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Linguistische Grundlagen
Anke Lüdeling
Institut für deutsche Sprache und Linguistik, Humboldt-Universität zu Berlin
Überblick
• Was ist Linguistik?• linguistische Beschreibungsebenen
(Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik, Pragmatik)
• Probleme (exemplarisch)– Ambiguität (Wortarten, Syntax)– Kollokationen– Unterspezifiziertheit –
Anbindung an Weltwissen (semantische Lesarten)– Produktivität (Wortbildung)
Was ist Linguistik?
• Linguistik beschäftigt sich mit– der Beschreibung und Modellierung von Sprachdaten– den zugrundeliegenden Regularitäten
(Regeln, statistische Muster, Constraintmengen, ...)
– menschlicher Sprachverarbeitung (mentale Prozesse), Spracherwerb, Sprachverwendung
– Entwicklung und Veränderung von Sprache– Sprache als sozialem Phänomen, Kommunikation– ...
Linguistik
• die 'alten Griechen' und die 'alten Inder': Grammatiken, Beobachtungen über Sprache, Analagie vs. Anomalie, Lautsymbolik
• bis 19. Jhd.: Grammatiken (erste Grammatiken von 'Volkssprachen' auf Basis der lateinischen Grammatik), Sprachphilosophie
• 19. Jhd.: Sprachvergleich (Sprachstammbäume), Beschreibung von Veränderung (Diachronie), Lautgesetze
• Beginn 20. Jhd.: Strukturalismus, Entwicklung von formalen Beschreibungsmitteln, Synchronie
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Linguistik
• seit Chomsky (1957) generatives Paradigma –Grundgedanken Basis vieler formal unterschiedlicher Theorien (Government & Binding, Minimalismus, Head-DrivenPhrase Structure Grammar, Lexical Functional Grammar, ...)
• daneben: Soziolinguistik, Psycholinguistik, Neurolinguistik, Pädolinguistik, Sprachdidaktik, Typologie, Computerlinguistik, Korpuslinguistik, ...
Generative Linguistik
• SprecherInnen einer Sprache können unendlich viele Ausdrücke (Wörter, Sätze) – also auch solche, die sie nie vorher gehört haben – produzieren und verstehen
Exkurs: ... unendlich viele Ausdrücke ...
• Rekursion – Syntax
der Bezug des Bettes des Hotels des Ermittlungsteams der Ursache des Absturzes des Systems ...
– Morphologie Superstarauswahlveranstaltungsterminabsprachedialogsystem-absturzursachenermittlungsteamhotelbettbezug
• Konjunktion (Aufzählung)Am Sonntag fraß sie sich durch einen Apfel, zwei Bananen, drei Tomaten, vier Gurken, fünf Schokotörtchen, sechs ....
... unendlich viele Ausdrücke ...
• Hinzufügen neuer Basiselemente z.B. durch Entlehnung (email, Latte macchiato to go) oder Kreativität (Handy, unkaputtbar)
• semantische Prozessesystematische Polysemie (Huhn, Schwein)Analogie (Riesterknochen)metaphorische Erweiterungen etc.
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Generative Linguistik
• SprecherInnen einer Sprache können unendlich viele Ausdrücke (Wörter, Sätze) – also auch solche, die sie nie vorher gehört haben – produzieren und verstehen
• d.h., Untersuchungsgegenstand ist das zugrundeliegende Produktionssystem, das alle und nur die grammatischen Ausdrücke einer Sprache erzeugt
Generative Linguistik
• es gibt Sprachzentren im menschlichen Gehirn, die Produktionssysteme für menschliche Sprachen restringieren
• Evidenz– Universalien– Spracherwerb
Exkurs: Sprache und Gehirn
• wo 'wohnt' Sprache?• wie entstand Sprache/Sprachfähigkeit in der Evolution
des Menschen?• was macht Sprachfähigkeit aus? Ist Sprache eine
exklusiv menschliche Fähigkeit?• wie restringiert das Gehirn/die körperliche Einbettung
Sprache?
Wo ist die Sprachfähigkeit lokalisiert?
•Broca-Aphasie (motorische Aphasie): Sprachproduktion/ Spontansprache gestört, Agrammatismus
•Wernicke-Aphasie (rezeptive Aphasie): Sprachverständnis gestört, Sprache flüssig, allerdings entstellt, Neologismen
•in Wirklichkeit ist alles viel komplizierter ...
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Wo ist die Sprachfähigkeit lokalisiert?
• psycholinguistische Experimente: sprachliches Verhalten lässt Rückschlüsse auf Organisation von verschiedenen 'Komponenten' der Sprachfähigkeit zu– Speicherung von Einheiten vs. Regelanwendung– ...
• Imaging-Techniken (z. B. fMRI): Gehirnaktivität bei bestimmten Aufgaben (Nachsprechen eines Wortes, Beantworten einer Frage, Reaktion auf fehlerhafte Sätze, ...) wird gemessen– bei Sprachproduktion und –rezeption Aktivität in verschiedenen
Bereichen des Gehirns (nicht nur Wernicke und Broca)– unterschiedliche Fehler (Syntax vs. Semantik) werden in
verschiedenen Bereichen verarbeitet– ...
• ...
Sprachfähigkeit angeboren?
• Sprache als soziales (gelerntes) Phänomen ?• zu erklären ist
– es gibt kein Volk ohne Sprache– es gibt keine 'primitiven' Sprachen– es gibt sprachliche Universalien– Kreolisierung– Sprachfähigkeit ist nicht unmittelbar korreliert mit
Intelligenz (oder sozialer Klasse)
Sprachfähigkeit angeboren?
• Lernproblem: Spracherwerb läuft bei allen Kindern ungefähr gleich ab
• Sprache ist zu komplex, als dass sie einfach gelernt werden kann, zu wenig Input, kaum negative Evidenz
• Chomsky: es muss ein angeborenes Sprachlern'modul'(Language Acquisition Device) geben – Kinder lernen dann nur bestimmte 'Parameter' (Kinder 'entdecken' Grammatik)
Sprache = Instinkt?
• "the instinct to learn, speak and understand language" [...] "Language is not a cultural artifact that we learn the way we learn to tell time or how the federal government works. Instead it is a distinct piece of the biological makeup of our brains." (Pinker 1994, 17f)
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Co-Evolution von Sprache und Gehirn
• Deacon (1998) – ein spezielles 'Sprachorgan' nicht nötig– Menschen haben ein ungewöhnlich großes Gehirn
(Gehirn-Haut-Relation) – daher mehr Kapazität, Symbole zu verarbeiten und in Symbolen zu denken
– Sprache ist ein Produkt der allgemeinen Organisation/Entwicklung des Gehirns
– kritische Phase des Sprachlernens unterstützt durch korgnitive Entwicklung von Kindern
– Sprache entwickelt sich so, dass sie von Kindern leichter gelernt werden kannein Faktor für Sprachwandel ist der Filter durch Kinder
Überblick
• Was ist Linguistik?• linguistische Beschreibungsebenen
(Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik, Pragmatik)
• Probleme (exemplarisch)– Ambiguität (Wortarten, Syntax)– Kollokationen– Unterspezifiziertheit –
Anbindung an Weltwissen (semantische Lesarten)– Produktivität (Wortbildung)
Linguistische Beschreibungsebenen
• traditionell werden (mindestens) folgende Beschreibungsebenen unterschieden– Phonetik – Laut– Phonologie – Lautsystem – Morphologie – Struktur von Wörtern– Syntax – Struktur von Phrasen & Sätzen– Semantik – Bedeutung– Pragmatik – Verwendung
Phonetik
• Produktion und Systematik von Sprachlauten – Phon• artikulatorische Phonetik: Laute werden anhand des
Artikulationsortes und der Artikulationsartklassifiziert
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Phonetik
• Artikulationsort– bilabial [b] [p] [m]– alveolar [t] [d] [n] [s] [z] [l] [r]– ...
• Artikulationsart– stimmhaft (Stimmlippen schwingen) vs. stimmlos
[b] – [p], [d] – [t] – nasal (Luft entweicht auch durch die Nase) vs. oral
[m] – [b]– ...
Konsonanten, http://www.arts.gla.ac.uk/IPA/pulmonic.html
SAMPA
• SAMPA (Speech Assessment Methods PhoneticAlphabet) übersetzt die IPA-Zeichen in 7-bit ASCII-Zeichen (internationale Konvention)
• SAMPA für viele Sprachen erhältlich• in Text-to-Speech Systemen verwendet• z. B. deutsche Plosive (Auswahl)
p Pein paIn b Bein baIn t Teich taIC d Deich daIC
Phonologie
• Lautsystem einer Sprache– bedeutungsunterscheidende Laute
innerhalb einer Sprache – Phoneme– Silbenstruktur– Prosodie
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Phonologie
• bedeutungsunterscheidende Laute werden durch die Bildung von Minimalpaaren gefunden Hase vs. Nase, Schal vs. Schaf→ [h], [n], [l], [f] sind Phoneme des Deutschen
• dt. /r/: [r] oder [R] oder [χ] oder ... Varianten nicht bedeutungsunterscheidend→ es wird nur ein Phonem für /r/ angenommen
• Phoneminventar einer Sprache• Silbenmodelle einer Sprache• Prosodie/Betonungsmuster für die Silben
Morphologie
• Aufbau von komplexen WörternHaustür → Haus•türlachte → lach•te Unabhängigkeit → Un•ab•häng•ig•keit
• Einteilung in bedeutungs- oder funktionstragende(grammatische Funktion, z.B. 1.Pers. Sg. Präsens) Elemente -Morpheme
Morphologie
• Morphem:– Stamm: Morphem, das auch alleine stehen kann
Haus, Tür, lach, rot ...– Affix (Präfix, Suffix): Morphem, das nicht alleine stehen
kann-bar, -te, -keit, -ung, ver-, ent-, un- ...(Vorsicht: Verwendung von 'Präfix' und 'Suffix' in der Linguistik unterscheidet sich von der Verwendung von 'Präfix' und 'Suffix' in der Informatik)
Morphologie
Flexionlachte Menschen
DerivationHäuschen, lesbar
KompositionHaustür, hellblau
KonversionSchlafN → schlafV
KurzwortbildungAutomobil → Auto
...
Wortbildung
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Morphologie
• nicht nur Analyse, auch Strukturbildung• Struktur abhängig von Aufbauprinzipien –
spiegelt die Interpretation (Semantik) des komplexen WortesUn•ab•häng•ig•keit((Un•((ab•häng)•ig))•keit)
Komplexität von Morphologie
• Flexionsmorphologie: durch reguläre Sprachen/endliche Automaten beschreibbar
• Wortbildung: – durch kontextfreie Grammatiken beschreibbar
• Komposita mit Struktur (Zwergen-kinder-garten)• Präfixe, Suffixe, Zirkumfixe (Ge-renn-e)
– allerdings: auch Beispiele für nicht kontextfreie StrukturenBambara: o-wulu-filela-o-wulu-filela
Syntax
• Zusammensetzung von komplexen Ausdrücken aus Wörtern
• Struktur abhängig von Aufbauprinzipien, ist Interface zur Interpretation und Aussprache eines komplexen Ausdrucks
Syntax – Phrasen
• Ersetzbarkeit
George Bush lässt sich nicht einschüchternDer amerikanische Präsident lässt sich nicht einschüchternDer Präsident der Vereinigten Staaten ...Der Präsident, der von weniger als der Hälfte der
amerikanischen Wähler gewählt wurde, ...
*Präsident lässt sich nicht einschüchtern.*amerikanische lässt sich nicht einschüchtern
(* steht für 'ungrammatisch')
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Syntax – Phrasen
• ErsetzbarkeitGeorge Bush lässt sich nicht einschüchtern.Der amerikanische Präsident lässt sich nicht einschüchtern.Der Präsident der Vereinigten Staaten ...Der Präsident, der von weniger als der Hälfte der
amerikanischen Wähler gewählt wurde, ...• die grünen Sequenzen bilden Konstituenten desselben
Typs, d.h., man kann sie durcheinander ersetzen, ohne dass der Satz ungrammatisch wird
Syntax – Phrasen
• solche Konstituenten werden Phrasen genanntNominalphrase (NP)Verbalphrase (VP)Adjektivphrase (AP)...
Syntax – Phrasen
• Beispiel Nominalphrase (Ausschnitt)
der Präsidentder amerikanische Präsidentder frühere amerik. Präsidentein Präsident der USAder Präsident der ... wurde
PräsidentenART? (ADJ)* N (NP|S)?
Syntax – Phrasenstrukturbäume
• Phrasen werden zu komplexen Strukturen (Bäumen oder Graphen) zusammengesetzt
• Aufgabe der Syntax ist es– die Art der Phrasen in einer Sprache zu finden– die interne Struktur der Phrasen zu finden– die Kombinationsmöglichkeiten für Phrasen zu finden
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aus dem TIGER-Korpus (Baumbank, deutsche Zeitungstexte)
Syntax – Regeln/Constraints
• syntaktische Theorien unterscheiden sich unter anderem in der formalen Kodierung ihrer Strukturbeschreibungen– (kontextfreie) Regeln– Constraints, Merkmalsstrukturen– Kombination von beidem– ...
Komplexität von Syntax
• Natürliche Sprachen = kontextfrei?
• Großteil der syntaktischen Strukturen: kontextfrei beschreibbar
• Ausnahmen:– Schwyzerdütsch
weil d´Chind de Hans des hus hend laa aastriche1 2 3 1 2 3
– außerdem: zur Modellierung funktionaler Abhängigkeiten (mild) kontextsensitive Grammatiken notwendig
• dass ein Brief an seine Großmutter kam, die er …• dass ein Entwurf eines Brief an seine Großmutter kam, die er
…
Semantik
• Bedeutung von Wörtern (lexikalische Semantik) und Phrasen (kompositionelle Semantik)
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Semantik: lexikalische Semantik
• Ziel: Formale Beschreibung von semantischen Einheiten und Beziehungen– Polysemie, Homonymie, Vagheit …– Hyponyme, Hyperonyme, …
• vollständige Beschreibung der semantischen Eigenschaften des Wortschatzes einer Sprache durch Merkmalsbündel (+ Vererbung): konkret, belebt, Artefakt, ...
Lexikalische Semantik
• lexikalische Zerlegung in atomare Ausdrücke(semantische Primitive)
X tötet Y X macht, dass es dazu kommt, dass es nicht mehr der Fall ist, dass Y lebtCAUSE(X, BECOME(NOT(ALIVE(Y))))
• semantische Eigenschaften bestimmen Kombinationsmöglichkeiten von Elementen:Verbklassen und AdverbienHans erreicht in drei Stunden den Gipfel.#Hans erreicht drei Stunden lang den Gipfel.Hans rannte drei Stunden lang#Hans rannte in drei Stunden (aber: resultativ ok)
Semantik: kompositionale Semantik
• Bedeutung von komplexen Ausdrücken ist eine Funktion derBedeutung der Teile (“Kompositionalitätsprinzip”, Frege)
• Bedeutung von Wörtern – z.B. Referent eines Wortes (“Hans”: h )– z.B. Menge aller Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft
(“lachen”: λx.lachen(x), “Mann”: λx.mann(x))
• Bedeutung von Sätzen– “Hans lacht”: lachen(h) -> Bedeutung = Wahrheitswert
• Quantorenskopus, Intension und Extension
Semantik: Textsemantik
• Bedeutung von Texten (= Wörter und Sätze im Kontext)
• z.B. Bedeutung von (vielen) Pronomen erst im Kontextbestimmbar
• z.B. Informationsstruktur (alte vs. neue Information)
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Komplexität von Semantik
• viele versch. semantische Theorien• In jedem Fall: Prädikatenlogik zweiter Stufe
(mit Eigenschaften von Eigenschaften)der ehemalige Präsident
Pragmatik
• Grice’sche Maximen: Kooperationsprinzip– Ökonomie– Ironie
• Präsupposition, Implikaturen, …
Zusammenspiel der Komponenten
Hans will heute ...
Semantik/
PragmatikMorphologie/
Syntax
Phonetik/
Phonologie
λx[mann(x) & ...
Überblick
• Was ist Linguistik?• linguistische Beschreibungsebenen
(Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik, Pragmatik)
• Probleme (exemplarisch)– Ambiguität (Wortarten, Syntax)– Kollokationen– Unterspezifiziertheit –
Anbindung an Weltwissen (semantische Lesarten)– Produktivität (Wortbildung)
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Probleme in der Linguistik
• alles wäre ganz einfach, wenn– es endlich viele Ausdrücke (Wörter/Sätze) gäbe (oder
wenigstens endlich viele Basiseinheiten)– jeder Ausdruck genau eine Struktur und Interpretation
hätte und – diese Struktur immer lokal (ohne zusätzliche
Informationen) zu bestimmen wäre
Probleme ...
• im richtigen Leben (in einer natürlichen Sprache) gibt es aber– Produktivität (und Kreativität)– Ambiguität– Unterspezifikation und Kontextabhängigkeit
Ambiguität
• kategorielle Ambiguität: ein Ausdruck kann zu mehreren Kategorien gehören
• Kohl – Name oder einfaches Nomen?nach 14 Jahren Kohl war die Arbeitslosigkeit auf X% gestiegennach 14 Jahren Kohl wollten wir endlich mal wieder etwas anderesessen
Ambiguität
• strukturelle Ambiguität: einem Ausdruck können mehrere Strukturen zugewiesen werden
• Morphologie– [klein•[Kunst•Werk]] –
ein kleines Kunstwerk, vgl. Kleinplastik, Kleinbetrieb, Kleinwagen
– [[klein•Kunst]•Werk]ein Werk der Kleinkunst, vgl. Kleinkunstbühne, Kleinkunstförderung
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Ambiguität
• Syntax– [[alte Männer] und Frauen]– [alte [Männer und Frauen]]– ich sah den Mann mit dem Fernrohr – ich sehe ihn laufend
Ambiguität
• kategorielle und strukturelle Ambiguität bedingen einander
John saw her duck [under the table]
NE V Possessivpron. N PP
NE V Personalpron. V PP
Ambiguität – Beispiele
• strukturelle Ambiguität– Staubecken– Arbeitsamt– Kaffee– Stiefelchen
• semantische Ambiguität– 4 Männer tragen 3 Klaviere– Alkoholiker werden immer jünger
Ambiguität - Beispiele
• Hochschullehrerstellen [13] (DMOR, IMS Stuttgart)Hoch=Schul=Lehr=Erst=Elle+NN Hoch=Schul=Lehr=Erst=Ellen+NE Hoch=Schul=Lehr=Erstellen+NN Hoch=Schul=Lehr=erst=Elle+NN Hoch=Schul=Lehr=erst=Ellen+NE Hoch=Schul=Lehr=erstellen^VINF+NN Hoch=Schul=Lehrer=Stelle+NN Hoch=Schul=Lehrer=stellen^VINF+NN hoch=Schul=Lehr=Erst=Elle+NN hoch=Schul=Lehr=Erst=Ellen+NE hoch=Schul=Lehr=Erstellen+NN hoch=Schul=Lehr=erst=Elle+NN hoch=Schul=Lehr=erst=Ellen+NE hoch=Schul=Lehr=erstellen^VINF+NN hoch=Schul=Lehrer=Stelle+NN hoch=Schul=Lehrer=stellen^VINF+NN
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Ambiguität – Auflösung
• Desambiguierungsstrategien– regelbasiert– heuristisch – statistisch (HMM, Kontextvektoren)
• Desambiguierungsstrategien beziehen sich alle auf einen lokalen Kontext – entweder über Anzahl der Token definiert oder über syntaktische Relationen
• (Vorsicht bei statistischer Auswertung: Ereignisse sind nicht unabhängig)
Desambiguierung - Kontextabhängigkeit
• Problem: viele Ambiguitäten lassen sich lokal nicht auflösen –man braucht mehr Wissen!
• Kontext 1 Satz– nach 14 Jahren Kohl– Straßenraub
• Kontext mehrere Sätze– I saw her duck under the table
• manchmal reicht das nicht ...
Verstehen Sie Englisch?
If the balloons popped, the sound wouldn't be able to carry since everything would be too far away from the correct floor. A closed window would also prevent the sound from carrying, since most buildings tend to be well insulated. Since the whole operation depends on a steady flow of electricity, a break in the middle of the wire would also cause problems. Of course, the fellow could shout, but the human voice is not loud enough to carry that far. An additional problem is that a string could break on the instrument. Then there could be no accompaniment to the message. It is clear that the best situation would involve less distance. Then there would be fewer potential problems. With face to face contact, the least number of things could go wrong. (Bransford and Johnson (1973))
If the balloons popped, the sound wouldn't beable to carry since everything would be too far away from the correct floor. A closedwindow would also prevent the sound fromcarrying, since most buildings tend to be well insulated. Since the whole operation dependson a steady flow of electricity, a break in themiddle of the wire would also cause problems. Of course, the fellow could shout, but the human voice is not loud enough to carry that far. An additional problem is that a string could break on the instrument. Thenthere could be no accompaniment to themessage. It is clear that the best situationwould involve less distance. Then there would be fewer potential problems. With face to face contact, the least number of thingscould go wrong.
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Produktivität: ein bisschen Lexikostatistik
• Wie wahrscheinlich ist es, dass man ein neues (ungesehenes) Wort findet, nachdem man eine gegebene Menge Text verarbeitet hat?
• das lässt sich aus der Verteilung der Wörter in demgegebenen Text errechnen(Baayen 1992, 2001)
Wortverteilung
grobe Vorstellung • wenn man eine endliche Menge von Wörtern hat,
erwartet man, dass jedes dieser Wörter in einem genügend großen Text mehrfach auftritt
• wenn man eine unendliche Menge von Wörtern hat, erwartet man, dass selbst in einem sehr großen Text viele nur einmal auftreten (und viele natürlich überhaupt nicht)
• d.h., dass die Zahl der seltenen Wörter Hinweise über die Anzahl der Wörter gibt
N = Token, V = Typen
Typ/Token Verteilung erstellen
• alle Typen im Text zählen (setzt Definition von Typ voraus)
• zählen, wie oft jeder Typ vorkommt
• im Stuttgarter-Zeitung Korpus (36 m Token)
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Lemmatypen im STZ-Korpus
Typ Häufigkeit Typ Häufigkeit
d 3,571,573 ... ..., 1,848,517 Zytomegalievirus 1. 1,605,763 Zytomir 1ein 710,719 Zytos 1und 708,531 zytotoxische 1in 613,876 Zywietz 1PPER 536,174 Zyzik 1sein 534,056 ZZ-Top-Hit 1" 408,708 ZZ-Top-Käfer-Nachbau 1… … ZZF-Information 1
Erstellen einer Frequenzverteilung
• zählen, wie häufig jede Häufigkeit vorkommt (Häufigkeit von Häufigkeiten)
freq freq of freq freq freq of freq1 404,579 … …2 96,981 708,531 13 43,357 710,719 14 26,159 1,605,763 15 17,559 1,848,517 1… … 3,571,573 1
LNRE Verteilung
• mehr als die Hälfte aller Typen kommen nur einmal vor (hapax legomena)
• Evidenz dafür, dass noch lange nicht alle möglichen Wörter vorgekommen sind
• ähnliche Ergebnisse auch für viel größere Texte (Zipf'slaw, LNRE Verteilung)
• d.h. man kann (jedenfalls für alle praktischen Zwecke) von einer unendlich großen Anzahl von Wörtern ausgehen
• (d.h. übrigens auch, dass statistische Verfahren, die auf Normalverteilung basieren, hier nicht angewendet werden können)
Abhängigkeiten von Wörtern
• linguistisches Modell:– (endliches) Lexikon von Stämmen, Affixen,
unregelmäßigen komplexen Wörtern mit Kategorisierung– Regeln/Constraints, die alle grammatischen Ausdrücke
einer Sprache generieren/beschränken
• Problem: Wortkombinationen– Idiome, Kollokationen, Phraseologismen, Klischees, ...
im Eimer sein, ins Gras beißen, zur Aufführung kommen, starker Raucher, guter Esser, Zähne putzen, ...
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Mehrwortlexeme
• Modifikation: auf die Palme bringenLange Wartezeiten bringen deutsche Internetnutzer auf die Palme. Was Männer auf die Palme bringt ... "Einige Leute sind schon so weit oben auf der Palme, dass es schwer wird, sie wieder herunterzuholen", sagte EU-Außenkommissar Chris Patten am Freitag.
• wörtliche und 'idiomatische' BedeutungGerade zum bevorstehenden Osterfest hat Lammfleisch Hochsaison. Statt des viele tausend Kilometer weit gereisten Tiefkühlfleischs empfiehlt die Verbraucherzentrale Sachsen den Braten aus der Region. Erst recht, wenn die Schafe „in das richtige Gras“ gebissen haben. http://www.vz-nrw.de/UNIQ1080827464132612998/doc7946A.html
Zusammenfassung
• strukturelle Ambiguitäten, nicht strukturelleAmbiguitäten
• keine 1:1 Abbildung von Form und Bedeutung/Funktion• unendlich viele Ausdrücke – regelmäßige produktive
Prozesse• aber auch: interne Abhängigkeiten – Lexikalisierung
komplexer Ausdrücke mit Struktur• Abhängigkeit von anderen Wissensquellen
("Weltwissen")
Literatur/Referenzen
• Einführungen– Carstensen, Kai-Uwe et al. (eds) (2001) Computerlinguistik und
Sprachtechnologie. Eine Einführung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
– Fromkin, Victoria & Rodman, Robert (19986) An Introduction to Language. Harcourt Brace College Publishers, Fort Worth etc.
– Mitkov, Ruslan (ed) (2003) The Oxford Handbook of ComputationalLinguistics. Oxford University Press, Oxford
– Radford, Andrew et al. (1999) Linguistics. An Introduction. Cambridge University Press, Cambridge
• Sprache und Gehirn– Deacon, Terrence (1997) The symbolic species. The co-evolution of
language and the human brain. Penguin Books, London– Loritz, Donald (1999) How the brain evolved language. Oxford University
Press, Oxford– Pinker, Steven (1994) The language instinct. Penguin Books, London
Literatur/Referenzen
• Phonetik/Phonologie– Internationales Phonetisches Alphabet http://www.arts.gla.ac.uk/IPA/ipachart.html– SAMPA
http://www.phon.ucl.ac.uk/home/sampa/home.htm– Wiese, Richard (2000) The Phonology of German. Oxford University Press, Oxford.
• Syntax– TIGER-Korpus und TIGER-Search
http://www.ims.uni-stuttgart.de/projekte/TIGER/
• Kollokationen– www.collocations.de
• Produktivität, Lexikostatistik– Baayen, R. Harald (2001) Word Frequency Distributions. Kluwer, Dordrecht