Download - Kleine Urkundenkunde Eine Einführung zu mittelalterlichen Herrscherurkunden Rechtsquellen
„ Kleine Urkundenkunde“
Eine Einführung zu
mittelalterlichen Herrscherurkunden
Rechtsquellen
• Diese PPP stammt ausnahmsweise nicht komplett von mir. Sie wurde zu grossen Teilen übernommen von:
• http://web.uni-bamberg.de/ggeo/hilfswissenschaften/studarb/Nadja/herrscherurkunden-_kleine_.ppt
• Verblüffende Ähnlichkeit hat diese PPP mit der auf http://forge.fh-potsdam.de/~ABD/wa/PublikationenWalberg/73-Medien-Urkunden.pdf
→ Wer hat da von wem abgeschrieben ohne es zu kennzeichnen?
Hinweis
Rechtsquellen
normativer Anstrich: Rechtsnorm, die gelten sollte => Rechtswirklichkeit? grundsätzlich: ma. Recht war Gewohnheitsrecht, konnte, musste aber nicht schriftlich fixiert werden (orale Gesellschaft)
Rechtsquellen
- Räume (sächs., bayer, ...) - Stände (Freie, Unfreie, ...) - Ethnien (Germanen, Romanen, ...) - Siedlungen (Stadtrecht, Landrecht) - Genossenschaften (Hofrecht, Lehnrecht, ...) - Institutionen (Kirchenrecht ,...)
ma. Recht: Zersplitterung: verschiedene, sich gegenseitig überlagernde Rechtskreise für verschiedene:
Diplomatische Quellen
a)Urkunden
b) Formulae
c) Constitutiones und Reichstagsakten
d) Testamente
Kleine Urkundenkunde
1 Der Begriff „Urkunde“: Etymologie
2 Der Begriff „Urkunde“: Definition
3 Urkunden als Quellen des Mittelalters
4 Wichtige Urkundenarten
5 Urkunden- eine kurze Geschichte
I. BASICS
I. BASICS
Kleine Urkundenkunde
• Althochdeutsch: urchundan=bezeugen;
urcundo=Zeuge, Zeugnis
• Im Mittelalter:
deutscher Begriff: urkundt, brief, breve
lateinischer Begriff: instrumentum, diploma,
documentum, charta, litera
1 Der Begriff „Urkunde“: Etymologie
I. BASICS
1 „Urkunde“: Etymologie
I. BASICS
2 „Urkunde“: Definition
Kleine Urkundenkunde
2 Der Begriff „Urkunde“: Definition
Urkunde = ein in bestimmten Formen
abgefasstes, beglaubigtes und daher
verbindliches Schriftstück, das ein Rechtsgeschäft
dokumentiert.
Wert der Urkunde: Beweis eines Rechtsaktes
Verschriftlichung einer Rechtshandlung, die
zuvor oft bereits mündlich, unter Zeugen und in
symbolischen Rechtshandlungen vollzogen wurde
I. BASICS
3 Urkunden als Quellen des Mittelalters
Kleine Urkundenkunde
3 Urkunden als Quellen des Mittelalters
• Neben Hagiographie und Historiographie
wichtigste mittelalterliche Quellen ( Einblicke in
Recht, Verfassung, Gesellschaft und Wirtschaft)
Mittelalter = „Urkundenzeitalter“
• angebliche „Tendenzlosigkeit“ widerlegt: Auch
Urkunden verfolgen Ziele, meist die Anerkennung
bestimmter Rechtsansprüche
Vorsicht vor Fälschungen !
I. BASICS
4 Wichtige Urkunden-arten
Kleine Urkundenkunde
4 Wichtige Urkundenarten
• Kaiser-, Königs-, und PapsturkundenAlle anderen: Privaturkunden
• Beweisurkunden= schriftliche Zeugnisse bereits
rechtsgültig vollzogener Handlungen
• dispositive Urkunden/ Verfügungsurkunden =
Urkunden zur Eigentumsübertragung, die erst
Recht setzen
5 Urkunden – eine kurze Geschichte
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS 5 Urkunden- eine kurze Geschichte
• Notitia (= Beweisurkunde): bestätigt den Vollzug eines Rechtsaktes (Rom, Antike)
• Carta (= dispositive Urkunde): schafft neues Recht durch die traditio cartae, die Übergabe der Handschrift (Frühmittelalter)
• 9.-11. Jh.: geringe Schriftlichkeit
• 11. Jh.: neues Urkundenwesen mit besiegelten Urkunden (Könige, geistliche und weltliche Reichsfürsten, Päpste)
• 13.-16. Jh.: Verbreitung der Siegelurkunde (Bürgertum, freie Bauern)
Quellenwert
Dokumente über– Recht und Gesetzgebung– Verwaltung– innerstaatliche Verhältnisse und internationale
Beziehungen– etc.Mittelalter bis ca. 1500: UrkundenzeitalterNeuzeit ab ca. 1500: AktenzeitalterOft notwendig: serielle Auswertung von Urkunden
Schriftlicher Niederschlag der Geschäftstätigkeit
Kleine Urkundenkunde
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
I. BASICS1 Überlieferungsformen
2 Erschließungsformen
3 Urkundeneditionen
4 Datierung: Jahr, Monat, und Tag
II. ÜBERLIEFERUNG UND
EDITION
Kleine Urkundenkunde
1 Überlieferungsformen
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION1
Überliefer-
ungsformen
• Original ( selten: Entwurf =„Konzept“)
• einzelne beglaubigte Abschrift mit Rechtskraft:
Vidimus = vollständiger Text der Vorgängerurkunde von anderem Aussteller beglaubigt
Transumpt = Inserierung des ursprünglichen Urkundeninhalts in eine Urkunde des Rechtsnachfolgers
Kleine Urkundenkunde
1 Überlieferungsformen
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION1
Überliefer-
ungsformen
• buchmäßige Zusammenstellungen von
Urkundenabschriften:
Kopiar / Kopialbuch/ Chartular = Abschriften
der einlaufenden Urkunden eines bestimmten
Empfängers
Register = Abschrift der auslaufenden
Urkunden eines bestimmten Ausstellers
Kleine Urkundenkunde
2 Erschließungsformen
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION2 Erschlie-
ßungsformen
Volltextedition
Kopfregest (= Angabe zu Inhalt, Aussteller,
Empfänger, Datum, Ort)+
Lateinischer Volltext
+
Beschreibung äußerer Merkmale,
Echtheitsdiskussion, Überlieferungsweg
Regesten der Urkunde
• Vollregest = Rechtsinhalt und Namen (evtl. inklusive Literaturangaben, Echtheits-diskussion)
• Regesten mit allen Personennamen inkl. Zeugen ( prosopographische Forschungen)
Kleine Urkundenkunde
zunächst. krit. Editionen (allgemein): -> krit. Editionen (allgemein) bieten den Text möglichst in Originalsprache, lassen die Überlieferungsverhältnisse erkennen u. geben Abweichungen (Lesarten) in einem sog. krit. Apparat (in Fußnoten) an (seit spätem 18. Jh.)
Kleine Urkundenkunde
3 Urkundeneditionen
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION3
Urkunden-
editionen
• uneinheitlich (Aussteller – oder Empfängerprinzip;
regionale Urkundenbücher)
• noch keine vollständige Zusammenstellung aller
Urkundeneditionen
• wichtigste Editionen:
Königsurkunden : MGH DD Papsturkunden: Jaffé Löwenfeld + Potthast
Kleine Urkundenkunde
3 Urkundeneditionen
Mehrzahl der Quellen ist in gr. krit. Ouellensammungen
gedruckt:
=> Überblick: Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi
=> wichtigste Sammlung: Monumenta Germaniae Historica
Begriffserklärungen
• Archetypus = Text, der der Urfassung der Handschrift am nächsten kommt; zu ermitteln durch Textvergleich der überlieferten Handschriften
• Autograph =die vom Verfasser selbst geschriebene Handschrift, die „Urfassung“
• Kollationieren = Gegenüberstellen von Handschriften und Markierung gleicher oder ähnlicher Textstellen
• Stemma = Stammbaum der Handschriften-Überlieferungen
Bestandteile einer kritischen Edition I.
• Angabe aller handschriftlichen Fassungen einer Quelle, auch Zitierungen
• Herausfinden des Archetypus durch Textvergleich, wenn Autograph nicht vorhanden
• Bildung von Überlieferungsklassen durch Kollationieren
• Optische Darstellung der Abhängigkeiten der verschiedenen Handschriften im Stemma
• Textwiedergabe in der „besten Lesart“
Bestandteile einer kritischen Edition II.
• Anfügung abweichender Stellen in anderen Handschriften, wenn von Bedeutung (als Fußnote in Buchstaben)
• evtl. Verbesserung offensichtlicher Fehler (Emendatio)
• Kennzeichnung später eingeschobener Textstellen (Interpolation)
• Sacherklärungen (als Fußnote in Ziffern)
• besteht aus einzelnen Abteilungen• Abt. I: Scriptores: erzählende Quellen,
zeitlich gegliedert• Abt. II: Leges: mittelalterliche Rechtsquellen• Abt III: Diplomata: mittelalterliche
Urkunden• Abt IV: Epistolae: Briefsammlungen• Abt V: Antiquitates: Sonstiges
MGH
Quellensammlungen z. dt. Geschichte
außerhalb der MGH:
Deutsche Reichstagsakten (für Spät-MA)
Die Chroniken der dt. Städte vom 14. -16. Jh.
Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe (FSGA):
Quellensammlungen zur Kirchengeschichte
• 1) zur Patristik (Kirchenväter): - Bibliothek d. Kirchenväter - Corpus scriptorum ecclesiasticorum lationorum (CSEL) (fast 100 Bde.) - Corpus Christianorum (CC) (weit über 100 Bde.) 2) zu weiteren ma. Christl.. –kirchl. Quellentexten: - (Jaques Paul) Migne, Patrologiae ... (Migne PL) (221 Bde. zur kirchl. Literatur bis 1216)- Fontes Christiani (zweisprachig; bisher ca. 40 Bde.) 3) zum Papstum: - Liber Pontificalis (3 Bde.) 4) zu Heiligenviten: - Acta Sanctorum (AA SS) (bisher ca. 70 Bde.) 5) zu Konzilsakten: - Mansi, Sacrorum conciliorum ... (über 50 Bde.) 6) zu Klöstern: - Corpus consuetudinum Monasticarum (CCM)
Kleine Urkundenkunde
4 Datierung: Jahr, Monat und
TagI. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION4
Datierung:
Jahr, Monat
und Tag
Jahr
• Inkarnationsjahre: seit Christi Geburt ( Jahr 0)
• Indiktion (= spätantiker Steuerzyklus von 15 Jahren):
(Jahr + 3) : 15 = Zahl + Rest ( 1 - 14) =„Indiktionsjahr“
• Herrscherjahre und Pontifikatsjahre
anni regni : Jahre seit Königskrönung
anni imperii : Jahre seit Kaiserkrönung
anni pontificatus : Jahre seit Erhebung eines Papstes
Kleine Urkundenkunde
4 Datierung: Jahr, Monat und
TagI. BASICS Jahresanfänge (regional verschieden)
• Nativitätsstil = Jahreswechsel an Geburt Christi (25. 12.)
• Annunciationsstil = Jahreswechsel an Mariae Verkündigung (25.3.)
• Circumcisionsstil = Jahreswechsel an Beschneidung des Herrn (01.01.)
• Osterstil = Jahreswechsel zwischen 22.3. Und 25.4.
Vorsicht bei allen Daten zwischen 25. 12. und 25.4 (= frühest und
spätmöglichster Jahreswechsel)
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION4
Datierung:
Jahr, Monat
und Tag
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION4
Datierung:
Jahr,Monat
und Tag
4 Datierung: Jahr, Monat und
TagMonat
• Anzahl und Namen der mittelalterlichen Monate entspricht dem julianischen Kalender, somit also den heutigen Bezeichnungen
Tag
• frühes Mittelalter (römische Zählung):
Kalenden = 1. eines Monats
Nonen = 5./7. eines Monats
Iden = 13./15. eines Monats
März,Mai, Juli und Oktober:Spätere Termine
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION4
Datierung:
Jahr,Monat
und Tag
4 Datierung: Jahr, Monat und
Tag Tage vom mitgezählten Stichtag aus rückwärts
berechnetd.h.: II. Id. Mart. = 14. März
XIV. Kal. Nov. = 19. Oktober
Heiligen- und Festkalender• größere lebenspraktische Bedeutung häufig in
Privaturkunden• Tage durch Wochentag, Oktav ( 8 Tage) und Vigil
(Vorabend) auf bekannte Heiligentage und Hochfeste
(Osterkreis, Weihnachtskreis) bezogen
Tag
Kleine UrkundenkundeKleine Urkundenkunde
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
1 Protokoll
2 Text / Kontext
3 Eschatokoll
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
1 Protokoll
1 Protokoll
Invocatio = Anrufung Gottes ( mit Chrismon)
„Im Namen Gottes“
Intitulatio = Name und Titel des Ausstellers ( mit Devotionsformel, die der
Legitimation dient, indem sie auf das Gottesgnaden tum verweist)
„XY Rex Francorum“
Inscriptio = Nennung des Empfängers ( fehlt häufig)
„den Bürgern von Z-Stadt“
Arenga = allgemeine, v.a. religiöse Begründung der Handlung
„wenn wir aus Freigebigkeit gottgeweihten Orten etwas übertragen“
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
2 Text / Kontext
2 Text / Kontext
Promulgatio = Verkündigungsformel (Publicatio) „es mögen alle erfahren“
Narratio = Entstehungsumstände der Urkunde; Nennung der Petenten ( potentielle Empfänger) und Intervenienten ( Fürsprecher)
Dispositio = eigentlicher Rechtsinhalt ( häufig mit Pertinenzformel)
Sanctio = Poenformel ( Strafe bei Zuwiderhandlung)
Corroboratio = Beglaubigungsmittel und Siegelbefehl u.U. Zeugenlisten
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
3 Eschatokoll
3 Eschatokoll
Signumzeile = Monogramm des Königs (evtl.
Vollziehungsstrich)
Recognitionszeile = Name des Notars / Kanzlers;
endet mit korbähnlichem
Recognitionszeichen
Datierung = Zeit und Ort der Beurkundung
( actum et datum)
Apprecatio = abschließender Segenswunsch
Urkunden in den Archiven- eine Auswahl
Staatsarchiv Münster– 100.000 Pergamenturkunden ab 813Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden– 65.000 Pergamenturkunden ab 9. Jh.Mecklenburgisches Landeshauptarchiv
Schwerin– 18.000 Urkunden ab 12. Jh.Stadtarchiv Soest– 2.500 Pergamenturkunden ab 12. Jh.
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
IV. LITERATUR
IV. LITERATUR
• Harry Breslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland
und Italien, 2 Bde, 1912-1915 ( ND Berlin 1969)
• Wilhelm Erben, Die Kaiser-und Königsurkunden des
Mittelalters in Deutschland, Frankreich und Italien ( Handbuch
der mittleren und neueren Geschichte 4,1) München-Berlin
1907( ND 1971)
•Hans Werner Goetz: Proseminar Geschichte: Mittelalter, Stuttgart 2007.- Heinz Quirin: Einführung in das Studium der mittelalterlichen Geschichte, Stuttgart (4. Auflage) 1985, S. 159-168 und 284-291.
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
IV. LITERATUR
IV. LITERATUR
• Zugang zu Urkunden im WWW:
- IBM-Pilot-Projekt (1994): Archivo General de Indias,
Sevilla Digitalisierung (50.000 Urkunden, Kopiar- und Registereinträge)
- http://www.dmgh.de/
- VW-Projekt (1999): Stadtarchiv Duderstadt „Digitales Archiv“ mit 78.000 digitalisierten Urkunden und Amtsbüchern ab 1266