zur InHinderkonvertibilitat gewahrt sowie durch humanitare und Lebensmittelhilfe seitens der EG-Lander im Urnfang von zusammen 220 Mio. US$ in den
Jahren 1989 und 1990.239
Die Gewahrung der Untersttitzung war an Zusagen der polnischen Regierung zur Fortftihrung des eingeschlagenen Transformationskurses gebunden. Die Regierung
Bielecki formulierte ihre wirtschaftspolitischen Zielsetzungen in einem Memorandum zur wirtschaftlichen Reform und zur mittelfristigen Politik flir die Jahre 1991 bis 1993, welches an die Bereitschaftserklarung des IWF angehangt wurde?40 Die darin aufge
flihrten Zielsetzungen der Strukturanpassungspolitik enthielten konkrete Angaben zu den geplanten Fortschritten in der Privatisierung.241 Flir 1991 wurde die Umwandlung von rund 1000 Unternehmen in Kapitalgesellschaften, die Privatisierung von 150
groBen Unternehmen sowie die Verringerung des staatlichen Unternehmenssektors um 15 % genannt und dariiber hinaus die Fertigstellung der wichtigsten Untersuchungen zur Umstrukturierung des Sektors. Flir die beiden darauffolgenden Jahre strebte das Memorandum eine Beschleunigung der Umstrukturierung sowie eine Verkleinerung des staatlichen Unternehmenssektors an. Durch Privatisierungen sollte er auf 50 %
seines Niveaus von 1990 schrumpfen. 1m Bereich der Wettbewerbspolitik waren flir 1991 im wesentlichen die Forderung des privaten GroBhandels und flir 1992/93 eine Steigerung des Wettbewerbs im Angebot agrarischer Inputs sowie der Energie- und Stahlindustrie vorgesehen. 1m Rahmen der Preisliberalisierung und der Subventionspolitik sollten 1991 die Freigabe der Kohlepreise und die Abschaffung der Exportgeblihr flir Kohle erfolgen sowie eine Verringerung der Subventionen im Staatshaushalt von 6 % auf 5 % des Bruttoinlandsprodukts. Flir die Jahre 1992/93 waren eine beginnende Abschaffung der W ohnungs- und Transportsubventionen, eine Ausweitung des Anteils der frei gebildeten industriellen Produzenten- und Konsumentenpreise und die Verringerung der staatlichen Subventionen auf ca. 3 % des Bruttoinlandsprodukts geplant.
Nachdem die im Memorandum festgelegten Ziele Mitte 1991 weit verfehlt worden waren - das Budgetdefizit betrug 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts gegenliber den
vorgesehenen 0,5 % und die jahrliche Inflationsrate lag mit 70 % doppelt so hoch wie vorgesehen - setzte der IWF die finanzielle Unterstiitzung des Stabilisierungs-
239 Vgl. Rosati, D. K. (1992): The stabilization program and institutional reform in Poland, S. 250. 240 Vgl. World Economy Research Institute (Hrsg.) (1991): Poland. International economic report
1990/91, S. 134f. 241 Vgl. Gomulka, S. (1991): Polish economic reform: principles, policies and surprises (Centre for
Economic Performance, discussion paper No. 51), London, S. 26f.
132
programms aus.242 Aus demselben Grund wurde die ebenfalls mit dem IWF im April 1991 unterzeichnete Ubereinkunft tiber die sogenannte erweiterte Fondsfazilitat mit dreijiihriger Geltungsdauer ausgesetzt. Sie hatte finanzielle Mittel im Umfang von rund 2,5 Mrd. US-$ bereitgestellt, davon 765 Mio. US-$ fUr die Finanzierung eventueller PreiserhOhungen fUr Olrohstoffe. 1m Verlauf des Jahres 1992 wurden Verhandlungen tiber eine emeute Ubereinkunft mit dem IWF gefUhrt.
Gtinstig auf die EinfluBnahme der internationalen Organisationen wirkte sich die hohe Verschuldung Pol ens gegentiber dem westlichen Ausland aus. Denn die im Pariser Club der westlichen Glaubigerlander und im Londoner Club der westlichen Glaubigerbanken vereinbarten Schuldenerlasse und -umschichtungen dienten als Druck- bzw. Anreizmittel fUr die Einhaltung der formulierten Vorgaben. Nachdem eine auf ein Jahr angelegte Aufschubvereinbarung Anfang 1991 abgelaufen war, ktindigte im Marz der Pariser Club an, Pol ens Schulden gegentiber den westlichen Regierungen urn mindestens die Balfte zu verringem.243 Das Inkrafttreten der Vereinbarung war abhangig von der Unterzeichnung der Bereitschaftserklarung durch den IWF. Am 10. Marz 1994 unterzeichnete Polen ein Abkommen mit den westlichen Glaubigerbanken, das eine Reduzierung der polnischen privaten Verschuldung von 13,2 Mrd. US-$ urn 45,2 %
zum Inhalt hatte.244 Dessen Wortlaut stand in Ubereinstimmung mit den Regeln des Ende der 1980er Jahre entwickelten Brady_Planes245 , der eine Verringerung der Schulden- und Zinsbelastung ftir diejenigen Lander vorsah, die von IWF und Weltbank genehmigte wirtschaftliche Reformen durchfUhrten. Ziel der MaBnahmen war die Ankurbelung von Auslandsinvestitionen. Die Unterzeichnung des Abkommens errnoglichte es Polen, in die Gruppe der Lander mit geringem Risiko aufzusteigen. Beide Abkommen waren an die polnische Verpflichtung gekntipft, den eingeschlagenen Transforrnationskurs beizubehalten.
242 Vgl. Wilczynski, R. (1994): The role of international financial institutions in Poland's transition to a market economy, S. 39f.
243 Vgl. World Economy Research Institute (Hrsg.) (1991): Poland. International economic report 1990/91, S. 136f.
244 Vgl. Bossak, J. W.; Kalicki, K. (1994): Poland's agreement with the London Club, S. 20lff. 245 Nach dem US-amerikanischen Finanzminister Nicholas Brady benannt.
133
4.4.2 Die Rolle der EU in der polnischen Transformation
Die Untersuchung des Einflusses der EO bzw. EU auf den polnischen TransformationsprozeB sttitzt sich zunachst auf Form und Umfang der geleisteten finanziellen
Untersttitzung und im AnschluB daran auf den VerhandlungsprozeB und seinen EinfluB auf den TransformationsprozeB.
Die EO-Kommission vertrat von Anfang an die These, daB die Demokratie in den ost
europaischen Reformstaaten nach 1989 nur durch eine Stabilisierung ihrer Volkswirtschaften dauerhaft gesichert werden kann?46 Vor dies em Hintergrund tibertrug der
Weltwirtschaftsgipfel (0-7) in Paris im Juli 1989 der EO-Kommission die Koordinierung der westlichen Hilfe fUr Osteuropa im Rahmen des PHARE247 -Programms. Auf der Basis des PHARE-Programms finanzierten die EO ein Programm zur Farderung kleiner und mittlerer Unternehmen in Polen.248 Es sah insbesondere die Vergabe von Darlehen und Krediten unter Beteiligung lokaler Banken als Mittler, die Schaffung
von Kreditgemeinschaften zur Streuung finanzieller Risiken und die Finanzierung von UntersttitzungsmaBnahmen fUr kleine und mittlere Unternehmen vor. Diese umfaBten Mittel zur Aus- und Weiterbildung, fUr die Einrichtung von Informationszentren, Beratungsunternehmen sowie zur Untersttitzung der Marktforschung und des Handels. Insgesamt wurden im Zeitraum 1990 bis Ende 1995 PHARE-Mittel in Hahe von 1,2 Mrd. ECU fUr Polen bereitgestellt.249 Davon wurden 24 % fUr InfrastrukturmaBnahmen in den Bereichen Energie, Verkehr und Telekommunikation, 16 % fUr MaBnahmen zur Entwicklung des Privatsektors und Untersttitzung fUr Unternehmen sowie jeweils 15 % fUr die Umstrukturierung der Landwirtschaft und fUr BildungsmaBnahmen250 verwendet. Die Mittel fUr 1995 waren dabei Teil eines mehrjahrigen Richtprogramms fUr Polen fUr den Zeitraum 1995 bis 1999, welches die Bereitstellung weiterer Haushaltsmittel in Hahe von 841 Mio. ECU vorsah mit dem allgemeinen Ziel, die Teilnahme Polens am europaischen IntegrationsprozeB zu erleichtern.251
246 Vgl. Schmidhuber, P. M. (1991): Wirtschaftspolitische Uberlegungen der Gemeinschaft zur Restrukturierung Osteuropas, S. 527.
247 Poland and Hungary Assistance for Restructuring the Economy 248 Vgl. Philips-Slavkoff, E.; Rottinger, M. (1991): Die Beziehungen der EG zu den osteuropaischen
Staaten, S. 544f. 249 Vgl. Europaische Kommission (1996): Phare-Programrn lahresbericht 1995, S. 44. 250 Speziell zur Forderung der polnischen Hochschulpolitik wurde das Forderprogramrn "Tempus" ein
gerichtet, welches sich aus PHARE-Mitteln finanziert. 1m Etat fur 1996/97 waren dabei 39 % der Mittel fur den Fachbereich Untemehmensfuhrung und Betriebswirtschaft vorgesehen. Vgl. Komrnission der Europaischen Gemeinschaften (I 997b): Tempus lahresbericht 1996. Phare & Tacis, S. 47.
251 Vgl. Europaische Kommission (1996): Phare-Programrn lahresbericht 1995, S. 29.
134
Nachdem Polen und die EG im September 1988 diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten, wurde ein Jahr spater ein Handels- und Kooperationsabkommen abgeschlossen?52 Auf Grundlage der Meistbegtinstigung sollten die in der Gemeinschaft geltenden mengenmaBigen Beschrankungen fUr Einfuhren aus Polen schrittweise bis 1994 abgebaut werden. Bereits 1990 wurden in Polen Initiativen zur Anpassung der geltenden Vorschriften an die Gemeinschaftsrichtlinien ergriffen und eine Kommission zur Anpassung der polnischen Wirtschaft an die Integrationsprozesse in Westeuropa vom Ministerrat einberufen, die die Umsetzung der Initiativen koordinieren und tiberwachen sollte.253 Nachdem der Europaischen Kommission durch den Europaischen Rat das Mandat zur Eroffnung offizieller Gesprache mit Polen erteilt worden war, begannen diese am 22. Dezember 1990, was gleichzeitig den Beginn der formalen Assoziierungsverhandlungen markierte.254 Das von polnischer Seite verfaBte Memorandum zur Assoziierung sah einen in drei Ph as en unterteilten Ablauf mit einer Gesamtdauer von 8 Jahren vor, mit dem Ziel, die Voraussetzungen fUr einen Beitritt Polens als Vollmitglied zu schaffen.255 In der ersten Phase war die Schaffung einer Freihandelszone vorgesehen, die asymmetrisch mit dem einseitigen vorgezogenen Abbau von Handelsschranken auf EG-Seite erfolgen sollte. In der zweiten Phase sollten die Wirtschaftspolitiken Polens und der EG schrittweise angepaBt werden, und die dritte Phase hatte zum Ziel, eine Zollunion zu errichten und Polen weitgehend in den gemeinsamen Markt zu integrieren. Das von den EG Ende 1990 vorgelegte Konzept sah hingegen die Schaffung einer Freihandelszone in zwei Stufen von je fUnf Jahren vor. Obereinstimmung bestand hinsichtlich der Asymmetrie im Abbau von Handelsschranken. Wahrend in der ersten Stufen der Warenaustausch liberalisiert werden sollte, war fUr die zweite Stufe eine Erweiterung auf den Austausch von Produktionsfaktoren vorgesehen.
1m Dezember 1991 unterzeichneten Polen und die EG das Europa-Abkommen, welches jedoch erst im Februar 1994 in Kraft trat, was auf die schleppende Ratifizierung in den Parlamenten der einzelnen Mitgliedslander zurtickzufUhren war. Die Zustimmung des polnischen Parlaments zum EG-Assoziierungsvertrag erfolgte demgegentiber bereits im Juli 1992 zusammen mit der Entscheidung, eine Kontrollkommission einzurichten, welche die Verwirklichung der Vertragsvereinbarungen tiber-
252 Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften (l997a): Stellungnahme der Kommission zum Antrag Polens auf Beitritt zur Europaischen Union, S. 8.
253 Vgl. Bartsch, U.-P. (1990): Polen stellt sich auf den EG-Binnenmarkt ein, o.Seite. 254 Vgl. World Economy Research Institute (Hrsg.) (1991): Poland. International economic report
1990/91, S. 155. 255 V gl. ebenda, S. 16lf.
135
wachte.256 Wie stark das Intersse auf polnischer Seite und auch auf Seiten der anderen Visegrad-Staaten257 an einer Beschleunigung des Integrationsprozesses war, verdeutlicht das im September 1992 gemeinsam unterbreitete Memorandum, in dem die EGKommission aufgefordert wurde, die Bedingungen flir die Mitgliedschaft zu prazisieren.258 Nachdem die Reaktionen der EG und ihrer Mitgliedstaaten auf das Memorandum nur zurtickhaltend ausfielen, ersuchten die Visegnid-Staaten auf einem Treffen mit dem Europaischen Rat emeut urn eine Konkretisierung der EG-Position u.a. zur Frage der Mitgliedschaft und des Zeitplans flir die Erlangung der Mitgliedschaft sowie zur Beschleunigung der wirtschaftlichen Integration und der finanziellen Zusammenarbeit. Erneut vermied die Gemeinschaft eine klare Stellungnahme mit der Begrtindung, daB der Umfang der anstehenden internen EG-Reform noch unklar sei.
Eine Wende in der Zurtickhaltung der EU deutete sich Mitte 1993 an. Auf der Zusammenkunft des Europaischen Rates in Kopenhagen im Juni 1993 wurde die Gewahrung einseitiger Handelszugestandnisse als ein Zeichen des guten Willens der EU beschlossen.259 Sie umfaBten die Abschaffung der EU-Importzolle flir eine Reihe "sensitiver" Grundstoffe und flir die meisten Industriegliter sowie die Ausweitung der Kontingente flir Industriegliter urn 30 % pro Jabr gegenliber Polen. Dies bedeutete einen unbeschrankten Importhandel mit der EU flir Industriegliter ab Anfang 1995, mit Ausnahme der EGKS- und Textilprodukte. Auch wenn die gemachten Zugestandnisse damit nur geringfligig liber die innerhalb des Europa-Abkommens festgelegten hinausgingen, so wurde mit diesem EntschluB doch ein politisches Signal gesetzt. AuBerdem wurde auf der Zusammenkunft offiziell eine Einigung dartiber erzielt, daB ein assoziiertes Land dann den EG beitreten konnte, wenn es die folgenden V oraussetzungen erflillt:260
• "institutionelle Stabilitat als Garantie flir demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, flir die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten" muB verwirklicht sein;
• es muB eine funktionsfahige und innerhalb der Union wettbewerbsfahige Marktwirtschaft bestehen;
256 Fiir die Ratifizierung des Assoziierungsvertrags hatten 70 % der Abgeordneten gestimmt. Vgl. o.V. (1992): Polens Parlament fiir die EG-Assoziierung, in: NZZ yom 8. Juli 1992.
257 Zu den Visegnid-Staaten gehoren Polen, Ungam, die Tschechische Republik und die Slowakei. 258 Vgl. Malachowski, W. (1996): Polen auf dem Weg zur Mitgliedschaft in der Europaischen Union,
S.41. 259 Vgl. Mayhew, A. (1996): Going beyond the Europe Agreements: The European Union's Strategy for
Accession, S. 15f. 260 Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften (l997a): Stellungnahme der Kommission zum
Antrag Polens auf Beitritt zur Europaischen Union, S. 5.
136
• es muB die Fabigkeit vorhanden sein, die aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen und die Ziele der politischen sowie der Wirtschafts- und Wahrungsunion zu tibemehmen.
AuBerdem wurde in den SchluBfolgerungen von Essen des Europaischen Rats im
Dezember 1994 hervorgehoben, daB die Vorbereitung der Beitrittskandidaten auf einen EU-Beitritt nicht al1ein die Angleichung der Rechtsvorschriften beinhalte, sondem
zudem den Aufbau von Strukturen, die das Greifen der Rechtsvorschriften gewabr
leisten.
Die Europaische Komrnission legte 1995 ein WeiBbuch zur Vorbereitung der Beitrittskandidaten auf die Integration in den Binnenmarkt vor, in dem die zu treffenden MaB
nahmen beztiglich der sogenannten "vier Freiheiten", dem freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital, festgelegt wurden.261 Das WeiBbuch stellte jedoch nur ein Element der von der EU verfolgten HeranfUhrungsstrategie fUr die mittel- und osteuropaischen Lander dar, die sich auf die Europa-Abkommen und den strukturierten Dialog zwischen den assoziierten Landem und der Union stiitZt.262 Die EU tiberrnittelte einen urnfangreichen Fragenkatalog an die mit der Gemeinschaft as soziierten Staaten tiber die Bereiche Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, der binnen drei Monaten zu beantworten war.263 Dieser Schritt wurde als Ausdruck einer von polnischer Seite lange geforderten Konkretisierung der EU-Politik gegentiber den mittelund osteuropaischen Reforrnstaaten gewertet.
Eine Beschleunigung der Anpassung der polnischen Rechtsvorschriften an die der EU fand im Oktober 1996 statt, indem die polnische Regierung einen MinisterausschuB fUr europaische Integration bildete, der aIle Gesetzesvorlagen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht priift. 264 In einer im Sommer 1997 von der Europaischen
Komrnission verfaBten Stellungnahme zum Beitrittsantrag Polens wurde eine ausfUhrliche Beurteilung der politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen fUr einen EUBeitritt vorgenommen, insbesondere des Fortschritts bei der Umsetzung der im WeiBbuch festgelegten MaBnahmen. Von den insgesamt 899 zu treffenden MaBnahmen waren Ende Juni 1997 nach Angaben der polnischen Behorden rund 45 % umge-
261 Vgl. ebenda, S. 39f. 262 Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften (1995): Weissbuch. Vorbereitung der assozi
ierten Staaten Mittel- und Osteuropas auf die Integration in den Binnenmarkt der Union, S. 2f. 263 Vgl. Guz-Vetter, M. (1996): Wie viele Olivenbaume gibt es wohl in Polen?, o.Seite. 264 Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften (l997a): Stellungnahme der Kommission zum
Antrag Polens auf Beitritt zur Europaischen Union, S. 8f.
137
setzt.265 Sie gliederten sich in Richtlinien und Verordnungen unterschiedlicher Dring
lichkeitsstufen in 23 Bereichen.266 Die MaBnahmen der Stufe I mit hochster Prioritat zeichnen sich dadurch aus, daB sie den allgemeinen Rahmen fUr detailliertere Rechts
vorschriften oder grundlegende Verfahren fUr einen bestimmten Sektor schaffen, eine V orbedingung fUr das effekti ve Funktionieren des Binnenmarktes darstellen oder eine besonders lange Vorlaufzeit benotigen?67 Werden nur die Richtlinien und Verord
nungen der Dringlichkeitsstufe I betrachtet, so waren Mitte 1997 bereits 67 % der Richtlinien und 53 % der Verordnungen umgesetzt worden.
In der im Juli 1997 von der EU-Komrnission veroffentlichten "Agenda 2000,,268 wurde
die weitere Strategie beztiglich des Beitritts der assoziierten Lander Mittel- und Osteuropas dargelegt. Zentrales Element dieser Strategie war die weitestgehende Anpassung an den Acquis Communautaire vor dem Beitritt, auch wenn auf die Moglichkeit hingewiesen wurde, in Ausnahmeflillen Ubergangsfristen zu vereinbaren.269 Die Komrnission mahnte in dies em Zusammenhang an, daB trotz der im Rahmen des Bei
tritts zur Welthandelsorganisation und zur OECD270 eingegangenen Verpflichtungen, im Verhaltnis zur EU den Regelungen aus den Europa-Abkommen Vorrang einzuraumen sei.271 Dartiber hinaus war eine Anpassung an die in der Gemeinschaft bestehenden Regelungen im Bereich der staatlichen Hilfen und des Wettbewerbs vorgesehen. Hier sollte die Komrnission bei der Ausarbeitung der Regelungen entweder ihre Zustimmung erteilen oder aber zumindest konsultiert werden.
Nach Auffassung der Komrnission hing der tatsachliche Zeitplan fUr den Beitritt von den Fortschritten in der Anpassung sowie in der Um- und Durchsetzung des Acquis Communautaire ab, die parallel zu den Beitrittsverhandlungen erfolgen sollten. Eine erfolgreiche Erweiterungsstrategie basiere demnach einerseits auf Verhandlungen unter der MaBgabe einer Anwendung des Acquis Communautaire zum Zeitpunkt des Bei-
265 Vgl. ebenda, S. 129ff. 266 Unterschieden wurde in drei Dringlichkeitsstufen, wobei Stufe I die hochste Dringlichkeitsstufe
darstellt. 267 Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften (1995): Weissbuch. Vorbereitung der assozi
ierten Staaten Mittel- und Osteuropas auf die Integration in den Binnenmarkt der Union, Addendum, S. VIII.
268 Communication of the Commission (1997): Agenda 2000, Volume 1. For a stronger and wider union, DOC 97/6 Strasbourg, 15 July 1997
269 Vgl. Communication of the Commission (1997): Agenda 2000, http://europa.eu.intlcomm /dg 1 alagenda2000/enlstrong/22.htm
270 Polen wurde 1995 Mitglied der Welthandelsorganisation, nachdem es seit 1967 dem GATT angehort hatte, und trat 1996 der OECD bei.
271 Diese Ermahnung bezog sich auf Faile, in denen die Anwendung der Meistbegiinstigtenklausel im Widerspruch zu Vereinbarungen des Europa-Abkommens erfolgt war.
138
tritts und andererseits auf Bestrebungen, bereits im Vorfeld des Beitritts einen moglichst groBen Teil der Gemeinschaftsregeln umzusetzen,zn
Als wichtigstes Instrument einer Strategie der versUirkten Beitrittsbemtihungen schlug die Kommission eine "Beitrittspartnerschaft" vor, die aIle Arten der Untersttitzung flir die Durchsetzung von MaBnahmen zur Vorbereitung auf den Beitritt in den jeweiligen Beitrittslandern in einem Programm btindeln sollten.273 Die Ausarbeitung des Programms zur Ubernahme des Acquis Communautaire sollte dabei zusammen mit der Kommission flir jedes Land einzeln erfolgen. 1m Rahmen der Partnerschaft waren prazise formulierte Verpflichtungen von seiten der Beitrittskandidaten, speziell zu den Themenbereichen Demokratie, makrookonomische Stabilisierung und nukleare Sicherheit vorgesehen, sowie ein konkreter Zeitplan flir die Anpassung an den Acquis Communautaire, mit Schwerpunkten auf den von der jeweiligen Seite als vorrangig eingestuften Bereichen. Die Untersttitzung sollte tiberwiegend aus dem PHARE-Programm erfolgen, wobei hier auch Mittel internationaler Finanzinstitutionen flir die Erarbeitung internationaler Standards und die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen einzubeziehen waren. Es war vorgesehen, die PHARE-Mittel als Anschubfinanzierung flir Projekte mit der Europaischen Investitionsbank, der Europaischen Bank flir Wiederaufbau und Entwicklung und der Weltbank zu verwenden. Entsprechende Rahmenabkommen mit dies en Institutionen sollten dazu von der Kommission abgeschlossen werden. Mit 70 % sollte der tiberwiegende Teil der PHARE-Mittel in Investitionen flieBen. Auf der Tagung von Luxemburg im Dezember 1997 entschied der Europaische Rat, ab Ende Marz 1998 mit flinf mittel- und osteuropaischen Landern274 , darunter Polen, konkret tiber den Beitritt zur EU zu verhandeln.275
272 Vgl. Communication of the Commission (1997): Agenda 2000, http://europa.eu.intlcomm Idg I alagenda2000/enlstrongl23.htm
273 Vgl. Communication of the Commission (1997): Agenda 2000, http://europa.eu.intlcomm Idg I alagenda2000/enlstrongl23 .htm
274 Zu diesem Kreis der engeren Beitrittskandidaten gehiirten Polen, Ungarn, die Tschechische Republik, Slowenien und Estland. Die iibrigen beitrittswilligen Reformstaaten Lettland, Litauen, Slowakei, Rumanien und Bulgarien wurden jedoch ebenfalls in die Ausarbeitung des Erweiterungskonzepts und die Zuteilung der Finanzhilfen einbezogen. Die Vorgehensweise ermiiglicht es dies en Uindern dariiber hinaus, zu einem spateren Zeitpunkt jederzeit in konkrete Verhandlungen mit der EU zu treten. Vgl. o. V. (l998a): Europaische Union. Zwei GroBereignisse, S. 4.
275 Vgl. Lippert, B. (1998): Der Gipfel von Luxemburg: StartschuB fiir das Abenteuer Erweiterung, S.12.
139
Almlich wie in Spanien gestaltete sich die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie schwierig. Die im Europa-Abkommen fUr 1997 festgelegte Reduzierung des ImportzolIsatzes von 9 % fUr Stahlprodukte aus der EU auf 3 % war im Oktober 1996 nach Verhandlungen der polnischen Regierung und der EU-Kommission urn ein Jahr verschoben worden.276 Darin verpflichtete sich die polnische Regierung, ein Konzept fUr die Umstrukturierung des Stahlsektors auszuarbeiten, welches durch Finanzhilfen der EU in Hohe von 3 bis 4 Mrd. US-$ untersttitzt werden solIte. Nachdem im Verlauf des Jahres 1997 keine Ansatze auf polnischer Seite zu erkennen waren, mahnte die EU-Kommission die Vorlage eines konkreten Konzepts an, welches prazise Angaben tiber die Reduzierung der ProduktionskapaziUlten, den Abbau von ArbeitspHitzen und die Bewaltigung der sozialen Folgen im Stahlsektor enthalten solIte. Davon wurde die Oewahrung finanzielIer Hilfen der EU abhangig gemacht. Der nach den Parlamentswahlen von 1997 erneut als Vizepremier in der Regierung vertretene Leszek Balcerowicz sprach sich vor dem Hintergrund eines fruhen EU-Beitritts fUr eine rasche Privatisierung des Kohle- und Stahlsektors aus, auch wenn im Zuge des sen einige Betriebe stillgelegt werden mtiBten.277
4.5 Die Durchsetzung der Projekte im Vergleich
In den vorangegangenen Abschnitten wurden die jeweiligen Regierungen als Akteure, die die Umsetzung wirtschaftlicher Umgestaltungsprojekte vollzogen, und die internationalen Organisationen bzw. die EO als Akteure, die diesen ProzeB beeinfluBten, untersucht. Hier solI anhand des Vergleichs zwischen der Reformtatigkeit der verschiedenen Regierungen in Spanien und der verschiedenen Regierungen in Polen herausgestelIt werden, welche Faktoren bei der Umsetzung der wirtschaftlichen Umgestaltungsprojekte von Bedeutung waren. Analog dazu solIen dariiber hinaus die auBeren Einfltisse durch internationale Organisationen sowie die EO bzw. die EU verglichen werden.
Zunachst wird ein Vergleich zwischen den beiden Regierungen in Spanien, der UCD und dem PSOE, gezogen. Die UCD konnte in der Zeit bis Anfang 1979, untersttitzt durch den in den Monc1oapakten geschlossenen Konsens und die vereinbarten MaBnahmen schnelle anfangliche Erfolge sowohl in der Stabilisierungspolitik als auch in
T/6 Nach einer fUr 1998 vorgesehenen Verringerung auf 3 % soli der Importzoll fUr EU-Stahlprodukte 1999 ganz wegfallen. Vgl. Vetter, R. (1997): Hangepartie in Polens Stahlindustrie, o. Seite.
277 Vgl. Baron, S.; Heckel, M. (1998): "Druck ist wiinschenswert". Der polnische Vizepremier Balcerowicz tiber den EU-Beitritt seines Landes und das deutsch-polnische Verhiiltnis, S. 38f.
140
der Reform einzelner Institutionen, beispielsweise des Steuersystems erreichen.278
Diese Phase auBergewohnlicher Politik war nicht zuletzt durch den bis Ende 1978 dauemden ProzeB der Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung bestimmt worden, der ebenfalls durch intensive Verhandlungen in einen Konsens mtindete. Die damit angestrebte Konsolidierung der Demokratie in Spanien war als gemeinsames oberstes Ziel der politis chen Krafte formuliert worden. Nach Verabschiedung der Verfassung im Dezember 1978 lieB die zuvor bestehende Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen den politischen Parteien stark nach, was gleichzeitig das Ende der auBergewohnlichen Politik in Spanien einleitete. Nachdem der Versuch gescheitert war, einen emeuten Konsens in der Wirtschaftspolitik herzustellen, und die UCD in den vorgezogenen Parlamentswahlen von 1979 wiederum keine absolute Mehrheit erringen konnte, traten im weiteren Verlauf zunehmend Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Reformen auf. Dies auBerte sich in der mangelnden Weiterftihrung der Steuerreform und im Wechsel der industriepolitischen Strategie. Wahrend in den Moncloapakten auf Drangen der Regierung aktive industriepolitische MaBnahmen mit dem Hinweis darauf ausgeklammert blieben, daB die Umstrukturierung im wesentlichen tiber eine restriktive Geldpolitik ablaufen solIe, griff der Staat im weiteren Verlauf in den ProzeB der Umstrukturierung ein, indem er tiber die Bestimmung der Politik des INI durch Beteiligungen den Zusammenbruch verlustreicher Untemehmen verhinderte. Zusatzlich erschwert wurde die Umsetzung von ReformmaBnahmen dabei durch den 1979 einsetzenden zweiten Olpreisschock, der die Krise in der spanischen Industrie weiter verscharfte.
1m Gegensatz zur UCD, die als Minderheitsregierung ein schwaches Mandat hatte, trat der PSOE Ende 1982 die Regierung mit einer absoluten Mehrheit an. Dieser Unterschied schlug sich sowohl in der Politik der industriellen Umstrukturierung als auch in der Vorgehensweise zur Bewaltigung der Bankenkrise nieder. In beiden Fallen handelte die neue Regierung entschiedener und setzte sich tiber bestehende Widerstande hinweg. Mit dem mittelfristigen Wirtschaftsprogramm stellte der PSOE ein Programm auf, welches sich in seiner Ausgestaltung sehr eng an die Inhalte der Moncloapakte anlehnte. 279 Ein unterstiitzendes Element stellten auBerdem die Fortschritte in den EGBeitrittsverhandlungen dar, im Zuge derer die Regierung zur Ausarbeitung eines konkreten Plans zur industriellen Umstrukturierung verpflichtet wurde. Entscheiden den EinfluB hatten die EG dariiber hinaus bei der EinfUhrung der Mehrwertsteuer in Spanien, die bereits kurz vor Antritt der PSOE-Regierung fUr den Zeitpunkt des EGBeitritts festgelegt worden war. Denn die damit verbundene Abschaffung des alten
278 Vgl. KapiteI4.1.1. S. 87. 279 Vgl. KapiteI4.1.2. S. 96.
141
Systems der "Kompensationssteuer flir interne Belastungen", die eine drastische Senkung des Protektionsniveaus mit sich brachte, traf auf starken Widerstand aller spanischen Unternehmen.
1m Unterschied zu Spanien war in Polen in der Frage der wirtschaftlichen Reform kein Konsens in den Vereinbarungen am "Runden Tisch" erreicht worden. Das Btirgerkomi tee in der Regierung Mazowiecki hatte mit 35 % der Parlamentssitze auch formal kein starkes Mandat.280 Folgende Uberlegungen sprechen jedoch daflir, daB die Regierung dennoch durchsetzungsstark war:
l. Die PV AP befand sich Ende 1989 im ProzeB der Auflosung, die Anfang 1990 volIzogen wurde. Dadurch existierte weder innerhalb der Regierung noch auBerhalb eine starke Opposition gegentiber radikalen marktwirtschaftlichen Reformen.
2. Die erhOhte Bereitschaft, in Krisensituationen radikale Veranderungen hinzunehmen, auBerte sich in Polen sehr deutlich an der Beliebtheit des Ministerprasidenten Mazowiecki.281 Bei Meinungsumfragen in der polnischen BevOlkerung stieg der Anteil der Befragten, die dem Ministerprasidenten vertrauten von 58 % kurz nach seinem Machtantritt bis auf 91 % im Februar 1990, direkt nach Einleitung der "Schocktherapie". Die hohen Beliebtheitswerte der Regierung Mazowiecki ersetzten damit das formal schwache Mandat der Reformkrafte.
3. Die wirtschaftliche Krise in Polen im Herbst 1989 war im Vergleich zu Spanien wesentlich ausgepragter. Wahrend in den Verhandlungen am "Runden Tisch" noch die Demokratisierung im Zentrum der Verhandlungen gestanden hatte, war nun die Uberwindung der Wirtschaftskrise und der Ubergang zu einem marktwirtschaftlichen System das oberste Ziel der Entscheidungstrager. Auch wenn kein expliziter Konsens in der Frage der wirtschaftlichen Transformation zustandekam, so bestand dennoch Ubereinstimmung hinsichtlich der allgemeinen Zielsetzung.
1m Unterschied zu Spanien, wo die Uberwindung der wirtschaftlichen Krise als wichtiger Schritt zur Konsolidierung der Demokratie gesehen wurde, stellte sie in Polen ein eigenstandiges, zentrales Element der Politik dar. Dieser Unterschied wird unter anderem daran deutlich, daB in Spanien die Verabschiedung der Verfassung weitgehend flir das Ende der auBergewohnlichen Politik verantwortlich war, wahrend es in Polen tiberwiegend wirtschaftliche Beweggrtinde waren, beispielsweise die Erfolge bei der
280 Mit dem Erringen von nahezu 100 % der in freier Wahl ermittelten Sitze hatte die faktische Legitimation des Biirgerkomitees bzw. Delegitimation der PV AP jedoch kaum hoher ausfallen konnen.
281 Vgl. Bingen, D. (l990a): Reformpolitik in Polen, S. 316.
142
Eindammung der Ende 1989 vierstelligen jahrlichen Inflationsrate auf eine zweistellige im ersten Halbjahr 1990, die den Ubergang zur gewohnlichen Politik bewirkten. Dies
scheint auch durch den langen ProzeB bis zur Verabschiedung einer Verfassung in Polen bestatigt zu werden.282 Nach Annahme einer sogenannten "kleinen Verfassung"
im Oktober 1992 konnte die neue Verfassung erst im April 1997 verabschiedet werden?83
Die Tatsache, daB in beiden Landern eine kurze Phase auftrat, in der auBergewohn
liche Politik betrieben werden konnte, spricht in beiden Fallen fUr die schnelle Durchsetzung weiter Teile der geplanten Veranderungen. 284 Eine soIehe V orgehensweise
wird dadurch erleichtert, daB bereits konkrete Festlegungen in den Programmen zu moglichst allen Bereichen enthalten sind. So konnten beispieisweise in Spanien grundlegende gesetzliche Anderungen im Steuersystem, wie die EinfUhrung der Einkommen- und der Korperschaftsteuer, rasch durchgesetzt werden. Andererseits waren vor all em in Bereichen, in denen keine konkreten Vorgaben gemacht wurden,
Schwierigkeiten bei der Durchsetzung aufgetreten. Das betraf in Spanien die industrielle Umstrukturierung und in Polen die Privatisierung. Da es sich bei den Elementen der institutionellen Umgestaltung zumeist urn komplexere Themenbereiche handelt, ist hier die Wahrscheinlichkeit hoch, daB in den wirtschaftlichen Umgestaltungsprogrammen keine konkrete Festlegung erfolgt, was sornit ihre nachfolgende Umsetzung
erschweren durfte.
Es hat sich auBerdem anhand der Durchsetzung der Programme in Spanien und Polen gezeigt, daB die einzelnen Komponenten wirtschaftlicher Umgestaltungsprogramme, Stabilisierung, rnikrookonornische Liberalisierung und institutionelle Umgestaltung, nicht unabhangig voneinander waren. In beiden Landern trat eine Situation ein, in der sich anflingliche Erfolge in der Stabilisierungspolitik, die als notwendige Bedingung
282 Dieser Unterschied scheint, angesichts des deutlich hoheren Lebensstandards in Spanien im Vergleich zu Polen, fiir die These von Lipset zu sprechen, daB wirtschaftliches Wachstum Demokratie begiinstigt. Er kann jedoch angesichts der ausgepragten Krisensituation in Polen und der Besonderheiten der Transformation nicht als Beleg der Lipset'schen These herangezogen werden. So klammem auch Lipset/SeongITorres ausdriicklich die Lander Mittel- und Osteuropas aus ihrer 1993 veroffentlichten Untersuchung iiber junge Demokratien aus. Vgl. Lipset, S. M.; Seong, K.-R.; Torres, J. C. (1993): A comparative analysis of the social requisites of democracy, S. 156.
283 Vgl. Ziemer, K. (1998): Die Konsolidierung der polnischen Demokratie in den neunziger Jahren, S.32.
284 In diesem Zusammenhang wird haufig vom "Rubikon" der Veranderungen gesprochen, der iiberschritten werden miisse.
143
fUr die Umsetzung der anderen MaBnahmen genannt worden war,285 hemmend auf die Reformbestrebungen in den anderen Bereichen auswirkten.
Vor dem Hintergrund der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Komponenten wirtschaftlicher Umgestaltungsprojekte laBt sich schlieBlich ein Vergleich in der EinfluBnahme zwischen internationalen Organisationen und den EO ziehen. Dies wird vor allem am Beispiel Polens deutlich. Denn in Spanien hat sich wohl gezeigt, daB die EO einen starken EinfluB auf die Reformtatigkeit austibte, die internationalen Organisationen waren hingegen, anders als noch beim Stabilisierungsplan von 1959, nicht direkt in die Umsetzung von MaBnahmen einbezogen. Zu Beginn des politis chen und wirtschaftlichen Umbruchs in Polen spielte der IWF eine tiberragende Rolle, sowohl bei der Ausarbeitung als auch bei der Umsetzung des stabilisierungspolitischen Teils des Transformationsprogramms, der dartiber hinaus auch Aspekte der Liberalisierung bertihrte. Die Oewahrung finanzieller Untersttitzung in Form des Stand-by Kredits war gekoppelt an die im Memorandum der Regierung gemachten Zusagen, am eingeschlagenen Kurs festzuhalten. Oleiches galt auch fUr den EinfluB der Weltbank, we1che die Oewahrung des Strukturanpassungskredits ebenso mit der ErfUllung der im Memorandum gemachten Zusagen verkntipfte. 1m Vergleich zum IWF legte die Weltbank groBeres Oewicht auf strukturelle Aspekte. Beide Institutionen besaBen tiber die hohe Auslandsverschuldung Polens ein zusatzliches Druckmittel. Es hat sich gezeigt, daB der Umfang der finanziellen Untersttitzung von seiten der EO, die hauptsachlich tiber das PHARE-Programm abgewickelt wurde,286 nicht sehr groB war. Der wesentliche Unterschied gegentiber den beiden international en Organisationen bestand jedoch hinsichtlich der Ablaufe. Wahrend IWF und Weltbank nach AbschluB der Stabilisierung und wesentlicher Teile der Liberalisierung an Bedeutung verloren, nahm der EinfluB der EO im Zuge der Bestrebungen tiber die Einleitung von Beitrittsverhandlungen zu. 1m Zentrum dieses Prozesses stand und steht, wie auch im Falle Spaniens, die mit einem Beitritt verbundene Ubernahme des gesamten EU-Regelwerks, des Acquis Communautaire. Die im V orfeld vollzogene Anpassung an den Aquis fUhrte zu umfangreichen institutionellen Anderungen. Da es sich bei den Beitrittsverhandlungen urn einen langeren ProzeB handelt, trug er dazu bei, die Reformbestrebungen im beitrittswilligen Polen zu stabilisieren. An Bedeutung gewann der VerhandlungsprozeB mit den EO somit dann, als die Phase der auBergewohnlichen Politik vortiber und die schwerwiegendsten Auswirkungen der Wirtschaftskrise tiberwunden waren. Mit entscheidend fUr den ausgepragten Wunsch der Beitrittskandidaten dtirften auch die aus
285 Vgl. o. V. (1991): Das Wirtschaftsprogramm. Hauptgrundlagen und Richtlinien, S. 10; Presidencia del Gobierno (1977): Los Pactos de la Moncloa, S. 473.
286 Vgl. KapiteI4.4.2, S. 134.
144
einem Beitritt zu erwartenden Vorteile sein. Verschiedene Untersuchungen zu den Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft fUr die polnische Wirtschaft kommen zu dem Ergebnis, daB diese sich vorteilhaft auswirken wird.287 Die Anpassungserfordemisse fUr Polen sind dabei im Vergleich zu Spanien nicht allein deshalb wesentlich umfangreicher, weil sich die Ausgangssituation der beiden Lander unterschiedlich gestaltete, sondem auch aufgrund der gestiegenen Anforderungen, die sich aus dem Acquis Communautaire ergeben?88 Wahrend zum Zeitpunkt des spanischen Beitritts am l.
Januar 1986 allgemein die Schaffung eines gemeinsamen Marktes fUr das Jabr 1992 geplant war, miissen die mittel- und osteuropaischen Beitrittslander die im Vertrag von Maastricht festgelegten Konvergenzkriterien fUr die Wirtschafts- und Wahrungsunion erfiillen.
287 So kommt eine Studie des DIW fUr die ostmitteleuropaischen Lander zu dem Ergebnis, daB der Beitritt zur EU zu einer Erhohung der jahrlichen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts zwischen 0,3 und 0,7 Prozentpunkte fUhren wird. Vgl. Weise, C. et al. (1997): Ostmitteleuropa auf dem Weg in die EU - Transformation, Verflechtung, Reformbedarf, S. 177f.
288 Vgl. Hardes, H.-D.; Stupp, S. (1996): Die Integrationserfahrungen Stideuropas: Wirtschaftlicher Wegweiser fUr eine Osterweiterung der Europaischen Union?, in: Osteuropa Wirtschaft, S. 380f.
145
5 Auswirkung der Reform bzw. Transformation auf die Wirkungsweise der Wirtschaft
5.1 Modernisierungstendenzen in der spanischen Wirtschaft seit Ende der 1970er Jahre
1m folgenden Abschnitt solI untersucht werden, inwieweit die Reforrnbestrebungen zu einer Modemisierung der spanischen Wirtschaft beitrugen. Ein wichtiger Anhaltspunkt ist dabei die Betrachtung des spanischen AuBenhandels, der die intemationale Wettbewerbsfahigkeit der Wirtschaft widerspiegelt. Besonderes Augenmerk solI auf die Entwicklung des spanischen AuBenhandels fUr Industriegiiter gelegt werden.
5.1.1 Die Entwicklung des spanischen Au6enhandels fiir Industriegiiter
Das am sUirksten wachsende Segment im Wachstum des Welthandels nach 1945 war der intraindustrielle Handel. 1 Dies war vor allem im Handel zwischen IndustrieHindem zu beobachten und wurde durch die versUirkte Liberalisierung des AuBenhandels sowie die infolge des Einkommenswachstums sUirkere Nachfragedifferenzierung in dies en Uindem ausge16st. Intraindustrieller Handel bezeichnet den Handel zwischen zwei Wirtschaftsraumen mit Industriegiitem der gleichen Warenkategorie. Ein Vergleich der Handelsverflechtungen fUr Industriegiiter mit anderen Landem fUr das Jahr 1983, gemessen mit dem Finger-DeRosa-Koeffizienten (FDRK) der Handelsiiberschneidungen als MaB fUr den Umfang intraindustriellen Handels, zeigt, daB in Spanien noch deutlich starker interindustrieller Handel vorherrschte, als in den EG-Mitgliedslandem?
J Vgl. Buchheim, C. (1994): Industrielle Revolutionen. Langfristige Wirtschaftsentwicklung in Grol3-britannien, Europa und in trbersee, S. 36.
2 Der Finger-DeRosa-Koeffizient der HandeIsiiberschneidungen (FDRK) berechnet sich wie folgt:
Tabelle 5.1: Intraindustrieller Handel Spaniens mit den Mitgliedstaaten der EG im Zeitraum 1979 bis 1994
Jahr Finger-DeRosa Veranderung ggii. Saldo der Ex - und
Koeffizient Vorjahr (%) Importe (SITC-
Gruppe 5-8, Mio. US-$)
1979 0,653 -- 934,6
1980 0,675 +3,4 695,5
1981 0,663 - 1,8 1329,6
1982 0,734 + 10,6 1 734,3
1983 0,640 - 12,7 -486,1
1984 0,638 -0,4 389,9
1985 0,662 +3,8 355,2
1986 0,695 + 5,0 -2340,8
1987 0,741 + 6,6 -6450,7
1988 0,756 + 2,0 -9180,9
1989 0,747 - 1,1 -11 831,9
1990 0,729 - 2,4 -13 697,3
1991 0,706 - 3,2 -13 720,4
1992 0,733 +3,9 -14866,3
1993 0,751 +2,4 -6845,3
1994 0,748 -0,4 -6366,0
Quelle: GECD. Department of Economics and Statistics (Hrsg.): Foreign trade by
commodities, Series C, verschiedene Jahrgange, eigene Berechnungen
iLmin(Xi'Mj)
FDRK= i(x j +M j ) ,
wobei Xj die Exporte und M j die Importe def Warengruppe i bezeichnen. Vgl. Donges, J. B.;
Schatz, K.-W. (1985): The Iberian countries facing EC-membership: Starting conditions for their industry, in: Weltwirtschaftliches Archiv, S. 764ff.
148
Wahrend 1983 die neun EG-Lander - auBer Griechenland - einen Koeffizientenwert von 0,985 im Handel untereinander erreichten, lag der Wert fUr den Handel Spaniens mit diesen Uindern bei 0,640 und damit noch deutlich tiber den Werten fUr den Handel mit anderen Uindern. Tabelle 5.1 zeigt die Entwicklung des Koeffizienten3 sowie die Handelsbilanz fUr Industriegiiter der Kategorie 5 bis 8 der Standard International Trade Classification (SITC) im Zeitraum von 1979 bis 1994 mit den Mitgliedsstaaten der EG. In den Jahren von 1979 bis 1985 unterlag der Koeffizient starken Schwankungen, ohne erkennbare Steigerungstendenz. Dies anderte sich bis zu einem gewissen Grade im darauffolgenden Zeitraum mit dem Beitritt Spaniens zu den EG.
Der Beitritt Spaniens zu den EG im Jahr 1986 fUhrte zu positiven Erwartungen tiber die zuktinftige wirtschaftliche Entwicklung, was zu einem Anstieg des privaten Konsums und somit auch der inlandischen Nachfrage fUhrte. 4 Dariiber hinaus wurden, vor allem in den Jahren 1985/86, umfangreiche Investitionen zur Erneuerung der Produktionsanlagen und Umstellung der ProduktionsabIaufe aufgrund der bevorstehenden Offnung des spanischen Marktes getatigt. Die Mittel fUr Investitionen flossen dabei zu einem groBen Teil in Form von auslandischem Kapital nach Spanien. Ein Schwerpunkt der Investitionstatigkeit lag auf der besseren technischen Ausstattung der Betriebe. In den Jahren 1985 bis 1988 war dann auch ein starkes Ansteigen des Koeffizienten und damit des AusmaBes intraindustriellen Handels mit den EG-MitgliedsIandern zu verzeichnen. Uberraschenderweise war jedoch in den Jahren 1989 bis 1991 ein Rtickgang des Koeffizienten zu beobachten. Danach scheint er sich auf einen Wert urn 0,75 zu stabilisieren, der jedoch noch deutlich unter dem Wert der anderen EG-Mitgliedsstaaten liegt.
Wie in Kapitel 4.3 dargestellt, war mit dem Beitritt Spaniens zu den EG die schrittweise Eingliederung in die bestehende Zollunion und Freihandelszone verbunden. Bis Ende 1992 war dieser ProzeB abgeschlossen und Spanien hatte seine Zollsatze gegentiber Mitgliedslandern abgeschafft sowie diejenigen gegentiber DrittIandern dem gemeinsamen EG-AuBenzoll angepaBt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach den handelsschaffenden und den handelsumlenkenden Effekten, die mit einem Beitritt zu einer Zollunion und Freihandelszone verbunden sind.s Denn einerseits ist durch den allgemeinen Abbau von Handelsschranken ein zusatzlicher Anstieg im AuBenhandel - also die Schaffung von Handel - zu erwarten, andererseits deutet die
3 Berechnet auf zweistelliger SITC-Ebene. 4 Vgl. Myro Sanchez, R. (1993): La industria, de la autarqufa a la integraci6n en la CE, in: Garcia
Delgado, J. L. (Hrsg.): Espana. economia, S. 323ff. 5 Vgl. Glismann, H. H. et al. (1992): Aul3enhandels- und Wahrungspolitik, S. 106f.
149
Asymmetrie in der Handelsliberalisierung auf eine Verlagerung der Handelsstrome hin. Es wird deshalb im folgenden zunachst untersucht, wie sich der intraindustrielle Handel gegeniiber den iibrigen OECD-Landem entwickelt hat. Daran schlieBt sich eine Betrachtung des spanischen Handelsvolumens von Industriegiitem mit der OECD an.
Tabelle 5.2: Intraindustrieller Handel Spaniens mit den Staaten der OECD (au6er EG) im Zeitraum 1979 bis 1994
Jahr Finger-DeRosa Veranderung ggii. Saldo der Ex- und Koeffizient Vorjahr (%) Importe (Gruppe 5-
8, Mio. US-$)
1979 0,498 -- 168,4 I I
1980 0,531 + 6,6 676,5
1981 0,503 - 5,4 335,1
1982 0,551 + 9,5 854,8
1983 0,404 - 26,6 -1296,6
1984 0,340 - 1,1 -179,1
1985 0,439 + 10,0 -574,0
1986 0,438 -0,4 -2071,0
1987 0,432 - 1,4 -3320,7
1988 0,340 - 8,1 -5303,9
1989 0,383 -3,4 -7177,2
1990 0,407 + 6,3 -8435,6
1991 0,442 + 8,6 -9019,0
1992 0,497 + 12,3 -8676,1
1993 0,530 + 6,6 -6036,0
1994 0,563 + 6,2 -5493,8
Quelle: OECD. Department of Economics and Statistics (Hrsg.): Foreign trade by commodities, Series C, verschiedene Jahrgange, eigene Berechnungen
150
Fur den Zeitraum von 1979 bis 1985 zeigen Tabelle 5.1 und Tabelle 5.2 jeweils gleichgerichtete Veranderungen des Koeffizienten im Handel mit den EG- und den ubrigen OECD-Staaten, wobei auch bei letzteren kein Trend in der Entwicklung des FDRK auszumachen ist. Der Vergleich zur Entwicklung des intraindustriellen Handels mit den EG zeigt jedoch zum einen das geringere Ausgangsniveau des Koeffizienten, zum anderen die ausgepragteren Schwankungen im Handel mit den restlichen OECDStaaten. Nicht zuletzt der enorme Ruckgang des Koeffizienten urn 26,6 % im Jahr 1983, der ebenso wie im Handel mit den EG von einem Wechsel zu einem Handelsbilanzdefizit fUr Industriegiiter begleitet wird, war ausschlaggebend dafUr, daB der Wert fUr 1985 unter demjenigen fUr 1979 lag.
In den ersten Jahre nach dem Beitritt Spaniens zu den EG, die einen deutlichen Anstieg des Koeffizienten im Handel mit den anderen Mitgliedsstaaten der EG zeigten, war fUr den Industriegiiterhandel mit den restlichen Landem der OECD, wie in Tabelle 5.2 deutlich wird, eine gegenlaufige Entwicklung zu verzeichnen. Dies mag einerseits mit dem steigenden Defizit im Industriegiiterhandel mit diesen Landem in Zusammenhang stehen, kann aber auch Ergebnis einer Handelsumlenkung infolge des EG-Beitritts sein. Erst zu Beginn der 1990er Jahre ist eine annahemd gleichgerichtete Entwicklung des Koeffizienten zu beobachten.
Fur eine Beurteilung der AuBenhandelsentwicklung mit Industriegutem ist die Betrachtung des Verflechtungsgrades allein jedoch nicht ausreichend, da ein hoher Verflechtungsgrad bei geringem Umfang keine entscheidenden Impulse fUr die Wirtschaft erwarten liiBt. Deshalb soll zusatzlich die Entwicklung des Handelsvolumens, also der spanischen Ex- und Importe, fUr Industrieguter betrachtet werden. Auch hier zeigt sich fUr die Jahre von 1979 bis 1985 kein eindeutiger Trend, bei gleichzeitig sehr ausgepragten Schwankungen. Wie Tabelle 5.3 zeigt, ist der Anteil des AuBenhandels mit den EG-Staaten am AuBenhandel mit der OECD rUcklaufig.
Deutlich zeigt sich der Anstieg im Handelsvolumen mit Industriegutem im AnschluB an den Beitritt zu den EG. Der steigende Anteil des Handelsvolumens mit den Mitgliedsstaaten der EG ist Zeichen einer Handelsumlenkung, die jedoch vor dem Hintergrund einer insgesamt stiirkeren Handelsintegration stattfand.
151
I
Tabelle 5.3: Das Handelsvolumen Spaoiens fUr Industriegtiter (SITe 5·8) im Zeit· raum 1979 bis 1994
OEeD (inkl. EG) EG
Jahr Handelsvolumen Verand. Handelsvolumen Verand. ggii. Anteil am : in Mio. US-$ ggii.Vorjahr in Mio. US-$ Vorjahr in % Handelsvol.
in % OEeD in %
1979 18568,0 -- 13808,2 -- 74,4
1980 22368,3 20,5 16859,5 22,1 75,4
1981 20444,1 -8,6 14580,1 -13,5 71,3
1982 21 487,7 5,1 15658,9 7,4 72,9
1983 19 168,5 -10,8 13 690,8 -12,6 71,4
1984 21 768,4 13,6 15497,9 13,2 71,2
1985 23914,0 9,9 17 316,2 11,7 72,4
1986 34906,5 46,0 26429,4 52,6 75,7
1987 48966,7 40,3 38188,1 44,5 78,0
1988 62261,1 27,1 48529,0 27,1 77,9
1989 72 483,8 16,4 56575,6 16,6 78,1
1990 92691,9 27,9 73935,1 30,7 79,8
1991 99632,2 7,5 79911,6 8,1 80,2
1992 108364,7 8,8 87502,7 9,5 80,7
1993 88677,1 -18,2 70231,8 -19,7 79,2
1994 103659,4 16,9 83648,2 19,1 80,7 -- --- - - - - ----- --- -
QueUe: OEeD. Department of Economics and Statistics (Hrsg.): Foreign trade by commodities, Series e, verschiedene Jahrgange, eigene Berechnungen
Trotz des zunehmenden intraindustrieUen Handels, sowohl mit den EG-Mitgliedsstaa
ten als auch mit den tibrigen Staaten der OEeD ist weiterhin ein deutlicher Abstand
zum Grad der intraindustriellen Handelsverflechtung der tibrigen Mitgliedsstaaten zu verzeichnen. Der Beitritt Spaniens ftihrte neben der auBenwirtschaftlichen Offnung
152
tiber den Zollabbau auch zu einem sprunghaften Anstieg der Auslandsinvestitionen.6
Bereits seit 1983 war ein starker Anstieg im Verhaltnis der Ausrustungsgtiter zu den Investitionen in Spanien zu beobachten, von 22 % im Jahr 1983 auf tiber 50 % im Jahr 1991.7 Die damit verbundene Modemisierung der Produktionsanlagen fUhrte in der Folge zu einem Anstieg des FDRK. Nach diesem Schub im Handelsvolumen folgte jedoch eine deutliche Verlangsamung des Wachstums, 1993 sogar ein starker Einbruch gegentiber den Mitgliedsstaaten, die annahemd 80 % des spanischen AuBenhandels mit Industriegtitem auf sich vereinten. Eine Ursache fUr die im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten geringe intraindustrielle Verflechtung des spanischen AuBenhandels konnte in der mangelnden technologischen Dynarnik der spanischen Wirtschaft liegen. Der Anteil der Ausgaben fUr Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt in Spanien entwickelte sich von 0,4 % im Jahr 1980 auf 0,9 % im Jahr 1992 und lag damit immer noch deutlich unter den Anteilswerten fUr die Lander der OEeD, die 1992 im Durchschnitt 2,3 % des Bruttoinlandsprodukts fUr Forschung und Entwicklung aufwendeten. 8
In einer Untersuchung von spanischen Untemehmen, die Technologie im- oder exportieren zeigte sich, neben einem ausgepragten Defizit in der spanischen Technologiebilanz - der Wert der Technologieimporte tiberstieg den Wert der Technologieexporte urn mehr als das Vierfache -, daB 48 % der Technologieexporte von Firmen erwirtschaftet wurden, die gleichzeitig 53 % der Technologieimporte auf sich vereinten.9
Dabei versammelten als wichtigste Technologieimporteure die Sektoren Fahrzeug-, Elektromaschinen-, Lebensmittel-, Textilindustrie und chemische Industrie 73 % der Technologieimporte auf sich. Auf der anderen Seite tatigten die Sektoren Dienstleistungen, Energie und Wasser, Elektromaschinenindustrie, Lebensmittelindustrie und Eisenhtittenindustrie 57 % der Technologieexporte.
6 Wiihrend sich die Auslandsinvestitionen in Spanien im Zeitraum 1979 bis 1985 verdreifachten, fand 1986 und 1987 jeweils eine Verdopplung statl. Vgl. Alonso, J. A. (1993): EI sector exterior, S. 446.
7 V gl. Gordo, E. (1996): La apertura de los rnercados intemacionales y el deficit comercial espanol, S.102.
8 Vgl. Instituto Nacional de Estadfstica (Hrsg.) (1995): Estadfstica sobre las actividades en investigacion cientffica y desarrollo tecnologico (I+D) 1993, S. 30, 34.
9 Vgl. Sanchez Munoz, M. P. (1984): La dependencia tecnologica espanola: Contratos de transferencia de tecnologfa entre Espana y el Exterior, S. 386ff.
153
Tabelle 5.4: Die Ausgaben fiir Forschung und Entwicklung (F&E) in Spanien im Zeitraum 1980 bis 1992
Jahr F&E-Ausgaben Index der F &E- F&E-AusgabenJ (in jeweiligen Ausg. (in konst. Pr.; Bruttoinlands-
Preisen, Mio. Ptas) 1986 = 100) produkt (in %)
1980 65090 63 0,43
1981 72 813 63 0,43
1982 96002 72 0,49
1983 107664 73 0,48
1984 126199 76 0,49
1985 155341 87 0,55
1986 197676 100 0,61
1987 230501 110 0,64
1988 287689 130 0,72
1989 339324 144 0,75
1990 425829 168 0,85
1991 479372 176 0,88
1992 539919 186 0,92 - -
* ab 1986 sind private Institutionen ohne Gewinnabsicht enthalten
Quelle: Instituto Nacional de Estadfstica (Hrsg.): Estadfstica sobre las actividades en investigaci6n cientffica y desarrollo tecnol6gico (I+D), verschiedene Jahrgange
Die Aufteilung der Unternehmen, die Forschungs- und Entwicklungsaktivitaten durchfUhren nach UnternehmensgroBe ergab fUr das Jahr 1989 folgendes Bild. Unternehmen mit bis zu 49 Beschliftigten stellten einen Anteil von 33,6 %, Unternehmen mit 50 bis 249 Beschliftigten einen Anteil von 35 % und Unternehmen mit 250 bis 499 Beschaftigten einen Anteil von 13,6 % der spanischen Unternehmen, die Forschungs- und Entwicklungsaktivitaten durchfUhren. 10 Zusammen stellten kleine und mittlere Unternehmen somit tiber 80 % der Unternehmen mit Forschungs- und Entwicklungsaktivi-
10 Vgl. Buesa, M,; Molero, J. (1993): Patrones de innovacion y estrategias tecnologicas en las empresas espanolas, in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.): Espana, economia, S. 789.
154
taten, die in der Regel Investitionen notwendig rnachten. Es soli deshalb irn folgenden auf die Finanzierungssituation der spanischen Unternehrnen eingegangen werden.
Eine ftir den Zeitraurn von 1983 bis 1992 von der Banco de Espana durchgeftihrte
Untersuchung der Bilanzen spanischer Unternehrnen erfaBte unter anderern die Rentabilitat, die Verzinsung der Frerndmittel und den Verschuldungsgrad nach UnternehrnensgroBe. ll Die Finanzierungskosten spanischer Unternehrnen standen dabei in den 1980er Jahren in urngekehrtern Verhaltnis zur UnternehrnensgroBe. 12 Durch die hohe
ren Kapitalkosten ftir kleine Unternehrnen rnuBten sich diese bei Investitionsentscheidungen auf Projekte mit einer hoheren Rentabilitat verlegen. Dies spiegelte sich in einer inversen Relation zwischen UnternehrnensgrOBe und Rentabilitat in Spanien wider.
Der rnangelnde Zugang zu Finanzierungsrnoglichkeiten auBerte sich auch irn Verschuldungsgrad kleiner und mittlerer Unternehrnen, der tiber den gesarnten betrach
teten Zeitraurn deutlich geringer als der Verschuldungsgrad der GroBunternehrnen war. Wahrend sich bei den kleinen und mittleren Unternehrnen keine eindeutige Tendenz abzeichnete, war ein rnerklicher Rtickgang beirn Verschuldungsgrad der GroBunternehrnen von 56 % irn Jahr 1983 auf 47 % irn Jahr 1990 zu verzeichnen. 13 Werden innerhalb der GroBunternehrnen staatliche und private Unternehrnen unterschieden, so lag der Verschuldungsgrad bei den staatlichen Unternehrnen 1983 mit 62,3 % urn 9,5 Prozentpunkte hoher als der Verschuldungsgrad privater GroBunternehrnen. Diese Differenz verringerte sich bis 1986 auf unter 1 Prozentpunkt. Die Angleichung in den Verschuldungsgraden privater und staatlicher GroBunternhernen in der zweiten Halfte der 1980er Jahre deutet auf die Wirksamkeit der unter der PSOE-Regierung angel aufenen Urnstrukturierungspolitik hin. Die durchgehend hOheren Finanzierungskosten ftir kleine und mittlere Unternehrnen dtirften somit einen Ausbau der Forschungs- und Entwicklungsaktivitaten und damit eine noch hohere Dynamik in dies en Unternehrnen
gehemmt haben.
Eine weitere Ursache ftir die schwache technologische Position kann in der rnangelnden Schulbildung in Spanien gesehen werden. Obwohl die Qualifikation unter jtingeren Menschen in Spanien stieg, lag das Bildungsniveau der Spanier irn Alter von 25 bis
II Die Untersuchung basierte auf Fragebogen, deren Beantwortung freiwillig war. Die Zahl der antwortenden Unternehmen bewegte sich zwischen 3223 und 7512.
12 Vgl. Ocana, C.; Salas, V.; Valles, J. (1994): Un amilisis empfrico de la financiaci6n de la pequena y mediana empresa manufacturera espanola: 1983-1989, S. 89f.
13 Vgl. Banco de Espana (Hrsg.) (1993): Central de balances. Resultados de las empresas no financieras, S. 46.
155
64 Jahren Ende der 1980er Jahre deutlich unterhalb des EG-Durchschnitts. 14 Auch im Vergleich des Anteils der offentlichen Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt lag Spanien weit zurUck. Die Ausgaben pro Student betrugen weniger als die Halfte des OECD-Durchschnitts. AuBerdem war die Zahl der Studenten, die eine hohere technische Ausbildung durchliefen, gering. ls Die in den 1970er Jahren durchgeftihrte Expansionspolitik in der Hochschulbildung hatte als wesentliches Ziel die Schaffung von Studienmoglichkeiten zu moglichst geringen Kosten. Dies ftihrte in der Folge zu einer starken Verzerrung des Bildungsangebots zugunsten der im Vergleich zur technischen Bildung gunstigeren Geistes- und Sozialwissenschaften. Ebenso liegen die Humankapitalinvestitionen spanischer Finnen weit unterhalb des Niveaus der groBen EG-Lander. 1m Industriesektor beispielsweise betrug der Anteil der Humankapitalinvestitionen an den gesamten Arbeitskosten gerade einmal 0,2 %, gegenuber mehr als 1 % in Deutschland, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Konigreich.
Mit dem Gesetz zur Allgemeinen Ordnung des Bildungssystems (LOGSE 1/1990) aus dem Jahr 1990 wurde eine allgemeine Bildungsperiode von zehn Jahren in der Primiirund Sekundarstufe garantiert sowie MaBnahmen zur Verbesserung der Bildungsqualitat festgeschrieben. 16 Da sich Investitionen in Humankapital erst mit einer Verzogerung bemerkbar machen, ist eine Annaherung an die in den Mitgliedsstaaten bestehenden Verhaltnisse zu einem spateren Zeitpunkt zu erwarten. Die mangelnde Humankapitalausstattung konnte eine Erkliirnng ftir das weiterhin hohe Niveau der Arbeitslosigkeit in Spanien sein. In der Literatur wird als Grund dagegen meist die rigide Ausgestaltung der Beschaftigungsverhaltnisse angeftihrt.
5.1.2 Die Entwicklung des spanischen Arbeitsmarkts
In den Jahren 1979 bis 1985 nahm in Spanien die Arbeitslosigkeit stetig zu, was sich in einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 8,7 % auf 20,8 % niederschlug. 17 GemaB den in der Europaischen Arbeitskrafteerhebung errnittelten Zahlen ging die Quote bis 1991 auf 15,9 % zuruck und stieg im AnschluB daran rapide auf 24,3 % im Jahr 1994. 18 Bis 1997 verringerte sie sich wiederum auf 20,9 %. Fur die Verschiirfung der Situation auf
14 Vgl. European Commission (1995): The economic and financial situation in Spain, S. 106. 151m Jahr 1983 lag ihr Anteil an den Hochschulabschlussen bei 10,5 %, 1987 bei 9,4 %. Vgl. Casa
nueva de Luis, A. (1992): Spain, in: OECD (Hrsg.): From higher education to employment, Bd. 2, S.99ff.
16 Vgl. Alvarez, N. (1994): Die spanische Bildungsreform im Hinblick auf die Europaisierung des Bildungswesens, S. 13lf.
17 Vgl. Banco Bilbao Vizcaya (Hrsg.) (1994): 1nforme econ6mico 1993, S. 217. 18 Vgl. Toharia, L. (1998): Spanien, in: Trends, Nr. 3D, Sommer 1998, S. 39.
156
dem spanischen Arbeitsmarkt in der ersten Riilfte der 1980er Jahre gab es verschiedene Ursachen: zum einen den durch die Krise und die Umstrukturierung in der spanischen Wirtschaft ausgel6sten Abbau von ArbeitspHitzen, zum anderen den deutlichen Anstieg der aktiven Bev6lkerung. Wahrend im Zeitraum 1964 bis 1978 die aktive Bev6lkerung urn 1,08 Mio. Personen auf 13,3 Mio. Personen stieg, war das Wachstum in den Jahren von 1978 bis 1992 mit 1,94 Mio. Personen annahernd doppelt so hoch. 19 Griinde fUr diese Entwicklung waren zum einen der steigende Anteil der Frauen an der aktiven Bev6lkerung und zum anderen die abnehmende Abwanderung spanischer Arbeitskrafte ins Ausland.
Tabelle 5.5: Veranderung der aktiven BevOlkerung, der Arbeitslosigkeit und der Zahl der Arbeitsplatze in Spanien im Zeitraum 1979 bis 1990 (in 1000)
1979-85 1985-90 1990-95
jahrl. gesamt Jahrl. gesamt jahrl. gesamt
Aktive Bev6lkerung 134 939 236 1414 76 402
Arbeitslose 259 1 810 - 84 - 506 229 1204
Arbeitsplatze gesamt - 124 - 871 320 1920 - 153 - 802
Landwirtschaft - 46 - 326 -77 - 464 - 66 - 346
Industrie - 59 - 411 64 382 - 99 - 522
Bauwirtschaft - 43 - 302 74 443 - 19 - 102
Dienstleistungen 24 168 395 1579 32 168
QueUe: Garcia Roa, J. (1996): Caracteristicas evolutivas y configuraci6n actual del mercado de trabajo, S. 115
Wie in Tabelle 5.5 dargestellt, fand in den Jahren von 1979 bis 1985 ein jahrlicher Abbau von 124 000 Arbeitsplatzen statt, wobei einzig der Sektor Dienstleistungen einen Zuwachs an Arbeitsplatzen verzeichnen konnte. In den Jahren 1979 bis 1985 war zudem der Anstieg der aktiven Bev6lkerung mit jahrlich 134 000 Personen gr6Ber als der Abbau der Arbeitsplatze und war demnach in h6herem MaBe am Anstieg der Arbeitslosigkeit beteiligt. Mit umgekehrten Vorzeichen fand diese Entwicklung im
19 Vgl. Myro, R. (1993): La evoluci6n de la economia espanola a traves de sus principales magnitudes agregadas, in: Garcia Delgado, J. L. (Hrsg.): Espana, economia, S. 1237.
157
darauffolgenden Zeitraurn statt, als annahemd 2 Mio. Arbeitsplatze geschaffen wur
den, die Arbeitslosigkeit sich jedoch nur urn 0,5 Mio. Personen verringerte, da die
aktive Bevolkerung urn beinahe 1,5 Mio. Personen zunahrn. Jedoch kann daraus nicht
gefolgert werden, das Wachsturn der aktiven BevOlkerung liefere eine hinreichende
Erklarung der hohen Arbeitslosigkeit in Spanien. Denn ebenso wie die spanische Wirt
schaft durchlief auch der Anteil der aktiven BevOlkerung einen AufholprozeB auf die
in den anderen Mitgliedslandem bestehenden Werte. Es ist somit zu hinterfragen, wes
halb die spanische Wirtschaft nicht in der Lage war, in ausreichendern Urnfang neue
Arbeitsplatze zu schaffen.
Ein Vergleich der Ausbildungsstruktur der Beschaftigten 1982 und 1991 zeigt, daB
1982 unter den beschaftigten Frauen 66,4 % lediglich Grundschulbildung ohne
AbschluB besaBen, und dieser Anteil ging bis 1991 auf 41,7 % zuriick?O Derngegen
tiber lag der Anteil der Beschaftigten mit Grundschulbildung ohne AbschluB bei den
Mannem hoher. So waren 1982 noch 73,8 % der beschaftigten Manner ohne Schul
abschluB und 1991 immer noch 51,4 %. In einer Untersuchung zur Arbeitslosigkeit fUr
die Jahre 1977, 1982 und 1986 zeigte sich, daB die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein, mit steigendern Bildungsstand zuriickging?l Dieses Ergebnis ist jedoch fUr die
fUnf untersuchten Bildungsgruppen nicht einheitlich, und die Vermutung, daB mit
hoherer Bildung die Wahrscheinlichkeit der Beschaftigung stieg, konnte nicht durch
gehend bestatigt werden. Zwar gibt es einen deutlichen Unterschied mit jeweils signi
fikanten Ergebnissen zwischen Personen ohne Schulbildung und Analphabeten auf der einen Seite und Personen mit GrundschulabschluB auf der anderen.22 Die Ergebnisse
fUr 1977 zeigen, daB die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein, sich bei der ersten
Gruppe erhOhte, wahrend sie bei der zweiten Gruppe zuriickging. Jedoch sind die
Werte fUr die nachsten beiden Gruppen mit hOherer Schulbildung nicht mehr signifi
kant und betragsrnaBig geringer, und fUr die fUnfte Gruppe der Personen mit Hoch
schulbildung fand sogar eine Umkehr des Vorzeichens statt, d.h. sie besaB eine hohere
Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein.
Die Ergebnisse fUr 1982 zeigten keine Richtungsanderungen in den Einfltissen, jedoch
ist die GroBe des Einflusses in allen fUnf Gruppen geringer ausgepragt. Eine wesent
liche Veranderung in den Ergebnissen ist fUr 1986 feststellbar. Die Wahrscheinlichkeit
fUr die Gruppe der Analphabeten und der Personen ohne Schulbildung, arbeitslos zu
20 Vgl. Centro de Estudios Econ6micos Fundaci6n Tornillo (1996): El emp\eo en Espana y Europa. Un amilisis comparado por sectores, S. 311-316.
21 Vgl. Gracia-Dfez, M. (1988): Rasgos caracterfsticos del desempleo y de la participaci6n en el mercado de trabajo en Espana, S. 18f.
22 Vgl. ebenda, S. 42f.
158
werden, war deutlich tiber den Wert von 1977 gestiegen, und die geringste Wahrscheinlichkeit wies hier die dritte Gruppe der Personen mit AbschluB nach zehn Jahren Schulbildung auf. Die Ergebnisse fUr die beiden hOchsten Bildungsgruppen sind nicht signifikant, tragen jedoch beide ein negatives Vorzeichen. Insofem bestatigte die Untersuchung den Wandel im Anforderungsprofil auf dem spanischen Arbeitsmarkt hin zu einer mittleren Bildung.
Die Fortsetzung dieser Entwicklung hin zu einem hOheren Anforderungsprofil wurde in einer nach Mannem und Frauen getrennten Untersuchung fUr das Jahr 1993 bestatigt.23 Auch hier wurde die Wahrscheinlichkeit untersucht, arbeitslos zu sein. Bei den Mannem verringerte sich diese Wahrscheinlichkeit durchgehend von 44 % fUr die Gruppe der Analphabeten oder ohne Schulbildung auf 15 % fUr die Gruppe mit der zweithOchsten Schulbildung, die eine dreijahrige Hochschulbildung durchlaufen hatten. Die Wahrscheinlichkeit fUr Frauen zeigte dieselbe Tendenz, jedoch auf einem hOheren Niveau, und wamend bei Mannem der groBte Sprung zwischen der Grundschulbildung und der zehnjahrigen Schulbildung auftrat, befand er sich bei Frauen zwischen der Berufsausbildung nach zwolfjahrigem Schulbesuch und der dreijahrigen Hochschulbildung. Eine ErhOhung der Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein, war jedoch wiederum ftir beide Gruppen bei ftinfjahriger Hochschulbildung feststellbar. Es zeigte sich insgesamt die Tendenz, daB im Zeitablauf eine hohere Bildung die Chancen auf dem Arbeitsmarkt immer weiter verbessert hat, was auf eine steigende Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitskraften schlieBen laBt. Allerdings blieb die Gesamtnachfrage nach Arbeit in Spanien gering.
23 Vgl. Garcia Serrano, c.; Toharia, L. (1994): Para y forrnaci6n prafesional: un amilisis de los datos de la Encuesta de Poblacion Activa, S. 6ff.
159
5.2 Auswirkungen auf die Funktionsweise und Struktur der polnischen Wirtschaft
Ein wesentliches Kennzeichen der polnischen Industrie zum Zeitpunkt des wirtschaftlichen Umbruchs war eine Verzerrung der Struktur in Richtung der Schwerindustrie sowie die Existenz weniger groBer Staatsunternehmen.24 Die durchschnittliche Beschaftigtenzahl pro Unternehmen - ohne die Genossenschaften - lag 1989 bei 1 132 und pro Betrieb bei 378 und damit deutlich tiber den entsprechenden Zahlen in westlichen Wirtschaften?5
5.2.1 Die EntwickIung des polnischen AuBenhandels
Bei Betrachtung des polnischen AuBenhandels ab dem lahr 1989 - wie in Spalte (1) der Tabelle 5.6 dargestellt - fallt zunachst die deutlich weniger schwankende Entwicklung der Export- im Vergleich zur Importseite auf. Ftir den polnischen AuBenhandel lassen sich seit 1989 unterschiedliche Einfltisse ausmachen. Zum einen war mit der Auflosung des Rats fUr Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) ein Rtickgang des Handels mit den Staaten des Warschauer Pakts verbunden. Durch die Umstellung des innerhalb des RGW geltenden Verrechnungssystems26 auf Hartwahrungen im Januar 1991 entfiel auch die Grundlage des Verbunds zentraler Planwirtschaften.27 Folglich kam es im Juni 1991 zur formellen Auflosung des RGW. Der polnische AuBenhandel innerhalb des RGW hatte jedoch bereits vorher relativ an Bedeutung verloren. Wiihrend Polens Exporte in zentrale Planwirtschaften von 1985 bis 199028 lediglich urn 7 % zunahmen, stiegen die Exporte in Marktwirtschaften im selben Zeitraum urn 65 %.
Bei den Importen aus zentralen Planwirtschaften war ein drastischer Rtickgang urn mehr als ein Viertel zu verzeichnen. Wie Tabelle 5.6 zeigt, war im AnschluB an die Auflosung des RGW ein deutlicher Rtickgang gegentiber den ehemaligen Mitgliedslandern sowohl in den polnischen Ex- als auch den Importen bis 1993 zu verzeichnen. Es konnte vermutet werden, daB der erneute Anstieg nach 1993, welcher auch auf den gesamten Zeitraum bezogen ein Wachstum bedeutete, auf das Ende 1992 unterzeich-
24 Vgl. Sachs, J.; Lipton, D. (1995): Poland's economic reform, S. 46 If. 25 In einer Untersuchung fiir westliche Wirtschaften fiir das Jahr 1986 lag die Zahl der Beschaftigten
pro Betrieb bei 66. 26 Die Internationale Bank fur Wirtschaft und Zusammenarbeit fuhrte die Verrechnung der Handels
bilanziiberschiisse und -defizite im Handel zwischen den einzelnen Mitgliedsliindern durch. Als Wahrungseinheit diente der Transferrubel. Vgl. Wilczynski, J. (1974): Das sozialistische Wirtschaftssystem, S. 217.
27 Vgl. Richter, S. (1994): Life without CMEA: Foreign trade in Eastern and Central Europe, S. 185f. 28 Angaben in konstanten Preisen von 1985.
160
nete und im Marz 1993 in Kraft getretene Freihandelsabkommen (CEFTA) zwischen den Visegnid-Staaten zurUckging.29 Mit diesem Datum wurde der tiberwiegende Teil der Handelsschranken fUr Rohstoffe und Halbfertigwaren abgeschafft.30 Die polnischen Exporte in diese Staaten stiegen jedoch ab 1993 sogar geringfUgig weniger stark als die Exporte in die tibrigen ehemaligen MitgliedsHtnder des RGW.
Tabelle 5.6: Polens Au6enhandel nach Uindergruppen von 1989 bis 1996 (in Mio. US-$)
AIle Lander Industrielander RGW-Liinder*
(1) (2) (3)
Jahr Exporte Importe Exporte Importe Exporte Importe
1989 13 527 11357 6437 5968 4580 3666
1990 13 624 8974 8815 5722 3230 2472
1991 14913 17084 10 918 11 738 2712 3480
1992 13 186 15204 9016 10596 2124 2533
1993 14143 18834 10 583 14293 1 755 2502
1994 17240 21569 12937 16139 2397 3032
1995 22895 29050 17150 21452 4085 4690
1996 24440 37137 17503 27166 5 141 5886 .- ---- --------
* ohneDDR QueUe: International Monetary Fund (Hrsg.): Direction of trade statistics yearbook,
verschiedene Jahrgange, eigene Berechnungen.
I
I
Mit dem wirtschaftlichen Umbruch in Polen ging - wie dargestellt - eine Liberalisierung des AuBenhandels einher.31 Der im Europaabkommen festgelegte einseitige ZoUabbau auf Seiten der EU, der ab Februar 1994 wirksam wurde, spiegelt sich im
29 Vgl. Inotai, A.; Sass, M. (1994): Economic integration of the Visegrad countries, S. 16f. Siowenien trat dem Abkommen 1996 bei.
30 Diese MaBnahme stellte die erste von drei Stufen in der Schaffung einer Freihandelszone dar. Fiir 1998 war mit dem Freihandel fUr andere gewerbliche Waren die EinfUhrung der zweiten Stufe vorgesehen. 1m Jahr 2001 sollten schlieBlich die Beschrankungen fUr sogenannte "sensible" Industriegiiter, wie Textilien, Eisen- und Stahlerzeugnisse sowie Fahrzeuge wegfallen.
31 Vgl. KapiteI4.2.2, S. Ill.
161
sprunghaften Anstieg der polnischen Exporte in die EU von 12 Mrd. US-$ im Jahr
1994 auf tiber 16 Mrd. US-$ im darauffolgenden Jahr wider, was einem Anteil von
70 % an der gesamten polnischen Ausfuhr entsprach.32
Wird analog zu Spanien das AusmaB des intraindustriellen Handels Polens betraehtet,
so ist zunaehst im Untersehied zu Spanien, wo die mit dem EG-Beitritt verbundene
auBenwirtsehaftliehe Offnung zu einem Ansteigen des FDRK gefUhrt hatte, das merk
liehe Absinken des Koeffizienten im AnsehluB an die auBenwirtsehaftliehe Liberalisie
rung bis zum Jahr 1993 auffallend. Als m6gliehe Ursaehen fUr diese Entwicklung
k6nnen zum einen der bis 1993 zu verzeiehnende Rtickgang im Handel mit den RGW
Staaten - wie in Tabelle 5.6 abzulesen - und zum anderen das untersehiedliche AusmaB
der vollzogenen auBenwirtsehaftliehen Offnung angefUhrt werden. Ftir einen negativen
EinfluB der Entwieklung des AuBenhandels mit den RGW-Staaten spreehen indirekt
die Ergebnisse einer Untersuehung des intraindustriellen Handels Polens mit den
damaligen zw6lf EU-Mitgliedstaaten.33 Sie kam zu dem Ergebnis, daB dieser im Zeit
raum 1988 bis 1994 zunahm.34 Ein weiterer negativer EinfluB kann aus der sehweren
wirtschaftliehen Krise in Polen abgeleitet werden. Diese sowie die restriktive Wirt
sehaftspolitik in der Anfangszeit der Transformation fUhrten zu einer Eindammung der
inlandisehen Naehfrage und hatten die Erwirtsehaftung von steigenden Handelsbi
lanztibersehtissen in den Jahren 1989 und 1990 - naeh regelmaBigen Defiziten im
Verlauf der 1980er Jahre - zur Folge, wie in der letzten Spalte von Tabelle 5.7 fUr
Industriegtiter abzulesen ist.
32 Vgl. International Monetary Fund (Hrsg.) (1997): Direction of trade statistics yearbook, S. 367ff. 33 Berechnet mit dem Grubel-Lloyd-Index auf dreistelliger SITC-Ebene. Auch dieser Index kann Werte
zwischen ° und 1 annehmen, wobei groBere Werte ein hoheres AusmaB intraindustriellen Handels anzeigen.
34 Der Index stieg von 0,33 im Jahr 1988 und 0,34 im Jahr 1991 auf 0,39 im Jahr 1994. Vgl. Weise, C. et al. (1997): Ostmitte1europa auf dem Weg in die EU - Transformation, Verflechtung, Reformbedarf, S.102f.
162
Tabelle 5.7: Der intraindustrielle Handel Polens mit dem Ausland im Zeitraum 1989 bis 1995
Jahr Finger-DeRosa Veranderung ggii. Saldo der Ex- und Koeffizient Vorjahr (%) Importe (Gruppe 5-
8, Mio. US-$)
1989 0,746 ---- 1913,4
1990 0,606 - 18,8 3477,3
1991 0,570 - 6,0 - 130,2
1992 0,554 - 2,7 - 1 090,6
1993 0,511 -7,7 - 2 407,6
1994 0,519 +1,4 - 2 406,8
1995 0,564 + 8,8 - 3 412,6 -
QueUe: United Nations. Department for Economic and Social Information and Policy Analysis (Hrsg.): International trade statistics yearbook. Volume I, verschiedene Jahrgange, eigene Berechnungen.
Der mit der Umsetzung des Europaabkommens seit Anfang 1994 verbundene, erleichterte Zugang zum EU-Absatzmarkt flir polnische Produkte spiegelt sich in dem merklichen Anstieg des Koeffizienten wider. Ein direkter Vergleich der Werte flir Spanien und Polen ist nicht moglich, da flir Polen keine nach Landern bzw. Landergruppen differenzierten Statistiken vorlagen. Aufgrund der fehlenden Untergliederung flir Polen, durch die eine Saldierung von Uberschiissen und Defiziten zwischen einzelnen Handelspartnern stattfindet, ergeben sich damit tendenzieU hOhere Koeffizientenwerte flir Polen.
5.2.2 Die Entwicklung des Privatsektors in Polen
Da in Polen der Ubergang von einer Zentralplanwirtschaft mit iiberwiegend staatlichen Unternehmen zu einem marktwirtschaftlichen System mit vornehrnlich privaten Unternehmen eine wesentliche Herausforderung der Transformation darsteUte, soU im folgenden Abschnitt kurz betrachtet werden, inwieweit sich das gesamtwirtschaftliche Gewicht des Privatsektors im Verlauf des Transformationsprozesses erhohte. Sowohl
163
die Anteile des Privatsektors am Bruttoinlandsproduke5 als auch an der Besch1iftigung
nahmen im Zeitraum 1990 bis 1996 urn rund 20 Prozentpunkte zu. Der Niveauunter
schied zwischen den beiden Anteilswerten scheint in den hohen Anteilen des Privat
sektors in den Bereichen Dienstleistungen und Landwirtschaft, die in Polen beide
arbeitsintensiv sind, begrtindet zu sein. Allerdings ist eine Verringerung dieses Unter
schieds im Zeitablauf festzustellen.
Tabelle 5.8: Anteil des Privatsektors an der Gesamtwirtschaft in Polen (in %)
Bruttoin- Besch1iftigte Investitionen Exporte Importe landsprodukt(1)
1990 - 45,1 41,3 - -
1991 - 50,2 40,8 - -
1992 47,1 53,7 44,0 38,4 54,5
1993 52,0 56,8 42,9 44,0 59,8
1994 52,2 59,4 44,0 53,2 66,9
1995 57,9 61,9 44,2 56,8 69,7
1996 60,1 64,1 46,0 62,9 75,6
1997 - - 52,0 74,3 82,5
(1) zu Faktorkosten
Quelle: G16wny urzltd statystyczny (Hrsg.) (1997): Rocznik statystyczny 1997, S. 522,
531; ders. (1998): Biuletyn statystyczny Nr. 7 (489), S. 37; eigene Berechnungen.
Die starkere Pr1isenz des Privatsektors in weniger kapitalintensiven Wirtschaftsbe
reichen scheint fUr den relativ geringen, in der mittleren SpaJte abgetragenen Anteil der
privaten Investitionen verantwortlich gewesen zu sein. Es ist auffallend, daB erst 1997
eine deutliche ErhOhung auf 52 % stattfand. Auch wenn eine Interpretation anhand der
aggregierten GraBen schwierig ist, so l1iBt diese Entwicklung zumindest ein anhalten-
35 Die European Bank for Reconstruction and Development hat fur die Jahre 1990 und 1991 Zahlen zum Anteil des Privatsektors am Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen aufgefiihrt. Auch das polnische statistische Amt fiihrt im Jahrbuch die Anteile des privaten und iiffentlichen Sektors zu Faktorkosten am Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen auf, weshalb sich die beiden Anteile nicht zu 100 % addieren. Danach nahm der Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 30,9 % im Jahr 1990 auf 51,6 % im Jahr 1996 zu. Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (Hrsg.) (1996): Transition report 1996, S. 201; G/owny urz<ld statystyczny (Hrsg.) (1997): Rocznik statystyczny 1997, S. 522.
164
des Wachstum des Privatsektors fUr den weiteren Verlauf erwarten. Die in den beiden letzten Spalten aufgefUhrten Anteile an den polnischen Ex- bzw. Importen verdeutlichen schlieBlich den starken Impuls, den der Privatsektor fUr die Offnung der polnischen Wirtschaft gegeben hat. Mit einem Anstieg urn 36 bzw. 28 Prozentpunkte von 1992 bis 1997 war hier das starkste Wachstum zu verzeichnen.
5.2.3 Die Entwicldung der Beschaftigungssituation in Polen
In Polen war die wirtschaftliche Transformation ab Ende 1989 mit einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit verbunden. So stieg die Arbeitslosenquote von 0,1 %
Ende 1989 auf 16,0 % Ende 1994 an.36 1m darauffolgenden Jahr war jedoch erstmals wieder ein Riickgang der Arbeitslosenquote auf 14,9 % zu verzeichnen. Bis Juli 1997 ging sie nochmals deutlich auf 11,4 % zuriick.3? Es ist nun - vor allem im Hinblick auf die in Spanien zu beobachtenden Probleme bei der Bekarnpfung der Arbeitslosigkeie8
- interessant zu untersuchen, weIche Faktoren fUr dies en vergleichsweise schnellen Trendumschwung verantwortlich sein k6nnten.
Ende Dezember 1989 wurde das Gesetz iiber die Beschaftigung verabschiedet, welches unter anderem die Ausgestaltung der Arbeitslosenunterstiitzung regelte.39 Das Gesetz schrieb weder eine Anwartschaftszeit vor - es muBten also nicht vorher Beitrage in die Versicherung einbezahlt worden sein -, noch war eine Begrenzung der Leistungsdauer vorgesehen. Nach dem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit im ersten Halbjahr 1990 auf iiber 0,5 Mio. Personen40 wurde im Sommer 1990 eine Mindestbeschaftigungsund Beitragszeit von 180 Tagen innerhalb der letzten zw6lf Monate als Anwartschaftsbedingung eingefUhrt, wobei eine urnfangreiche Liste an Ausnahmen zugelassen wurde. Eine weitere Verschiirfung erfolgte durch das Gesetz iiber Beschiiftigung und Arbeitslosigkeit von Oktober 1991, das einerseits die bestehenden Ausnahmen beziiglich der Anwartschaft stark einschrankte und andererseits die Leistungsdauer allgemein auf zwOlf Monate begrenzte.
36 Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (1996): Transition report 1996, S. 201; European Bank for Reconstruction and Development (1997): Transition report update. April 1997, S.SI
37 Vgl. o. V. (1997): Monthly update, in: Business Central Europe, September 1997, S. 69 381m Jahr 1994 betrug die Arbeitslosenquote in Spanien immer noch 24,1 %. Vgl. Instituto Nacional de
Estadfstica (Hrsg.) (1997): Anuario estadfstico 1996, S. 161. 39 Vgl. Soltys, S, (1995): Der polnische Arbeitsrnarkt im Umbruch, S. 98, 108f. 40 Vgl. ebenda, S. 63.
165
1m Bereich der Beschaftigung war nach einem Rtickgang urn rund 1,6 Mio. Personen von 1990 bis 1993 in den darauffolgenden Jahren wiederum ein leichter Zuwachs zu verzeichnen.41 Wie Tabelle 5.9 zeigt, fand in den Jahren 1990 bis 1992 ein deutlicher Rtickgang der Beschaftigung in der Landwirtschaft statt. Dieser war beinahe ausschlieBlich auf den durch Privatisierungen und Konkurse im offentlichen Landwirtschaftssektor bedingten Abbau von ArbeitspHitzen zurtickzuflihren.42 Mit dem Wachstum der Beschaftigten in der Landwirtschaft ist jedoch ab 1993 eine flir modeme Volkswirtschaften untypische Entwicklung eingetreten. Dartiber hinaus lag die Beschaftigung in der polnischen Landwirtschaft mit einem Anteil von 28 % an den gesamten Beschaftigten im Jahr 1996 weit tiber dem Anteil in den westlichen Industrielandem. In Spanien betrug er zum Vergleich im Jahr 1995 gerade einmal 8,6 %.43
Tabelle 5.9: Beschaftigte in Polen nach ausgewahlten Sektoren (in 1 000)
Sektoren 1990(1) 1991(1) 1992 1993 1994 1995 1996
Gesamt 16280 15326 14677 14330 14475 14735 15017
Landwirtschaft 4395 4194 3762 3688 3887 3836 4226
Industrie (gesamt) 3250 2745 3784 3671 3641 3757 3643
Bergbau -- -- 458 421 393 375 329
Verarb. Gewerbe -- -- 3082 2979 2971 3104 3063
E1ektrizitats-, Gas- und -- -- 244 271 276 278 251 Wasserversorgung
Handel 322 212 1806 1 872 1863 1858 1843
Finanzen, Versicherung -- -- 193 218 239 256 278
Bildung -- -- 800 813 842 852 885
(I) Die kursiv gesetzten Zahlen beziehen sich nur auf den offentlichen Sektor Quelle: Wiener Institut flir Intemationale Wirtschaftsvergleiche (Hrsg.) (1996): Coun
tries in transition 1996, S. 135; ders. (1997): Countries in transition 1997, S.140.
41 Vgl. Wiener Institut fiir Internationale Wirtschaftsvergleiche (Hrsg.) (1996): Countries in transition 1996, S. 135f.
42 Vgl. Soltys, S, (1995): Der polnische Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 43. 43 V gl. INE (1997): Anuario estadfstico 1996, S. 161.
166
Da die Struktur der polnischen Landwirtschaft nach wie vor durch ein Ubergewicht
kleiner, wenig rentabler Betriebe gekennzeichnet war, kann mit einem deutlichen
Rtickgang der Beschaftigung gerechnet werden. Wahrend im verarbeitenden Gewerbe
die Beschaftigung noch bis 1994, wenn auch mit abnehmender Tendenz rUcklaufig
war, verzeichnete die Arbeitsproduktivitat - gemessen am Output pro Beschaftigten -
ab 1992 bis zum 3. Quartal 1996 jahrliche Zuwachsraten zwischen 9,6 % und 19,2 %.44
Ftir einen Vergleich der Bildungssituation in Polen und Spanien als moglichem Erkla
rungsfaktor fUr Unterschiede in der Beschaftigungssituation in beiden Landern werden
die Anteile verschiedener Bildungsgruppen an den Erwerbstatigen und den Arbeits
losen in Polen betrachtet. So stellten 1993 in Polen die Personen mit Hochschul
abschluB 10,5 % der Erwerbstatigen, aber nur 3,1 % der Arbeits1osen.45 Auch bei den
Personen mit BerufsschulabschluB nach abgeschlossenem Gymnasium lag der Anteil
an den Erwerbstatigen mit 25,5 % gegentiber 22,9 % an den Arbeitslosen hOher. Wah
rend die jeweiligen Anteile bei den Personen mit GrundschulabschluB mit rund einem
Viertel annahernd gleich lagen, war ein groBer Unterschied bei den Personen mit ein
fachem BerufsschulabschluB46 zu verzeichnen. Mit 32,2 % lag ihr Anteil an den
Erwerbstatigen deutlich unter dem Anteil an den Arbeitslosen von 41,3 %. In Spanien
war demgegentiber der Anteil der Hochschulabsolventen an den Beschaftigten sowoh1
1982 mit 3,5 % als auch 1991 mit 6,3 % wesentlich geringer.
Nach einer abweichenden Einteilung liegen ab 1992 Daten tiber die Zusammensetzung
der Arbeitslosen in Polen nach Bildungsstand vor, die einen groben Anhaltspunkt fUr
mogliche Tendenzen in der Beschaftigungssituation in Polen liefern konnen. Deutlich
ist in Tabelle 5.10 der sinkende Anteil Arbeitsloser mit HochschulabschluB ablesbar,
sowohl in der Phase zunehmender Arbeitslosigkeit bis 1994 als auch wahrend des
anschlieBenden Rtickgangs. Diese Entwicklung laBt somit auf eine gestiegene Nach
frage nach Arbeitskraften mit hOherer Bildung schlieBen.
44 Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (1997): Transition report update. April 1997, S. 14.
45 Vgl. Soltys, S, (1995): Der polnische Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 82. 46 Der einfache BerufsschulabschluB umfaBt eine dreijahrige Berufsschu1e nach der Grundschule.
167
Tabelle 5.10: Aufteilung der Arbeitslosen in Polen nach Bildungsstand von 1992 bis 1995 (in %)
Bildungsstand 1992 1993 1994 1995
Grundschule 23,5 25,0 22,8 23,5
Berufsausbildung (I) 70,3 69,7 72,4 71,6
Einfacher HochschulabschluB (2) 2,6 2,2 2,3 2,6
HochschulabschluB 3,6 3,1 2,6 2,4
(I) nach achtjlihriger Schulbildung; (2) nach zweijahrigem Studium
Quelle: ILO (Hrsg.) (1996): Yearbook oflabour statistics, S. 379,457, 1122
Sowohl der Anstieg des Anteils an Personen mit Grundschulbildung an den Arbeitslos en von 1992 bis 1993 als auch der Riickgang von 1993 bis 1994 in Tabelle 5.10 konnten auf die in Tabelle 5.9 dargestellten Veranderungen der Beschaftigtenzahl in der polnischen Landwirtschaft zuruckzufUhren sein. Es laBt sich insofem keine Tendenz fUr diese Gruppe feststellen. Auch fUr die Gruppe der Arbeitslosen mit einfachem HochschulabschluB scheint die Situation im Zeitablauf annahemd unverandert geblieben zu sein. In der sehr weit gefaBten Kategorie der Arbeitslosen mit Berufsausbildung ist hingegen bei sinkender Arbeitslosigkeit 1995 ein leichter Riickgang des Anteils zu verzeichnen.
In Polen trat wesentlich fruher als in Spanien eine Wende auf dem Arbeitsmarkt ein, mit einem deutlichen Riickgang der Arbeitslosenquote von 1994 bis Mitte 1997, wobei bereits seit 1992 eine Verbesserung der Beschaftigungssituation bei den Personen mit HochschulabschluB feststellbar war. Demgegeniiber zeichnete sich in Spanien erst Mitte der 1980er Jahre eine signifikante Verschiebung zu einer Nachfrage nach Arbeitskraften mit mittlerem Bildungsstand ab, die zunachst mit einem Riickgang der Arbeitslosigkeit bis 1990 einherging, die jedoch mit 16,2 % immer noch iiber dem in Polen erreichten Hochststand von 16 % im Jahr 1994 lag. Fiir diese unterschiedliche Entwicklung scheint unter anderem das im Vergleich zu Spanien hOhere Bildungsniveau in Polen verantwortlich gewesen zu sein.
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6 Die erweiterte Betrachtung als Untersuchungsmethode
1m zweiten Kapitel wurde die Vorgeschichte der 1977 in Spanien vereinbarten Reformen und der 1990 begonnenen Transformation in Polen untersucht. Ftir Spanien setzt die Betrachtung Ende der 1950er Jahre ein und damit kurz vor Verabschiedung eines wichtigen Reformprograrnms, des Stabilisienmgsplans von 1959. Gleiches gilt fUr die Vorgeschichte des Systemumbruchs in Polen ab 1980. Denn bereits im Herbst 1980 begann dort die Phase der Reformdiskussion, die zu partiellen Anderungen im Reformprogramm der Regierung beitrug. Die Betrachtung der Vorgeschichte im zweiten Kapitel diente dazu, ein Konzept fUr die Untersuchung der wirtschaftlichen Umgestaltungsprojekte auszuarbeiten. 1m vorliegenden Kapitel sollen hingegen die Erkenntnisse aus der Betrachtung der einzelnen Uinder und Perioden einander gegentibergestellt werden. Damit wird unter anderem tiberprtift, inwieweit die aus der Untersuchung in den Kapiteln 3 und 4 gewonnenen Ergebnisse mit denen aus der Vorperiode vereinbar sind.
In Spanien hatte 1957 ein weitreichender Wechsel in den wirtschaftspolitischen Ftihrungspositionen stattgefunden, der sowohl eine entscheidende Rolle ftir das Zustandekommen des 1959 verabschiedeten Stabilisierungsplans, als auch ftir die Etablierung der geanderten wirtschaftspolitischen Strategie bis zum Ende des Francoregimes spielte. DaB Anderungen in der Zusammensetzung der Akteure wichtig fUr die konsequente Durchsetzung von Reformprojekten sind, konnte der Vergleich mit dem 1982 eingeleiteten ReformprozeB in Polen zeigen. Wahrend sich in Spanien der Impuls zur Veranderung aus der bestehenden Elite heraus entwickelte, fand er in Polen unter Beteiligung der Opposition statt. 1m AnschluB an die Vereinbarung von Danzig mit der Solidarnosc im August 1980 wurde im Rahmen der Reformdiskussion die neue wirtschaftspolitische Strategie ausgearbeitet und im Programm der Wirtschaftsreformkomrnission festgelegt. Die Verhangung des Kriegsrechts im Dezember 1981 fUhrte jedoch zum Verbot der Solidarnosc und unterband einen umfassenden Wechsel in der
Zusammensetzung der Akteure, was mitverantwortlich dafUr war, daB die konsequente Umsetzung der neuen Strategie unterblieb. Die 1981 in Ansatzen geftihrten Verhandlungen in Polen tiber einen KompromiB zur Frage der Wirtschaftsreform wei sen eine grobe Parallele zu den im Rahmen der Monc1oapakte gefUhrten Verhandlungen auf. Auch die Gewerkschaft Solidarnosc war, ahnlich wie PSOE und vor allem peE, kurz vor Einsetzen der Diskussionsphase legalisiert worden, es hatten jedoch keine direkten Verhandlungen unter den Spitzen von Regierung und Solidarnosc als auBerparlamentarischer Opposition stattgefunden. Eng damit verkntipft war die fehlende Beteiligung der Gewerkschaft an den Entscheidungen tiber Belange der Wirtschaftsreform. Im Unterschied dazu war es in Spanien im Rahmen der Monc1oapakte gelungen, die Rolle des Parlaments in der Gestaltung und Kontrolle der Wirtschaftspolitik zu starken. Die Berticksichtigung dieser Ergebnisse stellt somit die Bedeutung der im Rahmen der Demokratisierungsprozesse erfolgten Anderungen in den Entscheidungspositionen starker heraus.
Der Vergleich zur Vorgeschichte kann noch einen anderen Aspekt der Demokratisierung fUr den Erfolg wirtschaftlicher Umgestaltungsprojekte klarer hervorheben. 1m dritten Kapitel wurde bereits die Bedeutung der Demokratisierung fUr das Zustandekommen des Konsenses zu wirtschaftlichen Reformen in Spanien und fUr die Formulierung des Transformationsprogramms in Polen deutlich. Im Vorfeld kam es hingegen sowohl in Spanien als auch in Polen unter den autoritaren Systemen zu Rtickschritten im ReformprozeB, die sich aus der engen Verkntipfung von wirtschaftlichem Erfolg und politischer Legitimation in dies en Systemen ergaben. Wahrend der Rtickschritt in Polen bereits kurz nach Verabschiedung und noch vor Umsetzung des Reformprogramms stattfand, stellte er sich in Spanien erst im Zuge der 1973 einsetzenden Olkrise ein. In beiden Fallen war er jedoch aus Grunden der Machterhaltung heraus vollzogen worden. Eine solche Entwicklung konnte demgegentiber in einem demokratischen System nicht mehr in diesem Urnfang eintreten. Das lag zum einen an der gestarkten Rolle des Pari aments in der Kontrolle der Wirtschaftspolitik, zum anderen konnte innerhalb des demokratischen Systems ein Wechsel der Regierung stattfinden, ohne das System selbst in Frage zu stellen. Dies trug dazu bei, den im Rahmen der wirtschaftlichen Umgestaitungsprojekte eingeschlagenen Wechsel zu einer neuen wirtschaftspolitischen Strategie zu verfestigen. Eindrucksvoll unterstrich diese These die Entwicklung in Polen nach 1989, als unter neun Regierungen von Juni 1989 bis Ende 1997 grundsatzlich am eingeschlagenen Transformationskurs festgehaiten wurde. Durch den Vergleich mit den Entwicklungen aus der Vorperiode wurde somit speziell die Bedeutung der Demokratisierung fUr die erfolgreiche Umsetzung von wirtschaft-
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lichen Umgestaltungsprogrammen nochmals klarer hervorgehoben. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Verfahren zuHissig ist.
Gegen eine solche Vorgehensweise konnte, in Anlehnung an die empirische For
schung, eingewendet werden, daB sie unter Verwendung einer Teilmenge von Daten, die untereinander abhangig sind, ein Modell spezifiziert, welches an den "Datensatz" angeglichen ist. Wenn dieser Einwand auch im allgemeinen Fall berechtigt sein mag, so trifft er im vorliegenden nur am Rande zu. Denn die hier untersuchten wirtschaftli
chen Umgestaltungsprojekte zeichneten sich gerade dadurch aus, daB sie parallel zu einem "epochalen Umschwung" einsetzten, wie in Spanien, wo die Konsensvereinbarung der Moncloapakte vor dem Hintergrund der politischen Transformation zustandekam, oder wie in Polen sogar ein wesentlicher Bestandteil dieser Entwicklung selbst waren. Entscheidend ist in dies em Zusammenhang, daB die Untersuchung nicht erst dann einsetzt, wenn der Umschwung bereits begonnen hat. Vielmehr sind der ProzeB
dahin und seine Auswirkungen zentraler Gegenstand der Analyse.
AbschlieBend wird nochmals auf die Bedeutung einer starker historisch ausgerichteten Betrachtung der Umgestaltungsprozesse eingegangen. Im fUnften Kapitel konnte unter anderem gezeigt werden, daB Elemente aus der Vorperiode nachfolgend auch die Wirkungsweise der Wirtschaft beeinfluBten. In Spanien deutete sich ein negativer EinfluB der unter Franco vemachHissigten und im demokratischen System erst spat umfassend reformierten Bildungspolitik auf die Beschaftigungssituation an. In Polen dtirfte demgegentiber gerade das breite Bildungsangebot aus dem sozialistischen System mitverantwortlich fUr den einsetzenden Umschwung in der Beschaftigungssituation gewesen sein. Der Vergleich zwischen den Reformen von 1959 in Spanien und von 1982 in Polen zeigt jedoch dartiber hinaus Unterschiede, die sich aus den verschiedenen wirtschaftlichen Systemen ergaben. Der wesentliche Unterschied bestand hierbei in der Eigentumsform und es deutete sich an, daB dies mitverantwortlich war fUr die unterschiedliche Reaktion der Wirtschaften auf die Reformen. Denn wahrend in Spanien Ende der 1950er Jahre der Wechsel von der Autarkiepolitik zu einer liberaleren Wirt
schaftspolitik insofem vergleichsweise problemlos gelang, als die Wirtschaft direkt im AnschluB an den Stabilisierungsplan von 1959 hohe Wachstumsraten verzeichnete, konnten in Polen nach der Wirtschaftsreform von 1982 bis zur Einleitung der Trans
formation keine annahemd vergleichbaren Erfolge erzielt werden. Das Scheitem der Reformen in Polen verdeutlichte, daB die Transformation der Eigentumsordnung ein
zentrales Element in der wirtschaftlichen Transformation darstellte. Dartiber hinaus veranschaulichte es die auf seiten der neuen Eliten bestehende Dberzeugung von der
Notwendigkeit einer solchen Vorgehensweise, was dennoch nicht verhindem konnte, daB Verzogerungen in der DurchfUhrung der Privatisierung auftraten.
171
AuBere Einfltisse, die sich tiberwiegend durch Verhandlungen mit den wirtschaftspolitischen Entscheidungstragem im weiteren Verlauf auswirkten, waren dabei vergleichsweise unabhangig von den Entwicklungen beider Lander im Vorfeld. Eine Ausnahme stellte die seit den 1970er Jahren angehaufte, hohe Auslandsverschuldung Polens dar, die den intemationalen Organisationen ein zusatzliches Druckmittel an die Hand gab. Es fOrderte einerseits die Einhaltung der von polnischer Seite gemachten wirtschaftspolitischen Zusagen, andererseits - als die Vorgaben verfehlt und nachfolgend die finanzielle Untersttitzung gestrichen wurde - die Bestrebungen, erneut zu einer Ubereinkunft zu gelangen. Andere Faktoren waren demgegentiber deutlich starker verkntipft mit den Entwicklungen im Vorfeld und den tiberkommenen Strukturen.
Es hat sich gezeigt, daB unter Einbeziehung der Entwicklung im Vorfeld wirtschaftlicher Umgestaltungsprojekte in einem Land und der Gegentiberstellung der Ablaufe in den verschiedenen Perioden die Bedeutung interner Faktoren im ProzeB der Umgestaltung klarer hervortritt. Eine solche Vorgehensweise kann insofern eine Alternative zu kontrafaktischen Uberlegungen oder zusatzlichen Vergleichen darstellen. Zwar kann damit die Wirkung bestimmter auBerer Einfltisse, beispielsweise externe Schocks wie die Olkrisen in den 1970er Jahren, die zu einem bestimmten Zeitpunkt eintreten, im Unterschied zu einem direkten Vergleich zweier Lander nicht erfaBt werden, die erweiterte Betrachtung erOffnet jedoch die M6glichkeit, weiterhin bestehende Regelungen und Institutionen in demselben Land unter geanderten Bedingungen zu untersuch en.
1m FaIle Spaniens und Polens zeigte sich dabei, daB sich nicht zuletzt die zur F6rderung der wirtschaftlichen Entwicklung eingeftihrten Elemente aus den tiberkommenen Systemen bei der Durchsetzung der wirtschaftlichen Umgestaltungsprojekte als problematisch erwiesen. In Spanien ftihrte die innerhalb der Entwicklungsplane von 1964 bis 1975 betriebene, gezielte F6rderung einzelner Industriesektoren zu Verzerrungen, die die nachfolgende Umstrukturierung stark erschwerten. Auch in Polen hatte eine F6rderung bestimmter Industriesektoren im Rahmen der Investitionsplanung stattgefunden, wie sie ftir sozialistische Systeme typisch war. Allerdings spielte in Polen die Selbstverwaltung im Verlauf der Transformation eine bedeutendere Rolle. Ziel ihrer Einftihrung im Zuge der Wirtschaftsreform von 1982 war die Dezentralisierung der wirtschaftlichen Entscheidungskompetenzen unter Beibehaltung des staatlichen Eigentums an den Produktionsmitteln. Wie sich zeigte, konnte das System der selbstverwalteten Betriebe sowohl aufgrund staatlicher Eingriffe als auch aufgrund der fehlenden Umorientierung in den Betrieben in den 1980er Jahren nicht wirksam werden. Nach dem Umbruch von 1989 wurde die Selbstverwaltung jedoch zunehmend zum
172
Hindemis im PrivatisierungsprozeB staatlicher Industrieuntemehmen. Dazu trug einerseits bei, daB in den Verhandlungen am "Runden Tisch" nicht nur die Beibehaltung der Selbstverwaltung, sondem sogar eine Erweiterung ihrer Kompetenzen vereinbart worden war.! Andererseits wuchs ihre Bedeutung durch den Wegfall der Kontrolle durch die zentralstaatlichen Organe. Erst die Wirkungsweise der Selbstverwaltung in einem marktwirtschaftlichen Umfeld - nachdem sie bei ihrem Inkrafttreten 1982 marktwirtschaftliche Anreizmechanismen in einem planwirtschaftlichen Umfeld einfiihren sollte - lieB offensichtlich werden, daB sie kein geeignetes Mittel zur Steigerung wirtschaftlicher Effizienz war.
I Vgl. Gesell, R.; Jost, T. (1997): The Polish state enterprise system - an impediment to transformation?, S. 9; Kapitel3.2.1, S. 71.
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Acuerdos de la Monc1oa (02): 1. Fassung des Textes der Pactos de la Monc1oa, fotokopiert, 40 S.
Acuerdos de la Monc1oa (03): Uberarbeitung der 1. Fassung des Textes der Pactos de la Monc1oa, fotokopiert, 40 S.
Acuerdos de la Monc1oa (04): 2. Fassung des Textes der Pactos de la Monc1oa, fotokopiert, 40 S.
Acuerdos de la Monc1oa (05): Zweite Unterkommission Wirtschaft (Steuern und Finanzen): Propuesta de los partidos PSOE, PCE Y PSC sobre 6rganos de direcci6n del Banco de Espafia, Propuesta del Gobierno, fotokopiert, 2 S.
Acuerdos de la Monc1oa (06): Sechste Unterkommission Wirtschaft (Bildung): Ensefianza. Alternativa PSOE, Abschrift, 9 S.
Acuerdos de la Monc1oa (07): Siebte Unterkommission Wirtschaft (Offentliche Unternehmen, Industrie und Energie): Directrices de polftica industrial (socialistas), fotokopiert, 6 S.
Acuerdos de la Monc1oa (08): Siebte Unterkommission Wirtschaft (Offentliche Unternehmen, Industrie und Energie): Empresa publica, polftica industrial y
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rj)fll.\n DeutscherUniversitatsVerlag ~ GABLER ·VIEWEG·WESTDEUTSCHER VERLAG
Aus unserem Programm
Jorg Alting Europaische Zentralbank und Mindestreservepolitik 1998. XVII, 297 Seiten, 9 Abb., 7 Tab., Broschur DM 108,-1 Os 788,-1 SFr 96,GABLER EDITION WISSENSCHAFT ISBN 3-8244-6645-7 Jorg Alting konzipiert ein in sich geschlossenes europaisches Mindestreservesystem, das geeignet ist, die negativen Begleiterscheinungen der Mindestreserve weitgehend zu minimieren, ohne dar., ihre geldpolitischen Nutzeneffekte beeintrachtigt werden.
Hanno Beck Die Stabilitat von Integrationsgemeinschaften Oberlegungen zur Osterweiterung der Europaischen Union 1998. XVII, 299 Seiten, 51 Abb., 27 Tab., Broschur DM 108,-1 Os 788,-1 SFr 96,DUV Wirtschaftswissenschaft ISBN 3-8244-0407-9 Der Autor erarbeitet ein Integrationskonzept, dessen primares Ziel die Stabilitat internationaler ZusammenschlOsse ist, und wendet dieses auf die Osterweiterung der Europaischen Union an.
Jocelyn Braun Large-scale Privatization via Auctions The case of land in transforming economies 1998. XV, 171 Seiten, 5 Abb., 1 Tab., Broschur DM 84,-1 Os 613,-1 SFr 76,GABLER EDITION WISSENSCHAFT ISBN 3-8244-6777-1 On the basis of a game-theoretic framework of analysis, Jocelyn Braun shows that the mechanism of auctioning is an efficient and equitable alternative to many privatization methods that have so far been implemented with disappointing results.
Manfred A. Dauses (Hrsg.) Osterweiterung der EU Rechtsangleichung und strukturpolitischer Rahmen 1998. 581 Seiten, 4 Abb., 15 Tab., Broschur DM 128,-1 Os 934,-1 SFr 114,DUV Sozialwissenschaft ISBN 3-8244-4284-1 Die Osterweiterung der Europaischen Union steht vor der TOr. Die potentiellen Beitrittspartner Mittelosteuropas haben bereits einen gror.,en Teil der Systemtransformation umgesetzt. Jetzt mOssen die rechtlichen Rahmenbedingungen fOr die Einbindung in die EU geschaffen werden.
~ 1.\f7 DeutscherUniversitatsVerlag ~ GABLER·VIEWEG·WESTDEUTSCHERVERLAG
Klaus Dorner u. a. (Hrsg.) Aspekte der europaischen Integration 1998. XIV, 236 Seiten, 5 Abb., 18 Tab., Broschur DM 48,-1 Os 350,-1 SFr 44,50 DUV Sozialwissenschaft ISBN 3-8244-4286-8 In diesem am Centrum fur Europaische Studien (CEUS) entstandenen Sam melband werden bisherige Entwicklungslinien des europaischen Integrationsprozesses aufgearbeitet und Zukunftsperspektiven aufgezeigt.
Arnold Holle Corporate Governance by Banks in Transition Economies The Polish Experience 1998. XVII, 274 Seiten, 26 Abb., 76 Tab., Broschur DM 98,-1 Os 715,-1 SFr 89,GABLER EDITION WISSENSCHAFT ISBN 3-8244-6746-1 This empirical study looks in detail at the Polish Enterprise and Bank Restructuring Program. The Polish experience shows the necessity of completely overhauling the bankruptcy laws and institutions at the outset of any restructuring program.
Marcus Marktanner Systemtransformation und Kluberweiterung Chancen und Risiken der Aufnahme von Reformstaaten in integrierte Wirtschaftsraume 1997. XVIII, 174 Seiten, 28 Abb., Broschur DM 89,-1 Os 650,-1 SFr 81 ,GABLER EDITION WISSENSCHAFT ISBN 3-8244-6660-0 Marcus Marktanner analysiert zunachst die Ursachen des Scheiterns sozialistischer Okonomien. Hieraus leitet er politische und eigentumsrechtliche Dezentralisierungserfordernisse fUr eine erfolgreiche Transformation abo
Stefan Merten Wirtschaftspolitische Leitbilder des Marxismus-Leninismus Konzeptionen - Defizite - Folgen 1999. XV, 305 Seiten, 2 Abb., Broschur DM 108,-1 Os 788,-1 SFr 96,DUV Wirtschaftswissenschaft ISBN 3-8244-0446-X Es wird deutlich, daB das Scheitern des Sozialismus sowie die mit seiner realen Auspragung stets eng verbundene Diktatur notwendige Folgen der totalitaren wirtschaftspolitischen Leitbilder sind.
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Jan Myszkowski Der politische und wirtschaftliche Umbruch in Ostmitteleuropa Eine Analyse der deutschen Tagespresse 1999. XIV, 366 Seiten, 230 Abb., Broschur DM 82,-1 Os 599,-1 SFr 74,50 DUV Sozialwissenschaft ISBN 3-8244-4315-5 Der Autor analysiert das Bild des politischen und wirtschaftlichen Umbruchs in der deutschen Tagespresse des Jahres 1989 unter inhaltlichen, sprachlichen und zeitungstechnischen Kriterien.
Falk von Seck Transformation der Seeschiffahrt Privatisierung und Restrukturierung im Ostseeraum 1998. XXIV, 384 Seiten, 17 Abb., 90 Tab., Br. DM 128,-1 Os 934,-1 SFr 114,GABLER EDITION WISSENSCHAFT ISBN 3-8244-6829-8 Der Autor zeigt, dar.. Privatisierung und Restrukturierung eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der betreffenden Reedereien im Ostseeraum und teilweise deren Bankrott nicht verhindern konnten.
Elke Siehl Privatisierung in RuBland Institutioneller Wandel in ausgewahlten Regionen 1998. XX, 402 Seiten, 11 Abb., 30 Tab., Broschur DM 128,-1 Os 934,-1 SFr 114,GABLER EDITION WISSENSCHAFT ISBN 3-8244-6849-2 Elke Siehl analysiert die Privatisierung der staatseigenen Wirtschaft als Teil eines umfassenden gesamtgesellschaftlichen Wandels und als Produkt des Zusammenspiels okonomischer und politischer Prozesse.
JOrgen Tiedge Systemtransformation und Wettbewerbsentwicklung 1998. XXI, 324 Seiten, 23 Abb., 9 Tab., Broschur DM 118,-1 Os 861,-1 SFr 105,GABLER EDITION WISSENSCHAFT ISBN 3-8244-6715-1 Der Autor zeigt am Beispiel der Transformation der Interflug GmbH, dar.. die Ausblendung sachlicher und raumlicher Wettbewerbsdeterminanten zu einer Schwachung des Aufbaus einer dynamischen Wettbewerbslandschaft fOhren kann.
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