Regine Schonenberg (Hrsg.) Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation
~ Sozialwissenschaft
Regine Schonenberg (Hrsg.)
Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation
Deutscher Universitiits-Verlag
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsoufnahme
Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation / Regine Schonenberg (Hrsg.). - Wiesbaden : DUV, Dt. Univ.-Verl., 2000
(DUV : SozialwissenschaFt)
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lektorat: Ute Wrasmann / Sebastian Hammelsbeck
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ISBN 978-3-8244-4406-9 ISBN 978-3-322-90368-6 (eBook) DOl 10.1007/978-3-322-90368-6
Vorwort
"Kriminalitat ist die Fortsetzung der freien Marktwirtschaft
ohne staatliche ZwangsmaBnahmen,,1
In Begriffen wie "unternehmerische Mafia" (Arlacchi 1989) oder "illegale Unterneh
men" (Krauthausen/Sarmiento 1991) drOckte sich die wachsende Einsicht sozialwis
senschaftlicher Forschung in Grundlagen und Motive Organisierter Kriminalitat (O.K.)
aus2. Ihr Tun ist unter okonomischen Gesichtspunkten vor allem eines: die Fortset
zung profitorientierten Wirtschaftens mit illegalen Mitteln, in illegalen Tatigkeitsfeldern
und haufig unter Ausnutzung von Extraprofiten, die sich quasi als Risikopramie aus
der IIlegalitat ableiten.
Die Herausgabe des Kompendiums ,.Intemationa/er Orogenhande/ und gesel/schaft
liche Transformation" soli vor allem einen Beitrag leisten
• zur Entmystifizierung von Organisiertem Verbrechen, Drogenhandel und Mafia
durch solide Informationen aus erster Hand, die unter BerOcksichtigung ihres so
zialen, politischen und institutionellen Kontextes diskutiert werden;
• zur Initiierung eines gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Dialogs un
terschiedlicher Akteure, die auf die eine oder andere Art mit dem Thema ,Organ i
sierte Kriminalitat' beschaftigt sind und unterschiedliche Erfahrungshorizonte ein
bringen konnen.
Ausgehend von diesem Buchprojekt ist ein internationales Symposium in Frankfurt
fUr Ende 2000 geplant, das zusatzliche Teilnehmer in den Dialog einbinden soli. Die
ROckfUhrung eines globalen Diskussionsprozesses auf nationale (Innere Sicher
heitlGewaltmonopol des Staates) und regionale (neue transnationale Kooperationen)
Ebenen ist essentiell fUr die komparative Bearbeitung des Themas auf internationaler
Ebene. Das internationale Drogenforschungsnetzwerk MOST3 der UNESCO/Paris
bildete den Rahmen fUr die Erarbeitung der meisten hier vorliegenden Beitrage und
hat ihre Obersetzung ermoglicht. Auch die Idee, die seit zwei Jahren zwischen den
Forschungsgruppen der beteiligten Lander gefOhrten Diskussionen in die jeweiligen
nationalen Debatten zu Organisierter Kriminalitat und Drogenhandel einzufUhren,
entstammt dem MOST-Zusammenhang.
1 Dieter Nuhr, Kabarettist, in Berlin am 28.7.99. 2 Pino Arlacchi: "Mafiose Ethik und der Geist des Kapitalismus - Die unternehmerische Mafia", Ffm., 1989; Ciro Krauthausen/Luis Fernando Sarmiento: "Cocafna & Co. Un mercado ilegal par dentro", Bogota, 1991. 3 MOST-Profil, siehe Anhang.
v
Die Form der Herstellung und Gewahrleistung "Innerer Sicherheit" wird hautig un
sachlich und ideologiebefrachtet verhandelt. Dies gilt ganz besonders fOr die ver
breiteten Polemiken im Zusammenhang mit der Politik zur Bekampfung des Dro
genanbaus, Drogenhandels und Drogenkonsums als wichtigem Teilbereich Organi
sierter Kriminalitat.
Die Autorlnnen hotten, durch diesen Band zu einer diversitizierten Sichtweise der
Problematik anzuregen.
Regine Schonenberg & Robert Lessmann4
4 Politologe u. Joumalist, Studien zur Drogenproblematik in Bolivien, Kolumbien, Peru; Autor des Buches "Drogen6konomie und intemationale Politik", 1996.
VI
Inhalt
Vorwort
Editorial
Regine SchOnenberg
Zwischen Privatisierung und Internationalisierung - Die Zukunft
des staatlichen Gewaltmonopols
Lothar Brock & Regine SchOnenberg
Das Gewaltmonopol in Brasilien
Guaracy Mingardi
Reflexionen zu neuen grenzOberschreitenden Kooperationen von
Sicherheitsorganen: Die internationale Drogenbekampfung
Leo Schuster
Cultural Impact of Prohibition Policies as Consequence of
International Co-operation
Molly Charles & Gabriel Britto
Die BIOten des Verbrechens: Das Beispiel Thailand
Guilhem Fabre
Drogenhandel im sOdlichen Afrika:
Die Hinterlassenschaft von Krieg und Apartheid
Laurent Laniel
The International Drug Complex
Hans T. van der Veen
Anhang
I Das MOST-Profil
II Websites zu Drogen, Mafia und Organisierter Kriminalitat
v
7
33
43
73
89
113
143
169
169 171
VII
Editorial
Regine Schbnenberg
Der internationale Drogenhandel bewegt nach konservativen Schatzungen (UNDCP
1998) 400 Milliarden US$ im Jahr. Laut Pino Arlacchi, dem Chef der UN
DrogenkontrolibehOrde UNDCP gehen damit der legalen Weltwirtschaft ein Vielfa
ches an Ressourcen und Entwicklungspotential verloren 1. Dieser Sichtweise, die auf
einer sauberen Trennung von Legalitat und lIIegalitat in Politik und Wirtschaft basiert,
widersprechen samtliche hier vorliegenden Beitrage in ihren jeweiligen Schlussfolge
rungen. Beunruhigend ist weniger der weltweite Anstieg organisierter Kriminalitat als
die Verwischung von Grenzen in allen Lebensbereichen. Raymond Kendall, Gene
ralsekretar von Interpol beantwortet daher die Frage nach der Verflechtung von Dro
gen- und legaler Okonomie wie folgt:
"Globalization and its many manifestations mean that borders of all sorts are be
coming increasingly difficult for govemments to define, let alone maintain. ,<2
Dieser neuen ,Grenzenlosigkeit', z.B. im Schengener Binnenraum sowie im Cyber
space des global en Netzes, soli nun mit konventionellen Mitteln wie der Verscharfung
von EU-Aul!engrenzkontrollen und technischer AufrOstung begegnet werden. Ein
sichten wie diese: "Standorifragen (von O.K.) sind nur im Zusammenhang mit der
Durchsetzbarkeit okonomischer Interessen und des Schutzes vor Strafverfolgung von
Bedeutung. Kein bestimmtes Land ist im Visier, sondern eine den Kriminellen op
portune Schwache der Struktur. ,,3 sind selten; der illegal einwandernde Dunkelmann
beherrscht als Protagonist der internationalen organisierten Kriminalitat weiterhin die
Vorstellungswelt der Mehrzahl seiner Jager.
Ersetzt man die oben zitierten ,Kriminellen' jedoch durch "an optimaler Profitmaximie
rung interessierte Kreise", kommt man den gesellschaftlichen Schnittstellen zwischen
Legalitat und lIIegalitat schon naher. Die im Juni 1998 anlasslich des 10-jahrigen Be
stehens der (Anti-)Drogenkonvention in New York abgehaltene Sondersitzung der
UN-Generalversammlung konzentrierte sich in ihren Debatten u.a. auf die Geld
wasche und beschlol! ein globales Programm zu deren Bekampfung4 . Geldwasche,
ein konstitutiver Bestandteil der nationalen wie internationalen Finanzwelt, entspricht
1 Kurt Schelter (1999:17) fOhrt fOr Deutschland 1998 1,8 Mrd. an - auf welcher Grundlage dies errechnet wird, bleibt ungenannt; in: Reinhard C., u.a .. 2 Sources, UNESCO, 4/1999:8, No. 111. 3 Enrico Palumbo (1999:306), in: Reinhard C., Meier-Walser, Gerhard Hirscher, Klaus Lange, Enrico Palumbo (Hrsg.) Organisierte Kriminalitat - Bestandsaufnahme, Transnationale Dimension, Wege der Bekampfung, MOnchen. 4 UN-Resolution S-20/4 D - e-mail: [email protected].
als Vorgang weitgehend der 1990 von der gemeinsamen ,AG Justiz und Polizei' be
schlossenen, vagen DefinitionS Organisierter Kriminalitat (OK):
"OK ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmaBige Begehung von
Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind,
wenn mehr als zwei Beteiligte auf langere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
• Unter Verwendung gewerblicher oder geschaftsahnlicher Strukturen,
• Unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur EinschOchterung geeigneter Mit
teloder
• Unter EinfluBnahme auf Politik, Medien, offentliche Verwaltung, Justiz oder Wirt
schaft zusammenwirken'<6.
Bereits diese Definition ,Organisierter Kriminalitat' (O.K.) ist problematisch und als
eigener Straftatbestand sogar inexistent. Trotzdem wird deutlich, dar.. bei der Be
schaftigung mit diesem Phanomen, mehr noch als bei Kriminalitat im landlaufigen
Sinne, eine Einbeziehung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen unerlar..lich ist.
"OK ist nichts auBerhalb der Gesellschaft Stehendes, das isoliert betrachtet und be
kampft werden konnte7", sondern es handelt sich um allgegenwartige Aktivitaten in
den standiger Veranderung unterliegenden gesellschaftlichen Freiraumen. Ausmar..
und Verlauf der border-line zwischen Legaiitat-informaiitat-lilegalitat werden perma
nent verhandelt und besonders in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs und damit ein
hergehender, zunehmender UnObersichtlichkeit staatlicher Zustandigkeiten von sich
verandernden Gesetzmar..igkeiten bestimmt. Um das Verstandnis dieser Gesetzma
r..igkeiten im Schatten der Globalisierung geht es uns bei der interkulturellen und in
terinstitutionellen Beleuchtung des Themas "Internationaler Drogenhandel und ge
sellschaftliche Transformation".
Welche Rolle spielen nicht regulierte, gesellschaftliche Raume bei Transformations
prozessen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene? Welche Faktoren lassen
diese regulationsfreien Raume wie und warum wachsen oder schrumpfen? Welche
Potentia Ie fOr Innovation bergen sie? Diesen Fragen soli anhand eines Themenfel
des nachgegangen werden, welches viele Phantasien weckt, in zahlreichen Argu
mentationsmustern wiederzufinden ist, bislang aber kaum in koharenter Form von
den Sozialwissenschaften aufgegriffen wurde.
5 Diese Definition ersetzte u. detailiierte die Definition von 1981. AG II der Innenministerkonferenz. 6 Zitiert nach: Hans Neusel (1993): Organisierte Kriminalitat - Gefahren fOr Staat und Gesellschaft, in: Politische Studien. Organisierte Kriminalitiit. Sonderheft 3. 4/1993:7f. 7 .. Es durfen sich nicht die Metastasen der OK in unserem Land so ausbreiten. daB ein GesundungsprozeB nur noch mij schwerwiegenden Eingriffen und bleibenden Schiiden eingeleijet werden kann .... Neusel (1993:20) reprasentiert die landlaufige Vorstellung von OK.
2
Auf dem Hintergrund der Globalisierungsdebatte soli an hand der Analyse des Funk
tionswandels nationaler und internationaler Sicherheitsorgane der Einflul1 organi
sierter, transnationaler Kriminalitat, insbesondere des Drogenhandels8 und dessen
Bekampfung, auf die Restrukturierung regionaler, nationaler und internationaler poli
tischer Beziehungen aufgezeigt werden. Besonders in der Debatte um innere und
aul1ere Sicherheit spielen Drogenkonsum, -handel und -kontrolle eine prominente
Rolle: Der Handel mit Drogen ist von Natur aus grenzubergreifend und den Aktivita
ten der organisierten Kriminalitat zuzurechnen. Auch wird das Gewaltmonopol des
Staates durch parallele Gewaltapparate, ausgestattet mit illegalen Waffen, Kommu
nikationsstrukturen, Finanztransaktionen und ,Vollzugsinstanzen' tendentiell in Frage
gestellt.
Drogenkontrollpolitik auf nationaler wie internationaler Ebene wird von Institutionen
durchgefOhrt, die neben der Reprasentation gesellschaftlicher Interessen, institutio
nelle Eigeninteressen verfolgen. Besonders in Zeiten der Redefinition originarer Auf
gabenfelder staatlicher Sicherheitsorgane kann es hier leicht zu Verzerrungen bei
der Gewichtung gesellschaftlicher Problemlagen kornrnen.
Ein mehrmaliger Wechsel der thernatischen und geographischen Perspektive soli es
dem Leser ermoglichen, einen Eindruck von der Vielgestaltigkeit der Problematik des
internationalen Drogenhandels zu gewinnen.
Die Staatenwelt befindet sich im Obergang von der Interdependenz zur weltgesell
schaftlichen Strukturierung sozialer Handlungszusammenhange. 1m Beitrag von Lo
thar Brock und Regine SchOnenberg geht es urn die zunehmende Verwischung der
Grenzen zwischen zwischenstaatlichen und innerstaatlichen Konflikten sowie privater
und offentlicher Gewalt, die solche Prozesse mit sich bringen. Welche Alternativen
sind bei der Neustrukturierung dieses sensiblen Bereichs gesellschaftlicher Organi
sation vorstellbar? Wie konnte Rechtstaatlichkeit jenseits nationaler Grenzen garan
tiert werden?
Bei der Begleitung globaler Transformationsprozesse haben die Staaten unter
schiedliche Startbedingungen: Was geschieht, wenn das Gewaltmonopol des Staa
tes aufgrund vielfaltiger Partikularinteressen nie oder nur unzureichend durchgesetzt
wurde, beschreibt Guaracy Mingardi am Beispiel hochst bedenklicher, privater Alter
nativen zum staatlichen Gewaltmonopol in Sao Paulo und Rio de Janeiro.
8 Lt. Neusels (1993) Interpretation der Kriminalstatistik, die der o.a. Definition von OK, entspricht, entfallen ca. 50% dieser Delikte auf Rauschgiftkriminalitat, und 50% aller OK-Delikte sind internationaler Natur.
3
Bei der Gewahrleistung offentlicher Sicherheit agiert die Polizei auf staatlicher, trans
nationaler und internationaler Ebene. Dabei soli die Politik den Rahmen polizeilichen
Handelns abstecken. In Zeiten rascher gesellschaftlicher Transformation bleibt die
Anpassung der Gesetzgebung haufig hinter dem taglichen Handlungsdruck zurOck.
Leo Schuster stellt in seinem Beitrag die vielfaltigen, fOr den Laien kaum mehr nach
vollziehbaren, neuen grenzOberschreitenden Kooperationen bei der internationalen
Drogenbekampfung im Spannungsfeld zwischen systematischer Reglementierung
und pragmatischer Anpassung an die perzipierten Handlungserfordernisse dar.
Die Schwierigkeiten bei der inhaltlichen und institutionellen Umsetzung internationa
ler Regime stehen in direktem Zusammenhang mit dem ihnen zugrunde liegenden,
vermeintlichen Wertekonsens. Molly Charles und Gabriel Britto beschaftigen sich in
ihrem Beitrag mit den unvorhergesehenen und zum Teil verheerenden Auswirkungen
bei der Durchsetzung einer weltweit homogenisierten Drogenkontrollpolitik auf die
vielfaltigen Formen sozialer Organisation in einer multikulturellen Gesellschaft wie
Indien.
Laut Pino Arlacchi 9 finden pro Tag weltweit ca. 700.000 virtuelle Geldtransfers mit
einem Gesamtvolumen von $US 2 Mrd. statt; davon entfallen schatzungsweise 1%
auf Geldwascheaktivitaten, sprich ca. $US 300 Mio. pro Tag. Zur Abwicklung dieser
Geschafte existieren weltweit schatzungsweise eine Million Briefkastenfirmen; der
Rest wird im Rahmen legaler Geschafte betrieben. Solche Zahlen sind zwar beein
druckend, erlauben sie doch eine Vorstellung Ober die Anzahl moglicher BerOh
rungspunkte und Interaktionen und mithin auch von den Schwierigkeiten einer klaren
Trennung zwischen legalen und illegalen wirtschaftlichen Aktivitaten. Trotzdem blei
ben sie abstrakt und werden von einer breiteren Offentlichkeit immer nur bei skan
dalosen ,Fallen' von Korruption und Geldwasche ausschnittsweise wahrgenommen.
Guilhem Fabre liefert anhand seines Beispiels, der Geldwasche in Thailand, detail
liertes Anschauungsmaterial der lokalen, nationalen und globalen Verflechtungen
von Politik und Wirtschaft mit illegalen Aktivitaten. Besonders der Zusammenhang
zwischen deregulierten Finanzmarkten und der Behinderung von Demokratisierungs
prozessen eroffnet eine neue Perspektive auf die Globalisierungsdebate.
Mit dem Ende der Apartheid in SOdafrika wurde auch die internationale Isolation des
Landes beendet. Demokratisierung und die Offnung des Marktes geschahen, der
Entwicklung politi scher, legaler und administrativer Strukturen und Institutionen vor
auseilend, sozusagen in Jahresfrist. Unter ROckgriff auf existierende klandestine,
durch den BOrgerkrieg gepragte Binnenstrukturen und Auf.l.enverbindungen konnte
9 ,The need for a global attack on money-laundering', UN-Panel discussion, 10.06.1998, N.Y.
4
sich der internationale Drogenhandel im sOdlichen Afrika rasch ausweiten. Laurent
Laniel berichtet von seinen Forschungen Ober die Verflechtungen von BOrgerkrieg,
Drogen- und Waffenhandel mit Strukturen des traditionellen Tauschhandels.
Die ,Nachhaltigkeit' von durch den Drogenhandel finanzierten KriegStikonomien wird,
laut Hans van der Veen, nur noch von der kontinuierlich anwachsenden Maschinerie
der Bekampfung des Drogenanbaus, -handels und -konsums Obertroffen. Das Leit
bild eines mtiglichen Sieges im Krieg gegen Orogen, ihrer Ausrottung bis zum Jahr
2010, wie sie die UN im Juni 1998 in New York ,beschlossen' hat, werden als eine
Ursache fOr den ausbleibenden Erfolg der internationalen Anti-Drogenpolitik identifi
ziert.
Organisierte Kriminalitat und damit auch den internationalen Drogenhandel und Kon
sum als inharenten Bestandteil gesellschaftlicher Organisation zu begreifen, ist Vor
aussetzung fOr die wissenschaftliche und politische Debatte Ober regulative Mar..
nahmen. Die gleichen Voraussetzungen, die fOr die Regierbarkeit und die friedliche
Bewaltigung sozialer Transformationen gelten (wie institutionelle Stabilitat, ,acounta
bility' und gesellschaftliche Kontrolle), gelten auch fOr die Chancen, durch Entgren
zung entstehende Freiraume Oberwiegend innovativ statt Oberwiegend kriminell zu
nutzen.
5
Zwischen Privatisierung und Internationalisierung:
Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols
Lothar Brock 1 & Regine Schonenberg2
Abstract: The State Monopoly of Violence:
Between Privatization and Internationalization
The world of nation-states is in transition from interdependence to new global struc
tures of social acting. The growing internationalization of crime as well as new forms
of warfare are facets of such tendencies. Traditional forms of mainly nation-based
monopolies of violence cannot contain those developments. Which alternatives do
exist besides the privatization of the security sector?
Inhalt
Einfiihrung
I Entgrenzungsprozesse in der Staatenwelt
II SicherheitsbedLirfnisse und ihre 8efriedigung
III Staatsversagen, Kriegsokonomien und internationale Zwangsgewalt
IV Transformation des Gewaltmonopols?
Literaturverzeichnis
1 Professor fOr Intemationale Beziehungen an der Goethe-Universitat FrankfurVa.M., Mitarbeiter der Hessischen Stiftung fOr Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), beschaftigt sich mit Globalisierung aus der Perspektive der "Entgrenzung der Staatenwelt". [email protected]. 2 Politologin, habilitiert sich an der Goethe-Universitat Frankfurt, lehrt am Otto-Suhr-Institut Berlin, forscht im brasilianischen Amazonasgebiet zu Kokainhandel, Mitglied des UNESCO/MOSTDrogenforschungsnetzwerkes. [email protected].
7
Einflihrung
Die Idee des Territorialstaates ist mit dem Ende des Kolonialismus und dem Zu
sammenbruch des Realsozialismus zu einem universalen Prinzip sozialer Organisa
tion geworden. Zwischen den Einheiten dieses modernen Territorialsystems besteht
Interdependenz. Zugleich aber wird das Territorialitatsprinzip durch transnationale
Verflechtung zunehmend relativiert. Dies geschieht z.B. durch die grenzOberschrei
tende Kooperation von Stadten, Landern und Regionen, sowie die Herausbildung
transnationaler Wirtschaftsraume und transnationaler sozialer Raume, unter denen
global vernetzte Diasporas von wachsender politischer und gesellschaftlicher Be
deutung sowohl fOr die Gastlander wie fOr die Mutterlander sind (Territorialities,
Identities and Movement 1999). Mit Blick auf diese Entwicklung kann von einer welt
gesellschaftlichen Strukturierung sozialer Handlungszusammenhange gesprochen
werden (Brock/Albert 1995; Forschungsgruppe Weltgesellschaft 1996; World So
ciety Research Group 1999). In deren Verlauf losen sich alte, mit dem Territorial
staatsprinzip verbundene Bedrohungsvorstellungen (Gefahr "klassischer" internatio
naler Kriege) auf, wahrend sich neue Bedrohungsvorstellungen ausbreiten.
Bei der Herausbildung dieser neuen Bedrohungsvorstellungen spielt die Zunahme
und Transnationalisierung organisierter Kriminalitat (Palumbo 1999) in symbolischer
und realer Wechselwirkung mit den nach dem Ende des Ost-West-Konflikts sich
ausbreitenden "neuen Kriegen" in der Peripherie der Weltgesellschaft (Kaldor 1999;
Hanf 1999:161-172) eine bedeutsame Rolle. In ihrer symbolischen Funktion signali
sieren die neuen Kriege der Peripherie die Gefahr eines globalen BOrgerkrieges
(Kaplan 1996; Enzensberger 1993), also einer allgemeinen Erosion jenes staatli
chen Gewaltmonopols, das einen Eckpfeiler des modernen Staatensystems darstellt
(Senghaas 1995). Entsprechende BefOrchtungen werden durch die reale Ver
schmelzung von organisierter Kriminalitat und global vernetztem Kriegsgeschehen
genahrt; denn die neuen Kriege zeichnen sich gerade dadurch aus, daf1 in ihnen
kriegerische Gewaltanwendung, organisierte Kriminalitat und massive Menschen
rechtsverletzungen kaum noch unterscheidbar sind. Ebenso wenig ist hier noch
sichtbar, was innen und auf1en ist. In den Worten von Mary Kaldor: "The new wars,
(. . .) involve a myriad of transnational connections so that the distinction between in
ternal and external, between aggression (attack from abroad) and repression (at
tacks from inside the country) , or even between the local and the global, are difficult
to sustain." (Kaldor, 1999:2).
8
Ein weiteres Indiz dafUr, daB die Moglichkeit einer allgmeinen Erosion des staatli
chen Gewaltmonopols besteht, konnte darin gesehen werden, dar.. nicht nur in den
Entwicklungslandern offentliche Ordnungsaufgaben (weiterhin) privatisiert werden,
sondern auch in den westlichen Industrielandern, soweit sie die Gewahrleistung der
Ordnung in offentlichen Raumen an private Sicherheitsdienste delegieren und die
Sicherung der eigenen Lebenssphare mehr und mehr auf den einzelnen oder ein
zelne Gruppen (z.B. Nachbarschaftsvereinigungen) zurOckfalit.
Aber die "Entgrenzung" der Staatenwelt verweist keinesfalls auf das Ende eines hi
storischen Zivilisierungsprozesses und auf einen ROckfall in die Barbarei. Sie lar..t
lediglich die Schattenseiten der Modernisierung klarer hervortreten. Diese bestehen
u.a. darin, dar.. jeder Fortschritt auf dem Weg zur zivilisierten Gesellschaft neue An
reize schafft, deren Spielregeln zu durchbrechen. Die Machtigen selbst sind stets in
der Versuchung, das staatliche Gewaltmonopol fOr partikulare statt fUr allgemeine
Zwecke einzusetzen. Sie schOren damit zugleich immer neue Kampfe um die
Staatsgewalt - im Extremfall bis hin zum BOrgerkrieg. Auf der anderen Seite stehen
diejenigen, die hoffen, die Regelverletzung im Rahmen der bestehenden Ordnung
als Wettbewerbsvorteil im Kampf um knappe Ressourcen nutzen zu konnen. Diese
beiden scheinbar kontraren Seiten des staatlichen Gewaltmonopols sind vielfach
miteinander verquickt - am auffalligsten in Gestalt einer weltweit praktizierten Kor
ruption.
Den MiBbrauch des Gewaltmonpols soli die Demokratie abwehren. Eine ihrer zen
tralen Aufgaben ist es, die hoheitliche MachtausObung zu kontrollieren. Diese Auf
gabe kann aber nie ein fUr aile mal erledigt werden, sie stellt sich immer wieder neu.
Aur..erdem ist mit der Kontrolle staatlicher Macht noch keineswegs das Problem der
MiBachtung des staatlichen Gewaltmonopols bewaltigt. Vielmehr stellt die Verlet
zung von Rechtsnormen auch in Demokratien weiterhin einen Vorteil im Kampf um
Ressourcen dar, den staatliche Strafandrohung nicht prinzipiell aufheben kann. Bei
de Probleme, der Mir..brauch und die Mir..achtung des staatlichen Gewaltmonopols,
sind nicht neu. Die Frage ist also nicht, ob der (ohnehin gewaltbeladene) ProzeB der
Zivilisation jetzt zu einem Ende kommt, sondern wie sich die Bedingungen fUr eine
Befriedung der Sozialbeziehungen im Zuge der weltgesellschaftlichen Strukturierung
sozialer Handlungszusammenhange verandern.
Dieser Frage soli hier in der Weise nachgegangen werden, daB zunachst die These
von der weltgesellschaftlichen Strukturierung sozialer Handlungszusammenhange in
ihrer Bedeutung fOr das staatliche Gewaltmonopol erlautert wird. Daran schlier..t sich
9
eine Betrachtung zweier Verhaltensmuster an, mit denen die westlichen Industrie
lander auf die oben angesprochenen Aspekte der Entgrenzung reagieren. Gemeint
sind hier zum einen die schon erwahnte Deregulierung der Sicherung offentlicher
und privater Raume, zum anderen aber auch der sich gleichzeitig vollziehende Aus
bau der staatlichen Kriminalitatsbekampfung, der auch nach au~en, also auf inter
nationaler Ebene, in vielgestaltiger Form zum Zuge kommt: als Forcierung einer ver
antwortlichen Regierungsfiihrung (good governance), als internationaler Drogen
krieg oder als selektiv praktizierte humanitare Intervention. Die daran anschlie~ende
Frage, inwieweit die Sicherung des Gewaltmonopols heute eine Internationalisierung
der im Gewaltmonopol aufgehobenen Staatsfunktionen verlangt und welche Proble
me hierbei fOr die demokratische Kontrolle staatlicher MachtausObung auftreten, soli
im dritten Abschnitt erortert werden.
Wir vertreten hierzu die folgenden Thesen: (1) Die Deregulierung staatlicher Sicher
heitsgewahrleistung bedeutet fOr sich genommen nicht, da~ das staatliche Gewalt
monopol aufgegeben wOrde. Vielmehr erfolgt die Deregulierung unter dem Ge
sichtspunkte der Kostenverlagerung und der Wirkungssteigerung staatlicher Sicher
heitspolitik unter sich verandernden Handlungsbedingungen (Herausbildung weltge
sellschaftlicher Handlungskontexte). (2) Die Deregulierung offentlicher Ordnungs
ausgaben und deren teilweise Internationalisierung erschweren die demokratische
Kontrolle des staatlichen Gewaltmonopols. (3) Zwar wird heute in den westlichen
Industrielandern allenthalben ein Diskurs Ober Gewaltpravention gefOhrt, wobei mo
ralische Argumente durch wirtschaftliche erganzt werden konnen, weil Pravention
auf innerstaatlicher und internationaler Ebene kostengOnstiger ist als die gewaltsa
me Eindammung von Gewalt. FOr Regierungen zahlt es sich auf kurze Sicht aber
politisch eher aus, in gewaltsame Konfiikte einzugreifen, als zu versuchen, Gewalt
anwendung zu verhindern. Dies ist gerade deshalb der Fall, wei! sich der Staat auch
Ober das Gewaltmonopol definiert. (4) Der Vorrang der Kriminalitatsbekampfung vor
der Pravention ist insofern hochst problematisch, als die Konfiiktintervention abge
sehen von ihren unmittelbaren "Kollateralschaden" dahin tendiert, immer neue Unsi
cherheiten zu schaffen. Dementsprechend hat der Drogenkrieg bisher trotz punktu
eller Erfolgsmeldungen zu immer neuen Ausweichstrategien der Drogenmafia und
zur AufrOstung der Verfolgungsapparate (gegebenenfalls auf Kosten "weicher"
Haushaltposten wie der Aus-, Fort- und Weiterbildung regularer Polizeikrafte) ge
fOhrt. Aus dem Kosovo-Krieg ist der Schlu~ gezogen worden, da~ die militarischen
Kapazitaten der EU (ebenso wie die der USA) ausgebaut werden mO~ten, gerade
weil der Krieg nach eigenem Verstandnis gewonnen wurde. In diesem Sinne kann
von einer wechselseitigen prekaren Stabilisierung von Gesetzlosigkeit und staatli-
10
cher Sicherheitspolitik gesprochen werden. Ahnliches gilt fUr die Konfliktparteien in
BOrgerkriegen, sofern deren existentielle Interessen starker von einer Fortsetzung
des Krieges als von seiner Beendigung abhangen (a Is Beispiel sei auf die Kriege in
Angola, der Region der Gror..en Seen in Afrika oder Afghanistan verwiesen).
Entgrenzungsprozesse in der Staatenwelt
Das BedOrfnis nach Sicherheit sowie dessen institutionelle Reprasentation und Um
setzung strukturieren seit jeher und Ober aile Kulturen hinweg die Organisation
menschlichen Zusammenlebens. Die Gewahrleistung von Sicherheit ist fUr die Legi
timation von HerrschaftsansprOchen genau so wichtig wie die Gewahrleistung eines
nach den jeweils geltenden Mar..staben als gerecht empfundenen Zugangs zu Res
sourcen. Reprasentative und transparente Institutionen, die die jeweiligen gesell
schaftlichen Interessen angemessen abbilden, regulieren im Idealfall diese Grund
bedOrfnisse. Die Durchsetzung des Gewaltmonopols scheint in diesem Sinne in der
Logik der Geschichte bzw. der Modernisierung zu liegen. Aber die Zivilisierung der
Sozialbeziehungen durch das staatliche Gewaltmonopol vollzieht sich hinter dem
ROcken der sie treibenden Akteure. Das Gewaltmonopol ist nicht das Produkt der
Selbstaufklarung der Machtigen, sondern ihres Interesses an geordneten Verhalt
nissen, die wiederum dazu dienen, ein Maximum an Steuern mit einem Minimum an
Kosten (Aufwand) zu generieren. Gerade dieses Interesse an effizienter Besteue
rung bietet auch einen Hebel fUr die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und De
mokratie als Kontrolle des Gewaltmonopols. Das Verhaltnis zwischen Ordnung von
oben und Kontrolle von unten ist jedoch aus der jeweiligen Sicht stets suboptimal.
Es bleibt von daher umkampft. Die Rahmenbedingungen der respektiven Auseinan
dersetzungen werden durch die zunehmende Wechselwirkung zwischen der inner
staatlichen, der transnationalen und internationalen Ebene der Politik (als ein zen
traler Aspekt weltgesellschaftlicher Entwicklungstendenzen) immer komplexer. Hierin
manifestiert sich die einleitend erwahnte weltgesellschaftliche Strukturierung sozia
ler Handlungszusammenhange, die im folgenden kurz erlautert werden soil.
Das Staatenmodell, das sich in Europa nach dem westfalischen Frieden (1648)
durchgesetzt hat, beruht auf der Vorstellung einer territorialen Kongruenz von Staat,
Nation, Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Vorstellung gerat in jOngerer Zeit zuneh
mend unter Druck (Globalisierungsdebatte). Die Internationalisierung der Politik
bleibt hinter der Transnationalisierung der Gesellschaften und der Globalisierung
der Wirtschaft zurOck. Es entstehen Ober- oder unterregulierte Raume, die von un
terschiedlichen sozialen Kraften besetzt werden und erhebliche Diskontinuitaten fOr
11
die Verfahrensweisen der betroffenen Gesellschaften mit sich bringen, gleichzeitig
aber auch neue Entwicklungsperspektiven eroffnen. Spezifische Herausforderungen
des staatlichen Gewaltmonopols im Kontext der Entgrenzung zeigen sich in sub
staatlichen Regionalismen3, die neue Formen der Subsidaritat ermoglichen, zugleich
aber bestehende nationale Integrationsmuster in Frage stellen; oder in der Heraus
bildung transnationaler Gemeinschaften, die internationale Kooperation fordern, an
dererseits aber zu neuen transnationalen und innerstaatlichen Konflikten fOhren kon
nen. Das kann so weit gehen, dar.. auf den Versuch, das staatlichen Gewaltmonopol
auszuuben, verzichtet wird, weil das zu einer unuberschaubaren Eskalation der Ge
walt fuhren konnte. So werden z.B. Kommunikation und Kooperation zwischen der
Turkei und Europa durch die tOrkischen Migranten gestarkt; die rot-grOne Bundesre
gierung sah sich aber auch genotigt, auf die Beantragung der Auslieferung des in
Deutschland mit Haftbefehl gesuchten PKK-Chefs Ocalans zu verzichten, um ge
waltsame Auseinandersetzungen in Deutschland zu vermeiden. In den Herkunftslan
dern der Migranten kann es erst recht dazu kommen, dar.. das staatliche Gewaltmo
nopol durch Diasporas von auP..en in Frage gestellt wird. So sind die UCK im Kosovo
und die Befreiungsbewegung in Osttimor weitgehend durch Gelder aus der jeweili
gen Diaspora finanziert worden.
1m Entgrenzungsprozer.. verschwimmen vertraute Unterscheidungen zwischen dem
Offentlichen und dem Privaten, zwischen innen und aur..en und dem, was als legitim,
und dem, was als illegitim empfunden wird. Staatliche Aufgaben wie die Gewahrlei
stung der offentlichen Sicherheit werden privatisiert, ohne dadurch per se ihren of
fentlichen Charakter zu verlieren. Aur..enpolitik wird mehr und mehr zur Weltinnenpo
litik. Das RechtsbewuP..tsein wird brOchig, weil national fundierte Umverteilungsre
geln, die sich mit je spezifischen Vorstellungen von Verantwortlichkeit und Gerechtig
keit verbinden, durch Inter- und Transnationalisierungsprozesse untergraben werden.
Ein Beispiel hierfOr bietet die Umgehung von Arbeitsgesetzen auf Berliner Baustellen
durch die Einschaltung von zum Teil unsoliden Leiharbeitsfirmen und Subunterneh
men, deren Praktiken einerseits den Zielen der BescMftigungspolitik in der Bundes
republik zuwiderlaufen, andererseits aber auch deswegen nicht durchgangig kontrol
liert werden, weil der Staat von ihnen profitiert, indem er bei offentlichen Bauten Bau
kosten einspart. Ein anderes Beispiel ist die Unter-Regulierung des Umweltbereichs
als Querschnittsthema bei gleichzeitiger Oberkomplexitat der Regelungen in Einzel
bereichen, mit dem Ergebnis mangelnder Transparenz und nicht realisierbarer Ver
antwortlichkeiten, z.B. bei der Umsetzung der Klimakonvention. Andererseits vermit
teln Beispiele wie der Austritt von DaimlerChrysler aus der Global Climate Coalition,
3 Siehe z.B. Jean Rouaud, Belgien gibt es nicht. Reise durch einen imaginilren Staat, FAZ. 21.6.99, S. 47.
12
einem Lobbyverband gegen die Effektivierung des Klimaschutzes, Hoffnung auf po
sitive Nebenwirkungen globaler Neuordnungen, einschlier..lich der Fusion von Fir
men.
In diesem Zusammenhang sind auch neue Ansatze einer auf spezifische Problembe
reiche orientierten Rechtsentwicklung zu erwahnen, die aus der Tatigkeit gror..er An
waltskanzleien hervorgehen. Letztere handeln untereinander fOr ihre Klienten
Streitregelungen aus, die ihrerseits als Prazedenzfalle fOr die Verhandlung weiterer
Streitfalle dienen und schlier..lich in zwischenstaatliche Vertrage Eingang finden bzw.
diese beeinflussen4. Auch hier verschwimmen Abgrenzungen zwischen dem Offentli
chen und dem Privaten, dem Nationalen und Internationalen, mit dem Ergebnis, dar..
die Orientierung des einzelnen im offentlichen Raum erschwert wird. Wenn man nicht
mehr sagen kann, was das Recht ist oder als Recht gilt und woher es kommt, wenn
nicht aus den Parlamenten und Gerichten, entsteht erhebliche Unsicherheit darOber,
welche Regel die Qualitat eines Rechts hat und nicht die einer blor..en Verhand
lungsgrundlage. Rechtssicherheit, und zwar im objektiven wie subjektiven Sinne,
stellt aber eine Grundvoraussetzung fOr wirtschaftliches Handeln und die Einhaltung
vertraglicher Abmachungen dar. Dieser Sachverhalt verweist auf die von Durkheim
herausgestellten "nicht vertraglichen Elemente des Vertrages". FOr Durkheim ist der
Vertrag die verrechtlichte Essenz gesellschaftlicher Beziehungen. Ohne die Einbet
tung in einen breiten gesellschaftlichen Konsens darOber, was als Recht gilt, ist der
Vertragstext nicht mehr Wert als das Papier, auf dem er gedruckt ist.
Konflikte, die auf Regulationsdefizite zurOckzufOhren sind, fallen in verstarktem Mar..e
auf die Gerichte zurOck. Diese sind mit der Bearbeitung und Kompensation der Fol
gen eines abnehmenden gesellschaftlichen Konsens' Oberfordert und ihrerseits von
Mar..nahmen betroffen, die sich aus Strategien der Verschlankung des Staates erge
ben, z.B. aus der Delegierung offentlicher Dienstleistungen an private Firmen. Er
schwerend kommt hinzu, dar.. staatliche Funktionsbereiche auf grenzOberschreitende
Kooperationen verlagert werden. Beide Tendenzen werfen erhebliche Probleme ei
ner demokratischen Kontrolle staatlicher Regulierungspolitik auf. Einerseits ist regio
nale und/oder transnationaler Politikkoordination in zunehmendem Mar..e erforderlich,
um die externen Rahmenbedingungen demokratischer Staaten im Zeichen weltge
sellschaftlicher Entwicklungstendenzen zu erhalten. Andererseits kann sich daraus
eine Verlangerung von Entscheidungsketten und eine Komplexitatsteigerung der
Entscheidungen selbst ergeben, die nur noch eine schwache ROckbindung an eine
demokratische Offentlichkeit erlauben (Scharpf 1993, ZOrn 1996, Kohler-Koch 1996,
4 Wir denken hier auch an die "Arbitrage-Verfahren", d.h. aussergerichtliche intemationale Regelungen wie sie z.B. im Rahmen von Investitionsschutzabkommen vorkommen. Vgl. Voigt 1999/2000.
13
Grande 1997, Brock 1998 Schmalz-Bruns 1999, Hoffe 1999). Die Internationalisie
rung der politischen Offentlichkeit hinkt offensichtlich der Internationalisierung der
Politik hinterher. Gegenlaufige Hoffnungen, die am Ende des vergangenen Jahrhun
derts in die Herausbildung einer internationalen Zivilgesellschaft als kritisches Ge
genOber (multi-)staatlicher MachtausObung gesetzt wurden, haben sich bisher nur in
bescheidenem Mar..e erfOllt, wenn auch zuweilen der Eindruck entsteht, die Nichtre
gierungsorganisationen konnten in die Entwicklung der internationalen politischen
Okonomie eingreifen. In diesem Zusammenhang sei auf die Kampagne global ver
netzter Nichtregierungsorganisationen gegen den OECD-Entwurf fOr ein Multilatera
les Abkommen Ober Investitionen (MAl) im Jahre 1998 oder die Protestaktionen bei
der Konferenz der Welthandelsorganisation in Seattle Ende 1999 verwiesen. Diese
Aktionen waren weniger erfolgreich als der Ausgang der jeweiligen Verhandlungen
vermuten lar..t, da das Scheitern dieser Verhandlungen wesentlich durch zwischen
staatliche Konflikte bedingt war. Abgesehen von den beschrankten Einflur..moglich
keiten wird auch die Legitimation von NRO immer wieder in Frage gestellt. Dieser
Kritik kann allerdings zumindest teilweise mit dem Argument begegnet werden, dar..
die NRO - auch wenn sie keine politische Reprasentativitat beanspruchen konnen -
doch insofern demokratisierend wirken als sie dazu beitragen, ein globales Systems
der ,checks and balances' zu bilden, das gewisse Chancen fOr die Kontrolle politi
scher (und okonomischer) Macht bietet.
Blickt man in die Geschichte der westlichen Staatenwelt, so erscheint die Durchset
zung des staatlichen Gewaltmonopols als die Quintessenz der modernen Staatsbil
dung Oberhaupt. Es stellt einen Eckpfeiler im System der innergesellschaftlichen
Friedensstiftung dar (Senghaas 1995:196f, Kaldor 1999:13ff). Um so erstaunlicher ist
es, dar.. die Transformation offentlicher Sicherheit in eine auf Sicherheitsmarkten ge
handelte Ware genau so unter tagespolitischen Opportunitatsgesichtspunkten erfolgt,
wie dies bei Deregulierungsmar..nahmen in Politikbereichen der Fall ist, die weniger
zentral fOr die Selbstbehauptung des Staates sind. Die sich hier auftuenden Wider
sprOche versucht der Staat durch den Abbau bestehender Restriktionen der Krimina
litatsbekampfung zu kompensieren. Dadurch werden aber die Probleme, die sich aus
der Entgrenzung der Staatenwelt fOr die Demokratie ergeben, noch verscharft.
14
II Sicherheitsbedurfnisse und ihre 8efriedigung
Der gesellschaftliche Konsens darOber, inwieweit die institutionellen Reprasentati
onsformen in den westlichen Demokratien den BedOrfnissen nach innerer und auBe
rer Sicherheit gerecht werden und insofern legitim und unterstotzenswert sind, wird
sowohl von Erfahrungswerten als auch von Erwartungen gepragt. Ulrich Beck hat
bereits 1986 in seiner Studie zur Risikogesellschaft die Reorientierung der gesell
schaftlichen SicherheitsbedOrfnisse dargestellt und analysiert. Globale Umweltge
fahren und neue Technologien, z.Zt. besonders die Gentechnologie, bringen ein
diffuses UnsicherheitsgefOhl hervor, das mit den wachsenden Schwierigkeiten kor
respondiert, Sachfragen und Entscheidungsprozesse zu durchschauen sowie Risi
ken abzuschatzen und Moglichkeiten ihrer Kontrolle zu prOfen. UnObersichtlichkeit
und Unsicherheit im GroBen fOhren zu zunehmendem SicherheitsbedOrfnis im Klei
nen, was sich in der Bundesrepublik in einem AufrOcken des Themas 'innere Sicher
heit' bei Wahlkampfen5 und der Ausbreitung privater Sicherheitsdienste dokumen
tiert. Diese Entwicklung spiegelt in sehr allgemeiner Form die Kriminalitatsentwick
lung. In der Kriminalitatsfurcht werden aber auch Angste umgesetzt, die anderen
Ursprungs sind. Sie konnen sich z.B. aus sozialer Unsicherheit oder der vermeintli
chen Infragestellung unseres Zivilisationsansatzes ergeben. Wie Franz Streng in
einem Beitrag zu einem vom BKA organisierten Workshop Ober die "Privatisierung
polizeilicher Aufgaben" im Jahre 1995 feststellt, handelt es sich beim "Sicherheits
gefuhl (. . .) um ein vielgestaltiges Konstrukt, das als eine Art Dach uber sehr unter
schiedlichen und schwer in ihrer inhaltlichen Aussage definierbaren Dimensionen
verstanden werden kann. Zeigt es sich doch etwa, daB zwischen der Einschatzung
der Kriminalitatssituation allgemein und dem personlichen Bedrohungsgefilhl (. .. ) nur
relativ schwache Zusammenhange messbar sind (. .. )" (WeiB u. Plate 1996:105f).
Von der gesellschaftlichen Konstruktion von Sicherheit, das heiBt, der gesellschaftli
chen Vorstellung von Sicherheit und deren institutionellen Formen hangen die jewei
ligen politischen Spielraume fOr die Formulierung und Umsetzbarkeit nationaler Si
cherheitsstrategien und internationaler Kooperationen abo Wolfgang BonB (1997:21-
38) fOhrt hierzu mit Hinweis auf kulturanthropologisch inspirierte Arbeiten aus, wie
die Strategien der Sicherheitsgewahrleistung variieren und "Ietztendlich jede Gesell
schaft ihr eigenes (Un-) Sicherheitsprofil zu haben" scheint (idem:21). Ein Hauptau
genmerk richtet sich hierbei auf die Bekampfung der "Organisierten Kriminalitat"
(OK), fOr die bislang keine griffige Definition existiert6 , die aber weltweit trotz aller
5 Bsp. aus dem Berliner EU-Wahlkampf: "Keine Angst - CDU: Europa mul1 man richtig machen - Gegen Verbrechen und Drogenhandel" und "FOr mehr Sicherheit zuhause" - SPD ThOringen. 6 Vgl. Definition von OK im Editorial.
15
Unbestimmtheit als Bezugspunkt fOr eine notwendige Wirkungssteigerung der inne
ren Sicherheitspolitik zitiert wird. OK ist fOr viele Menschen die Inkarnation dessen,
was einer Gesellschaft fremd ist und deshalb auch wie ein Tumor entfernt werde
kann. De facto existieren jedoch, wie oben bereits angedeutet, mehr Schnittstellen
zwischen Legalitat und Illegalitat als gemeinhin angenommen. Hier ist zweifellos an
erster Stelle die Korruption und die Geldwasche zu nennen, die illegale Gelder in
einen integralen Bestandteil der legalen Wirtschaft verwandelt. Es geht aber auch
um die allen gelaufige Steuerhinterziehung und um regulare wirtschaftliche Aktivita
ten, bei denen Strafgelder fOr die Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen im
Stile von Kosten-Nutzen-Analysen in die Gewinnkalkulation eingehen. Ware der auf
Sicherheit bedachte BOrger mit dem ganzen AusmaB des Ineinandergreifen von Le
galtitat und IIlegalitat und der sich hierin manifestierenden gesamtgesellschaftliche
"Brauchbarkeit der IIlegalitat,,7 konfrontiert, wOrde sich sein UnsicherheitsgefOhl
zweifellos noch verstarken.
Angesichts der gesellschaftlichen Dimension der Kriminalitat ist die Polizei mit deren
Oberwiegend repressiver Bekampfung Oberfordert. Dennoch besteht die Tendenz,
auf die angesprochenen Entwicklungen mit einer Affirmation der repressiven Krimi
nalitatsbekampfung zu reagieren. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Ein
fOhrung immer weiter gefasster, verdachtsgestOtzter Kontrollen, die Umkehrung von
Beweislasten und die Einschrankung von Kompetenzabgrenzungen zwischen ver
schiedenartigen Sicherheitsorganen wie z.B. Polizei und Geheimdiensten. Ais Alter
native zu Ausbau und Qualifizierung der Polizei prasentiert sich zur Zeit lediglich die
Privatisierung der Sicherheitsgewahrleistung in Gestalt einer Unzahl von privaten
Sicherheitsfirmen, deren Angestellte nach kurzen Vorbereitungskursen in Phanta
sieuniformen und mit kollektiven Firmen-Waffenscheinen ausgestattet offentliche
Raume kontrollieren und auf diesem Wege subjektive Unsicherheit abbauen sollen,
tatsachlich aber das allgemeine GefOhl von Unsicherheit perpetuieren, wenn nicht
sogar steigernB. Sie bevolkern einen rechtsfreien Raum, der existiert, weil hier eine
Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Nachfrage und staatlichem Angebot an Si
cherheit entstanden ist. Diese Diskrepanz ist jedoch nicht objektiv vorgegeben. Sie
ergibt sich daraus, wieviel Kriminalitat eine Gesellschaft insgesamt als Preis fOr die
Freiheit von Oberwachung zu tragen bereit ist und wo und wie Ober die Festlegung
dieser Grenzen entschieden wird.
7 Siehe hierzu den Beitrag des franz6sischen Okonomen, Guilhem Fabre, in diesem Buch, vgl. auch Arun Kumar, 1999. B Vgl. Hubert Beste: "Wahmehmung von Sicherheits- und Ordnungsfunktionen im 6ffentlichen Raum durch private Sicherheitsdienste", in: Wei~ & Plate, 1996:111-117, und Pressemeldung der Gewerkschaft der Polizei Berlin (27.12.99): "( ... ) Das staatliche Gewaltmonopol hat Vertassungsrang und dart nicht privatisiert werden. ( ... r. 16
Die weltweite Neigung zur "Verschlankung des Staates" ebnet einer Subsidiarisie
rung von Staatsfunktionen den Weg. Diese bietet einerseits Moglichkeiten der er
weiterten Selbstbestimmung, geht aber in der Regel mit einer Zunahme an Vera nt
wortlichkeiten untergeordneter Verwaltungseinheiten bei nicht adaquater Mittelauf
stockung einher. Auch dies kann zu neuen Unsicherheiten fOhren. Wird die Ge
wahrleistung von Sicherheit ohne entsprechende Autoritat, Ausbildung und Bezah
lung nach unten verlagert, nimrnt die Steuerungskapazitat des Staates offensichtlich
ab und dies ladt zur spontanen Privatisierung der Sicherheitsgewahrleistung ein
(Burgerwehren etc.). Eine Subsidiarisierung von Staatsfunktionen mur.!, daher not
wendigerweise damit einhergehen, die Befahigung gesellschaftlicher Gruppen zur
Selbststeuerung zu verbessern. Hierauf verweist der Begriff des empowerment, der
freilich zugleich das Problem der ungleichen Verteilung von Selbstbehauptung
schancen innerhalb und zwischen Gesellschaften anspricht.
Bei der Entwicklung von Sicherheitsbedurfnissen und Strategien ihrer Befriedigung
sind auch die Eigeninteressen der Sicherheitsapparate zu berucksichtigen. Dies
zeigt sich besonders eindringlich bei der Bekampfung des Drogenhandels. Seit Be
endigung. des Ost-West-Konflikts befinden sich zumindest Teile nationaler wie inter
nationaler Sicherheitsorgane auf der Suche nach neuen Aufgaben. Sie konkurrieren
hierbei u.a. um Themenfelder wie Umwelt-, Ernahrungs-, soziale oder, ganz umfas
send, "menschliche" Sicherheit. Diese Themenfelder sind unter anderen politischen
Vorzeichen von anderen gesellschaftlichen Gruppen, namlich der Umwelt- und Frie
densbewegung sowie den Solidaritats- und Menschenrechtsgruppen besetzt wor
den. Letztere haben dazu beigetragen, neue "Sicherheitsbereiche" jenseits der Ter
ritorialitat und der strikten staatlichen Zurechnung von Sicherheitsanforderungen
entlang transnationaler und internationaler Konflikt- und Kooperationslinien zu iden
tifizieren. Das haben sich Teile der traditionellen Sicherheitsapparate zu Nutze ge
macht als sie ihr Augenmerk auf die offensichtlichsten Nebenwirkungen aktueller
Entgrenzungsprozesse, wie illegale Migration und den Drogenhandel (Andreas
1995), richteten. Freilich fOhrte die Thematisierung dieser nicht-militarischen Sicher
heitsgefahrdungen nicht zu einer Entmilitarisierung der Sicherheitspolitik, sondern
lediglich zu deren Neuausrichtung. In diesem Sinne haben die US-amerikanische
Drogenbekampfungsbehorde DEA9 und der CIA einen Krieg gegen den Drogenhan
del lanciert, flankiert durch das machtige Instrument der jahrlichen Drogenbekamp
fungs-Zertifizierung 10 des amerikanischen Prasidenten. Dieser Ansatz dominiert in
zwischen den Stil der weltweiten Drogenpolitik. Die eigentlich hierfur zustandige In-
9 (US) Drug Enforcement Agency. 10 Erfolgreiche, d.h. auf die Repression des Angebots orientierte Drogenbekampfung als Voraussetzung fOr die Gewahrung der MeistbegOnstigungsklausel beim Handel mit den USA.
17
stitution, das Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen UNDCp11 wird zwar
von den USA tatkraftiger als andere UN-Einrichtungen unterstOtzt, nimmt aber gera
de deshalb eher nachgeordnete administrative als normative Funktionen wahr. Trotz
sehr unterschiedlicher Interessenlagen ihrer Mitgliedslander tragt das UNDCP auf
diesem Wege dazu bei, eine weltweit einheitliche angebotsorientierte Drogenbe
kampfung durchzusetzen.
Der Handel mit Drogen erfolgt grenzObergreifend und stellt einen wichtigen Zweig
der organisierten Kriminalitat dar. Dabei wird das Gewaltmonopol des Staates in
vielen Landern durch Korruption, undurchsichtige Finanztransaktionen und parallele
Gewaltapparate mit illegal en Waffen, Kommunikationsstrukturen und Strafvollzug
missbraucht und zugleich missachtet. Die hohen Gewinnspannen des internationa
len Drogenhandels dienen bei solchen Konstellationen dem Ausgleich finanzieller
Risiken und tragen somit auch zur ,Nachhaltigkeit' gewaltsam ausgetragener Kon
flikte und gesellschaftlicher Zersetzung durch Korruption bei. Goudie und Stasavage
(1998) fOhren an zahlreichen Beispielen aus, welche gesellschaftlichen Formationen
unter welchen Bedingungen besonders korruptionsanfallig sind und welche Rolle
eine hohe Disponibilitat finanzieller Ressourcen bei der Zersetzung staatlicher und
privater Institutionen spielt.
Drogenkontrollpolitik auf nationaler wie internationaler Ebene wird von Institutionen
durchgefOhrt, deren demokratische Kontrolle aufgrund der Charakteristika ihrer Auf
gaben besonders schwierig ist. Diese Schwierigkeiten werden durch die Eigeninter
essen der Sicherheitsorgane erhoht, die zwar gesarntgesellschaftliche Aufgaben
erfOlien sollen, aber wie aile anderen gesellschaftlichen Institutionen in ihrem Ver
halten durch Selbstbehauptungss- und Expansionsstrategien im Kampf um knappe
Ressourcen gepragt sind. Dabei kann es besonders in Zeiten der Redefinition der
Aufgabenfelder staatlicher Sicherheitsorgane leicht zu Verzerrungen kommen: Der
war-an-drugs der USA hat inzwischen mit Hilfe von Lobbygruppen eine erhebliche
Eigendynamik entwickelt. Dies schlagt sich in standig wachsenden Haushaltsmitteln
nieder, die eher den allgemeinen politischen Stellenwert der Drogenproblematik als
die konkreten Erfahrungen spiegeln, die bei der Verfolgung der eigentlichen Ziele
(Reduzierung von Drogenanbau, -handel und -konsum) gemacht werden 12.
11 United Nations Drug Control Programme. 12 Vgl. Artikel von Hans-van-Veen in diesem Such.
18
III Staatsversagen, Kriegsokonomien und internationale Zwangsgewalt
Auch im Bereich der internationalen Sicherheitspolitik finden Entgrenzungsprozesse
statt. Die internationale Sicherheitspolitik befa~t sich in zunehmendem Ma~e mit
innerstaatlichen Konflikten, die als internationale Friedensgefahrdung definiert (und
damit fOr Sanktionen nach Kapitel VII der UN-Charta zuganglich) werden. Dem liegt
wiederum, wie schon einleitend festgestellt, eine innere Entgrenzung der Konflikte
selbst zugrunde: "The new wars involve a blurring of the distinctions between war
(usually defined as violence between states or organized pOlitical groups for political
motives), organized crime (violence undertaken by privately organized groups for
private purposes, usually financial gain) and large-scale violations of human rights
(violence undertaken by states or politically organized groups against individuals)."
(Kaldor 1999:2) 13
Die "neuen Kriege" sind das Produkt einer unter dem Gesichtspunkt der Modernisie
rung und Strukturanpassung fehlgeschlagenen Transformation. Sie finden in einem
Teil der ehemals sozialistischen Lander und in Teilen Afrikas (Westafrika, Region
der gro~en Seen, Angola) sowie Asiens (Afghanistan, Indonesien) statt. In ihnen
zeigt sich, da~ die globalen Entwicklungserwartungen der alten Modernisierung
stheorien insofern naiv waren, als sie die je spezifische Wechselwirkung zwischen
internen und externen Entwicklungsfaktoren nicht wirklich ernst genommen haben.
Auch die Dependencia-Kritik hat dies mit wenigen Ausnahmen nicht getan. Heute
zeigt sich, da~ die Bandbreite moglicher Entwicklungen und Fehlentwicklungen gro
~er ist als bisher erwartet und da~ es zu BrOchen im Modernisierungsproze~ kom
men kann, die die Ausbildung dauerhafter Kriegsokonomien begOnstigen. In diesen
Kriegsokonomien bestehen nur schwache Interessen an Vermittlung und Ausgleich,
da der Krieg selbst als Haupterwerbsquelle der Kriegsparteien fungiert. So sehr sol
che Entwicklungen als Negation von Modernisierung erscheinen, so sind sie doch
ein Phanomen der Moderne, insofern als sie eng mit der globalen Okonomie ver
flochten sind. Dabei spielen besonders Geldwasche und Waffenhandel eine wichtige
Rolle, da sie die legale Okonomie in schwer kontrollierbarer Form mit der Krieg
sokonomie verbinden (UNDCP 1998). Hinzu komrnt, da~ die Anwendung militari
scher Zwangsgewalt auf internationaler Ebene ebenfalls in einer Grauzone operiert.
Hier werden Fragen der rechtlichen Zulassigkeit in einer Weise entschieden, die
sich bisher eher durch einen machtbewu~ten Opportunismus als durch problembe
zogene Opportunitatserwagungen auszeichnet.
13 Vgl. den Beitrag von Laurent Laniel in diesem Band.
19
Die bisherigen Sicherheitsarrangements auf internationaler Ebene sind durch die
historische Erfahrung der "alten Kriege" gepragt. Das vorrangige politische Projekt'
war dabei die Oberwindung des zwischenstaatlichen Krieges als sozialer Institution,
Dieses Projekt wurzelt in der humanistischen Kritik kollektiver Gewalt und in der Er
wartung der Aufklarung, daB eine Oberwindung selbstverschuldeter UnmOndigkeit
des Menschen moglich sei. Die Umsetzung dieses Projektes leidet bis heute an den
Paradoxien einer unfriedlichen Friedenspolitik. Die eine Seite dieser Paradoxie stellt
die fortschreitende volkerrechtliche Eindammung des Ermessenspielraumes von
Staaten bei der Anwendung von Gewalt dar. Die andere Seite besteht darin, daB
gerade diese volkerrechtliche Entwicklung immer neue Quellen fOr die Legitimation
staatlicher Gewaltanwendung liefert.
Mit dem Volkerbund wurde zum ersten Mal das Recht der Staaten, Krieg zu fOhren,
eingeschrankt. Durch den Briand-Kellog-Pakt wurde der Angriffskrieg geachtet und
die Charta der Vereinten Nationen sprach schlieBlich ein allgemeines Gewaltverbot
(Art. 2/4 der UN-Charta) aus. Dem Gewaltverbot entsprach die Regelung, nach der
dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das alleinige Recht zusteht, Gewaltan
wendung zur Durchsetzung der Ziele der Charta zu legalisieren. Dieses Recht stellt
kein Gewaltmonopol dar, sondern ein Monopol der Legalisierung von Gewalteinsat
zen (Weiss/Forsythe/Coate 1994). Die Anwendung von Gewalt ist nach der Satzung
der Vereinten Nationen auBer zum Zweck der individuellen und kollektiven Selbst
verteidigung (Art. 51) nur zulassig, wenn der Sicherheitsrat eine Gefahrdung oder
einen Bruch des internationalen Friedens feststellt und die Anwendung von Gewalt
zur Wiederherstellung des Friedens autorisiert. Nun setzt sich der Sicherheitsrat
aber aus Staaten zusammen, die keineswegs die gesamte Menschheit reprasentie
ren und stets in einer Doppelfunktion als Instanz und Partei agieren. Das laBt sich
beim gegenwartigen Stand der volkerrechtlichen Entwicklung nicht vermeiden, be
deutet jedoch, daB die Funktionsfahigkeit des Sicherheitsrates prinzipiell einge
schrankt ist. Der Sicherheitsrat kann in bestimmten Streitfragen als Instanz fungie
ren, wenn er die Interessen seiner (standigen) Mitglieder als Partei nicht verletzt. Wo
diese Konstellation nicht zustande kommt, neigen die Staaten, die ihre Parteiinter
essen nicht gewahrt sehen, dazu, unter Berufung auf die UN-Charta und gewohn
heitsrechtliche Entwicklungen, die ihrem Geist entsprechen, auBerhalb des Sicher
heitsrates zu agieren. Dies ist bei der sogenannten humanitaren Intervention der
Fall, die sich dadurch auszeichnet, daB einzelne Staaten oder Staatengruppen ohne
Autorisierung durch den Sicherheitsrat in die innerstaatliche Entwicklung anderer
Lander eingreifen. Hinzu kommt als generelles Problem die fehlende Bereitschaft
gerade auch der Standigen Mitglieder, die eigene Sicherheitspolitik zu internationa-
20
lisieren. Hier ist nicht nur das Beispiel der USA einschlagig. Auch RuBland zeigt we
nig Neigung, sich auf kollektive Regelungen einzulassen. So wird ein russischer Di
plomat im Kontext der Friedensregelung im Kosovo mit den Worten zitiert: "Wir wer
den nie damit einverstanden sein, daB russische Truppen von irgendwelchen Aus
landern kommandiert werden, selbst wenn es UNO-Vertreter waren. " 14
Zur Zeit des Ost-West-Konflikts konnte der Sicherheitsrat mit der Foige blockiert
werden, daB nicht gehandelt wurde. Heute wird der Sicherheitsrat in offenbar zu
nehmendem MaBe mit der Foige blockiert, daB auBerhalb des Sicherheitsrates ge
handelt wird. Das Monopol des Sicherheitsrates zur Legitimation von Zwangsgewalt
wird auf diesem Wege zugunsten der Handlungsfreiheit des Einzelstaates einge
schrankt. Zugleich nehmen die Staaten unter Berufung auf ein sich immer weiter
ausdifferenzierendes Volkerrecht in Anspruch, jene Zwangsgewalt auszuOben, zu
deren AusObung der Sicherheitsrat aufgrund eben dieses Volkerrechts verpflichtet
ware. 15
Bei der akademischen Erorterung dieser Problematik wird unter Berufung auf die
normative Integration der Staatengesellschaft auf die Pflicht der Staatenvertreter zur
Wahrnehmung weltbOrgerlicher Verantwortung (good international citizenship) im
Sinne eines entschlossenen Eintretens fOr die Menschenrechte notfalls am Sicher
heitsrat vorbei verwiesen (Dunne u. Wheeler 1999). Diese Sicht spiegelt einen
anglo-amerikanischen Pragmatismus im Volkerrecht, der sich in erster Linie an der
Frage orientiert, welche Regeln fOr die effektive Bearbeitung eines Problems erfor
derlich sind, und nicht an der Frage, welche Methoden der Problembearbeitung mit
bestehenden Regeln Obereinstimmen (Farer 1991:185-199). Legitimitat geht hier vor
Legalitat. Mit ahnlichem Ergebnis aber auf anderer Grundlage argumentiert JOrgen
Habermas, wenn er anlM,lich des Kosovo-Krieges die Frage aufwirft, ob angesichts
der Unfertigkeit der weltbOrgerlichen Ordnung "humanitare Interventionen" nicht zu
deren Verwirklichung beitragen konnten. 16 Die Intervention ware in diesem Faile als
Vorgriff auf die zu schaffende Ordnung und nicht als ROckgriff auf einen Zustand zu
interpretieren, in dem den Staaten noch ein weitgehend unbeschranktes Recht zum
Kriege zustand.
Diese Argumentation ist insofern problematisch als damit das historische Projekt
einer Oberwindung des Rechts zum Kriege wieder in Frage gestellt wird. Wenn den
Staaten die Moglichkeit eingeraumt wird, im Wege der Selbstautorisierung Gewalt
14 Berliner Zenung yom 27.5.1999, S. 2. 15 Hierzu und zum folgenden siehe Brock 1999. 16 JOrgen Habermas, Bestialitat und Humanitat, Die zen No. 18,29.4.1999.
21
unter Berufung auf die Menschenrechte (und die Notwendigkeit der Nothilfe) anzu
wenden, werden gerade jene Restriktionen umgangen, die die GrOnder der Verein
ten Nationen als erforderlich erachteten, um "die Menschheit von der Gei/2,el des
Krieges zu befreien" , wie es in der Praambel der UN-Charta hei/2,t. Die Versuchung
ist gro/2" staatliche SouveranitsansprOche im Zeitalter der Globalisierung menschen
rechtlichen Bestimmungen nachzuordnen. Es geht aber nicht nur darum, ob im
Rahmen der UN-Charta die Menschenrechte mehr wiegen als staatliche Souverani
tatsansprOche. Die eigentliche RechtsgOterabwagung bezieht sich vielmehr darauf,
ob das historische Projekt einer Oberwindung des Angriffskrieges im Zeichen versa
gender Staaten und "neuer Kriege" zugunsten des Schutzes bestimmter Werte (hier
der Menschenrechte) zurOckgestelit werden sollte. Mit Blick auf diese Frage lie/2,e
sich argumentieren, da/2, dort, wo das Gewaltmonopol des Staates zusammenbricht,
eine "humanitare Intervention" keine Souveranitatsverletzung darstellen kanne, weil
es gar keinen Ort der Souveranitat in einem solchen Staatsgebilde gebe, ja da/2, es
geradezu darauf ankomme, da/2, Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen und
damit die Voraussetzungen fOr souverane Handlungsfahigkeit zu schaffen. Das ist
zweifellos richtig. Die entscheidende Frage ist aber, wer den Zusammenbruch des
Gewaltmonopols feststellt und wer Ober kollektive Ma/2,nahmen von au/2,en entschei
det. Hier sollte das Legalitatsprinzip Ober dem Legitimitatsprinzip stehen. Zwar kann
eine Entscheidungsblockade im Sicherheitsrat Menschenleben kosten, das trim aber
genau so fOr die Umgehung der Entscheidungsblockade durch einzelstaatliche Ge
waltanwendung zu; denn in der Tradition der Aufklarung kann es keinen Krieg zu
gunsten der Menschenrechte geben, weil der Krieg selbst nicht ohne Verletzung von
Menschenrechte gefOhrt werden kann.
IV Transformation des Gewaltmonopols?
FOr Max Weber ist der moderne Staat "ein anstaltsmassiger Herrschaftsverband (. . .),
der innerhalb eines Gebietes die legitime physische Gewaltsamkeit als Mittel der
Herrschaft zu monopolisieren mit Erfolg getrachtet hat und zu diesem Zweck die
sachlichen Betriebsmittel in der Hand seiner Leiter vereinigt, die samtlichen eigenbe
rechtigten standischen Funktionare aber, die (rOher zu Eigenrecht darOber verfOgten,
enteignet und sich selbst in seiner hOchsten Spitze an deren Stelle gesetzt hat."
(Weber 1972:824) Aile heutigen Staaten beanspruchen in diesem Sinne, moderne
Staaten zu sein. Viele von ihnen vermagen jedoch in der Praxis diesem Anspruch
nicht zu genOgen. Sie verfOgen keineswegs Ober ein gesichertes Gewaltmonopol
und wo sich dies in lang andauernden Kampfen um die Durchsetzung rivalisierender
MachtansprOche manifestiert, spricht man (im Sinne Webers) folgerichtig von Quasi-
22
Staaten (Jackson 1990). Auf der anderen Seite des historischen Spektrums stehen
jene Staaten, in denen das Gewaltmonopol nicht aufgrund von Fehlentwicklungen,
sondern aufgrund einer prazedenzlosen wirtschaftlichen Entwicklung an Bedeutung
als Verhaltensregulativ zu verlieren scheint und die sich insofern an der Schwelle
zur Postmodernitat befinden. Gemeint sind hier die Staaten, deren Wirtschaftssy
steme sich schneller denationalisieren (ZOrn 1998) als ihre Rechtssysteme (Voigt
1999/2000). Diese Staaten bilden das Zentrum der von Habermas sogenannten
post-nationalen Konstellation (Habermas 1998). Wahrend in der ersten Staaten
gruppe die Voraussetzungen fOr eine Durchsetzung des Rechts fehlen, schrumpft in
der zweiten Staatengruppe die Bedeutung, die der Durchsetzung des Rechts fOr die
Gestaltung der allgemeinen Lebensverhaltnisse zukommt, u.a. weil die gror..en wirt
schaftlichen Akteure in gewissem Umfang in der Lage sind, aus stark in schwach
regulierte Wirtschaftsraume auszuweichen. Beide Problemsituationen werden von
der transnationalen organisierten Kriminalitat zu ihrem eigenen Vorteil genutzt: in
der ersten Gruppe durch teilweise Obernahme von quasi-staatlichen Funktionen, in
der zweiten Landergruppe durch vermehrte Moglichkeiten, staatlicher Strafverfol
gung zu entgehen und die FrOchte krimineller Aktivitaten durch transnationale Geld
wasche zu legalisieren.
Die Problematik eines unvollstandigen oder fehlenden Gewaltmonopols auf der ei
nen Seite und eines nicht mehr voll wirksamen Gewaltmonopols auf der anderen,
hat, wie teilweise schon ausgefOhrt, in den vergangenen Jahrzehnten in Theorie und
Praxis verschiedene Antworten gefunden. Was den ersten Problemaspekt betrifft, so
hat der UN-Sicherheitsrat seine Handlungsmoglichkeiten dadurch erweitert, dar.. er
schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und den Zusammenbruch der inne
ren Ordnung eines Landes zu einer Gefahr fOr den internationalen Frieden erklart
hat. Parallel dazu ist die Praxis der humanitaren Intervention erweitert worden, wo
bei von den BefOrwortern dieser Praxis aus deren Duldung durch die internationale
Staatengemeinschaft auf die Herausbildung eines Volkergewohnheitsrechts zur
VerhOtung von Volkermord und groben Menschenrechtsverletzungen gechlossen
wird. Bezogen auf den zweiten Problemaspekt ist es seit dem Ende des zweiten
Weltkrieges zu einer fortschreitenden Ausdifferenzierung von Regelsystemen (inter
nationalen Regimen) gekommen, die heute praktisch aile Aspekte der internationa
len Beziehungen betreffen. In der Theorie haben diese Entwicklungen zu zwei
scheinbar gegenlaufigen EntwOrfen fOr eine Einhegung von Gewalt im Kontext welt
gesellschaftlicher Strukturierungen des Cffentlichen gefOhrt. Auf der einen Seite ist
die Idee des Weltfriedens durch Weltrecht wieder aufgegriffen worden, die in Kants
Friedensphilosophie angelegt ist und zwischen den Weltkriegen, also zur Zeit des
23
Volkerbundes, eine erste Hochkonjunktur erlebte (Lutz-Bachmann 1996, Hoffe
1998). Zum andern ist eine rege Diskussion uber "governance without government",
also uber die Idee aufgekommen, die Welt zu regieren ohne Weltregierung (Kohler
Koch 1993, Zurn 1998). Diese beiden Denkschulen befinden sich jedoch nur
scheinbar in einem Gegensatz zueinander. Patentrezepte haben sie beide nicht zu
bieten und in Reinform werden sie sich beide nicht materialisieren. Erwartbar ist
vielmehr eine Entwicklung, in deren Verlauf es fur bestimmte Tatbestande (Men
schenrechtsverletzungen, Volkermord, Diskriminierung) zu einer weiteren Globalisie
rung des Rechts und der formlichen Moglichkeiten, ihm Geltung zu verschaffen,
kommen wird, wahrend es auf der anderen Seite einen sich vergror..ernden Bereich
sozialer Beziehungen geben wird, in dem das Prinzip der Selbstregulierung in Ver
bindung mit dem Prinzip der territorialen und sachbezogenen Subsidiaritat zum Zu
ge kommt.
Fur Entwicklungen in diese Richtung gibt es eine Reihe von Anzeichen. Zunachst
einmal ist festzuhalten, dar.. der Prozer.. der internationalen Regime-Bildung zwar
bisher durch nationale Vorbehalte in engen Grenzen gehalten wird, aber trotz Zu
spitzung von Streitfragen insbesondere im okonomischen Bereich weitergeht. Dabei
vollzieht sich die Ausdifferenzierung von Normen (fur je spezifische Sachbereiche)
auch als Angleichung nationaler Regelungen (Standardisierung von Qualitatskriteri
en fUr Produkte und Produktionsprozesse, soziale und okologische Standards). Die
Regime-Bildung geht mit Politikkoordination und direkter Kooperation (auch der
Strafverfolgungsbehorden) einher. Zwar ist die Geltung des Rechts immer noch
ganz uberwiegend territorial differenziert, d.h. dar.. in jedem Land das entsprechende
Landesrecht gilt. In einem so wichtigen Regelungsbereich wie dem des Welthandels
ist jedoch mit Grundung der WTO ein Streitschlichtungsmechanismus eingefuhrt
worden, der internationale Rechtsprechung mit nationaler Rechtsdurchsetzung kom
biniert (Legalisierung von einzelstaatlichen Strafmar..nahmen gegen Lander, die sich
einer Verletzung von WTO-Regeln schuldig machen). Daruber hinaus entsteht eine
neues privates Recht der transnationalen Wirtschaftsbeziehungen (lex mercatoria),
das ohne staatliche Mitwirkung z.B. durch die Internationale Handelskammer in An
lehnung an nationale Vorgaben oder auch an die Vorgaben der gror..en, auf Han
delsfragen spezialisierten und global agierenden Anwaltsfirmen zustande kommt
und wiederum auf die nationale Gesetzgebung zuruckwirkt (Stein 1995; Voigt
1999/2000; Albert 1999/2000; Cutler/Haufler/Porter 1999).
Ais weiterfuhrende Entwicklungen ist in diesem Zusammenhang auf die Internatio
nalisierung des Rechts auf regionaler Ebene, insbesondere Europa, zu verweisen,
24
sowie auf den Aufbau eines internationalen Strafrechts. Wenn es gelingt, den be
reits beschlossenen Internationalen Strafgerichtshof einzurichten, wird sich im nach
hinein die Schaffung der Kriegsverbrechertribunale in NOrnberg und Tokio am Ende
des zweiten Weltkrieges als Anfang einer Entwicklung erweisen, an deren Ende
trotz aller Bedenken gegen die Moglichkeit eines globalen Strafrechts (1999a) eine
standige, wenn auch nur auf bestimrnte Tatbestande zugeschnittene globale Straf
gerichtsbarkeit stehen wOrde. Zwischen dieser Entwicklung und der nationalen
Rechtssprechung besteht die Moglichkeit, vor nationalen Gerichten AnsprOche gel
tend zu machen, die von dem entsprechenden Land gegenOber dem beklagten Land
vertreten werden. Dies ist der Weg, auf dem ehemalige Zwangsarbeiter im national
sozialistischen Deutschland heute ihre AnsprOche auf Entschadigung gegenOber der
Bundesregpublik (bei US-amerikanischen Gerichten) geltend machen. Zu erwahnen
ist in diesem Zusammenhang auch der Versuch der Herreros, vor dem Internationa
len Gerichtshof in Den Haag eine Entschadigung fOr die Niederschlagung des Her
rero-Aufstandes in Deutsch SOdwest-Afrika (heute Namibia) einzuklagen. Dieses
Anliegen wurde zurOckgewiesen, weil vor dem IGH nur Staaten ein Klagerecht ha
ben. Zu der hier angesprochenen Entwicklung gehOrt aber in der Tendenz auch die
Ausweitung des Klagerechts auf Einzelpersonen (als Pendant zur strafrechtlichen
Verfolgung von Einzelpersonen auf internationaler Ebene) wie es etwa in einem Fa
kultativprotokoll zum Pakt iiber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (von
1966) vorgesehen ist.
Das erwahnte lex mercatoria (Stein 1995)verweist auf den Sachverhalt, dar!. es ei
nen wachsenden Bereich von inner- und zwischenstaatlichen Angelegenheiten gibt,
der mit Hilfe einer zwischen Privatparteien vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit ge
regelt wird. Diese Selbstregulierung funktioniert ohne staatliche Gewaltandrohung,
weil die Parteien davon ausgehen, dar!. die Nichtbeachtung eines Schiedsspruches
fOr sie von Nachteil ist (Beeintrachtigung von Geschaftschancen durch Vertrauens
verlust). Es handelt sich insofern um soft law, dessen Wirkung aber keineswegs
hinter der Wirkung eines durch das Gewaltmonopol gesicherten Rechts zurOckblei
ben mur!. (Voigt 1999/2000). 1m Gegenteil, Selbstregulierung auf der Grundlage von
Subsidiaritat kann zu einer Effizienzsteigerung der Regelung fOhren, weil sie koope
rativ erfolgt, also nicht gegen Widerstand durchgesetzt werden mur!..
Zu berOcksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dar!. auch die Wirkung des inner
staatlichen Rechts zum Oberwiegenden Teil nicht vom staatlichen Gewaltmonopol
abhangt, sondern von der Internalisierung des Rechts durch die Bevolkerung eines
Landes. Zwar unterscheiden sich in dieser Hinsicht autoritare von demokratischen
25
Systemen. Aber auch eine autoritare Herrschaft kann auf die Internalisierung von
Rechtsvorschriften durch die Bevolkerung nicht verzichten. Soweit sie durch Re
pression selbst einer solchen Internalisierung entgegenwirkt, untergrabt sie die ei
gene Existenzgrundlage. Autoritare Regime sind von daher stets instabil. Die Inter
nalisierung von Regeln erfolgt in Wechselwirkung mit der Ausbildung einer jeweils
spezifischen Rechtskultur. Dieser Sachverhalt erklart die Fragilitat, durch die sich
die Internalisierung von Volkerrechtsnormen durch die Einzelstaaten auszeichnet.
Allerdings erscheint es nicht plausibel, die Herausbildung einer globalen Rechts
kultur als Voraussetzung fOr eine Internalisierung des Volkerrechts zu werten. Viel
mehr ist hier wie auf nationaler Ebene von einer Wechselwirkung zwischen der pol i
tisch vorangetriebenen Ausdifferenzierung von Normen und der Herausbildung einer
staatenObergreifenden Rechtskultur auszugehen, die den Selbstbindungseffekt der
Volkerrechtssubjekte starken wOrde.
Damit stellt sich die Frage, welche Faktoren die Ausdifferenzierung von Rechtsnor
men vorantreiben. Cutler/Haufier und Porter (1999a, 336ff) sind dieser Frage jOngst
mit Blick auf die Herausbildung von "private international authority" nachgegangen.
Sie nennen drei GrOnde dafOr, weshalb sich in den Beziehungen zwischen privaten
Parteien so etwas wie eine parteienObergreifende Autoritat bzw. Ordnung herausbil
den kann: (1) Effizienzerwagungen, die sich daraus ergeben, dar.. durch Regelbil
dung Transaktionskosten eingespart werden konnen, (2) machtbezogene Erwagun
gen, die darauf gerichtet sind, dar.. soziale Institutionen (Regeln) dazu beitragen
konne, die Handlungskapazitaten der sie befOrwortenden Parteien zu starken, (3)
die Vorstellung, dar.. die Regelbildung historischen Notwendigkeiten entspricht Diese
drei FaktorenbOndel werden von den Autoren nicht als sich wechselseitig ausschlie
r..end, sondern als komplementar betrachtet.
Diese 8eobachtungen lassen sich auf das Zustandekommen von Ordnung generell
Obertragen. Sie zeigen, dar.. es dabei sowohl um Optimierungs- als auch um Vertei
lungsfragen geht, und WidersprOche zwischen beiden Ober Ideen und Weltbilder
vermittelt wird. Bezogen auf das Gewaltmonopol ware zu folgern, dar.. es bei der An
passung dieser zentralen Institution der Moderne an eine pra- und zugleich post
nationale Konstellation nicht nur um die Herstellung oder Festigung von offentlicher
Ordnung an sich geht, sondern immer auch um ganz bestimmte Ordnungen, in de
nen sich Macht- und Entwicklungsdisparitaten eben so wie je spezifische Wertvor
stellungen und Kulturtraditionen spiegeln.
Wahrend der moderne Anstaltsstaat in der Lage ist, seine Handlungsfahigkeit nach
innen (gegenOber der eigenen Gesellschaft) und aur..en (gegenOber dem internatio-
26
nalen Umfeld) durch internationale Politikkoordination und Regimebildung zu star
ken, fungiert der Quasi-Staat als deren Objekt. 1m modernen Staat vollzieht sich die
Herausbildung weltgesellschaftlicher Strukturierungen Oberwiegend als Differenzie
rung von Problemfeldern und Handlungsebenen, im Quasi-Staat hingegen geht es
Oberwiegend um soziale Desintegration und politischen Zerfall. Bei nicht
konsolidierten Staatsgebilden kann internationale Kooperation die Chance bieten,
Demokratisierungsprozesse zu stOtzen. Mary Kaldor sieht in der Identifikation von
,Inseln der Zivilisation' und ihrer gezielten Unterstutzung durch Kooperation eine
Option sozialer Rekonstruktion in zerfallenden Gesellschaften (1999:138ff). Die
Realitat sieht aber haufig anders aus. Staatliche Einrichtungen wie Geheimdienste
oder Teile von Polizei und Militar in nicht-konsolidierten Landern entwickeln sich
allzu oft mit Hilfe von Partnerorganisationen aus den (demokratischen) Industrielan
dern im Krieg gegen den Drogenanbau und -handel wie frO her im Krieg gegen den
internationalen Kommunismus oder Imperialismus zu strategischen Akteuren mit
eigenen OrdnungsansprOchen und einem nicht-kontrollierten, auf WilikOr und Ge
walt gestOtzten Handlungsrepertoire. 17
Daraus folgt, dall. jeder Versuch, die Probleme der Rechtsdurchsetzung in einem
Lande durch die Schaffung internationaler Instanzen zu beheben, immer auch auf
seine macht-, interessen- und ideenpolitischen Implikationen hin OberprOft werden
mull., gleichgOltig ob die Probleme aus einer pra- oder einer post-nationalen Kon
stellation hervorgehen. Das gilt fUr die intra- ebenso wie fOr die internationale Ebe
ne; denn die Internationalisierung des Rechts wirkt sich auf das Verhaltnis der Lan
der zueinander und zugleich auf das Verhaltnis von Politik und Okonomie innerhalb
der einzelnen Lander ebenso wie auf das Verhaltnis des Globalen zum Lokalen aus.
Diese Dreifachbewegung verweist auf die prinzipielle Offenheit einer Transformation
des Gewaltmonopols, aber zugleich auch auf neue Risiken und Bedrohungsvorstel
lungen, die bei dem Versuch entstehen konnen, mit den gegenwartigen fertig zu
werden.
Was speziell die Sicherheitsorgane betrifft, so operieren sie in demokratisch schwer
kontrollierbaren Raumen und Formen. Um so wichtiger ist es, dass bei der (Re-) Or
ganisation dieser Institutionen sowohl national wie international auf ,Accountability'
geachtet wird. O'Donnell's (1998) Konzept horizontaler ,Accountability' bietet hierfOr
einen Ausgangspunkt; er geht bei der Definition von Kriterien fOr gesellschaftliche
Einbettung und Kontrollmoglichkeiten staatlicher Institutionen davon aus, dall. es fUr
17 Die Schwierigkeiten, die sich aus einem unvollstandigen Gewaltmonopol fOr die Wahmehmung offentlicher Ordnungsaufgaben ergeben, behandelt im vorliegenden Band der brasilianische Politologe und Kriminologe Guaracy Mingardi.
27
samtliche Institutionen und Reprasentationen gesellschaftlicher Interessen, legale,
mit dem notigen Fachwissen ausgestattete und motivierte Kontrollinstanzen geben
muB. Hier wOrde auch die Selbstregulierung machtvoller gesellschaftlicher Akteure
ihre Grenzen finden.
Das Gewaltmonopol des Staates muB hinsichtlich seiner inneren wie auBeren Di
mension neu verankert werden. Bei der Herstellung eines neuen gesellschaftlichen
Konsens' konnen gesellschaftliche Gruppen Beteiligung einfordern, die bislang mit
diesem Thema nicht befaBt waren. Dadurch konnte die Legitimitat einer Neuordnung
erhoht werden. Erleichtert wird diese Moglichkeit durch die Tatsache, daB die Betei
ligung von BOrgerintitiativen und NRO's am politischen ProzeB he ute in vielen Lan
dern verbreitet ist. In der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Neube
grOndung einer auf den Alltag bezogenen Sicherheitspolitik stellen sich eine Reihe
von Fragen: Welche Art der Gewahrleistung von Sicherheit brauchen wir, damit
groBtmoglicher Raum fOr Integration, Informalitat und soziale und kulturelle Innovati
on erhalten bzw. geschaffen werden kann? In welcher institutionellen Form ist Si
cherheitspolitik umsetzbar, die so etwas gewahrleisten konnte? Welche Allianzen
und Mechanismen sind lokal, national und international vorstellbar, um einer innova
tiven Sicherheitspolitik naherzukommen? Diese und ahnliche Fragen konnten die
Diskussion um das Thema anstoBen und einen ProzeB der zivilgesellschaftlichen
Qualifizierung in diesem Bereich initiieren; erste Tendenzen in diese Richtung las
sen sich als Foige des Kosovo-Krieges bereits konstatieren 18. Eine weltweite Homo
genisierung der Kriminalitatsbekampfung, die zur Zeit besonders durch internatio
nale Kooperationen im Sicherheitsbereich forciert wird, geht an den jeweils sehr
spezifischen Ursachen fOr die Zunahme krimineller Aktivitaten in den einzelnen Lan
dern vorbei und kann schnell kontraproduktiv wirken. Lernoffene Strategien der in
ternationalen wie inner-staatlichen Krisenpravention und Konfliktbearbeitung, die
neue Allianzen und Partnerschaften einzugehen bereit sind, sind die Voraussetzung
fOr die Oberwindung kurzfristiger, auf Oberkommenen Weltbildern fuBender Reaktio
nen auf die vielfaltigen Formen "neuer Kriege".
18 A1s direkte Reaktion auf den Kosovo-Krieg hat die Stiftung Frieden und Entwicklung bereits im Milrz die Bildung einer ,Plattforrn zivile Konfliktbearbeitung' gebildel. Die NGO ,German Watch' starlet in ihrem Mitgliederbrief 2199 eine Umfrage, ob ihre Mitglieder sich starker mit AuBen- und Sicherheitspolitik befassen m6chten.
28
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32
Das Gewaltmonopol in Brasilien 1
Guaracy Mingardi2
Abstract: State Monopoly of Violence in Brazil?
Proceeding from the idea that there is a state with a whole set of characteristics
which reminds of a Western nation-state, just without the possession of the monopoly
of violence, the author asks for the implications for internal conflict regulation? How
can organized crime be fought against, if the state has to share its monopoly of vio
lence with we" organized, militant criminal groups?
Inhalt
EinfOhrung
I Die "Justiceiros"
" Die Drogenhandler von Rio de Janeiro
"I SchluBbemerkung
Literaturverzeichnis
1 Die Lateinamerikanistin Rita Hoppe aus Berlin Obersetzte den Text aus dem brasilianischen Portugiesisch. 2 Politologe und Kriminologe, lehrt an der Universitat in Sao Paulo (USP) und ist tatig bei der Staatsanwaltschaft (Abteilung zur Untersuchung Organisierter Kriminalital). Mitglied des UNESCO/MOSTDrogenforschungsnetzwerkes. [email protected].
33
Einfiihrung
Der Ex-Innenminister der brasilianischen Metropole Sao Paulo, Manoel Pedro Pi
mentel, antwortete 1996 auf die Frage "Kann das liel einer erfolgreichen Repressi
onspolitik das Ende des Verbrechens sein, oder sollte es in seiner Kontrolle beste
hen?", folgendermar..en: "(. . .) Es ist weder moglich noch wOnschenswert, das Ver
brechen vollkommen auszurotlen, allein deswegen, wei! es eine der verschiedenen
Ausdrucksforrnen menschlicher Freiheit ist, einige Regeln der Gesellschaft zu bre
chen."
Am Ende dieses Jahrhunderts erhebt der vermeintlich freiheitliche Diskurs zur Ab
schaffung des Strafrechts erneut sein Haupt aus der Asche. Die Verteidiger dieser
These folgen der Grundidee, dar.. das staatliche physische Gewaltmonopol repressiv
und zu ineffizient ist, urn die Gewalt in der Gesellschaft kontrollieren zu konnen. Sie
argumentieren, das staatliche Gewaltmonopol bewirke das Gegenteil und erhOhe die
Last der Gewalt.
In diesem Artikel wollen wir den umgekehrten Weg einschlagen und aufzeigen, dar..
in den beiden gror..ten brasilianischen Stadten die Gewalt mit der zunehmenden Ab
wesenheit des Staates zunimmt.
In Brasilien betatigt sich die Organisierte Kriminalitat (O.K.) in vier wesentlichen Fel
dern: Raub von Frachtgut, Autodiebstahl, Drogenhandel und illegale Lotterie3, wobei
letztere die traditionellste und "eingebettetste" ist.
Urn nicht bei allgemeinen Behauptungen zu bleiben, zeigen wir anhand zweier sehr
bekannter, aber wenig untersuchter Beispiele - die "Justiceiros" oder Gerichtsherren
der Peripherie von Sao Paulo und die Drogenhandler der Elendsviertel von Rio de
Janeiro - was passiert, wenn der Staat sich zurOckhalt.
Die "Justiceiros"
Die sogenannten "Justiceiros" sind professionelle Killer, die in den Armenvierteln der
stadtischen Peripherie von Sao Paulo agieren. Sie knOpfen an die Tradition der To
desschwadron an, die in den SOer und 60er Jahren von livilpolizisten4 gebildet wur-
3 Das "Jogo do Bicho" (Tierlotto) unterho'llt die stabilsten klientilistischen Beziehungen zu Politik, Wirtschaft und Kultur. Gleichzeitig bietet es die Grundstruktur, aus der die meisten anderen kriminellen Aktivito'lten hervorgehen. 4 Die Zivilpolizei ist die jeweilige Landespolizei.
34
de, um als gefahrlich geltende Kriminelle zu toten. Zu dem reinen Wunsch, "Gerech
tigkeit" zu Oben, gesellten sich laut Bicudo (1976) bald andere Interessen. Die Mit
glieder der Schwadron begannen als bezahlte Vollstrecker zu agieren und toteten vor
allem Drogenhandler im Auftrag anderer Krimineller.
Mit der Aufnahme von Prozessen und der Verurteilung einiger AnfOhrer der Schwa
dron verringerten sich ihre Aktivitaten. In den 70er und 80er Jahren Obernahmen es
Angehorige einiger Einheiten der Militarpolizei (PM)5, mit den Exekutionen fortzufah
reno Selbst mit der ROckkehr des Rechtsstaates (1985) lier! der "Wachsamkeitswahn"
("vigilantismo") der Militarpolizei von Sao Paulo nicht nacho Taktische Einheiten wie
die ROTA (Streitbare Wachstreifen Tobias de Aguiar) fuhren fort, auf eigene Faust
und in wachsender Zahl Verdachtige zu toten. Sie sind fOr einen Gror!teil der mehr
als 1400 "offiziellen" Morde verantwortlich, die im Jahre 1992 von Militarpolizisten
verObt wurden.
1997 tritt in Sao Paulo ein anderer "Wachter" - Typ in Erscheinung. Er agiert in eini
gen Regionen der Peripherie von Sao Paulo und steht nicht in standiger Verbindung
mit dem Staatsapparat. Wegen fehlender Kriterien auf Seiten der Presse wurden im
Laufe der Jahre die Mitglieder dieser Vernichtungskommandos als "Justiceiros" be
kannt. Und zwar allein deshalb, weil sie scheinbar die Rolle der Agenten der Volksju
stiz ausObten.
Die erste Frage, die hinsichtlich der "Justiceiros" gestellt werden sollte, gilt einer ge
naueren Definition, wer sie eigentlich sind. Der deutlichste Unterschied zwischen ih
nen und den Gruppen, die ihnen vorausgingen, ist die fehlende Verbindung zum
Staat. Obwohl vermutet wird, dar! einige Polizeisektoren bei den Machenschaften der
"Justiceiros" ein Auge zudrOcken, gehort die gror!e Mehrheit nicht zum Personal der
offentlichen Sicherheit. Die berOhmte Ausnahme innerhalb unseres Musters stellt der
Cabo (Wachtmeister) Bruno dar, ein Ex-Mitglied der Militarpolizei, der bis heute mit
den Aktivitaten dieser Gruppen in Verbindung gebracht wird.
In der brasilianischen Kriminalgeschichte ist das Phanomen der "Justiceiros" relativ
neu. Der erste nachprOfbare Fall datiert am Ende der 70er Jahre. Geraldo de Oliveira
Pereira, genannt Geraldao, begann 1977 seine Karriere als Morder (Fernandes,
1990). Ihm werden von der Justiz sechs Morde zur Last gelegt, obwohl angenommen
wird, dar! er wenigstens die doppelte Zahl verObte. Nach und nach tauchten ver
schiedene Nachahmer auf, Personen, die bereit waren, Kriminelle oder vermeintliche
Kriminelle gegen Bezahlung durch an den Morden Interessierte zu toten. Eine wichti-
5 Die Mililarpolizei unlerslehl ebenfalls dem Land.
35
ge Quelle der Entlohnung entspringt einer freiwilligen oder erzwungenen "Schutz"
gebOhr, die von Geschaftsleuten und gewohnlichen BOrgern bezahlt wird.
Die Nachfolger des Geraldao wurden von der Presse auf zwei verschiedene Weisen
behandelt. Die einen stellen sie als BeschOtzer der armen Bevolkerung dar, und zwar
in einer weniger elaborierten Form dessen, was Hobsbawn als Sozialbanditentum
bezeichnete. In der anderen Version, die in der Polizei und der grol1en Presse vor
herrscht, werden sie schlicht und ergreifend fOr professionelle Killer gehalten
(Fernandes 1990).
In der klassischen Version des englischen Historikers ist der Sozialbandit notwendi
gerweise landlicher Natur. Selbst wenn zuzugeben ist, daB solch eine Definition zu
eingeschrankt ist, weil das Sozialbanditentum auch in einer Metropole gedeihen
kann, gibt es verschiedene andere Merkmale dieser Aktivitat, die wir bei den "Ju
sticeiros" nicht finden. Entsprechend der Hobsbawnschen Typologie existieren drei
Wesensarten des Sozialbanditen:
Der Edelgauner. Er nimmt von den Reichen und gibt den Armen; er totet nur in Not
wehr.
Der Heiduck. Ein professioneller StraBenrauber, der Freiheits- oder Widerstandsbe
wegungen organisiert.
Der Racher. Er wird zum Banditen, um Genugtuung zu fordern. Er ist extrem ge
walttatig, plOndert gelegentlich und bekampft die lokalen Vertreter der offentlichen
Gewalt.
Hinsichtlich der ersten beiden Typen ist es offenkundig, daB sie mit den "Justiceiros"
nichts gemein haben. Die Haupttatigkeit der Edelgauner und Heiducken besteht in
Eigentumsdelikten, in Raub allgemein, was nicht zum Alltag der Morder von der Pe
ripherie gehort. Ein anderer Punkt, in dem sich die "Justiceiros" von ihnen -
einschlieBlich vom Racher - unterscheiden, ist der fehlende Kampf gegen den Staat
oder die herrschenden Klassen. Die Gewalt der Vernichtungsgruppen richtet sich nur
gegen wirkliche und vermutete Kriminelle. Selbst wenn es zur Verfolgung einer die
ser Gruppen durch die Justiz kommt, vermeiden ihre Mitglieder jeglichen Akt gegen
die offentliche Gewalt, besonders gegen die Polizei.
Wenigstens ein Faktor kann als notwendige Bedingung fOr das Auftauchen der "Ju
sticeiros" verstanden werden: die Mangel der urbanen Polizeiaufsicht in den betrof
fenen Regionen. Wie Coelho (1987) zeigt, gibt es eine klare Korelation zwischen
fehlender polizeilicher Oberwachung und der Kriminalitat, so daB" ( ... ) wenn die
36
Wahrscheinlichkeit der Strafe erhOht wird, der Nettowert der kriminellen Alternative
geschmalert und damit die Option der nicht-kriminellen Alternative attraktiver wird."e
Die Unfahigkeit des Staates, der Bevolkerung den geeigneten Schutz zu geben,
kann objektiv an der Rolle der Zivilpolizei gemessen werden. Der Prozentsatz an
Untersuchungen, die von der Polizei in Sao Paulo eingeleitet wurden, liegt bei weni
ger als 10% aller gemeldeten Verbrechen. Mit anderen Worten, nur eins von zehn
Verbrechen wurde Gegenstand von Nachforschungen durch die Polizei. BezOglich
der praventiven Polizeiaufsicht, die von der PM durchgefOhrt wird, befinden sich die
am wenigsten Oberwachten Regionen in der Peripherie der Stadt. Bei der Verteilung
von Fahrzeugen auf die Stadt beispielsweise erhalt eindeutig der Streifendienst in
den privilegierten Stadtvierteln den Vorzug. Bestimmte Regionen der Peripherie in
der SOdzone werden selten von einem Streifenwagen aufgesucht. So gesehen be
steht kein Zweifel, daB die Bevolkerung sich unsicher fOhlen muB. Das erklart die
Unterstotzung der "Justiceiros" durch die Bewohner der Peripherie, die glauben, daB
weniger Verbrechen verObt werden, wenn sie sie frei schalten und walten lassen.
II Die Drogenhandler von Rio de Janeiro
Eine Besonderheit des Drogenhandels in Rio de Janeiro resultiert aus der Hegemo
nie, die von den Gefangenenorganisationen, vor allem von dem Comando Vermelho
und dem Terceiro Comando erobert wurde. In praktisch allen Zuchthausern gibt es
Banden, die EinfluB auf die "Masse" der Gefangenen haben. Normalerweise kontrol
lieren diese Banden im geheimen Einverstandnis mit den Gefangniswartern den Ver
kauf von Privilegien (Sex, Drogen, Art der Unterbringung, etc.) In ihrer Mehrheit stot
zen sich diese jedoch auf die Macht der jeweiligen AnfOhrer, agieren nur im lokalen
Bereich und kontrollieren hochstens ein ganzes Zuchthaus. Das Comando Vermelho
konnte diesem Nischendasein entkommen. Es wurde von Bankraubern gegrOndet,
die Ende der 60er Anfang der 70er Jahre die zweite Galerie der Strafvollzugsanstalt
Candido Monford mit jungen Revolutionaren teilten. Der Grund fOr diese Mischung
war das Gesetz der Nationalen Sicherheit, das jeden Bankraub, unabhangig von den
Motiven, als einen Anschlag auf die Nationale Sicherheit wertete. Verschiedene Au
toren (Lima, 1991; Coelho, 1992 und Amorin, 1993) zeigen auf, dar:? die gewohnli
chen Gefangenen als Ergebnis dieses Zusammenlebens die Vorteile der Selbstorga
nisation erlernten und damit begannen, einen eigenen Diskurs zu fOhren, in dem sie
sich als "Opfer einer bankrotten kapitalistischen Gesellschaft" entwarfen (Coelho).
6 Dies mag leicht ersichUich erscheinen, aber die Sozialwissenschaften in Brasilien versuchten noch bis vor kurzem, die Kriminalitat einfach durch den sozialen Hintergrund des Kriminellen zu erklaren, eine These, die die Kriminologie schon seit langer Zeit verworfen hat.
37
Dieses Organisationsmodell Oberwand die Schranken des Gefangnissystems und
bemachtigte sich nach und nach des Drogenhandels in der Stadt Rio de Janeiro. Es
bestehen Zweifel Ober den Grad der Kontrolle, die die Organisation Ober die verbOn
deten Gruppen hat. Scheinbar ist der Bericht, der das Comando Vermelho als eine
monolithische Organisation darstellt, ebenso Obertrieben wie es einige Reportagen
sind, die die Gruppe als einen Staat im Staate bezeichnen. Trotzdem existieren em
pirische Belege fOr Querverbindungen zwischen den Banden, die sich zu dieser
Gruppe zahlen.
Wie im Fall der "Justiceiros" von Sao Paulo ist der Staat an den Orten, wo sich das
Comando Vermelho etabliert hat, quasi nicht vorhanden. Also verfolgten das Co
mando Vermelho und andere gleichgeartete Gruppen die Strategie, sich als oberste
Richter zu gebarden und die Gegend zu "befrieden", was Aufgabe des Staates ware.
Diese Gruppen zielen darauf ab, die Kontrolle Ober ihr EinfluBgebiet zu erhalten, in
dem sie verhindern, dar.. sich dort andere Kriminelle einnisten und Kontrolle Ober
Teile des Gemeinwesens ausOben. Nach Souza fOhrte diese Situation zur Schaffung
einer Reihe von Enklaven in Rio de Janeiro, die von verschiedenen Gemeinden ge
bildet werden, untereinander jedoch praktisch nicht mehr miteinander kommunizie
reno
Wegen dieser Regionen, in denen das organisierte Verbrechen sichtbarer als der
Staatsapparat ist - die sogenannten befreiten Zonen - wurde eine irrige Theorie ent
wickelt, die der organisierten Kriminalitat den Status eines Parallelstaates zuweist.
Parallel en sind laut eines jeden Lexikons Linien, die sich niemals treffen. Das be
deutet, daB Staat und organisiertes Verbrechen nebeneinander her laufen wOrden,
ohne dar.. sich ihre Wege jemals kreuzten. Um dies zu widerlegen, genOgt es, die
gror..e Zahl von offentlichen Angestellten jeglichen 'Typus' zu betrachten, die ange
klagt sind, Beziehungen mit kriminellen Organisationen zu unterhalten. Zu keiner Zeit
konnten diese Organisationen auf die UnterstOtzung einzelner Sektoren des Staates
verzichten.
III SchluBbemerkung
Meine zentrale These ist es, daB Organisierte Kriminalitat (OK) nur existieren kann,
wenn Teile des Staates kooperieren. Hierbei gibt es zwei Formen der Beziehungen:
• finanzielle "Abkommen" mit Mitgliedern der staatlichen Sicherheitsorgane, mit
Verwaltungspersonal und Politikern;
38
• klientilistische Netzwerke, die von Teilen der O.K. kontrolliert werden und so mit
der Einflur1 auf weitreichendere politische Entscheidungen sichergestellt werden
kann.
Weitere wichtige Faktoren, die das Wachstum von O.K. begOnstigen bzw. seine Be
kampfung torpedieren, sind die den aktuellen Anforderungen nicht entsprechenden
Gesetze, unqualifizierte Polizisten ohne materielle Ausstattung, ein Bankensystem
ohne Kontrolle und eine Bundespolizei, die lediglich grenzOberschreitende und nicht
die innere O.K. bekampft.
In diesem konkreten Fall verweisen die Beziehungen, die "Justiceiros" und Mitglieder
des Comando Vermelho mit dem Staat unterhalten, auf die antike Figur des Individu
ums, das gleichzeitig BeschOtzer und BeschOtzter, "Herr" (Patron) und Klient ist.
"Herr" der armen Bevolkerung, die sich an ihn wendet, um Schutz und Hilfe jeder Art
zu bekommen, und die ihm im Gegenzug die notwendige UnterstOtzung gewahrlei
stet. Klient, weil er sein Gebiet nur unter Kontrolle halten und folglich seine Ge
schafte nur ausOben kann, wenn er mit dem Schutz der Politiker und/oder hoher
Staatsbeamter rechnen dart, die er im Tausch mit Geld und/oder Stimmen versorgt.
Hierbei vernachlassigen die Autoren jedoch, inwieweit die oben beschriebenen Be
ziehungsgeflechte vom traditionellen Modell des Klientelismus abweichen: Ais Be
schOtzer der armen Bevolkerung benutzen die modernen "Herren" in der Regel ihre
eigenen und nicht etwa staatliche Mittel, um die UnterstOtzung der Bewohner zu er
langen. Vom Staat wollen sie nur eins, einen Freibrief. Beim traditionellen Modell des
Klientelismus ist der Patron in den meisten Fallen nur der Vermittler zwischen seinen
Klienten und dem Staat. Heute ist das immer noch der Fall bei den Politikern, die
versuchen, auf diese Art und Weise Ansehen und Macht zu gewinnen. In den Ge
bieten, die unter dem Einflur1 der "Justiceiros" und Drogenhandler stehen, sind of
fentliche Gelder nicht existent.
Und das rechtmar1ige physische Gewaltmonopol? In der Praxis existiert es nicht.
"Justiceiros" und Drogenhandler teilen sich, jeder in seinem betreffenden Gebiet, mit
dem Staat die Vertolgung bestimmter Krimineller, vor allem kleiner Gauner, Verge
waltiger, etc. In Wirklichkeit sind sie bis zu einem bestimmten Punkt effizienter als
der staatliche Repressionsapparat, denn sie gehoren zur Gemeinde, sprechen die
Sprache der Bevolkerung, sind mit ihr verbunden. Sie haben also einen besseren
Zugang zu Informationen. DarOber hinaus demonstrieren Drogenhandler wie "Ju
sticeiros" ihre Macht, indem sie zu einer einzigen Strafe verurteilen, zum Tod. Was
die Legitimitat dieser Gestalten betrifft, genOgt es, am Fernsehen die Beerdigung
eines wichtigen Drogenhandlers zu vertolgen. Immer erscheint ein beachtlicher Teil
39
der Bewohner des von ihm "beschutzten" Gebietes, urn ihm die letzte Ehre zu erwei
sen.
Der eigentliche Bruch des staatlichen Gewaltmonopols durch diese beiden Gruppen
fand bereits Ende der 70er Anfang der 80er Jahre statt. Entgegen gangiger Vorur
teile nahmen die Gewaltverbrechen seitdem jedoch exponentiell zu. Ais Beispiel fuh
ren wir die beiden Verbrechen an - das eine gegen die Person, das andere gegen
das Eigentum - deren Statistiken am zuverlassigsten sind, oder anders gesagt, die
den geringsten Index an fehlerhaften Angaben aufweisen:
Totungsdelikte, Raub und Autodiebstahl
Gror..region Sao Paulo 1983 und 1998
1983
Totungsdelikte 2.837
Raub und Autodiebstahl 33.125
1998
8.434
130.166 ..
QueUe: KoordlnationssteUe fur Analyse und Planung - CAP
Sekretariat fUr Offentliche Sicherheit - Sao Paulo (1999)
Differenz %
5.597 297
97.041 353
Wahrend dieser Periode wuchs die Bevolkerung der Gror..region Sao Paulo in einem
viel geringeren Mar..e als die Zahl der beiden Verbrechen. Es ist offenkundig, dar.. es
ein schwerer Fehler ware, den Anstieg der Kriminalitat nur einem Faktor zuzuschrei
ben. Allerdings ist es symptomatisch, dar.. solch eine Zunahme der Verbrechen ge
gen das Eigentum und gegen Personen dem Bruch des legitimen Gewaltmonopols
auf dem Fur..e folgt. Die kontinuierliche Begleitung von Prozessen in diesen Zonen, in
denen der Staat praktisch nicht existent oder zumindest nicht prasent ist, erlaubt eine
praxisnahe Sicht des Gewaltproblems und moglicher Bekampfungsstrategien. Die in
Brasilien vieldiskutierte Alternative, auf staatliche Eingriffe in zwischenmenschliche
Konflikte ganz zu verzichten, erscheint aus dieser Perspektive auf jeden Fall nicht
mehr attraktiv.
Literaturverzeichnis
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Bicudo, Helio (1976): Meu Depoimento Sobre 0 Esquadrao da Morte, Pontificia Comissao de Justiya e Paz, Sao Paulo
7 Auch wenn wir eine Erscheinung behandeln, die Ende der 70er Jahre begann, ist es uns nicht mOglich gewesen, polizeiliche Statistiken dieser Periode zu benutzen. Wir wijhlten das Jahr 1983 aus, weil die vorhergehenden Statistiken bekannterweise von Mitgliedem des Militilrregimes manipuliert worden sind.
40
Coelho, Magda Prates (1992): Crime Organizado e Pobreza: Uma Nova Associar;ao, in: Polfcia Militar, Estado e Sociedade. Fundayao J. Pinheiro. Belo Horizonte, 1992.
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Weber, Max (1974): A Etica Protestante e 0 Espfrito do Capitalismo, Sao Paulo
41
Reflexionen zu neuen grenzuberschreitender Kooperationen von
Sicherheitsorganen: Die internationale Drogenbekampfung
Leo Schuster 1
Abstract: New Forms of International Police-Cooperation Fighting Drug
Trafficking
Currently, the drug industry is probably the largest and most profitable sector of inter
national crime. The liberalization of cross-border-activities creates new opportunities
for all kinds of illegal activities and actors, too. Law-enforcement agencies try to react
with the creation of a whole set of regional, transnational and international coopera
tions. Acting at the execution-end of security-politics such co-operations can easily
be overcharged. What kind of forms to combat organized crime could be successful
in the future?
Inhalt
EinfOhrung
I Die internationale Rauschgiftsituation
II Strategien der Drogenbekampfung
III Operative Zusammenarbeit in der Drogenbekampfung
IV Nationale Zustandigkeiten und Kooperationsformen
V Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 Kriminologe, 1. Direktor des Bundeskriminalamtesl Wiesbaden, u.a. zustilndig fOr die Bekampfung intemationaler Organisierter Kriminalitat,Tel. 0611-5513405, Fax 5512380.
43
EinfUhrung
DrogenmiBbrauch und Drogenkriminalitat stellen seit Jahrzehnten in Deutschland,
wie auch in zahlreichen anderen Landern der Welt, ein ernstes Problem dar.
Cannabisprodukte, Heroin und Kokain sowie synthetische Drogen Oberschwemmen
die USA, Westeuropa und - einhergehend mit steigendem wirtschaftlichen Wohl
stand - in zunehmendem MaBe auch die mittel- und osteuropaischen Staaten. Der
international organisierte Drogenhandel hat Wachstumsraten zu verzeichnen, von
denen die legale Wirtschaft nur traumen kann.
Die im Zusammenhang mit dem Handel und Konsum von Drogen steigenden Krimi
nalitatszahlen, insbesondere die Beschaffungs- und Gewaltkriminalitat, sowie die von
Organisierter Kriminalitat ausgehenden Gefahren stellen nicht nur die Strafverfol
gungsbehorden vor schwierige Aufgaben. Die vielfaltigen Begleiterscheinungen und
Foigen von Drogenkonsum und Drogenabhangigkeit gehoren vielmehr zu den aktu
ellen Herausforderungen fOr Staat und Gesellschaft.
Die Ursachen der sich weltweit verscharfenden Drogenproblematik sind sowohl in
der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Anbau- und Erzeugerlander als auch
in der zunehmenden Nachfrage nach illegalen Drogen in den Industrielandern zu
suchen. Denn die Hauptanbaugebiete fOr die Cannabispflanze, den Kokastrauch und
den Schlafmohn als die Rohstofflieferanten fOr die Rauschgiftproduktion liegen bis
auf wenige Ausnahmen in Landern der "Dritten Welt". Haufig ist der auf jahrhunder
tealten Traditionen beruhende Rauschgiftanbau nicht nur die einzige Erwerbsquelle
fOr die Bauern in den Anbauregionen, sondern auch eine wichtige Devisenquelle fOr
diese Lander.2 Aber auch wenn legale Einnahmequellen verfOgbar sind, wird der
Drogenanbau oftmals vorgezogen, weil das hierbei zu erzielende Einkommen das
von alternativen Anpflanzungen oder die Verdienstmoglichkeiten ungelernter Arbeiter
in den Stadten Obertrifft.
International organisierte kriminelle Gruppierungen fungieren als Vermittler zwischen
dem in den Anbauregionen zu geringen Kosten produzierten Drogenangebot und der
von kaufkraftigen Konsumenten vor allem in Europa und den USA bestimmten
Nachfrage. Die Vereinten Nationen schatzen, daB internationale Drogenkartelle jahr
lich etwa 400 Mrd. Dollar umsetzen. Dies entspricht einem Anteil von 8 % am Welt
handel. Der internationale Rauschgifthandel ist aufgrund seiner auBerordentlich ho-
2 Beispielsweise wurde in Bolivien, dem zweitgrc5l3ten Anbaugebiet der Koka-Pflanze, der KokaAnbau erst nach 1980 stark ausgedehnt als die Weltmarktpreise fOr Zinn, einem der Hauptexportgiiter des Landes, jah flalen. Dadurch waren etwa 200.000 Bauem direkt auf die Kokain-Produktion als Erwerbsquelle angewiesen, weitere 100.000 Personen waren an der Herstellung und dem Transport der produzierten Orogen beteiligl.
44
hen Gewinnspannen 3 eines der lukrativsten und wichtigsten Betatigungsfelder von
organisiert arbeitenden kriminellen Gruppierungen und verkorpert Organisierte Kri
minalitat in klassischer Weise.
Die weltumspannenden Handelswege von den traditionellen Drogenanbauregionen
in die Verbraucherregionen der westlichen Hemisphare, die internationalen Ver
flechtungen von kriminellen Organisationen und deren arbeitsteiliges Zusammenwir
ken belegen, daB sich Globalisierung nicht nur im legalen Bereich der Wirtschaft
vollzieht. Angesichts der nachfolgend beschriebenen internationalen Rauschgiftsi
tuation mochte ich einen Schritt weiter gehen und behaupten, daB sich im Bereich
von Drogenanbau, -produktion und -handel Globalisierung bereits vollzogen hat und
insofern von einer "Globalitat" der Rauschgiftkriminalitat gesprochen werden kann.
Die internationale Rauschgiftsituation
Produktion, Handel und Konsum von Heroin
Das Internationale Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (UNDCP)
schatzt, daB 1997 weltweit etwa 5.000 t Opium illegal hergestellt wurden. FOr den
dazu notwendigen Anbau von Schlafmohn wurden rund 270.000 ha Anbauflache ge
nutzt.4 Hauptanbaugebiete von Schlafmohn, die mit den Herkunftsregionen des
halbsynthetischen Endproduktes Heroin gleichzusetzen sind, liegen im "Goldenen
Dreieck" (Myanmar, Laos, Thailand) und in der Region des sogenannten "Goldenen
Halbmondes" (Pakistan, Afghanistan, Iran), das die weltweit groBte Anbauflache dar
stellt. Weitere Anbaugebiete befinden sich in Zentralasien, Mexiko, Kolumbien und
Peru.
In den letzten Jahren waren Afghanistan und Myanmar die Hauptherkunftslander
von Heroin. Auf diese beiden Staaten entfielen 1996 und 1997 etwa 90 % der ge
samten ilJegalen Opiumherstellung. Mit zusammen 12.000 ha Mohnanbauflache sind
Kolumbien und Mexiko im weltweiten Vergleich relativ kleine Heroinproduzenten.5
Dort blieb hauptsachlich wegen der energischen MaBnahmen der Politik zur Unter
bindung des Schlafmohnanbaus der Mohnanbau und die Heroinherstellung Ober Jah
re stabil.
Haufigster Ausgangspunkt fOr den Schmuggel von Heroin aus der Region um den
"Goldenen Halbmond" nach Europa ist Afghanistan. Nach Schatzungen der IKPO-
3 FOr 200-500 kg Koka-Blalter, die zur Produktion von ca. 1,5 kg Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 50-60% notwendig sind, erhalt der Kokaplanzen-Bauer ZWischen 400 und 1000 OM. Oiese 1,5 Kg Kokain haben in Europa einen Handelswert von 400.000 bis 600.000 OM. 4 Genaue Angaben Ober die tatsachlichen Anbauflachen und Anbaumengen sind weder fOr einzelne Lander noch insgesamt mOglich. Aile verfOgbaren Zahlen beruhen auf Schalzungen. 5 Oas in Mexiko und Kolumbien hergestellte Heroin ist von sehr hoher Qualitat und meist fOr den nordamerikanischen Markt bestimmt.
45
Interpol werden jahrlich zwischen 60 und 80% des in Europa sichergestellten Heroins
auf der Balkanroute 6 illegal eingefOhrt. Aus diesem Grund wird diese Route auch als
"Hauptschlagader des Heroinschmuggels" bezeichnet. 1998 wurden in den Staaten
entlang der Balkanroute insgesamt 8.112 kg Heroin sichergestellt.
Der Heroinhandel vollzieht sich im Wesentlichen auf drei Ebenen. Der illegale Handel
und Schmuggel von Heroinmengen auf der Balkanroute und in Deutschland wird
durch Angehorige von turkisch/kurdischen GroBfamilien organisiert und kontrolliert.
Den Kern der Organisation bilden verwandtschaftlich miteinander verbundene Mit
glieder, die unterhalb der FOhrungsebene auch mit Angehorigen anderer Nationali
taten zusammenarbeiten. Die mittlere Handelsebene organisiert die fOr den
Schmuggel von Rauschgift notwendige Logistik (u.a. Anlegen von Depots, Anwer
bung von Kurieren, Fertigung von Verstecken, Anmietung von Wohnungen). Erst in
der unteren Hierarchiestufe (Klein- und Zwischen handler) werden verstarkt Nichtan
gehorige der GroBfamilie eingesetzt. Dieser streng hierarchische Aufbau dient den
Sippen zu einer nahezu perfekten Abschottung nach auBen.
Der weltweite MiBbrauch von Heroin ist in den 80er und 90er Jahren, insbesondere
in den asiatischen Uindern aber auch in Westeuropa und in Teilen Afrikas und La
teinamerikas, angestiegen. Osteuropa und die Lander der Gemeinschaft una bhang i
ger Staaten (GUS) erleben einen ahnlichen Trend. Die Gesamtzahl der Heroinkon
sumenten wurde fOr die 90er Jahre auf weltweit etwa 8 Mio. Menschen geschatzt.
Dies entspricht etwa 0,14 % der Weltbevolkerung.
Anbau, Handel und Konsum von Cannabis
Die Hanfpflanze als dem Grundstoff fOr Cannabisprodukte7 wird vorrangig in Marok
ko, Pakistan, Afghanistan, Indien, Nepal, den sOdlichen Staaten der GUS, verschie
denen afrikanischen Staaten, im sogenannten "Goldenen Dreieck" in SOdostasien
(Thailand, Laos, Philippinen), in Amerika (Brasilien, Kolumbien, Mexiko, Jamaica,
USA) und in den Niederlanden kultiviert. Die Hauptproduzenten von Haschisch sind
Marokko, Afghanistan und Pakistan. Nach den zur VerfOgung stehenden Informatio
nen dOrfte Cannabis weltweit auf einer Flache von insgesamt 670.000 bis
1.800.000 ha angebaut werden oder wild wachsen. Geht man von einer mittleren
Anbauflache von 940.000 ha aus, liegt die weltweite Herstellung von Marihuana und
Haschisch bei rund 500.000 t pro Jahr.
6 Die "klassische" Route fOhrt Ober die TOrkei, Bulgarien, das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien und Qsterreich nach Deutschland. Die n6rdliche Route vert~uft Ober verschiedene mittel- und osteurop~ische Staaten oder Ober Weillruiliand und die Ukraine. Die sOdliche Route vert~uft Ober Bulgarien, Griechenland, Makedonien, Albanien und Italien. 7 Cannabisprodukte sind Cannabisharz (Haschisch), Cannabiskraut (Marihuana) und Cannabis61.
46
Der Umfang des illegalen Cannabisanbaus ist aufgrund der groBen Zahl von Anbau
flachen in oft schwer zuganglichen Gebieten sowie dem Fehlen genauer MeBmetho
den nicht exakt zu bestimmen. Hinzu kommt, daB seitens der in den Anbauregionen
zustandigen Behorden Recherchen Ober Anbau und Gesamtproduktion oft vernach
lassigt werden, weil die Bekampfung des Mohnanbaus aufgrund der traditionellen
Nutzung der Cannabispflanze in diesen Landern keine politische Prioritat genieBt.
Entsprechende BekampfungsmaBnahmen werden haufig nur aufgrund auBenpoliti
scher oder wirtschaftlicher Interessen ergriffen.
Die Industrielander, vor allem die Vereinigten Staaten, Australien, Kanada und eine
Reihe von europaischen Landern, stellen ebenfalls betrachtliche Mengen von iIIega
lem Cannabis, in einigen Fallen in Glashauskulturen oder unter Anwendung neuester
Hydrokultur-Technologien, her. Auch in europaischen Staaten erfreut sich der Innen
anbau von Cannabispflanzen wachsender Popularitat. Vor allem die Niederlande
sind Vorreiter beim "Indoor-Anbau" und groBter europaischer Produzent. Deutliche
Zuwachse in diesem Segment sind auch in Albanien zu verzeichnen.
FOr den Schmuggel von Cannabisprodukten nach Europa sind Marokko, Afghani
stan, Pakistan, Kolumbien, Nigeria, Ghana, SOdafrika und die sOdostasiatische Regi
on von groJ1ter Bedeutung. Haschischlieferungen von Marokko, als dem Hauptur
sprungsland fOr das in Europa gehandelte Haschisch, verlaufen auf dem Seeweg
nach Spanien, Portugal oder Frankreich und von dort auf dem Landweg in die Obri
gen Zielstaaten Europas oder auf dem Seeweg direkt zum Bestimmungsort. Ha
schisch aus Afghanistan und Pakistan wird auf dem Seeweg Ober ostafrikanische
Staaten, arabische Hafen und den Suezkanal oder auf dem Landweg per Lkw oder
Bahn Ober Zentralasien nach West- und Osteuropa verbracht.
Hauptherkunftsland fOr in Europa gehandeltes Marihuana ist Kolumbien. Der interna
tional organisierte Schmuggel nach Europa erfolgt fast ausschlieBlich auf dem See
weg in Containern, versteckt in der deklarierten Legalladung. Da weltweit sehr groBe
StOckzahlen von Containern verschifft werden, ist das Entdeckungsrisiko relativ ge
ring.
Cannabis ist in Europa das am meisten konsumierte Rauschgift; zwischen 1 % und
8% der Gesamtbevolkerung und bis zu 20% der Heranwachsenden haben Cannabis
zumindest probiert. Eine Vielzahl von GroBsicherstellungen in verschiedenen euro
paischen Staaten zeugt von einem wachsenden Cannabishandel und -schmuggel
und mithin einer immer hoheren VerfOgbarkeit von Cannabisprodukten fOr Konsu
menten auf dem gesamten Kontinent. Die Organisation des Cannabishandels in Eu
ropa wird von Europaern dominiert. 1m StraBenhandel hingegen treten meist afrikani
sche Tatverdachtige in Erscheinung.
47
Anbau, Handel und Konsum von Kokain
Rund 180.000 ha werden derzeit weltweit mit KokabOschen bepflanzt. Die Hauptan
baugebiete fOr den Kokastrauch liegen in Peru, Kolumbien und Bolivien (38.000 ha).8
Nach zwei Jahrzehnten eines massiven Anstiegs ist der Koka-Anbau seit Beginn der
90er Jahre rOcklaufig. Aktuelle Schatzungen weisen Peru mit 118.000 tim Jahr 1997,
trotz eines starken ROckgangs von 40 % innnerhalb von zwei Jahren, als den immer
noch gror..ten Kokablatterzeuger aus.
Der gror..te Teil des weltweit sichergestellten und nach dem Herkunftsland bestimm
baren Kokains stammt aus Kolumbien. Dort findet die Organisation der Herstellung,
des Transports und des Handels des sOdamerikanischen Kokains mar..geblich statt.
Nach dem ROckzug der kolumbianischen Aufkaufer aus Bolivien Anfang der 90er
Jahre wird das Kokain Oberwiegend in bolivianischen Familienbetrieben hergestellt
und in gror..en Mengen nach Brasilien exportiert.
Der weltweite Handel in die Hauptverbraucherregionen Nordamerikas und Westeu
ropas erfolgt durch Organisationen, die aufgrund ihrer Struktur als Kartelle bezeich
net werden 9. Die bekanntesten kolumbianischen Drogenkartelle waren das Medellin
Kartell und das Cali-Kartell, deren Macht in Kolumbien Dimensionen annahm, die mit
demokratischen Strukturen und staatlichen Mitteln kaum noch zu kontrollieren waren.
Ende der 80er Jahre verursachte das Medellin-Kartell eine Welle von Gewalt gegen
Politiker, Richter, Staatsanwalte, Polizisten und Vertreter der Presse. Hohepunkt des
Terrors war die offizielle Kriegserklarung des Medellin-Kartells und die Ermordung
der Prasidentschaftskandidatin im Jahre 1989.
Das Medellin-Kartell mit dessen ehemaligen AnfOhrer Pablo Escobar galt bis zu Be
ginn der 90er Jahre als gror..tes Kartell mit jahrlichen Gewinnen in Milliardenhohe.
Nach der Ermordung von Escobar wurde das Medellin-Kartell durch das Cali-Kartell
abgelost, das in den Jahren 1995/96 jedoch ebenfalls zum Ziel zahlreicher Verhaf
tungen und Verurteilungen durch kolumbianische und US-amerikanische Strafverfol
gungsorgane, aber auch von Liquidationen durch konkurrierende Gruppen wurde.
Seitdem haben diese beiden Kartelle erheblich an Bedeutung eingebOr..t.
In den Folgejahren hat sich eine Anzahl neuer ZusammenschlOsse entwickelt, deren
Struktur an die grol1er Wirtschaftsunternehmen mit dezentralisiertem Management
und kleineren, weitgehend autonom, eigenverantwortlich und damit flexibel agieren
den Einheiten erinnert. Diese Rauschgiftorganisationen unter der FOhrung der soge
nannten "dritten Generation" zeichnen sich durch gror..ere Diskretion aus, sind
schwer zu infiltrieren und haben sich dem Verfolgungsdruck der Polizei angepar..t.
8 Es gibt Hinweise darauf, daB auch in anderen lateinamerikanischen Uindern, insbesondere in Brasilien, Guyana und Venezuela, kleinere Anbaugebiete existieren. 9 Vgl. SCHUSTER, Leopold, Gewalt und Organisierte Kriminalitilt, 1994:256 ff.
48
Die Gruppierungen der "dritten Generation" schlieBen BOndnisse mit Guerillaorgani
sationen und paramilitarischen Gruppen, sogenannten "Selbstverteidigungsgruppen"
oder der traditionellen FARC (Fuerzas Armadas Revolutionarias Colombianas -
Bewaffnete Kolumbianische Revolutionare Streitkrafte) oder der ELN (Ejercito de
Liberacion Nacional - Nationale Befreiungsarmee), die eine wichtige Rolle im
RauschgiftgescMft einnehmen. Sie fordern nicht nur den Anbau der Pflanzen, son
dern sie kontrollieren auch Produktion und Transport durch die Erhebung einer "Re
volutionssteuer" - ein Beitrag zur Sicherung der geheimen Labors, der Vertriebswe
ge, der Flughafensicherheit auf kleineren Flughafen und der Transporte von Vorstu
fensubstanzen.10
Ein bedeutender Teil der kolumbianischen Kokainproduktion verlaBt den sOdameri
kanischen Kontinent in Richtung USA und Europa Ober Venezuela. Aufgrund der
geographischen Lage zwischen den beiden groBten Kokaproduzenten Peru und Ko
lumbien hat auch Ecuador einen bedeutenden Stellenwert als Transitland fOr Kokai
nexporte.
Innerhalb Europas spielt die Bundesrepublik Deutschland als Transitstaat eine be
sondere Rolle. Dies wird durch die groBen Sicherstellungsmengen auf deutschen
Flughafen, insbesondere dem in Frankfurt/Main, bestatigt. DarOber hinaus sind viel
fach GroBsichersteliungen im Containerschiffverkehr zu verzeichnen. 1998 wurden
etwa drei Viertel des insgesamt in Deutschland sichergestellten Kokains auf Flug
oder Seehillfen sichergestellt. Der illegale Handel und Schmuggel nach und in
Deutschland wird von Staatsangehorigen verschiedener sOdamerikanischer Staaten
dominiert. In den letzten Jahren wurden mehrheitlich kolumbianische Tatverdachtige
ermittelt.
Der KokainmiBbrauch betrifft weltweit schatzungsweise 13 Mio. Menschen. Der MiB
brauch von Kokain ist in Nordamerika und Westeuropa weiter verbreitet als der MiB
brauch von Heroin. Allein in den USA als dem groBten Kokainmarkt betragen die
jahrlichen Ausgaben fOr den illegalen Kokainkonsum rund 30 Milliarden US-Dollar. 1m
Vergleich mit anderen harten Drogen ist Kokainkonsum weniger haufig mit proble
matischen Symptomen verbunden und findet Oberwiegend polizeilich unauffallig statt.
Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, daB ein hohes polizeiliches Dunkelfeld
existiert.
Produktion, Handel und Konsum von synthetischen Orogen
Synthetische Drogen (Amphetamin, Ecstasy, LSD) fOr den europaischen Markt wer
den in Europa, insbesondere in den Niederlanden, hergestellt. Neben den Niederlan
den sind vor allem Polen und die Tschechische Republik als Produzenten von Am-
10 Vgl. INTERPOL, World Cocaine Situation Report 1997.
49
phetamin fOr die europaischen Konsumenten synthetischer Betaubungsmittel von
Bedeutung. Die Amphetaminproduktion in diesen beiden Staaten ist hauptsachlich
fOr die skandinavischen Lander bestimmt. Deutschland fungiert in diesen Fallen nur
als Transitland fOr das Rauschgift. das auf dem Landweg oder Ober die Ostsee in die
Zielstaaten geschmuggelt wird.
Die Produktion von illegalen synthetischen Drogen ist nicht an geographische und
klimatische Voraussetzungen gebunden. sondern wird wesentlich von der VerfOgbar
keit der fOr die Synthese benotigten chemischen Ausgangsstoffe beeinflu~t. Da die
Grundstoffe und Vorlaufersubstanzen in Europa frei gehandelt werden. konnen syn
thetische Betaubungsmittel konsumentennah produziert werden. Dies ermoglicht ho
he Gewinnspannen fOr die Produzenten selbst bei niedrigen Preisen fOr die Konsu
menten. In Deutschland wird der Handel von synthetischen Betaubungsmitteln durch
deutsche Staatsangehorige dominiert. Der Anteil nichtdeutscher Staatsangehoriger
ist im Vergleich zu anderen Rauschgiftarten relativ gering.
Der Konsum amphetaminartiger Aufputschmittel ist in den gOer Jahren starker als
der anderer iIIegaler Drogen gestiegen. Weltweit mi~brauchen rund 30 Millionen
Menschen diese Art synthetischer Drogen. Auch in Europa gehOren Amphetamin und
Ecstasy nach Cannabis zu den am haufigsten mi~brauchten illegalen Drogen. Etwa
16% der jungen Erwachsenen haben Amphetamine zumindest ausprobiert.
Polizeiliche Einschatzung der Situation
Das Phanomen Rauschgiftkriminalitat wird entscheidend von der Tatsache gepragt.
da~ ein illegaler Markt mit einer Angebots- und einer Nachfrageseite existiert. Das
Spektrum der Delikte auf der Angebotsseite reicht vom Anbau und der Herstellung
von Betaubungsmitteln bis hin zum Rauschgiftschmuggel und -handel. Dem gegen
Ober stehen auf der Nachfrageseite der Erwerb und Besitz von Betaubungsmitteln
sowie die Beschaffungs- und Folgekriminalitat im Vordergrund.11
Zweifellos konnten die Strafverfolgungsbehorden bei der Bekampfung von Rausch
giftkriminalitat und Drogenkonsum eine Vielzahl von Einzelerfolgen verbuchen. An
gesichts der aktuellen Rauschgiftsituation in Deutschland und Europa muB jedoch
resumiert werden. daB die bisher verfolgten Bekampfungsansatze und -strategien
nicht zu einem nachhaltigen Erfolg gefOhrt haben. Hohe Sicherstellungsmengen las
sen auf einen unverminderten Zufuhrdruck und eine hohe VerfOgbarkeit illegaler
Drogen in Westeuropa schlie~en. Dies la~t sich u.a. an den fallenden Rauschgift
preisen erkennen. Die Preise fOr Heroin und Kokain sind seit Mitte der BOer Jahre um
11 Die Grenze zwischen Angebols- und Nachfrageseile verlauft auf der unteren Handelsebene allerdings fliellend. da zahlreiche Abhangige als Kleinhandler in Erscheinung Irelen und ihre Suchl mil dem Verkauf illegaler Drogen finanzieren.
50
etwa die Halfte gesunken.12 Die Preisentwicklung bei Cannabisprodukten ist weniger
extrem, aber ebenso rOcklaufig. 13 Die Amphetaminpreise sind seit den ersten polizei
lichen Erhebungen zu Beginn der 90er Jahre (1993: 25.000 DM/kg) ebenfalls deut
lich gesunken (1998: 9.000 DM/kg).
Trotz aller BemOhungen, Einfuhr, Handel und Konsum von illegalen Drogen zu be
kampfen, hat sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem der groP"ten Absatz
markte fOr illegale Betaubungsmittel in Europa entwickelt. Dem zunehmenden Ange
bot steht eine seit Jahren wachsende Nachfrage nach illegalen Drogen gegenOber.
Die Zahl der Erstauffalligen Konsumenten harter Drogen (EKhD) erhohte sich im Jahr
1998 auf 20.943 Personen (+1,7%). 14 Die Entwicklung gestaltet sich bei den einzel
nen Rauschgiftarten jedoch unterschiedlich: Wahrend hohe Zuwachse bei Ampheta
min (+20%) und Kokain (+11 %) registriert wurden, waren die Zahlen der EKhD bei
Heroin (-1%), Ecstasy (-26%) und LSD (-20%) rOcklaufig.
Mit 216.682 Delikten im Jahr 199815 hat sich die Anzahl der Rauschgiftdelikte im
Zeitraum von 10 Jahren (1988: 84.998 Delikte) mehr als verdoppelt.16 Weit Ober die
Halfte aller in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfaP.,ten Faile von Rauschgift
kriminalitat waren sogenannte allgemeine Verstor.,e gegen das Betaubungsmittelge
setz, wie Erwerb und Besitz von Betaubungsmitteln. Dies laP.,t den SchluP., zu, daP.,
sich der polizeiliche Verfolgungsdruck noch immer stark auf die Konsumentenebene
konzentriert. Auch die Zahl der EKhD spricht fOr diese Einschatzung.
Aufgrund der anhaltenden Zunahme des Drogenkonsums und der damit verbunde
nen Probleme fOr Staat und Gesellschaft sowie der Tatsache, dar., der international
organisierte Drogenhandel sowohl die wirtschaftliche Macht als auch den EinfluP., von
kriminellen Organisationen auf die internationale Politik starkt, muP., zu einer veran
derten Schwerpunktsetzung der Strafverfolgungsbehorden fOhren. Die Sicherstel
lung von groP.,en Mengen Rauschgift oder die Verhaftung und Verurteilung einzelner
Mitglieder beeintrachtigen die kriminellen Aktivitaten der in den Rauschgifthandel
involvierten Organisationen kaum. Selbst gror.,e Sicherstellungsmengen konnen in
nerhalb kOrzester Zeit kompensiert und Personen im Verteilernetz der Organisatio
nen reibungslos ersetzt werden. Entscheidend fOr Erfolg oder MiP.,erfolg von Drogen
bekampfungsmaP.,nahmen wird sein, ob es gelingt, Hinterleute und Drahtzieher zu
12 Derzeit liegt der durchschnittliche Preis pro Kilogramm Heroin bei ca. 45.000 DM, ein Kilogramm Kokain ist im Durchschnitl fOr ca. 74.000 DM zu erhalten. 131998 kosteten ein Kilogramm Marihuana oder Haschisch durchschnitllich 5.000 DM. 14 Die Gesamtzahl der regelm;!!Bigen Konsumenten harter Drogen in Deutschland wird auf 250.000 bis 300.000 Personen gesch;!!tzt. 15 Zu den Zahlenangaben im folgenden vgl. BUNDESKRIMINALAMT, Rauschgiftjahresbericht Bundesrepublik Deutschland 1998. 16 Statistische Tendenzen im Bereich der Drogenkriminalit;!!t sind nicht nur von der tats;!!chlichen Kriminalit;!!tsentwicklung bestimmt, sondem auch Ausdruck von Intensiti!t und Erfolg von entsprechen den Bek;!!mpfungsmaBnahmen.
51
identifizieren und die Organisationsstrukturen des internationalen Rauschgifthandels
zu erkennen und zu zerschlagen.
Trotz einer Vielzahl internationaler Kooperationsformen und Zusammenarbeitsinitiati
ven war die Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat in der Vergangenheit zu sehr auf
nationale Problemlagen ausgerichtet. Den Herausforderungen des international or
ganisierten Drogenhandels kann mit nationalen Bekampfungskonzepten allein jedoch
nicht wirksam begegnet werden. Vielmehr ist ein stetiger Ausbau der internationalen
Zusammenarbeit zwischen allen mit der Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat be
fa~ten Strafverfolgungsbehorden notwendig.
II Strategien der Drogenbekampfung
Die Notwendigkeit einer verbesserten, intensiven Zusammenarbeit zwischen allen
mit der Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat befa~ten Institutionen wurde erkannt
und zum Gegenstand von Verhandlungen und Vereinbarungen nicht nur auf natio
naler, sondern auch auf internationaler Ebene gemacht. Denn dem iIIegalen Anbau,
Handel und Konsum von Rauschgift als einem weltweiten Problem kann mit natio
nalen Bekampfungskonzepten allein nicht wirksam begegnet werden. Die Bekamp
fung der weltweiten Drogenproblematik erfordert eine BOndelung der Krafte nicht nur
im Rahmen innerstaatlicher oder europaischer Kooperationen, sondern eine darOber
hinausgehende internationale Zusammenarbeit zwischen den Erzeuger- und den
Konsumregionen illegaler Drogen, um sowohl das Angebot als auch die Nachfrage
nach iIIegalen Drogen zu reduzieren. Diese Einsicht ist unstreitig und keinesfalls neu.
DafOr spricht die Vielzahl der bereits institutionalisierten nationalen und internationa
len, bilateralen und multilateralen Kooperationsrahmen und Bekampfungsstrategien,
die im folgenden in groben ZOgen vorgestellt werden.
Die Vereinten Nationen Die weltweite Zusammenarbeit bei der Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat basiert
im wesentlichen auf politischen Vorgaben in Form von Suchtstoffkonventionen der
Vereinten Nationen (UN). Angestrebt wird eine moglichst umfassende Kontrolle von
Suchtstoffen und ihre Beschrankung auf medizinische und wissenschaftliche Ver
wendungen. Die Vertragsparteien sind die Verpflichtung eingegangen, Ma~nahmen
gegen den Anbau, die Herstellung und den Konsum von Suchtstoffen zu ergreifen.
Die Konventionen enthalten Regelungen zum rechtlichen Instrumentarium der Straf
verfolgungsbehOrden einschlie~lich der Bestimmungen Ober die internationale
Rechtshilfe und die Auslieferung in Rauschgiftangelegenheiten. FOr die Aufgaben
wahrnehmung durch die Polizei ist insbesondere das Obereinkommen gegen den
unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen aus dem Jahr 1988,
52
das u.a. strategische und taktische Bekampfungsansatze und entsprechende MaB
nahmen zu deren Umsetzung vorschreibt.
1m Jahr 1991 wurde das Internationale Drogenkontrollprogramm der UN (United Na
tions International Drug Control Programm = UNDCP) geschaffen, das mit der Koor
dination aller MaBnahmen auf dem Gebiet der Drogenkontrolle beauftragt ist, Trends
in der Drogenherstellung, im Konsum und Handel verfolgt und die DurchfOhrung aller
einschlagigen internationalen Drogenkontrollvertrage fordert. Das Programm dient
als internationale Kontaktstelle fOr den Informations- und Erfahrungsaustausch Ober
Programme zur Bekampfung des DrogenmiBbrauchs und spielt eine wichtige Rolle
bei der Oberwachung weltweiter Entwicklungen auf diesem Gebiet. Auf Wunsch der
Regierungen empfiehlt das Programm geeignete MaBnahmen und leistet Hilfe bei
der Planung und DurchfOhrung nationaler, regionaler und globaler Programme der
technischen Kooperation, mit dem liel, den illegalen Anbau, Produktion, Handel und
MiBbrauch von Suchtstoffen zu verringern. Trotz des erheblichen Finanzvolumens
von etlichen Millionen US-Dollar jahrlich (1998/99: ca. 165 Mio. US$) sind die Erfolge
dieser Initiative nur begrenzt.
1m organisatorischen Rahmen der Vereinten Nationen befal1t sich die Suchtstoff
kommission (Commission of Narcotic Drugs = CND) als zentrales politisches Richtli
nienorgan mit allen Fragen der internationalen Bekampfung des DrogenmiBbrauchs.
Die Kommission analysiert die weltweite Lage des DrogenmiBbrauchs und erstellt
Vorschlage zur Starkung der internationalen Drogenkontrolle. Dieser Kommission
wurde ein polizeilicher lusammenarbeitsmechanismus in Form des Treffens der
Leiter der nationalen Rauschgiftbekampfungsbehorden (Heads of National Law En
forcement Agencies = HONLEA) nachgeordnet. Durch die Arbeit dieses Gremiums
flief1en polizeiliche Erkenntnisse, Anregungen und Forderungen in weltweite drogen
und kriminalpolitische Oberlegungen ein. So wird die Beteiligung der Polizei bereits
auf hoher politi scher Ebene gewahrleistet.
Auf der Tagung der CND im Marz 1999 leitete die UN wichtige Schritte zur Umset
zung verschiedener Aktionsplane ein, die im Juni 1998 von der Sondersitzung der
UN-Vollversammlung (UNGASS) Ober die Drogenbekampfung verabschiedet wur
den. Die Aktionsplane betreffen die internationale lusammenarbeit bei der Vernich
tung iIIegaler Kulturen und der Forderung einer alternativen Entwicklung in den An
baustaaten, Leitlinien fOr die Reduzierung der Drogennachfrage sowie die illegale
Herstellung, den Handel und den MiBbrauch amphetaminhaltiger Aufputschmittel und
ihrer Grundstoffe.
Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (IKPO-Interpol)
lief der IKPO-Interpol ist es, eine moglichst umfassende gegenseitige UnterstOtzung
aller KriminalpolizeibehOrden im Rahmen der in den einzelnen Uiindern geltenden
53
Gesetze und im Geiste der Erklarung der Menschenrechte sicherzustellen und wei
terzuentwickeln. Hierzu sind aile Einrichtungen, die zur VerhOtung und Bekampfung
der Straftaten gemeinen Rechts wirksam beitragen kbnnen, zu schaffen und auszu
bauen.17 Die internationale operative Zusammenarbeit vollzieht sich in mal1gebli
chem Umfang Ober die Geschaftswege der Organisation, die selbst Ober keinerlei
exekutive Befugnisse verfOgt. Interpol hat eine lange und erfolgreiche Geschichte auf
dem Gebiet der Bekampfung der internationalen Rauschgiftkriminalitat.
Die 177 Mitgliedstaaten sind mit moderner Kommunikationstechnik ausgestattet, die
eine direkte Zusammenarbeit weltweit gewahrleistet. Neben dem Generalsekretariat
in Lyon/Frankreich unterhalt die Organisation insgesamt 4 RegionalbOros in Afrika
bzw. SOdamerika und ein Rauschgift-VerbindungsbOro in BangkokIThailand.
1m Interpol-Generalsekretariat sind derzeit 26 Mitarbeiter aus verschiedenen Landern
in der Unterabteilung Rauschgift eingesetzt. Diese Unterabteilung fungiert als Clea
ringstelle fOr Sammlung, Vergleich, Analyse und Weitergabe von Informationen mit
Rauschgift-Bezug. Es werden globale Rauschgiftlagebilder erstellt und internationale
Ermittlungen koordiniert. Sie arbeitet eng mit der ebenfalls im Generalsekreteriat von
Interpol eingerichteten Kriminalitatsanalyseeinheit zusammen. DarOber hinaus wer
den Kontakte zur UN und anderen internationalen und regionalen Organisationen
unterhalten, die mit der Rauschgiftkontrolle befal1t sind.
FOr den Bereich der polizeilichen Rauschgiftbekampfung von besonderer Bedeutung
ist die Zusammenarbeit mit der Unterabteilung Wirtschafts- und Finanzkriminalitat
und deren Spezialeinheit "Abschbpfung illegaler Vermbgenswerte", die fur den Infor
mationsaustausch und die Informationssammlung und -auswertung bei der interna
tionalen Bekampfung der Geldwasche zustandig ist.
1m Generalsekreteriat in Lyon und in den Mitgliedstaaten finden regelmal1ig zahlrei
che internationale, regionale und fallbezogene Arbeitstreffen mit der Zielrichtung
statt, den internationalen Erfahrungsaustausch zu ermbglichen und den Stand der
Umsetzung von Resolutionen der Generalversammlung der Organisation zu beraten.
Drogenbekampfung auf europaischer Ebene
Die Pompidou-Initiative
Ein ursprOnglich europaisch angelegtes Zusammenarbeitsgremium, das heute Ober
den europaischen Rahmen hinausgehend im Verantwortungsbereich des Europara
tes angesiedelt ist, basiert auf der sogenannten "Pompidou-Initiative", die auf eine
Anregung des damaligen franzbsischen Staatsprasidenten Georges Pompidou zu
rOckgeht. Dieses Gremium wurde 1972 durch die fur die Drogenbekampfung zustan-
17 Artikel 2 der Statuten der IKPO-Interpol.
54
digen Minister der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft und Gror..britanniens ins
Leben gerufen. Die Obernahme der Kooperation durch den Europarat im Jahr 1979
bedeutete eine erhebliche Erweiterung des Mitgliederkreises insbesondere um Ver
treter aus den mittel- und osteuropaischen Staaten.
Die Pompidou-Initiative leistet u.a. die Koordination der Zusammenarbeit bei der Be
kampfung des Rauschgiftmir..brauchs und -handels auf den Gebieten des Gesund
heits- und Erziehungswesens, der Repression und der Rechtsangleichung. 1m Rah
men dieser Zusammenarbeit haben sich zahlreiche Arbeits- und Expertengruppen
gebildet. Sie befassen sich beispielsweise mit der RoUe der Medien bei der Behand
lung der Drogenproblematik oder leisten UnterstOtzung bei Fragen der Rechtsent
wicklung. DarOber hinaus werden spezieUe Bekampfungsansatze beispielsweise in
Verbindung mit der Situation auf Gror..flughafen und Seehafen ausgearbeitet und
entsprechende Programme initiiert.
Der Europiiische Drogenbekiimpfungsplan
In dem Bewur..tsein, dar.. Drogenhandel und Drogensucht eine ernste Bedrohung fOr
die GeseUschaft darsteUen, wurde auch im Rahmen der Europaischen Union die
Notwendigkeit gesehen, die BemOhungen zur Losung der Probleme auf ein gemein
sames Ziel auszurichten und an gemeinsamen strategischen Vorgaben zu orientie
reno 1m Jahr 1990 wurde der erste Europaische Drogenbekampfungsplan von der
Kommission "Kampf gegen Orogen" (Commission de la lutte anti drogue = CELAD)
als mar..gebliche Leitlinie fOr den Zeitraum von 1995 bis 1999 vorgelegt und vom Eu
ropaischen Rat beschlossen. Der Plan gliedert sich im wesentlichen in folgende Akti
onsbereiche: Koordinierungsmar..nahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten, die Ein
richtung eines Europaischen DrogenOberwachungszentrums (Drug Monitoring Cen
tre) mit Sitz in Lissabon, Mar..nahmen zur Reduzierung der Nachfrage nach iUegalen
Orogen sowie das Vorgehen zur Verfolgung des iIIegalen Drogenhandels.
Mit dem Inkrafttreten des Vertrages Ober die Europaische Union am 01.11.1993 voU
zog sich eine Veranderung der europaischen Kooperationsstrukturen auf dem Gebiet
der Inneren Sicherheit. Die "Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik" bildet
die dritte Saule der Zusammenarbeit innerhalb der EU.18 Die Institutionalisierung der
Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich von Justiz und Innenressorts in der
dritte Saule schlier..t an die bis dahin im Rahmen von TREVI (Terrorisme! Radicalis
me! Extremisme! Violence! Internationale) geleistete Kooperation zur Bekampfung
des Terrorismus und des international organisierten Rauschgifthandels an. Auf der
Grundlage von Artikel K.4 des Vertrages Ober die Europaische Union wurde die
TREVI-Zusammenarbeit unterhalb der Ebene des Rates der Justiz- und Innenmini-
18 Die erste Saule bildet die "Europaische Gemeinschaft" (Wirtschafts- und Wahrungsunion, Binnenmarkt u.a.), die zweite Saule bildet die "Gemeinsame Aul1en- und Sicherheitspolitik".
55
ster unter dem KoordinierungsausschuB eingegliedert. Seit dem Inkrafttreten des
Amsterdamer Vertrages zum 01. Mai 1999 ist der KoordinierungsausschuB K.4 in
Art. 36-AusschuB umbenannt. Dort finden nicht nur die wesentlichen Abstimmungs
prozesse im Rahmen der Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie zur Bekampfung
der Rauschgiftkriminalitat statt, sondern es werden auch Fragen en5rtert, die sich auf
die gesamte Drogenpolitik der Mitgliedstaaten beziehen.
Dem Art. 36-AusschuB sind drei Saulen nachgeordnet: Innerhalb der dritten Saule
wurde eine Arbeitsgruppe "lIlegaler Drogenhandel" angesiedelt. Neben dieser aus
schlieBlich fOr die repressive Seite der Drogenbekampfung zustandigen Arbeitsgrup
pe existieren auch in der ersten (AG "Gesundheitsfragen") und zweiten Saule (AG
"CODRO") Arbeitsgruppen, die mit Fragen der Drogenproblematik beschaftigt sind.
Zur saulenObergreifenden Koordinierung der in den verschiedenen Arbeitsgruppen
entwickelten Aktivitaten und ggf. zur Einleitung, DurchfOhrung und Oberwachung von
MaBnahmen zur Bekampfung des Drogenhandels und -miBbrauchs wurde die "Hori
zontale Gruppe Drogen" (HDG) eingerichtet. Schwerpunkt der Aktivitaten liegt derzeit
auf der PrOfung der Hauptkomponenten einer EU-Drogenstrategie fOr die Zeit nach
1999.
Der zur Zeit laufende, erste Aktionsplan der Europaischen Union zur Drogenbe
kampfung fOr den Zeitraum von 1995 bis 1999 unterstreicht die Notwendigkeit eines
umfassenden, interdisziplinar ausgerichteten Vorgehens. Seine Hauptziele sind die
Reduzierung der Drogennachfrage durch Erziehungs-, Forschungs- und Ausbil
dungsmaBnahmen, die Verringerung des Drogenangebotes durch die Kontrolle der
Abzweigung von Grundstoffen und geeignete MaBnahmen zur Bekampfung des iIIe
galen Drogenhandels. Weitere Ziele sind die Pravention, die Bekampfung der Geld
wasche, die wirksame Zusammenarbeit von Polizei, Zoll und Justiz und die interna
tiona Ie Zusammenarbeit mit Drittlandern zur Koordinierung von MaBnahmen der
Drogenbekampfung.
1m Mai 1999 hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten einen Aktionsplan fOr die
Jahre 2000 bis 2004 vorgelegt. Er ist als Rahmendokument zu werten, das Richtlini
en fOr die Reduzierung der Drogennachfrage durch die Forderung von Bildungs- und
Forschungsprojekten einerseits und das Angebot durch die Bekampfung der Organi
sierten Kriminalitat und des Drogenschmuggels andererseits vorgibt. Grundlage des
weiteren Vorgehens ist der erste, derzeit noch laufende Aktionsplan. Ein neuer
Schwerpunkt des Aktionsprogramms fOr die Zeit nach 1999 ist die Bewertung der
Erfahrungen mit getroffenen MaBnahmen und die Ermittlung bewahrter Konzepte.
Auf der Grundlage gemeinschaftsweit vergleichbarer Datenerhebungs- und Umfra
gemethoden soli spatestens im Jahr 2004 bewertet werden, ob eine deutliche Redu
zierung des iIIegalen Drogenkonsums bei den unter 18jahrigen und der Zahl der
Drogentoten erreicht werden konnte.
56
Um ein umfassendes, integriertes Drogenbekampfungskonzept auf Unionsebene
effizient umsetzen zu konnen, mOssen auf verschiedenen Ebenen Mar1nahmen ge
troffen und Kooperationen unterschiedlichster Art mit den Ziellandern und - regionen
eingegangen, sowie konkrete Programme entwickelt werden. Beispielhaft sind fol
gende Programme zu nennen: Das PHARE-Programm umfar1t Ausbildungsmar1-
nahmen und die Entsendung von Beratern mit dem Ziel, den Aufbau der Polizeien in
den Staaten Mittel- und Osteuropas durch finanzielle und technische UnterstOtzung
voranzutreiben. 1m Vordergrund steht dabei die Angleichung der Rechtsvorschriften
und Mar1nahmen sowie der Aufbau der Verwaltungsstrukturen. Seit 1996 werden
Finanzmittel der Europaischen Union fOr Vorhaben im Rahmen von TACIS (Techni
cal Assistant Common Independant States) zur VerfOgung gestellt. Diese sind auf die
Unterstiitzung der wirtschaftlichen Umgestaltung unter Herausbildung demokrati
scher Strukturen in den GUS-Staaten ausgerichtet. Das auf den Zeitraum von 1996 bis 2000 begrenzte Austauschprogramm fOr Rechtsberufe GROTIUS mit einem Fi
nanzvolumen von 8,8 Mio. ECU hat das Ziel, die gegenseitige Kenntnis der Rechts
ordnungen und der Rechtspfiege zu verbessern. Schlier1lich ist hier das im Jahr 1998 von der Europaischen Union aufgelegte Programm FALCONE zu nennen, das der
Forderung koordinierter Initiativen zur Bekampfung der Organisierten Kriminalitat
dient. Die Laufzeit dieses Programms ist bis zum Jahr 2002 mit einem Haushaltsvo
lumen von insgesamt 10 Mio. ECU geplant.
Daneben sucht die EU den Dialog zur Erorterung der Drogenproblematik mit unter
schiedlichen Zielregionen. So will die EU den Dialog mit den nordafrikanischen Lan
dern und den Landern des Nahen Ostens im Rahmen des Programms EUROMED
intensivieren und die Zusammenarbeit mit den Landern der SADC-Region (sOdli
ches Afrika) verstarken. 1m asiatischen Raum werden im Rahmen der ASEM
Zusammenarbeit Austausch- und Schulungsprogramme fOr Zollbeamte vorbereitet.
In der lateinamerikanischen Region wird die EU den Dialog mit den Landern des
Andenpaktes (Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru, Venezuela) intensivieren und hat
mit diesen Landern einen Aktionsplan zur Verbesserung der Drogenbekampfungs
mechanismen entwickelt.
In Erganzung zu diesen EU-Programmen wurden zur Koordinierung von Mar1nah
men der Bekampfung der grenzOberschreitenden Kriminalitat, insbesondere des
RG-Handels, von den USA die Southeast European Cooperative Initiative (SECI)
initiiert. Angesichts der Vielzahl der bestehenden Kooperationsformen nimmt
Deutschland hier lediglich einen Beobachterstatus ein.
Ein weiteres wichtiges Forum fOr die Erorterung von Drogenfragen ist die Dublin
Gruppe, die den wichtigsten Industrienationen der Welt Gelegenheit zu informellen
Kontakten bietet. Dieser Gruppe gehoren die Mitgliedstaaten der EU sowie Australi
en, Norwegen, Kanada, Japan und die USA an. An den zweimal jahrlich stattfinden-
57
den Treffen nehmen auch Vertreter des Drogenbekampfungsprogramms der Ver
einten Nationen (UNDCP) teil. Ais Diskussiongrundlage dienen regionale Berichte,
in denen die von den sogenannten "Dublin-Mini-Gruppen" erarbeiteten nationalen
Berichten zusammengefOhrt werden.
Aufgrund einer deutschen Initiative wurde die standige Arbeitsgruppe Rauschgift
(StAR) eingerichtet, an der die Leiter der Rauschgiftdienststellen der Landeskrimi
nalamter, der Zoll, Vertreter der deutschen Anrainerstaaten, der IKPO und Europol
sowie das Bundeskriminalamt teilnehmen. Die StAR versteht sich vor allem als Bin
deglied zwischen den Leitern der nationalen Rauschgiftdienststellen und den Leitern
der Rauschgiftdienststellen der deutschen Anrainerstaaten. Ihre Hauptaufgaben sind
die Beobachtung und Bewertung von EU-spezifischen Rechtsvorschriften, Konven
tionen und kriminalpolitischen Entscheidungen. Auf den zweimal jahrlich stattfinden
den Tagungen sollen neben dieser Aufgabe aber auch polizeipraktischen Belangen
Rechnung getragen werden.
Neben diesen Programmen und Diskussionsforen erscheinen im europaischen
Rahmen zwei Aus- und Fortbildungseinrichtungen erwahnenswert. In der in Wien
ansassigen Mitteleuropaischen Polizeiakademie (MEPA) und in der in Budapest be
findlichen International Law Enforcement Academy (ILEA) erfolgen auch Aus- und
Fortbildungsmaf1nahmen zur Verbesserung der Drogenbekampfung. Wahrend die
MEPA starker EU-zentriert ist, richtet sich die ILEA vor allem an amerikanischen
Verhaltnissen aus und wird auch von den USA finanziert. Deutschland sowie andere
europaische Polizeien entsenden zum Teil auf Einladung Referenten an die ILEA.
Europol
Die im Vertrag Ober die Europaische Union vom 07.02.1992 (Maastrichter Vertrag)
institutionalisierte Zusammenarbeit der EU-Staaten im Bereich Justiz und Inneres
fand ihren Niederschlag unter anderem im Aufbau eines Europaischen Polizeiamtes
(Europol).
Das fOr die Einrichtung von Europol als polizeiliche Zentralstelle in der EU erforderli
che volkerrechtliche Obereinkommen trat am 01.10.1998 in Kraft.
Um jedoch bereits vor Abschluf1 der langwierigen Arbeiten zu diesem Obereinkom
men mit der Bekampfung besonderer Formen der Organisierten Kriminalitat begin
nen zu konnen, beschlossen die Justiz- und Innenminister der EU mit Wirkung vom
03.01.1994 die Einrichtung der Europol Drogenstelle (EDU) als Vorlauferorganisation
von Europol.
Ziel dieser Kooperationsform ist die Verbesserung der Leistungsfahigkeit der zustan
digen nationalen BehOrden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die VerhOtung und
Bekampfung des illegal en Drogenhandels, des illegalen Handels mit radioaktiven
58
und nuklearen Substanzen, der Schleuserkriminalitat, der Kraftfahrzeugverschie
bung, des Menschenhandels sowie der damit im Zusammenhang stehenden Geld
waschehandlungen und kriminellen Organisationen.
Am 01.07.1999 nahm Europol offiziell seine Tatigkeit auf und die bisherigen Zustan
digkeiten der EDU gingen auf Europol Ober. DarOber hinaus wurde das Europol
Mandat um die Bekampfung des Terrorismus und der Falschgeldkriminalitat ein
schliel1lich unbarer Zahlungsmittel erweitert.
Hauptaufgabe von Europol ist die Unterstiitzung nationaler Ermittlungsverfahren
durch den Austausch von Informationen Ober die bei Europol stationierten nationalen
Verbindungsbeamten (Europol Liaison Officers = ELOs), die Erstellung von Krimina
litatsanalysen sowie die Koordination grenzOberschreitender operativer Mal1nahmen.
DarOber hinaus soli Europol den nationalen Regierungen und Strafverfolgungsbe
horden Entscheidungshilfen fOr Mal1nahmen im Bereich der Strafverfolgung liefern.
Souveranitatsvorbehalte einzelner EU-Mitgliedstaaten verhinderten, dal1 Europol mit
Exekutivbefugnissen ausgestattet wurde. Der am 01.05.1999 in Kraft getretene "Am
sterdamer Vertrag", der die Maastrichter Vereinbarungen reformiert, sieht jedoch ei
ne Erweiterung der Kompetenzen von Europol vor.
Danach soli Europol innerhalb der nachsten fOnf Jahre, unter anderem durch die
Vorbereitung spezifischer Ermittlungsmal1nahmen, die Bildung gemeinsamer Ermitt
lungsteams und die Initiierung von Ermittlungsverfahren wirksam zur Bekampfung
der Organisierten Kriminalitat beitragen.
Schengen
Beim Schmuggel von Rauschgift stellt die Notwendigkeit der Oberwindung von Lan
desgrenzen ein Hauptproblem fOr die Tater dar. Aufgrund von Warenkontrollen erfol
gen Festnahmen und Sicherstellungen sehr haufig im Zusammenhang mit Grenz
Obertritten innerhalb der Europaischen Gemeinschaft. Nachdem zum 01.01.1993 der
Europaische Binnenmarkt verwirklicht und die Warenkontrollen an den Grenzen zwi
schen den Mitgliedstaaten abgeschafft wurden, kommt dem Bereich der EU
Aul1engrenzen eine besondere Bedeutung zu. FOr den Bereich der grenzOber
schreitenden Rauschgiftkriminalitat sieht das Schengener DurchfOhrungsOberein
kommen Ausgleichsmal1nahmen vor, um an allen EU-Drittlandsgrenzen effiziente
Kontrollen und Verfahren insbesondere zur Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat
sicherzustellen.
Auf der Ebene der Schengen-Mitgliedstaaten ist eine Arbeitsgruppe "Betaubungs
mittel" mit dem Auftrag installiert worden, Problemstellungen auf dem Gebiet der
Rauschgiftkriminalitat zu behandeln und Vorschlage zur Verbesserung der Zusam-
59
menarbeit der in diesen Staaten zustandigen Stellen zu unterbreiten.19 lur Errei
chung dieses liels wurden durch die Arbeitsgruppe u.a. ein Leitfaden Ober nationale
lustandigkeiten und Bestimmungen in Fallen der internationalen Rechtshilfe und
Bilanzen Ober durchgefOhrte Mar..nahmen zur Verhinderung der iIIegalen Ein- und
Ausfuhr von Rauschgift an den Aur..engrenzen des Schengen-Raumes sowie zur
Bekampfung des "Drogentourismus" erstellt.
Seit der Einrichtung der lusammenarbeitsgremien auf der Ebene der Europaischen
Union, insbesondere seit der Installierung des Koordinierungsausschusses KA mit
seinen Arbeitsgruppen hauften sich die Themenstellungen, zu denen gleichgelagerte
Initiativen sowohl aus der Arbeitsgruppe "Betaubungsmittel" im Rahmen des Schen
gener DurchfOhrungsObereinkommens als auch der damals eingerichteten Arbeits
gruppe "Drogen und Organisierte Kriminalitaf' hervorgingen. Nach der erfolgten
OberfOhrung des Schengener Besitzstands in den Rahmen der EU werden diese
Aufgaben nun von der neu eingerichteten gemeinsamen Arbeitsgruppe "lIIegaler
Drogenhandel" wahrgenommen.
Nationale Strategien der Drogenbekampfung
Nationaler Rauschgiftbekampfungsplan
1m Dezember 1989 beschlossen die Regierungschefs von Bund und Landern, vor
dem Hintergrund der sich national wie international verscharfenden Entwicklungen
im Rauschgiftbereich, einen nationalen Bekampfungsplan zu entwickeln, welcher der
Suchtvorbeugung einen besonderen Stellenwert einraumt. Dieser wurde in einer na
tionalen Drogenkonferenz im Juni 1990 verabschiedet. An der Erarbeitung des Na
tionalen Rauschgiftbekampfungsplanes waren verschiedene staatliche Institutionen
sowie wichtige gesellschaftliche Organisationen und Gruppen beteiligt. Dadurch wur
de zum Ausdruck gebracht, dar.. staatliche Institutionen allein das Rauschgiftproblem
nicht bewaltigen konnen, sondern die Mar..nahmen zur Losung des nationalen Dro
genproblems vielmehr als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden mur...
Neben den dichotomen GrundzOgen der Drogenpolitik, welche die international or
ganisierte Angebotseite einerseits und das individuelle Suchtverhalten der Drogen
konsumenten andererseits gegenOberstellt, wurden konkrete Mar..nahmen zur Ver
ringerung der Rauschgiftnachfrage und des Rauschgiftangebotes sowie gesetzgebe
rische Mar..nahmen festgelegt. Der Plan hat im wesentlichen das liel, "aile fOr die
Rauschgiftbekampfung verfOgbaren Krafte zusammenzufassen, auf gemeinsam
19 Die mit der Aufgabenwahrnehmung in dieser Arbeitsgruppe betraute deutsche Delegation setzt sich aus Beamten der zustandigen Ministerien und Vertretern des Bundeskriminalamtes, des Zollkriminalamtes, eines landervertreters sowie der Grenzschutzdirektion zusammen.
60
festgelegte liele auszurichten und zusatzliche Ressourcen zur Rauschgiftbekamp
fung zu erschlief1en".20
Oberstes liel der Drogenpolitik muf1 es nach dem Nationalen Rauschgiftbekamp
fungsplan sein, "national und international aile Voraussetzungen zu schaffen, um ein
Leben ohne Drogen zu fOhren". Aus diesem gemeinsamen Oberziel leiten sich die
weiteren lielsetzungen der Drogenpolitik abo lum einen soli die Nachfrage nach
Drogen durch verbesserte Aufklarung und Pravention vermindert, vorhandene Hilts
angebote sollen ausgebaut und verbessert, neue Ansatze gefordert und generell der
Schaden minimiert werden. Bei Drogenabhangigen ist der Grundsatz "Hilfe vor Stra
fe" in den Vordergrund zu stellen. lum anderen soli der Handel mit iIIegalen Drogen
verstarkt bekampft werden. lusammenfassend wurden seitens des BMG auf einer
Konferenz der Horizontalen Gruppe "Orogen" am 07.07.1999 In BrOssel Pravention,
Aufklarung, Schadenminimierung und Repression als die vier Saulen der Drogenbe
kampfung postuliert.
Ausgehend von diesen Leitlinien mOssen aile praventiven Maf1nahmen auf eine .,to
tale Abstinenz im Hinblick auf iIIegale Orogen, einen selbstkontrollierten Umgang mit
legalen Suchtmitteln mit dem liel weitgehender Abstinenz und auf einen bestim
mungsgemaf1en Gebrauch von Medikamenten" hinwirken.
Die Polizei gehort nicht zu den vorrangigen Tragern der Drogenpravention, kann
aber einen Beitrag zur Primarpravention des Drogenmif1brauchs leisten. Bei der Be
kampfung der Rauschgiftkriminalitat hat die Polizei vorwiegend repressive Aufgaben
zu ertOlien. "Schwerpunkt der nationalen Rauschgiftbekampfung durch Polizei und
Justiz mOssen die Verringerung der Rauschgiftproduktion, die moglichst umfangrei
che Sicherstellung von Rauschgift, die lerschlagung von Handlerorganisationen, das
Ermitteln und Abschopfen von Verbrechensgewinnen und die Erschwerung des lu
gangs zu Rauschgiften sein". Einen wichtigen Ansatzpunkt bildet dabei die Bekamp
fung der Rauschgift-Handelsorganisationen. Daneben dart aber auch die Bekamp
fung des gewerbsmaBigen Straf1en- und Kleinhandels sowie die Erschwerung des
Erwerbs von Rauschgiften zum Eigenverbrauch nicht vernachlassigt werden, weil
auch sie Ursache des Rauschgiftproblems und der damit einhergehenden Beschaf
fungs- sowie der Folge- und Begleitkriminalitat sind. Insofern ist ein Gesamtstrategie
zur Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat erforderlich, welche neben praventiven
Maf1nahmen die verschiedenen Ebenen des Rauschgifthandels berOcksichtigt.
20 Vgl. auch im folgenden DER BUNDESMINISTER FOR JUGEND, FAMILlE, FRAUEN UNO GESUNDHEIT (BMG)
UNO DER BUNDESMINISTER DES INNERN (BMI), Nationaler Rauschgiftbekampfungsplan, Bonn 1990.
61
Bilaterale OK-Vertrage
Die wirtschaftliche und politische Offnung nach Osten hat den Druck von organisier
ter Kriminalitat aus den Staaten Mittel- und Osteuropas auf den westeuropaischen
Raum verstarkt. Strukturen Organisierter Kriminalitat sind u.a. im Bereich des Hero
inschmuggels festzustellen. Seit dem Zerfall der Sowjetunion und der wirtschaftlichen
Offnung der MOE-Staaten verlaufen die nordlichen Auslaufer der "Balkanroute" 21,
als der Hauptschlagader des Heroinschmuggels aus dem Gebiet des "Goldenen
Halbmondes" Ober die TOrkei nach Europa, nun auch Ober Transitlander wie Ruma
nien, Ungarn, Polen oder die Siowakische und die Tschechische Republik. DarOber
hinaus treten insbesondere die Tschechische Republik und Polen vermehrt als Her
stellungslander synthetischer Betaubungsmittel in Erscheinung. Die Bekampfung des
illegalen Handels und Schmuggel mit Rauschgift kann daher nur in enger Zusam
menarbeit mit diesen Staaten erfolgen.
Bilaterale Regierungsabkommen sind derzeit wesentliche Grundlage der Zusam
menarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas zur Bekampfung der Organisierten
und der Rauschgiftkriminalitat, des Terrorismus und anderer Straftaten von erhebli
cher Bedeutung. Sie regeln vor allem den direkten polizeilichen Informationsaus
tausch sowie die Zusammenarbeit bei konkreten Ermittlungen. Bilaterale Abkommen
bestehen mit Ungarn, Tschechien, Siowakei, Polen, Bulgarien, Estland, Ukraine,
Lettland, Belarus, Kasachstan, Usbekistan, Rumanien, Kirgisistan und der Russi
schen Foderation 22
Die Mitgliedschaft dieser Staaten bei Europol und in der Schengen-Kooperation
setzt formal ihren Beitritt zur Europaischen Union voraus, was allerdings noch einige
Zeit in Anspruch nehmen wird. Daher mu!1 in Form von Zwischenlosungen
schnellstmoglich ein Weg gefunden werden, der den MOE-Staaten sowohl eine Mit
wirkung an der Informations- und Analysetatigkeit von Europol durch Einbringen ih
rer Erkenntnisse und Teilhabe an den Arbeitsergebnissen ermoglicht, als auch ihre
Teilnahme am Fahndungsverbund sicherstellt. 1m Vordergrund einer weiteren Inten
sivierung der Zusammenarbeit steht daher die HeranfOhrung der mittel- und osteu
ropaischen EU-Beitrittskanditaten an die Europol- und Schengen-Kooperation.
Vorverlagerungsstrategie
Der Vorverlagerungsstrategie liegt die Idee zugrunde, die Rauschgiftkriminalitat nicht
erst im Inland oder in Westeuropa, sondern bereits in den Anbau-, Herstellungs- oder
Transitlandern zu bekampfen. Diese Strategie besteht im wesentlichen aus drei
Faktoren, der Ausstattungs-und der Ausbildungshilfe sowie einem Netz von Verbin
dungsbeamten.
21 Vgl. hierzu FuBnote 2. 22 Vgl. hierzu: Regierungsabkommen mit der Russischen FOderation.
62
Die Ausstattungshilfe ist ein Unterstotzungsprogramm der Bundesregierung zur Stei
gerung der Leistungsfahigkeit auslandischer Polizeien bei der Kriminalitatsbekamp
fung und der Grenzsicherung sowie zur Forderung von Rechtstaatlichkeit und Demo
kratie. 1m Rahmen der Ausstattungshilfe wurden im Zeitraum von 1995 bis 1998 Ein
satzmittel fOr insgesamt 73,4 Millionen OM fOr die zu einem gror..en Teil zur Dritten
Welt zahlenden Herkunfts- und Transitlander zur Verfugung gestellt. In vie len Fallen
werden gleichzeitig Experten zur Beschulung der auslandischen Polizeien in der An
wendung und Wartung dieser Einsatzmittel entsandt. Die Ausstattung dient in erster
Linie der Verbesserung der Kommunikation und Mobilitat. Ein weiterer Schwerpunkt
sind Laboreinrichtungen, die fOr kriminaltechnische Analysezwecke benotigt werden.
Die Aus- und Fortbildungshilfe umfar..t Ausbildungs-, Austausch- und Kooperations
programme fOr auslandische Polizeibeamte, die in Form von Stipendiatenausbildun
gen, Hospitationen oder von Lehrgangen vor Ort durchgefuhrt werden. Neben der
Vermittlung von kriminalistischem Basiswissen sind diese Aus- und Fortbildungs
mar..nahmen darauf ausgerichtet, den Teilnehmern die Grundlagen und die tatsachli
che Ausubung polizeilicher Befugnisse als dem Bestandteil eines rechtsstaatlichen
Gefuges naherzubringen. Der dritte wichtige Faktor der Vorverlagerungsstrategie ist
das weltweite Netz von Verbindungsbeamten zur Bekampfung der Organisierten und
der Rauschgiftkriminalitat. Diese Beamten, die durch das Bundeskriminalamt im
Rahmen seiner internationalen Aufgabenstellung entsandt werden, haben den Auf
trag, Informationen in Angelegenheiten der Bekampfung der Organisierten und
Rauschgiftkriminalitat zu gewinnen und auszutauschen. Dies soli zum einen die Be
arbeitung von deutschen Ermittlungsverfahren und die AusfOhrung internationaler
Rechtshilfeersuchen erleichtern und unterstutzen, und zum anderen Unterstutzung
bei Ermittlungsverfahren mit Deutschlandbezug von Behorden der Gastlander ge
wahren. Ebenso entsenden auch andere Staaten Verbindungsbeamte nach
Deutschland, die ihren Dienst uberwiegend im Bundeskriminalamt verrichten.
Derzeit sind 48 Verbindungsbeamte des Bundeskriminalamtes al'" 35 Standorte in 32
Landern entsandt. Unterstotzend hierzu verfugen sowohl der Zoll als auch der Bun
desgrenzschutz uber eigene Verbindungsbeamtenkonzepte, die in den nachsten
Jahren weiter ausgebaut werden.
Die Vorverlagerungsstrategie und insbesondere die Entsendung von Verbindungs
beamten in die Rauschgiftherkunfts- und -transitlander haben die internationale Zu
sammenarbeit entscheidend verbessert. Das steigende Zusammenarbeitsbedurfnis
der StrafverfolgungsbehOrden im In- und Ausland und die positiven Erfahrungen mit
dem Verbindungsbeamtensystem lassen keinen Zweifel daran, dar.. dieses kriminal
strategische Bekampfungsinstrument auch in Zukunft weiter ausgebaut wird.
63
III Operative Zusammenarbeit in der Drogenbekampfung
Quadrilaterale Arbeitsgruppe
Die Quadrilaterale Arbeitsgruppe, an der neben dem Bundeskriminalamt Vertreter
der italienischen, spanischen und franzosischen Strafverfolgungsbehorden teilneh
men, dient dem Informations- und Erkenntnisaustausch zu Personen, die der russi
schen OK zuzurechnen sind und sich in den beteiligten Staaten aufhalten. Sie wurde
im Rahmen einer konstituierenden Arbeitssitzung im Januar 1999 im Bundeskrimi
nalamt ins Leben gerufen.
Geplant ist, Erkenntnisse Ober Aufenthaltsorte, Verhaltensweisen, Umfeld und Be
ziehungen der russischen Organisierten Kriminalitat sowie Informationen Ober Er
mittlungs- und Strafverfahren auszutauschen, um ErmittlungsmaBnahmen internatio
nal koordinieren zu konnen. In den Teilnehmerlandern vorliegende Personen- und
Sacherkenntnisse Ober das verdachterregende Investitionsverhalten von Mitgliedern
krimineller Organisationen aus den MOE-Staaten in der Mittelmeerregion werden
analysiert. Hierbei sind auch andere konkrete Straftaten, wie der illegale Handel und
Schmuggel von Rauschgift, einzubeziehen.
Arbeitsgemeinschaft fur polizeiliche Zusammenarbeit in Mittel- und Osteuropa
(AG PoIMOE)
Die AG PolMOE ist ein multilaterales Dialog- und Koordinierungsgremium auf der
Ebene der Polizeichefs der teilnehmenden Staaten (Mitgliedstaaten: Bulgarien, Est
land, Lettland, Litauen, Csterreich, Polen, Rumanien, Siowakische Republik, Tsche
chische Republik, Ukraine, Ungarn, Deutschland). liel ist die Verbesserung der
grenzOberschreitenden polizeilichen lusammenarbeit und der Ausbau der multi late
ralen Kooperation mit den Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE) zur Beschleuni
gung des Integrationsprozesses der MOE-Staaten in die dritte Saule der Europai
schen Union23. Die AG PolMOE wurde in Umsetzung eines Beschlusses der Innen
ministerkonferenz bei einem konstituierenden Treffen im Dezember 1996 ins Leben
gerufen und kommt seither halbjahrlich zusammen.
Visby-Kooperation
Die Regierungschefs von Danemark, Deutschland, Estland, Finnland, Island, Lett
land, Litauen, Norwegen, Polen, der Russische Foderation und von Schweden be
schlossen anlaBlich der Sitzung des Ostseerates im Mai 1996 die Einrichtung einer
Task Force zur Verbesserung der lusammenarbeit der Ostseeanrainerstaaten bei
23 Die sag. dritle Saule der EU nach dem Vertrag von Maastricht ist die Zusammenarbeit in der Innen-und Rechtspolitik. Erste Saule ist die Europaische Gemeinschaft (Wirlschafts- und Wahrungsunion). zweite Saule ist die Gemeinsame Au~n- und Sicherheitspolitik (GASP).
64
der Bekampfung der Organisierten Kriminalitat (Task-Force on Organized Crime in
the Baltic Sea Region).
Diese nach dem Veranstaltungsort des Gipfeltreffens in Visby/Schweden benannte
"Visby-Kooperation" hat zum Ziel, die Stabilitat und die Sicherheit der BOrger im Ost
seeraum, u. a. durch die Verstarkung der Zusammenarbeit von Polizei, Grenzschutz,
Zoll, Einwanderungsbeherden und KOstenwache bei der Bekampfung der Organi
sierten Kriminalitat zu ferdern. Hauptbetatigungsfelder der Task Force sind die De
liktsbereiche Rauschgiftkriminalitat, Kfz-Kriminalitat, Illegale Migration und Geld
wasche, in denen gemeinsame Kontrollmal1nahmen durchgefOhrt werden. 1m Zu
sammenhang mit der gemeinsamen Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat wurden
konkrete Vorschlage zur Verbesserung der operativen Zusammenarbeit im Bereich
der Herstellung und des iIIegalen Handels von Amphetaminen und anderer syntheti
schen Drogen gemacht.
Regierungsabkommen mit der Russischen Foderation
1m Mai 1999 wurde das Abkommen zwischen den Regierungen der Bundesrepublik
Deutschland und der Russischen Federation Ober die Zusammenarbeit bei der Be
kampfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung unterzeichnet. Mit Hilfe dieser
Vereinbarung soli die Kooperation bei der Bekampfung von Schleuserkriminalitat und
Menschenhandel, Geldwasche, illegalem Waffenhandel, Kfz-Diebstahl sowie Wirt
schaftskriminalitat und illegalem Technologietransfer intensiviert werden.
Zudem wurde vereinbart, bei der Bekampfung organisierter krimineller Strukturen
des illegalen Rauschgifthandels zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zwecke sollen
gemeinsame Mal1nahmen zur Bekampfung der illegalen Herstellung und des iIIega
len Handels mit Rauschgift durchgefOhrt werden. Daneben ist geplant, Erfahrungen
Ober die Oberwachung des Handels von chemischen Grundstoffen, die zur Herstel
lung von Rauschgift verwendet werden (Monitoring), auszutauschen und Mal1nah
men zur Verhinderung illegaler Abzweigungen zu ergreifen.
IV Nationale Zustiindigkeiten und Kooperationsformen
Arbeitsgemeinschaft der Leiter der LandeskriminaUimter und des Bundeskri
minalamtes (AG Kripo)
In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Polizeihoheit gemal1 der Artikel 30, 73
Nr. 10 und 87 Grundgesetz prinzipiell bei den Landern. Neben den Landern sind
auch das Bundeskriminalamt, der Bundesgrenzschutz, der Zoll und der Bundesnach
richtendienst mit speziellen Zustandigkeiten und Befugnissen bei der Bekampfung
der Rauschgiftkriminalitat ausgestattet. Dies macht eine Vielzahl von Zusammenar-
65
beitsmechanismen notwendig, urn die unterschiedlichen strategischen und operati
ven Ma~nahmen aufeinander abzustimmen.
Die institutionalisierte Zusammenarbeit von Bund und Landern erfolgt in der Arbeits
gemeinschaft der Leiter der Landeskriminalamter und des Bundeskriminalamtes (AG
Kripo). In diesem Gremium werden u.a. konzeptionelle und operative Fragen der
Kriminalitatsbekampfung behandelt und abgestimmt. Der Notwendigkeit, die Ma~
nahmen zur Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat zwischen den Landeskriminal
amtern, den Rauschgiftdienststellen ihres jeweiligen Zustandigkeitsbereichs und dem
Bundeskriminalamt zu koordinieren, wurde zunachst mit dem Beschlu~ der AG Kri
po, die Kommission Rauschgift (KRG) zu grunden, Rechnung getragen. Seit dem
Fruhjahr 1999 werden deren Aufgaben innerhalb der Kommission Organisierte Kri
minalitat (KOK) wahrgenommen. Bei den Sitzungen dieses Gremiums haben Ver
treter des Bundesgrenzschutzes und des Zolls Gaststatus. Beschlusse und Empfeh
lungen finden uber die AG Kripo Eingang in die Diskussion und Entscheidungsfin
dung bei kriminalpolitischen und kriminalstrategischen Fragestellungen auf der Ebe
ne des Arbeitskreises der Innenminister und - senatoren der Lander und des Bun
desministers des Innern (AK II).
Bundesgrenzschutz
Zur Bekampfung der grenzuberschreitenden Rauschgiftkriminalitat fahndet der Bun
desgrenzschutz im Rahmen der Oberwachung der Grenzen des Bundesgebietes und
der Kontrolle des Personenverkehrs nach illegalen Betaubungsmitteln. Zur DurchfOh
rung oftener und verdeckter Fahndungsma~nahmen wurden in den Verbrechensbe
kampfungsinspektionen des Bundesgrenzschutzes "Mobile Fahndungseinheiten
(MFE)" eingerichtet, die an erkannten Brennpunkten flexibel eingesetzt werden sol
len. Der Bundesgrenzschutz unterstutzt au~erdem die Zollverwaltung bei der Ober
wachung der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Betaubungsmitteln.
Die Bahnpolizei, deren Aufgaben ebenfalls der Bundesgrenzschutz wahrnimmt, wird,
im Rahmen ihrer Zustandigkeit fOr die Sicherheit und den Schutz der Bahnanlagen
und deren Benutzer, ebenfalls zur Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat im soge
nannten "Ersten Angriff' eingesetzt. Bei Sicherstellungen im grenzuberschreitenden
Zugverkehr wird der Zollfahndungsdienst eingeschaltet.
Ermittlungsvorgange des Bundesgrenzschutzes werden dann an die Landerpolizeien
abgegeben, wenn Straftaten aus der originaren Ermittlungszustandigkeit des Bun
desgrenzschutzes im Zusammenhang mit weiteren Straftaten stehen und das
Schwergewicht der Straftaten insgesamt au~erhalb der Zustandigkeit des Grenz
schutzes liegt. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bun
desgrenzschutz setzte die AG Kripo 1997 eine Projektgruppe ein, die bis 1998 Pro
bleme bei der Zusammenarbeit in der Kriminalitatsbekampfung, insbesondere hin-
66
sichtlich Zustandigkeitsabgrenzungen und - Oberschneidungen erorterte und Lo
sungsansatze aufzeigte.
Zoll
Die Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat ist seit jeher auch Aufgabe der Zollbehor
den. Sie haben im praventiven Bereich die ausschlief1liche Zustandigkeit fOr die
Oberwachung und Kontrolle des Warenverkehrs Ober die Grenzen der Bundesrepu
blik Deutschland. Dabei haben sie vor allem die Einhaltung der bestehenden Ein-,
Aus- und Durchfuhrverbote, u.a. von Rauschgift und von Grundstoffen zur unerlaub
ten Herstellung von Betaubungsmitteln, sicherzustellen.24
Der Zollfahndungsdienst hat im repressiven Bereich die Aufgabe und die Zustandig
keit der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die bestehenden Ein-, Aus- und
Durchfuhrverbote im grenzOberschreitenden Warenverkehr und somit zur Bekamp
fung des Rauschgiftschmuggels.25 Zentralstelle fOr den Zollfahndungsdienst und das
Auskunfts- und Nachrichtenwesen der Zollverwaltung ist das Zollkriminalamt (ZKA).
Da die auf dem Drogenmarkt angebotenen Betaubungsmittel, von Ausnahmen abge
sehen, regelmaf1ig Ober die deutschen Hoheitsgrenzen eingeschmuggelt werden,
ergibt sich bei Verstof1en gegen das Betaubungsmittelgesetz regelmaf1ig eine paral
lele Zustandigkeit von Polizei- und Zollbehorden. Zur Vermeidung von Informations
verlusten, Doppelarbeit oder gegenseitigen Beeintrachtigungen bei Ermittlungen ar
beiten Zoll und Polizei im Interesse einer effizienten Bekampfung der Rauschgiftkri
minalitat eng zusammen. Bereits 1970 wurde die erste Gemeinsame Ermittlungs
gruppe Rauschgift (GER) eingerichtet. Zur Zeit gibt es bundesweit 28 Gemeinsame
Ermittlungsgruppen Rauschgift, die sich aus Beamten der jeweiligen Landespolizei
und Zollfahndungsbeamten zusammensetzen. Auf Bundesebene erfolgt die Koordi
nation zwischen dem Bundeskriminalamt und dem Zollkriminalamt.26
Gemeinsame Operationen von Kriminalpolizei und Zollfahndungsamtern sind heute
durch die institutionalisierte Zusammenarbeit in den Gemeinsamen Ermittlungsgrup
pen Rauschgift bundesweit und durch die ortliche Kooperation unproblematisch. Per
sonal, Logistik, Fahndungs- und Ermittlungswissen erganzen sich sinnvoll. Aus poli
zeilicher Sicht ist die Zusammenarbeit von Polizei- und Zolldienststellen und eine
abgestimmte Fahndungstatigkeit unverzichtbar. Einerseits hat die Zollfahndung in
Teilbereichen weiterreichende gesetzliche Moglichkeiten, z. B. von der Post als Zoll
gut gestellte Brief- und Postsendungen zu offnen und zu OberprOfen und ggf. an die
Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Andererseits hat die Polizei spezifisches Fachwis-
24 §§ 1,10,14 ZollVG i.V.m. § 21 BtmG. 25 Vgl. §§ 369, 372, 208, 404 Abgabenordnung (AO). 26 Hier wurde die Zusammenarbeit auf den Bereich der Finanzermittlungen ausgedehnt.
67
sen bei der Bekampfung des Drogenschmuggels auf der Nachfrageseite, wie krimi
nalgeographische Erkenntnisse oder Daten aus der vorbeugenden Kriminalitatsbe
kampfung, die der Zoll eigenstandig nicht erheben kann.
1m Zusammenhang mit dem im Juni 1990 verabschiedeten Nationalen Rauschgift
bekampfungsplan, der die BOndelung der SicherheitsbehOrden zur Intensivierung der
Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat vorsieht, findet eine weitgehende Zusam
menarbeit zwischen Zollfahndungsdienst und Polizeidienststellen auch innerhalb der
Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen27 von Zoll und Polizei statt.
Zur Optimierung der Bekampfung der unerlaubten Herstellung von Betaubungsmit
teln wurde im Marz 1995 die "Gemeinsame GrundstoffOberwachungsstelle ZKAf BKA
(GOS)" auf Basis des GrundstoffOberwachungsgesetzes (GOG) im Bundeskriminal
amt eingerichtet. Aufgabe dieser Einrichtung ist es, zu verhindern, daf1 Grundstoffe
und Chemikalien, die zur Rauschgiftherstellung verwandt werden konnen, aus lega
len Produktions- und Handelsprozessen abgezweigt werden. 1m internationalen Ver
gleich hat die GrundstoffOberwachungsstelle Vorbildcharakter. Zwischen 1995 und
1998 hat sie in 215 Fallen Sicherstellungen von insgesamt 1.468 Tonnen chemi
schen Grundstoffen ermoglicht und damit die Produktion von bis zu 680 Tonnen
Rauschgift verhindert.
Da Rauschgiftkriminalitat regelmaf1ig internationale BezOge aufweist, unterhalt
Deutschland mit allen wichtigen Handelspartnern ein dichtes Netz von bilateralen 28
oder multilateralen Abkommen Ober die internationale Zusammenarbeit, die sich auf
wechselseitige Auskunfts-und Ermittlungspflichten beschranken. Die Weltzollorgani
sation (WCO) hat fOr Westeuropa ein RegionalbOro (Regional Intelligence Liaison
Office, RILO) mit Sitz beim ZKA eingerichtet, dessen Aufgabe im wesentlichen die
regional bezogene Sammlung, Auswertung, Analyse und Weitergabe von Informatio
nen im gesamten Bereich der Schmuggelbekampfung ist. Hierdurch werden weitere
Erfolge, insbesondere bei der Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat erwartet.29
Nachrichtendienste
Der Bundesnachrichtendienst sammelt rauschgift- und geldwascherelevante Infor
mationen im und Ober das Ausland, die von auf1en- und sicherheitspolitischer Be-
27 Eine personelle Beteiligung der Zollfahndung im Bereich der polizeilichen Finanzennitllungsdienststellen besteht in den Landeskriminaliimter von Baden-WOrtlemberg, Bayem, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saar1and, Sachsen, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein sowie im Bundeskriminalamt. 28 Bilaterale Abkommen hat die Bundesrepublik mit allen westeuropi!lischen Nicht-EU-Staaten sowie mit den USA, Kanada, Ungarn, den Nachfolgestaaten der GUS, Polen und den Nachfolgestaaten des frOheren Jugoslawien geschlossen. 29 Vgl. THIELE, Frank, Zoll als Partner bei der Kriminalitiitsbekiimpfung, in: der kriminalist, 4/99, S. 171.
68
deutung fOr die Bundesrepublik Deutschland sind.30 Er Obermittelt diesbezOgliche
Informationen dem Bundeskriminalamt oder dem Zollkriminalamt zur Bewertung so
wie zur Weiterbearbeitung und Steuerung an die zustandigen Stellen. Neben diesen
bereits existenten Aufgaben der Nachrichtendienste auf dem Gebiet der Verbre
chensbekampfung, gibt es Oberlegungen, diese Kompetenzen, vor allem zur effizi
enteren OK-Bekampfung zu erweitern.
In Bayern hat das Landesamt fOr Verfassungsschutz seit dem 01.08.1994 die ge
setzliche Aufgabe, Bestrebungen und Tatigkeiten der Organisierten Kriminalitat zu
beobachten. Die in Bayern gewonnenen positiven Erfahrungen mit der Kompeten
zerweiterung des Verfassungsschutzes fOhrten dazu, dar.. die Standige Konferenz
der Innenminister und -senatoren der Lander (IMK) 1997 die Arbeitskreise (AK) II
und IV beauftragte, die Moglichkeiten einer Intensivierung der OK-Bekampfung durch
die Einraumung bzw. Obertragung von Befugnissen an die Verfassungsschutzdienst
stellen im Bereich der Vorfeldermittlungen zu prOfen.
AK II und AK IV richteten daraufhin eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein, die der IMK
ihren PrOfbericht vorlegte, der neben der Ausgangslage, rechtliche Rahmenbedin
gungen, Erfahrungen des Freistaates Bayern und rechtlichen Konsequenzen auch
nationale und internationale Handlungsalternativen aufzeigte. 1m Gegensatz zum AK
II, der die Auffassung vertrat, dar.. eine Obertragung von Vorfeldbefugnissen an den
Verfassungsschutz nicht in Betracht kommt, hielt der AK IV die vorgeschlagenen
Handlungsvarianten fOr verfassungsrechtlich unbedenklich.
Diese unterschiedlichen Auffassungen setzten sich auch bei den Erorterungen auf
der IMK-Konferenz im Juni 1999 in Dresden fort. Wahrend einige Lander aufgrund
der defizitaren Vorfeldaufklarung fOr die Kompetenzerweiterung eintreten, sprechen
der Bund und die Mehrzahl der Lander verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine
solche Erweiterung aus, so dar.. letztlich zu dieser Thematik kein Beschlur.. gefar..t
wurde.
V Fazit und Ausblick
Drogenkonsum und Drogenabhangigkeit sind mit gesamtgesellschaftlichen Auswir
kungen verbunden. Aus diesem Grunde dOrfen sich strategische Ansatze zur Be
kampfung des Drogenproblems nicht auf Polizei und Justiz beschranken. Die Straf
verfolgungsbehorden allein konnen das Drogenproblem nicht losen. Vielmehr gilt es,
"aile fOr die Rauschgiftbekampfung verfOgbaren Krafte zusammenzufassen, auf ge
meinsam festgelegte Ziele auszurichten und zusatzliche Ressourcen zur Rauschgift-
30 Vgl. § 1 des Gesetzes uber den Bundesnachrichtendienst (BNDG).
69
bekampfung zu erschlieBen,,31. Daher richten sich die Ziele und MaBnahmen der Be
kampfungsstrategien auf allen Ebenen grundsatzlich auf die zwei Seiten des Dro
genproblems: Zum einen gilt es die internationale und hochspezialisierte Angebots
seite zu bekampfen; zum anderen mOssen praventive MaBnahmen und differenzierte
Hilfsangebote am individuellen Suchtverhalten tatsachlicher und potentieller Drogen
konsumenten ansetzen, um die Nachfrage nach illegalen Orogen zu reduzieren.
Die Vielzahl der auf internationaler und nationaler Ebene institutionalisierten Koope
rationsrahmen und Vereinbarungen macht deutlich, daB dem Problem des Rausch
giftmiBbrauchs und der daraus erwachsenden Bedrohungen fOr Staat und Gesell
schaft weltweit eine sehr groBe Bedeutung zugemessen wird. In der Praxis ergeben
sich aus der standig anwachsenden Gremienvielfalt jedoch mittlerweile erhebliche
Oberschneidungen von Zustandigkeiten und Aufgaben. Die daraus resultierenden
Koordinations- und Kooperationserfordernisse nehmen nicht nur erhebliche Res
sourcen in Anspruch, sondern konnen u. U. fOr den Erfolg der einzelnen Bekamp
fungsstrategien kontraproduktiv sein.
Voraussetzung fOr eine erfolgreiche Drogenpolitik auf nationaler und insbesondere
auf internationaler Ebene wird daher sein, daB es gelingt, die Gremienvielfalt zu ra
duzieren. Durch eine planvolle Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehorden und
anderer gesellschaftlicher Institutionen die einen effizienten Personal- und Sachmit
teleinsatz ermoglichen, mOssen Synergie-Effekte erzielt werden. Nur auf diese Weise
wird es langfristig moglich sein, zusatzliche Ressourcen fOr die Rauschgiftbekamp
fung zu erschlieBen.
Schwierig gestaltet sich die Kontrolle der Rauschgiftkriminalitat auch vor dem Hinter
grund der Diskussion Ober sozial tolerierte beziehungsweise illegale Orogen, die so
wohl im nationalen als auch im internationalen Bereich gefOhrt wird.
In der abendlandischen Gesellschaft werden beispielsweise Orogen wie Alkohol
entwicklungshistorisch bedingt eher akzeptiert, beziehungsweise nicht als illegal de
finiert. Die dem Betaubungsmittelgesetz unterliegenden Rauschgifte gelten nach un
serer gesellschaftlichen Anschauung als inakzeptabel und sind meist erst im Zuge
der zunehmenden Mobilitat der Menschheit in groBerem Umfang in unseren Kultur
kreis gelangt. Gleichwohl muB konstatiert werden, daB es auch bei uns zunehmende
Tendenzen zur Legalisierung oder zumindest zur Entponalisierung von sogenannten
weichen Orogen wie Haschisch gibt.
Nachhaltige Erfolge im gemeinsamen Kampf gegen das weltweite Drogenproblem
werden nur dann zu erringen sein, wenn auch im internationalen Bereich zumindest
ein Grundkonsens darOber besteht, daB Drogenhandel und DrogenmiBbrauch mit
31 DER BUNDESMINISTER FOR JUGEND, FAMILlE, FRAUEN UND GESUNDHEIT UND DER BUNDESMINISTER DES INNERN, Nationaler Rauschgiftbeki!impfungsplan, Bonn 1990.
70
negativen Auswirkungen verbunden sind und aus diesem Grunde eingedammt wer
den mOssen. In den betroffenen Staaten ist die rechtliche und tatsachliche Bewer
tung von Phanomenen der Rauschgiftkriminalitat zum Teil jedoch sehr unterschied
lich. Was im lusammenhang mit Anbau, Handel und Konsum von illegalen Drogen
als Verbrechen gilt, ist, wie oben geschildert, das Produkt der spezifischen gesell
schaftlichen Entwicklung in ihrem historischen und kulturellen Kontext. Die Verwirkli
chung gemeinsamer Ma~nahmen zur Bekampfung des Drogenproblems in lusam
menarbeit mit den Landern, in denen der Anbau und Konsum von Drogen zum Teil
auf eine jahrhundertealte Tradition zurOckblickt oder die wirtschaftliche Situation die
Bereitstellung der notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen nicht zula~t,
gestaltet sich oftmals schwierig, insbesondere dann, wenn die Regierungen von der
Rauschgiftproduktion und dem Handel mit illegalen Drogen profitieren.
Aber auch die drogenpolitische Diskussion in Europa ist durch sehr unterschiedliche
Auffassungen darOber, wie dem steigende Rauschgifthandel und -konsum wirksam
begegnet werden sollte, gepragt. Bei formaler Betrachtung stimmen die Drogenpoliti
ken der EU-Mitgliedstaaten zwar in den GrundzOgen Oberein. In der praktischen
Handhabung des Drogenproblems gibt es allerdings noch deutliche Unterschiede.
Wahrend die Rauschgiftbekampfung in der Bundesrepublik Deutschland zu einer
moglichst IOckenlosen Unterbindung des iIIegalen Umgangs mit Drogen tendiert,
zeigt die Drogenpolitik beispielsweise in den Niederlanden eher liberale Ansatze,
allerdings in jOngster leit mit einer restriktiven Tendenz.
Langfristig wird ein Einvernehmen Ober gemeinsame Strategien der Drogenpolitik auf
nationaler und internationaler Eben nur zu erzielen sein, wenn diese Strategien an
realisierbaren lielen ausgerichtet sind. Das liel einer drogenfreien Gesellschaft, wie
es im Nationalen Rauschgiftbekampfungsplan festgelegt wurde, ist letztlich unreali
stisch. Ebensowenig wie es eine Gesellschaft ohne Kriminalitat geben wird, wird es
eine drogenfreie Gesellschaft geben konnen.
Literaturverzeichnis
BKA (1998): Rauschgiftjahresbericht der BRD, Wiesbaden
BMG/BMI (1990): Nationaler Rauschgiftbekampfungsplan, Bonn
Interpol (1997): World Cocaine Report
Schuster, Leopold (1994): Gewalt und Organisierte Kriminalitat, Wiesbaden
Thiele, Frank (1999): loll als Partner bei der Kriminalitatsbekampfung, in: Der Kriminalist,4/99:171f
71
Cultural Impact of Prohibition Policies as Consequence of
International Co-operation
Molly Charles 1 & Gabriel Britto2
Abstract: Cultural Impact of Prohibition Policies as Consequence of
International Co-operation
The philosophy of drug abuse-control and combat of drug-trafficking is dominated by
a western perspective. The roots of these approaches can be traced back to early
legal measures that assumed a punitive approach as the main mechanism to control
the dysfunctional drug use in society. The cultural impact of international inspired
law-enforcement policies has been overlooked or even denied.
In India as in certain other Asian countries, cannabis and opium use have been
culturally embedded. Consumption of these drugs occured within a specific social
context and possesses symbolic value. Traditionally, cultural norms restricted the
quantity of consumption. This paper looks at those aspects of drug use in the Asian
settings that have been largely ignored by the present myopic view of drug abuse
management.
Contents
Introduction
The Role of Mind Altering Substances in Society
II The Changed Images in the Indian Drug Situation
III A Broarder Perspective for Relevant Harm Reduction Efforts
IV Conclusion
Bibliography
1 Psychologin, MitbegrOnderin der indischen NGO ,NARC', arbe~et zum Stellenwert des Drogenschmuggels in der Unterwelt von Mumbaillndien, Mitglied des UNESCO/MOSTDrogenforschungsnetzwerkes, [email protected]. 2 Philosoph u. L~eraturwissenschaftler, GrOndungsdirektor der indischen NGO ,NARC', indischer Koordinator des UNESCO/MOST-Drogenforschungsnetzwerkes, [email protected].
73
Introduction
Currently, drug abuse control is largely dominated by the western perspective on the
topic. The roots of this approach can be traced back to early legal measures that
assumed a punitive approach as the main mechanism to control the dysfunctional
drug use in society.
Only a few voices of protest rose against the forceful move to enforce punitive
measures without addressing the shades of grey that grew out of measures of control
of drug consumption and trade. One of the groups that protested and managed to be
heard, to some extent, are those who highlighted the need for harm reduction in the
area of drug demand. This occurred, as HIV became an issue of concern among the
injecting drug users in many parts of the globe. The other group that opposed the
enforcement approach upheld the right of the individual to decide whether or not to
consume drugs. The latter focussed largely on the situation in developed countries.
The role of mind altering substances (MAS), especially cannabis and opium, in
developing countries within the respective cultural context has been overlooked. The
same is true for the use of coca leaves in the Andean countries of Latin America.
This paper looks at those aspects of drug use in the Asian settings that has been
largely ignored by the present myopic view of drug abuse management.
The Role of Mind Altering Substances in Society
In India as in certain other Asian countries, cannabis and opium use has always been
integrated within culture. Traditionally, consumption of these drugs occurs within a
specific context and has a symbolic value. There are many rituals that revolve around
consumption of cannabis/opium, which are as important as the consumption of the
drug itself. Mechanisms of cultural norms restricted the quantity of consumption. The
following paragraphs look briefly at the various functions played by these substances
in certain traditional communities.
Drugs as a Socialising Agent
Celebration of the festival of colour (Hall) is incomplete in India without consumption
of bhanf/. The Holi festival is one of the occasions when the youngsters of
marriageable age get a chance to break free of social norms and mingle freely. In the
process it also becomes a platform to select life partners. All the members in the
community take part in the celebration, except for widows who are not expected to
3 Bhang is a product of cannabis that is drunk. It is made from the tender leaves of cannabis plant. Tender leaves are ground in to a past and then added to milk along with dry fruits & nuts.
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have colours on them -widows are expected to wear only white clothes throughout
the year.
The preparation of the drink (bhang) for any celebration is itself ritualised and
strengthens the community bond. To prepare the drink members of a family or caste,
or a circle of friends from the village or the neighbourhood gather in the parlour of
one of them. The process takes an hour or more and this gives time for the members
to share information on friends, family members, price of goods or other issues of
their concern. This group interaction is broadly restricted within certain caste
category, for example, the Shudhra (the untouchable castes) do not join the
preparation process or parties held by the twice born castes (upper caste). The
Shudhra have their own separate parties (Hasan,k, 1975).
Another occasion for use of bhang is during Shivaratd'. It is believed that Lord Shiva
consumed "soma", which is considered to be the "food of the gods". There is a
dispute whether the "soma" referred to in the scriptures means cannabis or
mushrooms ( fly-agaric). Generally, "soma" is considered to be a cannabis product.
During Shivaratri, Bhang is poured on "Shivalinga" a symbol for worshipping Lord
Shiva and the followers of Lord Shiva consume bhang on this day.
Other occasions for consumption of bhang are Durga puja5, Trinath puja and festival
of Kama (Indian cupid). During Durga puja a beverage prepared from the leaves of
the plant is offered to various family members and to guests present on the last day
of the ceremony. Ganja is used as an offering in Tarkeshwar temple on Shivaratri day
and on festivals such as Trinath Puja. In Orissa at Jagnath puri, ganja and bhang
are largely used by the attendants and worshippers of the Lord Shiva. During the
festival of Kama, bhang is drunk by Rajputs of Bandi. In Bombay, the worshippers of
Lord Shiva generally use ganja.
Just as in India, in Nepal, too, cannabis is considered to be the favoured drug of Lord
Shiva. The followers of Lord Shiva use it during the religious festivals and also when
Bhajans6 are sung in the temple area or at pilgrim places. The consumption of
cannabis occurs in group settings and the pipe of cannabis is passed around for
each person to take his turn of the pipe (Fisher,J,1975).
4 Shivaratri is a festival for the celebration of the marriage of Lord Shiva. In the Hindu religion, Lord Shiva is considered to be the destroyer and creator of men. Due to Hindu-mythology, it was Shiva, who swallowed the poison that came out of chuming of the sea, which otherwise would have destroyed the entire mankind. 5 Durga Puja is a religious ceremony for worshipping Goddess Durga. 6 Bhajans are religious functions of the Hindu, where religious hymns(songs) are recited by the group of followers.
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Cannabis products whether smoked or drunk have always been consumed in a
group. This behaviour persists among many, throughout the country. Almost anybody
can join the group, only in some places the sweeper caste is not allowed to join.
Generally, Ganja/charas is smoked in a chillum, a funnel shaped clay pipe, that has a
small charred fitter at the base. After the pipe is filled with mixture of tobacco and
cannabis, it is ignited using a rope fibre or burnt charcoal piece. The group watches
the entire process of preparation. Each smoker takes a few short puffs to ignite the
fire and then a deep puff and immediately passes on the pipe to the next person. In
this manner, each member of the group gets one or two puffs and several persons
enjoy the substance.
Though a group of persons share a common pipe to smoke tobacco or cannabis,
none of the smokers touch the pipe with their lips. The tubular part of the chillum at
its bottom is held in the right hand with the left hand acting as a support. The
passage between the index finger & the thumb of the right hand is used to cover the
edge of the pipe, while taking the puff. As nobody touches the pipe with his /ips, the
ritual purity of the pipe is maintained (Hasan,K,1975).
The first person to take the puff, offers the smoke to Shankar (Lord Shiva's other
name) by saying "Jai Jai Shiv Shankar, kata /age na kankar'. In doing so, he fortifies
himself as well as others in the smoking party with the knowledge that the great god
creator-destroyer relishes the smoke and prays that the smoke will not give trouble to
their throats.
Discussion of the day-to-day affairs occurs on a continuous basis, while the pipe is
prepared or the members wait for their turn to smoke. The conversation revolves
around social problems, weather, crops, marriage regulations, personal dilemmas
etc. Such gatherings can take place at any time during the day except in the early
morning. After a smoke, one goes back to work, as though after a coffee break. In
Bombay it is also seen that after a day's work cannabis is smoked to relax and
discuss the events of the day. Cannabis is the poor man's alcohol equivalent.
Just as cannabis plays a role in the lives of people in certain communities, in others
opium takes the place of cannabis. In parts of Rajasthan and Gujarat', guests are
offered opium to drink in the cupped palm of the hand by the host as a mark of
respect. It is also used to cement friendship and as a mark of close relationship. At a
time when restrictions on food and drinks were very severe and caste rules forbid a
man from accepting food and water from members of other castes, sharing of opium
was a mark of friendship and trust. This gesture converted enemies into friends
(Masihi,E,et aI, 1994).
7 In Gujarat the drink is called Kaumba Pani, it is a mixture made of opium, water, saffron and cardamon.The opium gum is made into a paste using a wooden pestle made from tree called Kerada. The tree is believed to medicinal qualities which can cure many ailments.
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The other occasion for use in Gujarat, among certain castes is during dayaro8. The
host who is usually a landlord (or in the earlier context, ruler) and among those
present would normally be, a Charan9, or servant of the land Lord. The Charan
prepares the liquid and serves it to the assembly. The Charan regales the gathering
with his songs, which contained praise of the host or his ancestors or some warriors
of past or present times. In turn Charan is rewarded by the landlord/ruler for his
songs of praise. On occassions when Charan did not sing the usual songs of praise,
the host got angry but could not punish Charan because of his status in society. Such
get togethers last for hours and so only those who have leisure time can take part in
them. Oayaro is often held by the elite, and the vessels used to distribute the drink
(small metal vessels) reflect the economic and social status of the host. During the
gathering every member of the group has to consume the drink, otherwise it is
considered to be a gesture of insult. After the drink, the members are given tea and
snacks (Masihi,E, et al. 1994).
Opium was also a part of the socialisation process among the royal family. Mothers
took special care to ensure that their sons became used to opium. During those
times, the King married many women, who often conspired to ensure that the throne
belonged to their son. Hence, it was not uncommon for the rival queen to plot for the
death of the nominated heir. In such a situation, the mother of the to be heir, ensured
that her son became so used to opium, so that he would be immune to poisonous
food offered to him (Masihi,E, et ai, 1994).
Drugs for healing and other functions
Products of both cannabis and opium have been used for enhancing health or curing
ailments both for human beings and animals. Various researchers (Fisher,J,1975;
Hasan,K,1975;Chopra,R,N, et al,1965; Khan, et ai, 1975; Masihi, et al 1994 and
Rao,J et a1 ,994) have focused on the use of these products as one of the ingredients
in the preparation of medications in the traditional systems of Medicine such as
Siddha, Unani, Ayurveda and tribal/home remedies. Some of the illnesses for which
opium is used are hydrophobia, delirium tremors, infantile convulsion, asthma,
protracted labour, rheumatism, dysentery, hysteria and gonorrhea. It is also used as
a painkiller, to contain fatigue, strain and general ailments due to ageing. Medical use
8 Dayaro is a assembly of people belonging to the same or similar status. Women do not partiCipate in such gatherings. 9 Charan is a particular caste in Gujarat, who are considered to be sons of Goddess. It is considered a great sin to hurt or kill a Charan. Because of the institutionalised and religiously sanctioned protection they enjoy, they fearlessly tell things to the ruler, however bitter it may appear to the latter.
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has been documented in other countries such as Nepal, Pakistan, Srilanka and
China (Charles, M. 1999).
In certain parts of India, opium/cannabis plays an important role in social functions
such as marriage, for sealing a business deal and to facilitate catharsis after the
death of an immediate family member. Psychoactive substances have been used in
India, to deal with harsh life situations, whether man-made or others. Soldiers used it
during times of war, at present the government supplies unlimited quantity of liquor
instead. In order to survive harsh desert climatic conditions, opium is consumed by
man and also given to camels and horses during long journeys through the desert.
(Charles,M, 1999).
The social status of the user
Until recently, a cannabis or opium user was not stigmatised or marginalised. The
present concept of an addict does not fit into the traditional societies understanding
of a cannabis/opium user. The use by and large occurred within the sanctioned
religious/ social/medical context. Consequently, it was rarely a frequent occurrence in
a person's life. Even when an individual used excessive quantity of cannabis, he was
called at the maximum a ganjari, a person who uses cannabis in excess, but it was
not seen as a seriously objectionable behaviour (Fisher,J,1975, Chopra,R,N, et al
1965).
In Nepal and India, excessive use by Sadhus10 is accepted as a part of life. People
grew cannabis plants close to their houses, so that they could pluck and offer it to
any sadhu who passed by. The use of the drug was supposed to facilitate the sadhus
to concentrate and meditate even in harsh environmental conditions (Fisher,J, 1975).
In Rajasthan and in Gujarat opium use always was an accepted behaviour. The
person who could consume large quantities of opium was respected and given high
status in society. Since opium was expensive, only the rich could afford to consume it
in large quantities. Thus, a high consumption and a better social status were directly
linked. A person who consumes large quantity of opium is called a Bandhani (literally
means, a person who consumes opium excessively),; a Bandhani is being respected
by his community whose members seek his advice on important matters and discuss
their problems with him. A Bandhani is supposed to be generous person. (Masihi,
E,et ai, 1994).
10 Holy men.
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II The Changed Images of the Indian Drug Situation
Shifts in the drug consumption pattern
In certain parts of India, especially the tourist spots, the shift in use of drugs began in
the sixties as a result of the exposure to hippie sub culture. Initially, the influence was
restricted to the elite youth who intermingled with foreigners. Thus, the sudden
demand for the substances such as cannabis, by a clientele willing to spend in
dollars, stimulated the local sellers to enhance their profit margin in the drug
business. A similar situation could be observed in Nepal, where the prices rose from
US$ 15 per kilogram to US$ 70 per kilogram. Since the cannabis produced in Nepal
is considered to be of good quality, the export of the drug increased and India
became one of its main importers.
Traditionally though, both in India and Nepal, cannabis has been used only at
specific occaisons and held symbolic value, both in the religious and the social
context. This changed with the influx of tourists. Some of the elite youth began to
associate cannabis use with sophistication and expression of rebellion which was
different from their earlier perception of the drug, where boys would sneak a few puffs
in a similar manner as their American collegues used corn silk cigarettes behind the
barn. The western idea of cannabis use had nothing in common with use of cannabis
by sadhus and bhajan singers and the new usage could not be controlled by the
orderly regulatory mechanisms established by tradition (Fisher,J,1975).
From the seventies to the mid eighties the situation changed further. The political
change in the nearby countries (Afghanistan, Pakistan and Iran) made it necessary to
find new trade routes for drug trafficking and India became an important transit route
for heroin. In addition to this shift, the introduction of the 'Narcotics and Psychotropic
Substances Act' (NDPS), in 1985, ensured that the mechanism of regulatory control
evolved by tradition was disturbed, especially in urban settings. The enforcement of
the new legislation that did not consider the existing cultural norms left a negative
scar on the drug scene in many parts of the country.
The petty sellers of cannabis and opium found it difficult to continue their business
and heroin began to be marketed in the streets. In Bombay as a result of the new
legislation, the acceptable trade suddenly was criminalised and many did not want to
be dealt as criminals by the police. Thus, some of them stopped the business and
others shifted their trade to heroin. This shift facilitated them to conduct their
business with higher income thus giving them the capacity to bribe the police. Heroin
had an edge over both cannabis and opium with regard to its increased profit margin.
Besides, heroin is easier to hide and sell, because it is less bulky and odourless. In
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many instances, new traders who were willing to do anything for a fast buck came
into the scene (Charles,M, et ai, 1999).
One of the main strategies used by peddlers was to market heroin as a substitute for
cannabis/opium with similar effects. Initially, the drug was given free of charge or at a
minimal price. The police repression had put the peddlers in more powerful position
with regard to the cannabis and opium users. In other instances, heroin was given to
users of cannabis mixed with their regular drug; either they consumed it without even
knowing or on the assumption that it was similar to cannabis, only a bit more
powerful.
For the 'illegal' user the shift to heroin is safer, in case he wants to consume in public
without being caught. Unlike cannabis/opium, heroin could be mixed with tobacco
and smoked as an ordinary cigarette without emitting a strong odour like the other
drugs. Initially, smoking heroin was the common mode of consumption, but soon it
became too expensive to sustain. Users needed an ever increasing dosis and
physical addiction made it difficult to discontinue. At first, this led to using aluminium
foils to consume the drug (Charles.M, et al,1999).
Though the pattern of group-use continued in the case of heroin, it never gained any
foothold within the communities and their rituals of cultural reproduction. The drug
never found any support among traditional cannabis/opium users, who tried to
continue with their earlier drug of choice. Heroin is known as a foreign drug in the
community, among users of other substances and among heroin users themselves.
The consumption of the new drug remained a hidden affair. It is only when the habit
becomes too expensive to continue that the family is confronted with such individual
use. The community only becomes aware about a person's drug use, when the user
reaches the streets.
The impact of cannabis/opium and heroin on the users is quite different: even a daily
use of cannabis/opium does not create major problems, the users live comfortably till
their old age; whereas youth who consume heroin, fall sick faster and become totally
dysfunctional. Users of opium may seek care in their mid fifties or late forties, heroin
users seek care in their twenties. The early disruption of live disturbs the career and
the learning of skills to be productive member of society, whereas this rarely happens
to a cannabis/opium user. The distinction is being reflected by the fact that many
communities ask heroin users to give up heroin and shift to cannabis, as a harm
minimisation strategy (Masihi,E,et ai, 1994; Charles,M, et ai, 1994).
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The changing profile of drug sellers and enhanced economic benefit
Although opium cultivation existed in India prior to the British, it was only under their
regime that it was cultivated and sold in a systematic manner in order to ensure a
maximum profit to the crown, either through tax or revenue. Nowadays, the
perception of drug trade/sales as an important source of income is only two decades
old. Subsequently, during the hippie movement and the shift of the drug trade route,
it became a viable business venture. However, the increased and unimaginable profit
margins only came into existence after the total banning of all substances in 1985.
This led to the introduction of completely different types of sellers entering the field of
drug trade. During the earlier times, the sellers were local persons known to the
community and they were not considered to be antisocial elements. With the banning
of all substances, only those who had nothing to loose and wanted to make a better
living at any cost took on the occupation. They evolved different strategies to ensure
that their business was sustained and thrived. Their modus operandi includes the
willingness to bribe the police and to take risks of being arrested. Unlike earlier days,
where cannabis/opium would be given free in certain instances, this became non
existent in the new manner of business undertaking. Instead, they indirectly
encouraged the users to barter stolen expensive goods for their quota of heroin.
Thus it became a pure matter of economics and no limits existed in expansion other
than the hurdle of being caught and the stiff competition for better and regular clients
(Charles,M, et al,1999). In order to sustain their business, peddlers even inform the
police about competitors, only to gain a small advantage.
The role of gender in the drug business is an important issue, too. Traditionally,
family members sold cannabis and opium besides other goods, it rarely became their
sole means of income. Hence, depending on the convenience, one member or the
other managed the show. This changed, after the substances were banned: initially,
only male members remained in or entered the now illegal business. Later, when the
males realised that one way to contain police-trouble was to apoint female family
members to assume, more and more women began to enter the trade. Additionally,
the employment of children grew common, since court-charges for minors are less
severe. Great caution is taken in the selection of assisting persons by the peddler, as
the person can easily run away with the drug money or drugs. Frequently, those used
for this purpose are close associates or relatives of the peddler.
81
The changing status of drug users
The perception of cannabis/opium users began to change with the exposure to the
western understanding of the drug problem. In Nepal, in the sixties, the middle
classes began to feel threatened as they observed the use of cannabis by the youth
in line with the hippie culture. A habit, to which they never gave any importance
became difficult to accept within the new social context. With those new forms of use
of traditional drugs, a slow shift of the status of users began in the eyes of the
professional and subsequently of the urban public. In Pakistan, for example, in spite
of the knowledge that culturally embedded use of cannabis does not lead to harm
(physical or mental), the middle class public began to perceive it as deviant
behaviour; this as a result of exposure to western literature and understanding on the
subject (Khan,M,A,et aI, 1975).
Unlike Bandhani, who used to be respected by his community, the present day opium
user hides his habit. Opium consumption has lost its legitimacy and respectability
with the NDPS Act banning the use of all psychoactive substances. The earlier elitist
behaviour came to be a deviant one in the eyes of the law. Slowly, it became part of
a wider criminal setting. Though consumption of opium did not disappear, there is a
distinct change in the behaviour of drug users. Gone are days of the high social
status enjoyed by bandhani. Nowadays, opium consumption has become a closed
door affair (Masihi,E, et a/1994).
Especially in urban areas, a drug user is a highly stigmatised and marginalised
individual. Since heroin/crude brown sugar is an expensive habit to sustain, its users
reach the streets rapidly. With hardly any family or community support, their need for
drug money pushes them frequently towards deviant and criminal groups. Through
the process of alienation from earlier support structures, they began to live on the
streets with hardly any personal hygiene. In the eyes of the public, a drug user
became a person who is unhealthy, filthy and anti-social. Generally, they are being
chased away by the public and taunted by labelling them "Gardula" (drug addict);
they end up huddling as a group in vacant spaces, often close to garbage bins, open
toilet areas and near railway tracks. This further enforced the stigmatisation of drug
users (Charles,M, et a/,1994).
Increased risks in drug use
With the banning of consumption of psychoactive substances, the risks associated
with drug use increased. Criminalisation of drug use pushed the habit underground
and all the earlier forms of control through cultural mechanisms became irrelevant. At
82
every stage the user became exposed to far more risks, even for a cannabis and
opium user it became difficult to obtain his drug outside the criminal network. Another
hurdle faced by users of cannabis/opium is that now it is easier to obtain heroin/crude
heroin and pharmaceutical drugs, than the drug of their choice. Since purchasing any
drug bears the dangers to be arrested, middle class users often establish close links
with street level users who would procure the drug for them (Charles,M, et ai, 1999).
Drug users, by and large, continued to consume their drug as a group, and since
they are marginalised, the choice of location for consumption became hard to come
by. This resulted in them choosing unhealthy locations, which led to increased
exposure to diseases, especially in combination with their erratic eating habits. Often,
they choose risky locations, such as railway tracks and suffer accidents, frequently.
Group consumption leads to further dangers with the introduction of injecting
behaviour in certain urban settings. The sharing of injecting equipment is not only a
matter of availability of clean equipment, but becomes inevitable, during the initial
period. More often then not, the first time injector is initiated into injecting behaviour
by another injector demonstrating the ease with which it can be performed. The
experienced user injects the novice for the first few occasions. If the novice belongs
to a group, then chances are very high for the others to become injectors as well. It is
only when the user has learnt the art of injecting himself that he tries to get his own
equipment. Another reason for direct or indirect sharing of equipment is for
economising on drug expenses. The group together pools in the money for the drug
and each person gets his quota of drugs. In addition to this, there is a tendency
among injectors to draw in the blood and then re-inject in order to reconfirm that the
drug is being injected directly into the blood stream. This habit ensures that any
infection can be spread faster, when the equipment is shared (Charles,M, ,et a/
1999).
Another area of risk is being found to be in possession of the banned substance.
During the initial period immediately after the implementation of the NDPS Act in
1985, mainly small-scale users got caught under the Act. The procedure of
disbursement of justice in India ensured that they spent years as 'under-trials' before
being set free or being convicted. Often, by the time the case came for hearing, the
person had already spent four-to-five years in prison, being exposed to criminal
networks and other dangers.
It is a matter of great concern that as a result of the new law, even in areas where
only traditional forms of drug use existed, use of heroin by older opium users has
been noted. This occurs partially due to the greater profit margin of heroin-trade at
the street level. Another factor that indirectly contributed to the harmful effect was the
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fact that the drug abuse intervention programmes based their approach on western
models without any adequate adaptations to the local reality. As a result, the cultural
use and cultural norms of control were portrayed as unhealthy deviant behaviour. It is
only when the agencies noted years later that older opium users were consuming
heroin instead of opium that they realised that their programmes had backfired.
III A Broader Perspective for Relevant Harm Reduction Efforts
Since the west has always enjoyed the role of being imperialists in their relationship
towards developing countries, the evolution of drug abuse management policies and
present forms of intervention in that field only reflect more of the same. There was
hardly any debate as to the role of cultural norms in the curtailment of drug use. The
role of culture was by and large viewed as weirdness of alien culture. The west
ignored the similarity between cultural use of cannabis/opium in Asian countries and
alcohol use in western societies. Though cannabis use has a religious and symbolic
value, it was pushed under the carpet and the western viewpoint was pushed down
the throats of the members of other cultures.
The fact that cannabis is and has always been the poor man's liquor has to be
acknowledged nationally. Unfortunately, this is neither in the interest of tax collectors
nor of the liquor lobby. The revenue statistics of liquor taxes of the Government of
Maharashtra can serve as a illustrative example: between 1947 and 1997 it grew
from a mere 30 million Indian Rupees to 120,000 million Indian Rupees (Britto et at,
1998). This occured despite the fact that nearly half the State was separated and
made as Gujarat which opted for total prohibition of alcohol in the name of Mahatma
Gandhi. Though the prohibition policy has been consistently in place in the new State
of Gujarat, 58 % of the patients seeking treatment in thirteen de-addiction centers are
still alcoholics (Masihi,E,1997). In Rajasthan, liquor drinking was never popular. But
opium drinking was. After the major campaigns by honest drug demand experts,
today, every village has a liquor shop and crude heroin has spread widly, much to the
chagrin of the specialised agencies. It is not at all amusing to note that several major
anti-drug-campaigns in India are funded by liquor companies.
One of the clear adverse impacts of the described approach which are to be
observed across India is on the profile of users. Whereas opium addicts are brought
to the treatment centers by their children, heroin addicts are brought by their parents.
While earlier the person got initiated into drug use at the age of mid twenties and
continued to be a functional member of the society till mid fifties (Maishi,E,et ai, 1994),
now the users begin in their teens and become unproductive in a matter of a few
84
years (Charles,M, et al 1999). Given the fact that the life span of males is not beyond
sixty years in rural India, opium/cannabis had hardly any effect on its life long users.
In Pakistan, it was noted that cannabis use in its different forms did not create
significant abnormalities among its users. The users selected for the study were
males who had been using the SUbstance for over twenty years. The researchers
noted that users of cannabis started using the drug in a similar manner as an
average American consumed alcohol. According to the study, the cannabis use did
not lead to criminal offences nor to social, work-life or family breakdowns (Khan,M,A,
et ai, 1975).
Fortunately, culture cannot easily be wiped out: in many parts of the country, people
have learnt through experience that Bhang/marijuana/opium have nothing in common
with heroin, though the law may club them together. But the anti-drug-Iegislation has
left its scar on the trade of cannabis/opium at the street level: it is very difficult to
obtain good quality marijuana/opium in urban areas, whereas hard drugs are easily
accessible. It has been observed that even religious places that sell bhang (Rs.1 a
ball of bhang) had to discontinue their service because of police interference.
The impact on Traditional Systems of Medicine
While the Single Convention and the national laws permit the use of opium and
cannabis products for medicinal purposes, there are hardly any regional, let alone
rural depots of the Government to supply opium or cannabis to traditional medical
practitioners and senior citizens - especially women who are the main care givers at
home. The process of applying for legal supply of opium and cannabis is so tedious
and requires the filling in of inumerous official forms and travels, that traditional rural
medical practitioners are being excluded from such a legal option. At the same time,
the governmental public health system hardly accounts for 20% of the population,
leaving 80% to the traditional medical practitioners who are the anchors of health
care in most parts of India even in this millenium. Thus, when we discuss harm
minimization, we are talking of damage control to Traditional Systems of Medicine.
This is one of the most harmful outcome of the NDPS Act. There is little public
discussion on such serious ,side-effects' of outwardly induced policies. Obviously, the
NDPS Act suits the pharmaceutical industry.
For the guarantee of public health it is essential that traditional medical practitioners
and their medical systems are not being extincted by an undifferentiated 'war on
drugs' ideology. Since traditional practitioners do not pass their formulae to paper but
85
within an oral culture from the teacher to the student, the current development may
destroy centuries of cultural wealth and knowledge.
The rise of addiction to pharmaceutical drugs
Recently, addiction among women in India presents itself as a hidden affair mainly
because they take pharmaceutical drugs such as calmpose and pain killers
individually. The prohibitionist policy being implemented has forced a large number of
addicts to take buprenorphine in addition to heroin (Shetty, et aI., 1997) to contain the
cost of their addiction. In North East India and in several pockets in Mumbai caugh
syrups have become popular, too.
The needle-exchange-programme
The Indian Council of the Medical Research-World Health Organisation undertook a
pilot project on needle exchange in North-East India where Thai No.4 white heroin is
widely available and where injecting drug use is common. Since there were many
other projects and actors in a small town of 50.000 households, the practical details
of how to run a harm reduction programme could not be properly worked out.
In 1987, ADAMHA (Alcohol, Drug Abuse and Mental; Health Administration of the
USA) and NIMHANS (National Institute of Mental Health and Neuro Sciences,
Bangalore, India) held a major workshop to launch a methadone maintenance
programme in India. The Official Indian position was that since India possesses a
large opium stock, there was no pOint in spending precious foreign exchange in
importing methadone. It was recommended that addicts should be placed on opium
tincture instead of methadone. Even though, the rules under the NDPS Act provides
for the maintenance of addicts on opium and cannabis, this nationally adapted
solution has never been implemented. Instead, a needle exchange programme with
serious limitations was adopted: it waits till the user reaches the last stage of
addictive behaviour to think about harm minimistaion. It is cynical to assume that 60
million cannabis and 10 million opium users will first switch to pure (Thai No.4 heroin)
or crude heroin, then let them start injecting for being able to integrate them to needle
exchange programmes. What is needed is a systematic approach to stabilize
cannabis/opium users as cannabis/opium users despite of their exposure to and the
availability of heroin.
86
IV Conclusion
There is a serious need to analyse the implications of coercive intrusion by global
legal concepts in the cultural way of life of local communities. Where should state
intervention end and respect for cultural norms begin? Prevention specialists should
abandon the strategy of criminalisation and stigmatisation and allow for the re-entry
of addicts into the social mainstream. In the Indian context, harm minimisation should
begin with the recognition of the cultural use of psychoactive substances. In places
where cultural use persists, attempts to fight them should be stopped. In the case of
hard drugs, the focus needs to be on the prevention of the shift to the injection of
heroin. Unless the strategy to deal with drugs in India will be changed now, injecting
will become the main method of drug consumption, and the use of heroin by older
opium users will become a common feature. After all, there is no law that could
control pleasurable behaviour, be it drug use or expression of sexuality. Cultural
norms evolved through decades of trial and error that managed to regulate large
scale drug-abuse for centuries; would continue to do if we stopped tinkering with
them.
Bibliography
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88
Die BlUten des Verbrechens: Das Beispiel Thailand1
Guilhem Fabre2
Abstract: The Prosperity of Crime: The Example of Thailand
The process of money laundering represents the most important interface between
legal and illegal economy. Up to which point money-laundering activities actually
destabilize financial markets and foster all forms of corruption, thereby jeopardizing
democratization-processes, the author discusses at the example of Thailand. Adding
this dark side of globalization, deregulation of financial markets appears in a new
light.
Inhalt
EinfOhrung
I. Krise und Geldwasche in Thailand: Die Paten aus der Provinz beim Sturm auf
Bangkok
II. Geldwasche und deregulierte Finanzmarkte
III. Das thailandische Finanzsystem
IV. Schlur..bemerkung
Literaturverzeichnis
1 Die Lateinamerikanistin Rita Hoppe aus Berlin ubersetzte den Text aus dem Franzosischen. 2 Guilhem Fabre, Sozi06konom und Sinologe, lehrt an der L'Universite du Havre in Paris, forscht in Sudostasien und ist Mitglied des UNESCO/MOST - Drogenforschungsnetzwerkes. [email protected].
89
EinfUhrung
Diese Studie charakterisiert die Geldwasche in Thailand und ist Teil des Buches
"Les Prosperites du Crime: Trafic de Stupefiants, Blanchiment et Crises Financieres
dans L'Apres-Guerre Froide" (UNESCO/Edition de l'Aube, 1999), "Die BIOten des
Verbrechens: Drogenhandel, Geldwasche und Finanzkrise nach dem Kalten Krieg".
Es handelt sich um eine neue Interpretation der soziookonomischen Wirkungen der
Geldwasche und damit auch des Drogenhandels auf den Globalisierungsprozer.,
nach dem Kalten Krieg.
Um die Dynamik dieses Prozesses verstehen zu konnen, ist es sinnvoli, an den hi
storischen Hintergrund der inzestuosen Beziehung zwischen Opium und der Koloni
sierung Asiens im 19. Jahrhundert anzuknOpfen. Es geht um eine Zeit vor dem Dro
genverbot und wahrend der damaligen "Globalisierung" von Handel und Devisenge
schaften, die durchaus mit der Ara nach dem Kalten Krieg vergleichbar ist: Mit der
massiven Ausweitung des Opiumhandels seitens der Englander seit 1830 erfuhr das
regionale wie internationale Drogenangebot ein exponentielies Wachstum. Zusam
men mit der Konkurrenz unter den Handlern trug es zum Preissturz und zur Kon
sumsteigerung bei. Der "kriminelien" Okonomie gelang es, sich wahrend des Opi
umkrieges mit Gewalt und schlier.,lich dank der Macht der Korruption durchzusetzen,
bis letztere zu einem wesentlichen und gar unerlar.,lichen Bestandteil der realen
Okonomie wurde, die die Finanzierung des Staates sicherte und gleichzeitig zur Re
produktion des Systems beitrug.
Die Dynamik der Geldwasche der rechtswidrigen Okonomie, des Drogenhandels
und weiterer Spielarten des organisierten Verbrechens scheint heute vergleichbare
Konflikte hervorzubringen: Konzentrierte sich die Geldwasche bis Ende der 1980er
Jahre vornehmlich in den westlichen Landern und ihren "Offshore"-Zweigstelien,
entwickelte sie spater - mit der Deregulierung des Handels und der Verstarkung des
legalen Rahmens in den Landern des Nordens - die Tendenz, sich auf die postkom
munistischen und die Lander des SOdens auszudehnen. Aber anders als im
19.Jahrhundert, als die Geookonomie und die Geopolitik der Droge konfliktive zwi
schenstaatliche oder okonomische Beziehungen bilateraler Art schafften, wie zwi
schen England und China, verstarkt heute die Integration der Finanzmarkte die
destabilisierenden Wirkungen der Geldwasche auf globaler Ebene.
Elemente, die heute zur fortschreitenden Kriminalisierung der Okonomie auf Weltni
veau beitragen, sind: die gegenseitige Durchdringung der schwarzen und der grau-
90
en Wirtschaft im Schmelztiegel der "Offshore"-Markte, die spekulativen Tendenzen,
die die Geldwasche hervorbringt, und die Anziehungskraft, die sie auf den interna
tiona len Finanzhandel ausObt, der keine anderen Gesetze ken nt, als das der Selbst
regulierung durch den Markt und dessen periodische Krisen. Die "aufstrebenden
Lander" sind heute am meisten bedroht, insofern als die Politiken der Deregulierung,
der Liberalisierung der Kapitalstrome und der Privatisierung der offentlichen Mono
pole (z.B. in Thailand u. Mexiko) ideale Bedingungen fOr die Wasche des schmutzi
gen Geldes in einem Kontext der Entwertung des gesetzlichen Rahmens bieten. In
diesem Sinne verseucht der ,Virus Geldwasche' heute das ausgedehnte Programm
der Handelsglobalisierung, das zum Ende des Kalten Krieges lanciert wurde.
Die Ara nach dem Kalten Krieg scheint das historische Modell des 19. Jahrhunderts
im neuen institutionellen Kontext des post-kommunistischen Obergangs zu reprodu
zieren, der die Kriminalisierung der Wirtschaft durch das Auftauchen einer bastardi
sierten Marktwirtschaft begOnstigt. Hier koexistieren herkommliche Begriffe von Pro
fit mit einem nicht mehr vorhandenen Wettbewerb sowie starken lokalen okonomi
schen und institutionellen Monopolen - vielgestaltige Gewaltmonopole oft einge
schlossen.
Der Fall China, der in seinem Obergang zur Marktwirtschaft mit dem restlichen ex
kommunistischen Block vergleichbar ist, zeigt uns im Detail die sozialen und okono
mischen Wirkungen der Ausweitung von Drogenhandel und Heroinsucht in den
Neunzigern. Den konservativsten Schatzungen zufolge sind wenigstens 2,5 Millio
nen Menschen mit einem Jahreskonsum von 40 Tonnen Heroin davon betroffen.
Dieser Fall iIIustriert auch die geopolitische Dimension des Drogenhandels; bei
spiel haft sei hier die enge Beziehung zwischen China und Burma angefOhrt.
Wenden wir uns der okonomischen Dimension zu, so ist das Ausma(.l, der Geld
wasche ein guter Indikator fOr die Wirkung des Drogenhandels. Da Schatzungen auf
globaler Ebene (zwischen 120 und 400 Milliarden US$) mit Vorsicht zu genie(.l,en
sind, ist es sinnvoller, die qualitative und quantitative Wirkung des Drogenhandels
und der Geldwasche auf nationaler Ebene genauer zu berechnen.
Quantitativ scheint Geldwasche ausschlie(.l,lich in Verbindung mit Drogenhandel im
allgemeinen von geringer Bedeutung fOr das Bruttosozialprodukt zu sein, so im Fall
von Ru(.l,land, Japan, China und Thailand. Dies gilt nicht fOr Mexiko, wo die Nahe
zum au(.l,erst lukrativen US-Markt die Wasche von Drogengeldern stimuliert.
91
Ein ganz anderes Bild zeigt sich, sobald wir die Profite aus dem Drogenhandel zu
sammen mit anderen illegalen Aktivitaten betrachten, die von denselben kriminellen
Netzwerken betrieben werden. Wir denken hier an: iIIegales oder legales GIOcks
spiel, Prostitution und Handel mit Arbeitskraften, Waffenschmuggel etc .. In diesem
Fall reprasentieren die kumulierten Profite aus der Schattenwirtschaft haufig einen
bedeutenden Teil des offiziellen Bruttosozialproduktes. 1m allgemeinen ist dieser
Anteil in den armeren oder in den post-kommunistischen Landern grol1er, was ver
schiedenen Faktoren geschuldet ist, wie dem Verfall der "terms of trade", der
Schwache der gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, der Tolerie
rung der informellen Wirtschaft und der weit verbreiteten Korruption. Daher kann die
Schattenwirtschaft eine unleugbare Wirkung auf das legale Wirtschaftsleben aus
uben.
Auch unter qualitativen Gesichtspunkten wird diese Wirkung im allgemeinen igno
riert oder unterschatzt. 1m Gegensatz zur herkommlichen Einschatzung, die daran
festhalt, dal1 Geldwasche einen keynesianischen Effekt auf Investition und Konsum
und durch die Repatriierung der externen Profite des Drogenhandels einen positiven
Einflul1 auf die Zahlungsbilanzen hat, zeigen die Fallbeispiele des Buches "Die BIO
ten des Verbrechens" die negativen Wirkungen von Geldwasche auf Volkswirt
schaften, die deren Strategien von kurzfristigen und spekulativen Investitionen ge
schuldet sind. Letztere konnen einen entscheidenden Einflul1 auf die Finanzkrise
haben, indem der Wettbewerb verzerrt und die Spielregeln unmerklich geandert
werden. Dieser Punkt wird im anschliel1enden Artikel am Beispiel Thailand entwik
kelt, das beispiel haft als Katalysator der Asienkrise vorgestellt wird.
Krise und Geldwasche in Thailand: Die Paten aus der Provinz beim
Sturm auf Bangkok
Nach einer Studie unter der Koordination des thailandischen Experten in Sachen
Korruption, Sungsidh Piriyarangsan von der Universitat Chulalongkorn, erreicht die
Geldwasche in der thailandischen Okonomie grol1ere Dimensionen. Den sechs iIIe
galen Bereichen: Kuppelei, Waffenhandel, Kohlenwasserstoffschmuggel3, Glucks
spiel, Handel mit Arbeitskraften und Drogen erbringen den Gegenwert von 11 bis 18
Milliarden US Dollar im Jahr; das sind 8 bis 13% des Bruttosozialprodukts von 1993
bis 1995. Der Bereich mit der grol1ten illegal en Beschaftigung ist das unerlaubte
GIOcksspiel, das 4 Millionen Menschen beschaftigt und urn die 8% des Bruttoinland
produktes (BIP) reprasentiert. Die Kuppelei betrifft zwischen 150.000 und 200.000
3 Grundstoff zur Herstellung von Kokain
92
Frauen und wirft wenigstens 4 Milliarden US$ pro Jahr oder 2% des BIP abo 1m Ver
gleich mache der Drogenhandel, aile Produkte zusammengenommen, kaum mehr
als 1 Milliarde US$ (PongpaIchit u.a., 1998:2-8,45) aus. Diese letzte Schatzung ent
spricht zweifellos nicht der Realitat, da sie den internen Markt (200.000 HeroinsOch
tige, 250.000 Konsumenten von Amphetaminen, mehr als 300.000 Konsumenten
von Marihuana) sowie die Heroinexporte zu GroBhandelspreisen nicht berOcksich
tigt. Die auf Feldforschungen im ganzen Land beruhende Studie von Sungsidh Pi
riyarangsan unterstreicht die beachtlichen Dimensionen des organisierten Verbre
chens und der lokalen Geldwasche; er stellt die aligemeingOltige Vorstellung in Fra
ge, nach der der Rauschgifthandel die Hauptquelle des Schwarzgeldes in Thailand
sei und betont stattdessen die vielfaltigen Verflechtungen der unterschiedlichen
Branchen organisierter Kriminalitat. Um die systemischen Bande besser zu verste
hen, die zwischen den legalen und den rechtswidrigen Spharen geschaffen wurden,
ist es hilfreich, auf die lokalen politischen Institutionen zurOckzukommen.
Die Rolle des Staates und seiner Reprasentanten ist entscheidend fOr das Ver
standnis organisierter Kriminalitat als gesamtgesellschaftlichem Phanomen. Das
thailandische politische System ist seit 1945 bis Mitte der achtziger Jahre von der
Rivalitat zwischen militarischer und ziviler BOrokratie bestimmt, die sich die Ein
kOnfte aus der Korruption teilen (Piriyarangsan u. PongpaIchit, 1996). Die Dynamik
dieser kulturell akzeptierten Einkommensbeschaffung dominiert den Komplex der
offentlichen Auftrage und der militarischen Materialkaufe. Die politische Klasse be
reichert sich bis heute im Stile des Marschall Sarit, Premierminister von 1957 bis
1963, dessen personliches Vermogen sich auf 42% des Staatshaushaltes belief.
Die zivile wie die militarische BOrokratie werden als ausgesprochen thailandische
Organisationen wahrgenommen. 1m Gegensatz dazu ist die Geschaftswelt von
Thailandern chinesischer Herkunft dominiert, deren Mehrzahl aus dem Distrikt
Chaozhou (Teochow) in der Provinz Guangdong stammt. Die ca. 10 Millionen "Sino
Thais", die ein Sechstel der Bevolkerung ausmachen, beherrschen den GroBhandel,
die wichtigen Banken und die privaten GroBunternehmen der GroBregion Bangkok.
Sie genieBen den zu vergOtenden Schutz der zivilen und militarischen BOrokratie,
mit der sie haufig durch u.a. verwandtschaftliche Allianzen verbunden sind. 1m Nor
den des Landes werden die "irregularen chinesischen Krafte", die von den nach
1949 vertriebenen Kuomintang-Truppen obriggeblieben sind, gemaB einer still
schweigenden Obereinkunft toleriert. Demnach schOtzen sie das Land gegen die
kommunistische Expansion und Oben im Gegenzug die Kontrolle Ober den rechts
widrigen Grenzhandel aus, der von Heroin und Edelsteinen dominiert ist. In den
siebziger Jahren wurden die "irregularen chinesischen Krafte" der direkten Kontrolle
93
des Generalstabs von Bangkok unterstellt. Damit konnte jeder Versuch einer auto
nomen Einkommensbeschaffung seitens der Minoritaten in den Bergen unterbunden
und die Neuverteilung der Narkoprofite institutionalisiert werden.
Mit der innenpolitischen Stabilisierung und regelmaBigeren Wahlen ab 1979 kann
eine neue Gruppe okonomischer Eliten aus der Provinz, die jao pho - allgemein mit
"Paten" Obersetzt - ihren EinfluB insoweit entfalten, als 90% der Parlamentssitze von
den Regionen beschickt werden. Der sehr ungleichmaBige Demokratisierungspro
zeB erweist sich so als ein politisches Aufholen der Provinzen, was im Kontrast zu
ihrem okonomischen ROckstand steht: Wah rend letztere nur ein Drittel der Unter
nehmen auf sich vereinigen, konzentriert sich in der GroBregion Bangkok mit nur 15
% der Bevolkerung die Halfte des Nationaleinkommens. Dieses Ungleichgewicht
begOnstigt in den folgenden zwei Jahrzehnten den Aufstieg der "Paten" zu einer
Gruppe in der thailandischen Politik, die kaum zu umgehen ist. Die meisten jao pho
sind aus der zweiten oder dritten Generation chinesischer Immigranten hervorge
gangen und stammen, ahnlich den anderen "Sino-Thais", aus dem Distrikt Chaozhou
in Guangdong. Ihre neue politische Rolle ist mit ihrem okonomischen Aufstieg eng
verbunden, der durch die Symbiose von legalen und rechtswidrigen Aktivitaten cha
rakterisiert ist. UrsprOnglich Lieferanten landwirtschaftlicher Inputs und Vermittler
von Agrarkrediten fOr eine trotz okonomischer Expansion mehrheitlich bauerlich ge
bliebene Bevolkerung, bauten sie nun ihre Geschafte zu lokalen Monopolen aus. Zu
nennen sind hier der Whiskyvertrieb, der Kraftwagen- und Motorradverkauf, die Im
mobilien- und GrundstOcksspekulation, der Bausektor (besonders die offentlichen
Auftrage), iIIegale Forstwirtschaft, Schmuggel, Spiel, Massagesalons und Kuppelei,
Waffen- und Drogenhandel.
Der okonomische und politische Aufstieg dieser neuen Paten wurde in bemerkens
werter Weise in neun Fallstudien von Sungsidh Piriyarangsan und Pasuk Phong
pa"(chit geschildert (Piriyarangsan u. Pongpa"(chit, 1996). Einige dieser Paten definie
ren sich offen als "halb Geschaftsmanner, halb Gangster", ein Selbstbild, das von
den meisten jao pho geteilt wird, wahrend andere einfach ihren EinfluB nutzen, um
ihre Geschafte auszubauen und eine politische Karriere zu verfolgen. Haufig verfO
gen sie Ober Abhangige, genannt "Gerichtsherren", die nak leng4 , und unterhalten
enge Beziehungen zu den Polizei- und Militarhierarchien, die ihnen verpflichtet sind.
Die thailandischen Paten haben in gewisser Weise "den quasi universellen Traum
eines jeden etablierten Unternehmers verwirklicht, namlich die Konkurrenz auszu
schalten" (Gambetta u. Reuter, 1997: 133), jedoch zum Preis todlicher Auseinander-
4 Getreue. die bis hin zum Auftragsmord zu allem bereit sind.
94
setzungen, die oftmals ihr Leben verkurzen. Wenn sie ihr okonomisches Kapital in
ihrem Einflu~gebiet konsequent einsetzen, haufen sie durch Klientilismus und Wei
terverteilung in Form gemeinnutziger Investitionen Prestige an. Die Paten versuchen
weniger, sich au~erhalb, sondern vielmehr "uber das Gesetz" zu stellen, gleichsam
als unumgangliche Schiedsrichter, die auf ihre Weise Frieden schaffen. So kann
sich einer von ihnen sogar ruhmen, "seine" Provinz Petchburi, die bekannt ist fUr die
dort herrschende Gewalt und nicht aufgeklarte Bluttaten, ohne Leibwachen durch
reisen zu konnen: "Ich hatte Feinde", bekennt er, "aber sie sind aile tot." (Pi
riyarangsan, 1996:78).
Die direkte oder indirekte Eroberung der lokalen und regionalen politischen Macht
erlaubt es den Paten schlie~lich, ihre Position zu institutionalisieren. Ihre lokalen
Netzwerke der Untertanigkeit verschaffen ihnen die Kontrolle uber die "Stimmban
ken", die fUr einen Wahlsieg unerla~lich sind. Die illegale Praxis des Stimmenkaufs
entwickelt sich nach 1979 wie eine Epidemie. Das Ziel der Politiker ist es seither
nicht mehr, ihre Wahlerschaft zu uberzeugen, sondern sich der Loyalitat dieser neu
en "Manner von Einflu~" zu versichern, die den Dorfvorstanden und den lokalen
Funktionaren die Stimmversprechen abnehmen. In den von den Paten bevorzugten
Regionen, den Kusten, dem Norden und Nordosten, verbinden sich legale Aktivita
ten ganz naturlich mit dem Schmuggel und illegalen Einkommen. Wahlen werden in
den land lichen Gebieten zu Momenten der Spannung und Angst, anstatt eine Mog
lichkeit zur politischen Auseinandersetzung zu sein. Leicht entsteht Gewalt, weil die
Organisatoren der "Stimmbanken" der rivalisierenden Kandidaten bewaffnet umher
gehen (Maisrikrod u. Mac Cargo, 1997:133-136).
Unter der Regierung des General Prem (1980-1988) gelingt es den militarischen und
politischen Burokratien, die neuen Provinzeliten zu kontrollieren, indem sie ihnen
den Zugang zu den SchlUsselministerien versagen. Diese Taktik kann nicht mehr
durchgehalten werden, als unter dem Kabinett des Generals Chatichai (1988-1991)
und der Regierung Banharn (1995-1996) die Chart Thai - Partei an die Macht ge
langt. Sinngema~ mit Clausewitz gesprochen, definieren die ParteifUhrer von Chart
Thai Politik als die Fortsetzung der Geschafte mit anderen Mitteln. Banharn, der mit
offentlichen Bauauftragen ein Vermogen gemacht hat, entfahrt es eines Tages, "fUr
einen Politiker sei es gleichbedeutend, in der Opposition zu sein und freiwillig an
Hunger zu sterben" (Phongpa"(chit u. Baker, 1997:31). Die fUnf Jahre der Chart Thai
- Partei an der Macht tragen zur Institutionalisierung der Stellung der Provinzpaten
bei, die ihrerseits enge Beziehungen zu den Gouverneuren, den regionalen Be
fehlshabern und den Polizeichefs knupfen und die offentlichen Bauauftrage in ihren
95
Einflur..gebieten monopolisieren. Infolge einer Reihe von Korruptionsskandalen wird
die Regierung Chatichai 1991 durch einen Militarputsch gestorzt - das Ergebnis ei
ner Allianz von Armee und ZivilbOrokratie sowie dem Geschaftsmilieu von Bangkok.
Es werden Untersuchungen gegen 25 Minister eingeleitet, von denen 13 als "unge
wbhnlich reich" erachtet werden, nachdem sie im Zusammenhang mit bffentlichen
Auftragen zahlreiche Schecks von Geschaftsleuten angenommen hatten. Trotzdem
zogen die Ergebnisse der Untersuchungen keine gerichtlichen Foigen nach sich, da
die Beteiligten beider Seiten in dem instabilen Spiel der Machtkoalitionen rotieren.
Beispielhaft fOr dieses Prinzip ist der Fall von Narong Wongwan mit dem Beinamen
"Pate des Nordens". Nachdem er ein Vermbgen in der Tabakbranche erwirtschaftet
hat, wird er Landwirtschaftsminister unter der Regierung Chatichai und 1992 der
aussichtsreichste Kandidat fOr den Premierministerposten unter der Militarjunta.
Seine Ambitionen werden durch die Nachricht blockiert, die Vereinigten Staaten ver
dachtigten ihn des Drogenhandels und verweigerten ihm die Einreise auf amerikani
sches Territorium (Phongpa"ichit u. Baker, 1997:81). Das hindert Narong Wongwan
nicht daran, den strategischen Posten des Innenministers unter der Regierung Ban
harn zu beanspruchen; ein Ansinnen, das aus den genannten GrOnden scheitert.
Andere Abgeordnete wurden Ziel derselben Anschuldigungen, so etwa Mongkol
Chongsuttamanee, Thanong Siripreechapong, der 1996 aus den Vereinigten Staa
ten ausgewiesen wurde, und Vatana Asavahame, einer der FOhrer der Chart Thai -
Partei (Pongsudhirak, 1997:226). 1995 bis 1996 wird die Regierung Banharn von
Skandalen erschOttert, da mehrere Minister in Immobilienspekulationen und Geld
wasche verwickelt sind. Nach bedrohlichen Mahnungen an die Presse und der Ver
hinderung einer besonders unbequemen Fernsehausstrahlung verliert die zweite
Koalition mit der Chart Thai - Partei, die den Provinzpaten den Zugang zur Macht
ermbglichte, im November 1996 die Wahlen. Das siegreiche Kabinett fOhrt nun Ge
neral Chavalit an, der auf verheerende Art und Weise die Finanzkrise von 1997 ver
walten wird.
Ais frOherer Generalstabschef, der fOr seine politische Karriere ins Zivilleben zu
rOckkehrte, wirkt Chavalit bei der Regierung Chatichai (1988-1991) mit und hofft, die
Nachfolge des amtierenden Premierministers anzutreten. Die GrOndung der New
Action Party (NAP) soli ihm dabei behilflich sein, dieses Ziel nach dem Staatsstreich
von 1991 zu erreichen. Chavalit stOtzt sich in der ersten Zeit auf das Netzwerk der
Paten aus dem Nordosten, um sich eine treue Wahlerschaft zu sichern. Vor den
Wahlen im Marz 1992 legt der Generalsekretar der NAP, Prasong Soonsiri, sein Amt
nieder und kritisiert "die Expansionspolitik der NAP um jeden Preis", die dazu ge-
96
fOhrt habe, daB die Partei in ihrer Mitte "Manner von EinfluB" akzeptiere (MacCargo,
1997:128-129). Tatsachlich richtet sich die Anklage gegen Sia L., den "Paten des
Nordostens" und Sohn chinesischer Einwanderer aus den dreiBiger Jahren, der sein
Vermogen, auBer mit den traditionellen Monopolen der jao pho, dank der Kontrolle
der geheimen Lotterien gemacht hat. Ais eifriger Kunde der groBen GIOcksspielbos
se von Bangkok, die enge Bindungen zu der gehobenen Militar- und Polizeihierar
chie unterhalten, hangt Sia L. auch von deren UnterstOtzung ab, um seine Geschafte
ausbauen zu konnen. "Ich begann arm und ungebildet", bekennt er, "auch muB ich
mich fOr alles, was ich unternehme, auf Freunde und politische Beziehungen stat
zen." (Piriyarangsan, 1996:75). Oberlebender mehrerer Attentate in Bangkok, wohin
er seine Aktivitaten auszudehnen verstand, empfangt Sia L. 1990 im Krankenhaus
u.a. den Besuch eines zukOnftigen Generalstabschefs, eines GIOcksspielmagnaten
der Hauptstadt und sogar des Generalsekretars der Demokratischen Partei, ein per
sonlicher Freund von ihm.
Nachdem er anlaBlich der Wahlen 1992 seine Unterstotzung auf vier politische
Parteien verteilt hat, entscheidet sich Sia. L. 1996 fOr die NAP des Generals Chava
lit, fOr die er als Koordinator der Nordost-Region agiert. Das gibt dem alliierten Paten
von Chavalit eine beachtliche Macht Ober diejenigen, die er als seine Abgeordneten
betrachtet (Piriyarangsan, 1996:75-76). Von den 40 Sitzen, die die NAP damals ge
wonnen hat, gehen 31 auf den Nordosten zurOck. Der Aufstieg der NAP und ihre
feindliche Haltung gegenOber der Militarjunta bei dem Volksaufstand vom Mai 1992,
der von der Armee unterdrOckt wurde, erlaubt es General Chavalit bereits damals,
den Posten des Innenministers in der Koalition zu besetzen, die von 1992 bis 1995
von der Demokratischen Partei des Chuan Leekpai angefohrt wird. Obwohl die NAP
in ihrer Eigenschaft als Massenpartei an GlaubwOrdigkeit verloren hat, benutzt Cha
valit seine Position, um seine Klientel der Provinzpolitiker zu stabilisieren, die sich
auf den Stimmenkauf und gar auf den Kauf von Abgeordneten stotzt. Diese Praxis
setzt sich bereits bei den Wahlen vom Juli 1995 durch: FOr einen Lagerwechsel
nehmen bestimmte, gut etablierte Politiker den Gegenwert von 40.000 bis zu
800.000 US Dollar "Transferkosten" an (Maisrikrod u. MacCargo, 1997: 137 -138).
Die Demokratische Partei von Chuan Leekpai wird weniger mit der Politik des Gel
des identifiziert, was mit ihrer Verwurzelung in den reichsten Gegenden von Bang
kok und dem SOden des Landes zusammenhangt. Aber weil sie es nicht geschafft
hat, bei den Wahlen 1992 eine absolute Mehrheit zu bekommen, ist sie gezwungen,
sich in der Koalitionsregierung von 1992 bis 1995 mit den neuen Provinzeliten zu
arrangieren. Die Aufrechterhaltung von Koalitionen aus zerbrechlichen und bewegli-
97
chen Mehrheiten eroffnet den kleineren Parteien einen unverhaltnismaBigen EinfluB.
Mehrere Ministerposten wurden den Dissidenten der Prachakorn Thai - Partei Ober
lassen, von denen fOhrende Mitglieder eindeutig mit der Kontrolle von geheimen
GIOcksspielen und dem Drogenhandel in Verbindung stehen. Das ist beispielsweise
der Fall von Vatana Asavahame, der von der Presse als einer der "Paten des Nor
dens" bezeichnet wird und den strategischen Posten des stellvertretenden Innenmi
nisters einnimmt. Die Vereinigten Staaten haben ihn offentlich des Drogenhandels
und der Geldwasche verdachtigt und ihm 1995 ein Einreisevisum verweigert5.
Die Demokratisierung des thailandischen politischen Systems erscheint so als ein
territorialer ZerreiBprozeB, der mit den tiefen regionalen Ungleichheiten korrespon
diert und in dessen Verlauf die Geldwasche aus unzulassigen und kriminellen Akti
vitaten geradezu institutionalisiert wird. Die Praxis des Stimmenkaufs, die ein Viertel
oder ein Drittel der Wahlausgaben eines Kandidaten ausmacht, hat zu exorbitanten
Wahlkosten gefOhrt: Zwischen 800.000 und 1 Million US$ fOr einen Kandidaten des
Nordostens im Jahre 1995, eine Summe, die sich in Einzelfallen bis hin zu 4 Millio
nen US$ erhohen konnte (Maisrikrod u. MacCargo, 1997:139). Wahrend die Ge
samtkosten der Wahlkampagne 1995 auf 680 Millionen US$ geschatzt wurden, be
liefen sie sich 1996 bereits auf 1 - 1,2 Milliarden US$ (Hewison, 1997:2). Zusatzlich
zu den lokalen Finanzierungen durch die Provinz-Paten erhalten die wichtigsten po
litischen Parteien auch geheime Schenkungen von Banken und groBen Korper
schaften. Die unsichtbare Kraft der hauptstadtischen Geschaftsmanner und der
Technokraten der zentralen Verwaltungen, die zuweilen mit der Demokratischen
Partei verbunden sind, lastet schwer auf den aufeinanderiolgenden Regierungen. In
den Augen dieser Elite aus Bangkok bedeutet der Aufstieg der Provinzpaten oder
der ihnen verbundenen Politiker die groBte Bedrohung fOr eine effiziente Steuerung
der okonomischen Entwicklung (PhongpaIchit u. Baker, 1997:29). Das thailandische
politische System liegt somit an der Scheidelinie der Neuverteilung der Macht zwi
schen legaler und illegaler Sphare, und zwar so sehr, daB man von einer Kriminali
sierung der Institutionen sprechen kann, die sich parallel zum wachsenden EinfluB
der Schattenwirtschaft ausbreitet.
Die Polizei beispielsweise wird als der korrupteste Dienstleistungszweig der Regie
rung angesehen (Piriyarangsan, 1996, Kap.4). Jeder Polizeibeamte, der schnell Kar
riere machen will, muB seinen Vorgesetzten entlohnen. Die Geldschenkungen an die
5 Vgl. Far Eastern Economic Review, 16/4/1998: Die Social Action Party (SAP), Mitglied der demokratischen Koalition von Chuan Leekpar, wird als die korrupteste politische Kraft nach der Chart Thai -Partei wahrgenommen. Der politische FUhrer der SAP ist Montri Pongpanich, einer der Politiker, die der persbnlichen Bereicherung in der Zeit nach dem Militarputsch von 1991 angeklagt wurden.
98
Polizei sind nicht strafiich, solange sie freiwillig bleiben. Mehr als die Halfte der Pol i
zeibelegschaft ist in Netzwerken zum "Schutz" von Juwelierladen, Fabriken, Massa
gesalons, Bars, Bordellen und Spielhollen engagiert. Die Ausbeute dieser organi
sierten Gangster wird weitgehend innerhalb der Polizei weiterverteilt, wo sie "Wohl
fahrtsfonds" unterhalten, aber auch innerhalb der militarischen Hierarchie, beim In
nenministerium und im Justizapparat. Ein Gangster zu sein, ist somit fOr diese
Dienstleistungen zu einer Notwendigkeit geworden, die urn so unabwendbarer ist, je
hoher man in der Hierarchie aufsteigt. Tatsachlich werden die besonders lukrativen
Kommandoposten auf dem Schwarzmarkt gehandelt: Ein thailandischer Polizeigene
ral hat 1990 angegeben, da~ ein guter Posten in der Provinz 40.000 US Dollar ko
sten konnte. Die "Tarife" der Kommandoposten in Bangkok sind wenigstens zehnmal
hoher und konnen 1994 nahezu 1 Million Dollar erreichen. Die gleiche Summe wird
in Mexiko fOr einen lukrativen Kommandoposten entlang der Grenze mit den Verei
nigten Staaten verlangt (Andreas, 1998). Ais Aktionare der Schattenwirtschaft fordert
ein Teil der thailandischen Polizei das Wachstum ihrer Extraprofite, indem sie Ge
sellschaft und Politik zu Straftaten ermuntert.
II Geldwiische und deregulierte Finanzmiirkte
Diese Obersicht der Institutionen kann einen Einblick in das Ausma~ der politischen
Infiltration durch die Schattenwirtschaft geben. Die Interaktion mit der offiziellen
Okonomie hangt in erster Linie von ihrer Eigendynamik ab: wie in Mexiko ist sie von
der Liberalisierung des Handels und der Investitionen sowie der Privatisierung des
offentlichen Sektors gekennzeichnet. Von 1985 bis 1991 ist Thailand der hauptsach
liche Nutznie~er der Verlagerung arbeitsintensiver Produktionen der entwickelten
asiatischen Lander. Japan, SOdkorea, Hongkong, Taiwan und Singapur sehen sich
durch die Wahrungsaufwertungen bestraft, die auf die Abkommen von Piazza aus
dem Jahr 1985 fOlgen, sowie durch den Anstieg von Grundstockspreisen und Loh
nen. In Thailand begOnstigen die Direktinvestitionsstrome in die Textil- und Beklei
dungsindustrie, die Unterhaltungs-, Automobil- und Elektronikbranchen, die Ent
wicklung derthailandischen Exporte, die in den Jahren 1985-1995 von 28% auf41%
des BIP steigen. So entwickelt sich die okonomische Anziehungskraft Bangkoks im
Verhaltnis zu seinen Nachbarn Burma, Kambodscha, Laos und Vietnam, deren Ent
wicklungsrOckstand zunimmt. Diese Praferenz des Oberwiegend asiatischen Kapitals
fOr Thailand hat zur Folge, da~ die lokalen Aktiva wieder hoher bewertet werden:
Von 1987 bis 1990 wachst der Wert von GrundstOcken und Wertpapieren in schwin-
99
delerregende Hohen, in bestimmten Fallen bis zum zehn- und zwanzigfachen6. Die
Kapitalimporte erlauben die schnelle Bereicherung der Kapitaleigner und begOnsti
gen den sozialen Aufstieg qualifizierter Arbeiter und Manager, die eine neue stadti
sche Mittelklasse bilden. Der Konsum steigt in den Stadten sehr stark an, beispiels
weise mit der Verzehnfachung der Automobilverkaufe in weniger als 10 Jahren
(1985 - 1995).
Das in den Jahren 1987-1988 lancierte Privatisierungsprogramm gestattet, einen
Teil der Vermogen aus dem Anstieg der Immobilienpreise und Gehalter an die Borse
zu ziehen. Die Borsenwerte sind um so attraktiver, als die Haben-Zinsen niedrig
bleiben. Die Staatsunternehmen werden als ineffizient und korrupt angesehen. Zu
lange haben sie als Einkommensquelle der zivilen und militarischen BOrokratie so
wie der pOlitischen Klasse gedient. Der Verkauf von Konzessionen fOr Teile der of
fentliche Infrastruktur an den Privatsektor soli nun dazu dienen, jene effizienter zu
gestalten. Die Borse, bis dahin von bescheidenem Umfang, wird seit der Einleitung
des Privatisierungsprogramms zu einem zentralen Ort der Akkumulation. 1m Zuge
dieser Entwicklung mOssen sich sowohl die traditionelle Elite der Prem-Jahre, die
zivilen und militarischen BOrokratien, als auch die sino-thailandischen GroBunter
nehmen neu plazieren und mit einer neuen Generation von Unternehmern aus der
Provinz, Managern und Finanziers arrangieren, die oft im Ausland ausgebildet sind.
In Abwesenheit einer klaren Regulation begOnstigt die Hausse der Wertpapiere par
allel zum starken okonomischen Wachstum die spekulativen Veruntreuungen durch
eine neue Generation, die - von Politikern unterstotzt - in diesem Markt eine reellere
und verfeinerte Finanzquelle sehen als in der traditionellen Korruption, die immer
schwieriger zu vertuschen ist.
Gleichzeitig erzeugt die Borseneuphorie eine Verschuldung der Mittelklasse, die
sich fOr Wertpapierkaufe und den personlichen Konsum von dauerhaften Gotern
(Immobilien, Autos, Schmuck) Geld leiht. Das fOhrt dazu, daB die privaten Erspar
nisse in der Zeit von 1989 bis 1995 von 20% auf 8% der Nettoeinkommen sinken
(Handley, 1997:102). Die Bildung einer Kontrollkommission fOr die Borsenoperatio
nen im Jahre 1992 kann die offensichtlichsten Veruntreuungen eindammen, darunter
die yom Netzwerk des "Sia" Song organisierten, die Investmentfonds im Umfang von
insgesamt 800 Millionen US$ betreffen. Paul Handley weist darauf hin, daB "die Be
zeichnung "Sia" im allgemeinen den vermogenden Geschaftsleuten, zumeist chine
sischer Herkunft, vorbehalten ist. Er gibt zugleich der Vorstellung von Reichtum und
6 Die folgenden Informationen sind in erster Linie der Studie "More of the Same: Politics and Business, 1987-1996" von Paul Handley entnommen, in: Kevin Hewison, 1997:95-113.
100
Macht Ausdruck und wird oft mit dunklen EinfiOssen (dark influences) in Verbindung
gebracht, d.h. mit Leuten, die ihre Vermogen durch halb-Iegale oder illegale Aktivi
taten erworben haben." (Handley, 1997:268)
Von der SchlieBung der Syndikate des "Sia" Song, die der Wertpapiermanipulation
dienten, sind 130 Personlichkeiten der stadtischen Elite und der politischen Welt
betroffen: darunter General Chavalit, FOhrer der New Action Party, und, Oberra
schend fOr viele, zwei alte ParteifOhrer der Demokratischen Partei. Noch aufschluB
reicher ist die darauf folgende Reaktion: Anstatt sein Unrecht hinsichtlich der Inve
stitionen mit fragwOrdigem Hintergrund und verschlungenen Verzweigungen einzu
gestehen, begibt sich "Sia" Song, begleitet von mehreren Abgeordneten, in einen
regionalen Kreuzzug, um eine wahrhafte Konspiration von GroBaktionaren aus Poli
tik und Geschaftswelt zu denunzieren, an deren Spitze der Finanzminister Tarrin
stehen soli, und die sich gegen die neuen Unternehmer richtet, die aus seiner Sicht
Reprasentanten der Kleinaktionare aus den Mittelklassen sind. Er behauptet, daB
die bOrokratische Elite in einem der Demokratie total entgegengesetzten Geist ver
sucht, den Wertpapiermarkt zu ihrem eigenen Vorteil zu monopolisieren, indem sie
ungestraft von ihrem Zugang zu sensiblen Informationen profitiert und die neue Ge
neration daran hindert, reich zu werden.
Paul Handley unterstreicht mit vollem Recht den Stellenwert dieser Verteidigungsli
nie: Die meisten Bankiers sind wegen ihres privilegierten Zugangs zu vertraulichen
Unternehmensinformationen gewichtige Investoren an der Borse. Auch die Frauen
der FOhrungspersonlichkeiten aus Politik und Geschaftswelt greifen oft in den Fi
nanzmarkt ein. Konsequenterweise wurde nach dem Song-Skandal kein Mitglied der
Finanzgemeinde vorgeladen oder zur Rechenschaft gezogen. Es ist wenig wahr
scheinlich, daB "Sia" Song Investmentfonds dieser GroBenordnung ohne die Hilfe
des Banker-, Finanz- und Borsenmilieus hervorgebracht haben konnte. Dieser Ein
druck scheint von der Privatisierungspolitik vieler staatlicher GroBunternehmen, wie
die Luftfahrtgesellschaft Thai International, PTT, der wichtigste Vertreiber von Mi
neralolerzeugnissen, die ETA (Expressway and Transit Authority of Thailand) und
die BECL (Bangkok Expressway Corporation Ltd.) bestatigt zu werden. In jedem die
ser Faile erlebt man die Entwicklung eines grauen unterbewerteten Wertpapier
marktes, der den GeschaftsfOhrern, der zivilen und der militarischen BOrokratie so
wie den Politikern vorbehalten ist. Buchhalterische Manipulationen erleichtern die
Hausse der Wertpapiere und sichern den Eingeweihten Extraprofite, ohne daB die
Unternehmensergebnisse verbessert wOrden oder der Staat ihnen ausdrOcklich sei
ne finanziellen Garantien entzoge (Handley, 1997: 1 09-113). Die Rolle der Borse bei
der finanziellen Ressourcenallokation scheint so zu einer systematischen Praxis von
101
Delikten Eingeweihter verkommen zu sein, die die "Wasche" rechtswidrig erworbe
ner Gelder mit einschlier..t.
Bei den auslandischen Direktinvestitionen, die sich zu 90% auf die Gror..region
Bangkok konzentrieren, ist das so nicht der Fall. Dies tragt dazu bei, ihre okonomi
sche und industrielle Bedeutung in bezug auf den Rest des Landes zu erhohen. In
70 % des entwickelten Asien lassen solche Investitionsstrome netto seit 1992 nach,
und zwar wegen Verzogerungen bei der Verbesserung der Infrastruktur, der Erho
hung der Grundstockspreise und Arbeitskosten sowie wegen des Mangels an quali
fiziertem Personal, was dem ROckstand in der hoheren Schul- sowie der technischen
Ausbildung geschuldet ist. Seit 1992 entwickelt sich China infolge einer zunehmen
den wirtschaftlichen Offnung einschlier..lich der Ubernahme marktwirtschaftlicher
Prinzipien zu einem gefOrchteten Konkurrenten fOr ganz SOdostasien. Es profitiert
zugleich von der geographischen und kulturellen Nahe zu Hongkong, Taiwan, Japan
und SOdkorea, seinen im Vergleich mit Thailand zwei bis drei Mal billigeren Arbeits
kraften und ausreichend vorhandenem, gut geschulten Personal. Dadurch wird Chi
na schnell zum privilegierten Zentrum der innerasiatischen Verlagerung der arbeits
intensiven Aktivitaten bei geringer WertschOpfung. Die Dynamik der Auslandsinve
stitionen in Thailand wird seitdem mehr und mehr von der Durchdringung eines in
voller Expansion befindlichen Binnenmarktes bestimmt, namentlich des Automobil
sektors, der von japanischen Firmen beherrscht wird. In den anderen Sektoren wie
der Elektronik- oder Textilbranche, die 1995 jeweils 23% und 12% der Exporte aus
machen, bleibt die lokale Wertschopfung insofern niedrig, als 75% bis 90% der Ein
zelteile oder der fOr die Produktion notwendigen Rohstoffe importiert werden? Die
sinkende Wettbewerbsfahigkeit der thailandischen Wirtschaft wird ab 1996 durch
zwei Faktoren bestimmt: die Aufwertung des Dollars, die zur Verteuerung der loka
len Exporte fOhrt, und das Nachlassen der weltweiten Nachfrage nach Elektronik
und Informatikprodukten, was ganz Asien in Mitleidenschaft zieht. Dies druckt sich
seit 1996 in einer Stagnation der Exporte und einem hoheren Handelsbilanzdefizit
aus, das zwischen 1993-1994 bei 6% liegt und zwischen 1995-1996 auf mehr als 8%
des BIP steigt.
Die Liberalisierung der Kapitalverkehrskontrollen der neunziger Jahre bewirkt eine
gesteigerte Zuflucht zu kurzfristigem Auslandskapital, urn die Schulden zu finanzie
ren, was bereits seit den achtziger Jahren an Bedeutung gewann. Dies geschieht in
Form von Krediten, Wertpapieraquisitionen auf dem Borsenmarkt und vor allem von
Konten fOr Devisenauslander. Die Zinssatzdifferenz zwischen auslandischen Mark-
7 Vgl. The Far East Australasia, 1998, S. 1075.
102
ten und dem thailandischen Markt erklart diese Praferenz. 1993 verstarkt die GrOn
dung einer "Offshore"-Zentrale, der ,Bangok International Banking Facility', die kurz
fristigen Kapitalstrome, die zu mehr als die Halfte Ober diese Mittlerinstitution laufen.
Diejenigen auslandischen Direktinvestitionen, die die EinfOhrung neuer Technologi
en und die Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit erlauben wOrden, sinken von
12% auf 1% der Kapitalimporte des privaten Sektors (Tanakra, 1996:11-15). Da die
Motoren investiver auslandischer Kapitalimporte und der Exporte stottern, wird das
Wachstum Thailands mehr und mehr von kurzfristigen Kapitalstromen abhangig.
Diese Investitionen wirken sich aJlein auf die Finanzsphare aus, weil sie spekulativ
orientiert sind und massiv an die Borse und in den Immobilienmarkt drangen.
FOr den FaJl einer Wechselkurskrise und einer Abwertung des Baht, was wie in Me
xiko ihre Anlagen entwerten wOrde, fOhren die internationalen Spekulanten zu ihrer
eigenen Beruhigung die Unterschiede zwischen den beiden Landern ins Feld. Auch
wenn die thailandische AuBenschuld 1996, die Halfte davon kurzfristig, gemessen
am Prozentsatz des BIP prozentual hoher ist als die Mexikos 1994 (49% zu 35%),
finanziert sie nicht, so wird unterstrichen, die Konsumtion, sondern die Investition
(43,8% des BIP), indem sie eine schon erhohte Sparquote erganzt8. In Wirklichkeit
ist diese Analyse aus zwei GrOnden fehlerhaft. Erstens bleibt die thailandische Er
sparnis vor aJlem eine offentliche: die Behorden realisieren die HaushaltsOberschOs
se zugleich durch finanzieJle Orthodoxie und durch Nachlassigkeit der fragmentier
ten Verwaltungen. Letztere sind den instabilen politischen Koalitionen unterworfen,
die unfahig sind, das groBe Infrastrukturprogramm umzusetzen, das das Land drin
gend braucht. Die private Ersparnis ist, wie wir gesehen haben, von 20 auf 8% der
Nettoeinkommen zwischen 1989 und 1995 gesunken. Das laBt vermuten, daB die
auf kurzfristige Kapitalimporte basierende AuBenverschuldung, wie in Mexiko, mas
siv dem zur Schau gestellten Konsum der Mittel- und Oberschicht finanziert hat.
Zweitens spiegelt die thailandische Investitionsrate (43,8% des BIP), die im Ver
gleich mit Mexiko (23,5%) in 1994 sehr hoch ist, nicht die Effizienz der Ressourcen
allokation wider, sondern das Verschleudern von Krediten an spekulative Immobili
enprojekte, die Oberkapazitaten schaffen. Die Summe der Kredite, die dem Immobi
liensektor Ende 1996 gewahrt wurde, wird auf 800 Milliarden Baht (31 Milliarden
US$) geschatzt, d.h. auf 16% des BIP. Davon ist mehr als die Halfte (17 Milliarden
US$) aus zweifelhaften oder uneinbringlichen Schuldforderungen zusammengesetzt.
Zur gleichen Zeit zahlt man allein in Bangkok 350.000 leerstehende Immobilien und
800.000 im Obrigen Land. AuBerdem wurden 200 Golfplatze gebaut, wahrend 20%
8 Vgl. Financial Times, 9.8.1996.
103
der 400.000 thailandischen Golfspieler die Mittel fOr eine Clubmitgliedschaft haben9.
Diese spekulative Verschwendung von Investitionen an den Immobiliensektor, die
durch die kurzfristigen Kapitalstrome begOnstigt wird, beschwort eine weitere Paral
lele zu Mexiko. Jedoch laBt sich die ObermaBig hohe Investitionsrate im Unterschied
zu Mexiko nicht allein auf die Bedeutung der offentlichen Sparquote, den seit 1988
akkumulierten HaushaltsOberschuB oder die kurzfristigen Kapitalstrome zurOckfOh
ren, die in den neunziger Jahren weniger als 10% des BIP ausmachten1O. Die einzi
ge Erklarung fOr dieses Phanomen bleibt die massive Verwertung der beachtlichen
Vermogen der Schattenwirtschaft durch das thailandische Finanzsystem. Das wOrde
insbesondere die Anomalie steigender Investitionsraten bei sinkender privater Er
sparnis und begrenzten Selbstfinanzierungsressourcen der Unternehmen erhellen.
Um diese Hypothese zu vertiefen, mOssen wir auf die Besonderheiten des thailandi
schen Finanzsystems zurOckkommen.
III Cas thaiUindische Finanzsystem
Die thailandischen Geld- und Finanzkreislaufe werden, in der Provinz wie in Bang
kok, von Unternehmern chinesischer Herkunft dominiert. Neben dem formalen Netz
offizieller Niederlassungen koexistiert ein informelles System von Darlehen und
Zahlungen an internationale Schnittstellen 11. Dank des huikuan, wortlich "Geldsen
dung", das im 19. Jahrhundert auf einer assoziativen Grundlage durch Einzahlungen
der chinesischen Emigranten von SOdostasien entstanden ist, ist es moglich, mit
einem Minimum an Dokumenten und einem Maximum an Diskretion unabhangig
von legalen Bankgeschaften Summen von Ober 500.000 US$ von Chieng Mai nach
Bangkok oder von Bangkok nach Honkong und New York zu transferieren. Ein Sy
stem der Schuldanerkennung und der gegenseitigen Verrechnung erlaubt es, eine
lokal deponierte Summe bei einem nicht offiziellen "Banker" eines anderen Landes
abzuheben. Juweliere, Industrieverbande, ImportlExport-Unternehmen oder Devi
senhandler dienen als Kanale fOr diese inoffiziellen Tauschgeschafte. Sie gehOren
zumeist zur selben Dialektgemeinschaft der Chaozhou-Chinesen, die aus Shantou
im Norden der Proivnz Guangdong stammen. Diese informellen Netze, die den ha-
9 Vgl. Far Eastem Economic Review, 21.08.1997; Nord-Sud Export Consultants, 22.2.1997 u. 27.4.1997. 10 Der Vorrang der offentlichen vor der privaten Erspamis ist eine der Sesonderheiten der thailandischen Okonomie gegenOber den anderen kapitalistischen Okonomien Asiens: z.S. beliefen sich die offentlichen ROcklagen zwischen 1980 und 1985 auf 14,3% des SIP und die privaten lediglich auf 4,7%. Sis zur Krise von 1997 machten die jahrlichen HaushaltsOberschOsse der neunziger Jahre durchschnittlich 3% des SIP aus. 11 Darunter sind z.S. Immigranten-Communities zu verstehen.
104
wala - Netzwerken in Sudostasien ahnlich sind, werden fur legale wie fOr illegale
Geschafte, z.B. den Drogenhandel, in Anspruch genommen. Das huikuan-System
hat zweifellos einen zu vernachlassigenden Einflur.. auf die Gesamtheit der interna
tiona len thailandischen Zahlungen. Dasselbe lar..t sich jedoch nicht vom informellen
Kreditsystem sagen, das im Fall des Versagens des formellen Finanzmarktes be
deutenden Einflur.. auf die interne Okonomie haben kann.
Das formelle Finanzsystem setzt sich aus Handelsbanken, Finanzgesellschaften und
"Offshore"-Banken zusammen. 90% der Aktiva der Banken, die Ende 1996 auf 227
Milliarden US$ veranschlagt wurden, entspringen heimischen Unternehmen, von
denen die ersten sechs 67% der gesamten Aktiva ausmachen (Bangkok Bank,
Krung Thai, Thai Farmers, Siam Commercial, Bank of Ayudhya, Thai Military). Die
91 Finanzgesellschaften entgehen weitgehend der Aufsicht durch die Zentralbank
und reprasentieren Ende 1996 Aktiva in Hohe von 72 Milliarden US$. Finanziert
durch Anleihen oder Schuldscheine, die von Privaten gezeichnet werden konnen,
sind sie in Makler- und Kreditgeschaften vor allem in der Immobilienbranche enga
giert. Der "Offshore"-Markt (Bangkok International Banking Facility) zahlt 46 Banken,
davon 15 einheimische, und das gesamte Darlehensvolumen wird Ende 1996 auf 51
Milliarden US$ geschatzt, wovon 60% Devisendarlehen fOr Deviseninlander sind
(Lakhona, 1997). Die Bank von Thailand hat nie eine nennenswerte Supervision
uber das Finanzsystem ausgeubt. Die obersten Manager der sechs wichtigsten Ban
ken konnen von der Zentralbank abgestellt sein oder umgekehrt, was zu einer Ver
wirrung zwischen den "Bankern" und den Supervisoren fOhrt. Diese Unklarheit der
Rollen wird durch den Verlust der vollstandigen Unabhangigkeit der Bank von Thai
land gegenuber der politischen Macht nach der Regierung Banharm seit 1995 ver
starkt. Wenn man zusatzlich bedenkt, dar.. die Politiker oft Aktionare der Finanzge
sellschaften sind, dar.. zwei der sechs gror..ten Institute, die 'Krung Thai Bank' und
die 'Thai Military Bank', Eigentum der Regierung und der Streitkrafte sind und dar..
die 'Bangkok International Banking Facility' per definitionem nicht der Aufsicht durch
die Zentralbank unterliegt, erhalt man das Gesamtbild eines zugleich spekulativer
und politi scher Macht untergeordneten Finanzsystems. Gemeinsam mit dem durch
die Stagnation der Exporte 1996 bedenklich beeintrachtigten Wachstum begunstigt
die Abhangigkeit den Zustand der fortgesetzten Spekulation aus zwei Grunden: die
nationalen und internationalen Spekulanten sind davon uberzeugt, dar.. das Risiko
eine souverane Gror..e ist und im Fall des Zusammenbruchs der privaten Finanzin
stitute diese von der Bank von Thailand abgesichert werden; dies urn so mehr als
105
dal1 letztere Ober einen acht Jahre wahrenden HaushaltsOberschul1 und solide De
visenreserven verfOgt12 .
Ende 1996 platzt die Immobilienblase nach dem Kurssturz an den Borsen, die be
reits zu Beginn des Jahres angeschlagen waren. Von den 90 Milliarden US$ Aul1en
schuld, davon 37 Milliarden US$ kurzfristig, wurde der Gegenwert von ca. 31 Milliar
den US$ an die eigentlichen Urheber der Krise rOckverliehen. Die Halfte dieser
Gelder wurden Ober die Finanzgesellschaften vermittelt und reprasentieren unein
bringliche Forderungen. Der Fall von ,Finance One', der wichtigsten von ihnen, ist
ziemlich reprasentativ: Noch 1995 kontrolliert ,Finance One' nahezu 20% der
Borsentransaktionen von Bangkok. Ihre Aktiva belaufen sich zu der Zeit auf 6 Milli
arden US$, der Teil der Immobiliendarlehen macht 30% und der Teil der Konsum
kredite bis zu 24% davon aus (Boulestreau, 1998: 115-117). Bei ,Finance One' wie
anderswo schwacht der Borsensturz die Liquiditat der Gesellschaft, die angesichts
der ImmobilienOberkapazitaten und der Zahlungssaumnisse ihrer Schuldner einen
Engpal1 erleidet. Das soli nicht zum Problem der Banken werden: Die Regierung
bildet einen "Entwicklungsfonds" fOr Finanzinstitutionen in Hohe von 19 Milliarden
US$ oder 10 % des BIP, der die sich in Schwierigkeiten befindenden privaten Insti
tute wah rend des ersten Semesters 1997 wieder flottmacht. Selbst der frOhere Fi
nanzminister Wiraphong Ramangkun zeigt sich erstaunt Ober die Grol1enordnung
dieser Unterstotzung, wenn er unterstreicht, dal1 die anfangliche Anfrage des Vorsit
zenden der Bank von Thailand nicht mehr als ein Zehntel dieser Summe betrug.
Aber diese Rettungsmal1nahme, die von der politischen Klasse veranlal1t wurde,
wird nur einen begrenzten Nutzen haben; dies aus folgendem Grunde: Anstatt die
Liquiditatsprobleme der Finanzinstitute zu losen, verleihen die Banken die Mehrzahl
der offentlichen Gelder, die ihnen zu Zinsen von 13% gewahrt wurden, sogleich an
ihre Kunden zu einem Prozentsatz von 20% weiter oder legen sie im Ausland an 13.
Die restlichen Reserven der Bank von Thailand erschopfen sich in der hartnackigen
Verteidigung der Wahrungsparitat gegenOber dem Dollar - besonders auf dem Ter
minmarkt - mit dem Versprechen, in den nachsten drei, sechs, neun oder zwolf Mo
naten Baht in Hohe von 23,4 Milliarden US$ zu kaufen. BerOcksichtigt man diese
unklugen Verbindlichkeiten, betragen die realen Devisenreserven im Mai 1997 nur
800 Millionen US$, wahrend die Bank offiziell Reserven von 38 Milliarden US$ an-
12 Vgl. Financial Times, 12.1.1998:6. 13 Vgl. ThaT Rat, Bangkok, 12.8.1997, in SWB BBG Asia Pacific, 15.8.1997, Far Eastern Economic Review, 4.9.1997.
106
gibt14. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Zahlen offenbart den Umfang der
Wahrungskrise, die entsprechend des Nothilfeplans des IWF Ober 17 Milliarden US$
mit der Entscheidung, den Baht ab Juli '97 f/oaten zu lassen, offensichtlich wird. Die
Schlier!.ung von 56 der 91 zahlungsunfahigen Finanzgesellschaften - eine Forderung
der internationalen stillen Teilhaber - erfolgt erst nach langwierigen Verhandlungs
monaten. Wahrenddessen versucht die Regierung Chavalit noch vor ihrem Sturz,
unter dem Druck der offentlichen Meinung im November 1997 die Institute Ober of
fentliche Gelder zu rekapitalisieren. Die Wahrungskrise verwandelt sich in eine Fi
nanz-, Wirtschafts- und politische Krise und unterstreicht die betrachtliche Verant
wortung der FOhrungskreise.
Ein Jahr spater werden die Gesamtkosten auf 128 Milliarden US$ oder 100% des
BIP von 1998 geschatzt. BerOcksichtigt man den Sturz des Borsenindexes um 50%
und die Reduzierung des Geldumlaufes um mehr als 70% - in Dollar gerechnet - so
vergror!.ert sich gleichzeitig die ROckzahlungslast der lokalen Darlehensnehmer. Von
den 35 Finanzgesellschaften, die nach Dezember 1997 fortbestehen, bleiben letzt
endlich nicht mehr als 28 Obrig. Die Kosten der Rekapitalisierung des Bankensy
stems werden auf mehr als 20 Milliarden US$ geschatzt, eine Zahl, die die Kapitali
sierung der Bangkoker Borse Obersteiges. Die Arbeitslosigkeit breitet sich aus, und
die Rezession lar!.t das BIP 1998 um wenigstens 4% schrumpfen. Wie tief die Krise
ist, zeigt sich an ihrer Regionalisierung: die reihenweise Abkoppelung anderer Wah
rungen SOdostasiens und die ROckwirkung der thailandischen Schwache auf die
japanischen Banken, die die Halfte der kurzfristigen Schulden des Landes finanziert
haben; nicht zu sprechen von den koreanischen Investitionen und Darlehen in SOd
ostasien, die sich auf 15,5 Milliarden US$ erhohen 16. Die Wiederbelebung der thai
landischen Exporte, die zur Halfte nach Asien gehen, bleibt gleichzeitig durch die
lokalen Rezessionserwartungen behindert.
IV SchluBbemerkung
Die Betrachtung einer lokalen Situation, insbesondere der thailandischen, lar!.t dar
auf schlier!.en, dar!. es keine Netzwerke gibt, die allein in Funktion des Drogenhan
dels organisiert sind. Zuweilen macht der Drogenhandel die Masse der kriminellen
14 Vgl. Erklarung des Wirtschaftsberaters von Premierminister Chuan Leekpai, ThaI Rat, Bangkok, 15.4.1998, in SWB BBC Asia Pacific, 22.4.1998. 15 Vgl. Erklarung des Finanzministers Pisit Leeahtam, Financial Times, 19.5.1998; The Economist, 8.8.1998, S. 66. 16 Vgl. Federation of Korean Industries, Yonhap News Agency, Seoul, 17.2.1998, in SWB BBC Asia Pacific, 18.2.1998. 60% der von den Koreanern bereitgesteillen Investitionen und Darlehen, die sich auf 9,3 Milliarden US$ belaufen, gingen nach Indonesien und Thailand.
107
Profite aus (Mexiko), aber in den Transit- (China, Thailand) und Konsumlandern
(Japan) scheint sein okonomisches Gewicht viel eingeschrankter zu sein.
Betrachtet man jedoch die Narko-Profite als Teil eines grauen und schwarzen
Marktes, ergibt sich ein anderes Bild. In Thailand und Japan wie in Mexiko wachst
die "kriminelle Okonomie" auf dem Boden der systematischen Korruption, der tradi
tionellen Toleranz gegenOber dem organisierten Verbrechen und eines immer kost
spieligeren politischen Systems, das es immer schwieriger macht, illegale Transak
tionen von der offiziellen Okonomie und der Macht bestimmter politi scher Parteien
zu unterscheiden.
Die Dynamik der Geldwasche schafft die Bedingungen einer fortschreitenden Insti
tutionalisierung der kriminellen Sphare und bringt gleichzeitig das Finanzsystem aus
dem Gleichgewicht: Indem die Geldwasche den Wettbewerb verzerrt, raumt sie der
Spekulation ein Vorrecht gegenOber der Produktion ein. Sie verstarkt die Bildung
von Immobilien- und Borsenblasen bis hin zu einer Krisensituation, die zum Effekt
haben kann, daB die zweifelhaften Schulden, von denen ein bedeutender Teil der
rechtswidrigen und der kriminellen Okonomie zuzurechnen ist, auf die Gemeinschaft
abgewalzt werden.
1m Fall Thailand kommt die Krise durch die ROckbildung des formellen Finanzsektors
zugunsten des informellen Sektors zum Vorschein und verstarkt so die Macht der
Geldwasche, die ein beachtliches Niveau erreicht. In Thailand wie auch in Japan
und Mexiko erscheint die Verantwortung bestimmter politischer Umfelder insofern
determinierend, als die exorbitanten Wahlausgaben teilweise durch die Wiederver
wertung derselben rechtswidrig erlangten Gelder finanziert sind.
Der Verbindungen zwischen organisiertem Verbrechen, Geldwasche und Finanzkri
sen ergeben sich nicht automatisch, wie die Ausweitung der thailandischen Krise auf
gesamt SOdostasien, Korea und China zeigt. Gemeinsam ist all diesen Landern eine
systemische Korruption, die die Investitionstatigkeit verzerrt und das Vertrauen in
Kreditgeschafte schmalert. Die regionale Ausweitung der Krise beruht weitgehend
auf der Regionalisierung der Investitionen und des Handels, die zur Halfte innerhalb
des Gebietes getatigt werden. Aber Thailand wie auch Japan haben als die neural
gischen Punkte der Krise einen qualitativen Sprung von der systemischen Korrupti
on zur progressiven Kriminalisierung der Finanzsphare erfahren. Aus diesem Blick
winkel ist die Asienkrise nicht auf ein zyklisches Problem der schmerzhaften Anpas
sung zu reduzieren, die den Weg zu einem gesunden Wachstum bereitet, sondern
108
stellt ein strukturelles und institutionelles Problem dar, das auf eine Art der Demo
kratisierung der politischen Regime und deren Unfahigkeit verweist, ein Rechtssy
stem einzufOhren, daB von unmittelbaren Machtinteressen unabhangig ist. In Kam
bodscha, den Phillipinen und Taiwan macht sich eine beunruhigende Tendenz be
merkbar, die man bereits in Thailand am Werke gesehen hat: Der Demokratisie
rungsprozeB der Regime wird vom organisierten Verbrechen mehr und als Trojani
sches Pferd benutzt. Der okonomische Aufstieg erlaubt es den "auBerhalb des Ge
setzes Stehenden", ihren marginalisierten Status zu verlassen und die Achtbarkeit
von Honoratioren zu erlangen: Nun stehen sie "Ober dem Gesetz", indem sie politi
sche Parteien finanzieren oder ihrerseits von der parlamentarischen Immunitat profi
tieren. Diese Tendenz ist im Obrigen nicht asienspezifisch: Die gefahrliche Verbin
dung der Demokratisierung des Regimes mit dem Aufstieg des organisierten Ver
brechens ist genauso gut in den post-kommunistischen Landern, allen voran RuB
land, zu beobachten.
So bleiben die strukturellen Wurzeln der thailandischen Finanzkrise jenseits der
Konjunktur Oberlebensfahig. Das thailandische Finanzystem hat die Geldwasche
institutionalisiert: an der Borse, innerhalb der Finanzgesellschaften sowie der regio
nalen Zweigstellen der Nationalbanken, die unter dem EinfluP.. der lokalen Paten in
deren bevorzugten Provinzen stehen (Vatikiotis, 1998). Diese Institutionalisierung ist
die logische Konsequenz aus der Abwesenheit des Gesetzes gegen die Geld
wasche, bzw. deren sehr eingeschrankter Definition: z.B. des besonderen Falls des
Drogenhandels, der isoliert betrachtet, lediglich begrenzte Summen betriffi. Das
Bankgeheimnis wird strikt eingehalten, und die thailandischen Behorden haben sich
immer gegen eine Ausweitung des Begriffs der Geldwasche auf die Gesarntheit der
unzulassigen Aktivitaten gestellt, da diese schlieBlich die immer teureren Wahlkam
pagnen finanzieren. Die Politik, die als "die Fortsetzung der Geschafte mit anderen
Mitteln" begriffen wird, entspricht einem Unternehmen zur Umleitung staatlicher In
vestitionen in private Taschen: sei es durch die Unterschlagung von Provisionen fOr
Infrastrukturprojekte, sei es durch die unsaubere offentliche Beschaffung von AusrO
stungen, die durchschnittlich 30% bis 40% des Staatshaushaltes ausmachen (Pi
riyarangsan, 1996:164), oder durch Wertpapiermanipulationen und spekulative In
vestitionen. 1m letzten Fall ruft die Plazierung rechtswidrig erwirtschafteter Gelder
einen kOnstlichen Ankurbelungseffekt auf die Wirtschaft aus, indem sie die Immobi
lien- und Borsenblase und den Konsum alimentieren. Der ZufluP.. von kurzfristigem
Auslandskapital verstarkt diese Dynamik noch, da durch ihn die lokale Wettbe
werbsfahigkeit bis hin zur offenen Krise geschwacht und die Vergesellschaftung der
Verluste ermoglicht wird.
109
Die Verantwortung der FOhrungselite fOr diese Situation ist so deutlich, dar., eine der
Prioritaten Thailands zur Bewaltigung der Krise die Erarbeitung einer neuen Verfas
sung ist, die darauf abzielt, die Rolle des Geldes in der Politik zu beschranken. Es
ist noch zu frOh, Aussagen Ober die Wirksamkeit der institutionellen Reform zu ma
chen, doch bereits jetzt verweisen bestimmte Anzeichen auf die Kontinuitat des Sy
stems. So betonte der Korruptionsspezialist Sungsidh, dar., auch heute im thailandi
schen Parlament zwanzig bis dreir.,ig Parlamentarier iIIegalen Aktivitaten nachgin
gen, um die enormen Summen fOr den Stimmenkauf fOr ihre Wiederwahl aufbringen
zu konnen. Die Gewinne aus rechtswidrigen Aktivitaten sind leicht zu erzielen, be
trachtlich und nicht steuerpflichtig. Ihre Plazierung in regularen Geschaften schaltet
ehrliche Unternehmer aus und begOnstigt eine kOnstliche Hausse, besonders im
Immobiliensektor, wo die Preise trotz der Krise nicht sinken (Boulestreau, 1998:141).
Dem "Unternehmen Geldwasche" gelingt es so, trotz der Verstaatlichung einiger
Banken oder der Rekapitalisierung der sechs gror.,ten Geldinstitute die Sanierung
des Finanzsystems zu verhindern. Die strengsten Kriterien der Kreditgewahrung, die
von der 'Bank of Thailand' in der Sorge eingefOhrt wurden, die lokalen auf die inter
nationalen Gepflogenheiten auszurichten, zogen ein Steigen der Zinssatze fOr Dar
lehen nach sich, die nun zuweilen mehr als 16 % erreichen. Dies wiederum verstarkt
bei den "Bankern" die Neigung, auf die Netze des informellen Kredits des huikuan
zurOckzukommen, die eine wahrhafte Renaissance erfahren, da sie die Plazierung
rechtswidrig erlangter Gelder zulassen und ungleiche Konkurrenzverhaltnisse abfe
dern (Vatikiotis, 1998). Unter diesen Umstanden besteht die Tendenz, die Sanierung
des Finanzsystems unter dem Einflur., der illegalen Wirtschaftszweige zu verzogern,
da diese die Ressourcenallokation hin zu den am wenigsten wettbewerbsfahigen
Sektoren begOnstigen und so das Schuldenproblem sowie die Aur.,enabhangigkeit
des Landes betont werden.
Logik und Ziele von Deregulierung und Globalisierung des Handels haben die inter
nationale Agenda in den letzten Jahren dominiert. Die einzige Regel, die von der
Globalisierung der Finanzen anerkannt wird, ist die Selbstregulierung durch den
Markt; sie ist dem politischen Willen aur.,erlich und befindet sich konkret in einem
Raum "aur.,erhalb des Rechts". 1m Rahmen dieser weltumspannenden Dynamik wer
den der Drogenhandel und - allgemeiner - die okonomische Ausweitung der Grau
zonen und des organisierten Verbrechens als negative Konsequenzen einer positi
yen globalen Bewegung betrachtet. Auf einer diffuseren Ebene besteht die Vorstel
lung fort, dar., die Geldwasche es erlaubt, das rechtswidrig erzielte Kapital funktional
zu integrieren, da mit ihm ein Aufschwungseffekt keynsianischen Typs bewirkt wer
den kann. Die Rolle, die die Profite aus Drogenhandel und organisiertem Verbre-
110
chen in den drei gror..eren Finanzkrisen nach dem Kalten Krieg (Japan, Mexiko,
Thailand) gespielt haben, hat jedoch gezeigt, dar.. trotz der betrachtlichen okonomi
schen, kulturellen und politischen Unterschiede zwischen den Landern die Geld
wasche in allen Fallen die Bildung von Immobilien- und Borsenspekulation be
schleunigt, die Spielregeln durch Bedrohung und Gewalt unmerklich verandert, den
Wettbewerb zum eigenen Vorteil verzerrt und mit der Krise die nationale und inter
nationale Kollektivierung der Verluste und Schulden bewirkt, wovon ein nicht zu ver
nachlassigender Teil mafiOsen Ursprungs ist.
Trotz seines begrenzten Gewichts kann die Geldwasche das Verhalten der machtig
sten Marktoperatoren wie etwa die institutionellen Investoren der reichen Lander
(Pensionsfonds und mutual funds) beeinflussen. Die sehr attraktiven Kapitalrenditen
auf den von der Geldwasche gezeichneten Finanzmarkten bringen sie tatsachlich
dazu, ihr Portefeuille in diese Richtung zu diversifizieren und durch ihre Massenwir
kung die monetare Destabilisierung in den "aufstrebenden Landern" zu verstarken.
Die Anziehungskraft zwischen den "kriminalisierten" Okonomien und dem internatio
nalen Kapital reproduziert so auf globaler Ebene die Anziehungskraft zwischen
Geldwasche und spekulativen Sektoren auf lokaler Ebene.
Literaturverzeichnis
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Boulestreau, Emmanuelle (1998): Cronique d'une Catastrophe Anoncee: Coree, Thailande, Indonesie ... , Paris
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Vatikiotis, Michael (1998): Far Eastern Economic Review, 16.04.1998
112
Drogenhandel im sudlichen Afrika:
Die Hinterlassenschaft von Krieg und Apartheid1
Laurent Laniel2
Trafficking Drugs in Southern Africa: The Legacy of War and Apartheid When
Southern Africa opened up to the world following the end of civil wars and the down
fall of apartheid in the RSA in the mid-1990s, the region simultaneously became both
an export and transit hub and a market for international flows of illicit substances like
cocaine, heroin, hashish, marijuana and synthetic drugs. Three, macro-level, inter
connected geopolitical factors are being discussed in order to explain the recent
mutation of the Southern African drug geopolitics: The "ethnic-political factor". Ac
cording to this explanation, the rampant or open civil and international conflicts aris
ing from apartheid and the barriers it has erected between ethnic communities and
countries have become a breeding ground for processes fostering the production,
trafficking and consumption of banned drugs. Secondly, the "legacy of conflicts", re
lating the illegal infrastructure and expertise that were developed in the region during
three decades of conflicts. The third factor is "barter", an age-old tool of traders
around the world. Currently, drugs are well suited to play the part of a "strong cur
rency" in this business.
Inhalt
EinfOhrung
I SOdafrikanische Scheidewege
II Ethnische und Politische Trennungslinien
III Die Hinterlassenschaft der Konflikte
IV Tauschhandel
V SchluBbemerkung
Literaturverzeichnis
1 Die Lateinamerikanistin Rita Hoppe aus Berlin Obersetzte den Text aus dem Englischen. 2 Soziologe. arbeitet als Forscher am Observatoire Geopolitique des Drogues (000) in Paris. Mitglied des UNESCO/MOST-Drogenforschungsnetzwerkes. [email protected] und [email protected].
113
EinfUhrung
In our own time, the analogy between war making and state making,
on the one hand, and organized crime, on the other, is becoming
tragically apt. Charles Tilll
Bis in die friihen 90er Jahre spielte das siidliche Afrika4 in der internationalen Dro
genszene eine eher marginale Rolle. Zumindest zeigten sich lokale und internatio
nale Beobachter nicht sonderlich besorgt iiber die Drogensituation in der Region.
Oberdies stellte und stellt der AlkoholmiBbrauch - insbesondere von hausgemachten
Bieren und Spirituosen - in den meisten siidafrikanischen Uindern ein viel ernsteres
Problem dar als der Drogenkonsum. Abgesehen von dem in der Region weit ver
breiteten GenuB von Cannabis, das lokal angebaut wird und haufig gesellschaftlich
akzeptiert und kulturell integriert ist, sowie dem MiBbrauch von legalen Medikamen
ten, wurden iIIegale Drogen nicht iiberall konsumiert oder gehandelt. Eine wichtige
Ausnahme ist Mandrax, ein Antidepressivum, das in der Republik Siidafrika (RSA)
bereits wahrend der letzten zwanzig Jahre eine breite medizinische Verwendung
fand, jedoch auch miBbrauchlich konsumiert wurde.
Ais das siidliche Afrika sich Mitte der 90er Jahre mit dem Ende der Biirgerkriege und
dem Zusammenbruch der Apartheid in der RSA der Welt otfnete, wurde die Region
zur Drehscheibe fiir den regionalen Export und den legalen Warentransit, aber auch
zugleich fUr die Handelswege illegaler Substanzen wie Kokain, Heroin, Haschisch,
Marihuana und synthetische Drogen (hauptsachlich LSD und Extasy). Zum Teil kann
dieser plotzliche Anstieg mit einer Schwerpunktverlagerung bei den lokalen und in
ternationalen Strafverfolgungsbehorden erklart werden, die sich, nachdem der Frie
den in den 90er Jahren in die meisten siidafrikanischen Lander zuriickgekehrt war, in
der Lage sahen, der Drogenproblematik mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dennoch
gibt es kaum Zweifel daran, daB, in realen Zahlen ausgedriickt, mehr Drogen in der
Region gehandelt und konsumiert wurden als vorher. 1995, ein durchschnittliches
Jahr, fUr das die bislang umfassendsten Statistiken vorliegen, wurde im siidlichen
Afrika nahezu die Halfte des in ganz Afrika aufgebrachten Heroins konfisziert. Dar
iiber hinaus fingen die Behorden in der Region 9% des weltweit beschlagnahmten
Marihuanas und 48% des Methaqualone5 abo Wahrend 1995 die in Afrika konfiszier-
3 Tilly, C.: "War Making and State Making as Organized Crime", in Evans, P., Ruschmeyer, D. & Skocpol, T.: Bringing the State Back In, Cambridge University Press, Cambridge, 1984, pp. 169-191. 4 In diesem Artikel sind mit "SOdafrika" oder "die Region" folgende Lander gemeint, die aile Mitglieder der Southern African Development Community (SADC) sind: Angola, Botswana, Lesotho, Malawi, Mauritius, MQ9ambique, Namibia, SOdafrika, Swaziland, Tansania, Sambia und Zimbabwe. 5 Grundsubstanz von Mandrax.
114
ten Mengen Kokain noch gering waren6, entfielen 73% (200 Kilogramm) des auf dem
Kontinent beschlagnahmten Kokains auf das sOdliche Afrika?
1m Sommer 1997 fOhrte die Observatoire Geopolitique des Drogues (OGD) auf An
frage der Europaischen Kommission8 eine Studie im sOdlichen Afrika durch, die die
GrOnde fOr den drastischen Wandel erhellen sollte. Die OGD-Studie ist die erste ihrer
Art, die jemals in diesem Teil der Erde durchgefOhrt wurde. Ihr Ziel war es u.a., ein
Bild von den regionalen Drogengeopolitiken zu zeichnen. Eine der vorgefundenen
Schwierigkeiten bestand in der Unzuverlassigkeit der drogenbezogenen Polizei- und
Gesundheitsstatistiken9 . Dieses Problem existiert zwar weltweit, ist aber im sOd lichen
Afrika besonders prononciert anzutreffen. Ais die Studie durchgefOhrt wurde, hatten
erst wenige der untersuchten Lander nationale Instrumente zur Oberwachung von
Drogenkonsum, -produktion oder -handel entwickelt. Die Informationen mur..ten aus
einer Vielfalt an Quellen gewonnen werden, darunter auch die Gesundheits- und Po
lizeibehorden, Sozialarbeiter, Journalisten, Akademiker, NGO-Mitglieder sowie Pro
duzenten, Handler und Konsumenten von Drogen, urn sie dann verarbeiten, verglei
chen und analysieren zu konnen.
Der Autor schlagt drei geopolitische Faktoren zur Erklarung der jOngsten Verande
rung sOdafrikanischer Drogengeopolitiken vor, die auf der Makroebene miteinander
verbunden sind. Es wird nicht der Anspruch erhoben, dar.. diese Faktoren die einzi
gen sind, sondern lediglich, dar.. sie fOr das Verstandnis der gegenwartigen Drogen
situation im sOdlichen Afrika von zentraler Bedeutung sind.
Zunachst der "ethnisch-politische Faktor": Diesem Erklarungsansatz zufolge bildeten
die schwelenden oder offenen zivilen und internationalen Konflikte, die aus der
Apartheid entstanden sind, insbesondere die Barrieren, die zwischen den ethnischen
Gemeinschaften und Landern errichtet wurden, einen fruchtbaren Boden fOr Prozes
se, die die Produktion, den Handel und den Konsum von verbotenen Drogen befor
derten.
Eine weitere Erklarung ist die "Hinterlassenschaft der Konflikte": sie bezieht sich auf
die illegale Infrastruktur und die Sachkenntnis, die wah rend dreier konfliktbeladener
Jahrzehnte in der Region entwickelt wurden. Tatsachlich betrieben eine Reihe politi
scher und okonomischer Krafte wahrend des Kalten Krieges und der Apartheid in
grol.?em Umfang illegale Handelsaktivitaten, die nichts mit Drogen zu tun hatten, in-
6 Sie erfuhren seitdem einen signifikanten Anstieg. 7 Die Quellen dieser zahlen stammen aus einer Reihe von Berichten von Interpol und der Weltzollorganisation. 8 Die Feldstudie wurde im Sommer 1997 durchgefOhrt. Es mu(1, betont werden, da(1, die in diesem Artikel vorgebrachten Argumente in der alleinigen Verantwortung des Autors liegen und da(1, sie nicht notwendigerweise die Meinung der OGD oder der Europaischen Union wiedergeben. FOr mehr Information Ober die OGD konsultieren Sie bitte folgende Homepage: http://www.ogd.org. 9 Wichtige Ausnahmen sind Mauritius, Namibia und Tansania.
115
nerhalb der Region sowie zwischen der Region und dem Rest der Welt. Zum greBten
Teil dienten sie dazu, kriegfOhrende Parteien zu alimentieren und das Embargo zu
umgehen, das die internationale Gemeinschaft gegen SOdafrika errichtet hatte. Jetzt,
und SOdafrika ist hiermit keine Ausnahme in der heutigen Welt, nehmen diese Ver
bindungen und Netzwerke "neue" Produkte in ihr Sortiment auf, u.a. Drogen. Mit der
Transition vom Krieg zum Frieden haben sich auch der Charakter und der Diskurs
der illegalen Netzwerke, von "politisch" zu "merkantil" gewandelt.
Der dritte Faktor ist der Tauschhandel, ein uraltes Instrument der Handler in der gan
zen Welt. Drogen wurden Teil der Produktpalette, die von Schmuggelnetzen gehan
delt werden, weil sie Waren mit einer hohen Gewinnspanne sind. Zudem sind sie auf
dem Weltmarkt leicht erhaltlich und kennen jederzeit gegen Waren, die das sOdliche
Afrika anzubieten hat, getauscht werden. Drogen sind gut geeignet, die Rolle einer
"starken Wahrung" zu spielen: sie haben einen hohen Festpreis und sind der Inflati
on kaum unterworfen; ihre lIIegalisierung garantiert die Mindestpreise und reguliert
die Oberproduktion. Aufgrund ihres geringen Volumens sind sie recht einfach zu
transportieren und kennen im wachsenden regionalen Konsumentenkreis verauBert,
aber auch zu anderen Transaktionen verwendet werden.
Bevor diese Faktoren detailliert untersucht und in einen Gesamtzusammenhang ge
stellt werden kennen, ist es notwendig, ein umfassendes Bild der Drogenszene im
sOd lichen Afrika zu zeichnen. Die Republik SOdafrika wird hierbei eine herausragen
de Rolle spielen.
SOdafrikanische Scheidewege
Die Republik SOdafrika wurde aufgrund ihres ekonomischen, politischen und demo
graphischen (41,5 Millionen Einwohner) Gewichtes, ihrer Lage auf der Weltkarte und
einer vergleichsweise modernen und effizienten Infrastruktur eben so zum Zentrum
des regionalen Drogenhandels, wie auch zur Drehscheibe legaler Warenstreme des
sOdlichen Afrikas. Beschlagnahmungen und andere Indikatoren zeigen, daB der
Hauptteil des Drogenhandels auf dem Landweg abgewickelt wird. Weil die meisten
StraBen und Eisenbahnstrecken, die im 19. und frOhen 20. Jahrhundert im sOd lichen
Afrika gebaut wurden, um die landwirtschaftlichen und bergbaulichen Ressourcen
der Region zu exportieren, zu den Seehafen der Republik SOdafrika fOhren, treffen
dort auch die meisten regionalen Drogenhandelsrouten zusammen. SOdafrika ist be
reits heute einer der Dreh- und Angelpunkte der internationalen Drogenhandelswege
und gleichzeitig Exporteur von regional prod uzierten , illegalen Substanzen in den
Rest der Welt. Das heiBt nicht, daB die anderen Lander der Region bloBe Satelliten
der RSA oder SOdafrikas Drogenhandler die "Bosse" waren, die die absolute Kon-
116
trolle iiber den regionalen Drogenhandel ausiiben. 1m Gegenteil ist im Laufe der Er
hebungen offensichtlich geworden, dar.. aile Lander, auch diejenigen, die von ihrem
machtigen Nachbarn weitgehend abhangig sind, ihre eigenen Verbindungen im Dro
gengeschaft aufgebaut haben. Auch verfiigen die benachbarten Lander iiber Netz
werke, die auf den heimischen, regionalen und internationalen Drogenmarkten ge
schaftlich aktiv sind.
Dies vorausgeschickt, sollen die in den folgenden Abschnitlen aufgefOhrten Zusam
menhange die zentrale Rolle der RSA in den regionalen Drogengeopolitiken weiter
verdeutlichen.
Strukturelle Faktoren: Geographie, Ressourcen und Infrastruktur
Strategisch gesehen liegt Siidafrika an den wichtigsten Schiffahrts- und Flugrouten
der siidlichen Hemisphare, namlich zwischen Siidamerika, hier sind besonders Bra
silien und Argentinien als bedeutende Kokainkorridore10 zu nennen, und Asien, wo
bei Indien und Pakistan als Heroin- und Haschischexporteure11 einen hervorragen
den Platz einnehmen. Letztere nutzen haufig die Route iiber die Arabischen Emirate,
einem gror..en internationalen Schmuggelnest. Oberdies hat Siidafrika gute Luftver
bindungen mit Westeuropa und den Vereinigten Staaten, beides riesige Drogen
markte und Heimat machtiger, international tatiger krimineller Organisationen. Die
RSA unterhalt besonders enge kulturelle und kommerzielle Bande zu Gror..britannien
und den Niederlanden, deren kriminelle Organisationen "Klubdrogen" (Extasy, LSD
etc.) produzieren und exportieren und Geld waschen12. Die internationale organi
sierte Kriminalitat ist aber auch dariiber hinaus sehr stark in Siidafrika engagiert, da
viele Kriminelle das Land als einen sicheren Hafen vor der Verfolgung in ihren Hei
matlandern ansehen bzw. als ein verlockendes "Land der unbegrenzten Moglichkei
ten" fOr die Organisation iIIegaler Transaktionen, einschlier..lich des Drogenhandels
und der Geldwasche. Amerikanische, britische, chinesische, hollandische, franzosi
sche, deutsche, indische, irische, israelische und russische kriminelle Organisationen
sind dafiir bekannt, dar.. sie in Siidafrika "Geschafte" mach en 13.
1 0 Gleichwohl exportiert auch Kolumbien Marihuana OOOr die RSA: im DezemOOr 1996 wurden 18 Metertonnen kolumbianisches Marihuana im Hafen von Durban, SOdafrika, OOschlagnahmt. 11 Um nur ein Beispiel zu geben: am 3. Mai 1994 wurden im Hafen von Montreal, Kanada, 26,4 Metertonnen pakistanisches Haschisch konfisziert, die sich in drei Containern fOr Kleidung und Tee befanden, von denen einer OOOr den Hafen von Durban gekommen war. 12 FOr einen Oberblick OOOr die Drogensituation im Vereinigten KOnigreich siehe "Polydrug Use and Polydrug Trafficking in the U.K.: A Model for Europe?" in OGD: The World Geopolitics of Drugs 199711998, OGD, Paris, Oktober 1998, (http://www.ogd.org). 13 FOr einige Details zum chinesischen und russischen organisierten Verbrechen in der RSA siehe Beresford, D.: "SA crime is getting organized", in The Weekly Mail and Guardian, 13. Februar 1998.
117
Die politische und okonomische Geographie des sOd lichen Afrikas ist ein bedeuten
der Faktor, der zu der prominenten Stellung der Republik SOdafrika im regionalen wie
internationalen Drogenhandel beigetragen hat. SOd afrika vermittelt die meisten Wa
ren-, Geld- und Dienstleistungsstrome, die die Region erreichen bzw. verlassen.
Sechs der zwolf Lander in der Region haben keinen Zugang zum Meer und mOssen
daher Seehafen in benachbarten Landern nutzen, um Waren und Rohstoffe importie
ren und exportieren zu konnen. Dies sind Botswana, Lesotho, Malawi, Swaziland,
Sambia und Zimbabwe, die hauptsachlich Produkte aus der Landwirtschaft (Tabak,
Zucker, Tee etc.) und dem Bergbau (Diamanten, Kupfer, Uran etc.) exportieren.
Wenngleich die Hafen der RSA nicht die einzigen im sOdlichen Afrika sind, die den
Exporteuren zur VerfOgung stehen, so liegen sie vielen Landern doch am nachsten.
Zudem werden potentielle Exporteure legaler Waren von der Unordnung, der Armut
und der heruntergekommenen Infrastruktur abgeschreckt, die z.B. das Nachkriegs
Mocambique pragen. Dennoch wickeln die Hafen von Nacala, Beira und Maputo in
Moyambique einen Teil von Malawis, Swazilands, Sambias und Zimbabwes Waren
verkehr abo Vor allem Beira ist ein bedeutendes Schmuggelnest fOr regionale und
zugleich internationale Im- und Exporte von Orogen und Waffen. Gewisse Anteile des
regionalen Warenverkehrs werden vom Hafen von Dar es-Salaam in Tansania Ober
nommen: es liegt an der nordlichen Spitze der Region und schlagt hauptsachlich die
Importe und Exporte von Sambia und zum Teil von Malawi um. Neben den Seehafen
verfOgt SOdafrika Ober eine strategische Lage am Ende der regionalen Stra~en und
Eisenbahnstrecken. Wegen seiner Industrie ist es zudem selbst ein gro~er Exporteur
von Waren in die Nachbarlander. Zum Beispiel kommen 80% der offiziellen Importe
Botswanas, Lesothos und Namibias aus SOdafrika.
Die RSA ist hinsichtlich der Infrastruktur das bei weitem am besten ausgestattete
Land im sOd lichen Afrika. Es hat eine Vielzahl an Flughafen, die gro~tenteils nicht
polizeilich Oberwacht sind und lange Zeit fOr verschiedene Arten des Schmuggels
mi~braucht wurden. Ihr Verkehrsnetz ist mit Abstand das beste in der Region, und
ihre Seehafen sind modern und liegen an den wichtigen internationalen Schiffahrts
routen. Mit einer starken und konvertierbaren Wahrung, einer dynamischen Borse,
einem effizienten und computerisierten Bankensystem, modernen Stadten, einem
entwickelten Industriesektor, einem boomenden Immobilienmarkt (besonders in und
um Kapstadt), einer rasch expandierenden Tourismusindustrie und einer machtigen
GIOcksspielindustrie ist SOdafrika nicht nur fOr die Elite der auslandischen Kriminellen
attraktiv; auch sehen Tausende von Menschen aus benachbarten Landern, die keine
Berufskriminelle sind, in der RSA einen lukrativen Markt und Umschlagplatz fOr ge
schmuggelte Edelsteine, Gold, Elfenbein, NashornhOrner, Waffen oder Orogen. Da
mit verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt und kurbeln gleichzeitig die Schatten
wirtschaft an. Laut einem Analytiker der internationalen Buchhaltungsfirma KPMG,
gehort SOdafrika fOr Geldwascher zu den vielversprechendsten Landern in der Welt.
118
Bis zum Mai 1997 war Geldwasche in der RSA keine Straftat. Es ist zu bezweifeln,
daB die neue Gesetzgebung der Realitat angepaBt ist und daB es angesichts der
Korruption und der mangelhaften Ausbildung der nationalen Sicherheitsorgane mog
lich sein wird, sie angemessen umzusetzen.
Weiterhin ist SOd afrika mit vielen natorlichen ReichtOmern gesegnet. Dies fordert die
lukrativen Schmuggelaktivitaten. Das Land ist eines der weltweit groBten Produzen
ten von Gold und Diamanten, zwei Waren, die die Existenz machtiger und gut mit
einander vernetzter internationaler Schmuggelringe begrOnden, welche Afrika, Asien,
den Mittleren Osten, Nord- und Lateinamerika sowie Europa (einschlieBlich RuBland)
umfassen. Zudem ist das sOdliche Afrika Heimat der meisten noch lebenden Nas
hornpopulationen der Welt. Das erweckt die Habgier von Wilddiebbanden: Elefanten
werden wegen ihrer StoBzahne gejagt, und ein Nashornhorn kann auf dem
Schwarzmarkt mehr als 4.000 US$ erzielen.
Die sOdafrikanische Automobilindustrie laBt sich auch zu den Ressourcen des Lan
des zahlen und bietet weitere Ansatzpunkte fOr kriminelle Aktivitaten. GroBe Auto
mobilhersteller wie BMW, Mercedes-Benz, Toyota und Volkswagen unterhalten
Montagehallen in der RSA. Allein in SOdafrika werden Hunderttausende von Fahr
zeugen jahrlich gestohlen, aber auch im Obrigen sOd lichen Afrika stellt Autodiebstahl
ein ernsthaftes Problem dar. Die gestohlenen Fahrzeuge werden sowohl von groBen
kriminellen Organisationen als auch von unabhangigen kleinen Ganoven beiseite
geschafft, als Ersatzteile verkauft oder in andere Lander (im sOd lichen Afrika und
darOber hinaus) exportiert. Die Autoschieberei steht in mehr als einer Beziehung
zum Drogenhandel: Drogendealer akzeptieren von ihren Klienten Autos als Zah
lungsmittel, und gestohlene Fahrzeuge werden fOr den grenzOberschreitenden Dro
genschmuggel benutzt.
Konsumentenkreise im sud lichen Afrika
Konsumentenkreise sind ein wichtiger Aspekt der Drogengeopolitiken, auch wenn
dies haufig vernachlassigt wird. Lange war die Beschaftigung mit der Nachfrage nach
Drogen das Ressort der Epidemiologen, Anthropologen oder Soziologen, die sich
bemOhen, die Beziehung zwischen Drogen und Individuen bzw. Drogen und Gesell
schaft (zumeist nationale Gesellschaften) zu erforschen, wahrend die Angebotsseite
(Produktion und Handel von Drogen) zumeist von Politologen (Internationale Bezie
hungen), Okonomen oder Geopolitikern studiert wurden 14. Ein besseres Verstandnis
14 Es gibt Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel. Eine ist die amerikanische "AnthropologenschuIe" fOr Drogenforschung, die einige ausgezeichnete Arbeiten iiber den Drogenhandel auf lokaler Ebe ne hervorgebracht hat, wie Bourgois, P.: In Search of Respect: Selling Crack in EI Barrio, Cambridge University Press, Cambridge, New York and Melbourne, 1995.
119
des Drogenphanomens kann jedoch nur gewonnen werden, wenn die dynamische
Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage untersucht wird, also die Raume be
leuchtet werden, wo die Drogenproduktion und der Handel mit dem Drogenkonsum
aufeinandertreffen und interagieren 15.
Wegen ihres groBen Konsumentenkreises fOr illegale Drogen zieht die RSA den
Vertrieb von Substanzen an, die im sOd lichen Afrika und jenseits der Region produ
ziert werden. Es gibt keine Schatzungen zur Anzahl der Drogenkonsumenten in
SOd afrika; der Umfang der stadtischen Bevolkerung und die vergleichsweise breite
Mittelklasse lassen jedoch den ROckschluB zu, daB SOdafrika den groBten Konsu
mentenkreis fOr iIIegale Drogen im sOd lichen Afrika stellt16. GroBere urbane Zentren
wie Johannesburg, Pretoria, beide in der Gauteng-Provinz gelegen, die fast vollstan
dig urbanisiert ist, Kapstadt, ein groBeres Touristengebiet, und Durban, Hauptstadt
von KwaZulu-Natal mit Meereshafen, halten groBe, diversifizierte und komplexe Dro
genkonsummarkte bereit. Der kleinere Anteil des heimischen Marktes wird von der
schwarzen, farbigen, armen drogenkonsumierenden Bevolkerung gebildet, die in den
oft riesigen Townships lebt; hier werden hauptsachlich Marihuana, in SOdafrika "dag
ga" genannt, Mandrax und zunehmend Crack (besonders in Johannesburg 17) kon
sumiert. Zwar findet Heroin auch unter den einkommensschwachen Kosumenten
langsam Verbreitung, bislang bleibt der Heroinkonsum jedoch Oberwiegend auf die
bessergestellten Kreise beschrankt. Letztere reprasentieren den Lowenanteil des
Drogenkonsummarktes, der sich aus stadtischen wei Ben wie bessergestellten
schwarzen und farbigen Drogenkonsumenten zusammensetzt. Die vorherrschenden
Substanzen in den reicheren Kreisen sind "dagga", Kokain und Crack, "Club
Drogen", Heroin (zumeist gerauchtes NO.3 Heroin, auch bekannt als "brauner Zuk
kern) und Mandrax18. Polydrogengebrauch, d.h., der regelmaBige Konsum von mehr
15 Die OGD hat sich einige Zeit lang bemuht, beides, die Nachfrage und das Angebot von Orogen, als Teile desselben Problems zu berucksichtigen, siehe zum Beispiel "Polydrug Use and Polydrug Trafficking in the UK: A Model for Europe?" und "Heroin Networks and Markets in Europe", beide in OGD: The World Geopolitics of Drugs 199711998, op. cit. In diesem Zusammenhang kann auch Christian Geffray's Studie uber den "Kokainboom" im brasilianischen Bundesstaat Rondonia in der Amazonasregion erwahnt werden. 16 An dieser Stelle wiederholen wir, daB die quer durch aile Schichten mit Abstand verbreitetste Droge im sudlichen Afrika der Alkohol ist. AlkohollaBt auch den Konsum problematischerer Orogen in der Region entstehen. Gleichwohl sind in diesem Artikel mit dem Wort "Droge(n)", sofern nicht anders angegeben, iIIegale Orogen gemeint. 17 Die sudafrikanischen Behc5rden registrierten den Konsum von Crack, auch bekannt als "rock", zuerst im Jahre 1993. 1996 schatzte Dr. Sylvain Miranda, Direktor des Behandlungszentrums von Phoenix House und der SANCA, daB es allein in der Gauteng-Provinz 150.000 Crack-Konsumenten gibt. Er ging so weit, vorauszusagen, daB es im Jahr 2000 republikweit 500.000 sein wOrden. Obwohl die meisten Crack-Dealer und Konsumenten im Gebiet von Johannesburg anzutreffen sind (besonders in den Distrikten Hillbrow und Berea), scheint der Crack-Konsum sich auf andere grc5Bere stadtische Gebiete wie Kapstadt und Durban auszubreiten. 1B In der ersten Halfte der BOer Jahre war der Konsum von Mandrax auf WeiBe und Farbige aller sozialer Klassen beschrankt; Schwarze waren normalerweise so arm, daB sie ihn sich nicht leisten konnten.
120
als einer Substanz durch eine Person, ist unter den wohlhabenden wie den armen
Konsumenten Oblich und wird immer popularer: entsprechend den Daten des South
African National Council on Alcoholism and Drug Dependency (SANCA) hatten in der
Gauteng-Provinz 19957%, 199612% und im Jahre 1997 zwischen 30 und 40% der
zur Behandlung aufgenommenen Menschen mehrere Drogen gleichzeitig konsu
miert.
Obwohl es schwierig ist, die verschiedenen, in SOdafrika konsumierten Drogen nach
ihrem Verbreitungsgrad zu ordnen, bleibt "dagga" landesweit, und besonders in den
landlichen Gebieten die verbreitetste Droge.
Der Konsum von "dagga" wird momentan in der RSA wie in den meisten sOdafrikani
schen Staaten und in Westeuropa de facto entkriminalisiert. Konkrete Anhaltspunkte
fOr die Tendenz zur Entkriminalisierung bieten u.a. Statements von Regierungsmini
stern wie Sipho Mzimela: Der sOdafrikanische Justizminister erklarte, dar.. die Geset
zesanderung, die zum Ziel hat, den Besitz von "dagga" zu entkriminalisieren, "Millio
nen Steuergelder sparen konnte". Seit einer Entscheidung im Jahr 1992 berOcksich
tigen viele sOdafrikanische Gerichte die in der Gesellschaft weit verbreitete Toleranz
gegenOber dem Cannabis-Konsum im Land: ,,'Dagga' ist so leicht zu besorgen und
sein Gebrauch ist so weit verbreitet, dar.. ein gror..er Teil der Bevolkerung den Besitz
nicht als Verbrechen oder gar als ein gesellschaftliches Problem ansieht. ( ... ) Die
gesellschaftliche Ablehnung, die von den schweren Strafen fOr den 'dagga'-Besitz
herrOhrt, kann nicht Obersehen werden." Dennoch ist nicht jeder mit der Entkriminali
sierung von "dagga" einverstanden; zu den Gegnern gehOrt Dr. Sylvain Miranda, ei
ner der fOhrenden Epidemiologen SOd afrikas 19. Trotzdem scheint es unter den sOd
afrikanischen StrafverfolgungsbehOrden Konsens zu sein, dar.. Cannabis weniger
gefahrlich ist als andere verbotene Drogen. Wie ein Journalist es treffend formulierte:
"Die Polizei kOmmert sich nicht urn 'dagga'; sie bekommt ja nicht einmal den Handel
mit den harten Drogen in den Griff."20 Diese Feststellung wird von den Statistiken des
South African Police Service (SAPS) gestotzt, wonach die Zahl der Verhaftungen fOr
den Besitz von "dagga" von 6.511 im Jahr 1992 auf 1.475 im Jahre 1996 fiel. Von
Mocambique bis Mauritius Ober Zimbabwe und Tansania konnen quer durch die Re
gion dieselben Reaktionen bei den Verwaltungsbeamten beobachtet werden: zwar ist
die Schadlichkeit von Cannabis unstrittig, und sein Status als ein jetzt verbotenes
Produkt wird nicht in Frage gestellt, aber die Probleme, die im Zusammenhang mit
19 Siehe Ryan, T.: "Let the public into the dagga debate", in The Weekly Mail and Guardian (Johannesburg), 6.Mi!irz 1998. 20 Fracassi, F. & Evans, L.: "Money can buy immunity", in The Weekly Mail and Guardian (Johannesburg), 25. Juli 1997.
121
Cannabis auftreten, werden besonders im Vergleich mit Alkohol21 als sekundar ein
gestuft.
Eine wesentliche Erklarung fOr die Toleranz der Geselischaft gegenuber Cannabis in
der RSA und dem sud lichen Afrika insgesamt liegt in der Geschichte: Seit Jahrhun
derten wird "dagga" von den Einwohnern der Region gepfJanzt und konsumiert. Hi
storischen Forschungen zufolge ist anzunehmen, dar.) die Volker der San, auch be
kannt als "Buschmanner" und der Khoikhoi (Hottentotten), die fruhesten Bewohner
des sud lichen Teils von Sudafrika, "dagga" bereits vor 1500 konsumierten22. Auch
existiert in den meisten einheimischen afrikanischen Sprachen ein spezifisches Wort
fOr Cannabis 23. Bis heute wird in vielen land lichen Gebieten Marihuana als eine tra
ditionelie Medizin angesehen, die Menschen und Tiere heilf4. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist mit der Beschaftigung von Schwarzen in den Minen und auf den
gror.)en Farmen die funktionale Nutzung von Marihuana unter den Arbeitern ublich
gewesen. Da "dagga" den Ruf hat, den Arbeitern Kraft zu verleihen25, ermutigten
weir.l.e Arbeitgeber haufig zum Konsum.
1m ,neuen Sudafrika' argumentieren manche, der Konsum von "dagga" trage dazu
bei, die Kluft zwischen den Bevolkerungsgruppen zu uberwinden. Ob wahr oder
nicht, Cannabis ist Teil der Kultur vieler ethnischer Gruppen, die im sud lichen Afrika
seit Hunderten von Jahren leben.
21 Wie wahr dies auch sein mag, der intemationale Druck und das Bestreben der Regionalregierungen, vollwertige Mitglieder der internationalen Gemeinschaft und dadurch fOr IWF und Weltbank kreditwordig zu werden, kann zum Verbot von Cannabis-Besitz und -Konsum in Uindern fOhren, in denen er zuvor erlaubt war. Der jungste Fall ist MOQambique, das 1997 Cannabis (dort bekannt als "suruma") erst achtete und dann aile Drogenkonventionen der Vereinten Nationen im Juni 1998 unterzeichnete. Siehe Laniel, L.: The "Drug Summit': New York 8-10 June 1998. "MOST - Drugs Report Series". Number 3. UNESCO's MOST-Drug Program. Paris. Oktober 1998. Annex 1a (http://www.unesco.org/mostllaniel.htm). 22 Du Toit. B.: Cannabis in Africa. veroffentlicht fOr das African Studies Center. University of Florida. Gainesville. A.A. Balkema. Rotterdam 1980. S. 8. stellt fest. daB Cannabis "fast mit Sicherheit in dem sudlichen Teil des Kontinents (Afrika) in vorportugiesischer Zeit. d.h. vor A.D. 1500. genutzt wurde"; w1Ihrenddessen behauptet Gille. J.: A Short History of Lesotho. MOrija Museum & Archives. Morija (Lesotho). 1993. S. 7. daB "dagga" den San vor 1550 bekannt war. 23 Siehe Du Toit. B .. op. cit. 24 Laniel. L.: Cannabis in Lesotho: A Preliminary SUNey. MOST-Diskussionspapier No. 34. UNESCO. Paris. 1999 (http://www.unesco.orglmost·dslaniel.htm). Ii stet einige der traditionellen medizinischen Verwendungen von Marihuana. lokal bekannt als "matekoane". in Lesotho auf. 25 Marihuana hat uberall in Afrika sudlich der Sahara den Ruf. mehrere nutzliche Wirkungen zu haben. Eine der am Mufigsten genannten ist die. daB es seine Konsumenten befahigt. harter zu arbeiten. Fur Details hierzu und zu anderen berichteten funktionalen Verwendungen siehe Laniel. L.: "au va la production de cannabis: Marche local de la consommation et developpement des cultures iIIicites au Ghana". in OGD: Les drogues en Afrique subsaharienne. KarthalalUNESCO. Paris. 1998; und Laniel. L.: "Violencia y marihuana: usos del 'tabaco del diablo' en el Ghana contemporaneo". in Inchaurraga, S. (comp.): Drogas y Drogadependencias, Teoria, Clinica e Instftuciones, CEAD-SIDA. Universidad Nacional de Rosario, 1997.
122
"Oagga" und der sudafrikanische "Cannabis-Korridor"
1m heutigen SOdafrika, Lesotho, Malawi und Swaziland sind wirtschaftliche Faktoren
fOr die weitverbreitete Toleranz gegenOber Marihuana mitbestimmend. Tatsachlich
kann dort wie in weiten Teilen Afrikas die Cannabis-Ernte die einzige bzw. gror..te
Einkommensquelle ganzer Gemeinden sein. Wahrend der Umfang der Cannabis
Ertrage allgemein unbekannt ist, zeigen die vorhandenen Daten, dar.. die Marihuana
Produktion in vielen sOdafrikanischen Regionen Teil der land lichen Okonomie ist.
Das ist besonders in Lesotho26 und Malawi, in einigen Gebieten von Sambia und
Swaziland entlang der Grenze von MOyambique und Zimbabwe der Fall, nicht zu
vergessen das ostliche Kap, KwaZulu-Natal, Mpumalanga und die nordlichen Provin
zen der RSA27.
1m August 1996 offenbarte ein von Interpol und dem International Narcotic Control
Board der Vereinten Nationen (INCB) verfar..tes Memorandum, welches sich wieder
urn auf einen Bericht des South African Narcotics Bureau (SANAB) stotzt, dar.. Bilder
der "Luftaufklarung" den Anbau von 80.000 Hektar Cannabis in der frOheren Republik
Transkei (ostliches Kap) bewiesen. Wird die Produktion dieser Region mit der ge
samten sOdafrikanischen Produktion addiert, zeigt sich, dar.. SOdafrika zur Zeit der
gror..te Cannabis-Produzent der Welt ist.
Konservative westliche Schatzungen (1997) gehen fOr SOdafrika von einer Gesamt
anbauflache von ca. 35.000 Hektar aus. Bei einer Ertragsschatzung von 100 Kilo
gramm gebrauchsfertigen Marihuanas pro Hektar und Ernte sowie 1,5 Ernten pro
Jahr (einige Anbaugebiete haben zwei Ernten im Jahr, andere nur eine) bedeutet
dies, dar.. SOdafrika jahrlich urn die 5.250 Metertonnen marktgangiges "dagga" pro
duziert - in jeder Hinsicht eine aur..erordentlich gror..e Menge.
Zusammengenommen reprasentieren das sOdliche SOdafrika sowie Lesotho und
Swasiland die sOdliche Spitze des regionenweiten "Cannabis-Korridors", der sich
sOdnordlich vom ostlichen Kap bis zum sOd lichen Tansania Ober Teile von Ost
MOyambique, Ostzimbabwe, Nordostsambia und ganz Malawi erstreckt sowie ost
westlich von SOdsambia zum ostlichen Namibia und Botswana Ober das nordostliche
Zimbabwe2B.
26 Laniel, L.: Cannabis in Lesotho, op. cit., Iiefert den Beweis, daJ1 Marihuana nahezu 50% des Gesamteinkommens und fast 100% des Bareinkommens der Bauern in den bergigen Distrikten von Lesotho erbringt. 27 Koch, E. & Mthembu, E.: "The crop that clothes, feeds and educates .. .is illegal", in The Weekly Mail and Guardian, 25. Juli 1997. 28 FOr Einzelheiten zum Cannabis-Agro-Business in Lesotho siehe Laniel, L.: Cannabis in Lesotho, op. cit.
123
Der "Cannabis-Korridor" dehnt sich stetig aus, wobei das Marihuana der neuen "dag
ga"-Anbaugebiete in erster Linie kommerziell und nicht kulturell genutzt wird.
Obwohl der grol1te Teil des im sOd lichen Afrika produzierten Cannabis lokal konsu
miert wird, weisen Statistiken Ober Beschlagnahmungen darauf hin, dal1 mit der
Oberschul1produktion der europaische Markt beliefert wird, insbesondere das Verei
nigte Konigreich und die Niederlande. Dort kann Cannabis gegen "Klubdrogen" ge
tauscht werden, die wiederum auf dem sOdafrikanischen Markt angeboten werden.
Marihuana aus dem sOdlichen Afrika kommt per Luft oder See nach Europa, vor al
lem nach Grol1britannien, wie sich anhand von Beschlagnahmungen in den Hafen
Tilbury und Felixstowe in England wie auch in Durban und Kapstadt nachweisen lal1t.
Reprasentativ fOr die Wege des internationalen Drogenschmuggels auf dem Luftweg
ist der Fall "Verster", eines frOheren sOdafrikanischen Geheimdienstoffiziers, der in
den Diamantenschmuggel in Angola und Namibia verwickelt war. 1992 wurde Verster
nach einer Sauberungsaktion der Spezialeinheiten offiziell aus dem Dienst entlassen
und im Februar 1997 am Bournemouth-Flughafen in England bei dem Versuch fest
genommen, 120 Kilogramm "dagga" an Bord eines Privatjets nach England einzufOh
reno
II Ethnische und politische Trennungslinien
Ethnische Diversitat und Besonderheiten sowie die Bedeutung von Geschichte und
Kultur sind grundlegend fOr das Verstandnis der Drogensituation im sOd lichen Afrika.
Die meisten sozialen und okonomischen Aktivitaten, die mit Orogen zusammenhan
gen, knOpfen direkt an formelle wie informelle Traditionen und Aktivitaten an. Seitens
einiger Regionalregierungen besteht die Tendenz, ethnische Unterschiede zu in
strumentalisieren, um Systeme ungleichen Landbesitzes und ungerechter Ressour
cenverteilung zum Wohle der jeweiligen hegemonialen ethnischen Gruppe aufrecht
zuerhalten29. In SOdafrika wurde solch ein System, die Apartheid, institutionalisiert
und bestimmte aile Aspekte des menschlichen Lebens. Apartheid liel1 die Grenze
zwischen "ethnischen" und "politischen" Unterschieden verschwimmen und produ
zierte eine Spielart des "Clash of Civilization", wie ihn Samuel Huntington fOr das 21.
Jahrhundert voraussagte30. Sowohl Anti- als auch Pro-Apartheidkrafte fanden aul1er
halb SOdafrikas VerbOndete; und solange die internationale politische Landschaft
vom Ost-West-Konflikt gepragt war, integrierte der Kampf um die Apartheid die Logik
des Kalten Krieges: "Kampfen fOr die Revolution" versus "den Kommunismus be-
29 Die bekanntesten Beispiele sind SOdafrika bis in die frOhen 90er, RhodesienlZimbabwe mindestens bis 1980 und Namibia bis zur UnabMngigkeij im Jahr 1990. Obwohl nicht von gleicher Intensitat, sind auch Angola und Mauritius zu nennen. 30 Huntington, S.: "The Clash of Civilizations", in Foreign Affairs, Vol.72, No.3, Sommer 1993.
124
kampfen". Dieser sOdafrikanische Konflikt dehnte sich auf die Nachbarlander aus und
wurde zu einem strukturellen Faktor regionaler Geopolitiken. In SOdafrika selbst be
gann die Krise im Dezember 1961 mit der GrOndung eines gemeinsamen bewaffne
ten FIOgels, Umkhonto we Sizwe ("Speer der Nation"), durch die beiden verbotenen
Parteien der Kommunistischen Partei SOd afrikas (SACP) und des Afrikanischen Na
tionalkongresses (ANC): 1967-1968 startete die Bewegung von ihrer Basis in Sambia
aus eine Guerilla-Kampagne in Rhodesien, dem heutigen Zimbabwe, wogegen die
sOdafrikanische Polizei intervenierte. Dann begann eine Bewegung mit Namen SOd
westafrikanische Volksorganisation (SWAPO) fOr die Freiheit Namibias zu kampfen,
das zu jener Zeit eine sOdafrikanische Kolonie namens SOdwestafrika gewesen ist.
Nach 1975 kampfte die SWAPO in Angola weiter, als Moyambique und Angola ihre
Unabhangigkeit von Portugal erlangten. Die Kampfe eskalierten, nachdem sich die
RSA mit der Absicht, die "kommunistische Subversion" so weit wie moglich von ihren
Grenzen fernzuhalten, in die BOrgerkriege der frOheren portugiesischen Kolonien
einmischte. Bis 1989 intervenierte das sOdafrikanische Militar direkt in Angola, dann
indirekt, indem es Jonas Savimbi's Rebellenbewegung UNITA unterstotzte31 . Bis
1992 half SOdafrika zusatzlich der RENAMO in Moyambique. Innerhalb SOdafrikas
fOhrten die "Sekurokraten", die 1978 in Pretoria die Macht ergriffen, einen schmutzi
gen Krieg gegen die Anti-Apartheidgruppen, bis der ANC schlieBlich die Wahlen yom
April 1994 gewann.
Der lang andauernde, ethnisch Oberlagerte, politische Kampf hat hohe und starke
Barrieren zwischen Landern und Bevolkerungsgruppen errichtet, indem er MiBtrauen,
HaB und Gewalt fOrderte. Haufig fanden die verschiedenen Kriegsparteien entlang
ihrer politischen und ethnischen Trennungslinien in Diasporen UnterstOtzung, bei
Gruppierungen, in denen die Vorstellung herrschte, daB "sie", namlich die Mitglieder
einer anderen ethnischen Gruppe, politischen Organisation oder der Staat ein Hin
dernis und sogar ein Feind fOr die eigene Entwicklung seien. So leben Bevolke
rungsgruppen Seite an Seite, ohne sich je zu vermischen.
All jene Faktoren haben unterschiedliche Auswirkungen auf den aktuellen Drogen
handel. Erstens bewegen sich viele Drogenhandelsnetze in ethnisch-politischen bzw.
innerhalb von Familien- oder Clanbeziehungen. Weil Drogenhandel eine illegale Ak
tivitat ist, ist Vertrauen ein entscheidendes organisatorisches Element der involvier
ten Banden: Teilhaber, Partner, Bosse und Beschaftigte mOssen einander vertrauen
konnen, zumal es keine schriftlichen Vertrage gibt, die die Tatigkeit regelt, und keine
Gerichtsbarkeit, um potentielle Streitigkeiten zu schlichten. Ethnische, Familien- und
31 Sis zum heutigen Tage kommt die Versorgung der UNITA aus SOdafrika oder durchquert das Land; siehe" The Angolan Connections", in The Geopolitical Drug Dispatch, No.79, Mai 1998.
125
Clanbande vermitteln dieses Vertrauen, so wie es gegenwartige und vergangene
"WaffenbrOderschaften" oder die Zugehorigkeit zu Militareinheiten, Geheimdiensten,
etc. tun. Die ethnische Basis des Drogenhandels stellt sicher, dal1 die Netzwerke
gegenOber Aul1enstehenden verschlossen und fOr Strafverfolgungsbehorden und
Konkurrenten (die identisch sein konnen) undurchdringlich bleiben. So liegt das Mo
nopol des grol1 angelegten Handels mit Mandrax und Heroin beispielsweise in Zim
babwe wie in Mauritius bei Angehorigen der indisch-pakistanischen Bevolkerungs
gruppe, wahrend der Kokainhandel weil1en Drogenhandlern vorbehalten ist, die wei
l1e Zimbabwer und Touristen versorgen. Historisch gesehen wurden schwarze zim
babwische Drogenhandler von den Bezugsquellen "harter Drogen" ferngehalten; sie
handeln mit Cannabis, vor allem jedoch mit anderen Waren, wie gestohlenen Autos,
Gold, Diamanten, etc. Dazu nutzen sie ebenfalls Oberkommene Netzwerke aus der
Zeit der BOrgerkriege. Gleiches gilt fOr die meisten ehemaligen Freiheitskampfer von
Namibia.
In Sambia liegen die historischen Wurzeln vieler heutiger Mandrax-Dealerringe in
Gruppen, die die Anti-Apartheid-Krafte des ANC und des Pan-Afrikanischen Kon
gresses (PAC) bereits seit Mitte der 80er Jahre mit Drogen versorgten. Es scheint,
dal1 der Mandrax-Handel zwischen SOdafrika und Sambia im grol1en Stil anfangs von
indisch-pakistanischen Netzwerken organisiert wurde, denen der internationale
Schmuggel vertraut war. Bevor Methaqualone Mitte der 80er Jahre in Indien verboten
wurde, bestachen Geschaftsleute Beamte in Sambia (und anderen Landern), damit
sie grol1e Mengen Mandrax bestellten, das dann als illegale Substanz an Konsu
menten in SOdafrika verkauft werden konnte. Es gibt kaum Zweifel darOber, dal1 FOh
rungspersonen aus der sambischen Regierung und dem Sicherheitsapparat des
ANC und des PAC Drogenhandler deckten und mit ihnen kooperierten. Mit der Wahl
eines neuen Prasidenten im Jahr 1991 scheint sich nicht viel geandert zu haben;
Sambia hat seine Stellung als ein bedeutender, vielleicht der Mittelpunkt des Man
drax-Handels in der Region behauptet. Der Drogenhandel wird weiterhin in Form ei
ner Partnerschaft zwischen indisch-pakistanischen Geschaftsleuten mit entspre
chenden Verbindungen in Mumbay und Dubai sowie afrikanischen Politikern und
leitenden Beamten betrieben, obwohl die frOheren Mandrax-Importeure ihre Ge
schafte heutzutage auf den Handel mit Heroin ausgedehnt haben. In SOdafrika war
der Vertrieb von Mandrax auf den Stral1en fOr lange Zeit den farbigen Banden vorbe
halten, insbesondere in Kapstadt, wo einige Gangs im Auftrag der sOdafrikanischen
Polizei tatig waren. Obwohl der Mandrax-Handel jetzt "demokratisiert" wurde und
dank der Offnung der internationalen Grenzen nach der Beendigung des Konflikts ein
grol1erer Kreis von Leuten daran beteiligt ist, spielen die farbigen Banden weiterhin
eine wichtige Rolle im internationalen Mandrax-Handel und haben ihre Aktivitaten um
den Kokainvertrieb und den Autodiebstahl erweitert. Der heimische "dagga"-Handel
126
hingegen wird in SOdafrika und den meisten anderen Landern von Afrikanern (Zulus,
Xhosas, Basothos, etc.) betrieben. Der internationale Kokain-Handel in SOdafrika
und Namibia scheint zur Zeit in den Handen von Angehorigen der wei Ben (Deutsche
in Namibia) sowie von Bevolkerungsgruppen aus dem Mittleren Osten (Israelis, Liba
nesen und Syrer) und Westafrika (Nigerianer und Ghanaer) zu liegen.
Das relativ neue Phanomen der Migration hat nun eine neue Dynamik in die Bezie
hungen zwischen Ethnizitat und Drogenhandel in der Region gebracht. Die Barrieren
zwischen den Bevolkerungsgruppen entstehen mit der extremen Mobilitat der Men
schen. Die sOdafrikanische Wirtschaft, insbesondere der Bergbau, hat fOr einige Zeit
eine starke Anziehungskraft auf Arbeiter aus den Anrainerstaaten ausgeObt. Laut
dem Innenministerium in Pretoria leben zwischen 2,5 und 4,1 Millionen Auslander
illegal in der Republik SOdafrika; die Weltbank schatzt die Zahl auf rund 5 Millionen;
die sOdafrikanische Polizei spricht von 8 Millionen, wahrend aile darin Obereinstim
men, daB die Gesamtbevolkerung SOdafrikas 41,5 Millionen betragt. Die Migranten
stammen zumeist aus Lesotho, Moc;;ambique, Swaziland und Zimbabwe. Nachdem
Europa seine Grenzen fOr afrikanische Immigranten praktisch geschlossen hatte,
kam es zu einem zusatzlichen Einwanderungsboom aus anderen afrikanischen Lan
dern wie Zentral- und Westafrika, insbesondere der Demokratischen Republik Kongo
(DRC, Ex-Zaire), Ghana und Nigeria. Diese Mobilitat bringt ihre eigenen Handelsakti
vitaten hervor: solche, die die Bewohner begleiten (grenzOberschreitender Schmug
gel von Menschen und Waren), solche, die ihnen die GrenzOberschreitung erlauben
(offizielle Dokumente, falsche Passe), und solche, die ihre Integration oder ihr Ober
leben vereinfachen (informeller transnationaler Handel, Drogen- und ambulanter
Handel, etc.).
In den meisten Landern der Region haben sich nigerianische Handler als wichtige
Importeure und Vertreiber von Kokain etabliert. Auch in SOdafrika selbst werden in
weiten Kreisen Nigerianer fOr den jOngsten Anstieg des Crack- und Kokainkonsums
verantwortlich gemacht. Zwar kann nicht bezweifelt werden, daB nigerianische
Handler auf dem sOdafrikanischen und auf anderen regionalen Markten im Vertrieb
von Kokain und Crack aktiv sind, aber sie sind nicht die Einzigen. Ais ,neue' Immi
granten werden sie allzu schnell zu brauchbaren SOndenbocken fOr das weitaus
umfassendere, sOdafrikanische Drogenproblem32. So erklart es sich auch, daB zwei
Drittel der illegalen Immigranten, die in SOdafrika Haftstrafen absitzen, Nigerianer
sind. 1993 wurden sie beschuldigt, Ober 50% des in SOdafrika beschlagnahmten Ko-
32 The Weekly Mail and Guardian von Johannesburg verOffentlichte die folgenden Worte eines burischen SANAB-Beamten, der wah rend einer - eher brutalen - Drogenrazzia in den Distrikten Hillbrow und Berea (Spitzname "Klein Lagos") interviewt wurde: "Wiese sagt, daB Ober 80% der Dealer aus Nigeria kommen. ,Nur sie kOnnen es sein, wer sonst? A1s SOdafrika sich dem Rest der Welt Offnete. begannen die Nigerianer, Orogen einzufOhren'.", in Amupadhi, T. & Commandeur, M.: "Searching for a ,guilty' Nigerian", in The Weekly Mail and Guardian" 18. April 1997.
127
kains zu importieren. Das ist symptomatisch fOr einen anderen Aspekt der Beziehung
zwischen Drogen und Ethnizitat: die Wahrnehmung. Mil1trauen aufgrund einer vor
urteilsbeladenen Wahrnehmung ethnischer Unterschiede haben spezifische Konse
quenzen fOr die Strafverfolgung. Frei nach Jean Paul Sartre scheint es so zu sein,
dal1 in SOdafrika " die Droge die anderen sind" (Ia drogue, c'es( les autres). 1m Rah
men der OGD-Studie konnte erhoben werden, dal1 es Oberall in der Region unter
den Polizeibeamten die Tendenz gibt, die Schuld fOr das Drogenproblem auf die je
weiligen Auslander zu schieben. Es scheint, dal1 Drogen eine Stellvertreterrolle fOr
die rassische Diskriminierung einnehmen und eine Moglichkeit bieten, Vorurteile in
einer Zeit aufrechtzuerhalten, in der Rassismus als politisch unkorrekt gilt. In vielerlei
Hinsicht, wenn auch (noch?) nicht mit denselben schrecklichen Foigen, erinnert die
regionale Situation, besonders in SOdafrika, an die derzeitigen Verhaltnisse in den
Vereinigten Staaten, wo Schwarze und Latinos die grol1e Mehrheit der wegen Dro
gendelikten Inhaftierten bilden33. Das fOhrt dazu, dal1 die Polizei ganze Bevolke
rungsgruppen zur Zielscheibe macht, weil einige Angehorige als Drogenhandler be
kannt sind oder verdachtigt werden; gleichzeitig haben Drogenhandler, die einer
nicht "verdachtigen" Bevolkerungsgruppe angehoren, erhebliche Freiraume zu agie
reno Neben Nigerianern und westafrikanischen Immigranten sind Menschen mit in
disch-pakistanischem und chinesischem Hintergrund die beliebtesten SOndenbocke
der Polizeien im sOd lichen Afrika. Indisch-pakistanische und chinesische Bevolke
rungsgruppen gibt es Oberall in der Region; sie sind zumeist Handler und Ge
schaftsleute und werden im allgemeinen von den afrikanischen Bevolkerungsgrup
pen abgelehnt. In Mauritius, wo die grol1e Mehrheit der Polizeibeamten indischer
Herkunft ist, sind die wegen Drogenkonsums und kleinerer Delikte verhafteten Men
schen mehrheitlich arme Kreolen (d.h. Schwarze). In einem Interview mit der OGD
ging ein Polizeibeamter aus Lesotho so weit, trotz gegenteiliger Beweise abzustrei
ten, dal1 seine Landsleute irgend etwas mit Drogenhandel zu tun hatten, der, wie er
sagte, ein Problem sei, das durch die Offnung der Grenzen fOr auslandische Ein
wanderer nach dem ,Ende der Konflikte' entstanden sei.34
Umgekehrt sehen die Angehorigen der ins Visier geratenen und zumeist okonomisch
benachteiligten Bevolkerungsgruppen die Polizei als eine repressive Kraft an, mit der
sie nicht kooperieren. Viele begreifen die Straftat sogar als einen legitimen Weg, urn
Wohlstandsunterschiede auszugleichen, die, oft zu Recht, als Foige des ungleichen
Zugangs zu R!3ssourcen wahrgenommen werden, der unter der Apartheid erzwun-
33 Mauer, M.: Race to incafC6fClte, The Sentencing Project, Washington D.C., 1999. Die Tendenz, die Schuld fOr Drogenprobl~me a~ "AuBenseiter" oder Auslilnder abzuwillzen, is! weit davon entfemt, auf das sudliche Afrika oder di~ Vereinigten Staaten beschrilnkt zu sein. Es ist in der Tat ein Problem, das die OGD uberali in derWelt, einschlieBlich Europa, vorgefunden hat. 34 Ahnliche AuBerungen wurden von Polizeibeamten aus Swaziland und Zimbabwe gemacht.
128
gen wurde. In SOdafrika verweisen Nicht-WeiBe oft auf diejenigen, die bereits wah
rend der Apartheid politische Macht inne hatten und heutzutage als "Buren-Mafia"
erneut Ober erhebliche okonomische und administrative Macht verfOgen. Dieses
Phanomen wird als Kontinuitat von privilegierter Rassenzugehorigkeit, Korruption
und Verbrechen wahrgenommen. Auch unter den Beamten der sOdafrikanischen
Drogenpolizei (SANAB), die als auBerst korrupt gelten, sind die Buren in der Mehr
heit. Ein schwarzer Diamantenschmuggler, der in SOdafrika interviewt wurde, sagte,
es stelle fOr ihn kein moralisches Problem dar, "groBe Diamantengesellschaften" zu
bestehlen, da "sie reichen WeiBen gehoren, die das Land meinen Vorfahren gestoh
len haben und die dank der Apartheid florierten, wahrend ich meine Familie zu er
nahren habe".
In Landern, in denen die Polizeibeamten zumeist aus einer spezifischen Bevolke
rungsgruppe kommen, ist es schwer, in Banden von Drogenhandlern einzudringen,
die von Angehorigen anderer Ethnien gebildet werden. So hat die OGD Polizisten
aus Zimbabwe, wo die Polizeibeamten zumeist schwarz sind, sich beklagen horen,
daB es keine Moglichkeit gabe, eine ernsthafte Untersuchung in Drogenhandelsnet
zen durchzufOhren, die von WeiBen und Indern/Pakistani gebildet werden, weil die
Polizisten sofort identifiziert wOrden. In Mauritius sagt die mehrheitlich indische Pol i
zei, es sei fOr sie unmoglich, unter den tamilischen, weiBen und chinesischen Bevol
kerungsgruppen zu ermitteln.
So beeinflussen ethnische Unterschiede den Drogenhandel und die Strafverfolgung
von Drogendelikten auf vielfaltige Weise.
III Die Hinterlassenschaft der Konflikte
Die Hauptwirkung der ethnischen und geographischen Grenzen, die frOher die geg
nerischen Krafte im Kampf urn die Apartheid voneinander trennen sollten, war es, die
regionalen Regierungen, die politischen Organisationen und ganze Bevolkerungsteile
dazu zu treiben, Zuflucht zu illegalen Mitteln zu suchen. 1m sOd lichen Afrika sahen
sich zu der einen oder anderen Zeit die konkurrierenden Krafte, seien es okonomi
sche, politische oder gesellschaftliche, dazu gezwungen, geheime Versorgungswege
einzurichten, Embargos zu brechen und aile Arten von iIIegalen Aktivitaten als Ein
kommens- und Spionagequellen zu nutzen, aber auch urn das Oberleben zu sichern.
Wird das Jahr 1961 als der Beginn des Kampfes urn die Apartheid und die Wahl von
Nelson Mandela 1994 zum Prasidenten von SOdafrika als dessen Ende begriffen,
bedeutet das, daB in diesem Land wahrend 33 Jahren BOrgerkrieg herrschte. Das ist
mehr als genug Zeit, damit sich Praktiken einbOrgern konnen, die heute fragwOrdig
erscheinen, damals jedoch als notwendig wahrgenommen wurden, urn den Krieg
fOhren bzw. Oberleben zu konnen.
129
Der BOrgerkrieg in SOdafrika hatte immer auch Auswirkungen auf die Nachbarlander.
Die sOdafrikanischen Polizeikrafte, die in Namibia und Rhodesien engagiert waren,
gingen mit den Berufsschmugglern Allianzen ein und rekrutierten im Inland Kriminel
Ie, um gegen den EinfluB von ANC und SACP in den Townships vorzugehen. Be
sonders in Kapstadt wurden die Banden zu eifrigen und sich selbst bedienenden
Hilfstruppen von Polizei- und Geheimdienstkraften aus Pretoria, mit denen sie fast
vollstandige Straffreiheit aushandeln konnten. Bis heute sind sOdafrikanische Poli
zeibeamte relativ unwissend, was legale Verhortechniken und offizielle Gerichtsver
fahren anbetrifft, weil sie, wie viele Kollegen in der Region, ausschlieBlich fOr die po
litische Repression ausgebildet waren. Das mindert heutzutage deutlich ihre Fahig
keit, der organisierten Kriminalitat und dem Drogenhandel entgegenzutreten. In zahl
reichen sOdafrikanischen Landern stehen auch die Friedens- bzw. die Schiedsge
richte vergleichbaren Problemen gegenOber.
Zum Teil haben auch die von den Anti-Apartheid-Kraften angewandten Methoden zur
"Kriminalisierung" der Gesellschaften und der Institutionen des sOdlichen Afrikas bei
getragen. Indem sie das Volk zur Gewalt ermutigte, wie es ab Mitte der BOer Jahre
bis zu der gewonnenen Wahl 1994 geschehen ist (Morde an Polizisten und stadti
schen Beamten sowie Verratern), und indem sie Kampagnen zum zivilen Ungehor
sam (Miet- und Dienstleistungsboykotte) startete, trug die Anti-Apartheid-Bewegung
auch zur Mil1achtung des Gesetzes bei, eine Einstellung, die bei einem Teil der
schwarzen und farbigen, besonders der jungen Bevolkerung immer noch vorherrscht.
Die Mitte der BOer Jahre an die ANC-Miliz in den Townships verteilten Waffen wer
den jetzt dazu benutzt, Verbrechen zu begehen. Die Milizionare wurden nur halbher
zig demobilisiert und hatten keine oder wenig Aussichten, einen regularen Arbeits
platz zu erhalten. Besonders in den groBen Stadten schlossen sich daher viele jun
gen Leute kriminellen Banden und Drogenringen an. In KwaZulu-Natal sind die Mili
zen der Inkhata Freedom Party (IFP) ebenfalls eng mit Taxiunternehmen sowie
Cannabis- und Waffenschmuggelnetzen in den Townships verflochten. Das Problem
der Integration der frOheren Freiheitskampfer in die Gesellschaft ist also nicht nur in
SOd afrika akut. In Namibia und Zimbabwe fordern die Zivilgesellschaften entweder
Arbeit oder Pensionen fOr die frOheren Guerrillas als ein Mittel, die Kriminalitat einzu
dammen.
In der Ara nach den Konflikten ,arbeiten' die intra-regionalen wie die internationalen
Schmuggel- und Schwarzgeldnetze weiter. Nun geht es jedoch darum, fOr ihre Mit
glieder personliche Profite zu erzielen. Auch die Armut, in der die Mehrheit der SOd
afrikaner lebt, laBt viele Menschen auf iIIegale Aktivitaten zurOckgreifen, um das
Oberleben zu sichern. In der Vorstellungswelt vieler Menschen aller Klassen ist nach
130
Jahrzehnten des Konflikts die Grenze zwischen legal und illegal verschwommen35 .
Die folgenden illegalen Aktivitaten begannen bzw. weiteten sich als Foige des lang
andauernden BOrgerkrieges aus.
Die Herstellung von Extasy
Ende 1996 und Anfang 1997 demontierte die SANAB drei Labore im Gebiet von Jo
hannesburg, in denen extasyartige Stimulantien hergestellt wurden. Die dritte Polizei
razzia machte Schlagzeilen, nachdem Wouter Basson, ein Kardiologe, festgenom
men wurde, als er versuchte, am 17. Januar 1997 1.000 Extasy-Tabletten zu ver
kaufen. Basson leitete ein streng geheimes, chemisches Forschungsprogramm, das
von der South African Defense Force unter dem Deckmantel einer Scheinfirma mit
dem Namen Delta-G Scientific aufgebaut worden war. Obwohl die Firma zunachst
dem Militar gehorte, wurde sie 1991 privatisiert, und zwar, wie es scheint, vor allem
zum Nutzen von Verwandten und Freunden fOhrender sOdafrikanischer Militaroffizie
reo Ein anderer Delta-G Angestellter und frOherer Forschungsleiter der Firma, Dr.
Johan Koekemoer, wurde auch im Januar 1997 wegen Extasy-Besitzes festgenom
men. In einem Interview erklarte Koekemoer, dal,l, er in den frOhen 90er Jahren von
einem seiner Vorgesetzten die Instruktion erhalten habe, ,,1.000 Kilogramm Extasy
Kristalle herzustellen36" - genug urn Hundertmillionen Extasy-Tabletten zu produzie
reno Bereits die Mandrax-Produktion seitens des sOdafrikanischen Militars wah rend
der BOer Jahre wurde mit den Namen ,Basson' und ,Koekemoer' in Zusammenhang
gebracht37. In einer Zeugenaussage vor der Wahrheits- und Versohnungskommissi
on erklarte ein leitender Militaroffizier, die "Drogenvorrate" der sOdafrikanischen MiIi
tars seien 1993 im Meer versenkt worden. Diese Behauptung ist fOr viele SOdafrika
ner kaum zu glauben, und sie fragen sich, wo die Lager der Militars wirklich aufhor
ten. Mit dem Fall vertraute, sOdafrikanische Beamte erklarten 1997, die Ermittlung
wOrden zeigen, dal,l, die Herstellung und der Verkauf von illegalen Drogen die Haupt
einahmequelle fOr das geheime chemische und biologische KriegsfOhrungsfor
schungsprogramm der South African Defence Force in den BOer Jahren gewesen
sei. Unterdessen wird vermutet, dal,l, der sOdafrikanische militarische Geheimdienst
einige seiner Drogen auswarts vermarktet haben konnte. Dabei geht inzwischen
niemand mehr davon aus, dal,l, die Fakten jemals vollstandig ans Tageslicht gelan-
35 Siehe obigen Abschnitt Ober Cannabis. 36 Brummer, S.: "Secret chemical war remains secret", in The Weekly Mail and Guardian, 23. August 1996. 37 Koch, E. & Fleming, D.: "Bizarre experiments at SADF research finns", in The Weekly Mail and Guardian, 15. Dezember 1994; und Oppermann, C.: "Prosecutors ecstatic as Basson's buddy talks", in ibid, 27. Juni 1997
131
gen werden. Die Post-Apartheid Regierung fOhrt fOr die ZurOckhaltung bestimmter
Dokumente und Archive Argumente der ,Nationalen Sicherheit' an.38.
Mandrax
Methaqualone, der Wirkstoff der medizinischen Droge, die in SOdafrika unter der
Marke "Mandrax" bis 1974 legal verkauft wurde, ist ein Beruhigungsmittel, das vom
Quinazoline abgeleitet ist. Es wurde 1951 zum ersten Mal kOnstlich hergestellt und
als ein Sedativum und Hypnotikum (in den Vereinigten Staaten unter dem Marken
namen "Quaalude") auf den Markt gebracht. Nach dem Verbot in SOdafrika produ
zierte Indien Methaqualone bis 1983 weiter. In dieser Zeit versorgten in der Region
um Bombay errichtete, geheime Labors den jetzt im Untergrund agierenden sOdafri
kanischen Konsumentenkreis, der sich in den 80er Jahren zum weltweit fOhrenden
Markt fOr i1Jegales Methaqualone entwickelte. In den spaten 80er Jahren bis zu den
frOhen 90er Jahren fOhrte die Strafverfolgung in Indien bei zahlreichen sOdafrikani
schen Banden zu der Tendenz bei, sich von den Zulieferern in Bombay zu losen.
Moglicherweise hat auch die GrOndung des chemisch-biologischen KriegsfOhrungs
programms des sOdafrikanischen Militars (siehe oben) zu der Errichtung von Labors
im oder naher am Hauptkonsumland SOdafrika beigetragen. Seit der spektakularen
Beschlagnahmung von 14 Millionen Tabletten in Johannesburg (1987) wurden immer
wieder geheime Laboratorien in SOdafrika, Swaziland, Botswana und Moyambique
entdeckt und zerstort. In der jOngeren Vergangenheit konnte die Herkunft der Vor
laufersubstanzen immer haufiger nach Westeuropa zurOckverfolgt werden. Ein typi
scher Fall eines wahrhaft multinationalen Unternehmens war die Demontage eines
Labors in der Nordwest-Provinz Lichtenburg: Die Vorlaufersubstanzen kamen aus
GroBbritannien und Deutschland, der Chemiker war Brite und die Geldgeber waren
Inder.
Wilderei
In den spaten 70er Jahren avancierte SOdafrika mit dem Segen des Militars zum
Dreh- und Angelpunkt des i1Jegalen Handels mit Elfenbein und Nashornhornern.
1975 begann SOd afrika , die groB angelegte Wilderei in Rhodesien zu fordern, um
seine Anti-Guerilla-Einsatze in dem Land finanziell abzusichern. Diese Strategie
wurde dann auf Angola und MOyambique ausgeweitet, um die Waffenlieferungen und
die Versorgung mit anderen Gotern der von Pretoria unterstOtzten Guerrilla
Bewegungen, UNITA beziehungsweise RENAMO, zu finanzieren. Militareinheiten
wurden eigens dazu abkommandiert, die gewilderte Beute zu transportieren, wah-
38 Brummer, S.: "Secret chemical war remains secret", op.cit.
132
rend sich die mit der Vermarktung in SOdwest- und SOdostasien beauftragten Han
delsfirmen des vollkommenen Schutzes durch die Regierung erfreuten. Dies ermu
tigte die Wilderer in benachbarten Landern wie Namibia und Swaziland, die mit
Handlern der zwischen SOdafrika und Angola beziehungsweise Mo~ambique gehan
delten Waren in BerOhrung kamen.
Gold und Diamanten
Laut der SOdafrikanischen Bergbaukammer werden jahrlich Ober 30 Metertonnen
Gold (6% der Jahresproduktion von etwa 520 Tonnen) gestohlen. Das kostet die In
dustrie etwa 310 Millionen US$ jahrlich. Der Goldschmuggel ist wahrscheinlich so alt
wie die Goldminen der Region, dementsprechend konnen die Netze aul1erordentlich
komplex organisiert sein. Ein Fall, der im September 1996 bekannt wurde, ist eine
gute Veranschaulichung der Findigkeit dieses Sektors: Ein Schmugglerring hatte bis
zu dem Zeitpunkt seiner Sprengung mehr als 206 Millionen US$ Gewinn erzielt, in
dem er seit Jahren wochentlich Hunderte von Kilogramm Goldabfall kaufte, der aus
den Minen in der Gegend von Johannesburg gestohlen war. Der Abfall wurde auf
einer Farm in der Mpumalanga-Provinz zwischengelagert, dann auf dem Luftweg
nach Mo~ambique gebracht, wo bestochene Beamte falsche Exportpapiere bereit
stellten. Das Gold wurde dann zurOck nach SOdafrika transportiert, wo weitere fal
sche Papiere fOr die Luftfracht in LinienfiOgen nach Genf, London und Frankfurt aus
gestellt wurden. Schliel1lich wurde das Gold eingeschmolzen und verkauft. Neben
solchen differenzierten Organisationsformen, in die fOr gewohnlich "ehrenwerte" wei
l1e Investoren und Geldwascher verwickelt sind, dominieren Handler indischer Her
kunft den Schmuggel in kleinerem Mal1stab.
SOdafrikas Zentrum des Diamantenschmuggels ist Kapstadt, wo die Handelswege
aus den angolanischen, namibischen und sogar kongolesischen (DRe) Diamanten
feldern zusammenlaufen. In Kapstadt sitzen regulare, aber auch viele iIIegale Dia
mantenschleifer. Ihre Arbeit ist es, die von Klienten, einschliel1lich den Schmugglern,
zu ihnen gebrachten rohen Edelsteine fOr eine normalerweise festgelegte GebOhr zu
schneiden und zu polieren. Portugiesische und israelische Staatsangehorige, Buren
und Kapstadt-Malaien sind in diesem Handel sehr aktiv. Besonders zu erwahnen ist,
daQ. die riesige Firma De Beers den iIIegalen Handel, dessen Opfer sie ist, indirekt
unterstotzt, indem sie systematisch auf dem Schwarzmarkt Steine aufkauft, um die
Kontrolle zu behalten. Diamantenhandelsnetze konnen hochentwickelt sein und mit
Millionen von Dollars handeln. Abhangig von der Qualitat der Diamanten kann der
Verkaufspreis, sind sie einmal geschnitten und poliert, bis zu fOnfzig Mal so hoch
sein, wie der Einkaufspreis; er betragt mindestens das Dreifache. Bezeichnenderwei
se werden Diamanten aus den Minen in SOdafrika, Namibia und Angola von Minen-
133
arbeitern gestohlen, die sie an einen Kaufer in den nahegelegenen StMten verkau
fen. Einigen Arbeitern, die es leicht haben, in den Minen zu stehlen, zahlt der Kaufer,
den sie regelmaBig mit Edelsteinen beliefern, ein festes Monatsgehalt. Andere ar
beiten auf einer weniger systematischen Basis; sie stehlen nur, wenn sich die Gele
genheit ergibt, und handeln den Preis der gestohlenen Diamanten mit dem Kaufer
jedesmal neu aus. Die Aufkaufer aus der Kleinstadt verkaufen dann die "Rohlinge"
an auswartige Kaufer (eine Reihe von ihnen ist aus Kapstadt und Johannesburg), die
die Infrastruktur und die Kontakte haben, die notwendig sind, um die Edelsteine zu
schneiden und, zumeist auf dem Luftweg, ins Ausland zu exportieren: nach Europa
(Antwerpen), in den Mittleren Osten (Israel), nach Indien und in die Vereinigten
Staaten (New York). Einige haben mit Sicherheitsbeamten an den groBen Flughafen
in SOdafrika (Kapstadt und Johannesburg) Abmachungen getroffen: sie werden mo
natsweise bestochen, damit die Schmuggler ungehindert das Land verlassen kbn
nen. Weil Diamanten klein sind, ist es auch nicht schwer, sie zu verstecken. Eine
weitere Option fOr die Kaufer in den Kleinstadten ist es, das Risiko einzugehen, die
Steine Ober ihre eigenen Kontakte in Kapstadt schneiden und polieren zu lassen und
so einen grbBeren Anteil an den Profiten einzubehalten. Sie verkaufen dann die
Diamanten direkt an die Exporteure in Kapstadt. Einige Minenarbeiter (die OGD traf
einen in Windhoek, der Hauptstadt von Namibia) planen regelrecht ihre Laufbahn als
Diamantenschmuggler: Sie sparen Geld, um zu studieren und dann zur Arbeit in den
Minen zurOckzukehren. Dadurch kbnnen sie einen "besseren" Job erhalten, d.h. ei
nen, bei dem es einfacher ist, Diamanten zu stehlen und an den Sicherheitsleuten
vorbeizuschmuggeln. In Teilen SOd afrikas und Namibias ist Diamantenschmuggel
eine richtiggehende Industrie, die Kleinstadte und ganze Gemeinden unterhalt. Die
meisten Diamantenkaufer besitzen in den Stadten Laden, Kneipen, Restaurants oder
Hotels, um ihre Anwesenheit zu rechtfertigen und ihr Geld zu waschen. Obwohl diese
Geschafte fOr gewbhnlich Teil eines Geldwaschesystems sind, liefern sie auch ,ech
te' Dienstleistungen und sind nOtzlich fOr die Gemeinde.
In Stadten wie Ondangwa und Oshakati, in Nordnamibia nahe der Grenze mit Ango
la, nutzen angolanische Handler, die die Grenze in ihren Lastkraftwagen Oberqueren,
um in den Dutzenden von Supermarkten entlang der HauptstraBe Nahrungsmittel
und andere Waren des taglichen Bedarfs zu kaufen, Diamanten, Dollars, Marihuana
und Kokain als Wahrung. Diamanten werden auch Ober Westsambia aus Angola
heraus geschmuggelt: durch die bOrgerkriegsgeschOttelte Demokratische Republik
Kongo verlauft eine Route geschmuggelter Diamanten, die ihren Weg insbesondere
Ober Nordsambia nimmt. Zusammengenommen ist der Diamantenschmuggel eine
komplexe, viele Millionen Dollar schwere Industrie, die den Lebensunterhalt von
Hunderttausenden, vielleicht sogar Millionen von Menschen im westlichen und mittle
ren Teil des sOdlichen Afrikas erwirtschaftet.
134
Geldwasche
Ais eine direkte Foige der okonomischen Sanktionen hat SOdafrika wahrend vieler
Jahre auslandisches Kapital, auch von zweifelhafter Herkunft, mit offenen Armen
willkommen geheir..en. 1987 gestand ein Direktor des militarischen Geheimdienstes
wahrend eines Besuches in den Vereinigten Staaten ein: "Wir waren immer stark auf
auslandisches Kapital angewiesen. Infolgedessen ist SOd afrika eines der wenigen
Lander, in denen dem Auslandskapital keine wie auch immer geartete Kontrolle auf
erlegt wird. Jeder Auslander kann ohne Beschrankungen Geld - ob "schmutzig" oder
nicht - nach SOdafrika oder aur..erhalb des Landes bringen,,39. Von der Aussage des
Generals lar..t sich ableiten, dar.. das, was wir jetzt "Geldwasche" nennen, schon eini
ge Zeitlang in gror..em Mar..stab in SOdafrika praktiziert wurde. Selbst die Bank of
South Africa drOckte zum Wohl des Staates bei Betrug und Devisenschmuggel aile
Augen zu. FOr die fragwOrdigen Geschafte, die am sichtbarsten waren, wurde es zur
Gewohnheit, sich auf Zwischenmanner zu verlassen, denen die Feinheiten des inter
nationalen Finanzwesens (siehe unten) vertraut waren und die Transaktionen in
"Offshore"-Markten wie den Seychellen und benachbarten Landern durchfOhrten40.
Das Wachstum der Freizeitindustrie (Kasinos und Luxushotels) in den "bantustans",
insbesondere in Bophuthatswana Oetzt Nordwest-Provinz) machte die politische Ent
scheidung, die Geldwasche zu fordern, offen bar. Wahrend des Apartheid-Systems
konnten in illegale Transaktionen involvierte Geheimdienstler, Banker und Politiker
meistens von Straffreiheit ausgehen; auch nach dem Sturz des rassistischen Regi
mes wurden in SOdafrika die Verbindungen zwischen organisierter Kriminalitat und
der Regierung nicht vollstandig aufgelost.
In vielen sOdafrikanischen Landern herrschen vergleichbare Zustande, besonders
hinsichtlich der Geldwaschestrukturen, die haufig mit der Finanzierung von BOrger
kriegen in Verbindung stehen. Auch in der Region tatige, westeuropaische Kriminelle
haben in der Vergangenheit einem oder mehreren Kriegsparteien "Gefalligkeiten"
erwiesen, und es dart vermutet werden, dar.. sie jetzt weiterhin "Spezialdienste" lei
sten. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, das Beispiel des italienischen Ma
fioso Vito Palazzolo zu erwahnen. Es zeigt, dar.. das "Know-how" des organisierten
Verbrechens, in diesem Fall die "finanzielle Zauberei", sogar nach dem Ende der
Apartheid nOtzlich sein kann. Palazzolo, prominentes Mitglied von Siziliens Cosa No
stra und frOherer Bankier des internationalen Heroinnetzes "Pizza Connection", wird
von der italienischen Polizei gesucht. Heute lebt Palazzolo in Kapstadt, nennt sich
Robert von Palace Kolbatschenko und beruft sich auf eine deutsche aristokratische
39 "This is an off-the-record conversation tonighf" in Nose Week, April/Mai 1987. 40 Siehe Ellis, S.: "Africa and International Corruption: The Strange Case of the Seychelles", in African Affairs, 1996, pp. 165-196.
135
Abstammung. Ihm wurde in SOdafrika 1987 zunachst eine Aufenthaltserlaubnis be
willigt. Diese Erlaubnis wurde bereits einige Male erneuert. 1993 geschah dies be
merkenswerterweise anlaBlich einer Kabinettssitzung unter dem Vorsitz von Prasi
dent F.W. de Klerk, obwohl ein internationaler Haftbefehl gegen Palazzolo anhangig
war. Palazollo soli einer der Hauptfinanziers von De Klerk's National Party gewesen
sein und konnte schlieBlich 1995 die sOdafrikanische StaatsbOrgerschaft erlangen.
Die italienischen BehOrden sagen, daB er das Portefeuille der Auslandsinvestitionen
sizilianischer Top-Mafiosi verwaltet, einschlieBlich von Toto Riina, dem gefangenen
"capo di tutti capi" der Cosa Nostra. Ober eine auf den britischen Jungferninseln regi
strierte Firma besitzt Palazzolo angeblich Diamantenminen in SOd afrika und Angola,
wahrend seine Kapitalanlagen allein in SOdafrika und Namibia mit 25 Millionen Rand
(Ober 5 Millionen US$) beziffert werden. AuBerdem ist Palazollo dafOr bekannt, daB
er in der ostlichen Kap-Provinz, der frOheren Republik Transkei, Eigentum besitzt und
Geschafte macht. Das ostliche Kap ist eines der drei Hauptproduktionsgebiete von
Marihuana in SOdafrika, und es ist eine ANC Wahlhochburg. Bis heute erfreut sich
Palazzolo hochkaratiger Kontakte in der gegenwartigen sOdafrikanischen Geheim
dienstgemeinde und ist mit fOhrenden sOdafrikanischen Gestalten aus der Unterwelt,
wie etwa Rashied Staggie, bekannt41 . Der Chef der Presidential Investigation Task
Unit, ein geheimes Polizeikommando mit Basis in Kapstadt, das die organisierte Kri
minalitat untersucht und deren Mitglieder enge Verbindungen zu hohen Bearnten der
Regierung von Nelson Mandela unterhalten, schrieb am 27. August 1997 einen Brief
an Palazzolo. Darin versichert er ihm, daB die sOdafrikanischen Behorden nichts
Verwerfliches an seinen Aktivitaten finden konnten. Wahrscheinlich ist das der
Grund, warum ihn die sOdafrikanische Polizei nicht behelligte, als ein italienischer
Richter im Februar 1998 um seine sofortige Festnahme und Auslieferung ersuchte42.
Geldwasche ist nicht auf SOd afrika beschrankt. Sie kann wahrhaftig als eine regio
nale Industrie bezeichnet werden. In Sambia zum Beispiel explodierte mit der Libera
lisierung des Finanzsektors 1992 die Zahl der dort operierenden Banken und Wech
selstuben. Viele sambische Banken gehoren Drogenhandlern, wahrend sich andere
darauf spezialisieren, gegen Provision Geld zu waschen. Die meisten Banken stellen
keine Fragen nach der Herkunft der Einlagen. Laut Angaben der sambischen Dro
genpolizei exportieren Geldinstitute jahrlich Millionen von Dollar, und bei der Mehr
zahl der Gelder ist die Herkunft unbekannt. Die Existenz einer riesigen Anzahl von
Wechselstuben in Sambia kann nur mit der Geldwasche erklart werden, denn ihre
41 Fur ein joumalistisches Portrait von Rashied Staggie und seine Sande (farbig), die Hard Livings, die die maBgeblichen Drogenverteiler in der GroBregion Kapstadt sind. siehe "Who is ... Rashied Staggie", in The Weekly Mail and Guardian, 16. Juni 1998; und Thiel, G.: "Cape drug war heads for the polls", in ibid, 4.ApriI1997. 42 Smith, P.: "Nats were in bed with Mafia boss", in The Weekly Mail and Guardian, 5. Februar 1999; und Daffy, A.: "Top cop backs mafia man", in ibid, 12. Dezember 1997.
136
Gewinnspannen sind sehr niedrig oder inexistent. Oberdies sind in diesem Land zahl
reiche Wahrungshandler auf dem Schwarzmarkt aktiv. Infolge der Liberalisierung des
Finanzmarktes und der fehlenden Kontrolle seines Oberentwickelten Finanzsektors
ist Sambia zu einem regionalen lentrum geworden, das darauf spezialisiert ist, Pro
fite in das internationale Finanzsystem einzufOhren, die aus dem regionalen (Orogen,
Waffen, gestohlene Autos, etc.) und internationalen illegalen Handel (Orogenein
kOnfte der asiatischen und europaischen organisierten Kriminalitat) stammen. Oar
Ober hinaus besitzen die in Sambia ansassigen Handler Geschafte, die sie fOr die
Schieberei und fOr die Wasche der EinkOnfte benutzen. Oie Methoden reichen von zu
hohen Berechnungen bei Importen und zu niedrigen Rechnungen bei Exporten bis
hin zur Bereitstellung von fiktiven Oienstleistungen.
Oas alles sind klassische Methoden, die wahrend Jahrzehnten von Politi kern Oberall
in Afrika und ihren Partnern in der entwickelten Welt und zum Nachteil der afrikani
schen Staatskassen entwickelt wurden. Wenn auch genaue Angaben fehlen, deutet
die Besorgnis seitens der sambischen Regierung, der Opposition und der auslandi
schen Botschaften in Lusaka darauf hin, dal1 die sambische Wirtschaft in hohem
Mal1e "geschmiert" ist.
Ein weiteres erwahnenswertes Beispiel ist Mauritius: Obwohl die Insel als ein "Off
shore"-Finanzzentrum bekannt ist, in dem grol1ere internationale Banken lweigstel
len eroffnet haben, um aus den eher laxen Bestimmungen, die dem Finanzsektor
auferlegt sind, Vorteile zu ziehen, ist die "Offshore"-Aktivitat wahrscheinlich nicht der
Hauptkanal fOr die Geldwasche auf der Insel. lwar existiert Geldwasche im Banken
und Finanzsektor sowie im Freihafen und in der Textilindustrie, aber Mauritius
scheint aus anderen GrOnden ein geeignetes liel fOr Orogengelder zu sein. Oie
Kombination aus hoch profitablen wirtschaftlichen Aktivitaten, seinem blOhenden
Handel, der Industrie, den Immobilien und der GIOcksspielindustrie und einer Ober
komplexen BOrokratie liefert die idealen Rahmenbedingungen, die fOr ein "Inshore"
Geldwaschesystem notwendig sind. Politische Parteien werden finanziert und Lu
xusanwesen, aber auch offentliche Wohnprojekte, unter ihrem Schutz gebaut. Oieses
System hat viele Vorteile und funktioniert auch in anderen Teilen der Welt, wie etwa
bei den hollandischen und franzosischen Besitzungen in der Karibik43. Gemeinsam
mit den EinkOnften aus anderen illegalen Transaktionen, wie dem Verkauf gefalsch
ter Markenwaren (Lacoste, Gucci, etc.) nach SOdafrika und Europa44, hilft das Oro
gengeld, die Errichtung einer besseren Infrastruktur mit Privatinvestition zu bezahlen
43 Siehe "Saint-Martin Only Gives to the Rich", in The Geopolitical Drug Dispatch, No.8?, Januar 1999. 44 Zum Beispiel erscheint Mauritius in Zolistatistiken an der Seite von Thailand und China als einer der Hauptlieferanten von Billigimitaten fOr Frankreich.
137
und damit staatliche Gelder zu mobilisieren, um in einem zweiten Schritt Einrichtun
gen fOr die Tourismusindustrie (Yachthafen, Einkaufszentren, Luxushotels) offentlich
zu finanzieren, was wiederum der Geldwasche dient. Das akkumulierte Kapital wird
hauptsachlich nach Asien (Indien, Pakistan, Malaysia, die Emirate, etc.) transferiert.
Dies geschieht normalerweise Ober informelle Kanale wie "hundi", einem in der in
disch-pakistanischen Geschaftswelt weit verbreiteten Mittel, Barzahlungen (fOr legale
und illegale Zwecke) zu tatigen. Das Geld kommt dann Ober den formelleren
Banktransfer in Form einer Auslandsinvestition zurOck. Die direkte Auslandsinvestiti
on geniel1t auf Mauritius bemerkenswerte Steuervorteile. Zum Teil lal1t sich das so
,erwirtschaftete' Kapital aber auch in ahnlichen Investitionen (insbesondere Touris
mus und Pflanzungen) in benachbarten Landern wie Sansibar, den Seychellen, SOd
afrika, Moc;:ambique und Simbabwe nieder, anstatt nach Mauritius zurOckzukehren.
Die asiatischen Bevolkerungsgruppen in den Landern der Region (SOdafrika, Tansa
nia, Zimbabwe, etc.) greifen ebenfalls auf dieses System zurOck und nutzen Mauriti
us als ein Etappenposten fOr andere Bestimmungsorte, vornehmlich die "emerging
markets" SOdostasiens und China.
IV Tauschhandel
Neben den "klassischen" Geldwaschemethoden, die hauptsachlich Kapitalbewegun
gen zur Foige haben und im sOd lichen Afrika weit verbreitet sind, wirkt der Tausch
handel als eine strukturierende Kraft und ist eine der Besonderheiten der regionalen
Schmuggel- und Geldwascheszene. Der Tauschhandel, die Methode der informellen
Handelstransaktionen, erzeugt Geldwaschemechanismen auf verschiedenen Ebe
nen. Die unterste Ebene, auf der Profite unter aile Bevtilkerungsteile verteilt werden,
die in dem Drogenhandel verwickelt sind, betrifft nur selten Geldinstitute, ist aber al
lein wegen der Zahl der beteiligten Personen von Bedeutung. Sie berOhrt die einzige
lokal produzierte Drogenpflanze, die bedeutende Profite erzeugt, Cannabis. In einer
Region der Welt, die reich an illegalem Handel in fremder Wahrung, jedoch arm an
Bargeld ist und die mit wilikOrlichen Wechselkursen und endemisch inflationaren
Tendenzen zu tun hat, kann Cannabis manchmal als eine "harte Wahrung" fOr alltag
liche Transaktionen dienen, die Ober die Grenzen hinweg getatigt werden und Basis
konsumgOter betreffen. Gleichzeitig kann Cannabis aber auch gegen illegale Waren
wie Waffen und gestohlene Fahrzeuge eingetauscht werden. Eine Praxis, die zuerst
in den spaten 8Dern auftauchte, gewinnt jetzt an Boden - namlich gestohlene sOd
afrikanische Fahrzeuge in benachbarten Landern (Lesotho, Namibia, Moc;:ambique,
Swaziland, Sambia, Zimbabwe) gegen Drogen (Mandrax und Marihuana) oder Waf
fen einzutauschen, die haufig in einem weiteren gestohlenen Fahrzeug importiert
werden.
138
Diese Art des Handels scheint ursprOnglich von Teilen der Anti-Apartheid-Bewegung
in Gang gesetzt worden zu sein; inzwischen haben sich ihre Akteure diversifiziert.
Wie Stephen Ellis es fOr den Fall SOdafrika erklart: "Auf einer lokalen Ebene versu
chen bewaffnete Milizen und Banden einen Teil des Gebietes zu kontrollieren, um
daraus Profit zu ziehen. Einige von ihnen [ ... ] schmieden Allianzen mit Parteien oder
einzelnen Politi kern und mit Geschaftsleuten, die wissen, wie man Dinge importiert,
die sie am meisten benbtigen, Waffen und Munition, und diese GOter gegen das
eintauschen, was sie zu exportieren haben, insbesondere Marihuana und gestohlene
Automobile,,45. In Lesotho kann Vieh, das ein wesentliches Element in der Basotho
Kultur darstellt, in SOdafrika gestohlen sein und gegen Marihuana getauscht werden,
das in Lesotho produziert wurde. Umgekehrt werden in Lesotho gestohlene KOhe
gegen "dagga" getauscht, das in SOdafrika hergestellt wurde. Oberall in der Region
ist es mbglich, Drogen oder Diamanten gegen fast alles, insbesondere gegen andere
gestohlene Waren wie Schiffsladungen mit Bier, Videoapparate, Stereoanlagen, etc.
einzutauschen. In einer Cannabis produzierenden Region in SOdsambia, so erzahl
ten Informationsquellen der OGD, wurde die Cannabis-Industrie von Stadtbewohnern
angekurbelt. Sie kamen in das landliche Gebiet, um lokal produziertes Marihuana
gegen BasiskonsumgOter wie Radios, Bekleidung, Fahrrader, etc. zu tauschen, die
die Bauern brauchten, aber in den Geschaften dort nicht finden konnten oder die fOr
sie zu teuer waren. DarOber hinaus kommt es im sOd lichen Afrika immer haufiger vor,
da~ Marihuana gegen in Europa hergestellte synthetische Drogen wie LSD und Ex
tasy getauscht wird.
Gelegentlich kbnnen die Profite, die aus den Transaktionen entstehen, bei denen
Cannabis verkauft oder getauscht wird, von Bedeutung sein. In den meisten Fallen
sind sie es jedoch nicht, da sie kleine Netzwerke betreffen, die von lokalen Akteuren
(arme Bauern, lokale Geschaftsleute oder Verwaltungsbeamte, etc.) gebildet werden
und die Banken kaum erreichen. Nichtsdestotrotz wird Geld von Produzenten, ille
galen Handlern und Stra~endealern gewaschen. Soweit es diese Akteure betrifft,
bedeutet "Geldwasche" die Verbesserung des alltaglichen Lebens; zum Teil mOnden
sie in kleine Investitionen, wie den Kauf eines Fahrrads, eines Autos oder von Bau
material. Wah rend die Geldwasche im kleinen Stil aus der Produktion und dem
Cannabis-Verkauf auf Kleinhandelsebene stammt und charakteristisch fOr lokale
Oberlebensstrategien ist, existiert eine bedeutsamere Tauschhandelsvariante, die
sich ahnlicher Methoden wie die der Geldwasche von Drogengeldern bedient. GOter
mit hohen Gewinnspannen werden mit Drogengeldern aufgekauft, die im nachsten
Schritt zu ,Wahrungen' werden. Waren wie Gold, Diamanten, nicht-eisenhaltige Me-
45 Ellis, S., op. cit.
139
talle sowie Exportprodukte wie Kaffee und Tee waren fOr lange Zeit an solchen
Transaktionen mit hoher Wertschtipfung beteiligt.
Ihre gut funktionierenden Netzwerke werden haufig von Staatsinteressen, hochste
henden Perstinlichkeiten und manchmal von Interessen aus anderen Kontinenten
wie Europa und Amerika geschOtzt. Um nur ein Beispiel zu geben: einige afrikani
sche Lander erscheinen als Diamantenexporteure, obwohl sie keine Produzenten
sind. In anderen Landern kommt es zu einer Differenz zwischen der Karatmenge, die
sie zu exportieren behaupten und den Karat, die auf dem Diamantenmarkt von Ant
werpen tatsachlich als Import registriert sind. Die internationale Gemeinschaft der
Diamantenbranche scheint diesen Zustand der Geschafte als eine Tatsache zu ak
zeptieren. ZurOck in SOdafrika kaufen Drogenhandler Diamanten auf dem Schwarz
markt ein und verkaufen sie dann an Lizensinhaber weiter, die ihre Steine von unab
hangigen Produzenten und SchOrfern erwerben. Beide Praktiken nutzen den
Tauschhandel, jedoch auf vollkommen verschiedenen Ebenen, und sie haben eine
unendliche Bandbreite an Variationen, wobei Waren mit hohen Gewinnspannen (w.g.
lIIegalitat) oder hoher Wertschtipfung die Rolle einer Wahrung spielen, besonders,
wenn sie Teil eines Netzes oder einer Industrie sind, die einen relativ guten "Schutz"
genier..t.
V SchluBbemerkung
Die ethnischen Schranken, die "kriminelle" Infrastruktur und die Tauschhandelsge
wohnheiten, die aus den Jahrzehnten des Konflikts ererbt sind, der die Region zer
rissen hat, spielen eine bedeutsame Rolle in der heutigen Drogenhandelsszene des
sOd lichen Afrikas. Diese drei Faktoren interagieren auf vielfaltige Art miteinander und
pragen die Drogenszene in der Region, insbesondere was den internationalen Han
del und den lokalen Konsum anbetrifft, in erheblichen Mar..e. Wahrend regional pro
duziertes Cannabis vor allem dem intraregionalen Austausch und der Geldwasche
auf niedrigem Niveau dient, werden Kokain, Heroin und Mandrax zunehmend inner
halb der gror.. angelegten Geldwascheprogramme oder als Bezahlung fOr Waren, wie
Gold, Diamanten, Elfenbein, Nashornhtirner und sogar Tabak und Tee aus dem sOd
lichen Afrika benutzt46. Die Geographie der illegalen Handelsaktivitaten, die sich der
OGD auf der Grundlage der in diesem Beitrag z.T. erlauterten Studien erschlossen
hat, zeigt deutlich, dar.. Drogenhandelsnetze altere, informelle wie illegale Kanale und
Routen aufgegriffen haben.
46 Der Wohlstand der innerhalb SOdafrikas durch Cannabis-Exporte in den Rest der Welt hervorgebracht wurde, wird im Vergleich mit den Profilen, die aus den Diamanten, dem Gold, Elfenbein und den NashornhCirnern erwachsen, als marginal angesehen.
140
Die Handels- und Konsumszene des sudlichen Afrikas kann in drei breite "Drogen
gegen-regionale-Waren"-Einflur..gebiete eingeteilt werden: die ,Ostkuste', an der
uberwiegend Mandrax oder Heroin gegen Gold getauscht wird (Mauritius, Mo~ambi
que und Tansania); die ,Westkuste' als das "Kokain-gegen-Diamanten"-Gebiet (An
gola, Botswana, Namibia und Zimbabwe); und die ,gemischten' Lander (Lesotho,
Malawi, Sudafrika, Swaziland und Sambia), die aufgrund einer Kombination ver
schiedener Faktoren einschlier..lich ihrer geographischen Lage, der verfugbaren Res
sourcen und ihrer ethnischen Konflikte, Gold und Diamanten im Tausch gegen Ko
kain und Heroin exportieren.
An der Ostkuste des sud lichen Afrika scheinen die Handelskontakte aus der Heroin
szene in den Gold- und Methaqualone-Schmuggelnetzen aufzugehen, die Afrika mit
dem indischen Subkontinent verbinden. Von Sansibar bis Durban ziehen die Dro
genhandler aus dem traditionellen ,Afrika der Handelsposten und der Hafen' am indi
schen Ozean ihren Vorteil. Sie nutzen die im sudlichen Afrika verfugbaren Dienstlei
stungen und profitieren von seinen Freihafen, die den Export legaler wie illegaler Wa
ren aus der Ostkustenregion des sudlichen Afrikas und den landumschlossenen
Landern erleichtern. Diese Handelswege reichen zuruck in die Zeit, als die Araber im
15. Jahrhundert erste Handelsposten im heutigen Tansania und Kenia errichteten.
Daher ist es nicht uberraschend, dar.. Tansania, Mo~ambique, Mauritius47 und in ge
ringerem Mar..e SOdafrika heute als Transitlander fOr Haschisch und Heroin aus dem
indischen Subkontinent agieren.
DemgegenOber scheinen die das Kokain betreffenden Handelsaktivitaten mehr mit
Marschrouten, Netzen und illegalen Handelsstrukturen verbunden zu sein, die in La
teinamerika (insbesondere Brasilien) und Europa entstanden sind. So hat es den
Anschein, dar.. Angola, Namibia, und SOdafrika in den internationalen Kokainhandel
ebenso sehr verstrickt sind, wie in den Handel mit Diamanten, Waffen, Nashornhor
nern und Elfenbein. Daher sind an der WestkOste des sOdlichen Afrikas die Gror..
handels- und Strar..enpreise fOr Kokain viel geringer als an der OstkOste und nahern
sich den Preisen an, die in einigen westafrikanischen Landern wie Ghana, Nigeria,
Senegal, etc. Oblich sind.
Drogen sind flexible geopolitische Waren, die auf viele Arten von einer Menge an
Institutionen, Organisationen und Individuen genutzt werden, urn vielfaltige BedOrf
nisse zu befriedigen und sich den Anforderungen der standig verandernden Bedin-
47 Inzwischen wurde in diesen drei erwilhnten Uindem Heroin zur verbreitetsten und am haufigsten miBbrauchte Droge, die zu einem sehr niedrigen StraBenpreis verkauft wird - vgl. hierzu den indischen Beitrag (CharleS/Britto) in diesem Band.
141
gungen anzupassen48. Die Ergebnisse der OGD-Studie Ober das sOdliche Afrika die
nen als eine perfekte Veranschaulichung dieser allgemeinen Regel. Tatsachlich sieht
es so aus, als ob die aus dem Drogenhandel stammenden Profite die Verluste, die
mit dem Ende der meisten regionalen Konflikte aus der Normalisierung eines gror..en
Teils der geheimen Tauschgeschafte entstanden sind, ausgleichen wOrden. Um im
Geschaft zu bleiben, haben sich die uralten Schmuggelnetze der neuen geopoliti
schen Situation angepar..t. Nun werden Drogen als ,Wahrungen' im Tauschhandel
benutzt, da sie dank ihres Verbots zu Gotern mit hohen und sicheren Gewinnspan
nen geworden sind. Die Tatsache, dar.. viele der gror..eren Netzwerke in Partner
schaft mit bedeutenden politischen und okonomischen Kraften, sowohl aus der Regi
on, als auch weltweit, betrieben werden, deutet darauf hin, dar.. die neue Rolle des
sOd lichen Afrikas als eine Transit- und Konsumregion fOr Drogen und als ein Geld
waschezentrum mehr als nur eine vorObergehende Phase ist. Wahrscheinlicher ist
es, dar.. sich der Drogenhandel mit den dazugehorigen Extraprofiten neben Diaman
ten, Gold und landwirtschaftlichen GOtern fest etabliert hat und die Integration SOd
afrikas in die "globalisierte" Okonomie erleichtert.
Literaturverzeichnis
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48 Laniel, L.: "Drugs and Globalisation: An Equivocal Relationship", in International Social Science Journal, No. 160-Globalisation, Juni 1999.
142
The International Drug Complex - The Interwined Dynamics of
International Crime, Law Enforcement and the Flourishing
Drug Economy
Hans T. van der Veen 1
Abstract:The International Drug Complex
The War on Drugs' is lost, but the struggle continues. In spite of ever increasing
resources dedicated to the reduction of supply and demand of illicit drugs,
consumption levels are still rising all over the world. The prohibition regime is, in a
rapid pace, extended with the coercive powers of states to intervene in national and
international drug markets, but therewith also in the sovereignty of individuals,
peoples and countries. Just as individuals might get addicted to the use of drugs, so
the societies in which they live are becoming addicted to the money that is generated in
the drug business. The latter seems to be equally true for the agencies that are
assigned the task to control it.
Contents
Introduction
Crime and law enforcement in the 'new world order'
II The drug industry
III The political economy of drug law enforcement
IV The International Drug Complex
V Conclusion
Bibliography
1 Politologe, schreibt seine Doktorarbeit am Robert Schuman Centre am European University Institute/Schuman Center in Florenz; u.a. betreibt er Feldforschung zur Drogenproblematik in Marokko. [email protected].
143
Introduction
The 'War on Drugs' is lost, but the struggle continues. In spite of ever increasing
resources dedicated to the reduction of supply and demand of illicit drugs, consumption
levels are still rising all over the world. The drug industry is probably the largest and
most profitable sector of international crime. The perceived threats of drug consumption
and organized crime provide the main justifications for important impulses given in
recent years to the development of legislation and the organization of law enforcement.
Drug repression thereby increasingly acquires an international character. Unilateral,
bilateral and multilateral forms of pressure, intervention and collaboration are prolife
rating between states in the name of suffocating the ever swelling drug economy. The
prohibition regime is thereby, in a rapid pace, extended with the coercive powers of
states to intervene in national and international drug markets, but therewith also in the
sovereignty of individuals, peoples and countries.
Just as individuals might get addicted to the use of drugs, so the societies in which they
live are becoming addicted to the money that is generated in the drug business (OGD
1995:xiii). This seems to be equally true for the agencies that are assigned the task to
control it.
The drug war can not be won, at least not by the state, as long as demand for illicit
drugs exists. Instead of keeping drug trafficking and organized crime in check, supply
repression is likely to increase the profits of illegal entrepreneurs and to give incentives
to the professionalization of their organizations. Repression induced scarcity inflates
the price of the merchandise; consequently more people will be attracted to take the
risk and enter the business. When governments enhance their efforts to repress the
drug industry, remaining drug entrepreneurs will reorganize their activities so as to limit
the risk of detection and prosecution.
Supply reduction therefore seems a dead end strategy, as it is likely to produce little but
counterproductive effects on the supply of illicit drugs and on the organizational
strength of the trafficker networks it attacks. There are, nevertheless, many other
regulative functions for the police and other state agencies that might merit their inter
vention in controlling the problems related to drug traffickingl distribution and drug use.
Such problems are basicly related to issues of public health and public order. Ultimate
ly, policies aimed at supply reduction must -at least in accordance with official policy
goals- be judged by how they affect consumer demand; through the decreased availa
bility of drugs, through an increase in price or through the deterrent effect of the
criminal law (UNDCP 1997:237). This picture is rather bleak. Over the last decade
worldwide production of illicit drugs has expanded dramatically. Opium and marijuana
144
production has roughly doubled, and coca production tripled (Perl 1994:ix). New
synthetic drugs find a burgeoning demand in countries all over the world. Nonetheless,
what is discussed in the relevant international fora is not so much if drug policies are
one the right track, but how more powers and resources can be assigned to law
enforcement agencies to suppress the drug trade. Thereby the prohibition regime is
extending its scope towards the financial sector (money laundering), new drugs, the
chemical precursor industry and the disruption of organized crime. Moreover, it is
increasingly extending its scope across borders.
In public policy debates, human rights and anti-war on drugs perspectives stand
opposed to the belief that only by the strengthening of domestic and international legal
instruments the necessary conditions for the democratisation of society can be brought
about (Dorn, Jepsen, and Savona 1996:4). As proponents of legalization and those of
intensified law enforcement vie with one another in the media and political arenas, the
two worlds of crime and law enforcement are increasing their grip on society. Both are
extending the scope of their activities, professionalize and internationalize their opera
tions. Moreover, they seem to find support in the existence of one another.
To understand the perverse dynamics of both the booming drug industry and of
proliferating state powers to control it, it is my contention that more attention should be
given to the political and economic interests related to both the drug economy and its
control. Equally, the intertwined symbiotic and systemic interactions of the upper and
the underworld, which take shape in the international political economy, need to be
more closely scrutinized.
Why people produce, traffic and consume drugs are very complex issues. Money and
the power (poverty and marginalization) that goes with it account for trafficking and
much production. But other answers that explain the flourishing of the drug economy
must be found in society. These relate to how a society is structured, how political
power is accrued and wielded within it, how economic policy is applied, how the
economy performs, and how resistant the cultural fabric is to the use of public office for
private gain (Tullis 1991 :2). To understand the policy options and policy choices of go
vernments we have to consider these factors as well.
Dealing with these drug related interests, and the multifarious and interdependent
dimensions of the drug problem, poses governments with very complex policy choices.
Difficult as the management of these interests in the domestic domain may be, with the
internationalization of both the drug economy and drug law enforcement this task
places governments for far greater difficulties. No matter how good the intentions of
drug law enforcement may be, no matter how valuable their outcomes are, they are
unlikely to curb the expansion of the drug industry. 145
It is to this spiralling escalation between two power contenders on different sides of the
law that I want to draw attention in this article. My quest is to understand how this
failure is produced, why this policy is continued and what its consequences are.
Thereby I mainly try to explain the escalation of the drug war and understand its
underlying dynamics as deriving from structural changes in the global political
economy. I thus look at the drug war as a response to the problems states face in
dealing with the loss of their authority in a globalizing world. Thereby I focus on the
political and economic stakes of drug trafficking and drug control, and analyse the
f10rishing of both the drug industry and the crime control industry as forms of projecting
power and imposing social discipline, and as mechanisms of wealth accumulation,
more addepted to the exigencies of the pursuit of power and plenty in the 'new world
order'. My core point is that both misguided assumptions and the instrumentalization of
the War on Drugs - both in the domestic and the international domain - subvert the
goals of the prohibition regime and produce not only unintended, but also intended
consequences, that explain for its escalation.
By what I label an -as yet incipient- theory of the International Drugs Complex, I hope to
offer a deeper understanding of the mutual dynamics of the expanding drug industry
and the extension of repressive state powers, and provide further insights in the loom
ing and actual dangers posed by these forces for the democratization of societies.
The theoretical concept of the International Drug Complex is chosen in analogy with the
theory of the Military-Industrial Complex (MIG), that was broadly used to explain for the
longevity of the Cold War, the spiralling arms race, the persistence of ideological
antagonisms, 'perverted' priorities in state budgets and interventionist proclivities of big
power's foreign policies (Rosen 1973:1). To explain the dynamics underlying these
societal events and tendencies, the theory of the MIC focused specifically on relations
between the military establishment and the weapons industry, that -within the social,
economic and institutional fabric of specific countries- together formed a community of
interest powerful enough to lead to such outcomes. Apart from analyzing such
symbiotic relations between different actors with common and interrelated interests
(special interest groups seeking special attention from the government), the theory of
the MIC also focused on more systemic factors that lead to the growth of both the arms
industry and the military services. Such systemic factors, the theory asserted, exist
both within a specific society and in the international arena. In the domestic domain,
even where there was no structure of interest mediation between a confederation of
business firms and military services, and where the goals of the MIC were merely
achieved through innumerable and basically unrelated decisions, still the outcomes of
146
these decisions taken in the pursuit of perceived self-interests lead to the growth of
both sectors. In the international arena, the theorists of the MIC perceived different,
nationally bound, Military-Industrial Complexes to mutually support each other, as the
alleged achievements of one party in the Cold War urged the other on to greater heigh
ts.
In a similar way, in this paper, I try to understand the underlying dynamics of the War
on Drugs, by focusing on the symbiotic and systemic relations between the drug
industry and states' drug control efforts, and from there develop a theory of the Interna
tional Drug Complex. This theory should help to explain for the continuation -if not
escalation- of the War on Drugs, explain the predominant place the drug issue has
attained in domestic and international policies of many states, and provide a deeper
understanding of the very dynamics of the drug industry and of the state powers put in
place to control it.
I depart from the assumption that by focusing on the political and economic dimensions
of the drug industry and drug law enforcement, a more profound understanding can be
achieved of the dynamics underlying their mutual expansion. I place the drug industry
and law enforcement within the context of both the societies and the international
political-economy in which they take shape, and thereby try to delineate their interacti
ons and mutual dynamics. To assess the outcomes of their mutual interactions I focus
on the distributional consequences of these interactions within and between societies;
stating these - intended and unintended -consequences in terms of the distribution of
power, wealth and security in both the domestic and the international realm.
Below I develop three closely related themes, through which I aim to illuminate the
intertwined dynamics of the drug industry and law enforcement practices, and so
provide the building blocks for a theory of the International Drug Complex:
1. The global drug industry; in which I focus on the international division of labour in the
drugs business, and on how states' laws and drug control practices might impinge on
the industries organizational structures and the distribution of reward;
2. The political-economy of drug law enforcement; in which I focus on the trade-ofts
between drug repression and broader policy goals of states in domestic and interna
tional arenas, and on the mechanisms through which the intertwined dynamics of the
forces of crime and punishment influence the distribution of power, wealth and security
within and between societies;
3. The International Drug Complex; in which I assess the underlying dynamics of the
interactions between the drug industry and drug enforcement practices, and argue that
the War on Drugs is driven by similar collusive and systemic mechanisms as those that
spurred the Cold War, with possibly no less detrimental consequences for the relations
between states and their societies.
147
As my focus is specifically on the international dimension of the interactions between
the drug industry and law enforcement practices, in the next section I first clarify some
of the dominant changes in the international political economy that I see as the neces
sary background for understanding the escalation of their mutual dynamics.
Crime and law enforcement in the 'new world order'
The internationalization of both crime and law enforcement and therefore also their
mutual dynamics are closely related to the changes in the world system, brought about
by the end of the Cold War, globalization, regional integration and neo-liberal reforms.
The transformations these developments and processes gave rise to are manifold.
They produced new patterns of hierarchy and dominance in the international system
and changed the role of the state in this system. Therewith we see new forms of sover
eignty (e.g. economic, multilateral, multinational) and changes in the relations between
economic and political systems (e.g. deregulation, informalization, corruption). These
changes in the world political and economic system also lead to a diminished
separation between the domestic and the international frameworks for policy making
and the management of economic affairs (Cherny 1995, Rosenau 1992). With these
developments the very basis of the accumulation of power and wealth, and the use of
these resources for their protection take unprecedented shapes. This is equally true for
the forces that try to redistribute these political and economic resources.
Globalization leads thus to a much more fragmented competition for the sources of
power and wealth, in which non-state actors play an increasingly important role. In this
context the internationalization of crime and law enforcement takes place. In this
context their interactions take shape. It is also in this context that they influence the
international political economy, and therewith the distribution of power, wealth and
security in the international system.
Globalization, defined as the intensification of economic, political, social and cultural
relations across borders, has to a large extent been facilitated by technological
developments, and has further been sustained by economic and political decisions to
give international exchanges free-way. Together with the partial liberalization of global
markets, globalization has offered increasing opportunities for the unfettered flow of
capital, goods, people and information over the globe. The concomitant increase in the
power of market forces and the impact of neo-liberal reforms have debilitated states'
capabilities or willingness to regulate and control these flows. With the fall of the Berlin
wall, this globalization, uneven as it may be, is gaining truly global dimensions.
148
Paradoxically, together with the further integration of the world society, these
developments have also brought about disintegrative forces, which, combined with new
technological capabilities, offer unprecedented opportunities for the expansion of trans
national criminal enterprises. The political turmoil and poverty that came with these
changes in the international political economy offer a virulent breeding ground for the
drug industry, as increasingly people seek and find in it a way to alleviate economic dis
tress andl or fund their nationalist struggle through criminal enterprise (e.g. Kurdistan,
Chechenia, Kosovo).
Globalization has also fostered the expansion of networks and illegal transactions over
the globe. Migratory diasporas link relatively poor drug producing countries to
consumer markets with far greater spending power. Financial technology makes it
easier to hide the proceeds of crime, and increasing trade in general is likely to
enhance the opportunities for smuggling and fraud.
Some criminal entrepreneurs, in more organized forms, like transnational enterprises,
extent their transnational operations; and the degree to which their authority in world
society and in the world economy rivals and encroaches upon that of governments
(Strange 1996:110). "Mafias", like the Italian Ndragheta and Camorra, the American
Cosa Nostra, Colombian drug "cartels", Chinese and Hong Kong Triads, the Japanese
Yakuza and, more recently, many -more or less nationally or ethnically based
organizations from former Eastern bloc countries, are only the most commonly known
examples of criminal networks extending their activities over the globe. Amongst each
other they either compete for markets or establish ways to cooperate in their activities.
Drugs mayor may not be their most rentable product, as they engage in many other
legal and illegal activities (arms trafficking, prostitution, extortion etc.) that often have a
much longer record of proven profitability. These activities not only offer them fast
profits, but also the means to exert political power.
Organizing their resources helps some drug entrepreneurs to establish a power struc
ture to protect themselves, to challenge the authority of states in specific areas, or even
to supplant or penetrate the power of elites controlling a state. Such developments
ultimately also may endanger other sectors of society and the social body in general,
where progressively the rule of law and formally regulated relations between states,
markets and societies give way to informal arrangements, corruption, violence, and inti
midation. Such consequences might, however, be brought about more by the fact that
their activities are illegal, than that their organizations are criminal. More than the
leverage power that organized crime can attain, it is the their untouchability -that comes
with the internationalization of their activities- that makes them such a threat to a state's
authority. It is my assertion that where drug entrepreneurial networks cannot be
149
incorporated in local or national political and economic arrangements, their impact on
society becomes much more detrimental; a situation that is only worsened as the state
increasingly resorts to criminalization and repressive means to control their activities.
In this context we can see a seemingly contradictory increase in both the importance of
specific criminal or criminalized activities and in the coercive powers of states (police,
military, custom agencies, fiscal and intelligence apparatuses).
Since the end of the Cold War, the 'peace dividend' has to a large extend been
absorbed by assigning new tasks to coercive state agencies. In many countries this
was given shape by a raise in expenditure for internal coercion, whereas the cost of
defense are increasingly legitimized by the proclaimed need to counter new external
threats. In this process, especially police forces have increased their size, their
resources and their legal powers. In many countries also the military has been given
tasks in drug repression. The United States in the 1980s and 1990s suffiCiently amen
ded the Posse Comitatus Act, that since 1878 had prevented military involvement in
civil law enforcement, to engage in drug law enforcement at home and abroad (Bagley
1992:130, Drug war facts). But also the Dutch, Brittish and French navies are patrolling
the Caribbean to interdict drug shipments.
Globalization and liberalization, thus, go hand in hand with new efforts directed at the
control and regulation of markets, institutions and societies, notably those related to ille
gal drugs and migration, and to a lesser extent those controlling capital flows (Andreas
1995). Some of these control mechanisms lay in the remit of state agencies. There is
however also a tendency to hive off part of control responsibilities to other levels of
political authority as well as to the private sector (Johnston 1992). Most striking may be
a shift from the use of administrative law to criminal law for the maintenance of order in
society and the preservation of national security in general. Internal and external
security concerns, so, become increasingly blurred, and therewith the tasks assigned to
coercive state agencies to protect the sovereignty of the state. The challenges to
national sovereignty, posed by the consequences of globalization, have led many
governments to believe that the traditional system for the organization of criminal
justice policy - the system of individual states - no longer suffices to deal with new
problems of international crime (Anderson et al 1995:40).
Extending and internationalizing state powers, political pressures and foreign
interventions in a state's sovereignty, and a growing share of populations jailed on drug
related charges, however, lead many people to perceive law enforcement itself as a
threat to liberal society. Out of the roughly one million people serving jail terms in the
United States [State 1 Prisons, about 59,9% are casual and non-violent drug offenders
150
(Akida 1997:607).2 In the United States of every 100.000 inhabitants 641 are in jail, in
the Netherlands, to date, this is 'only' 65 (Belenko 1998). The 'americanization' of the
war on drugs is, however, also taking shape in Europe and other countries.
International Conventions, Mutual Assistance Treaties, and institutional mechanisms
set up under the three pillars of the European integration process, combine with fastly
expanding informal networks among police agencies, intended to intensify the
suppression of the drug scourge (Sheptycki 1996). Important changes in the
international political and economic system, that accelerated in the last decade or two,
have offered unprecedented opportunities for legal and illegal trade, and for the
redistribution of power and wealth. These developments incite states, or the elites
controlling a state, to look for new ways to accumulate such resources, to control their
societies, and manage the interface with the outside world. Liberalizing some activities
thereby seems to go in par with the criminalization of others. The 'War on Drugs' is
becoming one of the main legitimation venues for states to enhance their capacity to
intervene, both in the national and in the international domain.
In the next sections I turn to how political and economic interests, and interactions
between the illegal drug industry and state drug control practices shape the dynamics
and outcomes of the 'War on Drugs'.
II The Drug Industry
Drug trafficking is to a large extent a transnational business. The drug industry consists
of various stages; cultivation, refining, transport, distribution, money laundering and
investment of proceeds. In every stage of this drug trajectory, from production to dis
tribution, profits are made that are consumed or invested but often demand some form
of laundering to conceal their illegal origins.
From the marihuana, coca and poppy fields to the refining laboratories and further on to
the consumers, the drugs pass through many different routes of transport and
distribution. They thereby cross many territorial frontiers, formal and informal
jurisdictions. More sophisticated laundering techniques, use an elaborate international
network of financial institutions, trade and investment firms to hide and invest the drug
profits. The various stages of the drug trajectory and the linking of these stages involve
the participation and sometimes organization of a great many different people, to see to
2 My greatest thanks are due to Yasemin Soysal, Marnix Croes, Gianfranco Poggi and Anne Wegner for reading and critizicing an earlier draft of this article. In a more morphological sense I may be indebted to Peter Andreas whom I find sharing similar approches and concerns towards the underlying dynamics and consequences of the War on Drugs'.
151
the proper execution of activities, including the protection against the encroachment of
law enforcement agencies and competitors.
The transnational dimension of the drug industry therefore is not only a function of the
territorial distance between major production and consumption regions. It also consists
of the links that are made through networks and organizations with diverse homebases
that sometimes develop transnational operations. Thereby differences in countries'
legislations, and law enforcement capabilities shape the opportunities for drug
entrepreneurs to evade the risks of interdiction and prosecution and prop the flourishing
of their business.
The variety of laws and systems of control and criminalization throughout the world,
and the disparities in ability and determination to control the drug problem displayed
by various countries, enable major drug traffickers to take advantage of the weak
points in such a patchwork' (Van der Vaeren 1995:350).
We might, however, as well reverse this perspective, which than would suggest that a
state's political andl or economic interests demand it to create 'weak points' or shield
niches in which one or more of the stages of the drug trajectory can flourish (like coffee
shops, bank secrecy, self regulating stock markets etcf
Such features explain for the existence of a very dynamic international division of
labour in the drug industry. Production centres for 'natural' drugs (marihuana, coca,
opium) and their derivatives) can particularly be found in the 'Golden Triangle' of South
East Asia, the 'Golden Crescent' in West Asia, some Middle East and Maghreb
countries and in Latin America. These regions compete increasingly with each other,
with emerging production areas in former Eastern bloc countries and with producers in
the western world, where synthetic drugs (XTC, amphetamines) are produced. To this
list can be added many other countries where drug entrepreneurs try to conquer a
niche in national and international drug markets. Some of these have an important
transit function for drugs heading to the most lucrative consumer markets in the United
States and Europe. Others find a gainful role in the laundering and investment of drug
profits, thanks to 'liberal' banking regulations (secrecy, confidentiality and financial
investment tools). We thus deal with a very heterogeneous competition, where different
drugs, different drug entrepreneursl trafficking groups and diverse jurisdictions compete
for market shares in many if not all ofthe subsequent stages of the drug trajectory.
3 Naylor (1987) describes extensively how governments and financial institutions compete IlVith one another to attract intemational flCMIS of hot and/or dirty money to shore up bank liquidity or foreign. exchange reserves. 152
According to a recent estimate of the UNDCP, the global illegal drug industry
comprises about 8% of international trade (UNDCP 1997). Its estimated annual
turnover of $400 billion constitutes a large share of the income from illegal activities
worldwide, which the UN believes to be $1000 billion. But how to assess such data?
Reminiscent of very distinct calculations like the global accumulated production of
raizorblades; when laid next to each other, said to be enough to cover the surface of
the earth, we see that what matters more than aggregate numbers is the distribution of
such profits and their rents in terms of power and wealth and their overall impact on
societies.
The drug industry does constitute the backbone of many national and local economies,
directly and indirectly offering income and employment opportunities for millions of
people around the globe. They serve the demand of many more. Countries like Bolivia,
Morocco, Mexico, and Afghanistan derive incomes from this industry that pairs with
their formal export income. Morocco earns an estimated $5,75 billion, 20% of its GNP
from the production and export of cannabis and hashish (Ouazzani 1996:122),
supplying the lions share of Europe's demand for these products. The Mexican drug
economy, based chiefly on the export of homegrown marihuana and poppy derivatives,
and the transit of Colombian cocaine to the United States, is valued at more than $20
billion. Important as contributions of this illicit enterprise may be to overall income and
employment levels, the real impact should be measured from its effect on the economy
at large, the distribution of its proceeds, and the social costs in terms of health, safety,
political transparency etc. 4
Such aggregate data for developing countries, estimative and fluctuating as they are,
as an indication of the wealth and power that might be derived from criminal sources,
pail by the late-1980s consumer expenditures on illicit drugs in the United States alone.
These likely exceeded the total gross domestic product of eighty-eight different
countries (cited in Tullis 1995:2; 80 countries in Akida 1997). This tells us that probably
the greater part of drug turnovers never leaves the main consumption countries, as
they are likely to offer the most lucrative investment opportunities.
To assess the economic power and political influence of drug entrepreneurs, and
therewith the strategies that states adopt to intervene in drug markets, it is paramount
to know how these criminal markets are organized, how drug entrepreneurs confront or
collide with the legislation and political economy of their countries of origin, and what is
the scope of activities of actors involved.
4 The literature embarking on such assessments is extensive, especially for producing countries. See for example the Studies on the Impact of the Illegal Drug Trade, 6 Volumes, undertaken by UNRISD and the United Nations University.
153
The organization of the drug trajectory involves the linking of the different stages of the
drug industry. In spite of much police rethoric, common wisdom, however, is not very
conclusive about the extend of horizontal or vertical integration of the drug trajectory.
Are we dealing with organized crime or with disorganized crime?5
Such organizational characteristics to a large extent determine the distribution and
accumulation of wealth derived from the industry. As the lions share of for instance
cocaine profits is made in American cities, it makes an enormous difference to
Colombian traffickers if they can control the upstream gold mine of the retail part of the
drug trajectory, or if they have to content themselves with wholesale profits they can
make through transactions in Colombia, Mexico or in the United States. Wholesale
profits may still be considerable but rather insignificant compared to the turnover made
at the retail end.6 It is clear that law enforcement can playa role in disrupting the drug
trajectory, and doing so, can bring about important shifts in the distribution of drug
profits. This not only by taking people out, and so creating market space for new
entrants (which can be individual entrepreneurs, institutions or whole regions), but also
by increasing the cost of maintaining links in the drug trajectory.7.
Drug repression drives up the prices and so gives an enormous impulse to the
profitability of the product and the services rendered to the drug industry. Drug
entrepreneurs, be they poppy growing farmers in Pakistan, transport companies in
Turkey, or laundering exchange offices in the Netherlands, have to protect themselves
against prosecution by investigation services, and against competitors. The costs to
decentralize production, bribe state officials, hire protection, create well camouflaged
transport facilities, or convince bankers to take a certain risk, increase with the intensity
of repression. Repression of the drug trade thus not only contributes to the growth of
the drug economy, but also incites a redistribution of the income from the trade.
5 For a discussion of 'models' of the criminal firm see e.g. Peter Reuter (1983), and Joseph Albini in Thomas Mieczkowski (ed.) (1992). Thomas Naylor (1995) points at the important distiction to be made between forms of organization to participate in the market and organization to control the market. 6 An example of one of the few studies that analyze cocaine as a transnational commodity chain can be found in Wilson and Zambrano (1994). They assess that most profits (87 percent) remain in drug consuming countries. They also note the selective nature of US drug policy, that distributes the risk of participation in the trade unequally throughout the cocaine commodity chain, as it overlookS or underfunds investigation into the formal sectors (provision of key components like chemicals, airplanes, arms and communication equipment) and core countries' roles in the drug trade (money laundering, distribution networks). 7 For example, the US Drug Enforcement Agency estimates that in 1993 the Colombian drug cartels spent 23% of their profits on laundering the hard earned drug money, up from 6% in the late 1980s (FOUst and DeGeorge 1993).
154
Taking this competition in the drug business and the effects of state intervention on the
division of labour in the drug industry as a starting point, I now focus on the mecha
nisms through which the interactions between states' drug enforcement practices and
the drug industry become part of more general efforts in the national and international
domain to redistribute power, wealth and security.
III The Political Economy of Drug Law Enforcement
The growth of the drug industry and concomitant real or perceived threats to states'
authority gave an important impulse to the development of law and the organization of
crime control. Since the beginning of this century, starting with the Shanghai
Conference in 1909, step by step a global prohibition regime was created, sanctioning
the production, dealing, and trafficking of psychotropic substances.a. Almost every
country in the world, by ratifying international treaties, obliged itself to adapt its national
laws in accordance with these treaties, and thereby to suppress the now illegal drug
business. The responsibility for control and furthering the design of the regime came to
fall on the United Nations in 1946B This regime is still under construction, targeting new
drugs and expanding its organizational structure. It encompasses multinational
organizations, state bureaucracies, banks, medical institutions and morality. Thereby
an unprecedented regulatory framework is established, comparable to the non
proliferation regime for nuclear weaponry. In the evolution of this international regime,
individual states attained a high degree of world-wide uniformity and mutual tuning in
the regulation of one category of intoxicating, mind bending, substances (Gerritsen
1993:75).
There exists a formal global prohibition regime, but to date there is no global criminal
justice system to meet the challenge of drug trafficking and globalized crime. Although
formal regime control and design are with the United Nations, execution and dedication
of control efforts are in the hand of governments and state agencies of individual
nation-states.
In spite of formal compliance to the predispositions of the prohibition regime, in
practice, the strategies and tactics for its enforcement are broadly disputed. Historically
the conception of the 'drug problem' has been subject to dramatic transformations.
Fiscal, balance of payments, civic security, public health, social welfare and moral
8 The substances covered by this regime are expanding with technological developments in phannacology, new 'designer' drugs are rapidly proliferating and incorporated in the prohibition regime. The principal target for control are opiates, followed by coca and cannabis derivatives. Other substances with prohibitive marking are denominated by their active substances. 9 For an oversight and analysis of the development of this global prohibition regime see for instance Stein (1985), Gerritsen (1993) and Silvis (1993).
155
considerations can be found as determining the main diagnosis of the problem. Within
and between societies the conception of the problem and the discourses guiding
government intervention in the drug industry vary widely, over time and in geographic
space. The multi-dimensionality of the drug problem makes it a very complex policy
field. With prohibition in place, repression still is no panacea.
It was only after their dependencies gained independence that the major european
powers dissolved their colonial monopolies on the opium trade. Prohibition also met
with fierce resistance from the pharmaceutical industries in Germany, Japan and
Switzerland. These were often shielded by state interests in the preparation for war, in
which the secured supply of anaesthetics plays an important role. Coaxing govern
ments into compliance with prohibition has been, and still is, an arduous process.
From the beginning it has been the United States to take the lead in building the
prohibition regime. Especially since the 1980s, unilateral, bilateral and multilateral
forms of pressure, intervention and collaboration are proliferating to force governments
to comply with prohibition and to stifle the growth of the drug economy. Conditional
development aid, extradition treaties (so called International Mutual Legal Assistance
Treaties), new types of financial policing to 'chase the money' around the international
banking system, financing and advising foreign military and police, political pressure
and even outright military intervention count among the plethora of instruments applied
in the relations between states in this war on drugs. In the process, institutional
structures (e.g. Interpol, Europol, UNDCP) are strengthened to intensify international
cooperation. Besides that, many informal structures have developed between police,
military and intelligence agencies (see Anderson et al 1995, Anderson and den Boer
1994, Benyon et al 1994, Fijnout 1993, Marshall 1991). Many of these are not new.
Before the end of the Cold War, countries like France and the United States had
extensive programmes for the assistance of foreign military and police forces (Fijnout
1993, Marshall 1991). Nowadays, however, such programmes are legitimized by the
supposed need to strengthen other state's capabilities to fight the drug industry. Since
the mid 1980s, through the process of European integration, also the European Union
is asserting itself as a major player in the field.
The internationalizing powers to enforce the prohibition regime are largely legitimized
and rationalized by interdependencies that derive from the global division of labour in
the illegal drug industry and the concomitant problems this presents to individual states
to control the drug industry. But forthcoming interdependency does not necessarily
mean greater integration (collaboration and harmonization). Interdependency can
possibly also mean 'dependency', 'exploitation', 'free riding' and 'conflict' (BOhl
1995:123). International law enforcement instruments, are unevenly distributed, and
156
include the exchange of information between law enforcers, international pressures on
countries to shape their legislative body (for example, the closure of coffee shops and
the lifting of bank secrecy), the provision of military aid and advisors (an important
element of the American efforts in Latin America), or the extension of 'intelligence'
gathering by foreign stationed liaison officers. The control over these instruments
ultimately touches on the control that countries have over their economies and political
system, and on the control people have over their privacy and sovereignty.
The strategies and tactic applied by governments in their drug policies do not only
touch upon very different conceptions of 'the drug problem', they also affect the dis
tribution of income within and between societies, and the level of protection that citizens
can attain.
Interventions in drug markets influence the direction, composition and volume of drug
streams over the world, and of the flows of money that are generated in this interna
tional business. They thereby touch upon the distribution of wealth that can be accumu
lated in the drug business, and on the relative power of actors within and between
societies.
Drug interests are strong enough to create powers that can playa major role in political
life and in economic activities. Where many people depend on the drug industry for
their income, and where the overall economy is dependent on the influx of foreign
currencies from the drug trade, such drug interests, and concrete efforts of drug
entrepreneurs to protect their trade, severely limit the margins for governments to deal
with the drug industry. Moreover, enhanced drug repression also strengthens coercive
and other powers within state apparatuses relative to each other and the society at
large. Drug policies therefore also have an impact on the distribution of power and
security in and between countries. On the one hand, they can limit the destabilizing
effect of the drug industry on society. On the other hand, enhanCing the resources and
legal powers of a state's security forces possibly also limits the sovereignty of
individuals, peoples and countries, and therewith the level of freedom, democracy and
human rights they can enjoy.
Drug repression therewith also attains an important political dimension. From the per
spective of the ruling elites, it is of concern to prevent power contending ethnic, political
or clan associations to use the drug proceeds for building their own power structure. In
such a situation, they may have little choice but to gain control over the business
themselves, or at least find a way of incorporating such new dynamic sectors into the
existing power structure. Drug repression WOUld, in many cases, only strengthen the
opposition, as it would leave a good share of the population without means of support.
157
Domestic and foreign drug policies thus touch upon the distribution of power, wealth
and security, both within a country and between societies. These interests are
informing if not imposing a specific logic on many a state's policies and practices, and
lead to systemic interactions between the upper and the underworld, that playa (deci
sive) role in deepening their perverse impact on the relations among states and be
tween states and their societies. The phenomenon of 'protected trafficking' here enters
the picture (Scott and Marshall 1991:vii), where selective suppression and protection of
the drug industry becomes a more likely outcome of drug policies.
Criminal groups and criminally obtained resources often are a deviant element in
national and international dynamics of politics. Illegal violence and authorized force
used illegitimately to serve the purpose of one class, clan, ethnic group region or
country against the other is no new phenomenon. It is however strongly related to the
dynamics and consequences of the growth of drugs markets and state policies to
control them. In many countries it is exactly the association of criminal groups with
power elites that produces and prolongs such perverse consequences (Hess
1986:128). In recent history of both industrialized (e.g. France, the United States and
Italy) and developing countries (e.g. Turkey, South Africa, Colombia, Mexico) many
examples can be found of cooperation between secret services, political parties and
other elite power groups with -drug trafficking- criminal groups in the repression of
domestic opposition, the destabilization of foreign governments, and the support a
gainst (geo)-political foes (see for example Block, Hess 1986, Kruger 1980, McCoy
1972, Scott and Marshall 1991). Equally, many opposition groups have discovered how
important drug income can be to withstand (foreign) control over their territories (e.g.
PKK in Turkey, Shining Path in Peru, and the Afghan mudjaheddin).
Such symbiotic relations between drug entrepreneurs and local, national or foreign
power elites are often amended by forms of corruption of a more or less institutional
nature. The price increase effect of prohibition works effectively as a tax, that however
does not flow straight into the coffins of the state treasury, but is collected by the produ
cers, traffickers and other services in the trade. In many countries, a prohibition tax is
however equally levied by 'corrupt' enforcement officers and other protectors of the
trade within the politico-administrative system. Such state induced extortion, or bribing,
of the trade is however not only an activity for private gain (supplementing salaries). In
fact, various systems exists that provide for the distribution of such rents within
hierarchical networks, through which such money flows. In return they facilitate
exchange in prohibited markets. Bribery can be a primary method of public finance,
alongside taxation, borrowing and inflation (Thornton 1991 :137). From that perspective,
it should be less of a surprise to find police officials actively involved in the
158
management and maintenance of the black-market monopolies. Through their relations
with drug entrepreneurs, police officers (and other state protectors) become responsive
to the monopolist. This may lead them to act against new entrants or third parties in the
pursuit of maintaining the monopoly and its profits.
Such symbiotic relations are often an outcome of law enforcement tactics, where drug
enforcement agencies infiltrate trafficking rings, and set up front stores to provide
services to the drug industry. The 'War on Drugs' is in many countries literally running
out of control. A severe crisis upset the Dutch police and juridical system, as it turned
out that the methods used by police agencies in their criminal investigations on drug
traffickers had to a large extent devolved beyond the juridical boundaries and
parliamentary control. The Dutch parliamentary commission that investigated these
methods in 1996 found for example that 285 tons of drugs had been imported by the
Dutch police, of which 100 tons had disappeared on the market (Zwaap 1996).10
The opportunities for bribery and outright extortion, facilitated by the outlaw position of
drug entrepreneurs, constitute an important incentive for the escalation of the drug war.
In a more formalized way, asset seizure laws have had the same result (Benson,
Rasmussen, Solars 1995, Benson and Rasmussen 1996). In fact, the self-financing of
police forces is now also actively propagated by Pino Arlacci, director of the United
Nations Office for Drug Control and Crime Prevention (AFP 31/03/99).
The narcotics industry has, to a greater or lesser extent, become economically and
socially entrenched in almost every country in the world. Drug related interests have
permeated many sectors of society, sectors that often function in the formal economy,
but derive part of their income from activities connected to the drug trade. Few sectors
remain untouched by the drug industry, as drug proceeds are consumed and invested
in other enterprises, or as for example banks and transport companies provide services
to the drug industry, and so become part of the drug industry themselves. The drug
industry is to varying degrees also socially embedded in many countries. Drug
consumption is culturally rooted in certainly not only the most marginalized sectors of
the population. Furthermore, drug entrepreneurs increasingly establish themselves as
a social force that seeks integration in the formal institutions of the societies in which
they live and operate. They thereby often gain if not the respectability than at least
some leverage to protect their interests. The income and employment the industry
generates, for a multiplicity of actors and societies at large, also does not fail to provide
10 In June 1999 a new Dutch Parliamentary Commission (Kalsbeek-commission) concluded that double-informants, with the help of drug officers had managed to import and market an additional 15.000 kilos of cocaine (NRC June 10 1999).
159
political clout to drug related interests, especially when threatened by foreign or
domestic repression efforts. Prohibition, however, severely hampers the formal
incorporation of the drug industry through taxation, interest mediation and forms of
market, labor and product regulation. From consequential partial, informal, or denied
integration, it is my contention, derive many of the most harmful consequences of the
industries operations, much more so since police and military institutions are ill equiped
to pervorm these regulatory roles 11.
As both the drug industry and drug law enforcement are internationalizing, they put
severe strains on the possibilities of the state to incorporate the drug industry in local
and domestic arrangements, that could limit their destabilizing effects on society. Such
a strategy, if applied, and many countries can not escape such a choice, either by infor
mal arrangements or through 'corruption', is however becoming less feasible where the
power of organized crime and pressures for intensified law enforcement upset such
symbiotic relations.
The drug industry and drug repression, certainly where they cross the border of other
states, can therefore have very disruptive effects on domestic political-economic insti
tutions and arrangements. This can come about merely as an unintended
consequence of conscientious cross border supply reduction efforts. However, in many
instances, drug policies are merely part of other foreign policy goals, and are to a large
extent shaped by the institutional logic of agencies called in to implement them.
Recent history has shown that, rightly, much more calculation tends to playa role in
supply side policies than zealous supply reduction. Such policies also take into account
the interests involved in drug trafficking, and the capabilities of governments to offset
the pressure put on these interest by efforts to stifle the drug economy (for example
crop substitution projects carried out by the United Nations that aim to provide drug
farmers with an alternative source of income, or the provision of arms to the Colombian
military). As soon as drug policies become part of broader policy goals towards other
countries they are however likely to be subordinated to other priorities that states
pursue to protect their national interests.
Just as war is the continuation of politics by other means, so the 'War on Drugs' has
become an extension of foreign policy by other means (Marshall 1991 :ii). International
11 Like in many other black market sectors such as illegal gambling and prostitution, exchanges in the drug industry are of a consensual nature. The criminalization of personal vice, as opposed to some of the consequential social harm it inflicts on society, thus leads to what some authors call 'victim less crime'. Both this consensual nature and the fact that prohibition pushes all exchanges underground has far reaching implications for the tactics of law enforcement agenCies in the process of evidence gathering, as partiCipants are unlikely to issue complains or invoke arbitrage from formal institutions, even when disputes arrise. Moreover, many of the negative consequences associated with illegal drugs derive from the prohibition rather than the consumption of the prohibited good (Miron and Zwiebel: 1995). 160
drug policies almost inescapably become enmeshed with geo-political and economic
considerations (LaBrousse and Koutouzis 1996). So also, enhancing powers of specific
law enforcers, like, in an extreme case, the military in Peru or Colombia, is likely to
serve interest quite different from convincing coca growers to limit their output. In the
most brutal form, international drug law enforcement can legitimize outright military
intervention, as the Panamanians experienced in the late 1980s.
In the foregoing paragraphs I have built an analytical framework to study the underlying
dynamics, outcomes and consequences of the War on Drugs. Thereby I tried to show
how the growth of global networks of crime and the internationalization of law enforce
ment are shaped by some fundamental changes in the global political and economic
system. I also focused on how the 'War on Drugs' is likely to be subverted by interests
of both drug entrepreneurs and of the powers that are called in to control the drug
industry. Through their symbiotic and systemic interactions they are the most likely
beneficiaries of this war.
As their interactions take place in a competitive world, with unevenly distributed resour
ces, the outcomes of their interactions are also likely to impinge unevenly on different
societies and groups within them. The criminal system permeates the political and
economic system, undermining the functioning of legal industries and the role and
functioning of the state. The extension of states' coercive powers to 'control' the drug
industry also impinges heavily on the distribution of power, wealth and security within
and between societies, often through practices that escape democratic control. The
destructive force of the intertwined dynamics of the drug industry and state repression
is thereby likely to demolish the existing relations between states, markets, and
societies. Therewith, the underlying dynamics and outcomes of the drug war are not
only shaped by, but also reshaping the fundamental structures of the worlds' political
economy.
In the next section I argue that interests in the drug industry and in drug law
enforcement collide, in both the domestic and the international domain, to form the
International Drug Complex.
IV The International Drug Complex
In analogy with the theory of the Military Industrial Complex, developed since the
1960's to explain the longevity of the Cold War, arms racing, the perSistence of anti
communist ideology and political interventions in peoples lives and societies, I have
tried in this paper to assemble and understand the mechanisms and dynamiCS that
might explaining for the flourishing of both drug economies and new regulatory
161
frameworks for 'state' control.
Therewith I hope to elaborate a theory of the International Drug Complex. This theory
tries to explain for both the prolongation of the 'War on Drugs' and the flourishing of the
drug economy, by focusing on political and economic interests that shape relations
between drug markets and state interventions in these markets.
The basic hypotheses I try to further are that: the dynamics within and between the
social forces at both sides of the law do not tend to keep each other in check, but rather
reinforce each other, either by acting in concert or through more systemic interactions.
Through this a 'community of interest' -a coalition of groups with vested psychological,
moral, and material interests- develops between drug entrepreneurs and coercive state
agencies or the power elites that control them. This mutual support takes many shapes
and has many levels, changing over time and location. However, the consequence of
this collusion is that the interests of both groups are advanced, to the detriment of third
parties and great parts of the societies they flourish in. The drug industry and drug law
enforcement, in this approach, are not necessarily opposite to each other, but develop
a more or less intertwined and interdependent dynamic, a sort of countervailing but
also mutually reinforcing 'coalition', that serves the interests of both, independent of
democratic control by citizens and sometimes even the government.
Globalization, neo-liberal reforms and the end of the Cold War have strongly affected
the regulation of relations among states and the relation between states and societies.
The Cold War system imposed relative stability in the international state system, as
well as order and discipline within both camps and a more general foundation for
stability in the world economy. The Cold war did not lead to a major conflict between
the superpowers and diminished the possibilities for war between states. But, it also
charged a heavy toll on peoples squeezed between the antagonistic claims to maintain
political and ideological unity within the superpowers', self-proclaimed, spheres of
influence.
With globalization and the end of the Cold War system, state's legitimation and
capacities to maintain internal order and protection against external threats have
quickly diminished. Neo-liberal reforms and regional integration, there above, have
accelerated the incapaCitation of individual states to manage the interface between
their society and the rest of the world, and to intervene in the distribution of
opportunities within society.
In the protection of the state, internal and external security are closely related. For half
a century, military-industrial elites have nearly always prevailed over domestic rivals
162
without much difficulty. Fear of the foreign foe persuaded political managers and the
population at large to acquiesce in new efforts to match and overtake the other side's
armament. The escalating arms race, in turn, helped to maintain conformity and
obedience at home, since an evident outside threat was, as always, the most powerful
social cement to human kind (McNeil 1982:382).
The vast armed establishments that protected the NATO and Warsaw Pact powers
against one another, their ideological strife and the legitimation for domestic control and
foreign interventions are nowadays being supplanted by an extension of the strong arm
of the law in private, domestic and foreign domains.
Today, a qualitative and quantitative shift has been brought about in the constitution
and dedication of the coercive apparatuses of states. In public discourse, governments'
budgets and in the daily lives of many of us we are witnessing important
transformations. Transformations, in the dominance of acclaimed threats (from
communism to drugs, crime and foreigners), in the priority given to the financing for the
preservation of internal order instead of external security arrangements (from the
military to policing institutions), and in the demand of states on citizens to acquiesce to
restrictions on spending power, consumer freedom, personal privacy, sovereignty and
liberty, in order to comply with international demands to 'harmonize' efforts in
countering the scourge of drug trafficking and other forms of criminalized activities.
The discourse and state activities supporting this transformation are to a large extent
based on new foes, basicly the drug industry and its alleged connections with
organized crime, terrorism and migration. The 'red scare' is so substituted by the fear of
drugs and organized crime. The fight against this 'white scare', however, poses
societies and states for many the same opportunities, dilemma's and systemic con
tradictions as they were faCing during the Cold War era.
Different from the Cold War era, which was dominated by external security concerns,
coercive powers are nowadays basicly set up for the safeguarding of internal security.
However, such divisions are progressively blurred by the internationalization of non
military treats to internal security. Thereby the traditional divisions of labour between
police, military, secret services and other coercive state powers tend to loose their
significance. Such developments can be seen in the militarization of the 'War on
Drugs', in the policing of external frontiers and in cooperative or interventionist activities
of law enforcement agencies across boarders.
The 'War on Drugs' is so in many respects taking over the functions of the Cold War, in
legitimizing the coercive use of state powers to foster internal order and discipline, but
also in setting up control mechanisms to defend the state and society against external
163
threats, at home and abroad. The internationalization of police cooperation and the
concomitant proliferation of tools to intervene in the sovereignty of individuals, peoples
and foreign countries is, however, highly liable to decrease the prospect of a world
order in which peace, justice and freedom could develop.
This is mainly due to the uneven distribution of the powers unleashed by the Inter
national Drug Complex. One the one hand, the globalizing forces of for instance crime,
monetary volatility, and migration decrease the possibilities to protect the state and the
social arrangements that support it. The increasing overlap this brings about between
internal and external security concerns, are likely to lead the formal goals of the drug
war to be overruled by geo-political and economic concerns. The coercive powers of
states that are called in to maintain internal order and external security, to a large
extent, tend to escape democratic control, as their 'operational information' needs to be
shielded from the outside world. Diminishing accountability goes hand in hand with the
increased powers assigned to coercive state agencies.
More than this threat of free floating state power, it is however the subversive impact of
international criminal organizations that undermines the very basis of the state and the
societies they preside over. If indeed also law enforcement directed against the drug
industry is counterproductive, and there above serves quite different political goals, this
leaves us with a less than gloomy perspective for the future development and
democratization of our societies.
V Conclusion
Since the end of the Cold War, the 'New World Order', established under conditions of
increased globalization and underwritten by neo-liberal reforms, is to a large extent
shaped by two forces: the visible hand of criminal forms of market control and the
extension of the strong arm of the law in the national and international domain.
These two forces of repression and subversion increasingly show the tendency to
squeeze the populations of entire societies into a spiralling anarchy, endangering the
constitutional state, and the living conditions of its citizens. Both sides of the law,
although formally opposed to each other, in fact enhance each others growth and
therewith their impact on the rest of society. In their mutual (systemic) interactions they
permeate societies with a logic reminiscent of the way in which, during the Cold War,
the two antagonistic superpowers and their military-industrial complexes on the one
hand fostered the control over their spheres of influence, and on the other hand
incapacitated their populations to counter the pressures of vested interests in a
spiralling arms race that enhanced the income, prestige and power of military establish
ments and the profits of weapons industries that fed the threat of war.
164
The two worlds of criminal entrepreneurs and of the coercive agencies of states are
however not separated by geographical boundaries, nor are they separated from the
societies in which they function. As both increasingly attain transnational dimensions
they become more disposed to prevent themselves from being incorporated into
society and, thereby, from being subordinated to democratic control. At the same time
they increase their powers to penetrate in the sovereignty of individuals and that of
entire societies over the globe.
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Anhang
"Management of Social Transformation Programme"
(MOST/UNESCO)
Das UNESCO-Programm, Management Sozialer Transformation (MOST) ist ein
Netzwerk internationaler Kooperation und hat das Ziel, politische Entscheidungsfin
dung und politikrelevante Sozialforschung in Beziehung zu setzen. Dies geschieht in
den folgenden Politikfeldern: a) Multikulturalismus und Multi-Ethnizitat; b) Stadtpolitik
und -entwicklung und c) lokale und regionale Strategien im Umgang mit globalen
okonomischen und okologischen Entwicklungstendenzen. Das Programm unterstotzt
international angelegte, komparative Sozialforschung und ihren Eingang in die For
mulierung offentlicher Politiken. Zudem werden im Rahmen des MOST-Programms,
Aktivitaten im Rahmen der UN-Nachfolgekonferenzen entwickelt.
1m Programmteil, ,Lokale und regionale Strategien im Umgang mit globalen okono
mischen und okologischen Entwicklungstendenzen', wurde eine Eingrenzung des
Forschungsfeldes vorgenommen. Die zentrale Idee war hierbei, den Fokus so auszu
richten, dar! MOST einen komparativen Vorteil bei der Bearbeitung anzubieten hat.
Bei der Analyse der Auswirkungen von Globalisierungsprozessen auf lokaler und
regionaler Ebene konnte bereits festgestellt werden, dar! wirtschaftliche und okologi
sche Prozesse lokale und globale Akteure in weitverzweigten Systemen vernetzen.
Mit Sicherheit sind diese lokal-globalen Prozesse von grol!er Wichtigkeit, aber zu
ihrem Verstandnis tragen die genaue Kenntnis regionaler und nationaler ROckwir
kungen mar!geblich bei. Aile Seiten des Gesamtprozesses der Globalisierung be
stimmen unser tagliches Leben, insofern sollten auch aile Seiten als relevant fOr so
zialraumliche Transformationsprozesse anerkannt werden.
Der Charakter von MOST-Forschung unterscheidet sich klar von traditioneller aka
demischer Forschung. Das MOST Programm ist dadurch bestimmt, dar! die erzielten
Forschungsergebnisse hilfreich zur Orientierung politi scher Entscheidungsfindung
und dem Management politischer Prozesse sein sollen. Insofern stehen globale Pro
zesse natOrlich ganz oben auf der MOST Forschungs-Agenda; die Restrukturierung
politi scher Prozesse geht jedoch in der Regel von der nationalen Ebene aus und von
dort weiter zu Oberstaatlichen und internationalen Foren, von wo sie erneut auf loka
Ie, regionale und urbane Konfigurationen rOckwirken.
Auf der Basis von Primar- und Sekundardaten haben bereits mehrere MOST
Netzwerke internationale, komparative Forschungsberichte Ober die Auswirkungen
okonomischer und okologischer Globalisierungstendenzen auf lokaler und nationaler
Ebene vorgelegt. Die Netzwerke versuchen Instrumente und Strategien zu identifizie
ren, wie den durch Globalisierung der Weltokonomie ausgelosten Prozessen fort-
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schreitender Marginalisierung und Unterentwicklung entgegengewirkt werden kann.
Durch diese Vorgehensweise hat MOST den Einflul1 der Sozialwissenschaften auf
Entscheidungen im Politikfeld der nachhaltigen menschlichen Entwicklung ausge
weitet. Zudem hat das Programm das Bewul1tsein von Forschern fOr die Wichtigkeit
von Kontakten zwischen Wissenschaft und Politik erhOht.
Bei der Auswahl von globalen okonomischen oder okologischen Phanomenen stan
den die Klimaproblematik, die Krise der Finanzmarkte und die sozialen Auswirkungen
von Desertifikation zur Auswahl. MOST hat versucht Themenbereiche zu identifizie
ren, die noch nicht ausreichend beforscht sind und damit diese Forschungsaktivitaten
wertzuschatzen.
Das Projekt, "Zusammenhang zwischen okonomischen und sozialen Transformatio
nen und internationalem Drogenhandel" ist die Antwort des Programmes auf die fOr
notwendig befundene Analyse lokaler und regionaler Auswirkung globaler Transfor
mationsprozesse. Dieses Projekt sollte die Grundlagen legen fOr das Verstandnis
lokaler Desintegration und mogliche Strategien gegen die unerwOnschten Konse
quenzen von Globalisierung und Modernisierung identifizieren. "Umgang" mit diesen
Faktoren soli heil1en, Widerstand zu mobilisieren gegen alles, was die Integritat der
zahlreichen "beings and doings" einer Gesellschaft bedroht. Die ursachlichen Fakto
ren solcher Prozesse sind haufig schwer erkennbar; gleichzeitig ist es schwierig den
Involvierten ihre Rolle in diesen Prozessen bewul1t zu machen. Lokale Feldforschung
kann auf diesem Weg sehr weiterhelfen, da nur sie Aufschlul1 darOber geben kann,
wie bestimmte Prozesse zusammenhangen und welche offentlichen Politiken ange
messen darauf reagieren konnen.
In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Drogenkontrollprogramm der Vereinten
Nationen (UNDCP) in Wien, betreibt das MOST-Drogenforschungsnetzwerk kompa
rative Forschung in verschiedenen Landern und Regionen. Historische, kulturelle,
soziale, okonomische, legale und politische Aspekte der Ausweitung des Drogen
handels und seiner Zusammenhange mit sozialer Transformation werden erforscht
und analysiert. Der Forschungsansatz besteht in der Generierung neuen Wissens auf
der Grundlage von Feldforschung vor Ort, seiner Zusammenstellung und Analyse.
Da das Phanomen ,Drogenhandel' in den meisten Regionen relativ neu ist, fehlt es
an Basiswissen - auch urn darauf angemessen reagieren zu konnen. Lander wie die
Vereinigten Staaten und die Andenlander stellen hier Ausnahmen dar. Ein besseres
und fundierteres Verstandnis der Bedingungen, die den vielfaltigen Verbindungen
von Drogenproduktion und -handel und Prozessen sozialer Transformation zugrunde
liegen, ist notwendig. Dieser Notwendigkeit versucht MOST mit seinem Engagement
in Brasilien, Mexico, China und Indien nachzukommen.
Detailliertere Informationen finden Sie auf unserer website:
www.unesco.org/mosUdrugs.htm
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II Websites
www.ogd.org (Observatoire geopolitique des drogues)
www.worldcom.nlltni (Transnational Institute)
www.unesco.org/mostldrugs.htm
www.undcp.org (UN Drugs Control Programme)
www.emcdda.org (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction)
www.ifs.univie.ac.atl~unciin/uncjin.html(UN-Crime and Justice Information Network)
www.alternatives.comlcrime/MAFIA-EE.html
www.cvc.nic.in (aktuelle website zum Stand der indischen Korruption)
www.cx.unibe.ch/krimlforschung.html
www.nds.gruene.de/ltflthemen/demre/fachOIOOOObeac.html
www.datenschutz-berlin.de/ueberlrechtleorgkg.html
www.cducsu.bundestag.de/texte/geis4r.html
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