Download - Spanische Sprachwissenschaft:
Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergInstitut für RomanistikSeminar: Prinzipien des Sprachwandels (SS 2009)Dozent: Steve Pagel, M.A.
Referenten: Jesko Habert, Albrecht Kober, Dennis Krohn, Armin Michael
Kreolisierung Vorgelegt am: 07.09.09
Was ist Kreolisierung?
Beispiele
Literaturangaben
Woher kommt die Kreolgrammatik?
Wie entsteht eine Kreolsprache?
- Herkunft des Begriffes KREOL: lat. „creare“ (zeugen, erschaffen), spanischer Begriff „criollo“- Erstmals 1567 für Nachkommen europäischer Kolonisatoren/Siedler in der Neuen Welt erwähnt:
- Begriff wurde 1685 das erste mal zur Abgrenzung von Sprachformen benutzt:
- Voll ausdifferenzierte, regularisierte Sprache, die nicht (mehr) die grammatische Beschränkung und Vereinfachung des Pidgin aufweist. - Nur selten bisher schriftlich fixiert (z.B. Haiti)- Mischung aus europ. Sprachen (Engl., Span., Franz., Holländ., Port.), die als »lexifier languages« etwa 80% der Lexik bereitstellten, während die Substratsprachen die morphosyntaktischen Ei- genschaften lieferten. (Diese Annahmen sind jedoch noch umstritten)- „A pidgin is a reduced languagethat results from extended contact between groups of people with no language in common“ (Holm 1988: 5)
- Auftreten v.a. in (West-)Afrika, Ozeanien (Pazifik-Inseln) und amerik. Inseln und Küstengebieten (v.a. Karibik) mit versch. lexifier languages. (Insg. etwa 60 Kreolsprachen (McWhorter 2003))- Spanisch-basierte Kreolsprachen: - Papiamentu (ABC-Inseln der Karibik (Aruba, Bonaire, Curaçao) - Palenquero (kolumbischen Provinz Bolívar) - Chabacano (Phillipinen). - Auftreten auf zuvor oft unbewohnten Inseln wegen erhöhtem Sklavenaufkommen. - Sklaven-Import aus verschiedenen, meist westafrikanischen Regionen zur Plantagenbewirt- schaftung (auf dem Festland arbeiteten auch Indios auf Plantagen, die im Ggs. zu Schwar- zen jedoch nach päpstlichem Beschluss als Menschen anzusehen waren). - Plantagenarbeit der afrik. Sklaven mit wenig Sprachkontakt zu Herren. (Chaudenson 1992) - Zur Verständigung untereinander übernahmen die Sklaven Lexeme aus der einzigen ge- meinsamen linguistischen Quelle, der Kolonisatorensprache(n)/-dialekten. (ebd.) -Mit wachsendem sprachl. Bedarf Wortschöpfung durch Polysemie / innovative Kombination
- Chaudenson (1995): „keine typisch kreolischen Strukturen“, nur geschichtlich identifizierbar- Linguistische Merkmale: - Ausdifferenzierte Grammatik nach SVO-Muster (Subjekt, Verb, Objekt) - Nutzung von TMA-Partikeln (Time, Modus, Aspect - siehe Beispiele) (nach Bickerton) - Lexikerweiterung - 3 morphosyntaktische Merkmale, die nur in Kreolsprachen auftreten (McWhorter, 1998): - Inflectional affixation: kein/kaum flektierende Morphologie (siehe Beispiele) - Tone: keine Tonunterscheidung bei einsilbigen Wörtern - Derivational noncompositionality: kein semant. Affixwandel bzgl. einer Phrase
„...esta tierra está llena de criollos que son estos que acá an nacido, y [...] nunca an conocido al rey...“ (Fleischmann 1986: 16)
„Ces gens la, outre la langue du pays, parlent encore un certain jargon qui n‘a que tres peu de ressemblance a la langue portudaise, et gu‘on nomme langue creole, comme dans la mer Mediterranée la langue franque;...“ (zit. n. Baker/Mühlhäusler 2007)
„Despues el diablo ya leba kon ele na Herusalem y ya pone kon ele na mas alto punta del templo. Si evos anak del dios, brinka vos para aki abaho. Ke el escritura ta abla: dios ay manda disuyo mga angel kuida kon vos. Y ta abla: sila ay alsa kon vos por medio de di ila mga mano que ni de vos pies ay hende sinti duele. (Die Bibel, Lukas 4, 9. Übersetzung nach jesusfilm.org)
Betrachtung von Entwicklung und Existenz
- Ob es Substrateinflüsse gab und wie sie sich ausgewirkt haben können, ist bis heute umstritten.- 4 mögliche Genesetheorien:
- Monogenese: eine Wurzel für alle Kreolsprachen, die sich dann jeweils anders relexifizierten - Sabir-Theorie mit Lingua Franca („Sabir“; port. basiertes Explorationspidgin im Mittelmeer- raum) als Substrat-Grundlage (Hafenpidgin). Beweise: TMA-Partikeln (angeblich auch in Sa- bir) und port. Wörter „pikin“ / „pikanin“ und „savvy“ (pequeño=klein und „savvy?“= „Ver- standen?“), die in jeder Pidgin- und Kreolsprache vorkommen! - Westafrik. Substrattheorie: Gemeinsame Basissprache in Westafrika (Ludwig 2003: 301). Sprachen der Niger-Kongo-Sprachfamilie werden meist als Ausgangspunkt vorgeschlagen, um strukturelle Ähnlichkeiten unter Kreolsprachen zu erklären.
- Polygenese: aus unterschiedlichen Wurzeln stammend (europ. Ausgangssprachen). - Kreol als Resultat eines normalen, aber beschleunigten Sprachwandels (Chaudenson 1992) - Franz. Linguisten nennen Frankokreolsprachen auch „français avancé “ (Janson 2006: 197f.)
- Universalientheorie: Sprachliches „Bioprogramm“, das Sprache strukturiert, wenn Input fehlt - Rudimentärer Muttersprachen-Input bei Sklavenkindern aktiviert genetic language blueprint - Laut „Language Bioprogram Hypothesis“ (Bickerton 1981) für Strukturähnlichkeit unter Kreolsprachen verantwortlich - Allgemeiner: Universale Mechanismen spiegeln möglicherweise die ursprüngliche Sprachge- nese beim Menschen wider (Bechert/Wildgen 1991: 130)
- Baby-/ Foreigner Talk: bewusste Vereinfachung der lexifier language (Ludwig 2003: 297ff). - Entweder als „Baby Talk“: Vereinfachung durch Herren, Übernahme durch Sklaven - Oder als „Foreigner Talk“: Vereinfachung durch Sklaven, Übernahme durch Herren
Kreolsprache
europ. Kolo-nialismus
Allg. Handels-beziehung
Sklavensuche in Afrika
Sprach-barrieren
Erweitertes Pidgin
Stabilisier-tes Pidgin
Frühes Pidgin
JargonMorphosynt. & lexik. Reduktion eigener
Sprache zur kommunikation
abr
upt
e K
reo
lisi
eru
ng
nicht feststehende Sprachnormstets Neubildung
keine/kaum Grammatikkleines Lexikon & Holophrasen
diskurspragm. Wortfolgeab Pubertät erlernt
keine syntakt., morpholog. oder phonolog. Normen
nur Zweitsprache
syntakt. komplexerRegeln & Normen
für Bildung geeignete Sprache
Pidgin
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ng
Normen & Regularitätenkaum Flexion
kaum Ironie, Skepsis etcmorphosynt. & phon. Reduktion
nur Zweitsprache
ausdifferenz. GrammatikRegeln & Lexikerweiterung
»kreolische Strukturen«(TMA, SVO, wenig flekt. Affixe)
(spanischbasierte)
Kreolsprache
(lexifier language)
Castellano
Sabi
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Landessprache (etwa 10-20 %)
Uni
vers
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Poly
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Bab
y-Ta
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Mon
ogen
ese
Lexik Grammatik
Backer, P., Mühlhäusler, P. (2007). Creole Linguistics from it‘s Beginnings, through Schuchardt to the Present Day. In: Creolization. History, Ethnography, Theory. Walnut Creek: Left Coast Press, S. 84-107Bechert, J., Wildgen, W. (1991). Einführung in die Sprachkontaktforschung. Darmstadt: Wissen-schaftliche Buchgesellschaft.Bickerton, D. (2004). Die Sprachen der Kreolen. In: Breuer, Reinhard et al. (2004): Die Evolution der Sprachen. Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, S. 79-87.Fleischmann, U. (1986). Das Französisch-Kreolische in der Karibik. Zur Funktion von Sprache im sozialen und geographischen Raum. Tübingen: Narr.Holm, J. A. (1988). Pidgins and creoles. Vol. I. Theory and Structure. Cambridge: Univ. Press.Chaudenson, R. (2001). Creolization of Language and Culture. London/New York: Routledge.Chaudenson, R. (1995). Les Créoles. Paris: Presses universitaires de FranceJanson, T. (2006). Eine kurze Geschichte der Sprachen. München: Elsevier GmbH. Ludwig, R. (2003). Geschichte der Reflexion über die romanischen Sprachen. Kreolsprachen / His-toire de la réflexion sur les langues romanes: les langues créoles. In: Ernst, G. et al.: Romanische Sprachgeschichte/Histoire linguistique de la Romania. Berlin/New York: de Gruyter, S. 297–309.McWhorter, J. H. (2003). The Power of Babel: A natural history of language. London: Arrow.McWhorter, J. H. (2005). Defining Creole. London: Oxford Univ. Press.
Die kursiv gehaltenen Verben im obenstehenden Beispiel in Chabacano sind jeweils mit Partikeln des Tempus, Modus und Aspektes (TMA) versehen. Die drei verschiedenen Partikel sind: - „ya“, Tempus-Partikel. Handlung ist vergangen (span. „ya“ = „schon“) - „ay“, Modus-Partikel. Handlung ist irreal bzw. zukünftig (span. „hay que“ = „man muss“) - „ta“, Aspekt-Partikel. Handlung geschieht gegenwärtig (Gerundium) (span. „está“ = „ist“)
Ähnliche Partikel treten z.B. auch im Haiti-Kreol auf: - „Li té maché“ = „Er ist gegangen“ / „Er ging“ (He had walked) - „L‘av(a) maché“ = „Er wird gehen“ / „Er würde gehen“ (He will/would walk) - „L‘ap maché“ = „Er geht (gerade)“ / „Er ist am gehen“ (He is/was walking)
Die TMA-Partikeln lassen sich kombinieren, um so komplexere Sachverhalte versprachlichen zu können (Bsp. nach Bickerton 2004: 79-87) - „Li t‘av ap maché“ = „Er wäre am Gehen gewesen“ (He would have been walking)
Innovative KombinationMithilfe der innovativen Kombination werden aus bekannten Wörtern der lexifier language neue Wörter gebildet. „mucha“ + „homber“ = „muchahomber“ span. „muchacho“ span. „hombre“ span. „hijo“ (den Sklaven unbek. span. Wort) „mucha“ + „muhe“ = „muchamuhe“ span. „muchacha“ span. „mujer“ span. „hija“ (den Sklaven unbek. span. Wort) (muchacho/a=Junge/Mädchen) (hombre/mujer= Mann/Frau) (hijo/a=Sohn/Tochter)