Experimentelle und numerische Untersuchungen des Fließverhaltens bei der intra-oralen
Lebensmitteleinnahme zur objektivierten Prognose des Mundgefühls mittels kognitiver Algorithmen
Der Technischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg
zur Erlangung des Grades
D O K T O R – I N G E N I E U R
vorgelegt von
Alexander Kutter
Erlangen - 2010 Vollständiger Abdruck der von der Fakultät Wissenschaftszentrum Weihenstephan für
Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) .
Als Dissertation genehmigt von
der Technischen Fakultät der
Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der Einreichung: 14.04.2010
Tag der Promotion: 21.07.2010
Dekan: Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard German
Berichterstatter: Prof. Dr.-Ing. habil. Antonio Delgado
Prof. Dr.-Ing. habil. Jörg Hinrichs
Der Liebe meines Lebens und meinen Eltern gewidmet
Vorwort
Auch wenn mir das keiner glauben mag (außer einige die selbst schon eins ge-
schrieben haben), ein Vorwort zu verfassen ist keine leichte Aufgabe. Es dient
einer speziellen Aufgabe und es folgt seinen eigenen Regeln. Ich empfinde es als
sehr wichtig, denn genau hier ist die Stelle, an der ich der Nachwelt etwas von MIR
hinterlassen kann. Die wissenschaftliche Abhandlung, die sich auf den folgenden
Seiten anschließt, die interessiert bei einer Doktorarbeit nur einen Teil der Leser.
Doch dieser Text hier verrat etwas uber die Personlichkeit des Autors, je nachdem
wie der Autor das Vorwort personlich gewichtet. Ebenso erzahlt jede Doktorarbeit
auch etwas uber das Leben des Autors, wenn auch nur versteckt zwischen den
Zeilen.
Das Dilemma lasst sich folgendermaßen zusammenfassen: fur die einen (die Wis-
senschaftler) steht der Inhalt, nein oft nur die Ergebnisse im Vordergrund. Fur das
personliche Umfeld, fur die Menschen um einen herum, die direkt oder indirekt
zum Gelingen dieses Schriftstucks beitrugen, fur diejenigen sind diese Zeilen hier
gedacht. Mit einem Signifikanzniveau von α = 0.001 wird dieses Kapitel am An-
fang meiner Doktorarbeit das einzige sein, was meine Lieben lesen (das mit den
Signifikanzniveau ist fur die Wissenschaftler gedacht, die sich doch einmal hier her
verirrt haben. Ihr konnt ab jetzt mit dem langweiligen Teil aufhoren und auf Sei-
te 1 weiterlesen).
Ein Erlebnis am Anfang meiner Recherche fur diese Arbeit ist mir noch in Erin-
nerung geblieben. Damals bestellte ich in der Bibliothek in Weihenstephan eine
Doktorarbeit aus dem Jahre 1978. Als ich sie eine Woche spater abholte meinte
die Dame hinter in der Ausleihe, es sehe so aus, als sei ich die zweite Person die
diese Arbeit uberhaupt je ausgeliehen hat (ubrigens, ich habe nur die Ergebnis-
se und kleine Teile des Methodenteils uberflogen). Woher sie das wusste? Keine
Ahnung, stand (wahrscheinlich) entweder in ihren Unterlagen oder sie erkannte
i
es an den noch fast wie neu aussehenden Seiten. Aufgrund dessen entschied ich
mich, dieses Vorwort etwas personlicher zu gestalten und nicht nur (aber auch) die
Danksagung herunter zu beten, denn in der eigentlichen Arbeit ist dafur verstand-
licherweise kein Platz. Falls jemand dies blod, unangebracht, unorthodox oder gar
infantil findet (einige Zitate), bitte schon. Auch fur den gilt das Gleiche wie fur
den ausschließlich am Resultat interessierten Wissenschaftler: please proceed to
page 1. Selbst wenn nach den Berichterstattern kein Mensch mehr diese Arbeit
liest, so erfullt die vorliegende Dissertation doch einen Zweck. Sie zeigt den unten
erwahnten Personen, dass sie fur mich wertvoll sind und dass sie zu etwas wichti-
gen in meinem Leben beigetragen haben.
Beginnen mochte ich mit dem Anfang (womit sonst?) meiner Doktorandenzeit.
Hier muss ich meinem Professor/Mentor/Doktorvater Antonio Delgado Rodriguez
danken. Estimado papa academico, ich danke Ihnen fur das Vertrauen, die Un-
terstutzung und den Glauben in mich in all den Jahren. Es war und ist fur mich
sehr wertvoll, dass wir personlich und auch zwischenmenschlich diese ausgezeich-
nete Beziehung fuhren. Viele meiner Freunde konnten es mir nie glauben, dass ein
Professor seinen Doktoranden so nah an sich heran lasst. Dies stellt fur mich, ne-
ben Ihrer Expertise, eine wichtige Eigenschaften dar, die Sie auszeichnet. ¡Muchos
gracias por todo!
Weiterhin danke ich meinen vielen Kollegen. Leszek, auch wenn ich dir am An-
fang vielleicht etwas suspekt war, so warst du fur mich ein wichtiger Weggefahrte
uber die Jahre. Vielleicht hast du es gar nicht so aktiv mitbekommen, aber deine
Erfahrung und dein Zuhoren haben mir sehr geholfen, vor allem in der Endphase.
Vielen Dank dafur. Kto pokroil ten ser?
Conny, du bist die nachste der ich danken mochte. Obwohl du stets”ein bisschen“
was zu tun hattest, so fand ich trotzdem immer eine offene Tur vor. Diese Tugend
bewundere ich neben deiner Intelligenz und deinem Fleiß sehr, andere Menschen
werden aggressiv und kapseln sich sogar ab. Du hast mir stets mit Rat und Tat
zur Seite gestanden, ich hoffe du behaltst unsere Zeit in guter Erinnerung.
Georgia, ich bin sehr froh, dass wir uns kennen gelernt haben. Die Liebe und die
Warmherzigkeit die du mir entgegengebracht hast bedeuten mir wahnsinnig viel.
Viele sagen es liegt daran, dass ich Halbgrieche bin. Doch ich glaube fest daran,
ii
dass du nur auf meine Witze abfahrst :-) Du warst eine der ersten Personen am
Lehrstuhl, zu der ich eine sehr personlich Beziehung aufbauen konnte (neben den
”Freisingern“ naturlich), als ich am Ende meines Studiums nach Erlangen kam.
Am Anfang war ich sehr unglucklich uber den direkten Umgangston der Franken
(manche nennen es”Unfreundlichkeit“, ich nenne es auch so). Gestutzt wurde das
alles durch die Tatsache, dass es, im Gegensatz zu meiner Erziehung, in Franken
wohl nicht ublich ist Menschen (selbst wenn man sie kennt) auf der Straße oder
den Gangen der Arbeitsstatte zu Grußen. Doch auch hier gilt wieder das Prin-
zip der selektiven Wahrnehmung, der auch ich leider unterliege, obwohl ich es mir
standig versuche auszureden. Nach all den Jahren gingen diese Personen und es
kamen sehr viele grußende und freundliche Menschen in mein Leben (geht auch
sehr gut mit Franken, vor allem wenn man das Eis erstmal gebrochen hat sind sie
sehr herzlich und aufgeschlossen).
Dann ist da noch der Snej. Danke, dass du mir ein so guter und hilfsbereiter Freund
bist. Und kein Danke dafur, dass du die Madels bei Oltre Mare immer gewinnen
lasst, damit ich verliere hehehe. Und naturlich noch der Herr Jaswinder. Thx buddy
for all the help with OpenFOAM but more for all the personal things we discussed
(you know what I mean). I hope I didn’t drive you crazy too much. Und der Rainer.
Ja der Rainer. Danke fur die Studienberatungszusammenarbeit und die Hilfe bei
diesem ganzen KNN Kram. Obwohl mir das Ganze oft auf die naturlichen Neuro-
nen ging, so hast du mit deinen Antworten auf meine Fragen oft Licht ins Dunkel
gebracht. Frauke und”Hey Jud(ith)“ auch euch sei ein großer Dank ausgespro-
chen und <invisibleForYvonne>Schmatzer auf die Backe</invisibleForYvonne>.
Ihr habt mir stets offen und hilfsbereit zur Seite gestanden. Vor allem Frauke, wir
haben ja eng zusammengearbeitet, insbesondere bei all den”Schuler Experimentie-
ren an Madchen und Technik“ (oder so ahnlich) und anderen Infoveranstaltungen.
Ach ja, und bei der Lehre naturlich. Du weißt ja, wir machen Lehre um die Leere
zu fullen, nicht nur um uns gut zu fuhlen... Erwahnen mochte (und MUSS) ich
noch die Herren aus der (E- und M-)Werkstatt. Dank eurer Hilfe ist das Leben
der studierten Dipl.-Ing. viel einfacher. Das waren im Prinzip die Arbeitskollegen.
Wenn ich jemanden vergessen habe, entschuldige bitte. DICH habe ich naturlich
unabsichtlich vergessen.
iii
Nun zu meinen Freunden. Ach wo fange ich an? Mit”Easy E“ aka
”The Bus“
btaka Ertels Matthias. Als mein bester Freund (nein Malaka mou, nicht weinen,
du kommst auch noch dran) soll die ganze Welt uber unsere Freundschaft aufmerk-
sam gemacht werden. Danke fur die coolen Jahre und die vielen, die noch kommen
werden. Du warst, bist und bleibst mein bester Freund (zumindest hoffe ich das
mit dem”bleiben“, nachdem du das hier gelesen hast und es dir nicht zu peinlich
ist). Die Diskussionen und deine Aufmunterung gaben mir immer viel Aufwind
wenn ich mal niedergeschlagen war, wenn es zum Beispiel nicht so lief wie ich woll-
te. So jetzt du”Malaka mou“ aka
”PPP“ btaka K. Martin Ratzsch. Obwohl wir
uns wahrend der Bundeswehrzeit taglich und danach nur noch ab und zu wahrend
des Jahres gesehen haben, bist du mir der liebste und beste preußische Freund
(so, wieder glucklich?). Danke fur alles, die Zeit mit dir ist immer richtig genial!!
Wer ware da noch? Der Christopher G., ne Moment das ware zu auffallig, der C.
Gedeon. Auch wenn wir uns selten sehen, die Zeit mit dem Ertel genieße ich immer
sehr. Vor allem der Vergleich mit euren Studienerfahrungen erleichtern einem die
Einordnung der eigenen Erfahrungen ungemein. Auch die Nini will ich naturlich
nicht unerwahnt lassen. Es ist schon dich zu meinen besten Freunden zahlen zu
durfen. Egal wozu du dich fur deine Doktorarbeit entschieden hast, unsere Freund-
schaft wird immer bestehen bleiben. So, damit dieses Vorwort nicht langer wird,
als der Rest der Arbeit und zu sehr abschweift, hier noch wichtige Freunde in mei-
nem Leben (damit sich keiner benachteiligt fuhlt in alphabetischer Reihenfolge):
Erika, Fabian, Freya, Goofy, Klaus B., Laura&Flo, N.N., Norbert&Vronile, Olivia,
Thomas Strixner, Thomas Wolf. Auch hier in der Freunde-Sektion gilt das Gleiche
wie bei den Arbeitskollegen. Wer sich vergessen fuhlt, tragt seinen Namen unter
N.N. ein. Danke.
Wichtig fur das Gelingen einer Doktorarbeit sind auch die Studenten in Form von
HiWis, Bacheloranden, Diplomanden, etc. Jeder der eine Dissertation (an der Uni)
angefertigt hat weiß, dass große Teile der sich wiederholenden Laborarbeit oft die
Studenten durchfuhren. Deshalb auch mein Dank an meine Mitstreiter (in Rei-
henfolge wie sie sich zu mir verirrt haben): Johanna Schmidt, Bettina Willinger,
Patrick Inhetveen formerly known as Brendel formerly formerly known as Dite,
Andre Heldt, Cora Hanesch und Marco Kotz.
iv
Nun meine Familie. Meine Eltern, dass sie mich die wichtigen Werte im Leben
gelehrt haben (Mama: Σ′αγαπω), ihr habt mich zu dem Menschen gemacht der
ich bin. Außerdem haben sie und meine Geschwister Ann-Marie und Christopher
dafur gesorgt, dass ich die Wochenenden zu Hause als einen Ort der Entspannung
und des”Abschaltens“ nutzen konnte, auch wenn die griechische Mentalitat das
oft erschwert. Auch meiner neuen Familie Vetisch, dass ihr mir eure wunderbare
Tochter geschenkt habt, und dass ihr mich ebenso liebt.
Yvonne, du warst von der ersten bis zur letzten Sekunde an meiner Seite. Danke
fur die Liebe und Unterstutzung in all den Jahren dieser Doktorarbeit. Ohne dich
ware diese Zeit niemals das Wunderbare gewesen, dass sie fur mich war. Du warst
auch in den schlechten Zeiten, in denen ich in Selbstzweifel fast erstickt bin mein
Rettungsanker. Ich liebe dich
Das bringt mich zum Ende dieses Vorworts. Nun sitze ich hier in Altona/Melbourne,
schreibe diese Zeilen und schließe ein Kapitel meines Lebens ab. In den nachsten
Tagen reiche ich die Arbeit offiziell ein. An dieser Stelle greife ich ein Stuck in die
Zukunft vor und danke Herrn Prof. Jorg Hinrichs fur die Ubernahme des Amtes
des zweiten Berichterstatters und Herrn Prof. Michael Wensing fur die Ubernah-
me des Amtes des Vorsitzenden. Ebenso danke ich der Erlangen Graduate School
in Advanced Optical Technologies (SAOT) fur das Stipendium zu Beginn meiner
Promotion und all den fachlichen Weiter- und Fortbildungen, sowie fur alles Zwi-
schenmenschliche.
Wenn ich die Augen schließe und an den Moment zuruckdenke, an dem ich mich
mit Herrn Delgado und Albert Baars im Braustuberl Weihenstephan uber mogli-
che Promotionsthemen unterhielt und die Augen offne und das Erreichte sehe, so
erfullt mich das mit einem gewissen Stolz. Endgultig abschließen mochte ich mit
einem Zitat von Ulrich Erckenbrecht, dass sich an alle richtet, die doch etwas mit
meiner Doktorarbeit anfangen mochten:”Wo die Zu-Ende-Denker zu Ende gedacht
haben, fangt’s erst an interessant zu werden“...
v
Inhaltsverzeichnis
Symbolverzeichnis ix
1 Einleitung 3
2 Stand der Forschung 7
2.1 Anatomie der Mundhohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1.1 Makroskopische Anatomie der Mundhohle . . . . . . . . . . 7
2.1.2 Mikroskopische und funktionelle Anatomie der Zungenschleim-
haut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.1.3 Mechanorezeptoren im Mund . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.1.4 Lokalanasthetika/Oberflachenanasthesie . . . . . . . . . . . 15
2.1.4.1 Allgemeiner Wirkungsmechanismus von Lokalan-
asthetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.1.4.2 Wirkungsmechanismus an der Nervenmembran . . 16
2.2 Humansensorik im Bereich des Mundgefuhls . . . . . . . . . . . . . 18
2.2.1 Wahrnehmung des Mundgefuhls . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.3 Psychorheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.4 Grundgleichungen der Stromungsmechanik und der Rheologie . . . 29
2.5 Deformationsrate und Schubspannungen im Mundraum . . . . . . . 34
2.6 Mundmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.6.1 Verfolgung des Kauapparates und radiologische Messungen . 40
2.6.2 Zweiplattenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.6.3 Posthumus Funnel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.6.4 Numerische Mundmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.7 Verknupfung von physikalischen Messungen mit dem Mundgefuhl . 53
2.7.1 Mathematische / Psychophysikalische Modelle . . . . . . . . 57
vi
Inhaltsverzeichnis
2.7.2 Kunstliche Neuronale Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.7.2.1 Funktionsweise Kunstlicher Neuronaler Netze . . . 61
2.7.2.2 Anwendung Kunstlicher Neuronaler Netze in der
Humansensorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3 Material und Methoden 67
3.1 Numerische Simulation der Stromung im Posthumus Funnel . . . . 67
3.1.1 OpenFOAM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
3.1.2 Gittergenerierung und Abhangigkeit der Losung von der Git-
terauflosung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.2 PIV Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3.3 Softwaretool”hANNdy“ zur Voraussage von Mundgefuhlattributen . 78
3.3.1 Aufbau von”hANNdy“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
3.3.2 Verwendete Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
3.3.3 Auswahl der physikalischen Großen . . . . . . . . . . . . . . 83
3.3.4 Beurteilung der Voraussagegenauigkeit . . . . . . . . . . . . 84
3.4 Untersuchung des relativen Einflusses von Oberflachenmechanore-
zeptoren und Propriozeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.4.1 Probenvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.4.2 Studie 1: Triangeltest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
3.4.3 Studie 2: Profilierung anhand einer hedonischen Skala . . . . 94
4 Ergebnisse und Diskussion 96
4.1 Anpassung der Geometrie des Posthumus Funnel . . . . . . . . . . 96
4.1.1 Analytische Losungen der Navier-Stokes-Gleichung fur die
Stromungen im Posthumus Funnel . . . . . . . . . . . . . . 96
4.1.2 Vergleich von Experiment und numerischer Simulation . . . 101
4.1.2.1 Ausgeflossene Masse: Konvergenzverhalten in Ab-
hangigkeit von der Gitterauflosung . . . . . . . . . 101
4.1.2.2 Ausgeflossene Masse: Uberprufung der Abhangig-
keit der Ergebnisse von der Viskositat . . . . . . . 106
4.1.2.3 Ermittlung des Geschwindigkeitsfeldes mittels PIV 108
4.1.3 Anpassung des Posthumus Funnel an orale Scherraten . . . . 112
vii
Inhaltsverzeichnis
4.1.3.1 Entwicklung des Berechnungsmodells fur die Geo-
metrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
4.1.3.2 Uberprufung des newtonschen Modells . . . . . . . 120
4.2 Voraussage des Mundgefuhls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4.2.1 Voraussage der M Viscosity mittels klassischer psychophysi-
kalischer Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4.2.2 Voraussage der M Viscosity mittels Kunstlicher Neuronaler
Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
4.3 Ursachen der Entstehung des Mundgefuhls von halbflussigen Le-
bensmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
4.3.1 Ergebnisse der Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
4.3.2 Ergebnisse der Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4.3.3 Abschatzung der zum Schlucken notigen Kraft . . . . . . . . 139
4.3.3.1 Verifizierung der Simulationsergebnisse des Schluck-
vorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
4.3.3.2 Langen und Zeitskalen wahrend des Schluckvor-
gangs und ihr Einfluss auf die Mechanorezeptoren . 146
4.3.4 Vergleich der im Posthumus Funnel und im Mund auftreten-
den Dehnraten wahrend des Schluckvorgangs . . . . . . . . . 150
5 Zusammenfassung und Ausblick 156
Abbildungsverzeichnis 161
Tabellenverzeichnis 169
viii
Symbolverzeichnis
Akronyme
B.I.T.E Bi-cyclical Instrument for Texture Evaluation
CFD Computational Fluid Dynamics
EMA Elektromagnetische Artikulographie
EMG Elektromyographie
EPG Elektropalatographie
FSC Fundamental Stiffness Coefficient
FTC Flowing Time Coefficient
KI Kunstliche Intelligenz
KNN Kunstliche Neuronale Netze
MVG Mittlere Voraussagegenauigkeit
OFM Oral Flow Model
PIV Particle Image Velocimetry
PP Puddingpulver
RF Rezeptives Feld
TPA Texture Profile Analysis
V AV Varianz der Voraussagen
ix
Inhaltsverzeichnis
V OF Volume of Fluid
ZNS Zentrales Nervensystem
Arabische Formelzeichen
V Volumenstrom m3
s
D Deformationsgeschwindigkeitstensor 1s
~eZ Einheitsvektor in z-Richtung
~f Volumenkraft ms2
~g Erdbeschleunigung ms2
~ni Flachennormalenvektor
~u Geschwindigkeitsvektor ms
A Flache m2
a Lange der langen Hauptachse einer Ellipse m
a Parameter
b Lange der kurzen Hauptachse einer Ellipse m
b Parameter
d Hohe des Konus im Posthumus Funnel m
D0 Durchmesser des unteren Zylinders im Posthumus Funnel m
D2 Durchmesser des oberen Zylinders im Posthumus Funnel m
F Kraft N
G Enthalpie N
H Lange des oberen Zylinders im Posthumus Funnel m
h Lange des unteren Zylinders im Posthumus Funnel m
x
Inhaltsverzeichnis
h Plattenabstand m
K Konsistenzindex (Power-Law) Pasn
k Boltzmann-Konstante JK
LA Abstand der oberen Marke vom Boden im Posthumus Funnel m
LE Abstand der unteren Marke vom Boden im Posthumus Funnel m
M Molare Masse gmol
m Gesamtzahl an physikalischen Parameter im Steven-Modell
n Brechnungsindex
n Fließindex (Power-Law)
n Parameter
P Physikalische Große
p Druck Nm2
R Radius m
r Ortskoordinate Radius m
S Sensorisches Attribut
T Absolute Temperatur K
t Zeit s
u Geschwindigkeit in x-Richtung ms
Uz,0,m Volumenstromgemittelte axiale Geschwindigkeit ms
v Geschwindigkeit in y-Richtung ms
w Geschwindigkeit in z-Richtung ms
wij Verbindungsgewicht des Neurons i mit Neuron j bei KNN
xi
Inhaltsverzeichnis
Dimensionslose Kennzahlen
Fr Froude-Zahl
Re Reynolds-Zahl
Griechische Formelzeichen
α Aktivierungsfunktion eines Kunstlichen Neuronalen Netzes
ε Dehnrate 1s
γ Scherrate 1s
η Dynamische Viskositat Pas
ηS Scheinbare Viskositat eines nicht-newtonschen Mediums Pas
γ Oberflachenspannung Nm
τ Schubspannung(stensor) Pa
τ Spannungstensor Pa
ρ Massendichte kgm3
σ Normalspannung Pa
τ Schubspannung Pa
τ0 Fließgrenze Pa
θ Benetzungswinkel ◦
υ Kinematische Viskositat m2
s
ς Eingangssumme eines Kunstlichen Neuronalen Netzes
Indizes und Exponenten
∗ Dimensionslose Große
A Anfang
xii
Inhaltsverzeichnis
E Ende
fO freie Oberflache
m gemittelte Große
P Platte
T Transponiert
x in Richtung der x-Koordinate
y in Richtung der y-Koordinate
z in Richtung der z-Koordinate
Operatoren
: Inneres Produkt
∆ Laplace-Operator
∇ Nabla-Operator
xiii
Kurzzusammenfassung
Diese Arbeit beschaftigt sich mit der Aufklarung der Ursachen, der Entstehung
und, aus diesen Erkenntnissen abgleitet, der Voraussage des Mundgefuhls mittels
Kunstlicher Neuronaler Netze. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf fließfahigen
Lebensmitteln, und demnach auf deren stromungsmechanischen und rheologischen
Verhalten.
Zu Beginn schlagt die vorliegende Publikation ein verbessertes empirisches Mund-
modell vor (Posthumus Funnel), dessen abgeleiteten Messgroßen die Voraussage
des Mundgefuhlattributes”Orale Viskositat“ signifikant verbessert. Neben einem
analytischen Ansatz zur Modellierung der Posthumus Funnel Stromung (ahnlich
einer Dusenstromung) liefern numerische Simulationen (CFD) tiefere Einblicke in
das Stromungsfeld wahrend des Ausflusses, sodass sich weitere Großen ableiten
und mit den numerischen Simulationen des Schluckens dieser Proben vergleichen
lassen. Dazu zahlen beispielsweise die Scher- und die Dehnraten.
Aus den numerischen Simulationen des Schluckvorgangs lassen sich des Weite-
ren Großen extrahieren und mit der Realitat vergleichen, beispielsweise die zum
Schlucken notige Kraft oder der Druck auf einzelne Mechanorezeptoren. Daraus
lassen sich Aussagen bezuglich der Ursachen der Mundgefuhlsentstehung treffen,
vor allem auf den jeweiligen Einfluss der von der Literatur oft zitierten Propriozep-
tion (Eigenwahrnehmung) und Mechanorezeptoren. Beide Systeme galten bisher
als relativ gleichberechtigt bezuglich der Mundgefuhlswahrnehmung fließfahiger
Lebensmittel. Doch die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die bisherige An-
nahme als so nicht weiter tragbar erweist.
1
Abstract
This work deals with the elucidation of the causes, the origin and, derived from
these findings, the prediction of the mouth feel using artificial neural networks.
The focus lies on flowable foods, and thus on their fluid mechanical and rheologi-
cal behavior.
At the beginning this publication proposes an improved empirical mouth model
(Posthumus funnel). The derived measured quantities of the Posthumus Funnel
improve the prediction of the mouth feel attribute”oral viscosity“ significantly.
In addition to an analytical approach which models the Posthumus funnel flow
(similar to a jet flow), numerical simulations (CFD) give deeper insight into the
flow field so that other measures can be derived and compared with the numerical
simulations of the swallowing movement. These include the shear and the elonga-
tion rates.
From the numerical simulations of the swallowing process further quantaties can
be extracted and compared with reality, for example the necessary force to swal-
low a food bolus or the pressure on individual mechanoreceptors. This results in
statements describing the causes of the mouth feel development, especially regar-
ding the relative influence of the often cited proprioception (self-perception) and
mechanoreceptors. Till the present day both systems were considered being equal
regarding their impact on the mouth feel perception of flowable foods. But the
results suggest that this assumption proves to be no longer acceptable.
2
1 Einleitung
Uber den Geschmack lasst sich ja bekanntlich streiten, doch im Endeffekt reagieren
alle Menschen in ahnlicher Weise auf ihre Nahrung. Vieles unseres Verhaltens liegt
bereits in den Genen, so zum Beispiel die angeborene Aversion von Sauglingen
gegen bitter und sauer. Vor allem suß und”umami“ signalisieren nahrhaftes Essen.
Mit wachsendem Alter steigt die Beeinflussung unseres Ess- und Trinkverhaltens
durch Erfahrungen und Gewohnheiten. So ist fur viele der morgendliche Kaffee,
das kuhle Bier oder ein Glas Gin Tonic eine genussvolle Angelegenheit, trotz, oder
gerade wegen, des bitteren Geschmacks.
Ziel jeder Lebensmittelprozessierung besteht in der biologischen, chemischen und
physikalischen Umwandlung der Makronahrstoffe (Fette, Proteine und Kohlenhy-
drate) bei einer gewunschten Erhaltung der Mikronahrstoffe (Mineralstoffe, Vit-
amine, Ballaststoff, etc.). Die Grunde hierfur erweisen sich als vielfaltig, zum einen
fuhrt die Verarbeitung dazu die Endprodukte haltbarer und bekommlicher zu ma-
chen, sie riechen und schmecken besser und, vor allem fur diese Arbeit wichtig,
mehr Konsumenten akzeptieren die Textur. Die Textur beschreibt die Wahrneh-
mung eines Lebensmittels durch die drei ubrigen Sinne: Horen, Sehen und Fuhlen.
Betrachten wir hierzu zwei Beispiele:
1. Brot Der nutritive Wert des Brotausgangsstoffes Getreide ist hoher als der
des Brotes selbst. Die gleiche Masse Getreide enthalt mehr Balaststoffe und,
durch die Vermengung mit Wasser beim Brot, auch eine hohere Energie-
dichte (hauptsachlich in Form von Kohlenhydraten aus der Starke). Obwohl
unsere Vorfahren pures Getreide zu sich nahmen, entwickelte sich uber die
Jahrtausende eine Kultur des Brotbackens. Die Grunde zeigen sich, trotz
dieses chemisch und physikalisch komplexen Vorgangs denkbar simpel: Brot
schmeckt und riecht (Maillard-Reaktion [8]) besser, die Nahrstoffe sind fur
3
1 Einleitung
den Korper besser verfugbar und Brot lasst sich viel angenehmer kauen und
schlucken als seine Ausgangsstoffe. Auch die Spelzen zwischen den Zahnen
beim Getreide sorgen fur eine eher unangenehmere Empfindung. Jeder, der
schon einmal ofenfrisches Brot probiert hat weiß, dass der Verzehrvorgang
nicht nur wissenschaftlich sondern auch omnisensorisch einen hoch komple-
xen Vorgang darstellt
2. Champagner Ahnliches wie fur feste Lebensmittel wie Brot gilt auch fur
einige Getranke. Der reine Traubensaft eignet sich vom ernahrungsphysio-
logischen Standpunkt betrachtet fur unseren Korper viel besser als Cham-
pagner. Er enthalt eine hohere Energiedichte (”Verlust“ von Energie durch
die Fermentation, d.h. durch die partielle Oxidation der Mono- und Dissa-
charide im Traubensaft zu Ethanol und CO2) und keinen Alkohol. Durch die
Fermentation entstehen neben dem Geruch und Geschmack (vor allem durch
den Hefestamm determiniert) auch CO2, das fur das angenehme Perlen auf
der Zunge verantwortlich ist. Die richtige Menge an Kohlensaure, gepaart
mit der optimalen Temperatur sorgt fur ein exquisites Zusammenspiel von
gustatorischen und olfaktorischen Reizen sowie der Textur
Das Mundgefuhl und die Textur von Lebensmitteln hangen von sehr vielen Fak-
toren ab. Dazu gehoren neben den offensichtlichen wie den physikalischen Eigen-
schaften (z.B. die Temperatur, die Oberflachenbeschaffenheit, die Rheologie, etc.),
auch schwer fassbare Einflusse wie das Alter des Konsumenten, seine Physiolo-
gie und ethnische Herkunft, seine Vorlieben oder gar sein Gemutszustand. Gerade
bei fließfahigen Lebensmitteln beeinflusst das stromungsmechanische Verhalten die
Wahrnehmung des Mundgefuhls maßgeblich. Dennoch zeigen sich die Kenntnisse
auf diesem Bereich als ungenugend und bedurfen weiterer interdisziplinarer For-
schung.
Der Geruch und Geschmack spielten lange Zeit die Hauptrolle wahrend der Pro-
duktentwicklung und der Qualitatssicherung. Doch auch das Mundgefuhl und die
Textur rucken immer mehr in den Fokus. Bei einigen dunnflussigen Getranken wie
Wasser oder Apfelsaftschorle mag die”sensorische Wertigkeit“ des Mundgefuhls
nicht entscheidend sein, doch gerade bei komplexen Lebensmitteln wie Schokolade,
Joghurt oder Streichkase wertet der Kunde nicht nur nach dem olfaktorischen und
4
1 Einleitung
gustatorischem Eindruck. Eine Schokolade oder ein Joghurt mit noch spurbaren
Partikeln mindern zwar nicht den nutritiven, doch aber den Genusswert erheblich.
Gerade kritische Kunden erlauben solche”Ausrutscher“ nicht und substituieren die
ihrer Meinung nach fehlerhaften Produkte. Wer wurde schon freiwillig ein schales
Bier, feucht und weich gewordene Kartoffelchips oder altes trockenes Brot zu sich
nehmen? Wohl die wenigsten, und die anderen kann das Argument der ernah-
rungsphysiologischen Gleichheit in den seltensten Fallen umstimmen. Zumindest
der Genuß fehlte stets.
Aus diesem Grund erscheint der Prozess des”Texturdesigns“ nicht nur ein Ne-
beneffekt der Produktentwicklung zu sein, sondern diesem Vorgang steht damit
auch eine okonomische Dimension entgegen. Trotz intensiver Forschung auf diesem
Gebiet seit uber 40 Jahren [159] gelingt es bis heute nicht befriedigend, Modelle
und Modellsysteme fur diesen hochkomplexen Vorgang der Texturwahrnehmung
zu entwickeln. Einen Schritt in diese Richtung begeht diese Arbeit.
Mit der Kenntnis der Zusammenhange der Interaktion von Material und Mechano-
rezeptoren/Reizverarbeitung im Zentralen Nervensystem (ZNS) stunde ein mach-
tiges Werkzeug zur gezielten Veranderung des Texturempfindens zur Verfugung.
Der Mensch alleine befindet sich in der Lage, Lebensmittel sensorisch zu beschrei-
ben, und bildet bis heute die letzte und entscheidende Instanz bei der endgultigen
sensorischen Bewertung. Seine sensorische Expertise zu ersetzen ist mit den bis-
herigen Erkenntnissen nicht moglich. Abhilfe konnen Expertensysteme liefern, die
das Wissen menschlicher Panelisten bundeln und naherungsweise abbilden. Hiie-
mae [62] sieht die Vorteile solcher Expertensysteme in den reduzierten Kosten, den
kurzeren Trainingszeiten der menschlichen Experten, hoherer Flexibilitat und we-
niger Mehrdeutigkeiten in den Ergebnissen. Dazu kommt die Objektivierung und
die damit entstehende Unabhangigkeit von individuellen Einflussen der Paneli-
sten. Doch wie bei fast allen biologischen Vorgangen stellt auch dieser Vorgang ein
mehrdimensionales nichtlineares Problem dar und ist damit mit”einfachen“ Glei-
chungen und Gleichungssystemen nicht zu modellieren. In der Literatur bestehen
zwar schon langer Anstrengungen zur Beschreibung einzelner sensorischer Attribu-
te mit einzelnen physikalischen Großen [71,86], oder mehrerer Großen mithilfe von
Potentzansatzen wie z.B. van den Oever [167]. Ein komplettes Modell, welches die
5
1 Einleitung
gesamte Bandbreite an Texturattributen abbilden kann, existiert jedoch aufgrund
der Komplexitat leider nicht.
Ziel dieser Arbeit ist es, den Prozess der Wahrnehmung der Textur fließfahiger Le-
bensmittel auf Basis stromungsmechanischer Uberlegungen zu untersuchen. Das
erste Ziel besteht in der Untersuchung des relativen Einflusses von Mechanorezep-
toren und Propriozeption (Eigenwahrnehmung) auf die Wahrnehmung des Mund-
gefuhls halbflussiger Lebensmittel. Dabei zeigen sich weltweit einmalige Einblicke
in die Entstehung des Mundgefuhls anhand des relativen Einfluss der physiolo-
gischen Wahrnehmungsapparate im Mund bei einem halbflussigen Lebensmittel
(Vanille Pudding). Diese Erkenntnisse lassen sich im Anschluss zur Voraussage der
Textur nutzen. Um die Vorgange im ZNS nachzubilden empfehlen sich kognitive Al-
gorithmen, wie z.B. Kunstliche Neuronale Netze (KNN) oder Fuzzy Logic, da diese
die Vorgange im Gehirn mathematisch modellieren und somit besser beschreiben.
Es existieren bereits vereinzelt erfolgreiche Ansatze, um die sensorische Wahrneh-
mung auf diese Weise nachzuahmen und damit auch gesicherte Voraussagen zu
treffen [89]. Diese Arbeit stellt erstmals ein Softwaretool vor, das die Voraussage
von Mundgefuhlattributen von Lebensmitteln anhand einer bestehenden Daten-
bank ermoglicht. Die Verwendung rein rheologischer Großen ermoglicht bereits
Voraussagegenauigkeiten von bis zu 99,3%. Des Weiteren erfolgt die Optimierung
des nachgewiesenen Voraussagepotentials der empirischen Ausflussmessmethode
des Posthumus Funnel. Dem Produktentwickler oder dem Qualitatsmanager ste-
hen in der Summe dadurch wertvolle Systeme zur Seite, die in letzter Instanz dem
Verbraucher durch qualitativ noch hochwertigerer Produkte zugute kommen.
6
2 Stand der Forschung
Die vorliegende Arbeit behandelt eine Vielzahl unterschiedlicher Themengebiete.
Dies unterstreicht zum einen die notige Interdisziplinaritat, zum anderen konnen
aufgrund des Umfangs der Literatur der Themenbereich nicht alle Aspekte Einzug
finden, sodass sich der folgende Abschnitt vor allem dem Schrifttum mit besonde-
rem Bezug zu dieser Arbeit widmet.
2.1 Anatomie der Mundhohle
Der Mund stellt zwar nicht die erste Instanz zur Bewertung der Lebensmitteltex-
tur dar, jedoch die wichtigste. Die Kenntnis der Physiologie der Mundhohle und
der vorhandenen Sensorik, sowohl makro- als auch mikroskopisch, zeigt sich zum
Verstandnis der Entstehung des Mundgefuhls als unbedingt notig. Gerade die Inter-
aktion bei halbflussigen Lebensmittel mit dem Mundraum bestimmt vornehmlich
die Rheologie der Lebensmittel.
2.1.1 Makroskopische Anatomie der Mundhohle
Die meisten in der Technik eingesetzten Sensoren durchlaufen eine vorherigen Pru-
fung auf ihre Eignung am Einsatzort, d.h. z.B. bezuglich ihrer Empfindlichkeit,
ihrer Robustheit und ihres Messbereichs. Diesen Vorgang durchliefen auch alle
biologischen Sensoren im Laufe der Evolution. Erschloss sich eine Spezies neue Le-
bensraume, so degenerierten Sinnesorgane (sogenannte Involution) wofur andere
starker in den Vordergrund traten. Beispiele bilden die geringe Sehkraft von Maul-
wurfen (Talpa europaea) oder die sich stets verschlechternde Geruchswahrnehmung
des Menschen.
Die Mundhohle (cavitas oris propria) dient in erster Linie der Vermengung des
7
2 Stand der Forschung
Speisebreis mit Speichel und der Zerkleinerung. Diesen Prozessierungsraum be-
grenzen die Zahnreihen frontal und lateral, der Gaumenbogen kranial und die
Schlundenge dorsokaudal. Weiterhin trennt der Gaumen die Mundhohle von der
Nasenhohle, in dessen starren vorderen Abschnitt die Schleimhaut dem Knochen
aufliegt (harter Gaumen), den hinteren Teil hingegen konnen Muskeln bewegen.
Der Raum zwischen Zahnen und Lippen bzw. Wangen tragt die Bezeichnung
Mundvorhof (vestibulum oris) und steht, abgesehen von den interdentalen Spalten,
lediglich zwischen dem letzten Molaren und dem aufsteigenden Unterkieferast mit
der Mundhohle in Kontakt. Deshalb spielen vor allem die Sensoren in der eigent-
lichen Mundhohle und der Zunge eine Rolle bei der Wahrnehmung der Mundge-
fuhlattribute, doch nicht ausschließlich. Wahrend spezialisierte Sensoren wie die
olfaktorischen (Geruch) oder gustatorischen (Geschmack) die Qualitat wahrend
dieses Vorgangs bewerten, dienen die Eindrucke der Mechanorezeptoren an der
Zunge, dem Gaumen und den Zahnen der Evaluierung des Schluckzeitpunktes. Die
letzten drei Sensoren sind zusammen mit der akutischen und Temperaturempfin-
dung fur die Wahrnehmung der sogenannten Textur verantwortlich. Abbildung 2.1
veranschaulicht die Anatomie des Mundraumes schematisch.
2.1.2 Mikroskopische und funktionelle Anatomie der
Zungenschleimhaut
Die Zunge stellt das wichtigste Organ der Nahrungsverarbeitung dar und sie ent-
halt daneben Mechanosensoren, zustandig fur einen wichtigen Teil der Wahrneh-
mung der Lebensmitteltextur. Bei geschlossenem Mund und entspanntem Zustand
fullt sie praktisch die gesamte Mundhohle aus. Sie liegt auf dem Mundboden auf
und besteht aus einem Muskelkorper, den eine Schleimhautschicht bedeckt. Von au-
ßen einstrahlende Muskeln verleihen der Zunge eine große Beweglichkeit, wahrend
Binnenmuskeln eine starke Verformbarkeit ermoglichen. Auf dem Zungenrucken
heftet sich die Schleimhaut unverschieblich an die Aponeurosis lingue, eine derbe
Bindegewebsfaszie. Das Schleimhautbindegewebe ist durch hohe Papillen fest mit
dem Schleimhautepithel verzahnt. Bei den Papillen der Zungenoberflache handelt
es sich um makroskopisch sichtbare Strukturen und sie lassen sich in Geschmacks-
und Tastpapillen unterteilen. Die Abbildung 2.2 illustriert diese.
8
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.1: Anatomie des Mundraums. Nach [148]
Zu den Zungenpapillen zahlen:
• Papillae vellatae. 7-12 warzenformige, das Zungenniveau nur geringfugig uber-
ragende Papillen, die v-formig im dorsalen Bereich der Zunge angeordnet und
von einem Graben, der die Geschmacksknospen enthalt, umgeben sind
• Papillae foliatae. Querliegende Schleimhauteinfaltungen am Zungenrand, die
ebenfalls Geschmacksknospen enthalten
• Papilae fungiformes. Sie erheben sich bis zu 1,5 mm uber das Zungeniveau
und besitzen Geschmacksknospen, die sich nach den ersten Lebensjahren
großtenteils zuruckbilden
• Papilae filiformis. Diese Tastpapillen sind uber den gesamten Zungenrucken
verteilt und stellen den großten Anteil der Zungenpapillen. Sie sind die einzi-
ge Papillenart, die in ihrem Epithel keine Geschmacksknospen beherbergen.
Ihr Epithel bildet kleine, schlundwarts gerichtete, beim Menschen schwach
9
2 Stand der Forschung
(a) Zunge in der Mundhohle [148]
(b) Papillen der Zungen [97]
Abbildung 2.2: Zungenoberflache mit ihren Papillen
10
2 Stand der Forschung
verhornte, Spitzen. Diese ubertragen als kleine Hebel mechanische Reize auf
die Endigungen der im Bindegewebskern der Papillen zahlreich vorhandenen
sensiblen Nervenfasern [49].
Allgemein besteht die Schleimhaut aus drei Schichten:
• Epithelium mucosae. Die Epithelschicht, die den oberen Abschnitt der Schleim-
haut bildet
• Lamina propria mucosae. Das Schleimhautbindegewebe, welches unmittelbar
unter der Epithelschicht liegt
• Lamina muscularis mucosae. Die Schleimhautmuskelschicht, die die Lamina
propria mucosae von tiefer gelegenem Bindegewebe trennt
Die Mundschleimhaut ist aus mehrschichtigem unverhorntem Plattenepithel (ei-
ne Ausnahme bilden hier lediglich die Spitzen der Papillae filiformes) und Schleim-
hautbindegewebe aufgebaut. Die Lamina muscularis mucosae ist nur schwach aus-
gebildet [49].
Was die Morphologie und Innervation der Mechanorezeptoren angeht, unterschei-
det sich die Mundschleimhaut nicht wesentlich von anderen kutanen Geweben [22]
(siehe Abbildung 2.3). Jedoch ist festzuhalten, dass sowohl die Dichte der Rezep-
toren, als auch der Innervation im Mundbereich zu den hochsten im gesamtem
menschlichen Organismus zahlen.
Zweipunktmessungen haben ergeben, dass sich die Bereiche großter Beruhrungs-
empfindlichkeit und Ortsauflosung an der Zungenspitze befinden, gefolgt von den
Lippen und dem harten Gaumen [29]. Ein Grund hierfur ist neben der dichteren In-
nervation wohl auch in der geringeren Dicke der die Papillae filiformes bedeckenden
Epithelschicht zu sehen [22]. Grundlage der taktilen Wahrnehmung der Zungen-
schleimhaut stellen unterschiedliche Mechanorezeptoren dar, auf die das folgende
Kapitel naher eingeht.
2.1.3 Mechanorezeptoren im Mund
Der Mensch nimmt seine Umwelt, und demnach auch das Mundgefuhl, ausgelost
durch die Wechselwirkung Lebensmittel/Mundoberflache uber Sensoren wahr. Ne-
11
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.3: Allgemeiner Aufbau der Haut [49]
ben der Temperatur- und dem Schmerzempfinden (freie Nervenendigungen) zeigen
sich die Mechanorezeptoren dafur zustandig. Obwohl sich die Mechanosensortypen
in der haarfreien Haut ahneln, gibt es im Mund doch Besonderheiten. Die klassi-
sche Unterteilung des Texturempfindens durch die Gewebeschichten gliedert sich
nach Oldfield [119] wie folgt:
• Mechanorezeptoren in den oberflachlicheren Gewebeschichten der Zunge, des
harten und weichen Gaumens, der Lippen und des Zahnfleisches
• Mechanorezeptoren in der Wurzelhaut in der Umgebung der Zahnwurzeln
• Mechanorezeptoren der Muskeln und der Sehnen, welche am Kauvorgang
teilnehmen
Ein Hauptunterschied zwischen den weichen Geweben wie Lippen, dem weichen
Gaumen, dem Zahnfleisch und der Zunge und den harten wie harter Gaumen, Zah-
nen und Kiefer besteht in der Verformbarkeit. Aus dieser Tatsache folgt, dass die
12
2 Stand der Forschung
verschiedenen Verformbarkeiten auch wiederum einen spezifischen Einfluss auf die
gesamte Texturwahrnehmung ausuben.
Alle Mechanorezeptoren besitzen spezialisierte Nervenendigungen, beispielsweise
freie oder”verkapselte“. Diese gliedern sich in zwei langsam adaptierende Senso-
ren (SA 1 = Merkel-Zellen und SA 2 = Ruffini-Korperchen), welche sich in der
mittleren Hautschicht unter der Oberflache befinden, und ein schnell adaptieren-
den Sensor (RA 1 = Meissner-Korperchen). Diese Unterscheidung entspringt der
Art der wahrgenommenen Reize: wahrend SA 1 und SA 2 auf statische Belastun-
gen mit Depolarisation (die Depolarisation setzt sich als Aktionspotential uber
den Nerv fort und bildet die Grundlage der Reizleitung [117]) reagieren, klingt die
Reizintensitat bei statischer Belastung von Meissner-Korperchen (RA 1) nach ca.
50 − 500ms ab [147]. D.h. RA 1 ist fur die Detektion von dynamischen Druck-
intensitatsanderungen sensibel, also fur die Geschwindigkeit des Eindruckens der
Haut. Sie beginnen bereits bei einer Eindruckung von 100µm in Sattigung zu ge-
hen, und sind insensitiv fur Großen uber 300− 400µm. Da dem Zungenrucken die
Vater-Pacini-Korperchen fehlen nimmt die Zunge sehr schwer Vibrationen wahr,
was wiederum zu einer reduzierten Wahrnehmung von Rauigkeit fuhren kann [178].
Abbildung 2.4 zeigt die in der haarfreien Haut vorkommenden Mechanorezeptoren.
Die Tabelle 2.1 gibt Auskunft uber die im Mund vorkommenden Rezeptoren.
Tabelle 2.1: Die im Mund vorkommenden Mechanorezeptoren, ihre charakteristi-sche Lange und ihre Eigenschaften. Abkurzungen: RF≡RezeptivesFeld
Rezeptor WF Reizanpassung Große
Meissner-Korperchen klein schnell (50− 500ms) 100− 150µm lang &40− 70µm breit
Merkel-Zelle klein langsam 10µmRuffini-Korperchen groß langsam 0, 5− 1, 5mm
Auch die Propriozeption (Eigenwahrnehmung) der Zunge begrundet sich in Me-
chanorezeptoren in den Muskeln, Sehnen und Gelenken. Diese Sinnesmodalitat ist
Grundlage sowohl fur den Kraftsinn als auch fur die Wahrnehmung von Position
und Bewegung einzelner Korperteile relativ zum restlichen Korper. Erstgenannter
ermoglicht die Abschatzung der von einem Muskel erzeugten Kraft mit einer Ge-
13
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.4: Mechanorezeptoren der haarfreien Haut. Die Sensoren in der oralenMukosa sind identisch mit den somatischen, bis auf die fehlendenVater-Pacini-Korperchen. Nach Williams et al. [180]
nauigkeit von etwa 3-10%. Versuche unter Lokalanasthesie von Haut und Gelenken
und die damit verbundene Inaktivierung der entsprechenden Rezeptoren haben zu
der Erkenntnis gefuhrt, dass weder die Oberflachensensoren der Haut, noch die-
jenigen der Gelenke großen Einfluss auf den Kraftsinn haben. Dieser ist also in
erster Linie das Ergebnis von Muskel- und Sehnenafferenzen [145]. Dies bedeutet
im Umkehrschluss, dass eine Oberflachenanasthesie die Propriozeption nicht be-
einflusst. Die wichtigste Rolle bei der intramuskularen Kraftmessung spielen die
Golgi-Sehnen-Organe, deren adaquaten Reiz die bei der Muskelkontraktion ent-
wickelte mechanische Spannung darstellt. Diese Organe liegen am Ubergang zwi-
schen Muskel und Sehne und bestehen aus flussigkeitsgefullten Kapseln, ausgestat-
tet mit wenigen Muskelfasern und reich verzweigten marklosen Nervenendigungen.
Sie sind von einer bindegewebigen Kapsel umhullt und zwischen Kollagenfasern
eingebettet [146]. Steigt die Muskelspannung an, so werden die Kollagenfasern
der Sehnen zusammengezogen, was gleichzeitig die flussigkeitsgefullten Kapseln
der Golgi-Sehnen-Organe komprimiert. Dies fuhrt zu einer Druckerhohung an den
Nervenendigungen und zu Nervreizung. Wird der Muskel kontrahiert, messen die
14
2 Stand der Forschung
Golgi-Sehnen-Organe so das aktuelle mechanische Spannungsniveau innerhalb der
Sehne und geben auf diese Weise Informationen uber die vom Muskel entwickelte
Kraft an das zentrale Nervensystem (ZNS) weiter [127,135].
2.1.4 Lokalanasthetika/Oberflachenanasthesie
Um nun eine qualifizierte Aussage uber den relativen Einfluss der Propriozeption
und der Mechanorezeptoren auf die Mundgefuhlswahrnehmung treffen zu konnen,
bedarf es einer Moglichkeit der gezielten Inaktivierung einer dieser beiden Systeme,
dazu dient die Oberflachenanasthesie. Die Oberflachenanasthesie ist als spezielle
Form der Lokalanasthesie zu betrachten, bei der der Wirkstoff nicht durch Injekti-
on ins Gewebe eingebracht, sondern auf die Oberflache der Haut aufgetragen wird.
Von dort aus gelangt er dann mittels Diffusion zu seinem eigentlichen Wirkort,
den in den oberen Hautschichten liegenden Nervenendigungen. Der Wirkmecha-
nismus des Oberflachenanasthetikums, d.h. der pharmakologische Effekt an der
Nervenendigung selbst unterscheidet sich nicht von dem eines mittels Infiltration
applizierten Lokalanasthetikums [78,82].
2.1.4.1 Allgemeiner Wirkungsmechanismus von Lokalanasthetika
Lokalanasthetika heben reversibel und ortlich begrenzt die Erregbarkeit und das
Leitungsvermogen von Nervenfasern auf. Sie blockieren spannungsabhangige (me-
chanische Spannungen) Natriumkanale und verhindern somit die Bildung von Akti-
onspotentialen. Es handelt sich meist um schlecht wasserlosliche, schwach basische
aromatische Amine, die aus einem lipophilen Anteil, meist ein ungesattigter aro-
matischer Ring, und einem hydrophilen Anteil, meist ein tertiares oder sekundares
Amin, bestehen. Allgemein unterscheidet man bei den heute verwendeten Pra-
paraten zwischen Lokalanasthestika vom Estertyp und solchen vom Amidtyp, je
nachdem ob eine Esterbindung oder eine Amidbindung den aromatischen Molekul-
teil mit der Aminogruppe verknupft [3]. Da fur die in dieser Arbeit durchgefuhrten
Versuche nur Lidocain, ein Lokalanasthetikum vom Amidtyp, zum Einsatz kam,
liegt auf diesem Praparat der Fokus der weiteren Ausfuhrungen.
15
2 Stand der Forschung
2.1.4.2 Wirkungsmechanismus an der Nervenmembran
Im Ruhezustand finden sich im Inneren einer ruhenden Nervenfaser hohe Konzen-
trationen von Kaliumionen, bei geringer Konzentration an Natriumionen. Die den
Nerv umgebende extrazellulare Flussigkeit weist ein inverses Konzentrationspro-
fil auf, was zur Ausbildung von Konzentrationsgradienten beider Ionen fuhrt. In
die Lipidmatrix der Nervenmembran sind Proteine eingelagert, die als Ionenkanale
fungieren und deren Durchlassigkeit die spannungsabhangige Konformationsande-
rungen des Proteinmakromolekuls bestimmt. Im unerregten Zustand nimmt die
transmembrane Leitfahigkeit der Kaliumkanale hohe, die der Natriumkanale sehr
geringe Werte an. Dies fuhrt aufgrund des herrschenden Konzentrationsgradienten
zur Entstehung eines negativen Potentials auf der Membraninnenseite - dem sog.
Ruhepotential [145, 150]. Kommt es nun zur Stimulierung des Nervs, so steigt die
Permeabilitat der Natriumkanale an, was durch das Einstromen von Natriumio-
nen eine Verringerung des Ruhepotentials zur Folge hat. Unterschreitet der Wert
des Potentials eine kritische Grenze, erfolgt eine Konformationsanderung inner-
halb des den Natriumkanal bildenden Proteinmolekuls und damit eine maximale
Offnung des Natriumkanals. Der nun ungehinderte Natriumioneneinstrom fuhrt
zu einer Umkehr des elektrischen Membranpotentials, also zu einer Depolarisati-
on der Membran. Der gesamte Vorgang spielt sich im Bereich von ca. 10 ms ab.
An dieser Stelle setzt die Wirkung von Lokalanasthetika an, die den Natrium-
kanal blockieren und damit die Entstehung eines Aktionspotentials verhindern.
Dies geschieht indem das Pharmakon sich von der intrazellularen Seite des Ax-
ons her an den spannungssensitiven Natriumkanal anlagert (Abbildung 2.5) und
diesen durch elektrochemische Veranderungen in seiner inaktiven, also geschlosse-
nen Form stabilisiert. Auf diese Weise blockiert es den normalerweise bei Erregung
auftretenden Natriumeinstrom und verhindert eine physiologische Reizleitung [91].
Dabei offnet dieser Kanal unter physiologischen Bedingungen nicht ab einem fixen
Schwellenwert der mechanischen Belastung, vielmehr steigt die Wahrscheinlichkeit
der Depolarisation mit steigender Belastung nach einer Boltzmann-Verteilung [55]:
Po
1− Po= e−
∆GkT (2.1)
Hier steht Po fur die Offnungswahrscheinlichkeit des Ionenkanals, ∆G fur die
16
2 Stand der Forschung
Differenz der freien Energie des geoffneten und geschlossenen Kanals, k ist die
Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur.
Abbildung 2.5: Spannungssensitiver Natriumkanal [150]
Neben der Blockade des Natriumkanals konnen Lokalanasthetika auch andere Io-
nenkanale inaktivieren, vor allem Kaliumkanale. Fur Lidocain ist dieser Effekt aber
im Vergleich zu der Wirkung am Natriumkanal eher gering und tragt damit nur
unwesentlich zur Inaktivierung der Reizleitung uber die Nervenmembran bei [79].
Die Reihenfolge der Blockade der verschiedenen Nervenfasern und der Grad der
Anasthesie sind abhangig vom Durchmesser und Typ der Nervenfasern. Die Inakti-
vierung der Fasern erfolgt in der Reihenfolge B-, C-,A-Fasern. Dies bedeutet, dass
zuerst die Vasokonstriktion (durch Hormone induzierte Gefaßverengung), dann das
Schmerz-, Warme-/Kalte-, Beruhrungs-, Druckempfinden und zuletzt die Motorik
ausgeschaltet werden [91].
Exakte Werte fur die Eindringtiefe von topisch angewendetem Lidocain sind
in der Literatur nicht zu finden, jedoch existieren zahlreiche Untersuchungen zu
einem alternativen Oberflachenanasthetikum - EMLA (eutectic mixture of local
anesthetics), einem Mischpraparat aus Prilocain und Lidocain, welches in erster
17
2 Stand der Forschung
Linie zur Vermeidung von Missempfindungen bei Injektionen Anwendung findet.
Diese Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Eindringtiefe dieses
Pharmakons im Bereich von 5mm liegt [69,91].
Somit ist also davon auszugehen, dass das fur die durchgefuhrten Versuche ver-
wendete Lidocainpraparat Eindringtiefen in ahnlicher Großenordnung aufweist und
somit die oberflachlichen Rezeptoren zu betauben vermag, die Tiefensensibilitat
und damit die Propriozeption jedoch unberuhrt lasst [1, 133]. Die Kenntnis der
zur Mundgefuhlswahrnehmung notigen Humansensoren lasst sich anschließend mit
stromungsmechanischen Untersuchungen uber die Druck- und Schubspannungs-
verteilung entlang der Zunge und dem Gaumen kombinieren, um so tiefgehende
Erkenntnisse zu gewinnen.
2.2 Humansensorik im Bereich des Mundgefuhls
Die Humansensorik befasst sich mit der Wahrnehmung externer Reize durch den
Sinnesapparat des Menschen. Dazu gehoren im Hinblick auf die Wahrnehmung des
Mundgefuhls von Lebensmitteln vor allem vier Systeme: Beruhrungsempfindlich-
keit (notig um die Große, die Form und die Textur von Lebensmitteln zu ermitteln),
Propriozeption (beschreibt die Eigenwahrnehmung des Korpers, z.B. die relative
Stellung des Kiefers zum Schadel), Nozizeption (Signalverarbeitung von nasalen
und oralen Gewebeverletzungen, oft als Schmerz beschrieben) und das Tempera-
turempfinden (warm und kalt) [53,56].
Messungen mit einem Sensorikpanel bieten derzeit die einzige Moglichkeit die
Wahrnehmung des Mundgefuhls eines Menschens zu erfassen und zu quantifizieren.
Selbst das gelingt nur eingeschrankt, da jeder Mensch prinzipiell als”Messinstru-
ment“ fungiert hangt die Wahrnehmung der Textur von vielen externen und inter-
nen Faktoren ab (siehe auch Abschnitt 2.3). Dies wurde sich bei einem Messgerat
(um bei der Analogie zu bleiben) in einer hohen Varianz der Messwerte widerspie-
geln. Genau so geschieht es auch beim Menschen: eine zufallig zusammengestellte
Gruppe von Menschen sollen ein Produkt anhand einer im Voraus definierten Ska-
la, z.B. von 0 (sehr wenig cremig) bis 9 (sehr viel cremig), bewerten (deskriptive
Analyse [21]). Die Varianz der Bewertung erweist sich in diesem Fall meistens als
so hoch, dass sich diese Gruppe mit ihrer Genauigkeit nicht zur Einschatzung von
18
2 Stand der Forschung
sensorischen Parametern im Rahmen der Produktentwicklung eignet. Es existie-
ren statistische Methoden um diese Effekte zu dampfen [99]. Dennoch bleiben die
Aussagen zu subjektiv und durch personliche Erfahrung gepragt. Diese Gruppe
kommt oft dennoch in der Entwicklung eines Lebensmittels zum Einsatz, namlich
als sogenanntes”Konsumentenpanel“ bei affektiven Tests, vornehmlich zur Ein-
schatzung der allgemeinen Akzeptanz oder ob einzelne Attribute wie z.B. die Suße
im richtigen Maße liegen (sog. Akzeptanztests, z.B.”Just about right“-Skala oder
hedonistische Skalen). Ein weiterer Test aus der Reihe der affektiven Tests bildet
der Praferenztest, bei der die Konsumenten z.B die Produkte in die Reihenfolge
steigender Beliebtheit ordnen.
Zur industriellen Anwendung des Menschen als Messinstrument bedarf es aber ho-
herer Prazision und Genauigkeit. Dies fuhrt zur Etablierung von sogenannten Sen-
sorikpanels, einer gezielt geschulten Personengruppe mit der Aufgabe, die Wahr-
nehmung des Mundgefuhls so weit wie moglich zu objektivieren und auch quantifi-
zieren. Dies erfordert eine Auswahl von Personen, die, neben der Basisfahigkeit die
vier der funf Grundgeschmacksarten (suß, salzig, sauer und bitter) besser wahrneh-
men zu konnen als der Durchschnitt, schon von vornherein bei den Auswahltests
ahnliche Aussagen treffen, d.h. deren Einschatzungen statistisch gesehen enger zu-
sammen liegen als die einer randomisierten Vergleichsgruppe. Nach dieser Wahl
beginnt die Schulung des Panels, z.B. durch die Festlegung gemeinsamer Stan-
dards und dem entsprechenden Training, was die Varianz weiter minimiert. Ein so
geschultes Panel ist durch seine Erfahrung auch in der Lage, feinere Unterschie-
de in Sensorikmerkmalen zu erkennen als Konsumentenpanels. Eine der Fokusse
dieser Arbeit liegt auf der Abbildung des Wissens eines Sensorikpanels anhand ko-
gnitiver Algorithmen, um es so dauerhaft verfugbar zu halten und auch die teuren
und sehr aufwendigen Paneltests auf ein notiges Minimum zu reduzieren.
Stellt man Menschen die Aufgabe, sie sollen ein Lebensmittel verkosten und be-
schreiben, so stehen vor allem der olfaktorische und gustatorische Reiz im Vor-
dergrund. Das Mundgefuhl beschreiben die meisten entweder gar nicht oder nur
unterbewusst [157]. Dass die Textur aber einen wichtigen Beitrag zur gesamten sen-
sorischen Qualitat liefert, zeigte Schiffman [143]. Sie purierte diverse Lebensmittel
und ließ sie altere und jungere Menschen verkosten. Maximal 40 % der jungen Men-
schen erkannten die Lebensmittel anhand ihrer Geruchs und Geschmacks richtig.
19
2 Stand der Forschung
Die fehlende adaquate Textur fuhrte zu den Fehlentscheidungen. Die Lebensmit-
telwirtschaft erkannte diesen Trend in den letzten Jahrzehnten und bewirbt nun
gezielt nicht mehr alleine den Geruch und Geschmack, sondern auch texturelle Ei-
genschaften wie”Cremigkeit“ oder die
”Vollmundigkeit“ [113,136,162].
Wahrend der Nahrungsaufnahme spielen alle funf Korpersinne eine große Rolle.
Der erste Eindruck ist meist der visuelle, das Betrachten der Nahrung. Hier fin-
det schon der erste Vergleich mit bekannten und bewahrten Mustern statt (z.B
sichtbare Veranderungen wie Schimmel oder Verfarbungen). Die nachsten Schritte
stellen das orthonasale Riechen (olfaktorischer Reiz) sowie das Temperaturemp-
finden wahrend der oralen Einnahme des Lebensmittels dar. Haptische und taktile
Reize, der gustatorische Reiz des Wahrnehmens der Grundgeschmacksarten (bit-
ter, sauer, salzig, suß und umami) sowie das retronasale Riechen treten wahrend
der Manipulation des Speisebreis im Mundraum auf. Die Zunge spielt fur die Wahr-
nehmung des Mundgefuhls, aber naturlich auch fur den Geschmack die Hauptrolle.
Sie dient nicht nur als Sensor, sondern auch als Aktor, der den Speisebrei fur das
Herunterschlucken vorbereitet (Vermengung mit Speichel, Transport zwischen die
Zahne), aber auch standig auf die Beschaffenheit im Sinne einer vom Probanden
gewunschten Konstitution einwirkt [56].
Dabei sei der entscheidende Unterschied zwischen dem Schmecken / Riechen /
Temperaturempfinden und dem Texturempfinden genannt: erstere besitzen spe-
zialisierte Sensoren zur Reizaufnahme, welche sich in den Geschmackspapillen der
Zunge befinden und sind mit einer, ihrer Physiologie entsprechenden, Empfindung
verknupft. Olfaktorische und gustatorische Reize losen Molekule mit kleinen Mol-
massen aus, siehe hierzu Tabelle 2.2.
Abbildung 2.6 verdeutlicht die Tatsache, dass die spezialisierten Sensortypen
(Geruch und Geschmack, 10−6m bis 10−5m) vor allem relativ kleine Molekule
(10−10m bis 10−9m) zu detektieren vermogen. Grund hierfur ist die Moglichkeit
der direkten Interaktion des reizauslosenden Molekuls mit der Sinneszelle, z.B.
durch Kopplung des Molekuls an Oberflachenrezeptoren der Sinneszellen oder Ein-
wanderung in die Zelle. Beispielsweise vereinfacht dargestellt, entweder durch die
direkte Wanderung von Ionen in die Sinneszellen (sauer und salzig), oder durch die
Kopplung eines Aromastoffes an extrazellulare Rezeptoren und der anschließenden
Aktivierung eines G-Proteins (Schlussel-Schloss-Prinzip).
20
2 Stand der Forschung
Tabelle 2.2: Die funf Grundgeschmacksarten und die sieben Grundgeruche nachAMOORE
Sinneseindruck Substanzklasse Summenformel M
suß Saccharose C12H22O11 342 gmol
bitter Chinin C20H24N2O2 324 gmol
umami Glutamat C5H9NO4 147 gmol
salzig Natriumchlorid NaCl 58 gmol
sauer Oxoniumion H3O+ 1 g
mol
moschusartig Pentadekanolaceton C17H4402 280 gmol
blumenartig Phenylethylmethylethylcarbinol C12H18O 178 gmol
mentholartig Menthon C10H18O 154 gmol
kampferahnlich Kampfer C10H16O 152 gmol
atherisch Ethylendichlorid C2H4Cl2 99 gmol
faul Butylmerkaptan C4H10S 90 gmol
beißend Ameisensaure CH2O2 46 gmol
Abbildung 2.6: Wahrend der Nahrungsaufnahme auftretende Langenskalen
Bei der Wahrnehmung der Textur hingegen muss das Gehirn die Eindrucke der
verschiedenen Sensortypen bundeln und interpretiert diese als Summeneindruck.
21
2 Stand der Forschung
Neben der Rezeptur beeinflussen auch die Prozessparameter, wie z.B. die thermi-
sche oder mechanische Belastung, wahrend der Herstellung die Textur des Lebens-
mittels [16,64,174]. Vor allem die Großenordnung vieler Lebensmittelinhaltsstoffe
wie z.B. Proteine, Hydrokolloide, usw. liegt im Bereich derjenigen der Sinneszellen.
Beispielsweise konnen wahrend des Herstellungsprozesses von Joghurt Partikelag-
glomerate entstehen, welche wahrnehmbare Großenordnungen annehmen und so
ein griesiges oder raues Mundgefuhl erzeugen [80, 81]. Wie unter Abschnitt 2.1.2
beschrieben zeigen nicht alle Bereiche der Korperoberflache die gleiche Anzahl-
dichte an Mechanorezeptoren. Dies außert sich in der unterschiedlichen Fahigkeit
Großenordnungen von beruhrten Objekten zu unterscheiden. Der Zwei-Punkt-
Diskriminierungstest bietet eine Moglichkeit diese Fahigkeit zu uberprufen. Mit
geschlossenen Augen beruhrt der Versuchsleiter die Korperoberflache mit zwei Me-
tallstiften und bestimmt den Abstand, ab dem der Proband die Beruhrung als zwei
getrennte Reize wahrnimmt. Wahrend dieser Abstand an den Fingerspitzen oder
den Lippen bei ca. 0,5 mm liegt, kann er auf dem Rucken Großenordnungen von
bis zu 2 cm annehmen. Strassburg [157,158] untersuchte im Hinblick dessen die Fa-
higkeit des Menschen Großenordnungen im Mundraum abschatzen zu konnen. Sie
ließ eine Gruppe von Probanden die Dicke von PET-Plattchen (12, 5−250µm) im
Großenabstand von 25µm bei gleichen Durchmessern (3 und 5 mm) paarweise ver-
gleichen. Die Versuchspersonen nutzen sowohl die Fingerspitzen und Handflachen,
sowie die Zunge und Gaumen. Beim ersten System erwies sich die Unterscheidung
bei allen Dicken moglich, im Mund hingegen nicht zwischen 125 und 190µm. Sie
fuhrte dies auf die Art und Weise der Wahrnehmung von Dicken im Mund zuruck.
Bei sehr kleinen Dicken verbiegen sich die Plattchen und legen sich zwischen Zunge
und Gaumen. Bei den dickeren hingegen reicht die Kraft der Zunge nicht aus, um
die vollstandige Durchbiegung der Plattchen zu erreichen und somit drucken sich
diese in die Zunge. Die Sensibilitat beider Wahrnehmungswege zeigen sich im Be-
reich dazwischen als nicht groß genug, sodass eine Unterscheidung hier nicht mehr
moglich ist.
22
2 Stand der Forschung
2.2.1 Wahrnehmung des Mundgefuhls
Spricht man von der Wahrnehmung des Mundgefuhls, so muss man sich vor Augen
fuhren, dass der Mensch die Eindrucke seiner Sinneszellen ohne vorheriges Training
kaum einzeln deuten kann, sondern in der Regel als Summeneindruck wahrnimmt.
D.h. im Umkehrschluss, dass die direkte Frage nach dem reinen Einfluss der Me-
chanorezeptoren z.B. von einem Probanden nicht beantwortet werden kann. Alle
Vorgange laufen unterbewusst ab, sodass sich eine getrennte Untersuchung als sehr
schwierig erweist.
Deshalb beschreibt die Literatur den Vorgang der Wahrnehmung der Struktur,
und damit Textur, eines Lebensmittels oft mit einem Black-Box-Modell (Abbil-
dung 2.7).
Abbildung 2.7: Black-Box-Modell der Wahrnehmung der Lebensmittelstruktur.Die Abhangigkeit von der Mundphysiologie und der Prozessierungdes Lebensmittels ist nur unzureichend bekannt
Eine der wichtigsten Grunde liegt in der Komplexitat und Diversitat des biologi-
schen Systems. Jeder Mensch besitzt eine andere Mundgeometrie und manipuliert
den Speisebrei auf unterschiedliche Weise [32]. Zudem bewertet jeder Mensch seine
Sinneseindrucke unterschiedlich, sei es z.B. aufgrund seiner Kultur, seines Gemuts-
zustandes oder seiner personlichen Vorlieben (Abbildung 2.8). Sehr wichtig ist in
diesem Zusammenhang die starke Nichtlinearitat von Reiz und Wahrnehmung (sie-
he hierzu Abschnitt 2.7).
23
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.8: Potentielle Faktoren der Texturwahrnehmung
Weiterhin gilt es zu erwahnen, dass der Mensch alle Sinneseindrucke im Kontext
deutet. Auch beeinflussen sich die unterschiedlichen Systeme gegenseitig, mit dem
visuellen als dem dominanten System. Ebenso interferieren unsere Empfindungen
auch mit bereits gespeicherten Erfahrungen, daraus resultieren einige bekannte
Wahrnehmungstauschungen. Eine grobe Klassifizierung lautet:
• Akustische Tauschung. Ein beruhmtes Beispiele ist die sogenannte Shepard-
Skala. Bei der Wiederholung der selben Tonleiter hat der Horer stets den
Eindruck als steige oder falle die Tonhohe kontinuierlich, auch uber die Ok-
taven hinaus. Weiterhin existieren eine Vielzahl anderer Tauschungen, z.B.
das Tritonus-Paradoxon, der Fransen-Effekt und der McGurk-Effekt
• Optische Tauschung. Hier existiert ebenfalls eine Vielzahl an Wahrnehmungs-
tauschungen, beispielsweise die Hollow-Face-Illusion, die Mueller-Lyer-Illusion
und die Poggendorff-Tauschung. Ein Beispiel zeigt Abbildung 2.9. Hier deu-
tet das Gehirn die gleiche physikalische Leuchtdichte durch subjektiv un-
terschiedliche Helligkeit. Dies geschieht hier z.B. durch die Subtraktion des
24
2 Stand der Forschung
Einflusses des Schattens des Zylinders
• Haptische Tauschung. Auch die Tastempfindung lasst sich tauschen. Diese
Phanomene konnen demnach auch die Wahrnehmung des Mundgefuhls be-
einflussen. Beispiele aus diesem Bereich sind die Charpentiersche Tauschung
oder die Pinocchio-Illusion. Bei der letzteren empfindet ein Proband der sei-
ne eigene oder eine fremde Nase mit geschlossenen Augen beruhren soll als
bis zu 30 cm lang, sobald eine Vibration auf den Bizeps aufgebracht wird
• Gustatorische Tauchung. Ein weniger stark erforschtes Gebiet stellen die
gustatorischen Tauschungen dar. Beispielsweise schmecken grun angefarbte
Saccharoselosungen fur die Probanden am sussesten, obwohl sie sich von den
anders angefarbten Zuckerlosungen in ihrer Saccharosekonzentration nicht
unterscheiden
• Thermische Tauschung. Hier beruht die Tauschung entweder auf dem ver-
wechseln von heiß und kalt, oder auf der Verstarkung oder Abschwachung
dieser Reize durch externe Ereignisse. Beruhrt beispielsweise nach der An-
kundigung eines heißen Gegenstandes ein Eiswurfel die Haut eines Proban-
den, so hat dieser den Eindruck, es handle sich um ein heißes Objekt
Diese Tatsachen rechtfertigen den Wunsch nach einer Objektivierung der Sin-
neswahrnehmung, wie in dieser Arbeit in besonderer Form geschehen. Dies kann
Fehlinterpretationen aufgrund personlicher interner Zustande vorbeugen und Fehl-
entscheidungen in den unterschiedlichen Stadien der Lebensmittelprozessierung
umgehen.
Die an der Propriozeption beteiligten Mechanorezeptoren, z.B. im Halteapparat
in Muskel- und Sehnenspindeln, nehmen die Stellung des Kiefers oder die zur Be-
wegung der Zunge notigen Kraft auf. So nimmt die Kraft der Manipulation des
Speisebreis in der Regel mit der Viskositat des LM zu, unter Ausklammerung der
Unterschiede laminarer oder turbulenter Stromungszustande. Hier zeigt sich ein
außerst wichtiges Phanomen: nicht die Substanz welche die Viskositat erhoht wird
detektiert, sondern ihr Einfluss, indirekt ausgedruckt durch die gemessene Kraft.
Die Mechanorezeptoren hingegen reagieren wie unter Abschnitt 2.1.3 beschrieben
25
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.9: Beispiel einer optischen Wahrnehmungstauschung. Obwohl beideFelder die gleiche Leuchtdichte ( cd
m2 ) besitzen, erscheint im linkenBild Kachel B heller als A. Das menschliche Gehirn errechnet diesubjektive Helligkeit anhand von Erfahrungen und versucht dem-nach den Einfluss des Schattens des Zylinders zu kompensieren [2]
nur auf Druck oder Dehnung. Dies ist bei stuckigen oder partikelbeladenen Le-
bensmittel direkt durch die Eindruckung der Zunge oder des Gaumens messbar,
falls die Partikel eine gewisse Große besitzen. Je nach Literaturstelle schwanken
diese Werte in Abhangigkeit von der Lebensmittelmatrix, der Große und der Har-
te der Partikel, wobei sich vorsichtig ein Durchschnittswert von ca. 25µm nennen
lasst [41], doch auch kleinere Partikel von 2µm weisen einen Einfluss auf [43]. Dass
der Mensch solch kleine zugegebene Partikel direkt und nicht z.B. indirekt uber ihr
Druckfeld detektiert, zeigte Strassburg [157]. Das hervorgerufene Druckfeld reicht
mit seiner Wirkung nicht aus, um einen Sinneseindruck hervorzurufen.
Trotz intensiver Recherche ist es zum jetzigen Zeitpunkt nicht gelungen Veroffent-
lichungen zu ermitteln, welche die spezifische Auswirkung der unter Abschnitt 2.2
genannten Systeme der Mundgefuhlswahrnehmung quantitativ beschreiben. Jedes
der Wahrnehmungssysteme beeinflußt im Gehirn das andere, sie verstarken oder
schwachen sich, je nach Situation. Vor allem erlernte oder erfahrene Situationen
fuhren zu dieser Interaktion, welche den Gesamtprozess und das Verstandnis wei-
ter erschweren. Ein jungst erschienener Review von Stein und Standfort [154] in
Nature Reviews Neuroscience fasst diese hochst interessante Tatsache zusammen.
Die allgemeine Aussage, dass alle vier Systeme an der Texturwahrnehmung teil
26
2 Stand der Forschung
haben, lasst noch keinerlei Schlusse auf den”relativen Einfluss“ der Einzelkompo-
nenten zu. Das Ganze verscharft zusatzlich noch die Tatsache, dass auch olfakto-
rische Reize einen Einfluss auf die Texturwahrnehmung zeigen [20,28,144]. Durch
die Wahl von isothermen, halbflussigen und partikellosen Modelllebensmitteln wie
Pudding, bei zusatzlicher Passivierung des Geruchsinns durch eine Nasenklam-
mer, ist es moglich, die Wirkung des Temperaturempfindens und des Geruchs zu
vernachlassigen. Auf diese Weise fuhrt der Vergleich der beiden wohl gewichtig-
sten Faktoren Beruhrungsempfindlichkeit (taktile Sensoren) und Propriozeption
zu einer Aussage, welches System maßgeblich die Empfindung des Mundgefuhls
bestimmt. Das Studium der wenigen Literaturreferenzen zu diesem Thema ver-
mittelt sogar den Eindruck, als seien die beiden Systeme sogar gleichwertig zu be-
handeln [27,41,56]. Eine der sehr wenigen Studien, die sich mit der Entstehung der
Wahrnehmung im Mundraum durch Versuche mit Anasthesie beschaftigt, stammt
von Engelen et al. [42]. Sie untersuchten den Einfluss einer Oberflachenanasthesie
durch Lidocain auf die orale Wahrnehmung der Große von Stahlkugeln. Dabei gilt
zu bemerken, dass die Menge von 10 mg Wirkstoff nach den in der vorliegenden
Arbeit gesammelten Erkenntnissen fur einen messbaren Effekt bei weitem nicht
ausreicht. Dementsprechend stellten sie auch keinen Auswirkungen fest.
2.3 Psychorheologie
Die vorliegende Arbeit beschrankt sich aufgrund der Fulle an Lebensmittelma-
trizes auf halbflussige Lebensmittel und damit hauptsachlich auf das durch ihre
Rheologie determinierte Mundgefuhl. Die Beschreibung der Zusammenhange der
reinen physiologischen Vorgange der Reizwahrnehmung / der Texturempfindung
und der fluiddynamischen Vorgange im Mundraum stellt ein Teilgebiet der Psy-
chorheologie dar.
Die grundlegenden Zusammenhange zwischen physikalischen Großen von Lebens-
mitteln und der Reizverarbeitung im ZNS erweisen sich als immer noch weitge-
hend unverstanden. Eine multidisziplinarer Herangehensweise verschiedener wis-
senschaftlicher Disziplinen stellt ein Schlusselelement zur Bearbeitung dieser Pro-
blemstellung dar. Angefangen von der Physiologie, uber die Psychologie, Rheologie,
Festkorperphysik, Lebensmitteltechnologie und -chemie. Genau aus diesem Grund
27
2 Stand der Forschung
bedarf es einer prazisen Definition von Termini. Das Beispiel von intrinsischen und
extrinsischen Großen verdeutlicht dies. Wahrend Physiologen die Physiologie als
intrinsische und die Lebensmitteleigenschaften als die extrinsischen Großen defi-
nierten, so ist dies bei Lebensmittelwissenschaftlern womoglich anders herum. Der
Begriff der Textur bei Lebensmittel trat das erste Mal Mitte des letzten Jahr-
hunderts, gepragt von Matz [106], auf. Eine moglich Definition fur Textur liefert
Szczesniak [161]:
“Texture can be understood as the sensory and functional manifestation
of the structural, mechanical and surface properties of foods detected
through the senses of vision, hearing, touch and kinesthetics.“
Im Verlauf des letzten Jahrhunderts entwickelte sich die neue Disziplin der Tex-
turstudien stetig und enorm weiter, sodass ihr Einfluss auf die Qualitat von Le-
bensmittel, und letztendlich auf den Genusswert fur den Menschen, zahlreiche Re-
viewartikel [56,112,122,153,178] und zwei Buchveroffentlichungen (Rosenthal [139]
und Bourne [16]) zusammenfassen.
Der Kauvorgang und die Manipulation im Mund fuhren neben der Zerkleinerung
und der Vermengung mit Speichel zur Evaluierung der Textur. Wahrend bei festen
Lebensmitteln die Kauzyklen viele Informationen uber die Textur liefern, fuhren
sie schlussendlich zu einem schluckbaren Speisebrei. Diese Informationen enthalten
zwei Anteile, zum einen auf der bewußten Ebene, aber auch auf der wichtigeren un-
terbewußten, so findet hier der Vergleich mit Erfahrungen statt oder die Entschei-
dung des Schluckzeitpunktes. Bei flussigen oder halbflussigen Lebensmitteln zeigen
sich das Verformungs- und mechanische Spannungsverhalten (Rheologie) als maß-
geblich fur die Textur. Zur Messung dieser Eigenschaften stehen eine Vielzahl von
Messgeraten zur Verfugung, doch das physikalische Experiment ex-situ sollte den
Speisebrei in einer ahnlichen Weise behandeln wie das Zungen/Zahne/Gaumen–
System und das je nach experimenteller Zielsetzung auf molekularer, mikroskopi-
scher oder makroskopischer Ebene [170].
28
2 Stand der Forschung
2.4 Grundgleichungen der Stromungsmechanik und
der Rheologie
Wie bereits im vorherigen Abschnitt beschrieben, legt das mechanische Span-
nungsverhalten der Lebensmittel ihre Wahrnehmung im Mundraum fest. Dieser
Abschnitt vermittelt eine grundlegendende Einfuhrung in die Stromungsmechanik
und Rheologie. Da diese Arbeit nicht eine vollstandige Abhandlung dieser Gebiete
anstrebt, sei auf weiterfuhrende Literatur verwiesen [38, 130, 175]. Alle folgenden
Ausfuhrungen gelten fur inkompressible Fluide.
Abbildung 2.10 zeigt einen Elementarwurfel mit seinen Spannungskomponenten,
wie er fur einen unter Spannung stehenden Korper existiert. Der Spannungstensor
τ lasst sich allgemein durch
Abbildung 2.10: Spannungskomponenten in einem Elementarwurfel
τ =
σxx τxy τxz
τyx σyy τyz
τzx τzy σzz
(2.2)
beschreiben. Laut des Bolzmannschen Axioms [175] uber die Symmetrie der
Spannungen in isotropen Medien gilt ferner
τxy = τyx; τxz = τzx; τyz = τzy,
29
2 Stand der Forschung
sodass nur sechs unabhangige Spannungskomponenten fur die Beschreibung sym-
metrischer Tensoren genugen. Die Reaktion des Korpers auf diese inneren Span-
nungen definiert seine Klassifizierung in”fest“ und
”fließfahig“. Reagiert er mit
einer reinen Deformation ohne Fließen, so spricht man von einem Festkorper, ist
er in der Lage zu fließen, von einem Fluid. Abbildung 2.11 illustriert den Fall der
Belastung eines fließfahigen Korpers vereinfacht fur den Fall einer eindimensiona-
len Deformation.
Abbildung 2.11: Einachsige Deformation an einem Elementarwurfel. Die obere Fla-che bewegt sich mit einer Geschwindigkeit u + du, die unteremit u. Durch die Fließfahigkeit des Korpers resultiert innerhalbdes Zeitschritts ∆t ein Deformationswinkel dγ (auch Scherwinkelgenannt)
Aufgrund der Spannung τ verschiebt sich die obere Elementarflache mit einer
anderen Geschwindigkeit als die untere. Dadurch entsteht eine Verschiebung ∆x
der oberen Flache wahrend des Zeitschritts dt in Relation zur unteren, woraus
wiederum ein Deformationswinkel / Scherwinkel dγ resultiert
dγ =∆x
dy=
(u+ du) dt− u dtdy
=du dt
dy. (2.3)
Die zeitliche Ableitung dieses Deformationswinkels ergibt die sogenannte Scher-
30
2 Stand der Forschung
rate fur den beschriebenen eindimensionalen Fall
γ =dγ
dt=du
dy. (2.4)
Dieses Beispiel soll den Begriff der Scherrate illustrieren. Fur den dreidimensio-
nalen Fall bedarf es der Generalisierung dieses Begriffs, was zum Deformationsge-
schwindigkeitstensor fuhrt
D =1
2(∇~u+ (∇~u)T ). (2.5)
Dieser Tensor ist per Definition symmetrisch und∇ steht fur den Nabla-Operator.
Die Eintrage auf der Diagonalen reprasentieren Normaldeformationen (Dehnung),
alle anderen Tangential- oder Scherdeformationen (Scherung). Die Deformations-
raten entsprechen den doppelten Eintragen dieses Tensors, so ist zum Beispiel
γxy = 2Dxy. (2.6)
Im dreidimensionalen Fall entspricht eine mogliche Definition der skalaren Scher-
rate der zweiten Invarianten (inneres Produkt) des Deformationsgeschwindigkeit-
stensors [10]
γ =
√2 · (D : D). (2.7)
Sie errechnet sich demnach aus dem aktuellen Geschwindigkeitsfeld. Im Verlauf
dieser Arbeit interessierten des Weiteren die Dehnraten, welche den Diagonalele-
menten des Deformationsgeschwindigkeitstensors entsprechen. Unglucklicherweise
zeigen die Hauptstromungsrichtung und das Koordinatensystem in allgemeinen
dreidimensionalen Stromungen nicht zwangslaufig in die selbe Richtung, sodass ein
Diagonaleintrag des Deformationsgeschwindigkeits zur Beschreibung der Dehnung
nicht ausreicht. Das hier gewahlte Maß fur die Dehnrate entspricht der Richtungs-
ableitung des Geschwindigkeitsgradienten in Stromungsrichtung
ε =
∣∣∣∣∇~u • ~u
|~u|
∣∣∣∣ . (2.8)
Diese liefert fur den dreidimensionalen Fall eine mogliche Definition der Dehnrate
31
2 Stand der Forschung
(mit der Dimension einer Deformationsrate[
1s
]), welche sich zum Vergleich der
Elongationsanteile in der Stromung eignet.
An dem zuvor beschriebenen Elementarwurfel gelten weiterhin die Erhaltung der
Masse und des Impulses. Die entsprechende Gleichung fur die Massenerhaltung
heißt Kontinuitatsgleichung und sie lautet in ihrer differentiellen Form
∂ρ
∂t+∇ • (ρ~u) = 0. (2.9)
Fur ein inkompressibles Fluid (ρ = 0) reduziert sie sich zu
∇ • ~u = 0. (2.10)
Hierbei stehen ρ fur die Massendichte und ~u fur den Geschwindigkeitsvektor. Es
gilt zu erwahnen, dass fur ein inkompressibles Medium die Spur des Deformations-
geschwindigkeitstensors der Gl. (2.10) entspricht.
Die bisherigen Betrachtungen sind rein kinematischer Natur. Die Erhaltung des
Impulses fuhrt zur Einfuhrung von Kraften, die auf das Fluidelement wirken
∂~u
∂t+ ~u · ∇~u = −∇p+∇ • τ + ρ~f. (2.11)
In der Impulsgleichung steht p fur die skalare Große Druck, und ~f fur eine Volu-
menkraft, wie z.B. die Gravitation (~g). Die linke Seite der Gleichung lasst sich als
die Beschleunigung des Fluidelements deuten (Wirkung), die rechte als die Sum-
me der extern auf das Element wirkenden Krafte (Ursache). Das primare Resultat
der meisten stromungsmechanischen Berechnungen besteht in der Ermittlung des
Geschwindigkeits- und Druckfeldes aus diesen beiden Gleichungen. In dieser Form
indess stellen sie keinen geschlossenen Satz von Differentialgleichungen dar, da
mehr Unbekannte als Gleichungen existieren. Zur Uberwindung dieses Problems
dient die Einfuhrung so genannter Stoffgesetze, welche einen Zusammenhang zwi-
schen der Deformation und der Belastung (Spannung) aufstellen.
Die Reaktion des Fluides auf die auftretenden Spannungen bestimmt sein Fließ-
verhalten. Das einfachste Stoffgesetz entspricht dem newtonschen Fließen, welches
32
2 Stand der Forschung
eine direkte Proportionalitat der Spannungen und der Deformationsrate definiert
τ = 2ηD. (2.12)
In dieser Gleichung steht η fur die dynamische Viskositat des Fluids. Die Ein-
fuhrung dieses Zusammenhangs in die Impulsgleichung fuhrt zur Navier-Stokes-
Gleichung
∂~u
∂t+ ~u · ∇~u = −∇p+ η∆~u+ ρ~f. (2.13)
Das Symbol ∆ reprasentiert den Laplace-Operator. Diese Gleichung stellt zu-
sammen mit der Kontinuitatsgleichung und den Rand- und Anfangsbedingungen
nun ein System geschlossener partieller Differentialgleichungen dar, die nicht zu-
letzt durch ihre Nichtlinearitat nur fur spezielle, einfache Falle sich analytisch losen
lasst.
Die Navier-Stokes-Gleichung gilt wie beschrieben nur fur newtonsche Flussigkeiten.
Diese Stoffklasse zeichnet sich oft durch sehr geringe Molmassen ihrer Molekule aus
(Wasser, Glycerin, Alkohole, etc.), doch vor allem im Bereich der biologischen Stro-
mungen treten komplexere Molekulstrukturen auf. Fur diese Substanzen existieren
andere Modelle und Stoffgesetze, welche der Begriff der nicht-newtonschen Flui-
de zusammenfasst. Diese weisen die Besonderheit auf, dass die Spannungen und
die resultierenden Deformationsraten nicht mehr linear voneinander abhangen. Es
existieren auch Flussigkeiten, die neben ihrem viskosen auch teilweise elastische
Eigenschaften zeigen, sogenannte viskoelastische Flussigkeiten. Um gerade diese
zu beschreiben, bedarf es einer aufwendigen physikalischen Modellbildung und der
mathematische Aufwand wachst sehr schnell an. Auch modernes High Performance
Computing stoßt dabei an seine Grenzen. Fast alle fließfahigen Lebensmittel (mit
wenigen Ausnahmen wie den meisten Getranken, fast alle Honige, Speiseole, Milch
etc.) zeigen mehr oder weniger ausgepragtes nicht-newtonsches (viskoses oder vis-
koelastisches) Verhalten. Abbildung 2.12 verdeutlicht rein viskose, zeitunabhangige
Fließkurven mit ihren entsprechenden Modellbezeichnungen.
Viele nicht-newtonsche Flussigkeiten beschreiben eigene Stoffgesetze [10], z.B.
die Anwendung des Casson-Modells (ursprunglich fur Druckfarben entwickelt [23])
bei Schokolade. Zusammengefasst lasst sich sagen, dass die Einfuhrung von Stoff-
33
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.12: Einige Beispiele von zeitunabhangigen Fliesskurven unterschied-licher Fluide
gesetzen das System der partiellen Differentialgleichungen schließt. Durch das nu-
merische Losen dieser Gleichungen mit Hilfe eines Computers, lassen sich das
Geschwindigkeits- und Druckfeld naherungsweise bestimmen und Großen wie die
Scherraten oder die Spannungen anschließend berechnen.
2.5 Deformationsrate und Schubspannungen im
Mundraum
Wahrend der Manipulation des Speisebreis im Mundraum treten komplexe De-
formationsraten und Spannungszustande auf. Zum einen durch die komplizier-
te Bewegung des gesamten Kauapparates, aber nicht zu letzt auch durch das
nicht-newtonsche Verhalten des Speisebreis. Laut Janssen et al. [72] findet sich
in der Literatur keine eindeutige quantitative Aussage uber die im Mund vor-
34
2 Stand der Forschung
kommenden Scherraten und Schubspannung. Fast alle existierenden Daten be-
schranken sich auf die Beschreibung von Tangentialdeformationen, Untersuchun-
gen bezuglich der Dehndeformationen fehlen vollig. Fur die Tangentialdeformatio-
nen zeigen sich die ermittelten Bereiche als sehr groß (von 10 s−1 bis zu frag-
wurdigen 15307470 s−1 [66]) oder nur uber indirekte Methoden ermittelt. Ne-
ben experimentellen liefert ein Studium der Literatur auch analytische Model-
le, wobei fast alle Forschergruppen von einer reinen Scherstromungen ausgehen,
z.B. [30,37,85,84,149]. Die am haufigsten zitierten Scherraten liegen dabei im Be-
reich zwischen 10− 1000 s−1, typischer Weise bei ca. 50 s−1 [105,149,181].
Interessant ist dabei die indirekte Ermittlung dieser Werte: z.B. ließen Wood et
al. [181] und Shama et al. [149] ein Sensorikpanel das Mundgefuhl von nichtnew-
tonschen Lebensmitteln mit dem newtonscher Medien vergleichen. Wenn sich das
Mundgefuhl entsprach, so ermittelten sie den Schnittpunkt der Fließkurven und
gingen davon aus, dass die orale Texturwahrnehmung an diesem Punkt stattfindet
(d.h. bei der selben Scherrate und Schubspannung). Bei Wood et al. lagen die Uber-
einstimmungen alle im Bereich von Scherraten um 50 s−1 (siehe Abbildung 2.13).
Shama et al. hingegen erweiterten die Untersuchungen von Wood et al. um eini-
ge Lebensmittel und erkannten einen zusatzlichen Effekt: bei der Ermittlung des
Mundgefuhls von hochviskosen Produkten fuhrt die erzeugte Schubspannung im
Mund zu einer relativ konstanten Scherrate von 10 s−1, bei niederviskosen hinge-
gen kehrt sich der Effekt ins Gegenteil um, sodass die Wahrnehmung scherraten-
gesteuert nun bei einer konstanten Schubspannung von ca. 50Pa erfolgt (siehe
Abbildung 2.14). Bei Berucksichtigung der Physiologie des Menschen verwundert
es doch, wie diese konstanten Scherraten durch die Anwendung der entsprechenden
Spannungen durch den Korper geregelt werden sollen. Der andere Fall erscheint
hingegen moglich, wenn z.B. die Zunge mit ihrer maximalen Kraft druckt und die
propriozeptiven Sensoren die Bewegungsgeschwindigkeit des Kiefers und der Zunge
messen.
Bedauerlicherweise liegen in der Literatur wenige Veroffentlichungen vor, die
durch direkte Experimente oder durch numerische Simulationen diese Scherra-
tenbereiche untermauern oder widerlegen. Cutler et al. [30] beispielsweise geben
eine Scherrate von 10 s−1 an. Dies begrunden sie damit, dass bei dieser Scher-
35
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.13: Fließkurven von newtonschem Glucosesyrup und verschiedenenSaucen. Das Sensorikpanel wahlte die Konsistenz der Sauce 2 alsam ahnlichsten im Vergleich zum Glucosesyrup (Wood et al. [181])
rate die Korrelation mit dem Konsistenzempfinden (humansensorisches Attribut
fur die empfundene Viskositat) am großten sei. Daraus auf eine Großenordnung
zu schließen erscheint dennoch fraglich, da durch die Geometrie des Mundraumes
nicht nur eine, sondern sehr unterschiedliche Großenordnungen auftreten konnen.
Dieser Vorbehalt gilt nicht zuletzt deswegen, weil jeder Mensch Lebensmittel sehr
individuell konsumiert. So nehmen Christensen et al. [27] an, dass aufgrund die-
ser Tatsache der Mensch eine mittlere Viskositat wahrnimmt. Ebenso spricht die
Tatsache gegen dieses Vorgehen, dass sich fur nicht-newtonsche Flussigkeiten mit
viskoelastischem Verhalten zeigt, dass die dynamische Viskositat bei einer Kreis-
frequenz von 50 rads
, die bei kleinen Deformationen ermittelt wird, besser mit dem
Konsistenzempfinden korreliert als die Scherviskositat [132].
Seit den fundamentalen Arbeiten von Wood et al. im Jahre 1968 oder Shama et
al. im Jahre 1972 ubernehmen alle darauf aufbauenden Arbeiten diese Werte oder
36
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.14: Diese Kurve ging als”Universalkurve“ der Scherraten und Schub-
spannungen wahrend des Verzehrs flussiger und halbflussiger Le-bensmittel in die Literatur ein. Der Bereich zwischen den Kurvenmarkiert die Werte wahrend der Ermittlung der oralen Viskositat.Fur Lebensmittel mit hoher Viskositat erfolgt die Wahrnehmungbei einer konstanten Scherrate von ca. 10 s−1. Aus [149]
bestimmen sie auf die selbe Art (z.B. Houska et al. [66]), ohne eine jemals stattge-
fundene genauere direkte Evaluierung in humanadaquaten Geometrien (siehe auch
Abschnitt 2.3), vor allem im Hinblick auf die verwandte indirekte Messmethode. Es
sind jedoch sensorische Untersuchungen bekannt, die den Schluß zulassen, dass die
”Universalkurve“ zumindest die richtigen Bereiche von Schubspannung und Scher-
raten wiedergibt (Kokini et al. [86]). Mathmann [104, 105] beschritt einen ersten
Schritt in Richtung humanadaquateren Mundgeometrien. Diese Arbeit schließt die-
se Lucke anhand von Experimenten und numerischen Stromungssimulationen in
einem, der menschlichen Physiologie angenaherten, Modelmund. Hierbei naherte
sie die menschliche Mundgeometrie anhand kieferorthopadischer Abdrucke uber
37
2 Stand der Forschung
ein Rotationsellipsoid an. Im Anschluss daran simulierte sie den Schluckvorgang
von newtonschen und nicht-newtonschen Medien. Des Weiteren verglich sie die
ermittelten Daten fur den Druck mit mathematischen Modellen und zeigte eine
gute Ubereinstimmung. Fur die Scherraten lieferten die Simulationen Scherraten
zwischen 20 s−1 bis 150 s−1, die damit in sehr gutem Einklang mit den oben be-
schriebenen Literaturwerten stehen.
Die Beschrankung vieler Forscher auf reine Scherstromungen erweist sich als nicht
ausschopfend genug, da im Mundraum die Zungenbewegung eine Verdrangungs-
stromung induziert, welche uni- oder biaxiale Dehnanteile beinhaltet. Gerade diese
zeigen sich effizienter im Hinblick auf eine Zerstorung von Aggregaten und Emul-
sionen als reine Scherstromungen [19, 124, 172] und erlangen damit mindestens
genauso hohe Relevanz fur die Texturwahrnehmung.
Laut Bourne [16] beeinflusst die Viskositat das Mundgefuhl am starksten, doch
dennoch nicht ausreichend genug um damit alle Facetten der Texturwahrnehmung
abzubilden. Gerade beim multidimensionalen Texturbegriff”Cremigkeit“, der zu
dem noch schwer zu objektivieren und vom reinen Konsistenzempfinden abzugren-
zen ist, zeigt sich deutlich, dass mehr Messgroßen in ein Modell einfließen mussen,
um moglichst viele Informationen zum Fließ- und Zeitverhalten mit einzubeziehen.
Frost et al. [52], [51] oder de Wijk et al. [34] machen z.B. deutlich, dass die evaluier-
te Cremigkeit von sehr vielen Faktoren abhangt, z.B. der Herkunft der Panelisten,
rheologischen und physikochemischen Großen, zusatzlichen olfaktorischen Reizen,
uvm. Gerade der letzte Punkt erweist sich als bemerkenswert, da dieses Phano-
men verstarkt bei der Cremigkeit auftritt [87]. Lactonderivate z.B. verstarken das
Cremigkeitsempfinden [144].
Ein moglicher Ansatz, um die Wahrnehmung der Cremigkeit besser zu verstehen,
besteht darin, dass man fast ausschließlich nicht-newtonsche Fluide die Eigenschaft
cremig zuspricht. Dieser Tatsache schenkte die Literatur so noch keine Beachtung,
jedenfalls spricht keine Veroffentlichung dies direkt auf diese Weise an. Beispielhaft
sei hier der Vergleich von verschieden konzentrierten Zuckerlosungen und Trink-
joghurt / Joghurt erwahnt. Wahrend erstere einfach nur als”immer dicker“ (ent-
spricht Konsistenz) beschrieben werden, kommt beim Joghurt noch die Dimen-
sion der Cremigkeit hinzu. Eine hoherkonzentrierte Zuckerlosung beschreibt kein
Proband als cremiger im Vergleich zu niedriger konzentrierten. Eine gesonderte
38
2 Stand der Forschung
Betrachtung dieses Phanomens erweist sich als außerst interessant und vielver-
sprechend im Bezug auf die Aufklarung der Ursachen des Cremigkeitsempfinden.
2.6 Mundmodelle
Dieser Abschnitt beschaftigt sich mit bestehenden Modellen aus der Literatur
fur die Prozesse in der Mundhohle. Dieser Abschnitt soll dabei die existieren-
den Messtechniken zusammenfassen, welche das Zusammenspiel von Lebensmit-
teln und der Mundhohle modellhaft abzubilden vermogen. Dabei interessieren im
Rahmen dieser Arbeit nur die mechanischen, chemische wie z.B. zur Untersuchung
der Kariesentwicklung, der mikrobiellen Interaktionen, etc. bleiben unberucksich-
tigt. Einen guten Uberblick uber diese liefern Tang et al. [163]. Des Weiteren finden
nicht alle existierenden Modellen hier Einzug, nur auf die fur diese Arbeit wichtigen
fallt ein besonderes Augenmerk. Vor allem der Einfluss von Speichel auf den Struk-
turabbau, sowie chemische Veranderungen des Speisebrei im Allgemeinen werden
hier außer acht gelassen. Einen Uberblick daruber geben beispielsweise de Wijk et
al. [33], Janssen et al. [72] oder Jellema et al. [73].
Das Studium der Literatur zur Mundbewegung fuhrt laut Wilkinson et al. [178]
zwangslaufig zu medizinischen Feldern wie Sprachforschung und der Gesundheit
des Mundes. Ebenso zeigen sie klar auf, dass neue Mundmodelle einen wichti-
gen, vielleicht sogar entscheidenden Beitrag zur Aufklarung der makroskopischen
physiologischen Ursachen der Texturwahrnehmung oder der Struktur / Textur-
Interaktion liefern konnen. Der Grund liegt klar darin, dass in den vergangenen
Jahren vor allem bereits etablierte Messmethoden aus anderen Bereichen, wie z.B.
der Qualitatssicherung, zur Beschreibung des Mundgefuhls ihren Einsatz fanden.
Dies besteht vornehmlich in rheologischen Messungen wie Viskositatsfunktionen,
viskoelastische Eigenschaften wie Speicher- oder Verlustmodule, empirische Mes-
sungen wie Quetsch- und Ausflussstromungen uvm. Diese passen aber selten zu
den Stromungen im Mund, sodass widerspruchliche oder gar falsche Aussagen das
Resultat sein konnen.
Um die Bedeutung dieser Tatsache zu unterstreichen, seien hier beispielsweise Un-
tersuchungen von Voisey [170] genannt. Sie verglichen in ihren Experimenten die
Korrelation zwischen sensorischen und rheologischen Messungen. Als Lebensmittel
39
2 Stand der Forschung
dienten Spaghetti mit unterschiedlichem Kochgrad, und damit Textur. Die Mes-
sung der Scherkraft / Schermessergeschwindigkeit erfolgt im Bereich zwischen 0
bis 100 cmmin
, siehe hierzu Abbildung 2.15. Bei der Interpolation auf 150 cmmin
naherte
sich der Kurvenverlauf zweier Spaghettiproben an. Die Folge daraus unterstreicht
die Wichtigkeit der korrekten Auslegung von Messungen: wahrend im gemessenen
Bereich die Kurven stets unterscheidbar waren, zeigte sich bei den Schergeschwin-
digkeiten im Mundbereich, dass die beiden sich angenaherten Kurven in diesem
Bereich ahnliche Fließcharakeristiken aufwiesen und damit schwerer zu unterschei-
den sein sollten. Und genau dies wies Voisey im Versuch nach, die beiden Spaghet-
tiproben waren von den Probanden nicht mehr unterscheidbar.
Ein weiteres Beispiel hierzu soll die Bedeutung der ahnlichen stromungsmecha-
nischen Großen zwischen dem Mundraum und der physikalischen Messung ver-
deutlichen. Parkinson und Sherman [121] wiesen nach, dass die Entstehung von
Turbulenz wahrend der Viskositatsmessung bei sehr hohen Scherraten zu falschen
sensorischen Werten fuhrt. Die Probanden gaben eine hohere oral wahrgenom-
mene Viskositat an, als die bei niedrigen Scherraten im Rheometer gemessene.
Auf der korrekten Anpassung der stromungsmechanischen Parameter liegt im Ab-
schnitt 2.6.3 das Hauptaugenmerk.
2.6.1 Verfolgung des Kauapparates und radiologische
Messungen
Fur die Verfolgung der Kiefer- und Zungenbewegung in-situ existieren in der
Sprachforschung beispielsweise bereits etablierte Methoden, ebenso auch Anwen-
dungen dieser Techniken auf die Prozessierung von Lebensmitteln im Mund. Hier
seien nur einige genannt, wie z.B. die Kinesiographie (Verfolgung eines mit dem
Kiefer verbundenen Magneten), Elektromagnetische Artikulographie (EMA) oder
Elektropalatographie (EPG). Beispielsweise nutzen Hiiemae et al. [63] die Kinesio-
graphie um die Kieferbewegung wahrend des Kauens und Schluckens von Bana-
nen, Apfeln und Keksen zu verfolgen. Brown et al. [18] kombinierten diese Technik
mit der in der Sportmedizin weit verbreiteten Elektromyographie (EMG), um die
Strukturzerstorung wahrend des Kauens von Apfeln, Karotten und Keksen zu stu-
dieren. Peyron et al. [123] untersuchten die vertikale und laterale Bewegung des
40
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.15: Kraft die zur Scherung dreier verschieden gekochten Spaghetti-proben bei Schermessergeschwindigkeiten von 0, 5 − 100 cm
minbe-
notigt wird. Die Kurven wurden auf 150 cmmin
extrapoliert, was derangenommenen Schergeschwindigkeit wahrend des Kauvorgangsentspricht. Die Messpunkte reprasentieren die Mittelwerte aus 10Messungen, namlich die Scherung von 10 Spaghettistangen an 10Stellen. Nach Voisey [170].
Kiefers beim Kauen verschiedener Lebensmittel. Jack und Gibbson [70] verwandten
die EPG zur Beschreibung der Zungenbewegung beim Kauen und Schlucken von
flussigen (Milch), halbflussigen (Joghurt) und gelartigen (Gelee) Lebensmitteln. Es
existieren zudem weitere Methoden, wie z.B. Videofluorographie oder Techniken
die Magnetresonanztomographie oder sogar Rontgenstrahlung verwenden.
Die bisher kurz beschriebenen Methoden stellen sehr aufwendige, teure oder ge-
fahrliche in-situ Messmethoden dar. Zudem lastet der subjektive Charakter der
Messungen negativ an ihnen. Aus diesen Grunden stellt die Objektivierung mit
Hilfe von Modelsystemen eine wichtige Alternative dar. Ihre Daten erweisen sich
41
2 Stand der Forschung
als reproduzierbar, weniger aufwendig zu erhalten, gunstiger, ethisch vertretbar
(keine Bestrahlung von Probanden!) und zudem unterliegen Modelle keinen Er-
mudungserscheinungen. Ihr Nachteil liegt in der Abstraktion und damit der Re-
duktion von Informationen im Vergleich zur Wirklichkeit. Die Daten aus diesen
Messungen konnen dennoch von großem Nutzen seinen, z.B. durch Einbeziehung
der 3D-Bewegung des Kiefers in numerische Simulationen.
2.6.2 Zweiplattenmodelle
Die ersten Modelle bestanden aus einfachen Zwei-Platten-Systemen, welche die
Zunge und den Gaumen reprasentierten (siehe z.B. [36, 37, 86]). Das aufeinander
zubewegen induziert eine Spaltstromung. Abbildung 2.16 zeigt dies schematisch.
Abbildung 2.16: Zweiplattenmodel einer Zunge-Gaumen-Geometrie
Dabei steht r fur die dimensionslose Ortskoordinate, R fur den Radius der Plat-
te, uP fur die Geschwindigkeit der Platte, F fur die notige Kraft, h(t) fur den
Abstand der Platten. Genau diese Anordnung stellt eine der ublichsten instru-
mentellen nachahmenden Texturmessmethoden dar, namlich die”Texture Profile
Analysis“ (TPA), welche spater auf die”Instron Universal Testing machine“ ange-
passt und von Bourne [15] verfeinert wurde. Meullenet et al. [110] erweiterten den
selben Messaufbau um Zahne (B.I.T.E master) und ahmen so den Kaufvorgang
42
2 Stand der Forschung
nach. Kokini und Cussler [84] nutzen ebenso das System zweier bewegter Plat-
ten um die”
perceived thickness“ vorher zu sagen. Aus den Grundgleichungen der
Stromungsmechanik (Kontinuitats- und Bewegungsgleichungen, aus diesen entste-
hen unter diversen Vereinfachungen die sogenannten Reynoldsgleichungen) lasst
sich fur diesen Fall die radiale Druckverteilung der Stromung analytisch beschrei-
ben (die so genannte Stefan Gleichung, siehe Gl. (2.14)) [44]. Dies setzt zunachst
voraus, dass das fließfahige Lebensmittel einphasig und chemisch inert sei. Des
Weiteren sei die Stromung isotherm und frei von Volumenkraften. Dabei nimmt
der Abstand der Platten sehr kleine Werte gegenuber dem Außenradius an (keine
Abhangigkeit von der Hohe h0 = h(t = 0) = const.).
p (r)− p0 = 3ηuPh3
0
R2
(1− r2
R2
)(2.14)
In dieser Gleichung reprasentiert p den Druck. Gl. (2.14) demonstriert, dass die
Druckverteilung parabelformig von innen nach außen verlauft, mit dem Maximum
in der Mitte der Platte. Auch Nicosia und Robbins [116] nutzten dieses Plat-
tenmodell um den Schluckvorgang zu simulieren. Sie erkannten, dass fur niedrige
Viskositaten (η < 100 cP ) Dichteunterschiede eine großere Rolle fur die Schluck-
dauer spielen als die Viskositat und fur hohe Viskositaten Viskositatseinflusse do-
minieren. Mathmann et al. [105] simulierten direkt die Bewegung der Platten und
fanden bezuglich der Scherraten ahnlich Großenordnungen wie Wood et al. [181].
Diese Untersuchungen bestatigen den Nutzen von numerischen Simulationen zur
Beschreibung der Stromungsvorgange. Strassburg [157] studierte anhand dieser
Geometrie das Druckfeld, das von Partikeln hervorgerufen wird.
Weitere Autoren losten die Reynoldsgleichung fur komplexere Geometrien wie el-
liptische Platten [131] (a und b stehen fur die halbe Langen der Hauptachsen)
p (r)− p0 = −6ηuPh3
0
a2b2
a2 + b2
(x2
a2+y2
b2− 1
)(2.15)
oder Platte und gekrummte kreisformige Platte [105, 114]. Es existieren keine
Anwendungen dieser Losungen zur Modellierung der Stromung in der Mundhohle.
Ein weiteres Modell lieferte Chen [25], welcher eine Quetschstromung in einem Keil
zur Beschreibung heran zog. Diese kann auch zur Untersuchung der Verteilung von
43
2 Stand der Forschung
Aufstrichen, z.B. Margarine auf Brot, Anwendung finden.
2.6.3 Posthumus Funnel
Die nach ihm benannte Messmethode entwickelte Posthumus [126] 1954 zunachst
als schnelle und einfache Messung fur die Qualitatsbeurteilung von Milch- und
Milchprodukten. Fur diese Zwecke ist die Geometrie des Funnels nicht von pri-
marer Bedeutung. Nicht die absoluten Messwerte, sondern der Vergleich mit einem
definierten Standard liefert eine verwertbare Aussage wie bei praktisch allen empi-
rischen Messmethoden. Hellinga et al. [61] oder auch Janhoj et al. [71] erkannten
durch die Beschreibung der Stromungsverhaltnisse, dass das Funnel wertvolle Da-
ten fur die Voraussage des Mundgefuhls liefert, doch die Scherraten zeigen sich,
in Relation zu denen im Mund auftretenden, um mehr als eine Zehnerpotenz zu
hoch.
Unter dem Prinzip des Ausflusses der zu untersuchenden Substanz aus einer de-
finierten Geometrie arbeiten auch andere Messgerate, wie z.B. der”Ford oder
Consistency Cup“ im Bereich der Farben und Lacke oder als”Marsh Funnel“ fur
Bohrschlamm. Das Posthumus Funnel besteht aus einem großen zylindrischen Be-
halter, der uber einen Konus (Langen/Durchmesser-Verhaltnis kleiner als 1,5) in
eine Ausflussoffnung mundet (siehe Abbildung 2.17).
Nach der Befullung bis zur oberen Marke folgt das Offnen der Ausflussoffnung
und die Probe fließt anschließend unter dem Einfluss der Gravitation aus. Dies
fuhrt zu diversen bestimmbaren Großen, wie z.B. der Zeit bis zum Ausfluss der
untersuchten Substanz bis zu einer unteren Marke. Die Verwendung einer Waage
bietet weitere mogliche Messgroßen, beispielsweise die nach einer definierten Zeit
ausgeflossene Masse oder Parameter aus Kurvenfits. In der Literatur existieren
bevorzugt zwei Funktionen um deren Fitparameter mit dem Mundgefuhl in Ver-
bindung zu bringen. Dies ist zum einen ein Polynom zweiter Ordnung mit den
Parametern a, b und c (siehe Gl. (2.16) und Abbildung 2.18).
m(t) = a · t2 + b · t+ c (2.16)
Janhoj et al. [71], Skriver et al. [152] oder Van Vliet et al. [139,168] zeigten gute
bis sehr gute Korrelationen dieser Parameter mit einfachen Texturattributen wie
44
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.17: Geometrie des Posthumus Funnel. Nach Posthumus [126], nichtmaßstabsgetreu
der”Oral Viscosity“.
Beal et al. [7] und Martin et al. [102] fuhrten eine halbempirische Funktion
(Gl. (2.17) und (2.18)) mit dem Parameter”Flowing Time Coefficient“ (FTC) ein,
dm
dt= − 1
FTC·m+ k (2.17)
m(t) = FTC · k(1− e−t
FTC ) (2.18)
doch sie verknupften diesen in ihrer Arbeit nicht mit sensorischen Attributen.
Im Unterschied hierzu erkannte Janhoj et al. [71], dass die Fitparameter aus der
Polynomfunktion (Gl. (2.16)) hohere Korrelationskoeffizienten lieferten.
45
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.18: Beispiel fur eine Ausflusskurve einer Joghurtprobe aus einemPosthumus Funnel
Die Vorteile der Nutzung des Posthumus Funnel im Vergleich zu reinen Rheo-
metermessungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Die Korrelierung einer Große mit einem sensorischen Attribut setzt nicht
notwendigerweise voraus, dass sie eine physikalische Große reprasentiert. Bei-
spielsweise lassen sich die Parameter a,b und c aus Gl. (2.16) mit der Cre-
migkeit korrelieren, obwohl diese empirische Großen darstellen, statt einer
physikalischen wie die Viskositat. Die Funktionsparameter der Gl. (2.16) und
(2.17) hangen sehr stark vom rheologischen Verhalten des Lebensmittels ab
und beinhalten dementsprechend verwertbare Informationen. Zum Beispiel
sinkt der Parameter a der Gl. (2.16) mit zunehmender Zahigkeit (a ist durch
den nach unten geoffneten Funktionsgraph stets negativ, siehe hierzu auch
Abbildung 2.18).
2. Die Messung mit dem Posthumus Funnel lasst sich einfach und reproduzier-
bar durchfuhren.
3. Im Gegensatz zum Einsatz des Posthumus Funnel in der Qualitatssicherung
bedarf die Korrelierung der Messwerte mit sensorischen Großen keine vorhe-
rige Kalibrierung des Messsystems mit einem Standard.
46
2 Stand der Forschung
4. Die Stromung zeigt im Gegensatz zu Scherrheometerstromungen Elongati-
onsanteile und instationares Verhalten.
Gerade der letzte Punkt erweist sich als große Starke des Posthumus Fun-
nel. Wahrend aufgrund der Couette-Geometrie in einem Rheometer bei niedrigen
Reynolds-Zahlen keine Elongationsstromungen auftreten, sorgt der Konus fur ge-
nau diese Stromungsart. Fluide mit elastischem Verhalten (siehe Abschnitt 2.4)
reagieren auf Dehnung vollig anders als solche ohne. Beispielsweise ist es moglich,
dass unter gewissen Umstanden im Posthumus Funnel Sekundarbewegungen (im
Konus) aufgrund des viskoelastischen Verhaltens des ausstromenden Fluides auf-
treten [10]. Wahrend der Texturwahrnehmung von fließfahigen Lebensmitteln tre-
ten beide Stromungsformen parallel auf, sowohl zeitlich als auch lokal [31]. Liegen
die Dehnraten im Posthumus Funnel und im Mundraum in gleichen Großenord-
nungen, so darf davon ausgegangen werden, dass die Reaktion des Fluides darauf
ahnlich ausfallt. Es gilt dabei aber stets zu beachten, dass die Stromungsformen
im Mund und dem Posthumus Funnel Unterschiede aufweisen (z.B. die Sekundar-
bewegungen). Weitere Ahnlichkeiten bestehen dennoch, so andert sich durch den
Ausfluss stetig die treibende Kraft und somit das Stromungsprofil, was zu einer in-
stationaren Stromung fuhrt. Dies gilt auch fur die Stromung im Mund. Aus diesen
Grunden erscheint das Posthumus Funnel im Vergleich zu Rotationsrheometern
als bessere Alternative um das Mundgefuhl vorauszusagen [139].
Dieses Prinzip ist schon langer bekannt, bereits Szczesniak stellte 1963 [160] fest:
“Since most foodstuffs do not have simple rheological properties that
are independent of stress and strain conditions, and since rheological
properties once measured and defined are not meaningful in a practical
sense unless related to functional properties, fundamental tests serve
the greatest value to the food technologist by providing bases for the
development of more meaningful empirical tests.“
Auf dieser Erkenntnis aufbauend zeigten Finney [47] und Finney und Abbott [48],
dass empirische Messungen besser zur Voraussage der Textur geeignet sein kon-
nen, als Messung einer physikalischen Große. In ihren Experimenten verwendeten
sie ein Maß fur den Youngschen Elastizitatsmodul, den sie”Fundamental Stiffness
47
2 Stand der Forschung
Coefficient“ (FSC) nannten. Als zweite Methode nutzten sie den Magness-Taylor
Test, eine empirische Messmethode, die stets hohere Korrelationskoeffizienten mit
der sensorischen Festigkeit von Apfeln und Pfirsich aufwies. Die Tabelle 2.3 fasst
ihre Ergebnisse zusammen. Neben dem besseren Voraussagepotential seien noch
zwei andere Sachverhalte erwahnt, zum einen die Anschaffungskosten der Mess-
gerate und die Dauer einer Messung. Wahrend ein akustisches Spektrometer fur
den FSC in der Anschaffung bei ca. 30000 $ liegt, kostet der Drucksensor fur den
Magness-Taylor Test 100 $. Bei der Messdauer stehen ca. 15 min (fur den FTC)
gegen ca. 30 s (Magness-Taylor). Aus diesen Grunden folgt die bevorzugte Verwen-
dung empirischer Messmethoden in der Lebensmittelindustrie.
Tabelle 2.3: Korrelationskoeffizienten zwischen der sensorischen und gemessenenenFestigkeit verschiedener Apfel- und Birnensorten (aus [47] und [48]).Die Schwankungen in den Werten lassen sich auf die Wachstumsbe-dingungen wahrend der Reifung der Jahrgange zuruckfuhren
Fundamental Stiffness Coefficient Magness-Taylor
Red Delicious ApfelOktober 1968 0,84 0,92Marz 1969 nicht signifikant 0,71Oktober 1969 0,68 0,89Marz 1970 0,44 0,86Elberta Pfirsich 0,87 0,957
Hellinga et. al [61] waren die ersten, die die Stromung im Posthumus Funnel uber
ein numerisch-iteratives Modell untersuchten. Dabei betrachteten sie das Funnel
als Stapel von Zylindern unterschiedlicher Durchmesser und Hohen (das konische
Verbindungsstuck beispielsweise ersetzten sie durch acht Zylinder, wobei sie kei-
nen nennenswerten Einfluss der Anzahl auf das Berechnungsergebnis feststellen
konnten). Weiter nahmen sie an, dass in jedem dieser Zylinder eine voll ausge-
bildete Rohrstromung herrscht und dass der gesamte Volumenstrom durch jeden
Zylinder fließt. Ihr Modell zeigte eine gute Genauigkeit im Vergleich zu Experi-
menten (nicht-newtonsch: drei verschiedene Joghurtproben, newtonsch: Glycerin).
Ein fur diese Arbeit wichtiges Resultat liegt in der Beobachtung, dass die Scher-
raten im Vergleich zum Mund (Abschnitt 2.5) uber die gesamte Messzeit zu hoch
liegen, fur die Joghurtproben bei bis zu 550 s−1 im Vergleich zu 10 − 50 s−1. In
48
2 Stand der Forschung
ihren Schlussfolgerungen sprechen sie sich fur eine Anpassung der Geometrie aus,
um die Scherraten in den richtigen Bereich zu bringen. Diesen Weg begeht die
vorliegende Arbeit erstmals.
49
2 Stand der Forschung
2.6.4 Numerische Mundmodelle
Ein sehr bedeutender Teil aller numerischen Simulationen im Bereich der Mund-
modellierung stammen aus der Dysphagie- oder Sprachforschung. Vor allem der
Einfluss des Fehlens wichtiger Bestandteile des Kau- und Schluckapparates sind
Gegenstand der Untersuchungen, z.B. einzelner oder mehrerer Zahne oder Teile
des Kiefers. Da sich die vorliegende Arbeit mit der Auswirkung von rheologischen
und stromungsmechanischen Effekten auf die Texturwahrnehmung beschaftigt, sei
hier nur auf zwei neuere Reviewartikel verwiesen [54,171].
Ein weiterer Bereich der Modellierung des Schluckvorgangs beschaftigt sich mit
der Speiserohre. Beispielsweise simulieren Chang et al. [24] und Meng et al. [109]
des Transport des Speisebreis unter isothermen Bedingungen fur newtonsche (η =
1mPas, ρ = 1000 kgm3 sowie η = 150mPas, ρ = 1800 kg
m3 ) und nicht-newtonsche
Flussigkeiten (Power-Law-Modell mit Konsistenzindex K = 2, 0Pasn und Fließin-
dex n = 0, 7). Dabei fuhrt ein achsensymmetrisches Rohr mit beweglichen Wanden
eine wellenartige Bewegung aus, was zu einer Quetschstromung fuhrt. Je langer
der Schluckprozess dauert, umso sicherer ist er fur den Dysphagieerkrankten, da
sich so das Risiko reduziert, dass Teile des Speisebreis in die Luftrohre gelangen.
Da strukturviskose Medien (Power-Law Fließindex n < 1) die Schluckzeit zu ver-
langern scheinen, schließen sie darauf, dass sie sich als sicherer erweisen. Weitere
numerische Modelle der Speiserohre finden sich z.B. bei Li et al. [94, 95], McMa-
hon et al. [108] und Yang et al. [182].
Aus der Sicht der Stromungsmechanik und Rheologie finden sich sehr wenige Pu-
blikationen, die sich mit der Stromung im Mund beschaftigen. Dieses Fehlen lasst
sich nicht zu letzt mit der Komplexitat des Problems erklaren, vor allem die Geo-
metrie des Mundraumes, die bei jedem Menschen anders ausfallt und das von fast
allen halbflussigen Lebensmitteln gezeigte nicht-newtonsche Verhalten erschweren
eine Analyse ungemein. Bei der Manipulation des Speisebreis im Mundraum fin-
den eine Vielzahl von unterschiedlichen Phasen statt [16, 92], vom Abbeißen mit
den Schneidezahnen, dem Kauen, dem komplexen Bewegungsablauf der Zunge,
der Vermengung mit Speichel, der Erwarmung auf Korpertemperatur, die damit
einhergehenden Veranderungen auf physikalischer und chemischer Basis. All diese
Vorgange mathematisch oder uber numerische Simulationen zu modellieren uber-
50
2 Stand der Forschung
steigt den derzeitigen Wissensstand und erscheint nicht im Bereich des Moglichen.
Nur die Abstraktion und Vernachlassigung einzelner Aspekte, angepasst auf spe-
zifische Lebensmittel, reduzieren diese Komplexitat und ermoglichen dadurch die
Modellbildung. So entfallen z.B. bei den in dieser Arbeit betrachteten halbflussi-
gen Lebensmitteln wie Pudding oder Joghurt die Kauvorgange, weiterhin soll wie
unter Abschnitt 2.6 beschrieben auch der Einfluss des Speichels außer acht bleiben.
Nichts desto trotz konnen und werden numerische Simulationen ein wichtiger Be-
standteil einer Objektivierung des Mundgefuhls sein. Eine der ersten stromungs-
mechanischen Simulation des Mundraumes lieferten Nicosia et al. [115]. Auch diese
Arbeit beschaftigt sich mit der Optimierung von Lebensmitteln fur Dysphagieer-
krankte. Den Speisebrei stellen sie als newtonsche Flussigkeit mit η = 10mPas,
η = 100mPas und η = 1000mPas dar. Sie kommen dabei zum Schluß, dass
hoherviskose Flussigkeiten langer in der Mundhohle verbleiben, folglich fur Dys-
pagiepatienten besser geeignet zu sein scheinen.
Den nachsten großen Schritt hin zu einem anatomisch korrekteren Modell began-
nen Mathmann et al. [104]. Als Randbedingung fungierten in den numerischen Si-
mulationen Rotationsellipsoide, deren Radien aus humanen kieferorthopadischen
Abdrucken stammten (Abbildung 2.19 und 2.20).
Abbildung 2.19: Modell einer Zungen/Gaumengeometrie, bestehend aus zwei Ro-tationsellipsoiden (Radien aus humanen kieferorthopadischenGipsabdrucken). Durch das Drehen der Zunge um einen fixenPunkt an einem Ende entsteht eine Quetschstromung, die denSpeisebrei in Richtung Drehpunkt bewegt (Mathmann et al. [104])
Im Verlauf der Arbeit kommt dieses Modell zur Anwendung, wobei reiner Be-
schreibung der Simulationsergebnisse. Bei Interesse an dem Aufbau und der Funk-
tionsweise des Modells sei der Leser an die zitierte Literatur verwiesen.
51
2 Stand der Forschung
(a) Mund offen (Anfang)
(b) Mund geschlossen (Ende)
(c) Randflachen
Abbildung 2.20: Numerisches Mundmodell am Anfang (a) und am Ende (b)des Schluckvorgangs, sowie die Randflachen des Berechnungsgit-ters (c) nach Mathmann et al. [104]
52
2 Stand der Forschung
2.7 Verknupfung von physikalischen Messungen mit
dem Mundgefuhl
Wie in Abschnitt 2.2 beschrieben, stellt der Ersatz von Sensorikpaneltests anhand
stattdessen durchgefuhrter physikalischer Messungen und anschließender Korre-
lierung und Voraussage eine hoch interessante Moglichkeit dar, Zeit, Geld und
Aufwand bei der Produktentwicklung oder vielleicht Qualitatssicherung zu spa-
ren. Mit einfachen, im Labor zu bestimmenden Großen ist der Produktentwickler
dann beispielsweise in der Lage, erste Abschatzungen bezuglich der Sensorik zu
treffen und den Prozess der Herstellung anzupassen bevor das Produkt in die spa-
teren Phase der Entwicklung ubergeht. Hier werden auch weiterhin Sensoriktests
die letzte Instanz darstellen, denn genauer als der Mensch kann kein Modell ar-
beiten. Folgende Aufzahlung fasst die Vorteile dieses Vorgehens zusammen (nach
Bourne [16]):
1. Instrumentelle Messungen kosten im Normalfall weniger als sensorische Un-
tersuchungen
2. Die Aufnahme der meisten instrumentellen Messungen erfolgen schneller
3. Messgerate ergeben objektive und reproduzierbare Ergebnisse, die mensch-
liche Wahrnehmung ist zunachst stets subjektiv. Doch Training und Ab-
stimmung innerhalb eines Sensorikpanels konnen auch objektive Messungen
liefern
4. Nach einer ordnungsgemaßen Kalibrierung und sachgemaßer Betriebsweise
ergeben Messgerate unabhangig vom Experimentator und dem Experimen-
tierort im Rahmen der Messgenauigkeit die gleichen Ergebnisse. Dies eroffnet
die Moglichkeit einer nationalen oder internationalen Standardisierung von
Texturattributen und -qualitaten.
Eine der ersten bekannten Arbeit uber die Verknupfung von mechanischen und
Textureigenschaften von Lebensmitteln stammt von Friedman et al. [50]. In ei-
nem sogenannten”Texturometer“ wiesen sie eine hohe Korrelierung von Kraft-
Verschiebungs-Kurven mit Texturattributen wie Harte, Festigkeit, Viskositat, Ela-
stizitat, Klebrigkeit und Bruchigkeit (siehe auch Abbildung 2.21) nach.
53
2 Stand der Forschung
Abbildung 2.21: Typische Kraft-Verschiebungs-Kurven des”Texturometers“, des-
sen Messung diverse Texturattribute abzubilden vermag. AusFriedman et al. [50]
Diese Methode ging als”Texture Profile Analysis“ (TPA, siehe Abschnitt 2.6.2)
in die Literatur ein und stellt immer noch eine Standardmethode in der Texturcha-
rakterisierung dar. Im Laufe der Jahrzehnte publizierten zahlreiche Autoren immer
mehr Arbeiten, die sich mit der Verknupfung von sensorischen und physikalischen
Großen befassen und das fur eine Vielzahl von Lebensmitteln.
Um eine Ordnung in den Ablauf dieser Anstrengungen zu bringen, sei hier der
Versuchsablauf grob zusammengefasst:
1. Bestimmung der sensorischen Attribute
Am Anfang steht die Auswahl der, fur ein spezifisches Produkt, interessanten
sensorischen Attribute. Dies geschieht meistens durch Befragung von Konsu-
menten, was fur sie an einem Produkt wichtig erscheint. Fast immer existiert
dieses Wissen bei den Herstellern bereits. Als sehr wichtig zeigt sich die ge-
naue Definition der Attribute, sodass das Panel keine systematischen Fehler
begehen und das Produkt allein deshalb sehr inkonsistent bewerten.
54
2 Stand der Forschung
2. Entwicklung einer qualitativen Einschatzung der physikalischen Pro-
zesse wahrend der Stimulation
Hierbei interessieren beispielsweise die Art der Wahrnehmung der fur die-
ses Lebensmittel charakteristischen Texturattribute, z.B. die Cremigkeit bei
Joghurt (taktil), die Knusprigkeit von Snackprodukten (akustisch), usw.
3. Definition von physikalischen Parametern, die diese Prozesse cha-
rakterisieren
Hierzu gehoren die Beobachtung und die Kenntnis der Prozesse. Im Mund
laufen je nach Lebensmittelrheologie unterschiedliche Vorgange ab: rein vis-
kose Flussigkeiten, wie Erfrischungs- oder Heißgetranke, werden einfach nur
getrunken. Halbflussige Lebensmittel, wie Joghurt oder Pudding beispielswei-
se, werden im Mund durch den Zungen-Gaumen-Apparat prozessiert, aber
normalerweise nicht gekaut. Feste Lebensmittel, wie Kase oder Zerealien,
hingegen schon. Allein aus dieser Tatsache heraus folgen sehr unterschiedli-
che Parameter, welche bei der jeweils anderen Gruppe gar keinen oder kaum
Einfluss zeigen. Beachtung sollte auch die Tatsache finden, dass praktisch
kein Experiment die oralen Prozesse vollstandig abbildet, sodass mehrere
Großen Einzug in das Modell finden sollten. Ein sinnvoller Ansatz ist die
Nachbildung der Wahrnehmung der Humansensoren.
4. Methodenentwicklung zur Bestimmung dieser physikalischen Pa-
rameter
Am Ende einer jeden Messung stehen eine oder mehrere quantitative Gro-
ßen. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch nicht moglich, die Gewichtigkeit ihres
Einflusses abzuschatzen.
5. Messung dieser physikalischen und der sensorischen Großen fur ei-
ne Reihe relevanter Produkte
Dieser Schritt beinhaltet am besten die Messung vieler Proben, die idealer-
weise ein breites sensorisches Spektrum abdecken und auch vorkommende
Extreme beinhalten. Zur besseren Vergleichbarkeit empfiehlt sich die Ein-
haltung internationaler Standards, vor allem bei der Sensorik.
6. Ableitung quantitativer Modelle, um die dominierenden Parame-
55
2 Stand der Forschung
ter der sensorischen Wahrnehmung zu bestimmen
Dieser Punkt stellt den wichtigsten zur Voraussage des Mundgefuhls dar,
denn die Wahl des Modells bestimmt schlussendlich ob ausreichend und die
richtigen Messungen durchgefuhrt wurden. Hier findet die Korrelierung der
physikalischen mit den sensorischen Großen statt, was letztendlich in der
Voraussage endet. Vor allem Methoden des Data Minings oder der Statistik
reduzieren die Dimension der physikalischen Eingangsparameter z.B. durch
Clusterbildung oder Hauptkomponentenanalyse. Mogliche, darauf aufbauen-
de, Modelle behandeln die folgenden Abschnitte 2.7.1 und 2.7.2.
7. Feinabstimmung und anschließende Validierung dieser Modelle
Bei der Validierung zeigt sich, ob das gewahlte Modell dazu fahig ist zu
generalisieren, d.h. ob Werte, mit denen nicht angepasst wurde, zur richtigen
Voraussage des entsprechenden Mundgefuhls fuhren. Ist dies nicht der Fall,
so ist das Modell nur in der Lage die zur Anpassung verwendeten Daten
vorauszusagen, bei neuen hingegen ist die Voraussage nicht im akzeptablen
Bereich oder es versagt vollstandig.
Die Auswahl der physikalischen Messungen stellt die eigentliche Hurde zur Vor-
aussage des Mundgefuhls dar. Alles andere leitet sich davon ab, wobei das feh-
lende a-priori Wissen diese Auswahl erschwert. Ist die Arbeit einmal getan, so
stehen die in den folgenden Abschnitten genannten Moglichkeiten zur Voraus-
sage zur Verfugung. Arbeiten in diese Richtung sind zahlreich, doch das Vorge-
hen ist seit Jahrzehnten dasselbe. Die Publikationen enden stets mit der statisti-
schen Korrelierung von einzelnen oder, sehr viel seltener, mehrerer physikalischen
Großen mit einer sensorischen, ohne dass ein vollstandiges Modell zur Voraus-
sage sensorischer Attribute entsteht. Vor allem die Voraussagegenauigkeiten sind
oft sehr niedrig oder nicht in einer fur die Anwendung interessanten Großenord-
nung [14,27,30,33,34,35,40,41,71,85,84,86,152,167,168,181]. Diese Lucke schließt
diese Arbeit durch die Entwicklung eines neuartigen Modells auf Basis von Kunst-
lichen Neuronalen Netzen.
56
2 Stand der Forschung
2.7.1 Mathematische / Psychophysikalische Modelle
Unter mathematische Modelle fallt eine Vielzahl von Methoden. Prinzipiell lassen
sich alle Funktionen durch Regression verwenden, um dem sensorischen die physi-
kalischen Werte zuzuordnen. Das wohl bekannteste und am weitesten verbreitete
Modell ist der empirische Potenzansatz von Stevens [156]
S = a · P n (2.19)
oder in logarithmierter Form
logS = log a+ n · logP (2.20)
Van den Oever [167] schlagt das erweiterte Multiparameter-Modell vor (verwand
mit der Multilinearen Regression)
S = a ·m∏i=1
P nii (2.21)
oder in logarithmierter Form
logS = log a+m∑i=1
ni · logPi (2.22)
Einige Publikationen nutzen noch den Ansatz von Fechner [6, 45]
S = a+ n · logP (2.23)
Hierbei steht S fur ein beliebiges Sensorikattribut (z.B. Griessigkeit, Suße, etc.),
a sowie n sind Parameter, P / Pi reprasentiert eine / die i-te physikalische Große
(z.B. Viskositat, Proteingehalt, etc.) und m die einbezogene Gesamtzahl dieser.
Abbildung 2.22 stellt mogliche Zusammenhange einer sensorischen Große (z.B.
der”mouth viscosity“) mit einer physikalischen dar.
Vor allem der Parameter n der vorgestellten Gleichungen liefert wertvolle In-
formationen uber die Art der Korrelierung, n < 1 beispielsweise bedeutet, dass
eine Verzehnfachung der physikalischen Stimulierung eine geringere als zehnfache
Wahrnehmungssteigerung zur Folge hat. Stevens [155] publizierte bereits 1970 ei-
57
2 Stand der Forschung
(a) schlecht (b) maßig (c) gut (d) gut (nachTransformation)
Abbildung 2.22: Mogliche Zusammenhange der sensorischen Große (S) mit einerphysikalischen Messung (P). Abbildung (d) zeigt den Zusammen-hang nach einer Achsentransformation (z.B. P ′ = log(P ))
nige experimentell ermittelte Parameter n (Tabelle 2.4). Weitere Publikationen
beschaftigten sich mit der Anwendung dieses Modells auf Mundgefuhlattribute.
Einige wenige seien im Folgenden exemplarisch genannt.
Tabelle 2.4: Nach Stevens [155] experimentell ermittelte Exponenten n eines expo-nentiellen Zusammenhangs zwischen der Große der physikalischen Sti-mulierung und der subjektiven Wahrnehmung (ausgewahlte Großen)
Große Gemessener Exponent Art des Reizes
Lautstarke 0,67 3000 Hz TonHelligkeit 0,5 kurzer BlitzGeruch 0,6 Heptan
Geschmack 1,3 SaccharoseGeschmack 1,4 SalzTemperatur 1,0 Kalte auf ArmTemperatur 1,5 Warme auf ArmVibration 0,95 60 Hz auf FingerVibration 0,6 250 Hz auf Finger
Fingerabstand 1,3 Dicke von BlockenDruck (Handflache) 1,1 Statische Kraft auf Haut
Schwere 1,45 Heben von GewichtenTaktile Rauigkeit 1,5 Reiben von Schmirgelpapier
Taktile Harte 0,8 Quetschen von Gummi
Eine weitere zu klarende Frage bildet die Wahl der physikalischen Eingangspara-
meter. Die Natur des sensorischen Attributs schließt einige Großen von vornherein
aus, d.h. fur das Mundgefuhl zeigen sich vor allem rheologische und stromungs-
58
2 Stand der Forschung
mechanische Großen, wahrgenommen durch taktile Sensoren in der Mundhohle,
verantwortlich. Zur Reduktion der 84 zur Verfugung stehenden Messgroßen auf die
mit der großten Korrelation mit den senorischen Attributen dienen z.B. statisti-
sche Methoden, u.a. PLSR (”Partial least squares regression“).
Eine der fruhesten und herausragendsten Arbeiten lieferten Kokini et al. [86]. In
dieser umfangreichen Arbeit wiesen sie nach, dass die sensorischen Attribute”thick-
ness“,”smoothness“ und
”slipperiness“ gemaß Gl. (2.19) und (2.20) direkt mit ei-
ner spezifischen Kraft im Mund korrelierten. Diese waren fur die”thickness“ die
viskosen Krafte zwischen Gaumen und Zunge,”smoothness“ korrelierte indirekt
proportional mit der Reibungskraft zwischen Gaumen und Zunge und die”slippe-
riness“ zeigte ebenfalls eine indirekte Proportionalitat zwischen einem bekannten
Mittelwert aus viskosen und Reibungskraften. Zu erwahnen sei, dass sie ein Kon-
sumentenpanel zur Gewinnung dieser Erkenntnisse verwandten.
Christensen und Casper [27] zeigten in ihren Untersuchungen, dass die Viskosi-
tatswahrnehmung von verdunnten Hydrokolloiden auch der Gl. (2.19) gehorchte,
dies aber nicht ausschließlich fur die orale Evaluierung gilt. Im Experiment beka-
men die Probanden die Aufgabe, die Viskositat der besagten Losungen im Mund,
durch Kippen des Behalters und durch Ruhren mit einem Stab und dem Zeigefinger
(blind) zu bestimmen. Alle drei Varianten zeigten eine exponentielle Abhangigkeit,
wobei die Bestimmung im Mund zu hoheren wahrgenommenen Viskositaten fuhr-
te.
Meullenet et al. [110] nutzten den B.I.T.E master (siehe Abschnitt 2.6.2), um
dessen experimentellen Werten diverse Texturattribute zuzuordnen. Fur das Ste-
vensmodell (Gl. (2.19)) bestimmten sie sehr geringe Korrelationskoeffizienten (ma-
ximal R2 = 0, 77), jedoch hohere bei Verwendung des Fechnermodells (Gl. (2.23)).
Dennoch erwahnten sie, dass eine Voraussage anhand dieser Daten zu schlech-
ten Ergebnissen fuhrte. Imai [68] verwandte Gl. (2.22) und zeigte, dass die oben
beschriebenen Gleichungen auch Texturattribute von festen Lebensmitteln model-
lieren.
59
2 Stand der Forschung
2.7.2 Kunstliche Neuronale Netze
Aufbauend auf den beschriebenen Erkenntnissen und der Tatsache, dass die Tex-
turwahrnehmung vor allem durch unterschiedliche Sinneszellen und dem ZNS er-
folgt, liegt es nahe, Kunstliche Neuronale Netze (KNN) [137, 183] zur Abbildung
dieses Vorgangs einzusetzen.
Ein Teilgebiet der kunstlichen Intelligenz behandelt die KNN. Diese Systeme bilden
biologische Nervensysteme mathematisch nach, um so ahnliche Leistungen voll-
bringen zu konnen. In den 50iger Jahren veroffentlichten McCulloch und Pitts [107],
Hebb [59], Rosenblatt [138], Block [11] und Widrow und Hoff [177] die ersten Arbei-
ten uber KNN. Dieses noch recht einfache Modell hieß zu dieser Zeit Perceptron.
In den 70iger Jahren sank das Interesse an weiterer Forschung auf diesem noch
jungen Gebiet aufgrund zweier Ereignisse. Zum einen tauchten immer mehr reale
nicht losbare Problemstellungen auf. Der Grund lag in den zu einfachen Model-
len und der zu geringen zur Verfugung stehenden Rechenleistung. Zum anderen
wiesen Minsky und Papert 1969 in einer theoretischen Arbeit nach [111], dass das
Perceptron aufgrund seiner Struktur zu vielen Einschrankungen unterlag und sie
nannten jegliche Forschung in diesem Gebiet eine Sackgasse. Erst mit den Arbei-
ten von Hopfield [65] und seinen Erweiterungen des Perceptron kehrte auch das
Interesse an KNN zuruck. Seine Leistung bestand in der Einbeziehung nichtli-
nearer Verbindungen zwischen den kunstlichen Neuronen und in der Moglichkeit
Reize in einer sogenannten”feedback“ Verbindung von der Ausgabeschicht an die
Eingabeschicht zuruck zu geben, was dem Gesamtsystem eine hohere Flexibili-
tat verlieh. Dank der mittlerweile gestiegenen Rechenleistung entstanden weitere
wichtige Systeme, Erweiterungen und Meilensteine im Bereich der KNN, z.B. Lipp-
mann et al. [98], Kohonen 1984 [83], Rumelhart und McLelland 1986 [140] oder
Hecht-Nielsen 1987 [60]. KNN begegnen uns heute tagtaglich, seien es beispiels-
weise die Sprachsteuerung von Mobiltelefonen oder die Handschrifterkennung bei
Computern, doch auch andere Anwendungsfelder existieren, wie z.B. zur Steue-
rung von Prozessen in der Luftfahrt, der Reinigung, der Trocknung, aber auch in
der Lebensmittel- und medizinischen Industrie.
60
2 Stand der Forschung
2.7.2.1 Funktionsweise Kunstlicher Neuronaler Netze
Das Grundprinzip der KNN ist stark an die Funktionsweise biologischer neurona-
ler Netze angelegt. Abbildung 2.23 zeigt die Verbindung von biologischen Neuro-
nen schematisch. Das Neuron sammelt die Reize der Zellen der daruber liegenden
Schicht uber seine Dendriten und gibt seine Reaktion darauf uber sein Axon an
die darunter liegenden Schichten weiter. Auf diese Weise kommt der Transport von
Informationen zustande, wobei manche Zellen z.B. als Filter wirken und nur be-
stimmte Reize passieren lassen, sobald diese ihre Reizschwelle uberschreiten. KNN
nutzen das gleiche Prinzip der Signalverarbeitung. Dieses soll im Folgenden das
Beispiel des Sehens als Sinneswahrnehmung verdeutlichen. Als Eingangsneuronen
dienen die Fotorezeptoren der Retina. Durch das einfallende Licht depolarisieren
die Sinneszellen und leiten ihre Reize uber den II. Hirnnerv (Nervus opticus) uber
Zwischenstufen zur Sehrinde (visueller Cortex) weiter. Das interessante dabei ist,
dass die Signalverarbeitung bereits auf dem Weg zum Gehirn uber die Zwischen-
schichten geschieht, d.h. das Gehirn erhalt ein bereits prozessiertes Signal.
Abbildung 2.23: Skizze von biologischen neuronalen Verbindungen. Die Nerven-zelle besteht aus einem Zellkorper, der uber sein Axon und Den-driten mit andern Nervenzellen in elektrischer Verbindung steht.Dendriten fungieren als Datenaufnahmeschicht und das Axon gibtdie Reaktion der Zelle auf diese Eingabe als Reiz an die nachfol-genden Neuronen weiter
Genau diesen Weg der Informationsverarbeitung ahmen KNN nach (siehe hier-
61
2 Stand der Forschung
zu Abbildung 2.24). Die Eingangsschicht entspricht den Sehnerven, die versteckten
Neuronen den Nervenzellen auf dem Weg zur Sehrinde und die Ausgangsschicht der
Sehrinde selbst. Da KNN mathematische Modelle darstellen, erfolgt die Interaktion
uber numerische Werte oder analytische Funktionen. Grob zusammengefasst lasst
sich sagen, dass ein kunstliches Neuron die Summe aller Ausgangssignale der mit
ihr verbundenen oberen Schicht, multipliziert mit dem Gewicht der Verbindung,
bildet und dieses dann uber die sogenannte Aktivierungsfunktion in einen Aus-
gangswert transformiert. Diesen gibt sie anschließend an tiefer liegende Schichten
weiter. Auf diese Weise lassen sich prinzipiell alle numerischen Werte nach Normie-
rung auf Werte zwischen 0 und 1 oder -1 und 1 (je nach Aktivierungsfunktion) als
Eingang verwenden (fur diese Arbeit kommen beispielsweise physikalische Werte
wie die Viskositat, die Dichte, etc. in Betracht). Ebenso konnen theoretisch belie-
bige Funktionen als Aktivierungsfunktionen fungieren. Die am meisten genutzten
Funktionen sind:
• Sigmoide oder logistische Funktion (haufigste und auch in dieser Arbeit ver-
wendete Funktion)
αlogistisch(ς) =1
1 + exp−ς(2.24)
• Tangens hyperbolicus
αtanhyp(ς) =1− exp−ς
1 + exp−ς(2.25)
• Identitische Abbildung
αidentisch(ς) =
−1 if ς < −1
ς if − 1 ≤ ς ≤ 1
1 if ς > 1
(2.26)
Hierbei reprasentiert α die Aktivierungsfunktionen und ς die Eingangssumme
eines Neurons. Nicht jede Aktivierungsfunktion ist fur ein bestimmtes Problem
geeignet, ebenso ist die Netztopologie (der Aufbau der Verknupfungen) fur die
Qualitat der Aussagen verantwortlich. Dies bedeutet, dass die Netztopologie ei-
ner fallabhangigen Optimierung bedarf, sodass die Prognose bestmoglich ausfallt.
62
2 Stand der Forschung
Leider existieren kaum Moglichkeiten, aus der Problemstellung heraus den best-
moglichen Netzaufbau a-priori zu ermitteln.
Abbildung 2.24: Aufbau eines Kunstlichen Neuronalen Netzes. Hierbei stellt wijdas Gewicht der Verbindung des Neurons i mit Neuron j dar
Eine herausragende Besonderheit von KNN ist die Lernfahigkeit. Diese außert
sich durch die Anpassung der Verbindungsgewichte wij uber diverse Lernalgorith-
men. Man unterscheidet dabei zwischen dem”supervised“ und
”unsupervised lear-
ning“. Im ersten Fall erfolgt die Anpassung der Gewichte anhand von Datensatzen,
die neben den Eingangs- die zugehorigen Ausgangswerte enthalten. Wahrend des
Lernprozesses passt der Algorithmus die Gewichte in der Form an, dass sich der
quadratische Fehler von berechneten und realen Ausgangswerten minimiert. Im
Fall des”unsupervised learning“ existieren nur Eingangswerte, die durch die An-
passung der Gewichte zu Gruppen mit ahnlichem Informationsgehalt zusammen-
gefasst werden. Dies ist bei der Clusteranalyse und der Reduktion der Dimensionen
der Informationen hilfreich.
2.7.2.2 Anwendung Kunstlicher Neuronaler Netze in der Humansensorik
Da KNN die menschliche Reizverarbeitung nachbilden, sollten sie auch in der Lage
sein die humansensorische Wahrnehmung nachzubilden. Schatzungen sprechen von
63
2 Stand der Forschung
1011 Neuronen im menschlichen Gehirn und demnach lasst sich der kognitive Ap-
parat des Menschen mit der heutigen Technologie nicht nachbilden. KNN finden
in annahernd allen Bereichen der Lebensmittelindustrie ihre Anwendung, doch im
Vergleich zu vielen anderen Bereichen spielen sie in der Lebensmittelanalyse eine
untergeordente Rolle [100]. Dies liegt nicht zu letzt an der geringen Beachtung ihres
Potentials, denn einige eindrucksvolle Beispiele existieren bereits als kommerzielle
Losungen.
Letztendlich funktioniert die Wahrnehmung des Menschen fur alle Sinne gleich.
Sinneszellen nehmen externe Reize auf, seien sie elektromagnetischer (Sehen mit
dem Auge), chemischer (Schmecken und Riechen mit der Zunge und Nase) oder
mechanischer Natur (Schwingungen der Luft im Ohr oder die taktile Wahrneh-
mung beruhrungsempfindlicher Haut) und wandeln sie in elektrische Signale um.
Diese transportiert das Nervensystem zum Gehirn, wo spezialisierte Neuronen die
Reize interpretieren. Eben genau dieser Vorgang lasst sich mit einem KNN nach-
bilden.
Der Einsatz von KNN findet bereits Einzug in die Lebensmitteltechnologie. Es
existieren beispielsweise etablierte Ansatze zur Einbindung dieser kognitiven Al-
gorithmen in die Prozesssteuerung, z.B. zur Erhohung der Ausbeute von Fermenta-
tionsprozessen [4,9,46,90]. Bereits etablierte und fur diese Arbeit wichtige Systeme
stellen elektronische Nasen, kunstliche Zungen und maschinelles Sehen dar [67,101].
Elektronische Nasen : Ein System, dass den Geruchssinn des Menschen nach-
bildet. Sie treten vor allem in der Qualitatssicherung und an Stellen auf, an denen
fur den menschlichen Panelisten Gefahr bestunde. Sie bestehen aus den Einheiten:
• Die Sensoreinheit, meist ein ganzes Array, nimmt die geruchsaktiven Sub-
stanzen auf und wandelt diese in elektrische Signale um
• Die Mustererkennung ordnet die erhaltenen Daten den entsprechenden Geru-
chen zu. Viele statistische Methoden zur Musterkennung wie z.B. die Haupt-
komponentenanalyse stellen lineare Systeme dar, doch die meisten Sensoren
und auch die Reizverarbeitung stellen hochst nichtlineare Prozesse dar. Des-
halb stellen KNN hier eine sehr gute Alternative dar
64
2 Stand der Forschung
Einige erfolgreiche Einsatze der Ermittlung der sensorischen Wertigkeit von Le-
bensmittel existieren bereits, so z.B. bei Apfeln, Pfirsich, Birnen, Orangen und
anderen Fruchten [17], Fischen [58] oder Weinen und Saften [13].
Kunstliche Zungen : Diese Systeme arbeiten prinzipiell genau so wie elektro-
nische Nasen, mit dem Unterschied, dass sie in der flussigen Phase arbeiten [88].
Auch hier existieren Anwendung in der Voraussage der sensorischen Wertigkeit
von Lebensmitteln, vor allem in der Weinanalyse [93].
Maschinelles Sehen : Ihre Aufgabe in der Lebensmittelindustrie ist der Einsatz
als Inspektoren in der Qualitatssicherung. Sie bestehen aus:
• Aufnahme von Bildern, normalerweise mit einer Kamera
• Bildprozessierung mittels einer Software, z.B. Extraktion der Informationen,
oder Filterung
• Die Mustererkennung
Doch auch in der Humansensorik konnen sie wertvolle Dienste erweisen. Sayeed et
al. [142] waren in der Lage die sensorische Qualitat von Snackprodukten mit Hilfe
von Bildanalysen mit einer Genauigkeit von 91-100% vorausszusagen. Wang und
Sun [173] maßen das Schmelz- und Braunungsverhalten von Kase.
Insgesamt exisitieren dennoch sehr wenige Publikationen auf dem Feld der Vor-
aussage humansensorischer Großen von Lebensmitteln. Vor allem im Bereich der
Textur und des Mundgefuhls. Krishnamurthy et al. [89] beispielsweise untersuch-
ten unter anderem die Akzeptanz von Mundgefuhlattributen wie die Konsistenz,
”Oligkeit“ oder
”olige Mundbelegung“ von Rindfleischbruhen. Dabei erreichten sie
Voraussagegenauigkeiten von 80-90%. Sitakalin und Meullenet [151] vermochten
nachzuweisen, dass sich KNN auch zur Voraussage des senorischen Profils von
gekochtem Reis eignen. Trotz intensiver Recherche ist es nicht gelungen, Ver-
offentlichungen zu ermitteln, die sich mit der Voraussage des Mundgefuhls von
Milchprodukten beschaftigen. Im Verlauf dieser Arbeit entstand eine funktionie-
65
2 Stand der Forschung
rende Softwarelosung zur Vorhersage sensorischer Attribute anhand bestehender
Datensatze.
66
3 Material und Methoden
Dieser Abschnitt dient der Einfuhrung des Lesers in die Grundzuge der zur An-
wendung kommenden Techniken. Aufgrund des interdisziplinaren Ansatzes dieser
Arbeit beinhalten diese eine Vielzahl unterschiedlicher Wissensgebiete. Dement-
sprechend folgen keine tief gehenden Erlauterungen der einzelnen Bereiche, nur
das zum Verstandnis notige Wissen.
Zu Beginn thematisiert dieses Kapitel die Beschreibung des Posthumus Funnels,
womit sich die Stromung im Mund modellieren lasst. Darauf aufbauend folgt die
Erlauterung des Aufbaus des entwickelten Softwaretools”hANNdy“, welches mit
Hilfe von rheologischen Daten des Lebensmittels (deren Einfluss der Mensch uber
seine Sinneswahrnehmung detektiert) dessen Mundgefuhl vorauszusagen vermag.
Danach schließt sich der Ablauf der Humanstudien zur Ermittlung des relativen
Einflusses von Proptiozeption und Mechanorezeptoren an.
3.1 Numerische Simulation der Stromung im
Posthumus Funnel
Um die Scherraten im Funnel denen im Mund anzugleichen, erweist sich die ge-
naue Kenntnis der Stromungsverhaltnisse als erforderlich. Aufgrund der Geome-
trie sind analytische Losungen der Bewegungsgleichungen nur in bestimmten Be-
reichen und unter Verwendung diverser Vereinfachungen moglich. Um sich den-
noch ein Bild uber die Stromung machen zu konnen, bilden numerische Simula-
tionen eine wertvolle Hilfe. Dabei fuhrt eine zeitlich und ortliche Diskretisierung
der Bewegungsgleichungen und ihre Losung zu approximierten Ergebnissen, z.B.
des Geschwindigkeits- und Druckfeldes. Weitere Großen, wie beispielsweise die fur
diese Arbeit interessante Scherrate, lassen sich anschließend im sogenannten”post-
67
3 Material und Methoden
processing“ ermitteln. Dies geschieht hier mittels des OpenSource CFD Codes
”OpenFOAM R©“ und experimenteller Validierung der Ergebnisse durch
”Particle
Image Velocimetry”
(PIV).
3.1.1 OpenFOAM
Im Bereich der CFD existiert eine Vielzahl von kommerziellen und freien Soft-
warepakete zur Losung der Grundgleichungen. In der vorliegenden Arbeit kommt
der OpenSource Code OpenFOAM R© [120] zum Einsatz. OpenFOAM R©stellt dabei
eine Besonderheit dar, denn es ist keine reine CFD Software im eigentlichen Sinne,
sondern eine mittlerweile außerst umfangreiche Bibliothek an Klassen, geschrieben
in der Programiersprache C++, um partielle Differentialgleichungssysteme zu lo-
sen. Sogenannte”Solver“ definieren das physikalische oder mathematische Modell
und losen die entsprechenden Gleichungen. Ein wichtiger Punkt besteht in der
einfachen Erweiterbarkeit der Bibliothek durch eigene Klassen, was hier sehr oft
Verwendung findet, da die Solver aus der Standardinstallation selten ohne Anpas-
sung direkt die benotigten und gewunschten Ergebnisse liefern.
Durch die anwenderfreundliche Definition von partiellen Differentialgleichungen ge-
lingt auch Anfangern mit C++ Programmiererfahrung die schnelle Anpassung be-
stehender oder Neudefinition mathematischer oder physikalischer Modelle. Die Im-
plementierung der Navier-Stokes-Gleichung ohne Gravitationsterm (siehe Gl. (2.13)
in Abschnitt 2.4) geschieht in OpenFOAM R©folgendermaßen [134]:
solve
(
fvm::ddt(rho, U)
+ fvm::div(phi, U)
- fvm::laplacian(mu, U)
==
- fvc::grad(p)
);
Wie unter Abschnitt 2.6.3 beschrieben stromt das Fluid unter dem Einfluss
68
3 Material und Methoden
der Gravitation aus dem Posthumus Funnel, beginnend an der oberen bis zur
unteren Marke. Aus diesem Grund findet der Solver”interFoam“ Verwendung,
denn er lost die Bewegungsgleichungen fur ein nichtmischbares Zweiphasenge-
misch und bestimmt die Grenzflache anhand der”Volume of Fluid“ (VOF) Me-
thode [141]. Grenzflachenspannung und Benetzungswinkel werden explizit mit in
die Berechnungen einbezogen. Zur Ermittlung der Scherraten ist eine Erweiterung
dieses Standardsolvers notig. Hierfur genugt die Definition der Scherrate (nach
Gl. (2.7)) und die anschließende Speicherung als Skalarfeld, was zum angepas-
sten Solver”interFoamShearRate“ fuhrt. Die Berechnungsergebnisse lassen sich
mit”ParaView“, dem in OpenFOAM integrierten Visualisierungsprogram, anzei-
gen. Im OpenFOAM R©Progammiercode lautet diese Definition
volScalarField shearRate
(
IOobject
(
”shearRate“,
runTime.timeName(),
mesh,
IOobject::NO READ,
IOobject::AUTO WRITE
),
Foam::sqrt(2)∗mag(symm(fvc::grad(U)))
);
Alle Simulationen basieren auf der OpenFOAM R©Version 1.5.x.
3.1.2 Gittergenerierung und Abhangigkeit der Losung von der
Gitterauflosung
OpenFOAM R©stellt eine Umgebung zur Generierung von Gittern zur Verfugung.
Die Klasse”blockMesh“ nutzt die ASCII-Datei
”blockMeshDict“ und erzeugt aus
den definierten Punkten, Blocken und Kanten ein dreidimensionales Gitter. Durch
das Vorausschalten eines M4-Praprozessors lasst sich diese Datei anhand vordefi-
69
3 Material und Methoden
nierter Variablen erzeugen, sodass zur Anpassung der Geometrie des Posthumus
Funnel die Veranderung dieser genugt. Zur numerischen Losung der Navier-Stokes-
Gleichung sind Rand- und Anfangsbedingungen notig. Abbildung 3.1 illustriert den
Aufbau des Berechnungsgitters des Posthumus Funnels mit seinen Randflachen.
Die Rand- und Anfangsbedingungen fasst Tabelle 3.1 zusammen.
Abbildung 3.1: Aufbau des Posthumus Funnel Gitters. Der”Einlass“,
”Aus-
lass“ und die”Wand“ entsprechen den Randflachen des
Berechnungsgitters
Zur Untersuchung des Einflusses der Gitterauflosung erfolgt zunachst die De-
finition zweier Standards: Std. 1 entspricht Wasser und Std. 2 99%igen Glycerin
(technisch, CAS-NO: 56-81-5; LOS 9M002821 AppliChem GmbH Darmstadt) bei
70
3 Material und Methoden
Tabelle 3.1: Randa- und Anfangsbedingungenb der Simulation des Posthumus Fun-nel fur die Randflachen und das Berechnungsgitter. Der Absolut-wert des Drucks ist zur Losung der Navier-Stokes-Gleichung nichtnotig, sondern Differenzdrucke. Ein Druck von 0 Pa bedeutet hierUmgebungsdruck
Druck in Pa Geschwindigkeit in ms
Einlass 0a,b ∇~u = 0a / 0b
Auslass 0a,b ∇~u = 0a / 0b
Wand ∇p = 0a / 0b 0a,b
Berechnungsgitter 0a,b 0a,b
einer Temperatur von 25◦C (beides newtonsche Fluide). Tabelle 3.2 gibt einen
Uberblick uber die physikalischen Stoffeigenschaften. Die Dichtemessungen erfolgt
mit Araometer, die Viskositat mit einem Rheometer UDS 200 der Firma Anton
Paar GmbH und die Benetzungswinkel entsprechen denen der Flussigkeit mit Ple-
xiglas (PMMA, Literaturwerte [76,118]). Der Grund fur die Wahl dieses Materials
liegt in der notigen Tranzparenz des Posthumus Funnel Modells fur die PIV Mes-
sungen (siehe Abschnitt 3.2).
Tabelle 3.2: Physikalische Stoffeigenschaften der beiden Standards Wasser (Std. 1)und 99%igem Glycerin (Std. 2) bei 25◦C
Stoff ρ in kgm3 υ in m2
sγ in N
mθ in ◦
Wasser 997 1,13 ·10−6 0,07 55 [76]
Glycerin 1265 8,93 ·10−4 0,07 63,8 [118]
Im Anschluss daran folgt die Generierung verschiedener Gitterauflosungen mit
dem zuvor beschriebenen M4-Praprozessor. Die Studie der Gitterabhangigkeit der
numerischen Losung erweist sich als wichtig, denn je feiner das Gitter, desto genau-
er oft das Ergebnis, doch umso hoher auch der Rechen- und Speicheraufwand. Au-
ßerdem lassen sich auf diese Weise Fehler, die aus der zeitlichen und ortlichen Dis-
kretisierung entstehen, abschatzen und vermeiden. Mit dieser Diskretisierung geht
stets die Mittelung der betrachteten Funktion uber ein zeitliches oder ortliches Ge-
biet einher. Es gilt also das richtige Verhaltnis zu finden, sodass die Berechnungen
71
3 Material und Methoden
nicht unnotig Ressourcen verwenden und dennoch Ergebnisse mit ausreichender
Prazision liefern. Eine Moglichkeit besteht in der Wahl unterschiedlich grober Git-
ter und dem Vergleich der numerischen mit experimentellen Ergebnissen, falls die
Simulation uberhaupt konvergiert. In der vorliegenden Arbeit kommen zunachst
funf unterschiedlich feine Gitter zum Einsatz. Die Abbildung 3.2 zeigt die Stan-
dardgeometrie des Posthumus Funnel mit der niedrigsten (meshWass1/meshGlyc1)
und hochsten Gitterauflosung (meshWass5/meshGlyc5), wahrend Tabelle 3.3 die
Anzahl der Zellen wiedergibt.
Tabelle 3.3: Untersuchte Gitterauflosungen fur die beiden Standards Wasser und99%iges Glycerin. Fur die erste Untersuchung blieb die Auflosung inz-Richtung fur alle Falle dieselbe (80 Zellen im oberen Zylinder, 40Zellen im Konus und 20 Zellen fur den unteren Zylinder)
Name Zellen in x-y-Ebene Zellen insg.
meshWass1/meshGlyc1 125 17500meshWass2/meshGlyc2 245 34300meshWass3/meshGlyc3 500 70000meshWass4/meshGlyc4 1125 157500meshWass5/meshGlyc5 2000 280000
Die zur Validierung herangezogene Große ist die aus dem Funnel ausgeflossene
Masse, was experimentell mit Hilfe einer an einen Messrechner angeschlossenen
Waage geschah. Die Aufnahme der Ausflusszeit erfolgt mit einem manuell betrie-
benen Zeitnehmer. Alle experimentelle Werte reprasentieren Mittelwerte aus drei
Messungen. Grund fur die Wahl dieser Großen und ihrer Messmethoden ist die Tat-
sache, dass genau diese Daten und dieses Vorgehen in der industriellen Anwendung
ublich sind.
Uber die zeitliche Integration des aus dem Ausfluss stromenden Massenstroms
besteht anschließend die Moglichkeit, die Fitparameter a und b aus Gl. (2.16) zu
ermitteln. Die Festlegung des Parameters c fur das Experiment und der Numerik
auf den Wert 0 erweist sich als legitim, denn c stellt nur eine Integrationskonstante
dar (Masse auf der Waage zum Zeitpunkt t = 0 s, Schnittpunkt mit der Ordinate).
72
3 Material und Methoden
(a) meshWass1/meshGlyc1
(b) meshWass5/meshGlyc5
Abbildung 3.2: Grobstes und feinstes Posthumus Funnel-Berechnungsgitter
73
3 Material und Methoden
3.2 PIV Messungen
Bei PIV handelt es sich um eine bereits gut etablierte Messtechnik. Dem inter-
essierten Leser sei hiermit weiterfuhrende Literatur empfohlen [96, 128, 129, 179].
PIV findet in der Stromungsuntersuchung haufig Anwendung, mit dem Ziel die
Stromungsgeschwindigkeit eines Fluids zu bestimmen und da dieses haufig ein
Kontinuum darstellt, zeigt sich der Einsatz von Tracern als notwendig, die das
eingestrahlte Licht zu streuen vermogen. Diese sollten ausreichend klein ausfallen
und am besten die selbe Dichte wie die Flussigkeit ausweisen, damit sie der Stro-
mung augenblicklich folgen konnen und Auftriebseffekte keine Rolle spielen, denn
diese verhindern das vorausgesetzte Folgevermogen. Im Gegenzug mussen die Par-
tikel genug Licht streuen, um diese im Lichtschnitt beobachten zu konnen. Diese
Arbeit nutzte”Hollow Glas Spheres“ mit einem mittleren Durchmesser von 40µm
Durchmesser.
Grundlage von PIV bildet die Bestimmung der Geschwindigkeiten aufgrund der
ortlichen Verschiebung vom Fluid mitgefuhrter Teilchen (sog. Tracerpartikel) in-
nerhalb einer Zeitspanne ∆t in zwei aufeinander folgenden Bilder. Der Korre-
lationsalgorithmus teilt ein Bild in Untersuchungsgebiete (”interrogation areas“)
ein, typischerweise zwischen 4 × 4 bis 32 × 32, teilweise sogar 64 × 64 Pixel, so-
dass sich im Mittel ca. 5-8 Tracerpartikel in einem Untersuchungsgebiet befinden.
Anschließend erfolgt die Berechnung der Kreuzkorrelationsfunktion benachbarter
Bildausschnitte der zeitlich versetzten Aufnahmen. Die ortliche Verschiebung die-
ser Untersuchungsgebiete (∆x, ∆y am Maximum der Kreuzkorrelationsfunktion)
resultiert demnach aus der Bewegung der aufgenommenen Partikelkollektive, wel-
che laut Annahme der Geschwindigkeit des Fluids entspricht. Diese Verschiebung
wird in Pixeln in der Ebene (hier als x-y-Ebene bezeichnet) ausgedruckt [176].
Eine vorherige Kalibrierung erweist sich zur Bestimmung der Geschwindigkeit in
realen Großen demnach als notig. Hierzu erfolgt die Aufnahme einer Skala mit
bekannter Skalierung in der Lichtschnittebene. Die zeitliche Verschiebung der bei-
den Bilder ergibt sich bei kontinuierlichen Lichtquellen aus der Verschlusszeit der
Kamera, bei gepulsten Lichtquellen aus deren Pulsdauer. Die Geschwindigkeiten
74
3 Material und Methoden
bestimmen sich zu
u ≈ ∆x
∆t(3.1)
und
v ≈ ∆y
∆t. (3.2)
Je geringer die zeitliche Verschiebung ∆t und je großer die real auftretenden
Geschwindigkeiten, umso genauer fallen die Ergebnisse der Gl. (3.1) und (3.2) aus.
Die Verwendung von PIV erscheint fur diese Arbeit als sinnvoll, da es sowohl die
temporare (wegen der Instationaritat) als auch die lokale Bestimmungen des Ge-
schwindigkeitsfeldes ermoglicht. Abbildung 3.3 zeigt den experimentellen Aufbau.
Abbildung 3.3: Messaufbau des PIV Messsystems
Ein Nd:YAG Laser und eine Zylinderlinse spannen in der x-z-Ebene (Abbil-
dung 3.4) einen Lichtschnitt auf, den dann senkrecht dazu eine CMOS-Kamera
(megaPixel MC1302 der Firma Mikrotron, maximale Auflosung 1280x1024 Pixel
bei einer maximalen Framerate von 100 fps) aufzeichnet.
Die Bildauswertung erfolgt mit der Software PIView2C der Firma PIVtec GmbH,
betrieben mit einem Kreuzkorrelationsmodus entwickelt von Raffel et al. [129]. Als
75
3 Material und Methoden
Abbildung 3.4: Lichtschnittebene durch das Messsystem. Die Kamera nimmt stetssenkrecht zum Lichtschnitt auf
Grundlage fur die Fertigung des Posthumus Funnel Modells dient ein Quader (70 x
70 x 172,2)mm aus PMMA. Durch Drehen auf der Drehbank und anschließendem
Polieren der Oberflache entsteht ein transparentes Modell. Der Grund fur die Wahl
der Quaderform liegt in der Vermeidung von Brechungseffekten an den Grenz-
flachen aufgrund der unterschiedlichen Brechungsindizes von Luft (nLuft ≈ 1),
PMMA (nPMMA = 1, 492) und Glycerin (nGlycerin = 1, 443, gemessen mit einem
Refraktometer DR5000 der Firma A. Kruss Optronic GmbH bei 25◦C). Senk-
rechtes beleuchten und betrachten des Quaders schließen Brechungseffekte an der
Grenzflache Luft/PMMA aus (Abbildung 3.4), doch eine genauere Untersuchung
des Einflusses der Brechungsindexunterschiede im Inneren des Modells (Ubergang
Glycerin/PMMA) erweisen sich als notig.
Schon die geringsten Unterschiede in den Brechungindizes fuhren in der Nahe der
Wand zu Verzerrungen des Bildes, doch ihr Einfluss auf das Experiment muss
nicht signifikant ausfallen. Zur Uberprufung, ob eine mathematische oder physika-
lische Korrektur der aufgenommenen Bilder notig ist, dient folgendes Experiment.
Abbildung 3.5 zeigt einen Massstab (Skalierung 0,5 mm) der sich in der selben
Ebene wie der Lichtschnitt befindet. Die Kamera nimmt ihn wie im eigentlichen
Experiment senkrecht zu dieser Ebene auf. Der Nullpunkt der Skala liegt auf der
Symmetrieachse (z-Achse).
76
3 Material und Methoden
Abbildung 3.5: Massstab mit einer Skalierung von 0,5 mm befindet sich im Post-humus Funnel, gefullt mit Glycerin
Abbildung 3.6 verdeutlicht, dass der Abstand zweier Skalierungen stets derselbe
bleibt. Dies bedeutet, dass die Brechungsindexunterschiede beim Ubergang vom
Glycerin ins PMMA an der Wand nicht in entscheidenden Abweichungen resultie-
ren und demnach keine Korrekturen notig sind.
Abbildung 3.6: Abstand zweier aufeinander folgenden Skalierungen in Pixel in Ab-hangigkeit vom radialen Abstand zur z-Achse. Der Massstab be-findet sich in einem mit Glycerin gefulltem Posthumus Funnel
77
3 Material und Methoden
3.3 Softwaretool”hANNdy“ zur Voraussage von
Mundgefuhlattributen
Wie unter Abschnitt 2.7 beschrieben existieren derzeit nur sehr wenige funktio-
nierende Modelle, um das Mundgefuhl mit einer ausreichenden Genauigkeit vor-
herzusagen. Vor allem das Gebiet der Kunstlichen Neuronalen Netze kam bei der
Bestimmung des Mundgefuhls bisher kaum zum Einsatz, obwohl es aufgrund sei-
ner Nachbildung der menschlichen Reizleitung sehr großes Potential bietet. Zur
erstmaligen Anwendung von KNN auf das Gebiet der Voraussage des Mundge-
fuhls entsteht im Rahmen dieser Arbeit das Softwaretool”hANNdy“, dass in der
Lage ist, aus einer bestehenden Datenbank von sensorischen und physikalischen
Daten automatisch Netze zu generieren, diese auf ihre Voraussagegenauigkeit zu
uberprufen, um sie dann beispielsweise routinemaßig als Microsoft Excel Funktion
anzuwenden.”hANNdy“ stellt eine Eigenentwicklung in Java dar, die dem An-
wender uber ein Interface die Wahl unterschiedlicher Parameter erlaubt, um diese
anschließend zum automatisierten trainieren und validieren zu nutzen.
3.3.1 Aufbau von”hANNdy“
Als Basis fur”hANNDy“ dient die Software
”Membrain“ [164], entwickelt von Tho-
mas Jetter. Membrain lasst neben der Nutzung seiner Funktionen uber eine gra-
phische Benutzeroberflache auch AngelSkript (ahnlich zu C++ oder Java) zur
externen Steuerung zu. Das in dieser Arbeit entwickelte Javaprogramm bietet dem
Anwender folgende Moglichkeiten:
• Generierung unterschiedlicher Netztopologien (z.B. Zahl der Eingangs-, und
Ausgangs- sowie versteckten Neuronen, Zahl der versteckten Schichten, Art
und Zahl der Verbindung innerhalb der Schichten, etc.)
• Definition von Trainings- und Validierungsdaten
• Automatisiertes trainieren und validieren bestehender oder zufallig generier-
ten Netztopologien
78
3 Material und Methoden
• Ermittlung der besten Netze zur Voraussage anhand vorgegebener Toleran-
zen
• Ausgabe dieser Netze zur Verwendung durch den Nutzer in spezifischen An-
wendungen
Gerade dem ersten Punkt ist eine große Bedeutung beizumessen, da die optimale
Netztopologie nicht a priori bekannt und in der Regel uber”trial and error“ zu
ermitteln ist. Einen generellen Uberblick uber”hANNdy“ liefert Abbildung 3.7.
Abbildung 3.7: Aufbau von”hANNdy“. Das Programm generiert nach Anwender-
wunsch AngelSkript-Dateien, die Membrain ausfuhrt. Das Resultatsind trainierte Netze, die eine Visual Basic-Bibliothek beispielswei-se in Microsoft Excel implementieren konnte
Die manuelle Bedienung von Membrain erweist sich trotz des Vorausschaltens
von”hANNdy“ als moglich, aber sehr zeitaufwendig. Dies liegt an der großen Per-
79
3 Material und Methoden
mutation der notigen Parameter. Die folgende Aufzahlung nennt alle in dieser
Anwendung vorkommenden, die das Programm automatisiert durchpruft.
• Verwendete Eingangsparameter
• Zahl der versteckten Schichten
• Zahl der versteckten Neuronen in jeder Schicht
• Art der Verbindung der Schichten (z.B. reines Feed-Forward oder vollstandig
verbundene Netze), oder vorher definierte Netztopologien
• Lernalgorithmus (hier stets Resilient Propagation RPROP)
• Verschiedene Konvergenzkriterien zum Abbruch des Lernvorgangs z.B. Er-
reichen des definierten”Target Net Errors“. Dieser entspricht der Summe
der quadrierten Differenzen der wahren Werte in der Datenbank und dem
errechneten durch das KNN. Die Berechnung erfolgt damit ahnlich der Stan-
dardabweichung. Ein weiteres Abbruchkriterium ist das Uberschreiten einer
Zeitspanne ohne Erreichen des”Target Net Errors“
• Festlegung des Zuschlags (in % des Wertebereichs) bei der Normalisierung
der Daten (ist notig um die physikalischen Werte- in die Definitionsmenge
der Aktivierungsfunktion zu transformieren)
• Toleranz der Akzeptanz einer Voraussage
Der letzte Punkt liefert eine grundsatzlich zu klarende Frage. Das KNN errech-
net anhand der erlernten Verbindungsgewichte einen numerischen Wert (z.B. Cre-
migkeit 7,5 von 15). Nun vergleicht”hANNdy“ diesen Wert mit dem Wahren aus
dem Experiment / dem Panel (z.B. 8,1), wobei dieser einen Mittelwert darstellt,
gewonnen aus mehreren Aussagen eines Sensorikpanels. Die Toleranz gibt an, ob
das Programm den errechneten Wert als richtig oder falsch einstuft. Prozentuale
Angaben beziehen sich auf den gesamten Wertebereich der Ausgabegroße, hier des
sensorischen Attributs. Die Entscheidung uber den Wert dieser Toleranz trifft der
Anwender, doch eine sinnvolle Vorgabe ist die Verwendung der Genauigkeit des
Panels selbst, z.B. konnte diese einer Standardabweichung entsprechen (0,07 im
80
3 Material und Methoden
vorliegenden Fall, d.h. |8, 1− 7, 5| ≤ Toleranz = 0, 07 · 15 = 1, 05).
Die Abbildung 3.8 zeigt das Benutzerinterface von”hANNdy“ zu Beginn. Es fuhrt
den Anwender durch alle notigen Punkte zur Generierung des optimierten Netzes.
Abbildung 3.9 zeigt das Ergebnis, das optimale Netz samt zugehorigen Netzpara-
meter. Fur den Nutzer ergeben sich einige Vorteile, so ubernimmt das Programm
viele Schritte der Topologie- und Parameteroptimierung und liefert schlussendlich
die unter den gewahlten Bedingungen bestmoglichen Netzparameter.
Abbildung 3.8: Hauptmenu und Startpunkt von”hANNdy“. Hier initialisiert der
Anwender alle Parameter zur Bestimmung der optimalen Netzto-pologie. Anschließend an die Initialisierung erzeugt das ProgrammSkript-Dateien fur Membrain, die den gesamten Trainings- und Va-lidierungszyklus mit den gewahlten Parameter selbststandig durch-laufen. Am Ende steht die Wahl der besten Netzparameter und-topologie anhand der festgesetzten Toleranz
81
3 Material und Methoden
Abbildung 3.9: Ergebnis der Optimierung der Netztopologie mit”hANNdy“.
Die dargestellten Ordner tragen die Namen ihrer Netztopologie(10 4 6 1 steht fur zehn Eingangsneuronen, vier versteckte Neu-ronen in der ersten und sechs in der zweiten versteckten Schichtund die eins fur ein Ausgangsneuron). Die Ordner selbst enthaltendie einzelnen Trainings- und Validierungszyklen. Ebenso erhalt derAnwender Informationen uber die erreichten Netzfehler der jewei-ligen Topologie
3.3.2 Verwendete Datenbank
Zur Uberprufung der Anwendbarkeit von KNN zur Voraussage sensorischer Mund-
gefuhlattribute dient eine bereits bestehende Datenbank von Janhoj et al. [71] aus
dem Jahr 2000, die diese freundlicherweise zur Verfugung stellen. Sie untersuchten
insgesamt 84 Joghurtproben anhand 29 sensorischer Attribute, davon acht mund-
gefuhlsspezifische wie”creaminess“ oder
”mouth viscosity“. Diesen gegenuber stan-
den 84 Labormessungen, dabei sowohl physikalische Großen als auch empirische
82
3 Material und Methoden
Messungen wie z.B. mit dem Posthumus Funnel.
Die hergestellten Joghurtproben umfassten solche mit Variation des Fettgehalts
(0,3%, 1,5% und 3,5%), sowie des Proteingehalts durch Addition unterschiedli-
cher Proteinmischungen (z.B. Magermilchpulver, mikropartikulare Milchprotein-
mischung und zwei kommerzielle Milchproteinmischungen von Arla Foods Ingre-
dients, Nr. Vium, Danemark) in diversen Konzentrationen (4,2%, 4,8%, 5,4% und
6,0%). Dadurch entstand eine breite Palette unterschiedlicher Rezepturen, jede in
dreifacher Ausfuhrung. Ausgehend von einer Rezeptur, die zu jeder sensorischen
Untersuchung als Referenz diente, entstanden 24 × 3 + 4 × 3 = 84 Proben. Diese
Datenbank gilt es nun in Trainings- und Validierungsdatensatze aufzuteilen, um
die Voraussagegenauigkeit und die Robustheit des KNN Modells zu uberprufen.
Aufgrund der Triplets einzelner Rezepturen sollte der Datensatz keine zufallige
Aufteilung erfahren, da dadurch die statistische Wahrscheinlichkeit bestunde, dass
jede Rezeptur mindestens einmal im Trainings- und Validierungssatz vorkommt.
Dies fuhre kunstlich zu hoheren Voraussagegenauigkeit, denn das KNN validiert
dann mit bereits bekanntem Wissen der Trainigsdaten. Schlussendlich dienen neun
zufallig herausgegriffene der 25 Rezepturen (als Triplet) zur Validierung, der Rest
zum Training. Diese Vorgehensweise ergibt stets die Gewahrleistung, dass das KNN
generalisiert und nicht auswendig gelerntes Wissen wiedergibt. Es sei auch noch
einmal explizit darauf hingewiesen, dass diese Triplets Rezepturen mit unterschied-
lichen Proteinzusatzen enthalten, was die Dimension der Mundgefuhlsbeeinflus-
sung durch die Mikrostruktur weiter erhoht.
3.3.3 Auswahl der physikalischen Großen
Aufbauend auf den publizierten Daten von Janhoy et al. [71] dienen die funf physi-
kalischen Großen mit der großten Korrelation (ausgedruckt als Korrelationskoeffi-
zient R2) mit der”M Viscosity“ als Eingangsparameter, siehe auch Abschnitt 3.3.2.
Diese lauten:
• a8mm Fitparamter a der Funktion m(t) = at2 + bt+ c fur den Masseausfluss
aus dem Posthumus Funnel
• b8mm Fitparamter b der Funktion m(t) = at2 + bt+ c fur den Masseausfluss
83
3 Material und Methoden
aus dem Posthumus Funnel
• Gst1Hz Speichermodul bei einer Kreisfrequenz von 1Hz
• shear9 Schubspannung bei einer Scherrate von 9, 2 s−1
• Khers Konsistenzparameter K des Herschel-Bulkley Modells
Abbildung 3.10 zeigt eine mogliche Netztopologie, wobei nur die Großen a8mm
und b8mm Beachtung finden. Die anderen Großen erscheinen zwar, doch durch die
fehlenden Verbindungen mit den versteckten Schichten tragen sie nicht zum Ergeb-
nis bei. In den Abbildungen 3.11 und 3.12 ist der Zusammenhang der genannten
physikalischen mit der sensorischen Große”M Viscosity“ aufgezeigt. Trotz dieser
starken Reduktion auf funf physikalische Großen verbleiben immer noch 25 = 32
mogliche Kombinationen an Eingangsparameter, die”hANNdy“ alle uberpruft.
3.3.4 Beurteilung der Voraussagegenauigkeit
Sobald sich der Anwender dafur entscheidet, das KNN Modell statt einem Senso-
rikpanel zur Beurteilung der sensorischen Qualitat zu verwenden, so interessiert
ihn primar die Verlasslichkeit der Vorhersage. Vor allem im Hinblick darauf, dass
die numerischen Werte keine absoluten physikalischen Großen angeben, sondern
sehr stark vom Panel und seinem Training abhangen. Das KNN liefert demnach
nicht”bessere“ oder
”richtigere“ Werte als das Panel. Die menschliche Empfindung
(oder genauer die des trainierten Panels) stellt das maximal erreichbare Maß an
Genauigkeit dar, das KNN versucht die humane Voraussage nachzuahmen. Das
heißt zum Beispiel, ein Produkt X erhalt auf einer Skala von 0 - 15 fur die Cremig-
keit von Panel A andere, aber ahnliche Werte im Vergleich zu Panel B (siehe hierzu
Abschnitt 2.5). Das nach Panel A trainierte Netz gibt eine Aussage im Bezug zu
diesem Panel wieder, kann aber sollte demnach nicht ohne vorherige Prufung fur
das Panel B Einsatz finden. Außerdem kommt noch erschwerend hinzu, dass selbst
eine Netztopologie fur verschiedene Startpunkte des Lernprozesses (d.h. anfangli-
che Gewichte der Neuronenverbindungen) unterschiedliche Werte ausgibt, je nach
dem in welchem lokalen Minimum sich der Lernalgorithmus nach der Trainings-
phase befindet.
84
3 Material und Methoden
Abbildung 3.10: Beispiel einer klassischen feed-forward Netztopologie in Mem-brain [164], wobei durch die fehlenden Verbindungen der ande-ren Großen mit den versteckten Schichten nur die Werte a8mmund b8mm zur Gesamtvoraussage beitragen. Die Zahlen unter denNeuronen zeigen ihre Aktivierung
Eine vollstandige Uberwindung dieser Einschrankungen ist durch die Natur der
KNN schwierig, doch helfen statistische Uberlegungen die Auswirkungen dieser
Phanomene abzuschatzen und gegebenenfalls abzuschwachen. So trainiert und va-
lidiert”hANNdy“ in dieser Arbeit nicht mit einem Trainings- und Validierungs-
datensatz, sondern mit dreien, d.h. die gesamten Daten (Rezepturen) werden auf
drei unterschiedliche Weisen zufallig aufgeteilt. Außerdem kann der Nutzer die Zahl
der Trainings- und Validierungsdurchlaufe einer Netztopologie und eines”Target
Net Errors“ vorher festlegen. Fur das vorliegende Beispiel betragt die Zahl der
Durchlaufe zehn. D.h. pro Kombination aus Netztopologie (einschließlich der ver-
wendeten Eingangsgroßen) und”Target Net Error“ liegen 3×10 = 30 Voraussagen
85
3 Material und Methoden
(a)
a8m
m(b
)b8
mm
(c)
Gst
1Hz
Abbildung
3.11
:Z
usa
mm
enhan
gzw
isch
enden
gew
ahlt
enphysi
kalisc
hen
Gro
ßen
”a8m
m“,
”b8m
m“
und
”Gst
1Hz“
mit
der
”MV
isco
sist
y“
86
3 Material und Methoden
(a)
shea
r9(b
)K
Her
s
Abbildung
3.12
:Z
usa
mm
enhan
gzw
isch
enden
gew
ahlt
enphysi
kalisc
hen
Gro
ßen
”shea
r9“
und
”KH
ers“
mit
der
”MV
isco
sist
y“
87
3 Material und Methoden
einer Rezeptur vor (Mittelwert des Triplets). Da pro Validierungssatz neun Rezep-
turen zur Verfugung stehen, ergeben sich damit 30 × 9 = 270 Voraussagen. Alle
folgenden prozentualen Angaben der”mittleren Voraussagegenauigkeit“ (MVG)
beziehen sich auf diese Zahl (eine MVG von 95% bedeutet, dass 256 der 270 Vor-
aussagen in den Bereich der Toleranz fallen).
Die”Varianz der Voraussage“ (VAV) bietet ein zusatzliches numerisches Maß zur
Beurteilung der MVG verschiedener Netztopologien,”Target Net Errors“ und To-
leranzen. Sie errechnet sich aus der Varianz aller prozentual richtig erkannten Pro-
ben pro Trainings- und Validierungszyklus bei definiertem”Target Net Error“ und
Netztopologie. Sie beinhaltet außerdem durch die Einbeziehung aller neun Rezep-
turen auch die Generalisierungsfahigkeit des Netzes, da auf diese Weise die un-
terschiedlichen Proteinmischungen Beachtung finden, was die Robustheit der Vor-
aussage fur diesen Datensatz nochmals unterstreicht. Um dies zu verdeutlichen:
das Netz zeigt sich demnach nicht nur in der Lage eine bestimmte Joghurtsorte,
sondern eine ganze Palette an diversen Proteinzusatzen und ihrem zugehorigen
Mundgefuhl vorherzusagen.
88
3 Material und Methoden
3.4 Untersuchung des relativen Einflusses von
Oberflachenmechanorezeptoren und
Propriozeption
Diese Untersuchungen zielen auf die Beantwortung der Frage ab, welches Sinnes-
system den großten Einfluss auf die Wahrnehmung des Mundgefuhls zeigt (Erlau-
terungen siehe Abschnitt 2.2). Hierbei dienen die unter Abschnitt 2.1.4 genannten
spezifischen Eigenschaften des Oberflachenanasthetikums Lidocain. Die Applikati-
on von Lidocain fuhrt zu einer temporaren Inaktivierung der Oberflachensensoren,
bei gleichzeitigem Erhalt der Propriozeption und Tiefensensibilitat [1,133]. Je nach
dem welches System einen großeren Einfluss auf die Wahrnehmung des Mundge-
fuhls aufweist, sollte eine Behandlung mit Lidocain in den Extremfallen keinen
oder einen sehr großen Effekt zeigen.
Fur die beiden Studien erfolgte die Auswahl geeigneter Probanden. Lidocain kann
wie alle anderen Anasthetika zu Komplikationen fuhren, vor allem den Kreislauf
betreffend. Auf Grund dessen durfen nur gesunde, nicht schwangere Personen an
den Untersuchungen teilnehmen, die zudem keine Unvertraglichkeiten auf Anasthe-
tika des Amidtyps besitzen. Zur Aufklarung uber die Risiken und den Versuchsab-
lauf unterschreibt jeder Teilnehmer eine durch die Ethikkommission der Universi-
tat Erlangen-Nurnberg akzeptierte Probandenaufklarung und Einverstandniserkla-
rung. Auch das gesamte Vorhaben erhielt die Zustimmung der Ethikkommission.
3.4.1 Probenvorbereitung
Als Probe findet kommerziell erhaltlicher Vanillepudding (Dr. Oetker, Cremepud-
ding Garant Vanillegeschmack, Pulver), hergestellt mit 1,5% fetthaltiger Milch
(K Classic, Handelsmarke Kaufland, fettarme H-Milch, 1,5% Fett, ultrahocher-
hitzt) Verwendung. Als Referenz (Bezeichnung:”100%“) dienen 54 g Puddingpul-
ver (PP) vermengt mit 500 ml Milch. Die Kochung erfolgte nach dem Rezept auf
der Verpackung, d.h. auf das Aufkochen der Milch folgt das Einruhren des PP und
anschließend die Lagerung im Kuhlschrank bei 4 ◦C. Am nachsten Tag werden die
Proben aus dem Kuhlschrank genommen damit sie sich auf Zimmertemperatur er-
89
3 Material und Methoden
warmen konnen (ca. 22 ◦C). Daten zu den weiteren Proben sind der Tabelle 3.4 zu
entnehmen. Die gewahlten Konzentrationenabstufungen ergaben sich durch Vor-
versuche.
Tabelle 3.4: Proben der Studie 1 und 2. Milch (K Classic, Handelsmarke Kaufland,fettarme H-Milch, 1,5% Fett, ultrahocherhitzt) und Dr. Oetker Cre-mepudding Garant Vanillegeschmack (PP). Die gewahlten Konzentra-tionen ergaben sich durch Optimierung anhand von Vorversuchen
Bezeichnung Masse Milch in g Masse PP in g
100% (Referenz) 500 54,095% 500 51,393% 500 50,287% 500 46,983% 500 44,8
Voruntersuchungen mit Hilfe von Dreieckstests ergaben, dass sich wiederholte
Kochungen der selben Konzentrationen weder vom Mundgefuhl, noch vom Ge-
schmack her statistisch (Signifikanzniveau α = 0,01) unterschieden. Der Triangel-
oder Dreieckstest ist einer der am meisten genutzten sensorischen Routineunter-
suchung in der Produktentwicklung oder der Qualitatssicherung [21]. Hierbei soll
der Proband aus drei Proben diejenige bestimmen, die seiner Meinung nach von
den anderen beiden abweicht. Die Art der Abweichung kann dabei beliebig sein,
d.h. sowohl gustatorisch, olfaktorisch aber auch von der Textur oder der Farbe her
gesehen. Die Darreichung erfolgt in außerlich neutralen und gleichen Behaltnissen,
meist mit einer dreistelligen Probenummer. Das Ziel dieser Untersuchung besteht
darin, Unterschiede zwischen zwei Proben festzustellen, wobei die Art der Abwei-
chung durch die gezielte Frage ebenfalls mit in die Auswertung einfließen kann.
Dieses Vorgehen laßt primar keine quantitativen Aussagen zu (z.B. Joghurt A ist
funf mal cremiger als Joghurt B), doch durch die Wahl der Proben lassen sich im
Anschluss qualitative Erkenntnisse schlussfolgern.
Die Aufnahme der Fließkurven geschieht mit einem Rotationsrheometer der Reihe
UDS 200 der Firma Anton Paar GmbH (Graz, Osterreich) mit einer Kegel-Platte
Konfiguration (Durchmesser des Kegels = 75 mm und Steigungswinkel 1 ◦) in ei-
nem Scherratenbereich von 1 - 100 s−1 (orale Scherraten) bei 22 ◦C (Verkostung der
Proben bei Raumtemperatur!). Abbildung 3.13 zeigt die relativen Viskositatsfunk-
90
3 Material und Methoden
tionen der Proben, jeweils bezogen auf die Referenzviskositat der Probe”100%“.
Abbildung 3.13: Viskositatsfunktion der Puddingproben. Die Ordinate zeigt rela-tive Viskositaten, d.h. die Probenviskositat bezogen auf die derReferenz (100%). Die scheinbare Viskositat der Referenz bei einerScherrate von γ = 50 s−1 liegt bei 1,26 Pas. Im Bereich der oralenScherraten (γ = 10 − 100 s−1) zeigen alle Proben vergleichsweisekonstante relative Werte. Die Messtemperatur betragt 22 ◦C
Deutlich zu erkennen sind die vergleichsweise konstanten relativen Viskositaten
uber den Bereich der oralen Scherraten. Dies bedeutet, die Annahme, dass Probe
”83%“ z.B. uber einen weiten Bereich nur ca. 59% der Viskositat der Referenz
besitzt, ist stets haltbar, unabhangig von den im Mund vorherrschenden lokalen
Scherraten. Aufgrund dieser Tatsache erfolgte der Vergleich der jeweiligen Proben
mit der Referenz. Dadurch ergeben sich Aussagen, ab welcher Viskositatsanderung,
bezogen auf die Referenz, eine durch den Dreieckstest detektierbare Abweichung
auftritt, d.h. ab welcher Konzentration sich das Mundgefuhl unterscheidet. Die
Studie 1 nutzt diese Tatsache um eine Aussage daruber treffen zu konnen, ob
sich die Mechanorezeptoren (durch Lidocain inaktiviert) oder die Propriozeption
(nicht durch Lidocain beeinflußt) maßgeblich fur die Mundgefuhlswahrnehmung
91
3 Material und Methoden
verantwortlich zeigen.
3.4.2 Studie 1: Triangeltest
Das Panel der ersten Studie besteht aus sechs mannlichen und sieben weiblichen
Personen, mit einem mittleren Alter von 33 Jahren. Die alteste Person ist 54 und
die jungste 24 Jahre alt. Außer dem Geschlecht und dem Alter werden keine wei-
teren personenbezogene Daten erhoben, auch die Auswertung erfolgt anonym. Die
Versuchsteilnehmer besitzen kein sensorisches Training, doch aufgrund des Ver-
suchsaufbaus und der qualitativen Aussage besteht dafur keine unbedingte Not-
wendigkeit. Trotzdem trifft sich das gesamte Panel und die Experimentatoren vor
den Versuchen zu einer Konsensfindung bezuglich der Mundgefuhlattribute, da
die meisten Teilnehmer keine einheitliche Vorstellung dieser, im Alltag wenig ge-
nutzten, Begriffe zeigten. Als Referenzen hierfur dienen die Probe”100%“ und
unterschiedliche kommerziell erwerbliche Vanillepuddings und Vanillesoßen. Diese
zeigen eine breite Verteilung von Konsistenzen und Viskositaten, anhand derer sich
die Probanden auf ein einheitliche Terminologie einigen.
Das Anlegen einer Augenbinde und einer Nasenklammer verhindert die Ermittlung
von Unterschieden der Proben durch ihren Geruch und Aussehen. Zusatzlich hier-
zu sollte die Versuchsperson keinen weiteren physischen Kontakt mit der Probe
erhalten, deshalb verabreicht der Experimentator dem Probanden die Probe auf
Plastikloffeln direkt in den Mundraum. Um eine definierte, reproduzierbare und
standardisierte Bewegung bei allen Versuchsteilnehmern zu erreichen, sollen die
Probanden die Probe nach dem in den Mund fuhren sofort herunter schlucken.
Dies erweist sich als notig, da jeder Mensch seine Nahrung auf unterschiedliche
Weise im Mund prozessiert. Der Experimentator benennt die Proben eines Pro-
bensatzes mit”Probe 1“,
”Probe 2“ und
”Probe 3“, das bei jederzeit moglicher
Ruckverkostung. Danach nennt der Proband die abweichende Probennummer und
die Art der Abweichung mit eigenen Worten (Begriffe aus der vorher beschriebenen
Konsensfindung:”dicker“,
”cremiger“,
”viskoser“,
”schwerer zu schlucken“), der Ex-
perimentator notiert die dreistellige Probennummer und die mundlichen Aussagen
stichwortartig. Die Probanden konnen auf eigenen Wunsch hin mit kohlensaure-
freiem Mineralwasser bei Zimmertemperatur ihren Mund spulen.
92
3 Material und Methoden
Die erste Triangeltestserie erfolgen ohne Betaubung bei Vergleich aller vier Proben
(95%, 93%, 87% und 83%) mit dem Standard 100%. Die Reihenfolge der Konzen-
trationen und die doppelte Probe sind dabei stets zufallig. Zur getrennten Unter-
suchung des Einflusses von Mechanorezeptoren des Gaumens und der Zunge er-
folgt zunachst die Betaubung des Gaumens durch Lidocain (Xylocain R©Pumpspray
Dental, Astrazeneca GmbH). Der Proband erhalt einen mit Lidocain (50 mg) ge-
trankten Wattebausch und bestreicht damit selbststandig fur 2 min seinen gesam-
ten harten und Teile des weichen Gaumens, ohne dass dabei Flussigkeit die Zunge
beruhrt. Durch das Eindrucken des eigenen Fingernagels an unterschiedlichen Stel-
len testen die Probanden die Wirksamkeit der Anasthesie. Zu bemerken gilt dabei,
dass die Betaubung mit Lidocain nie die gesamte Tastempfindung auszuschalten
vermag, doch setzt es die Sensibilitat schon ab 10 mg deutlich herab [42]. Darauf
folgt die Untersuchung der selben Serie an Proben, wieder mit zufalliger Reihen-
folge der Konzentrationen und der doppelten Probe.
Durch die schlussendliche gesamte Betaubung des Mundraums ist der Einfluss
der Zunge auf die Mundgefuhlswahrnehmung extrahierbar. Dafur appliziert der
Experimentator uber das Pumpspray weitere 150 mg gleichmaßig im Mundraum.
Die Gesamtmenge an Lidocain ubersteigt damit nicht die Tageshochstdosis von
200 mg. Der Proband behalt danach das Lidocain fur 3 min im Mund und ver-
teilt es dabei gleichmaßig uber Kreisbewegungen des Kopfes und durch die Zun-
ge standig im gesamten Mundraum. Nach dem Ausspucken des Lidocains spulen
die Versuchspersonen ihren Mund mit kohlesaurefreiem Mineralwasser. Die Betau-
bung ist sehr stark, die Probanden beschrieben sie vom Gefuhl her ahnlich einer
Leitungsanasthesie beim Zahnarzt, bei einer fast vollstandig fehlenden Beeintrach-
tigen der Zungenbewegung, d.h. sie konnen noch problemlos sprechen. Auch in
diesem Durchgang verkosten die Probanden alle Proben mit Bezug zur Referenz,
bei zufalliger Wahl der doppelten Probe.
Schlussendlich vergleicht ein Proband meist innerhalb von 30 min 5× 3 = 15 Pro-
bentriplets. Um die Aussagen aus Studie 1 zu festigen dient eine zweite Studie, die
Oberflacheneffekte von Masseneffekten zu trennen vermag.
93
3 Material und Methoden
3.4.3 Studie 2: Profilierung anhand einer hedonischen Skala
Die zweite Studie lauft in ihren Grundzugen genauso ab wie die Studie 1, mit dem
Unterschied, dass ihr Fokus auf der quantitativen Beschreibung der Probeneigen-
schaften liegt. Die Darreichung, die Betaubung und alle anderen externen Stu-
dienbedingungen entsprechen der ersten Studie. Hierbei kommen auch die gleichen
Proben zum Einsatz, d.h. jeder Proband evaluierte pro Durchgang funf Proben
(siehe Tabelle 3.4). Außerdem entfallt die getrennte Betaubung von Zunge und
Gaumen und nur der gesamte Mundraum wird anasthesiert.
An der zweiten Studie nehmen 15 gesunde, nicht schwangere Personen teil, davon
zehn weiblich und 5 mannlich. Das durchschnittliche Alter liegt bei 27,1 Jahren,
die alteste Person ist 48, die jungste 21 Jahre alt. Die Panelisten sind untrai-
niert, erhalten aber eine Grundschulung zur Findung eines Konsenses bezuglich
der Mundgefuhlattribute. Auch bei dieser Testreihe legen die Probanden eine Au-
genbinde und eine Nasenklammer an und die Experimentatoren verabreichten die
Probe mit einem Plastikloffel direkt in den Mund des Probanden. Dieser hat an-
schließend 5 s Zeit die Mundgefuhlattribute:
• Konsistenz. Synonym fur die orale Viskositat mit den extremen”sehr dunn
/ dunnflussig“ und”sehr dick / dickflussig“
• Cremigkeit. Schwer zu definierender Begriff. Korreliert mit der Konsistenz,
enthalt aber auch Anteile die sich durch das Schmelzverhalten und der”Glatt-
heit“ definieren (siehe hierzu auch Abschnitt 2.5)
• Belegender Effekt. Entsteht durch die Restmenge an Lebensmittel die sich
nach dem Schlucken des Speisebreis noch in der Mundhohle befindet. Typi-
scherweise bei Erdnussbutter zu beobachten
zu evaluieren. Die zeitliche Vorgabe dient der Vermeidung von Verdunnungs-
effekten und enzymatischen Reaktionen mit dem Speichel und seiner Amylasen.
Die Wahl der genannten sensorischen Großen begrundet sich in der Tatsache, dass
die Konsistenzempfindung vor allem mit der Viskositat des Lebensmittels im Zu-
sammenhang steht, welche somit das Verhalten und den Deformationswiderstand
der gesamten Masse beeinflusst. Das belegende Mundgefuhl hingegen entsteht vor-
nehmlich durch Lebensmittel an der Oberflache der Mundhohle. Die Cremigkeit
94
3 Material und Methoden
besitzt beide Eigenschaften, denn der aktuelle Stand der Wissenschaft geht bei
ihr von reibungsbestimmten Effekten an der Kontaktflache von Lebensmittel und
Zunge / Gaumen aus [5]. Je nach dem welches Sinnessystem großeren Einfluss
auf die Mundgefuhlswahrnehmung zeigt, sollten die Abweichungen der Attributs-
bewertungen mit und ohne Anasthesie mehr oder weniger schwanken. Unter der
Annahme, dass die Propriozeption, d.h. die Schluckkraft und Stellung der Zunge,
den dominanten Anteil der Mundgefuhlsevaluierung darstellt, so fuhre die Betau-
bung mit Lidocain bei der Konsistenz zu kaum einem Effekt. Anders herum beim
belegenden Mundgefuhl. Vom ersten Eindruck her handelt es sich um ein Oberfla-
chenphanomen, demnach sollte daraus eine starke Beeintrachtigung durch Lidocain
resultieren. Durch die Kombination aller Ergebnisse lasst sich eine Aussage uber
die Art der Mundgefuhlsentstehung treffen, was fur zukunftige Forschung in Rich-
tung Voraussage des Mundgefuhls die Wahl an rheologischen und physikalischen
Großen vereinfachen und steuern kann.
95
4 Ergebnisse und Diskussion
Dieses Kapitel beschaftigt sich mit den gewonnenen Erkenntnissen dieser Arbeit.
Zunachst stehen die Ergebnisse der Posthumus Funnel Untersuchungen im Vor-
dergrund. Die Nutzung der abgeleiteten stromungsmechanischen Großen des Post-
humus Funnel zeigen bei der Voraussage mittels KNN eine signifikante Steigerung
der Voraussagegenauigkeit. Daran schließen sich die Resultate der sensorischen
Untersuchungen an. Als Eingangsgroßen in das KNN dienen vor allem rheologi-
sche Daten, deshalb interessiert die Antwort auf die Frage, ob sich ihr Einfluss
rein auf die Interaktion mit den taktilen Mechanorezeptoren im Mund beschrankt
oder auch global auf die Propriozeption. Dieser Abschnitt enthalt zugleich erste
Abschatzungen, wie sich die errechneten Druckverteilungen auf die Mechanorezep-
turen in der oralen Mucosa auswirken.
4.1 Anpassung der Geometrie des Posthumus Funnel
4.1.1 Analytische Losungen der Navier-Stokes-Gleichung fur
die Stromungen im Posthumus Funnel
Trotz der einfachen Geometrie des Posthumus Funnel lassen sich analytische Lo-
sungen der Bewegungsgleichungen nur fur bestimmte Bereiche unter einigen Ver-
einfachungen erhalten. Aufgrund des großen Durchmessers des oberen Zylinders
und der freien Oberflache erweisen sich die Geschwindigkeiten, und damit Scher-
und Elongationsraten, als vernachlassigbar. Der Konus und der untere Zylinder
bestimmen das Stromungsprofil, der obere Zylinder fungiert als eine Art”Vorrats-
gefaß“. Die Analyse der Stromung geschieht zunachst in zylindrischen Koordinaten,
basierend auf Abbildung 2.17.
Im konischen Teil soll gelten, dass keine Drallkomponente vorhanden (Uϕ = 0),
96
4 Ergebnisse und Diskussion
die Stromung aufgrund fehlender Krafte in Umfangsrichtung rotationssymmetrisch
( ∂∂ϕ
= 0), stationar ( ∂∂t
= 0) und die Dichte sowie die dynamische Viskositat kon-
stant seien (d.h. Anwendung der Navier-Stokes-Gleichung).
Fur die Kontinuitatsgleichung ergibt sich daraus
1
r
∂
∂r(Ur r) +
∂Uz∂r
= 0. (4.1)
Fur die Navier-Stokes-Gleichung in r-Richtung
Ur∂Ur∂r
+ Uz∂Ur∂z
= −1
ρ
∂p
∂r+ ν
[∂
∂r
(1
r
∂
∂r(Ur r)
)+∂2Ur∂z2
](4.2)
und in z-Richtung
Ur∂Uz∂r
+ Uz∂Uz∂z
= −1
ρ
∂p
∂z+ ν
[1
r
∂
∂r
(r∂Uz∂r
)+∂2Uz∂z2
]− g. (4.3)
Um die Bedeutung der Terme dieser Gleichungen abzuschatzen, dient die Entdi-
mensionierung der Gleichungen [38]. Hierzu erfolgt die Definition dimensionsloser
Großen (z.B. r∗), die durch Wahl geeigneter Bezugsgroßen die Großenordnung
von Eins annehmen (r∗ = O(1)). Unter Verwendung der Dimensionen der Abbil-
dung 2.17 soll gelten
r∗ = rD0
; z∗ = zD0
; U∗r = Ur
Uz,0,m; U∗z = Uz
Uz,0,m; p∗ = p
ρU2z,0,m
.
Hierbei reprasentiert Uz,0,m die volumenstromgemittelte Geschwindigkeit im un-
teren Zylinder (entspricht der Ausflussgeschwindigkeit). Diese Werte dienen als
Referenzen, da sie die Stromung im Posthumus Funnel massgeblich beeinflussen.
Eingesetzt in die Gl. (4.1), (4.2), (4.3) resultiert
1
r∗∂
∂r∗(U∗r r
∗) +∂U∗z∂r∗
= 0 (4.4)
U∗r∂U∗r∂r∗
+ U∗z∂U∗r∂z∗
= −∂p∗
∂r∗+
1
Re
[∂
∂r∗
(1
r∗∂
∂r∗(r∗ U∗r )
)+∂2U∗r∂z∗2
](4.5)
97
4 Ergebnisse und Diskussion
U∗r∂U∗z∂r∗
+ U∗z∂U∗z∂z∗
= −∂p∗
∂z∗+
1
Re
[1
r∗∂
∂r∗
(r∗∂U∗z∂r∗
)+∂2U∗z∂z∗2
]− 1
Fr2. (4.6)
Eine Analyse der resultierenden Parameter liefert das Ergebnis, das alle Terme
der Navier-Stokes-Gleichung ahnliche Großenordnungen aufweisen (Re entspricht
der Reynolds-Zahl mit Re ≈ 1 und Fr der Froude-Zahl mit Fr ≈ 1) und damit
nicht vernachlassigbar sind. Dies bedeutet, dass in der Literatur bisher keine ana-
lytische Losung ohne weitere Vereinfachungen existiert.
Im Jahr 1917 publizierte Hamel [57] eine Losung der Navier-Stokes-Gleichung fur
eine konvergierende oder divergierende Kanalstromung. Auf dieser und der Ar-
beit von Vatistas und Ghaly [169] aufbauend, erfolgt in dieser Arbeit erstmals
die Losung der Bewegungsgleichungen fur die Stromung im Konus des Posthu-
mus Funnels (und ahnlichen Ausflussmethoden) in spharischen Koordinaten. Die
Abbildung 4.1 skizziert die Geometrie.
Abbildung 4.1: Skizze der Geometrie und des Koordinatensystems zur Losung derkonvergierenden Dusenstromung eines inkompressiblen Fluids kon-stanter Dichte und dynamischer Viskositat
Es ist leicht zu erkennen, dass diese Stromung einige weitere Vereinfachungen im
Vergleich zum Konus des Posthumus Funnel mit einbezieht. Zum einen stellt sie
98
4 Ergebnisse und Diskussion
eine reine Senkenstromung zum Ursprung hin oder eine Quellstromung vom Ur-
sprung weg dar und sie enthalt nur radiale Geschwindigkeitsanteile. Dies bedeutet
Uφ = Uϕ = 0 (4.7)
sowie
Ur = g(r, ϕ). (4.8)
Die Kontinuitatsgleichung in spharischen Koordinaten lautet fur diesen Fall
1
r2
∂
∂r
(Ur r
2)
= 0. (4.9)
Daraus folgt nach Integration
Ur =f(ϕ)
r2. (4.10)
Fur die Navier-Stokes-Gleichung in r-Richtung gilt
Ur∂Ur∂r
= −1
ρ
∂p
∂r+ν
[1
r2
∂
∂r
(r2∂Ur∂r
)+
1
r2 sinϕ
∂
∂ϕ
(sinϕ
∂Ur∂ϕ
)− 2Ur
r2
]−ρg cosϕ
(4.11)
und in ϕ-Richtung
0 = −1
ρ
1
r
∂p
∂ϕ+ ν
(2
r2
∂Ur∂ϕ
)+ g sinϕ. (4.12)
Ferner soll nun gelten, dass
f ′ = ∂f(ϕ)∂ϕ
; f ′′ = ∂2f(ϕ)∂ϕ2 ; f ′′′ = ∂3f(ϕ)
∂ϕ3 .
Einsetzen der Beziehung (4.10) in die Gl. (4.11) und (4.12) liefert
−2f 2
r5= −1
ρ
∂p
∂r+ ν
[1
r4 tanϕf ′ +
1
r4f ′′]− g cosϕ. (4.13)
und
0 = −1
ρ
∂p
∂ϕ+ ν
2
r3f ′ + gr sinϕ. (4.14)
99
4 Ergebnisse und Diskussion
Zur Eliminierung der Druckterme erfolgt die Differenzierung von Gl. (4.13) nach
r und Gl. (4.14) nach ϕ und anschließend die Addition der Resultate. Dies ergibt
f ′′′ +1
tanϕf ′′ +
(6− 1
sin2 ϕ− 4
νrf
)f ′ = 0. (4.15)
Diese Gleichung ist eine gewohnliche nichtlineare Differentialgleichung dritter
Ordnung in ϕ, fur r als fixen Parameter. Im Gegensatz zur Kanalstromung nach
Hamel fallt die Abhangigkeit von r nicht heraus, und r muss als Parameter mit-
gefuhrt werden. Aufgrund dessen ist die Ahnlichkeit der Losungen nicht gegeben,
sondern sie gilt nur fur den gewahlten radialen Abstand. Zur Losung bedarf es
einer Neben- und zweier Randbedingungen. Sie reprasentieren die Haftbedingung
an der Wand
f (α) = 0, (4.16)
die Achsensymmetrie um die z-Achse
f ′ (0) = 0 (4.17)
und die Erhaltung des Volumenstroms uber die Oberflache eine Kugelkalotte
mit Radius r
±V = 2π
α∫0
sinϕf (ϕ) dϕ. (4.18)
Das Vorzeichen bezeichnet die Flussrichtung. Das Plus gilt fur eine Quellstro-
mung (vom Ursprung weg) und das Minus fur eine Senkenstromung (zum Ursprung
hin). Zur Entdimensionierung dieser Gleichungen soll gelten
F =α f
V, (4.19)
ϕ∗ =ϕ
α. (4.20)
100
4 Ergebnisse und Diskussion
Daraus resultieren die dimensionslosen Randbedingungen
F (1) = 0, (4.21)
F ′ (0) = 0, (4.22)
die dimensionslose Nebenbedingung
2π
1∫0
sin (αϕ∗) F (ϕ∗) dϕ∗ = ±1, (4.23)
sowie die dimensionslose Differentialgleichung
F ′′′ +1
tan (αϕ∗)F ′′ +
(6− 1
sin2 (αϕ∗)− 4
V α
νrF
)F ′ = 0 (4.24)
Durch die Wahl von Spezialfallen (z.B schleichende Stromung oder Stromung
hoher Reynoldszahlen) lasst sich diese Differentialgleichung analytisch losen. Fur
die allgemeine Gleichung liefern Vatistas und Ghaly [169] numerische Losungen,
doch in einem anderen Bezugssystem. Ebenso existiert nach derzeitigem Wissens-
stand keine analytische Losung [169], deshalb ist die numerische Simulation fur die
Standard Posthumus Funnel Geometrie, unter Einbeziehung viskoser Effekte, die
einzige Moglichkeit die Stromung im Konus zu quantifizieren.
4.1.2 Vergleich von Experiment und numerischer Simulation
4.1.2.1 Ausgeflossene Masse: Konvergenzverhalten in Abhangigkeit von der
Gitterauflosung
Wie unter Abschnitt 3.1.2 beschrieben, sind Kurvenfitparameter der aus dem
Posthumus Funnel ausgeflossenen Masse, die Zeit fur den gesamten Ausflussvor-
gang oder die nach einer definierten Zeit ausgeflossene Masse mogliche empirische
Messwerte, welche die Voraussage des Mundgefuhls von fließfahigen Lebensmitteln
ermoglichen [35, 71, 168]. Deshalb erfolgt die Definition zweier Standards (Wasser
und 99%iges Glycerin bei 25 ◦C, siehe Tabelle 3.2) zur Uberprufung der Abhan-
101
4 Ergebnisse und Diskussion
gigkeit der numerischen Ergebnisse von der Gittergeometrie. Um eine Vorstellung
und ein Gefuhl fur das Stromungsprofil zu erhalten, illustriert Abbildung 4.2 den
Verlauf der Stromlinien zu Beginn und am Ende des Ausflussvorgangs exempla-
risch fur Std. 2. Wie in Tabelle 4.1 und den Abbildungen 4.3 und 4.4 zu erkennen,
weichen die experimentell und numerisch ermittelten Ausflusskurven auch bei ge-
ringen Gitterauflosungen in x-y-Richtung um maximal 4,81% voneinander ab.
102
4 Ergebnisse und Diskussion
(a) Beginn des Ausflussvorgangs (b) Ende des Ausflussvorgangs
Abbildung 4.2: Stromlinien im Standard Posthumus Funnel fur den Std. 2 (99%igesGlycerin bei 25 ◦C) zu Beginn (a) und am Ende (b) des Auslauf-vorgangs. Der Beginn der Stromlinien markiert zugleich die freieOberflache
103
4 Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 4.1: Ergebnisse der Untersuchung des Einflusses der Gitterauflosung (sieheAbschnitt 3.1.2) auf die Berechnungsergebnisse. Die relative Abwei-chung von m(t) beschreibt die mittlere Abweichung der berechnetenausgeflossenen Masse und der experimentell bestimmten. Die expe-rimentelle Ausflusszeit fur Wasser betrug 4,8 s und die fur Glycerin28,5 s
Name CPU-Zeit in h rel.Abweichung m(t) Ausflusszeit in s
meshWass1 5,25 4,81% 4,63meshWass2 11,18 4,68% 4,63meshWass3 25,25 4,26% 4,68meshWass4 59,96 2,24% 4,80meshWass5 107,88 1,58% 4,85meshGlyc1 9,04 0,93% 28,1meshGlyc2 18,96 0,77% 28,1meshGlyc3 41,10 0,83% 28,3meshGlyc4 100,18 0,92% 28,4meshGlyc5 177,02 1,03% 28,8meshGlyc6 0,74 22,6%meshGlyc7 4,17 5,06%meshGlyc8 9,98 2,05%
Zur Untersuchung des Einflusses der Auflosung in z-Richtung dient die Generie-
rung von neuen Gittern mit derselben Anzahl an Zellen in der x-y-Ebene wie bei
den Gittern meshWass2 und meshGlyc2 (Tabelle 4.2).
Tabelle 4.2: Anzahl an Zellen in den Gittern zur Untersuchung des Einflusses derZellzahl in z-Richtung. Alle Gitter besitzen 245 Zellen in der x-y-Ebene
Name Oberer Zylinder Konus Unterer Zylinder Insgesamt
meshWass6 20 8 5 8085meshWass7 40 20 10 17150meshWass8 60 30 15 25725
Durch das insgesamt schnellere Ausfließen und der geringeren Viskositat des
Wassers wirken sich Messfehler, sowohl der Zeit-, Viskositats als auch der Masse-
bestimmung, etwas starker aus als beim Glycerin. Die numerischen Ausflusskurven
liegen stets uber der des Experiments. Beim Glycerin hingegen erwiesen sich die
Abweichungen als sehr gering (≤ 1, 03%), was fur numerische Simulationen einen
104
4 Ergebnisse und Diskussion
sehr guten Wert darstellt. Dass alle numerischen Kurven uber der des Experimen-
tes liegen (rel. Abweichung > 0) ist darauf zuruck zu fuhren, dass im Experiment
immer ein Flussigkeitsfilm die Wand benetzt, sodass der reale Ausfluss schneller
erfolgt als in der numerischen Simulation. Erst bei sehr hohen Gitterauflosungen
an der Wand ist die Wandbenetzung beobachtbar, doch scheint sie vernachlassig-
bar klein auszufallen. Die Ausflusskurven weisen eine viel starkere Abhangigkeit
gegenuber der Gitterauflosung in z-Richtung als in der x-y-Ebene auf. Der Grund
liegt in den hoheren Geschwindigkeit in z- als in x-y-Richtung (in der x-y-Ebene
herrschen praktisch nur im Konus Geschwindigkeiten ungleich Null).
Abbildung 4.3: Numerisch und experimentell ermittelte Ausflusskurven (uber dieZeit ausgeflossene Masse) fur den Std. 1 Wasser (siehe Tabelle 3.2)fur unterschiedliche Zellzahl in der x-y-Ebene (bei 25 ◦C)
Als Resultat dieser Untersuchung lasst sich zusammenfassen, dass die folgenden
Berechnungen das Gitter meshWass2/meshGlyc2 verwenden, da es ausreichende
Genauigkeit bei geringer Rechenzeit liefert.
105
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.4: Numerisch und experimentell ermittelte Ausflusskurven (uber dieZeit ausgeflossene Masse) fur den Std. 2 (siehe Tabelle 3.2) Glycerinfur unterschiedliche Zellzahl in der x-y-Ebene (bei 25 ◦C)
4.1.2.2 Ausgeflossene Masse: Uberprufung der Abhangigkeit der Ergebnisse
von der Viskositat
Eine weitere Studie beschaftigt sich mit der Frage, ob die Simulationen uber einen
breiteren Viskositatsbereich korrekte Ergebnisse zu liefern vermogen. Glycerin-
Wasser-Mischungen erscheinen als die richtige Wahl, da die in dieser Arbeit be-
handelten Lebensmittel bei den im klassischen und im angepassten Posthumus
Funnel auftretenden Scherraten scheinbare Viskositaten im selben Bereich wie die
untersuchten Glycerinlosungen aufweisen. Die Tabelle 4.3 fasst die Stoffdaten zu-
sammen.
Wie Abbildung 4.6 verdeutlicht, liegen die Ausflusskurven der Glycerinmischun-
gen und die von Joghurt (Weihenstephaner Joghurt Mild 0,1%) im selben Bereich.
Außerdem zeigen die experimentell und numerisch erhaltenen Werte sehr gute
Ubereinstimmung, und dass uber ein weites Spektrum an Viskositaten.
Fur den weiteren Verlauf der Arbeit folgt daraus (und mit den Ergebnissen des
Abschnitts 4.1.2.1), dass durch die sehr gute Ubereinstimmung von simulierten
106
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.5: Numerisch und experimentell ermittelte Ausflusskurven fur denStd. 2 Glycerin fur unterschiedliche Zellzahl in z-Richtung (bei25 ◦C)
Abbildung 4.6: Ausflusskurven fur verschiedene Glycerinlosungen und einer kom-merziellen Joghurtprobe bei 25 ◦C
107
4 Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 4.3: Viskositat und Dichte der untersuchten Glycerinlosungen und vonJoghurt (Weihenstephaner Joghurt Mild 0,1%) und Vanillepudding(Dr. Oetker Creme Pudding Garant) bei Scherraten von γ = 50s−1
und γ = 300s−1 bei 25 ◦C
Stoff Dichte in kgm3 (scheinbare) Viskositat in Pa·s
Glycerin 80% 1206 0,0322Glycerin 95% 1250 0,2528Glycerin 97% 1254 0,4971Glycerin 99% (Std 2) 1265 1,13Joghurt γ = 50s−1 0,679Pudding γ = 50s−1 1,36Joghurt γ = 300s−1 0,2319Pudding γ = 300s−1 0,337
und realen Massenstromen das numerische Modell auch die Aufgabe ubernehmen
konnte, die Ausflussparameter a und b bei newtonschen Medien zu bestimmen und
fur eine Korrelation mit sensorischen Daten zur Verfugung zu stellen.
4.1.2.3 Ermittlung des Geschwindigkeitsfeldes mittels PIV
Fur die in den nachsten Kapiteln folgende Bestimmung der Scherraten aus den nu-
merischen Simulationen reicht die Ahnlichkeit der integralen Große”ausgeflossene
Masse“ und”Ausflusszeit“ nicht zwangslaufig aus. Erst die genaue Kenntnis des
Geschwindigkeitsfeldes erlaubt Aussagen zu den lokalen und temporaren Scherra-
ten. Da die Ausflusskurve von Joghurt der des Std. 2 am nachsten liegt, erfolgt die
Validierung mit dem Std. 2.
Die Experimente reprasentieren Mittelwerte von dreifachen Wiederholungen. Da
im oberen Zylinder die geringsten Geschwindigkeiten und Scherraten auftreten,
liegt der Fokus auf dem Auslaufbereich [61]. Die Abbildungen 4.7, 4.8 und 4.9
zeigen die Ergebnisse fur verschiedene z-Koordinaten. Die Ebene z = 48mm liegt
im oberen Zylinder, d.h. es existiert praktisch nur eine Geschwindigkeit Uz in
z-Richtung. Fur z = 33mm befindet sich die Betrachtungsebene im Konus, dort
herrschten neben der axialen auch Geschwindigkeiten in x und y-Richtung. Alle
dargestellten Werte reprasentieren dimensionslose Großen, bezogen auf die im Ab-
schnitt 4.1.1 verwendeten Bezugsgroßen. Sie nehmen im dargestellten Fall (Stan-
108
4 Ergebnisse und Diskussion
dard Posthumus Funnel Geometrie aus Abbildung 2.17 mit Std. 2 Glycerin aus
Tabelle 3.2 nach 5 s, also ca. 18% der Ausflusszeit) die folgenden Werte an:
Uz,0,m = 0, 294ms
; D0 = 8mm
Abbildung 4.7: Axiale Geschwindigkeit Uz im oberen Zylinder (z = 48mm) nach 5 s(18% der Ausflusszeit) fur den Std. 2 (bei 25 ◦C)
Im Bereich des unteren Zylinders beschleunigt die Stromung so stark, dass die
Verschlusszeit der Kamera nicht mehr ausreicht die Partikelbewegung zeitlich auf-
zulosen. Dies hat zur Folge, dass ein Partikel nicht mehr als Punkt, sondern als Li-
nie erscheint (sogenannte”Streaks“ [129]). Dies bedeutet, dass keine quantitativen
Aussagen in diesem Bereich mehr moglich sind, da der Algorithmus zu Erkennung
der Partikelbewegung hier versagt. In Abbildung 4.10 ist dieser Defekt nach 5 s
(ca.18% der Ausflusszeit) exemplarisch dargestellt. Diesem Problem lasst sich mit
Kameras mit hoherer Framerate oder gepulsten Lasern beikommen. Diese standen
fur diese Arbeit nicht zur Verfugung. Abbildung 4.10 verdeutlicht zudem, dass
die Stromung annahernd rein radial erfolgt, wie in Abschnitt 4.1.1 als Naherung
angenommen.
Alles in allem zeigt die experimentelle Validierung, dass die Ergebnisse der Si-
mulation nicht nur bei integralen Großen wie der ausgeflossenen Masse und der
109
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.8: Axiale Geschwindigkeit Uz im Konus (z = 33mm) nach 5 s (18% derAusflusszeit) fur den Std. 2 (bei 25 ◦C)
Abbildung 4.9: Geschwindigkeit in Richtung Symmetrieachse (z-Achse) Ux im Ko-nus (z = 33mm) nach 5 s (18% der Ausflusszeit) fur den Std. 2.Aufgrund des kartesischen Koordinatensystems treten im Bereichx < 0 negative Geschwindigkeiten auf, d.h. das Fluid stromtzwar in Richtung Symmetrieachse (z-Achse), doch entgegen derx-Richtung (vergleiche hierzu Abbildung 3.4) (bei 25 ◦C)
110
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.10: Momentaufnahme des Ausflusses des Std. 2 nach 5 s (ca. 18% derAusflusszeit). Im Bereich um den unteren Zylinder treten auf-grund der zu langen Verschlusszeit der Kamera sogenannte Stre-aks auf, die eine quantitative Aussage verhindern (bei 25 ◦C)
Ausflusszeit gute Ubereinstimmung zeigen (Abschnitt 4.1.2.1), sondern auch beim
Geschwindigkeitsfeld selbst und das fur alle Zeitpunkte des Ausflusses. D.h auch,
dass die Nutzung der Simulationsdaten valide Ergebnisse liefert und demnach Zwi-
schenergebnisse aus der Simulation ohne experimentelle Prufung zur Anwendung
kommen konnen.
111
4 Ergebnisse und Diskussion
4.1.3 Anpassung des Posthumus Funnel an orale Scherraten
4.1.3.1 Entwicklung des Berechnungsmodells fur die Geometrie
Die großten Geschwindigkeiten treten im unteren Zylinder auf, doch trotz des aus-
gepragten nicht-newtonschen Fließverhaltens von Joghurt scheinen die volumen-
stromgemittelten Fließgeschwindigkeiten im unteren Zylinder beim newtonschen
Glycerin die gleichen Großenordnungen anzunehmen (siehe Abbildung 4.6). Die
Berechnung der Scherraten mit dem Solver”interFoamShearRate“ (siehe Gl. (2.7))
fuhrt zu Skalarfeldern. Fur das Standard Posthumus Funnel und den Std. 2 zeigt
dies Abbildung 4.11 zum Beginn des Ausflussvorgangs, d.h. 2% der gesamten Aus-
flusszeit. Hier treten aufgrund der großten Fullhohe auch die hochsten Scherraten
auf [61]. Die meisten Stromungsmesstechniken messen direkt die Geschwindigkeit,
und nicht die Scherraten, welche ortliche Ableitungen der Geschwindigkeit dar-
stellen. Ein Vorteil von (vorher experimentell validierierten) numerischen Simula-
tionen besteht in der Moglichkeit der Visualisierung dieser nicht direkt messbaren
Großen, wie z.B. der Scherraten. Abbildung 4.11 verdeutlicht zwei Aspekte: (a)
die Scherraten fur den Std. 2 liegen im selben Wertebereich wie von Hellinga et
al. [61] fur Joghurt berechnet, und damit mindestens um eine Zehnerpotenz zu
hoch im Vergleich zu oralen Scherraten [30,181]; (b) die Scherung findet vor allem
im unteren Zylinder statt, wahrend der obere Zylinder nur als eine Art Vorrats-
gefaß dient. Wie es sich erwarten lasst tragt der Konus kaum zur Scherung bei,
sondern transportiert das Material vom oberen in den unteren Zylinder.
Auf diesen Erkenntnissen basierend ist es nun moglich, das Stromungprofil im
unteren Teil analytisch zu modellieren. Fur die Anpassung der Scherraten durch
Geometrieanderungen erweist sich eine solche vorherige Abschatzung als wertvoll.
Folgende Annahmen sollen nun zusammen mit Abbildung 4.12 gelten:
1. Die Stromungen im oberen Zylinder und im Konus tragen nicht zur Scherung
bei
2. Am Beginn der Einstromung in den unteren Zylinder existiert keine voll
ausgebildete Rohrstromung. Diese bildet sich zwischen den Punkten 1 und
1’ gemaß Abbildung 4.12 (b) erst aus
112
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.11: Im Standard Posthumus Funnel mit Std. 2 auftretende Scherratenzum Beginn des Ausflussvorgangs (2% der Ausflusszeit, bei 25 ◦C)
3. Im Bereich zwischen den Punkten 1’ und 0 existiert eine angenahert voll
ausgebildete Rohrstromung
In den Abbildungen 4.13 und 4.14 lasst sich das Anlaufverhalten fur die verschie-
denen Glycerinproben der Tabelle 4.3 erkennen. Es zeigt sich in den Abbildun-
gen 4.14 (a)-(d) deutlich, dass sich mit steigender Viskositat das Stromungsprofil
erst ausbildet.
Die Impulsgleichung (Gl. (2.11)) in axialer Richtung in zylindrischen Koordina-
ten vereinfacht sich fur eine annahernd als voll ausgebildete angenommene Rohr-
stromung (Gravitationseinfluss in der Druckdifferenz explizit enthalten) zu
τrz =1
2
∂p
∂zr. (4.25)
Unter der Annahme eines Ostwald-de-Waele Fluides [10] (τ = K (∂Uz(r)∂r
)n, K
reprasentiert den Konsistenzfaktor, n den Fließindex. Diese Fluide enthalten fur
113
4 Ergebnisse und Diskussion
(a) Geometrie des allgemeinen Posthumus Funnel (b) Ausbildung der Rohrstromung imunteren Zylinder
Abbildung 4.12: Skizze der (a) verwendeten Geometrie des allgemeinen Posthu-mus Funnel und (b) der angenommene Bereich der Ausbildungeiner Rohrstromung im unteren Zylinder aus einer Blockstromungheraus. Punkt 3 reprasentiert die freie Oberflache, Punkt 2 denUbergang in den Konus, Punkt 1 den Ubergang in den unterenZylinder, Punkt 1’ den Punkt ab dem eine angenommene voll aus-gebildete Rohrstromung herrscht (zwischen Punkt 1 und 1’ bildetsich diese aus) und Punkt 0 den Austritt in die Umgebung
114
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.13: Maximale Scherraten (an der Zylinderwand, D0 = 8mm) imStandard Posthumus Funnel in Abhangigkeit der Hohe z zum Be-ginn des Ausflussvorgangs (2% der Ausflusszeit, bei 25 ◦C) fur di-verse Glycerinlosungen. Die schwarze Linie reprasentiert das Endedes unteren Zylinders. In einer voll ausgebildeten Rohrstromungbleibt die Wandscherrate in Stromungsrichtung konstant
n = 1 und K = η den Fall eines newtonschen Fluids) und γ = ∂Uz(r)∂r
folgt
γ =n
√1
2K
∂p
∂zr =
n
√1
2K
∂p
∂zn√r. (4.26)
Eine weiteres, aus der Impulsgleichung abgeleitetes, Charakteristikum einer aus-
gebildeten Rohrstromung ist der uber der Rohrlange konstante Druckabfall ∂p∂z
=
konst. Die Druckdifferenz ∆p10 errechnet sich zu
∆p10 = p1 − p0. (4.27)
Hierbei reprasentiert p0 den Umgebungsdruck. Der Druck p1 ist nicht bekannt,
um ihn zu bestimmen diente eine Abschatzung der Großenordnung uber die ver-
lustfreie, stationare eindimensionale Stromfadentheorie (Bernoulli-Gleichung [38]).
Tragheitseffekte seien in erster Naherung vernachlassigt und die Stromung dem-
115
4 Ergebnisse und Diskussion
(a) Glycerin 80% (b) Glycerin 95%
(c) Glycerin 97% (d) Glycerin 99% (Std 2)
Abbildung 4.14: Scherraten im Posthumus Funnel zum Beginn des Ausflusses (2%der Ausflusszeit, bei 25 ◦C). Mit steigender Viskositat (von (a)nach (d)) verkurzt sich die Einlaufstrecke stets weiter, erkennbaran dem konstanten Scherratenverlauf entlang der Symmetrieachsedes unteren Zylinders
116
4 Ergebnisse und Diskussion
nach quasistationar. Da die Bernoulligleichung fur dissipationsfreie Stromungen
entlang eines Stromfadens gilt, dienen der gesuchte Punkt 1 und die freie Oberfla-
che als Referenzpunkte. Der Ansatz lautet demnach
p0 + ρgL+1
2ρU2
z,m,fO = p1 + ρgh+1
2ρU2
z,m,1. (4.28)
Hier steht Uz,m,fO fur die volumenstromgemittelte axiale Geschwindigkeit der
freien Oberflache und L fur die aktuelle Fullhohe. Umgeformt ergibt sich weiter
p1 − p0 = ∆p10 = ρg(L− h) +1
2ρ(U2z,m,fO − U2
z,m,1
). (4.29)
Eine Betrachtung der Großenordnungen fur die Stoffdaten des Std. 2 (Viskositat
und Dichte, siehe Tabelle 3.2) zeigen, dass der dynamische Druckanteil im Vergleich
zum hydrostatischen vernachlassigbar klein ausfallt. Dies bedeutet
∆p10 ≈ ρg(L− h). (4.30)
Der gesamte Druckabfall ∆p10 teilt sich auf in den Druckabfall wahrend der
Ausbildung der Rohrstromung ∆p11′ im Einlauf in den unteren Zylinder und dem
Druckabfall der voll ausgebildeten Rohrstromung ∆p1′0
∆p10 = ∆p11′ + ∆p1′0. (4.31)
Die Eintrittsverluste ergeben sich nach Chhabra und Richardson [26] fur Ostwald-
De-Waele Fluide zu
∆p11′ = 2τW
[C1(n)
ReMR
32+ C2(n)
]. (4.32)
Dabei reprasentiert τW die Wandschubspannung in der voll ausgebildeten Rohr-
stromung
τW = K · ( γW=max)n, (4.33)
C1(n) und C2(n) stehen fur die sogenannten Couette-Korrekturen und ReMR
117
4 Ergebnisse und Diskussion
fur die Metzner-Reed Reynoldszahl
ReMR =ρU2−n
0,m Dn0
8n−1K(
3n+14n
)n = 2ρ γ2−n
maxD3−n0
K
(n
3n+ 1
)2
. (4.34)
Die Couette-Korrekturen folgen dabei aus Messungen, angepasst an den Stro-
mungsfall. Fur die vorliegende Geometrie lassen sie sich nach Boger [12] wie folgt
bestimmen
C1(n) = −0.7976n2 + 2.1583n+ 0.961 (4.35)
und
C2(n) = 1.006n2 − 2.3518n+ 1.9346 (4.36)
fur n = 0, 3 bis n = 1. Im Bereich der voll ausgebildeten Rohrstromung gilt
∂p
∂z=
∆p1′0
h− l. (4.37)
Ein Maß fur die Lange des Bereichs der sich ausbildenden Rohrstromung l geben
Poole und Ridley [125] an
l = D0
[(0, 25n2 − 0, 675n+ 1, 03)1,6 + (0, 0567ReMR)1,6
] 11,6 . (4.38)
Die Gl. (4.38) gilt fur n = 0, 4 bis n = 1, 5 und ReMR < 1000. Einsetzen der
Gl. (4.32), (4.33), (4.34) in Gl. (4.31) ergibt fur die aktuelle Fullhohe L
L = 2K · γnmaxρ g
[2(h− lD0
) + C1(n)ReMR
32+ C2(n)
]+ h. (4.39)
Zur Auslegung bedarf es nun der Festlegung weiterer Rand- und Anfangsbe-
dingungen. Gegen Ende des Auslaufvorgangs soll die maximale Scherrate (an der
Wand des unteren Zylinders) γmax,E = 10 s−1 betragen und der Fullstand dann h′
uber dem Konus stehen. Daraus folgt fur die Lange h
h =D0
2
[(h′ + d)ρ g
2K · γnmax,E− C1(n)
ReMR
32− C2(n)
]+ l, (4.40)
118
4 Ergebnisse und Diskussion
Mit dieser Lange h und der Forderung, dass zu Beginn des Prozesses die Scher-
rate bei γmax,A = 50s−1 liegen soll, ein von vielen Forschergruppen fur den Mund
angenommener Wert [71,168,181], resultiert die anfangliche Fullhohe LA
LA = 2K · γnmax,A
ρ g
[2(h− lD0
) + C1(n)ReMR
32+ C2(n)
]+ h. (4.41)
Mit den eingefuhrten Gleichungen (gultig fur n = 0, 4 bis n = 1 und ReMR <
1000 lasst sich eine erste Abschatzung treffen, wie groß die Anlaufeffekte zwischen
den Punkten 1 und 1’ ausfallen. Hierfur dient Std. 2 zusammen den Standard-
geometrien nach Abbildung 2.17 (D0 = 8mm), mit variabler Zylinderlange h.
Die Scherraten zu Beginn des Auslaufvorgangs liegen bei γmax,A = 50 s−1 und am
Ende bei γmax,E = 10 s−1. Fur die Lange h ergibt sich daraus h = 10, 4 cm und
die Einlauflange l = 4, 9mm, was in sehr gutem Einklang mit Literaturwerten
fur newtonsche Medien steht [39]. D.h. l entspricht ca. 4, 7% von h. Es lasst sich
nach dieser Annaherung zur Vereinfachung annehmen, dass ∆p11′ im Vergleich
zu ∆p10 vernachlassigbar klein ausfallt, vor allem da der angenommene Fall der
einlaufenden Blockstromung einem Extrem entspricht, welches streng genommen
nicht gilt. Bereits im Einlaufgebiet existiert ein Stromungsprofil, das stark von
einer Blockstromung abweicht (vergleiche hierzu Abbildungen 4.7 und 4.8, sowie
Abschnitt 4.1.2.3). Es lasst sich also von einer”Vorkonditionierung“ des Stromungs-
profils sprechen, welche die Einlauflange l in Realitat noch weiter verkurzt. Diese
Argumentationskette muss aber fur jeden Fall extra uberpruft werden.
Fur den Fall einer newtonschen Stromung (wie bei Std. 2) folgt unter Vernach-
lassigung der Einlaufvorgange fur die Zylinderlange h
h =(h′ + d) · ρgD0
4η · γmax,E. (4.42)
Zur Ermittlung des Durchmessers des oberen Zylinders dient die integrale Kon-
tinuitatsgleichung
dL
dt· πD2
2 = Uz,0,m · πD20 (4.43)
119
4 Ergebnisse und Diskussion
mit
Uz,m,0 =1
π4D2
0
D02∫
0
Uz(r) · 2π · rdr =D2
0
32η
ρg (L− h)
h(4.44)
folgt nach Trennung der Variablen und Integration
tE = 32D2
2 η h
D40 ρ g
lnγmax,Eγmax,A
(4.45)
tE reprasentiert die gesamte Auslaufzeit, von der oberen bis zur unteren Marke.
4.1.3.2 Uberprufung des newtonschen Modells
Eine beispielhafte Untersuchung der Gultigkeit des newtonschen Modells unter
Vernachlassigung der Einlauflange sei nun im Folgenden vorgestellt. Als erster
Schritt fungierte die Anpassung des Posthumus Funnels an die Stoffdaten des
Std. 2. Tabelle 4.4 fasst die Daten des angepassten Posthumus Funnels fur den
Std. 2 zusammen und Abbildung 4.15 zeigt die Scherratenverteilung am Ende der
Auslaufzeit.
120
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.15: Scherraten im an den Std. 2 (Glycerin bei 25 ◦C) angepasstenPosthumus Funnel (Lange des unteren Zylinders h = 178mm)am Ende des Auslaufvorgangs
Zu beachten gilt dabei, dass alle Großen außer dem Durchmesser (D0) und der
Lange (h) des unteren Zylinders im Vergleich zum Original zunachst unverandert
bleiben. Es zeigt sich, dass die Auslaufzeit sehr genau mit der errechneten uber-
einstimmt.
Ahnliches gilt fur die Scherraten, die beide hoher ausfallen, aber doch um den
Wert 50 s−1 rangieren. Der Grund fur die hohe Abweichungen der Scherraten am
Endpunkt des Prozesses liegen in den zu großen Vereinfachungen des Modells ge-
maß Gl. (4.30), vor allem gegen Ende hin. Zur Uberprufung der generellen Nutzbar-
keit des vorgestellten Modells dient die Untersuchung des Einflusses der Variation
eines weiteren Parameters, namlich der Konushohe d. Die Tabelle 4.5 fast die Er-
gebnisse dieses Versuchs zusammen. Alles in allem gilt selbst fur unterschiedliche
121
4 Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 4.4: Geometrische Großen des angepassten Posthumus Funnel fur denStd. 2
Große Wert im Modell Wert in der Simulation rel. Abweichung
h 178 mm 178 mmd 36 mm 36 mmH 205 mm 205 mmD0 14 mm 14 mmD2 60 mm 60 mmLA 407 mm 407 mmLE 233 mm 233 mm
γmax,A 50 s−1 75 s−1 50%γmax,E 10 s−1 44 s−1 340%tE 30 s 30,5 s 1,7%
Geometrien und den gleichen Stoffdaten das Selbe wie oben bereits beschrieben.
Die Scherraten erweisen sich zu Beginn und am Ende in allen Fallen ahnlich und
die errechnete und simulierte Ausflusszeit zeigt sehr gute Ubereinstimmung. Der
Hauptgrund fur die hohen Abweichungen in den ermittelten Scherraten im Ver-
gleich zu den im Modell gewahlten liegen in der Annahme einer in den unteren
Zylinder eintretenden Blockstromung. Diese Annahme gilt aufgrund der”Vorkon-
ditionierung“ der Stromung durch den Konus in Richtung einer bereits hydrody-
namisch ausgebildeten Stromung nicht mehr zwangslaufig. Dadurch schatzt das
Modell die treibende Druckdifferenz (ausgedruckt durch LA in Gl. (4.41) als zu
hoch ab, woraus die hoheren Scherraten resultieren. Abhilfe konnte die Ermitt-
lung des Geschwindigkeitsprofils kurz vor dem Eintritt in den unteren Zylinder
im Konus durch Gl. (4.24) schaffen. Dieses Geschwindigkeitsprofil konnte als An-
fangsbedingung fur den unteren Zylinder dienen.
Da die Scherraten dennoch im Bereich der oralen Scherraten liegen, liefert das
Modell valide Ergebnisse. Zu beachten gilt aber die stetig steigende Gesamtlange
des Systems, sodass abzuwagen gilt, ab welchem Offnungswinkel des Konuses (ab-
hangig von d) die Stromung der Kontur noch folgen kann, das Posthumus Funnel
aber nicht so lang ausfallt, dass es sich fur Messungen im Labor nicht mehr eignet.
Mit den dargestellten Ergebnissen lasst sich zeigen, dass das in dieser Arbeit
erstmals vorgestellte Modell in der Lage ist, die Geometrie des Posthumus Funnels
122
4 Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 4.5: Geometrische Großen des angepassten Posthumus Funnel fur denStd. 2 unter Variation der Konushohe d. Die Durchmesser des oberenund unteren Zylinders liegen bei allen Simulationen bei D0 = 14mmund D2 = 60mm
d / Gesamtlange Modell Simulation rel. Abweichung
10 mm / 187 mmγmax,A 50 s−1 68,5 s−1 37%γmax,E 10 s−1 41,2 s−1 312%tE 13,1 s 13,8 s 5,3%
15 mm / 231 mmγmax,A 50 s−1 70,2 s−1 40%γmax,E 10 s−1 42,1 s−1 321%tE 16,4 s 16,8 s 2,4%
20 mm / 275 mmγmax,A 50 s−1 71,1 s−1 42%γmax,E 10 s−1 42,5 s−1 325%tE 19,6 s 20,1 s 2,6%
25 mm / 320 mmγmax,A 50 s−1 76,2 s−1 52%γmax,E 10 s−1 42,7 s−1 327%tE 22,8 s 23,3 s 2,2%
30 mm / 364 mmγmax,A 50 s−1 76,7 s−1 53%γmax,E 10 s−1 42,9 s−1 329%tE 26,1 s 26,5 s 1,5%
35 mm / 408 mmγmax,A 50 s−1 77,0 s−1 54%γmax,E 10 s−1 43,0 s−1 330%tE 29,5 s 29,7 s 0,7%
40 mm / 452 mmγmax,A 50 s−1 77,3 s−1 55%γmax,E 10 s−1 43,1 s−1 331%tE 32,6 s 32,9 s 0,9%
123
4 Ergebnisse und Diskussion
so zu berechnen, dass die auftretenden Scherraten in der gleichen Großenordnung
liegen wie sie im Mund vorkommen. Auf Grund der empirischen Messmethode sind
die realen Scherraten zur Voraussage des Mundgefuhls nicht ausschlaggebend, nur
die Reduktion der Scherraten in die oralen Großenordnung [170]. Hiermit steht
Wissenschaftlern und Anwendern wie Produktentwicklern nun ein schon lang gefor-
dertes Berechnungsmodell zur Verfugung [61]. Ebenso lassen sich die empirischen
Messgroßen des Posthumus Funnel zur Vorhersage des Mundgefuhls heranziehen,
so wie im folgenden Kapitel beschrieben.
124
4 Ergebnisse und Diskussion
4.2 Voraussage des Mundgefuhls
Die folgenden Ausfuhrungen nutzen alle das sensorische Attribut M Viscosity des
Datensatzes von Janhoj et al. [71]. Alle andere zeigen eine sehr niedrige Korre-
lation mit den Messwerten der Datenbank, sodass eine Auswertung uninteressant
erscheint (Mittlere Voraussagegenauigkeit (MVG) bei Creaminess von ca. maximal
70%). Anscheinend enthalt die Datenbank nicht die richtigen Messwerte, welche
die Voraussage durch ihre Korrelation mit diesen niedrig korrelierten Sensorikat-
tributen ermoglichen.
Des Weitern gilt fur die Auswertung der M Viscosity, dass das Training alle Tri-
plets der Trainings- und die Validierung die Mittelwerte der Validierungsrezeptu-
ren verwenden. Dieser Abschnitt besitzt das Ziel, die klassischen Verfahren der
Vorhersage sensorischer Attribute mit der von KNN zu vergleichen.
4.2.1 Voraussage der M Viscosity mittels klassischer
psychophysikalischer Modelle
Die Einordnung der MVG des KNN bedarf der Schaffung einer Referenz. Die-
se besteht in den bisher klassisch angewandten psychophysikalischen mathemati-
schen Modellen (Abschnitt 2.7.1). Diese setzen einen potentiellen Zusammenhang
zwischen den physikalischen Eingangen und den sensorischen Ausgangen voraus
(Gl. (2.19) und (2.21)). Durch logarithmieren beider Großen und Anwendung ei-
ner linearen (Gl. (2.20)) und multilinearen Regression (2.22) resultierten aus dem
Trainingsdatensatz die Parameter ni. Die anschließende Anwendung dieses mathe-
matischen Zusammenhangs auf die Eingangsgroßen des Validierungsdatensatzes
liefert eine berechnete M Viscosity, mit anschließendem Vergleich dieses Wertes
mit dem des Panels. Befindet sich die Prognose im Toleranzbereich von ±6% oder
±7%, so akzeptierte der Algorithmus die Voraussage als richtig.
Der Tabelle 4.6 sind die Ergebnisse der ein- und mehrdimensionalen Modelle zu
entnehmen. Die Eingangsgroßen entsprechen den von Janhoy et al. als optimal
bestimmten Parameter. Bei naherer Betrachtung der Daten fallt auf, dass die Nut-
zung nur einer physikalischen Große fast durchweg schlechtere Ergebnisse erzielt
als die mehrdimensionale Vorgehensweise. Die MVG bewegen sich im mehrdimen-
125
4 Ergebnisse und Diskussion
sionalen Fall auf hohem Niveau. Ein weiteres Ergebnis dieser Untersuchung liegt
darin, dass die Verbindung elastischer mit viskosen Großen die MVG jedes mal
verbesserte. Dies zeigt sich an den Zeilen”a,b,G“,
”s,G“ und
”K,G“ im Vergleich
zu”a,b“ alleine. Ebenso lasst sich daraus lesen, dass die Einbindung der Posthu-
mus Funnel Daten einen positiven Effekt liefern. Die genauere Untersuchung dieser
Ergebnisse fur die KNN folgt im nachsten Abschnitt.
Tabelle 4.6: Ergebnisse der Voraussage der M Viscosity fur Joghurt fur eine To-leranz von ±6% und ±7% mittels klassischer psychophysikalischerModelle. Die Daten zeigen Mittelwerte der drei Trainings- und Va-lidierungsdatensatze. Die Eingangsparameter stehen fur a≡a8mm,b≡b8mm, G≡Gst1Hz, s≡shear9, K≡KHers
Stevens-Gleichung S = a · P n
Eingangsgroßen MVG ±6% VAV ±6% MVG ±7% VAV ±7%
a 33,3% 0,0370 37,0% 0,0288b 33,3% 0,0370 44,4% 0,0123G 70,4% 0,0041 70,4% 0,0041s 29,6% 0,0288 37,0% 0,0165K 74,1% 0,0041 74,1% 0,0041
Stevens-Gleichung mehrdimensional S = a ·∏m
i=1 Pnii
Eingangsgroßen MVG ±6% VAV ±6% MVG ±7% VAV ±7%
a,b,G,s,K 74,1% 0,0041 92,6% 0,0041a,b,G,s 77,8% 0,0123 92,6% 0,0041a,b,G 85,2% 0,0041 96,3% 0,0041a,b 55,6% 0,0124 63,0% 0,0041s,G 88,9% 0,0000 92,6% 0,0041K,G 85,2% 0,0287 89,0% 0,0121
4.2.2 Voraussage der M Viscosity mittels Kunstlicher
Neuronaler Netze
Die Anwendung von”hANNDy“ auf die Datenbank von Jahnoj et al. ergibt sehr
vielversprechende Ergebnisse. Der Wertebereich der Parameter der Netztopologien
beeinflusst maßgeblich die endgultigen Resultate. Um die entstehenden Kombina-
126
4 Ergebnisse und Diskussion
tionsmoglichkeiten auf ein vertretbares Maß zu begrenzen, dienen die Werte in
Tabelle 4.7, die sich durch eine Reihe von Vorversuchen ergeben.
Tabelle 4.7: Parameter fur die Netztopologie
Parameter Wertebereich
Anzahl Eingangsneuronen 1 bis 5Anzahl versteckte Schichten 0 bis 2Anzahl Neuronen in einer versteckten Schicht 1 bis 10
”Target Net Error“ TNEmin bis 2×TNEmin
Toleranzen 6%, 7% und 8%
Die Wahl des”Target Net Error“ (TNE) resultiere durch einen Probelauf, d.h.
das Netz lerne ohne ein Abbruchkriterium und erreichte nach einiger Zeit einen mi-
nimalen Wert (”TNEmin“). Dieser Wert ist nicht der Optimale, da an diesem Punkt
die MVG oft geringer ausfiel als bei großeren Werten. Dies begrundet sich darin,
dass das Netz anfangt auswendig zu lernen und seine Gerneralisierungsfahigkeit
verliert (siehe [137,183]). Abbildung 4.16 verdeutlicht dieses Phanomen.
Es gilt noch zu erwahnen, dass der absoluten Große des”Target Net Errors“ im
Beispiel keine Bedeutung beizumessen ist. Fur jeden Trainings- und Validierungs-
satz fallt er unterschiedlich aus. Dies liegt an der Berechnungsvorschrift (siehe
Abschnitt 3.3.1).
Die Ergebnisse der in Abbildung 4.17 gezeigten Netztopologie (vollstandig verbun-
denes Netz, d.h. jede Schicht ist mit jeder Tieferen verbunden) fassen die Tabel-
len 4.8 (Toleranz ±6%) und 4.9 (Toleranz ±7%) zusammen. Die genaue Analyse
fur die M Viscosity liefere teilweise ausgezeichnete MVG bei niedrigen VAV.
Zur Verdeutlichung der Effekte der Wahl der Eingangsgroßen zeigen die Ta-
bellen mehrere ausgesuchte Werte. Der unter Abschnitt 3.3.4 erwahnte Effekt der
zufalligen Probenverteilung auf die Trainings- und Validierungssatze zeige sich hier
eindeutig. Durch den Vergleich der Zeilen mit den Eingangsgroßen”a,b,“ bei einer
Toleranz von ±7% (Tabelle 4.9) betragen die MVG fur den Trainings- und Vali-
dierungssatz 1, 2 und 3 jeweils 100%, 73,3% und 88,9%, im Mittel demnach 87,4%,
die VAV 0,029 (Zusammenfassung in Tabelle 4.10).
Fur die Zeile”a,b,G,s“ liegt die MVG bei 99,3% bei einer sehr geringen VAV von
0,0008. Dies bedeutet, dass diese hohe Voraussagegenauigkeit mit einer sehr nied-
127
4 Ergebnisse und DiskussionT
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129
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.16: Beispiel des Einflusses des gewahlten”Target Net Errors“ auf die
MVG und der VAV (Fehlerbalken entsprechen√V AV ). Es ist
deutlich zu erkennen, dass zwischen ca. 0,22 und 0,23 der optimaleWert liegen muss (MVG groß und VAV klein)
rigen Streuung der einzelnen Vorhersagen einhergeht, was zur Folge hat, dass mit
einer hohen Wahrscheinlichkeit ein trainiertes Netz zu den”guten“ Netzen gehort
und damit seine Voraussagen ebenfalls. Es tritt der unter Abschnitt 3.3.4 progno-
stizierte Fall ein, dass das KNN einen sehr weiten Mundgefuhlsbereich abzudecken
vermag und das unabhangig von der Art der unterschiedlichen Proteinmischungen,
da sie die oral wahrgenommene Viskositat auf ahnliche Weise beeinflussen. Dies
spricht stark dafur, dass vor allem die erzeugte Mikrostruktur das Mundgefuhl de-
terminiert und eine Kenntnis des Proteinzusatzes oder der Joghurtsorte nicht notig
ist. Fur den Produktentwickler ergibt sich daraus ein enormes Potential, denn ein
einziges trainiertes KNN konnte eine große Datenbank mit vielen unterschiedlichen
Joghurtproben abbilden.
Wie bei den psychophysikalischen Modellen verbessert die Kombination elasti-
scher und viskoser Eigenschaften bei den KNN die Prognosefahigkeit. Dies zeigt
sich deutlich im Vergleich der Zeilen”a,b“ mit
”a,b,G“ und
”G,K“ der Tabelle 4.10.
Die Verwendung der Ausflussparameter des Posthumus Funnel alleine fuhre fur
130
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.17: Die beste Netztopologie zur Voraussage der M Viscosity nach derAnalyse von
”hANNdy“. Das Netz besitzt zwei versteckte Schich-
ten, die erste mit zwei, die zweite mit vier Neuronen. Alle Schich-ten sind vollstandig miteinander verbunden, d.h. jedes Neuron ei-ner Schicht ist mit allen Neuronen der darunter liegenden Schichtverknupft
eine Toleranz von ±7% zu einer MVG von 87,4% bei einer relativ hohen VAV von
0,0140. In Relation dazu erhoht sich die MVG bei Einbeziehung des Speichermo-
duls auf 97,8% bei einer niedrigeren VAV von 0,007. Auch hier wieder die Deutung,
dass die Voraussagen eine hohere Qualitat besitzen. Alles in allem lasst sich festhal-
ten, dass das KNN bessere (hohere MVG) und robustere (niedrige VAV) Aussagen
zu treffen vermag und in der Lage ist, die klassischen Verfahren abzulosen.
Einen bemerkenswerten und wichtigen Effekt liefert eine Gegenuberstellung der
Zeilen”a,b,G,s“ und
”G,s“. Fur beide Toleranzen ergibt die Integration der Aus-
flussparameter a8mm und b8mm des Posthumus Funnels immer eine hohere MVG
bei niedrigerer VAV, ahnlich zu den Ergebnissen der psychophysikalischen Mo-
delle. Anscheinend verbessert die empirische Messung die Voraussagen im Ver-
131
4 Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 4.10: Zusammenfassung der Teilergebnisse fur Toleranzen von ±6% (Ta-belle 4.8) und ±7% (Tabelle 4.9)
Eingangsgroßen MVG VAV
±6%a,b,G,s,K 87.4% 0.0060a,b,G,s 93.7% 0.0040a,b,G 93.3% 0.0110a,b 83.7% 0.0290s,G 85.2% 0.0040K,G 93.0% 0.0050
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gleich zu reinen Rheometermessungen in hohem Maße. Dies steht im Einklang mit
den Ergebnissen fur ein anderes Lebensmittelsystem von Finney et al. [47, 48].
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die nicht optimierte Geometrie des Post-
humus Funnels (siehe Abschnitt 2.6.3) und damit einhergehend die zu hohen De-
formationsraten im Vergleich zu oralen Werten dazu fuhren kann, dass das volle
Voraussagepotential des Systems nicht erreicht wird. Die Optimierung der Stro-
mungszustande in Abschnitt 4.1 hin zu physiologischeren Scherraten konnte die
Vorhersagen weiter verbessern.
132
4 Ergebnisse und Diskussion
4.3 Ursachen der Entstehung des Mundgefuhls von
halbflussigen Lebensmitteln
Dieser Abschnitt erlautert zunachst die Teilergebnisse der Sensorikstudien 1 und 2
(vgl. Abschnitt 3.4) und fasst diese anschließend zusammen. Die Ergebnisse geben
Einblicke in die physiologische Entstehung des Mundgefuhls und dies anhand stro-
mungsmechanischer Uberlegungen. Weiterhin zeigen die vorgestellten Ergebnisse,
dass die Lehrmeinung, dass neben den Mechanorezeptoren auch die Propriozeption
zur Mundgefuhlswahrnehmung von halbflussigen Lebensmitteln wie Joghurt oder
Pudding beitragt, in dieser Form nicht mehr haltbar ist.
4.3.1 Ergebnisse der Studie 1
Wie im Abschnitt 3.4.2 erlautert, beschaftigt sich Studie 1 mit den Ursachen der
Mundgefuhlswahrnehmung bei halbflussigen Lebensmitteln am Beispiel Vanille-
pudding. Durch die Betaubung des Mundraumes fallt es allen Versuchsteilnehmern
einhellig schwer, Unterschiede im Mundgefuhl der Proben zu bestimmen. Dies au-
ßern sie unabhangig voneinander, auch dass sie oft raten, was bei Triangeltests
durchaus moglich ist und auch in der statistischen Auswertung Berucksichtigung
findet. Des Weiteren gibt ein sehr großer Anteil in der mundlichen Nachbespre-
chung an, das Mundgefuhl oft nur noch durch das Gefuhl im nicht betaubten
Rachen wahrgenommen zu haben. Dies verfalscht die Ergebnisse, ist aber nicht zu
vermeiden, denn eine Anasthesie von Arealen im Rachenraum ist fur die Proban-
den sehr unangenehm, außerdem behindert sie den Schluckreflex in einer nicht zu
tolerierenden Art und Weise. Wahrend der Experimente fallt den Teilnehmern auf,
dass die Betaubung des Gaumens sich nicht unangenehm anfuhlt, aber dennoch
einen Einfluss auf die Wahrnehmung des Speisebreis im Mund zeige. Die totale
Anasthesie kommentierten sie mit Aussagen wie z.B., dass sie gar nichts mehr im
Mund spuren, d.h. sie fuhlen keinen Unterschied mehr ob sich der Pudding im
Mund befindet oder nicht. Dies liegt vor allem daran, dass Lidocain auch die Tem-
peraturwahrnehmung (uber freie Nervenendigungen) herab zu setzen vermag. In
Tabelle 4.11 sind die Ergebnisse des Triangeltests zusammengefasst.
Es zeigt sich ein sehr deutlicher Effekt der Beeintrachtigung durch das Anas-
133
4 Ergebnisse und Diskussion
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134
4 Ergebnisse und Diskussion
thetikum Lidocain. Wahrend die Probanden ohne Anasthesie bereits die hochste
Konzentration von 95% erkennen (90% der Viskositat der Referenz), obwohl die
vorgeschriebene standartisierte Bewegung die Sensitivitat der Probanden herab-
setzt [32], so leidet die Erkennungsrate durch die Anasthesie des Gaumens (68%
der Viskositat der Referenz) und nochmals bei der totalen Anasthesie (59% der
Viskositat der Referenz). Daraus lasst sich lesen, dass der Gaumen und die Zunge
ahnlich wichtige Aufgaben bei der Erkennung des Mundgefuhls erfullen, da die
Betaubung beider Systeme in der ungefahr gleichen prozentualen Abweichung re-
sultierte. Zu bedenken gilt dabei, dass die absoluten Werte der Viskositaten in
der Großenordnung von O ≈ 1Pas lagen. Mathmann [103] erkannte fur flussige
Lebensmittel wie Bier, dass der Mensch Viskositatsunterschiede in dieser Gro-
ßenordnung nicht zu unterscheiden vermag. Der Grund liegt sehr wahrscheinlich
darin begrundet, dass die absoluten Werte vollig andere Großenordnungen anneh-
men (O ≈ 1mPas) und demnach Abweichungen im prozentuallen Bereich kleine
Unterschiede im absoluten Massstab bedeuten. Diesen Sachverhalt beleuchtet Ab-
schnitt 4.3.3 genauer.
4.3.2 Ergebnisse der Studie 2
In der zweiten Studie interessiert die Frage, ob die Betaubung der Probanden durch
Lidocain eine quantifizierbare Auswirkung auf die Wahrnehmung der Mundge-
fuhlattribute”Konsistenz“,
”Cremigkeit“ und
”Belegender Effekt“ zeigt. Die Tabel-
len 4.12 und 4.13 enthalten die zusammengefassten Ergebnisse. Es ist zu erkennen,
dass die Standardabweichungen sehr groß ausfallen, ein typisches und eindeutiges
Indiz fur das fehlende Training und der Konsistenz innerhalb der Gruppe. Obwohl
die mittleren Werte fur die sensorischen Attribute einzelner Konzentrationen mit
Anasthesie fast immer kleinere Werte annehmen als ohne, ist eine diesbezugliche
Aussage aufgrund der hohen Standardabweichungen statistisch nicht abgesichert.
Diesem Umstand konnen Wiederholungen des Versuchs nicht beikommen, nur ein
professionelles sensorisches Training reduziere diese Abweichungen. Nur ein Ver-
gleich der Bewertungen einzelner Personen mit und ohne Anasthesie lassen indes
einen Schluß auf die Auswirkungen der Betaubung zu. Eine paarweise Betrachtung
fuhrt zu Tabelle 4.14.
135
4 Ergebnisse und Diskussion
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4 Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 4.14: Paarweiser Vergleich der Bewertung der sensorischen Attribute ei-ner Konzentration eines Probanden mit und ohne Anasthesie (z.B.Konsistenz der Konzentration 95% von Proband 4 mit und ohne An-asthesie). Die dargestellten Werte reprasentieren die Summe uber alleProbanden und sagen aus, ob der Wert mit Anasthesie großer, gleichoder kleiner ist als der ohne Betaubung
Attribut kleiner gleich großer
Konsistenz 61,3% 18,7% 20,0%Cremigkeit 52,0% 21,3% 26,7%Belegend 45,3% 16,0% 38,7%
Dieser ist zu entnehmen, dass in uber 61,3% bzw. 52,0% der Falle die Bewertung
der sensorischen Großen Konsistenz und Cremigkeit durch die Probanden mit An-
asthesie statistisch gesehen hin zu niedrigeren Bewertungen fallt. Anders als beim
belegenden Effekt, hier streuen die Werte relativ gleichmaßig nach oben und un-
ten. Dies deutet ganz klar darauf hin, dass eine Anasthesie der oberflachlichen
Sensoren dazu fuhrt, dass die Probanden die vor allem wahrend der Manipulati-
on im Mundraum detektierten sensorischen Attribute sehr viel schlechter und vor
allem mit geringen Werten beschreiben. Der belegende Effekt ist erst nach dem
Herunterschlucken bestimmbar und die im Mund verbleibende Menge konnen die
Versuchspersonen nicht eindeutig beschreiben.
Wichtiger als die zugewiesenen numerischen Daten erweisen sich die mundlichen
Aussagen der Versuchsteilnehmer beider Studien, da sie einen in dieser Versuchs-
anordnung nicht in Zahlen messbaren Effekt beschreiben. Ausnahmslos alle Pro-
banden meinen, dass sie mit Betaubung gar nicht mehr spuren, ob sich eine Probe
im Mund befindet, das Bewegen der Zunge machte dabei kaum einen Unterschied.
Die Probanden wissen nicht, dass die Proben mit Anasthesie die gleichen darstellen
wie ohne Anasthesie, nur in anderer Reihenfolge. Mundlich geben sie am Schluß
an, dass der zweite Probensatz im Mund mit Anasthesie entschieden”dunner“ ist
als der erste ohne Anasthesie. Auch spuren sie kaum einen Unterschied zwischen
der dicksten Probe und der dunnsten. Erst beim Herunterschlucken evaluieren sie
das Mundgefuhl im hinteren (unbetaubten) Rachenraum und konnen deshalb eine
quantitative Aussage treffen. Sie geben ferner an, sich im Vergleich zum normalen
Zustand auf andere Dinge zu konzentrieren. Viele verglichen es mit dem Umstand,
138
4 Ergebnisse und Diskussion
dass es ahnlich sei wie mit dem Horen und Sehen. Bei geschlossenen Augen achtet
man intensiver auf den akustischen Eindruck der Umgebung, mit offenen Augen
dominiert der visuelle.
Die Ergebnisse der beiden Studien legen die Vermutung nahe, dass vor allem,
wenn nicht sogar ausschließlich, die Mechanorezeptoren fur die Entstehung des
Mundgefuhls verantwortlich sein mussen, denn obwohl die Oberflachenanasthesie
die taktilen Rezeptoren betaubt, so ist taktile Wahrnehmung niemals vollstandig
und die Beruhrungsempfindlichkeit bleibt erhalten. Dennoch zeigt die Schwachung
einen uberaus signifikanten Effekt, denn der Mensch vermag im Normalfall bereits
kleinere Unterschiede in der Konsistenz festzustellen, doch schon mit der Anasthe-
sie des Gaumens sinkt diese Fahigkeit ab. Um die erstmalig getroffene Behaup-
tung zu unterstreichen, dass die Mechanorezeptoren statt der Propriozeption das
hauptverantwortliche System der Mundgefuhlswahrnehmung sein mussen, erfolgt
im nachsten Schritt die Abschatzung der von der Zunge auszuubenden Schluck-
kraft.
4.3.3 Abschatzung der zum Schlucken notigen Kraft
Ein Vergleich der zum Schlucken notigen Kraft der Zunge fur die unterschiedlichen
Proben liefert weitere Erkenntnisse uber die Ursachen der Mundgefuhlswahrneh-
mung. Dabei soll das Zweiplattenmodell (siehe Abschnitt 2.6.2 in Abbildung 2.16)
zur Anwendung kommen, denn die zum ausquetschen notige Kraft lasst sich fur
diese Geometrie fur ein Ostwald-de-Waele-Fluid nach Bohme [10] analytisch er-
mitteln
h (t)
h0
=
[1 +
1 + n
1 + 2n
(3 + n
πR3+n
h0
2KF (t)
) 1n
h0t
]− n1+n
. (4.46)
Die Ableitung des Plattenabstandes h(t) nach der Zeit t ergibt die Geschwin-
139
4 Ergebnisse und Diskussion
digkeit
up (t) =
[1 +
1 + n
1 + 2n
(3 + n
πR3+n
h0
2KF
) 1n
h0t
]− 1+2n1+n
1 + n
1 + 2n
(3 + n
πR3+n
h0
2KF
) 1n
h20.
(4.47)
Fur die weiteren Betrachtungen erfolgt die Analyse der Anfangskraft (t = 0) bei
konstanter Schließgeschwindigkeit. Dies fuhrt zu
F (t = 0) =1 + 2n
1 + n
(3 + n
πR3+n
h0
2K
)− 1n uP (t = 0)
h20
. (4.48)
Die nachfolgend verwendeten geometrischen Daten stammten aus physiologi-
schen Betrachtungen von Mathmann [103] und lauten: h0 = 1 cm, uP (t = 0) =
1 cms
, R = 29mm. Zur weiteren Analyse sind die rheologischen Fitparamter nach
dem Potenzgesetz notig. Die Tabelle 4.15 fasst die Ostwald-de-Waele Fitparamter
bei physiologischen Scherraten (γ = 10 − 100s−1) und die nach Gl. (4.48) errech-
neten Krafte zusammen.
Tabelle 4.15: Ostwald-de-Waele Fitparamter der verwendeten Puddingproben bei22 ◦C, sowie die zum Schließen des Mundes geschatzte Kraft zu Be-ginn des Schluckvorgangs. Die betrachteten Scherraten liegen im phy-siologischen Bereich. Die Probe
”Bier 20◦C“ stammt zum Vergleich
von Mathmann [103]
Probe K in Pasn n R2 F in mN
100% 19,60 0,3029 0,9959 1,88995% 13,70 0,3279 0,9987 1,11793% 14,46 0,3015 0,9958 0,664787% 11,35 0,3154 0,9989 0,447883% 10,05 0,3098 0,9988 0,2579
Bier 20◦C 0,0016 1 0,0305
Leider finden sich nach Analyse der verfugbaren Literatur keine Hinweise dar-
auf, welche Kraftunterschiede die Zunge zur Bewegung festzustellen vermag. Eine
Betrachtung der Großenordnung der errechneten Kraft mit dem Plattenmodell er-
scheint auf den ersten Blick als sehr gering, vor allem im Hinblick darauf, dass das
Potenzgesetz eigentlich gar nicht zur Anwendung kommen durfte, da der Pudding
140
4 Ergebnisse und Diskussion
eine sogenannte Fließgrenze besitzt. Liegen die Schubspannungen unterhalb die-
ses Wertes, so existiert keine Scherung, d.h. dieser Fluidbereich bewegt sich gleich
einer Blockstromung. Aufgrund dessen erfolgt im nachsten Schritt die Simulati-
on des Schluckvorganges mittels OpenFOAM R©(siehe Abschnitt 3.1.1) anhand des
Herschel-Bulkley Modells mit einem nach Mathmann [103] uberarbeiteten Mund-
modell (siehe Abschnitt 2.6.4). Das Herschel-Bulkley Modell lautet
τ = K γn + τ0 (4.49)
K reprasentiert den Konsistenzfaktor, n den Fließindex und τ0 die Fließgrenze.
Die Abschatzung der Schluckkraft geschieht uber die Summation der Kraftanteile
in z-Richtung und fuhrt zur zum Schließen des Mundes notige Kraft FZ
FZ =n∑i=1
~ni · ~eZ,ipiAi. (4.50)
Hier steht n fur die Gesamtzahl an Oberflachenelementen des Zungenmodells,
~ni fur den Normalenvektor der Flache i, ~eZ fur den Einheitsvektor in z-Richtung,
pi fur den Druck auf die Flache i und Ai fur den Betrag der Flache i. Die Abbil-
dung 4.18 zeigt das Ergebnis einer der Simulationen (Probe 100%) exemplarisch.
Der Druck nimmt an der Zungenspitze die großten Werte an, da das Fluid nur in
Richtung Rachen abzufließen vermag. In Richtung Rachen nehmen die Werte bis
auf den Umgebungsdruck ab (was der gewahlten Randbedinung am”OUTLET“
entspricht, siehe hierzu Abbildung 2.20 im Abschnitt 2.6.4). Die Herschel-Bulkley
Fitparameter und die daraus simulierten Krafte (zu Beginn des Schließvorgangs,
d.h. 1% der gesamten Schluckzeit) gibt Tabelle 4.16 wieder.
Die genauere Betrachtung des zeitlichen Verlaufs der Schluckkraft wahrend des
Schluckvorgangs in Abbildung 4.19 lasst eindeutig erkennen, dass die absoluten
Werte im Verlauf zwar zunehmen, doch die Großenordnung bleibt bestehen. Ebenso
der transiente Vorgang der stetigen Anderung der Krafte auf die Zunge.
Die gesamten Untersuchungen des Abschnitts 4.3 bestatigt die uber das Platten-
modell abgeschatzte Kraft. Durch die Betrachtung der Großenordnungen hingegen
wird deutlich, dass die Wahrnehmung des Mundgefuhls aufgrund der Propriozepti-
on eine untergeordnete Rolle spielen muss, denn 1 mN entspricht der Gewichtskraft
141
4 Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 4.16: Herschel-Bulkley-Fitparamter der verwendeten Puddingproben bei22 ◦C, sowie die zum Schließen des Mundes geschatzte Kraft zu Be-ginn des Schluckvorgangs (1% der gesamten Schluckzeit). Die be-trachteten Scherraten liegen im physiologischen Bereich. Die Probe
”Bier 20◦C“ stammt zum Vergleich von Mathmann [103]
Probe K in Pasn n τ0 in Pa F in mN
100% 1,334 0,8089 32,44 2,9195% 1,564 0,7585 20,06 2,3593% 1,7012 0,7272 19,55 2,1187% 1,143 0,7857 15,82 1,6883% 4,062 0,4659 8,777 1,48
Bier 20◦C 0,0016 1 0 0,0112
Abbildung 4.18: Beispiel einer Simulation des Schluckens von Puddingprobe 100%zu Beginn der Bewegung (1% der Schluckzeit bei 25 ◦C). Die qua-litative Druckverteilung auf der Zungenoberflache andert sich furdie verschiedenen Proben nicht, nur die absoluten Werte
einer Masse von 0,1 g. Dies wurde bedeuten, auch wenn das einen schwachen und
nicht ganz hinreichenden Vergleich darstellt, dass die Zunge in der Lage sein muss
zu unterscheiden, ob sie neben der Masse des Puddings von ca. 5-6 g eine zusatzliche
Masse von 0,291 g (Referenz”100%“) gegenuber 0,168 g (Probe
”87%“, Konzentra-
tion die sich vom Mundgefuhl her betrachtet mit totaler Anasthesie nicht mehr von
der Referenz unterscheiden lasst) anhebt. Dies setzt eine Auflosung im µN Bereich
142
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.19: Zeitlicher Verlauf der Schluckkraft fur die Puddingproben undBier bei 25 ◦C. Fur alle Proben nehmen die absoluten Werte zu,doch bleiben die Großenordnungen bestehen
voraus, was sehr unwahrscheinlich erscheint. Demnach sind vor allem die Mecha-
norezeptoren an der Entstehung des Mundgefuhls beteiligt, die Kraft der Zunge
spielt eine untergeordnete Rolle. Aufgrund dessen sollten primar rheologische und
stromungsmechanische Großen das Mundgefuhl eines halbflussigen Lebensmittels
beschreiben, wahrgenommen durch die taktilen Sensoren auf der Zungen und Gau-
menoberflache, z.B. der Druck oder die Wandschubspannung, was im Einklang mit
der Literatur steht [86]. Großen die mit der Propriozeption korrelieren, sollten auch
geringe Korrelation mit dem Mundgefuhl aufweisen.
4.3.3.1 Verifizierung der Simulationsergebnisse des Schluckvorgangs
Da keine experimentellen Daten zur Stromung im beschriebenen Mundmodell exi-
stieren, dient der Verifizierung der vorgestellten Ergebnisse der Vergleich der Scher-
raten und Schubspannungen auf der Zungenoberflache (dort wo die Mechanorezep-
toren dem ZNS Informationen liefern konnen) mit Literaturwerten. Abbildung 4.20
143
4 Ergebnisse und Diskussion
verdeutlicht fur die Referenz”100%“ exemplarisch die Scherratenverteilung auf der
Zunge nach 50% der Schluckzeit. Die anderen Zeitpunkte ahneln diesem qualitativ,
nur die absoluten Werte andern sich. Das Gleiche gilt fur die anderen Puddingpro-
ben, qualitativ ahneln ihre ortlichen und temporaren Scherratenverteilungen auf
der Zunge denen der Referenz”100%“, nur qualitativ bestehen Unterschiede. Die
hochsten Scherraten entstehen an der Zungenwurzel. Hier zeigen sich auch beim
Einstromen in den Rachenbereich die großten Geschwindigkeiten und Geschwin-
digkeitsgradienten.
Abbildung 4.20: Zeitlicher Verlauf der Scherratenverteilung auf der Zungenober-flache fur den Schluckvorgang der Referenz
”100%“ nach 50% der
Ausflusszeit bei 25 ◦C
Es zeigt sich dabei, dass die Scherraten sehr gut mit den oralen Scherraten von
10− 100 s−1 (im Mittel) ubereinstimmen. Nach Abbildung 4.21 liegen die flachen-
gemittelten Scherraten und Schubspannung auf der Zunge sehr nahe an der Univer-
salkurve der Schubspannungen und Scherraten wahrend der Mundgefuhlswahrneh-
mung von Shama und Sherman [149] (Abbildung 2.14, vgl. dazu Abschnitt 2.5). Die
Abweichungen lassen sich fur die Scherratenbestimmung auf die gewahlte Schluck-
zeit zuruckfuhren. Die gewahlten Randbedingungen zwingen das Modell zu der
gewahlten Schluckzeit von 1 s, was wiederum die auftretenden Geschwindigkei-
ten und dementsprechend auch die Scherraten determiniert. Fur Pudding liegen
144
4 Ergebnisse und Diskussion
die gemessenen Schluckgeschwindigkeiten im Bereich des gewahlten Wertes von
1 cms
[37].
Abbildung 4.21: Maximale und minimale gemittelte Scherraten und Schubspan-nung (reprasentiert durch die Rechtecke) auf der Zunge des nume-rischen Mundmodells fur die verschiedenen Puddingproben uberdie gesamte Schluckzeit. Die Kurven entsprechen der Universal-kurve von Shama und Sherman [149] (vgl. Abschnitt 2.5), so-wie der Fließkurve ihrer Puddingprobe. Dieser Graph dient derAbschatzung der wahrend der oralen Manipulation auftretendenScherraten und Schubspannungen bei fließfahigen Lebensmitteln.Die simulierten Puddingproben bei 25 ◦C zeigen gute Uberein-stimmungen mit den Literaturwerten
Zur weiteren Absicherung sei hierbei erwahnt, dass die Werte ebenfalls im Be-
reich der Fließkurve der Puddingprobe von Shama und Sherman [149] liegen, was
darauf hindeutet, dass ihre Puddingprobe ahnliche Fließeigenschaften aufwies wie
die hier verwendeten Proben. Das Modell liefert demnach valide Ergebnisse.
145
4 Ergebnisse und Diskussion
4.3.3.2 Langen und Zeitskalen wahrend des Schluckvorgangs und ihr
Einfluss auf die Mechanorezeptoren
Da die numerischen Simulationen das zeit- und ortsaufgeloste Stromungsfeld zur
Verfugung stellen, ergibt sich daraus die Moglichkeit seinen Einfluss auf die Mecha-
norezeptoren abzuschatzen. Dabei soll die Voraussetzung gelten, dass das Zungen-
gewebe eine so hohe Elastizizat aufweist, sodass die durch den Druck ausgeubten
Krafte direkt auf die Mechanorezeptoren unter der Haut wirken konnen. Dieses
Unterkapitel stutzt sich auf die unter Abschnitt 2.1.3 und 2.2 (vgl. Abbildung 2.6)
getroffenen Aussagen zu den Mechanorezeptoren.
Wie bereits beschrieben, existiert bei den Mechanorezeptoren die klassische Eintei-
lung in langsam (SA) und schnell (RA) adaptierende Mechanorezeptoren. Erstere
zeigen eine Reaktion vor allem auf statische Reize, letztere nur bei Anderungen des
Reizes (”Geschwindigkeit“). Da der Schluckvorgang einen dynamischen Vorgang re-
prasentiert, sollten hier beide Systeme auf Uberschreitung ihrer Reizschwelle rea-
gieren. Alle genannten numerischen Daten zu den Reizschwellen (z.B. in mN) und
rezeptiven Feldern (RF) (ausgedruckt als reizbare Flache, z.B. in mm2) stammen
von Untersuchungen von Trulsson und Essick [165]. Sie erforschten die Reizschwel-
len einzelner RF direkt am lingualen Nerv uber Microneurographie, d.h. sie stutzen
sich direkt auf die abgeleitete Depolarisierung der Mechanorezeptoren, nicht auf
Aussagen von Probanden. Dabei unterschieden sie zwischen oberflachlichen (fur
diese Arbeit interessant) und tiefer liegenden Rezeptoren (fur die Propriozeption).
Es existieren keine gesicherten Aussagen uber die Uberlappung von rezeptiven
Feldern in der oralen Mucosa, doch in der haarfreien Haut liegen diese bei ca.
20-30% [166]. Der Grund dafur liegt vermutlich in der erhohten Sensitivitat und
Ortsauflosung, zum Preis der großeren Zahl an benotigten Sensoren.
Zu den RA Mechanorezeptoren im Mund zahlen vor allem Meissner-Korperchen.
Diese besitzen eine Lange von ca. 100−150µm und eine Breite von ca. 40−70µm.
Dies fuhrt zu einer mittleren abgeschatzten (elliptischen) Flache von ungefahr
0, 022mm2. Die festgestellten RF hingegen zeigen Flachen von 1− 12, 5mm2, mit
einem geometrischen Mittel von 2, 0mm2. Dies folgt aus der neuronalen Verschal-
tung mehrerer Neuronen zu einem RF, was wiederum bedeutet, dass der Mensch
nicht unterscheiden kann, welcher spezielle Sensor des RF ein Signal abgibt. Die
146
4 Ergebnisse und Diskussion
Reizschwelle dieses Sensortypes liegt bei 0, 03 − 0, 5mN , mit einem geometri-
schen Mittelwert von 0, 11mN . Die SA Mechanorezeptoren umfasst die Klassen
der Merkel-Zellen und der Ruffini-Korperchen. Fur diese geben Trulsson und Es-
sick [165] eine Flache fur das RF von 1−19, 6mm2 (geometrisches Mittel 3, 3mm2)
und eine Reizschwelle von 0, 06− 2mN an.
Wie im vorherigen Abschnitt 4.3.3 beschrieben, entstehen die großten Drucke an
der Zungenspitze, dort wo auch physiologisch die meisten RF liegen. Sobald die
Kraft auf einen RA Mechanorezeptor seine Reizschwelle uberschreitet, sollte die-
ses RF eine Aktivierung erfahren. Fur die Puddingproben und fur Bier fasst die
Tabelle 4.17 die maximalen Drucke am Anfang und Ende des Schluckvorgangs
zusammen. Verglichen mit Literaturwerten aus Messungen mit Druckaufnehmern
am Gaumen erweisen sich die Werte als zu klein. Diese Untersuchungen von Kie-
ser et al. [77] fuhren zu maximalen Drucken am Gaumen von 13, 05− 289, 75 kPa
fur das Schlucken von 10ml Wasser (vergleichbar mit den Werten fur Bier). Als
hierfur verantwortlich zeigen sich wahrscheinlich der fehlende Kontakt von Zunge
und Gaumen im numerischen Modell, was definitiv zu niedrigeren Drucken fuhrt.
Auch die fehlende Flexibilitat der Zunge in der Simulation abstrahiert lediglich
die Realitat. Das Modell bietet als erste Naherung dennoch Vorteile, da es die
Extraktion von Daten ermoglicht, die reine Druckmessungen (wie bei Kieser et
al. [77]) nicht zu liefern vermogen. Dazu zahlen beispielsweise die Scherraten oder
Schubspannungen.
Tabelle 4.17: Maximale Drucke im numerischen Mundmodell am Anfang und amEnde des Schluckvorgangs. Die maximalen Drucke entstehen immeran der Zungenspitze
Probe max. Druck in kPa max. Druck in kPaam Anfang am Ende
100% 2,40 18,995% 1,73 14,093% 1,69 13,087% 1,35 11,483% 1,19 8,47Bier 0,00786 0,0536
Zunachst stellt sich die Frage, ob die Druckwirkung ausreichen wurde, die Reiz-
147
4 Ergebnisse und Diskussion
schwelle von einem einzigen Mechanorezeptor zu uberwinden. Fur die dunnflus-
sigste Puddingprobe”83%“ mit dem geringsten maximalen Druck von 1, 19 kPa
zu Beginn des Schluckvorgangs, liegt die Kraft auf einen einzelnen RA Mecha-
norezeptor bei ungefahr 1, 19 kPa × 0, 022 · 10−6m2 = 0, 026mN . Verglichen mit
dem Wert der Reizschwelle von 0, 06mN lasst sich konstatieren, dass es prinzi-
piell moglich ware, dass einzelne Sensoren depolarisieren (vor allem bei den ho-
heren Konzentrationen und gegen Ende des Schluckvorgangs), doch verglichen
mit den niedrigen lokalen Drucken bei dunnflussigen Lebensmitteln wie Bier von
7, 86Pa× 0, 022 · 10−6m2 ≈ 1µN und der flachigen Belastung durch Fluide liegt
die Vermutung nahe, dass das RF uber die Summe der Einzelreize der Mechanore-
zeptoren als Ganzes reagiert. Dies ermoglicht die”Integration“ der Reize einzelner
Mechanorezeptoren uber die gesamte Flache. Trulsson und Essick [165] geben die
Reizschwelle fur die oberflachlichen RA und SA RF mit 0, 11mN und 0, 27mN
an. Die mittlere Kraft auf ein RA oder SA RF erreichnet sich fur Probe”83%“
zu 1, 19 kPa× 2, 0 · 10−6m2 = 2, 4mN bzw. 1, 19 kPa× 3, 3 · 10−6m2 = 4, 0mN ,
was definitiv uber den jeweiligen Reizschwellen liegt. Dies fuhrt zu der Schlussfol-
gerung, dass fur alle Proben zu allen Zeiten die Sensoren auf den mechanischen
Reiz antworten, anders als z.B. beim Lecken oder Sprechen [74,75]. Anders sieht es
laut den Simulationen fur dunnflussige Lebensmittel wie Bier, die meisten Safte,
Wasser, Erfrischungsgetranke, etc. aus. Bei diesen liegen die maximalen Reize bei
53, 6Pa×2, 0·10−6m2 = 0, 107mN (RA) bzw. 53, 6Pa×3, 3·10−6m2 = 0, 177mN
(SA). Dies wurde bedeuten, dass erst gegen Ende des Schluckvorgangs hin die Reiz-
schwelle uberschritten wird, doch Microneurographie Experimente belegen, dass
sich selbst fur Wasser die standige Aktivitat der Mechanorezeptoren nachweisen
lasst.
Neben der absoluten Große der Kraft beeinflusst auch die Dauer des Reizes die
Antwort der Mechanorezeptoren. Da die Krafte fur die Puddingproben die Reiz-
schwellen zu jedem Zeitpunkt uberschreiten, unterscheiden sie sich fur die SA Me-
chanorezeptoren vor allem durch die absoluten Große der Antwort wahrend alle
Sensoren ansprechen. Fur die RA hingegen folgen andere Uberlegungen, denn nach
Uberschreitung der Reizschwelle und aufgrund des transienten Schluckvorgangs an-
dern sich die Antworten der RA standig. Erst nachdem die mechanische Belastung
uber eine gewisse Zeitdauer (ca. 50 − 500ms fur Meissner-Korperchen) konstant
148
4 Ergebnisse und Diskussion
bleibt, stellen diese Neuronen ihre Reaktion ein und kehren in den Ruhezustand
zuruck. Wahrend der Manipulation des Lebensmittels im Mund und wahrend des
Schluckens zeigt sich dieser Fall niemals, was auch Microneurographie Experimente
eindeutig belegen [74]. Dies konnte der Grund dafur sein, warum dieser Sensortyp
in der oralen Mucosa zahlenmaßig den Hauptteil stellt, verglichen zur haarfreien
Haut (67% gegenuber 43% [166]).
Unter Berucksichtigung der Messdaten von Kieser et al. [77] lasst sich zusam-
menfassen, dass die vorgestellten Ergebnisse hochstwahrscheinlich vor allem am
Anfang der Schluckbewegung gelten, wenn sich die Zungenbewegung in Realitat
und die des Modells am meisten ahneln. Die vorgestellten Untersuchungen wur-
den ansonsten zu dem Schluss fuhren, dass Menschen aufgrund der zu geringen
mechanischen Reize nicht in der Lage sind das Mundgefuhl von Losungen mit
geringen Viskositaten zu detektieren. Doch der Mensch kann bereits geringste Vis-
kositatsunterschiede differenzieren [184], was wiederum die These bekraftigt, dass
die Propriozeption bei der Mundgefuhlswahrnehmung flussiger Lebensmittel eine
untergeordnete Rolle spielt.
149
4 Ergebnisse und Diskussion
4.3.4 Vergleich der im Posthumus Funnel und im Mund
auftretenden Dehnraten wahrend des Schluckvorgangs
Wie in Unterkapitel 2.6.3 beschrieben reagieren Fluide nicht nur auf Scherung,
sondern auch auf Dehnung spezifisch. Gerade viskoelastische Fluide (vgl. Ab-
schnitt 2.4) beeinflussen durch ihr Dehnungsverhalten das Stromungsprofil teil-
weise in entscheidender Form. Im Mund tritt neben der Scherung auch Dehnung
auf, ein Vergleich dieser Dehnraten zwischen dem Posthumus Funnel und dem
numerischen Mundmodell ergabe ein weiteres Maß hin zur Vergleichbarkeit der
beiden Systeme.
Die in Abschnitt 2.4 in Gl. (2.8) beschriebene Definition der Dehnrate dient als
Grundlage aller hier getroffenen Aussagen. Der in Abbildung 4.22 dargestellte Fall
zeigt das Ergebniss der Dehnratenberechnung fur die Referenz”100%“. Die hoch-
sten Werte liegen unmittelbar in einer dunnen Schicht an der Zungenoberflache
vor, da diese sich innerhalb eines jeden Zeitschritts nach oben bewegt und so das
Fluid antreibt.
Abbildung 4.22: Dehnraten im Mund zu Beginn des Schluckvorgangs (0,5% derSchluckzeit bei 25 ◦C) der Referenzprobe
”100%“. Es zeigt sich,
dass die maximalen Dehnraten in einer dunnen Fluidschicht derZungenoberflache herrschen, da sich diese innerhalb jedes Zeit-schritts nach oben bewegt und das Fluid antreibt
Diese hohen Werte (im Fall der Referenz”100%“ gilt εmax ≈ 111 1
s) treten bei
allen Berechnungen im numerischen Mundmodell auf und sie reprasentieren Ober-
flacheneffekte an der bewegten Zunge. Zum Vergleich mit dem Posthumus Funnel
150
4 Ergebnisse und Diskussion
lassen sie sich dagegen nicht heranziehen, da sich die Dehnraten im Fluid entspre-
chen sollten. Eine Fokussierung auf die Dehnraten zwischen Zunge und Gaumen
in Abbildung 4.23 zeigt dabei, dass der Wertebereich im Fluid geringer ausfallt.
Die Dehnrate erreicht in der Region der beschleunigten Stromung (Punkt A) eine
Großenordnung von εmax ≈ 3, 61 1s
(alle Werte fasst Tabelle 4.18 zusammen).
Abbildung 4.23: Dehnraten im Mund zu Beginn des Schluckvorgangs (2% derSchluckzeit bei 25 ◦C) der Referenzprobe
”100%“, mit dem Wer-
tebereich fokussiert auf die Werte im Fluid zwischen Zunge undGaumen. Um den Punkt A beschleunigt die Stromung von gerin-gen Geschwindigkeit in Richtung Maximum (zum Vergleich dientdie Geschwindigkeitsverteilung) um dann um den Punkt B zuruckauf niedrige Werte zu verzogern. Demnach nehmen die Dehnratenam Punkt A positive (Beschleunigung) und am Punkt B negative(Verzogerung) Werte an
Die Resultate der Dehnratenbestimmung fur das Posthumus Funnel illustriert
Abbildung 4.24 fur den Std. 2 exemplarisch. Eindeutig erkennbar geben sich die
151
4 Ergebnisse und Diskussion
hohen Dehnraten am Ubergang vom Konus in den unteren Zylinder aufgrund der
konvektiven Beschleunigung an dieser Stelle.
Abbildung 4.24: Dehnraten im Posthumus Funnel zu Beginn des Ausflussvorgangs(2% der Ausflusszeit bei 25 ◦C) der Referenz Std. 2. Es zeigt sich,dass die maximalen Werte am Ubergang vom Konus in den unte-ren Zylinder auftreten, da hier die Stromung am meisten konvek-tiv beschleunigt wird und demnach auch die hochsten Dehnratenauftreten. Die Geschwindigkeitsverteilung dient zur unterstutzen-den Illustration
Im Vergleich hierzu liefert ein an den Std. 2 angepasstes Modell um fast eine
halbe Großenordnung kleinere Werte, siehe Abbildung 4.25. Es zeigt sich, dass die
maximalen Werte am Ubergang vom Konus in den unteren Zylinder auftreten, da
hier die Stromung am meisten konvektiv beschleunigt wird und demnach auch die
hochsten Dehnraten auftreten.
Eine Zusammenfassung der Dehnraten im Mundmodell und dem Standard und
auf den Std. 2 angepassten Posthumus Funnel liefert Tabelle 4.18. Innerhalb der
152
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.25: Dehnraten im an den Std. 2 angepassten Posthumus Funnel zu Be-ginn des Ausflussvorgangs (2% der Ausflusszeit bei 25 ◦C) aus Ab-schnitt 4.1.3.2. Alle geometrischen Parameter stimmen mit demStandard Posthumus Funnel uberein (siehe Abbildung 2.17), bisauf die untere Zylinderlange (h = 173mm) und -durchmesser(D0 = 14mm). Die Geschwindigkeitsverteilung dient zur unter-stutzenden Illustration
unterschiedlichen Konuslangen d zeigt sich, dass eine Verkurzung des Konus die
Dehnraten erhoht. Dies lasst sich darauf zuruckfuhren, dass sich mit der Verkur-
zung der Konuslange auch die”Beschleunigungsstrecke“ verringert, mit einherge-
hender Erhohung des Geschwindigkeitsgradienten zwischen dem oberen und unte-
ren Zylinder. Fur das Mundmodell ergeben sich fur die Dehnraten, ungeachtet der
rheologischen Eigenschaften der Proben, ahnliche Großenordnungen. Dies liegt am
starken Einfluss der Schluckgeschwindigkeit (hier 1 cms
[37,104]) Die absoluten Wer-
te liegen dabei recht niedrig (maximal am Anfang des Schluckvorgangs fur Wasser
von εmax ≈ 8, 52 1s), doch bevor die Stromung als reine Scherstromung modelliert
153
4 Ergebnisse und Diskussion
wird (wie bisher in der Literatur), sollte der Umstand Beachtung finden, dass fur
ein Fluid die Dehnviskositaten stets großere Werte annehmen als die Scherviskosi-
tat (bei viskoelastischen Fluiden sogar ganze Großenordnungen), und damit sollte
der Einfluss der geringen Dehnraten auf die Stromung nicht unterschatzt werden.
Ein Vergleich der Werte fur das Standard Posthumus Funnel mit dem Mundmodell
zeigt, dass die Dehnraten (wie schon zuvor die Scherraten) um fast eine Großen-
ordnung zu hoch liegen. Nach der Anpassung der Geometrie an die Stoffdaten des
Std. 2 resultieren kleinere Werte, die zwar noch um den Faktor 3−7 zu hoch liegen,
doch immerhin naher am physiologischen Bereich als beim Standard Posthumus
Funnel.
Tabelle 4.18: Maximale Dehnraten im Fluid im numerischen Mundmodell (um denPunkt A aus Abbildung 4.23) fur die Puddingproben und Bier, sowieim Standard und auf den Std. 2 angepassten Posthumus Funnel (nachTabelle 4.5)
Geometrie Dehnrate ε in 1s
Dehnrate ε in 1s
(2% der Schluckzeit) (50% der Schluckzeit)
Posthumus FunnelStandard 89,6 52,9d = 10mm 26,7 21,7d = 15mm 24,9 19,5d = 20mm 23,8 18,1d = 25mm 22,3 16,9d = 30mm 21,1 15,8d = 35mm 19,9 14,9d = 40mm 18,9 14,1
MundmodellPudding 100% 3,61 4,30Pudding 95% 4,94 5,86Pudding 93% 4,80 5,70Pudding 87% 4,91 5,91Pudding 83% 4,34 6,08Bier 8,52 6,68
Zusammenfassend lasst sich konstatieren, dass das Stromungsprofil im Mundmo-
dell und dem Posthumus Funnel substantielle Unterschiede aufweisen, wie z.B. die
154
4 Ergebnisse und Diskussion
Beschleunigung und Verzogerung der Stromung im Mundmodell, wahrend sie im
Posthumus Funnel lediglich im Bereich des Ubergangs vom Konus in den unteren
Zylinder beschleunigt. Der Vergleich der Dehnraten zeigt deutlich, dass die Anpas-
sung der Posthumus Funnel Geometrie die Dehnraten zu erniedrigen vermag, in
Richtung physiologischeren Bedingungen. Dadurch eignet sich das Posthumus Fun-
nel besser zur Voraussage der Mundgefuhlattribute, doch sollten die Unterschiede
niemals ausser Acht gelassen werden. Doch in Anbetracht des Gewinns des Post-
humus Funnels als ein weiteres Mundmodell, stellt dies einen zu akzeptierenden
Sachverhalt dar.
155
5 Zusammenfassung und Ausblick
Damit der Anwender eines Systems dieses optimal zu nutzen vermag, ist zunachst
die moglichst vollstandige Aufklarung seiner Wirkprinzipien sinnvoll und oft auch
notig. Bis dato gelingt die Voraussage von sensorischen Eigenschaften von Lebens-
mitteln mit nur maßigem Erfolg, nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Kenntnis
ihrer Entstehungsmechanismen. Diese Arbeit beschaftigt sich mit dem Mundge-
fuhl von halbflussigen, nicht stuckigen Lebensmitteln wie Joghurt und Pudding.
Das erste erklarte Ziel besteht in der Aufklarung der Entstehung der Wahrnehmung
typischer sensorischer Attribute, wie z.B. der Konsistenz oder der Cremigkeit, auf
Basis stromungsmechanischer Uberlegungen.
Stromungsmechanische und rheologische Großen beeinflussen das Mundgefuhl in
großem Maße, und dies vor allem fur solche, die der Mensch an der Kontaktflache
Mund und Lebensmittel detektiert, wie z.B. die Schubspannung oder den Druck.
Dies steht auch im Einklang mit der Literatur [86]. Die davon abgeleiteten phy-
sikalischen Stoff- und Materialdaten von Joghurtproben dienen in dieser Arbeit
der Studie zur Voraussage das Mundgefuhlattributs”mouth viscosity“ oder Kon-
sistenz mittels Kunstlicher Neuronaler Netze. Hierfur kommt eine bereitgestellte
Datenbank mit Joghurtproben mit unterschiedlichen Protein- und Fettgehalten
zum Einsatz. Fur diese enthalt die Datenbank neben den sensorischen eine große
Zahl physikalischer und empirischer Messgroßen. Eine Vorauswahl identifizierte
diejenigen, die die hochste Korrelation mit der”mouth viscosity“ zeigt. Anschlie-
ßend erfolgt der Vergleich der klassischen mathematischen psychophysikalischen
Modelle mit Kunstlichen Neuronalen Netze. Dies ergibt in beiden Fallen, dass die
Integration elastischer (Speichermodul) und viskoser Großen (Schubspannung bei
fixer Scherrate, Herschel-Bulkley Konsistenzfaktor K oder empirische Parameter
aus einem Posthumus Funnel) die Prognose entscheidend verbessern. Im Mittel
liegt die Genauigkeit der KNN (reprasentiert durch die”mittlere Voraussagege-
156
5 Zusammenfassung und Ausblick
nauigkeit“) und die Robustheit (reprasentiert durch die”Varianz der Voraussage“)
hoher als bei den klassischen Verfahren, was dafur spricht, dass KNN ihre Aufgaben
ubernehmen konnten. Dies gilt dann aber nur fur den Ersatz des trainierten Panels,
mit dessen Daten das KNN trainiert wurde. Durch die objektivierte Voraussage
des Mundgefuhls ergaben sich fur den Produktentwicklungs- oder Qualitatssiche-
rungsprozess große okonomische und zeitliche Einsparpotentiale.
Vor allem die erwahnte Einbeziehung der empirischen Posthumus Funnel Daten
erhoht die Prognosefahigkeit des KNN. Das Studium der Literatur ergibt dabei
einen Missstand. Voisey [170] spricht davon, dass der Ahnlichkeit der Deformati-
onsraten einer instrumentellen und der humanen Bestimmung sensorischer Großen
ein wichtiger Beitrag zukommt. Hellinga et al. [61] stellten fest, dass die Scherra-
ten im Posthumus Funnel verglichen mit oralen Werten um mehr als eine Dekade
hoher liegen [30,149,181]. Das ursprungliche Einsatzgebiet des Posthumus Funnel
lag in der Qualitatssicherung zur relativen Beurteilung der Produktqualitat, d.h.
es wurde nie fur den Einsatz zur Bestimmung des Mundgefuhls von der stromungs-
mechanischen Seite betrachtet. Hellinga et al. [61] postulieren, dass die Anpassung
der Scherraten die Voraussagegenauigkeit erhohen konnte. Im Verlauf dieser Ar-
beit entsteht neben der mathematischen Beschreibung der Stromungsvorgange ein
numerisches Modell, anhand dessen mittels Particle Image Velocimetry (PIV) Ex-
perimente das ermittelte Geschwindigkeitsfeld validiert wird. Basierend auf diesen
Daten erfolgt die Generierung eines Berechnungsmodells, womit die Scherraten im
Posthumus Funnel, bei Kenntnis der rheologischen Lebensmittelparameter, uber
eine Anpassung der Geometrie in orale Großenordnungen uberfuhrt werden kon-
nen.
Zur weiteren Eingrenzung von Eingangsparametern zur Vorhersage des Mundge-
fuhls dient die Untersuchung, ob Daten die mit der Propriozeption korrelieren
Beitrage zur Voraussage zu liefern vermogen. Versuche mit dem Oberflachenanas-
thetikum Lidocain liefern Einblicke in die Entwicklung des Mundgefuhls. Die Li-
teratur kennt und nennt bisher die zwei hauptsachlich an der Sinneswahrnehmung
teilhabenden taktilen Sensoren und Propriozeption (Eigenwahrnehmung) der Zun-
ge, die zur Entstehung des Mundgefuhls bei halbflussigen Lebensmittel beitragen,
doch nie deren quantitativen Anteil. Beim Studium dieser Literatur entsteht der
Eindruck, als seien beide Systeme annahernd gleichwertig, z.B. [27, 41, 56]. Alle
157
5 Zusammenfassung und Ausblick
Probanden der Anasthesieversuche geben an, dass die Betaubung ihre Wahrneh-
mung in starkem Maße beeintrachtigt, ohne dass die Agilitat und Eigenwahrneh-
mung der Zunge darunter leiden. Dies bedeutet, dass die Mechanorezeptoren den
dominanten Teil der Mundgefuhlsbestimmung ubernehmen, wahrend die notige
Zungenkraft zur Manipulation des Speisebreis im Mund kaum oder nur im gerin-
gen Maße (vor allem bei sehr hochviskosen Lebensmitteln) dazu beitragt.
Fur weitere Forschungsvorhaben, die an den Erkenntnissen dieser Arbeit anset-
zen, ergeben sich beispielsweise aus der Synthese von numerischen Simulationen
mit Kunstlichen Neuronalen Netze große Potentiale. Erste Untersuchungen zeigen
bereits, dass die durch Simulation des Schluckvorganges entstandenen Druck- und
Schubspannungsverteilungen auf der Zungenoberflache (Abbildung 5.1) Voraussa-
gegenauigkeiten bis zu 85% ermoglichen.
Abbildung 5.1: Uber die Synthese von numerischen Simulationen und kunstlichenneuronalen Netze gewonnene Voraussage des Mundgefuhls. Pilot-studien zeigten Voraussagegenauigkeiten von bis zu 85%
Ebenso besteht in Zukunft die Moglichkeit uber eine Apparatur den Schluck-
prozess ahnlich den bisherigen numerischen Simulationen nachzubilden. In Abbil-
158
5 Zusammenfassung und Ausblick
dung 5.2 ist das parallel zu der vorliegenden Arbeit entstehende, aber noch im
Aufbau befindliche”Oral Flow Model“ (OFM) dargestellt.
Es existieren zwei Ausfuhrungen, zum einen zur Messung der Wandschubspan-
nung auf dem Gaumen mittels Heißfilmsensoren [38] und zum anderen zur Ermitt-
lung der Druckverteilung auf dem Gaumen durch Drucksensoren. Der Schlitten
und die abgefahrene Rampe lassen sich je nach Wunsch austauschen, um so un-
terschiedliche Schluckprofile darstellen zu konnen. Ebenso besitzt das OFM einen
Kraftsensor, der die zum Schlucken notige Kraft misst.
Des Weiteren ließen sich in zukunftigen Studien der jeweilige Einfluss der viskosen
und elastischen Effekte eines Lebensmittels auf die Mundgefuhlswahrnehmung un-
tersuchen, ebenso ob die Anpassung des Posthumus Funnel die Voraussage wirklich
zu verbessern vermag.
159
5 Zusammenfassung und Ausblick
(a) Gesamter Aufbau
(b) Detailansicht des Mundmodells
Abbildung 5.2: Aufbau des”Oral Flow Models“. Abbildung (a) zeigt den vollstan-
digen Aufbau, in (b) reprasentiert”1“ das Mundmodell,
”2“ den
Abstands- / Winkelmesser,”3“ den Kraftaufnehmer,
”4“ den be-
weglichen Schlitten (angetrieben durch einen Motor) und”5“ ein
Magnetventil
160
Abbildungsverzeichnis
2.1 Anatomie des Mundraums. Nach [148] . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.2 Zungenoberflache mit ihren Papillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.3 Allgemeiner Aufbau der Haut [49] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.4 Mechanorezeptoren der haarfreien Haut. Die Sensoren in der oralen
Mukosa sind identisch mit den somatischen, bis auf die fehlenden
Vater-Pacini-Korperchen. Nach Williams et al. [180] . . . . . . . . . 14
2.5 Spannungssensitiver Natriumkanal [150] . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.6 Wahrend der Nahrungsaufnahme auftretende Langenskalen . . . . . 21
2.7 Black-Box-Modell der Wahrnehmung der Lebensmittelstruktur. Die
Abhangigkeit von der Mundphysiologie und der Prozessierung des
Lebensmittels ist nur unzureichend bekannt . . . . . . . . . . . . . 23
2.8 Potentielle Faktoren der Texturwahrnehmung . . . . . . . . . . . . 24
2.9 Beispiel einer optischen Wahrnehmungstauschung. Obwohl beide
Felder die gleiche Leuchtdichte ( cdm2 ) besitzen, erscheint im linken
Bild Kachel B heller als A. Das menschliche Gehirn errechnet die
subjektive Helligkeit anhand von Erfahrungen und versucht dem-
nach den Einfluss des Schattens des Zylinders zu kompensieren [2] . 26
2.10 Spannungskomponenten in einem Elementarwurfel . . . . . . . . . . 29
2.11 Einachsige Deformation an einem Elementarwurfel. Die obere Fla-
che bewegt sich mit einer Geschwindigkeit u+ du, die untere mit u.
Durch die Fließfahigkeit des Korpers resultiert innerhalb des Zeit-
schritts ∆t ein Deformationswinkel dγ (auch Scherwinkel genannt) . 30
2.12 Einige Beispiele von zeitunabhangigen Fliesskurven unterschiedli-
cher Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
161
Abbildungsverzeichnis
2.13 Fließkurven von newtonschem Glucosesyrup und verschiedenen Sau-
cen. Das Sensorikpanel wahlte die Konsistenz der Sauce 2 als am
ahnlichsten im Vergleich zum Glucosesyrup (Wood et al. [181]) . . . 36
2.14 Diese Kurve ging als”Universalkurve“ der Scherraten und Schub-
spannungen wahrend des Verzehrs flussiger und halbflussiger Le-
bensmittel in die Literatur ein. Der Bereich zwischen den Kurven
markiert die Werte wahrend der Ermittlung der oralen Viskositat.
Fur Lebensmittel mit hoher Viskositat erfolgt die Wahrnehmung bei
einer konstanten Scherrate von ca. 10 s−1. Aus [149] . . . . . . . . . 37
2.15 Kraft die zur Scherung dreier verschieden gekochten Spaghettipro-
ben bei Schermessergeschwindigkeiten von 0, 5 − 100 cmmin
benotigt
wird. Die Kurven wurden auf 150 cmmin
extrapoliert, was der an-
genommenen Schergeschwindigkeit wahrend des Kauvorgangs ent-
spricht. Die Messpunkte reprasentieren die Mittelwerte aus 10 Mes-
sungen, namlich die Scherung von 10 Spaghettistangen an 10 Stel-
len. Nach Voisey [170]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.16 Zweiplattenmodel einer Zunge-Gaumen-Geometrie . . . . . . . . . . 42
2.17 Geometrie des Posthumus Funnel. Nach Posthumus [126], nicht maß-
stabsgetreu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.18 Beispiel fur eine Ausflusskurve einer Joghurtprobe aus einem Post-
humus Funnel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.19 Modell einer Zungen/Gaumengeometrie, bestehend aus zwei Rotati-
onsellipsoiden (Radien aus humanen kieferorthopadischen Gipsab-
drucken). Durch das Drehen der Zunge um einen fixen Punkt an
einem Ende entsteht eine Quetschstromung, die den Speisebrei in
Richtung Drehpunkt bewegt (Mathmann et al. [104]) . . . . . . . . 51
2.20 Numerisches Mundmodell am Anfang (a) und am Ende (b) des
Schluckvorgangs, sowie die Randflachen des Berechnungsgitters (c)
nach Mathmann et al. [104] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.21 Typische Kraft-Verschiebungs-Kurven des”Texturometers“, dessen
Messung diverse Texturattribute abzubilden vermag. Aus Fried-
man et al. [50] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
162
Abbildungsverzeichnis
2.22 Mogliche Zusammenhange der sensorischen Große (S) mit einer phy-
sikalischen Messung (P). Abbildung (d) zeigt den Zusammenhang
nach einer Achsentransformation (z.B. P ′ = log(P )) . . . . . . . . . 58
2.23 Skizze von biologischen neuronalen Verbindungen. Die Nervenzelle
besteht aus einem Zellkorper, der uber sein Axon und Dendriten
mit andern Nervenzellen in elektrischer Verbindung steht. Dendriten
fungieren als Datenaufnahmeschicht und das Axon gibt die Reaktion
der Zelle auf diese Eingabe als Reiz an die nachfolgenden Neuronen
weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.24 Aufbau eines Kunstlichen Neuronalen Netzes. Hierbei stellt wij das
Gewicht der Verbindung des Neurons i mit Neuron j dar . . . . . . 63
3.1 Aufbau des Posthumus Funnel Gitters. Der”Einlass“,
”Auslass“ und
die”Wand“ entsprechen den Randflachen des Berechnungsgitters . . 70
3.2 Grobstes und feinstes Posthumus Funnel-Berechnungsgitter . . . . . 73
3.3 Messaufbau des PIV Messsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3.4 Lichtschnittebene durch das Messsystem. Die Kamera nimmt stets
senkrecht zum Lichtschnitt auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.5 Massstab mit einer Skalierung von 0,5 mm befindet sich im Posthu-
mus Funnel, gefullt mit Glycerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
3.6 Abstand zweier aufeinander folgenden Skalierungen in Pixel in Ab-
hangigkeit vom radialen Abstand zur z-Achse. Der Massstab befin-
det sich in einem mit Glycerin gefulltem Posthumus Funnel . . . . . 77
3.7 Aufbau von”hANNdy“. Das Programm generiert nach Anwender-
wunsch AngelSkript-Dateien, die Membrain ausfuhrt. Das Resultat
sind trainierte Netze, die eine Visual Basic-Bibliothek beispielsweise
in Microsoft Excel implementieren konnte . . . . . . . . . . . . . . 79
163
Abbildungsverzeichnis
3.8 Hauptmenu und Startpunkt von”hANNdy“. Hier initialisiert der
Anwender alle Parameter zur Bestimmung der optimalen Netzto-
pologie. Anschließend an die Initialisierung erzeugt das Programm
Skript-Dateien fur Membrain, die den gesamten Trainings- und Va-
lidierungszyklus mit den gewahlten Parameter selbststandig durch-
laufen. Am Ende steht die Wahl der besten Netzparameter und -
topologie anhand der festgesetzten Toleranz . . . . . . . . . . . . . 81
3.9 Ergebnis der Optimierung der Netztopologie mit”hANNdy“. Die
dargestellten Ordner tragen die Namen ihrer Netztopologie (10 4 6 1
steht fur zehn Eingangsneuronen, vier versteckte Neuronen in der
ersten und sechs in der zweiten versteckten Schicht und die eins
fur ein Ausgangsneuron). Die Ordner selbst enthalten die einzelnen
Trainings- und Validierungszyklen. Ebenso erhalt der Anwender In-
formationen uber die erreichten Netzfehler der jeweiligen Topologie 82
3.10 Beispiel einer klassischen feed-forward Netztopologie in Membrain [164],
wobei durch die fehlenden Verbindungen der anderen Großen mit
den versteckten Schichten nur die Werte a8mm und b8mm zur Ge-
samtvoraussage beitragen. Die Zahlen unter den Neuronen zeigen
ihre Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.11 Zusammenhang zwischen den gewahlten physikalischen Großen”a8mm“,
”b8mm“ und
”Gst1Hz“ mit der
”M Viscosisty“ . . . . . . . . . . . . 86
3.12 Zusammenhang zwischen den gewahlten physikalischen Großen”she-
ar9“ und”KHers“ mit der
”M Viscosisty“ . . . . . . . . . . . . . . . 87
3.13 Viskositatsfunktion der Puddingproben. Die Ordinate zeigt relative
Viskositaten, d.h. die Probenviskositat bezogen auf die der Referenz
(100%). Die scheinbare Viskositat der Referenz bei einer Scherrate
von γ = 50 s−1 liegt bei 1,26 Pas. Im Bereich der oralen Scherraten
(γ = 10 − 100 s−1) zeigen alle Proben vergleichsweise konstante
relative Werte. Die Messtemperatur betragt 22 ◦C . . . . . . . . . . 91
4.1 Skizze der Geometrie und des Koordinatensystems zur Losung der
konvergierenden Dusenstromung eines inkompressiblen Fluids kon-
stanter Dichte und dynamischer Viskositat . . . . . . . . . . . . . . 98
164
Abbildungsverzeichnis
4.2 Stromlinien im Standard Posthumus Funnel fur den Std. 2 (99%iges
Glycerin bei 25 ◦C) zu Beginn (a) und am Ende (b) des Auslauf-
vorgangs. Der Beginn der Stromlinien markiert zugleich die freie
Oberflache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
4.3 Numerisch und experimentell ermittelte Ausflusskurven (uber die
Zeit ausgeflossene Masse) fur den Std. 1 Wasser (siehe Tabelle 3.2)
fur unterschiedliche Zellzahl in der x-y-Ebene (bei 25 ◦C) . . . . . . 105
4.4 Numerisch und experimentell ermittelte Ausflusskurven (uber die
Zeit ausgeflossene Masse) fur den Std. 2 (siehe Tabelle 3.2) Glycerin
fur unterschiedliche Zellzahl in der x-y-Ebene (bei 25 ◦C) . . . . . . 106
4.5 Numerisch und experimentell ermittelte Ausflusskurven fur den Std. 2
Glycerin fur unterschiedliche Zellzahl in z-Richtung (bei 25 ◦C) . . . 107
4.6 Ausflusskurven fur verschiedene Glycerinlosungen und einer kom-
merziellen Joghurtprobe bei 25 ◦C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
4.7 Axiale Geschwindigkeit Uz im oberen Zylinder (z = 48mm) nach 5 s
(18% der Ausflusszeit) fur den Std. 2 (bei 25 ◦C) . . . . . . . . . . . 109
4.8 Axiale Geschwindigkeit Uz im Konus (z = 33mm) nach 5 s (18% der
Ausflusszeit) fur den Std. 2 (bei 25 ◦C) . . . . . . . . . . . . . . . . 110
4.9 Geschwindigkeit in Richtung Symmetrieachse (z-Achse) Ux im Ko-
nus (z = 33mm) nach 5 s (18% der Ausflusszeit) fur den Std. 2. Auf-
grund des kartesischen Koordinatensystems treten im Bereich x < 0
negative Geschwindigkeiten auf, d.h. das Fluid stromt zwar in Rich-
tung Symmetrieachse (z-Achse), doch entgegen der x-Richtung (ver-
gleiche hierzu Abbildung 3.4) (bei 25 ◦C) . . . . . . . . . . . . . . . 110
4.10 Momentaufnahme des Ausflusses des Std. 2 nach 5 s (ca. 18% der
Ausflusszeit). Im Bereich um den unteren Zylinder treten aufgrund
der zu langen Verschlusszeit der Kamera sogenannte Streaks auf,
die eine quantitative Aussage verhindern (bei 25 ◦C) . . . . . . . . . 111
4.11 Im Standard Posthumus Funnel mit Std. 2 auftretende Scherraten
zum Beginn des Ausflussvorgangs (2% der Ausflusszeit, bei 25 ◦C) . 113
165
Abbildungsverzeichnis
4.12 Skizze der (a) verwendeten Geometrie des allgemeinen Posthumus
Funnel und (b) der angenommene Bereich der Ausbildung einer
Rohrstromung im unteren Zylinder aus einer Blockstromung heraus.
Punkt 3 reprasentiert die freie Oberflache, Punkt 2 den Ubergang in
den Konus, Punkt 1 den Ubergang in den unteren Zylinder, Punkt
1’ den Punkt ab dem eine angenommene voll ausgebildete Rohrstro-
mung herrscht (zwischen Punkt 1 und 1’ bildet sich diese aus) und
Punkt 0 den Austritt in die Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . 114
4.13 Maximale Scherraten (an der Zylinderwand, D0 = 8mm) im Stan-
dard Posthumus Funnel in Abhangigkeit der Hohe z zum Beginn
des Ausflussvorgangs (2% der Ausflusszeit, bei 25 ◦C) fur diverse
Glycerinlosungen. Die schwarze Linie reprasentiert das Ende des
unteren Zylinders. In einer voll ausgebildeten Rohrstromung bleibt
die Wandscherrate in Stromungsrichtung konstant . . . . . . . . . . 115
4.14 Scherraten im Posthumus Funnel zum Beginn des Ausflusses (2%
der Ausflusszeit, bei 25 ◦C). Mit steigender Viskositat (von (a) nach
(d)) verkurzt sich die Einlaufstrecke stets weiter, erkennbar an dem
konstanten Scherratenverlauf entlang der Symmetrieachse des unte-
ren Zylinders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
4.15 Scherraten im an den Std. 2 (Glycerin bei 25 ◦C) angepassten Post-
humus Funnel (Lange des unteren Zylinders h = 178mm) am Ende
des Auslaufvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4.16 Beispiel des Einflusses des gewahlten”Target Net Errors“ auf die
MVG und der VAV (Fehlerbalken entsprechen√V AV ). Es ist deut-
lich zu erkennen, dass zwischen ca. 0,22 und 0,23 der optimale Wert
liegen muss (MVG groß und VAV klein) . . . . . . . . . . . . . . . 130
4.17 Die beste Netztopologie zur Voraussage der M Viscosity nach der
Analyse von”hANNdy“. Das Netz besitzt zwei versteckte Schichten,
die erste mit zwei, die zweite mit vier Neuronen. Alle Schichten sind
vollstandig miteinander verbunden, d.h. jedes Neuron einer Schicht
ist mit allen Neuronen der darunter liegenden Schicht verknupft . . 131
166
Abbildungsverzeichnis
4.18 Beispiel einer Simulation des Schluckens von Puddingprobe 100%
zu Beginn der Bewegung (1% der Schluckzeit bei 25 ◦C). Die quali-
tative Druckverteilung auf der Zungenoberflache andert sich fur die
verschiedenen Proben nicht, nur die absoluten Werte . . . . . . . . 142
4.19 Zeitlicher Verlauf der Schluckkraft fur die Puddingproben und Bier
bei 25 ◦C. Fur alle Proben nehmen die absoluten Werte zu, doch
bleiben die Großenordnungen bestehen . . . . . . . . . . . . . . . . 143
4.20 Zeitlicher Verlauf der Scherratenverteilung auf der Zungenoberflache
fur den Schluckvorgang der Referenz”100%“ nach 50% der Ausflus-
szeit bei 25 ◦C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
4.21 Maximale und minimale gemittelte Scherraten und Schubspannung
(reprasentiert durch die Rechtecke) auf der Zunge des numerischen
Mundmodells fur die verschiedenen Puddingproben uber die gesam-
te Schluckzeit. Die Kurven entsprechen der Universalkurve von Sha-
ma und Sherman [149] (vgl. Abschnitt 2.5), sowie der Fließkurve ih-
rer Puddingprobe. Dieser Graph dient der Abschatzung der wahrend
der oralen Manipulation auftretenden Scherraten und Schubspan-
nungen bei fließfahigen Lebensmitteln. Die simulierten Puddingpro-
ben bei 25 ◦C zeigen gute Ubereinstimmungen mit den Literaturwerten145
4.22 Dehnraten im Mund zu Beginn des Schluckvorgangs (0,5% der Schluck-
zeit bei 25 ◦C) der Referenzprobe”100%“. Es zeigt sich, dass die
maximalen Dehnraten in einer dunnen Fluidschicht der Zungeno-
berflache herrschen, da sich diese innerhalb jedes Zeitschritts nach
oben bewegt und das Fluid antreibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
4.23 Dehnraten im Mund zu Beginn des Schluckvorgangs (2% der Schluck-
zeit bei 25 ◦C) der Referenzprobe”100%“, mit dem Wertebereich fo-
kussiert auf die Werte im Fluid zwischen Zunge und Gaumen. Um
den Punkt A beschleunigt die Stromung von geringen Geschwin-
digkeit in Richtung Maximum (zum Vergleich dient die Geschwin-
digkeitsverteilung) um dann um den Punkt B zuruck auf niedrige
Werte zu verzogern. Demnach nehmen die Dehnraten am Punkt A
positive (Beschleunigung) und am Punkt B negative (Verzogerung)
Werte an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
167
Abbildungsverzeichnis
4.24 Dehnraten im Posthumus Funnel zu Beginn des Ausflussvorgangs
(2% der Ausflusszeit bei 25 ◦C) der Referenz Std. 2. Es zeigt sich,
dass die maximalen Werte am Ubergang vom Konus in den unte-
ren Zylinder auftreten, da hier die Stromung am meisten konvektiv
beschleunigt wird und demnach auch die hochsten Dehnraten auf-
treten. Die Geschwindigkeitsverteilung dient zur unterstutzenden Il-
lustration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
4.25 Dehnraten im an den Std. 2 angepassten Posthumus Funnel zu
Beginn des Ausflussvorgangs (2% der Ausflusszeit bei 25 ◦C) aus
Abschnitt 4.1.3.2. Alle geometrischen Parameter stimmen mit dem
Standard Posthumus Funnel uberein (siehe Abbildung 2.17), bis auf
die untere Zylinderlange (h = 173mm) und -durchmesser (D0 =
14mm). Die Geschwindigkeitsverteilung dient zur unterstutzenden
Illustration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
5.1 Uber die Synthese von numerischen Simulationen und kunstlichen
neuronalen Netze gewonnene Voraussage des Mundgefuhls. Pilot-
studien zeigten Voraussagegenauigkeiten von bis zu 85% . . . . . . 158
5.2 Aufbau des”Oral Flow Models“. Abbildung (a) zeigt den vollstan-
digen Aufbau, in (b) reprasentiert”1“ das Mundmodell,
”2“ den
Abstands- / Winkelmesser,”3“ den Kraftaufnehmer,
”4“ den be-
weglichen Schlitten (angetrieben durch einen Motor) und”5“ ein
Magnetventil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
168
Tabellenverzeichnis
2.1 Die im Mund vorkommenden Mechanorezeptoren, ihre charakteri-
stische Lange und ihre Eigenschaften. Abkurzungen: RF≡Rezeptives
Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2 Die funf Grundgeschmacksarten und die sieben Grundgeruche nach
AMOORE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.3 Korrelationskoeffizienten zwischen der sensorischen und gemesse-
nenen Festigkeit verschiedener Apfel- und Birnensorten (aus [47]
und [48]). Die Schwankungen in den Werten lassen sich auf die
Wachstumsbedingungen wahrend der Reifung der Jahrgange zu-
ruckfuhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.4 Nach Stevens [155] experimentell ermittelte Exponenten n eines ex-
ponentiellen Zusammenhangs zwischen der Große der physikalischen
Stimulierung und der subjektiven Wahrnehmung (ausgewahlte Gro-
ßen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.1 Randa- und Anfangsbedingungenb der Simulation des Posthumus
Funnel fur die Randflachen und das Berechnungsgitter. Der Ab-
solutwert des Drucks ist zur Losung der Navier-Stokes-Gleichung
nicht notig, sondern Differenzdrucke. Ein Druck von 0 Pa bedeutet
hier Umgebungsdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.2 Physikalische Stoffeigenschaften der beiden Standards Wasser (Std. 1)
und 99%igem Glycerin (Std. 2) bei 25◦C . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.3 Untersuchte Gitterauflosungen fur die beiden Standards Wasser und
99%iges Glycerin. Fur die erste Untersuchung blieb die Auflosung
in z-Richtung fur alle Falle dieselbe (80 Zellen im oberen Zylinder,
40 Zellen im Konus und 20 Zellen fur den unteren Zylinder) . . . . 72
169
Tabellenverzeichnis
3.4 Proben der Studie 1 und 2. Milch (K Classic, Handelsmarke Kauf-
land, fettarme H-Milch, 1,5% Fett, ultrahocherhitzt) und Dr. Oet-
ker Cremepudding Garant Vanillegeschmack (PP). Die gewahlten
Konzentrationen ergaben sich durch Optimierung anhand von Vor-
versuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
4.1 Ergebnisse der Untersuchung des Einflusses der Gitterauflosung (sie-
he Abschnitt 3.1.2) auf die Berechnungsergebnisse. Die relative Ab-
weichung von m(t) beschreibt die mittlere Abweichung der berech-
neten ausgeflossenen Masse und der experimentell bestimmten. Die
experimentelle Ausflusszeit fur Wasser betrug 4,8 s und die fur Gly-
cerin 28,5 s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
4.2 Anzahl an Zellen in den Gittern zur Untersuchung des Einflusses
der Zellzahl in z-Richtung. Alle Gitter besitzen 245 Zellen in der
x-y-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
4.3 Viskositat und Dichte der untersuchten Glycerinlosungen und von
Joghurt (Weihenstephaner Joghurt Mild 0,1%) und Vanillepudding
(Dr. Oetker Creme Pudding Garant) bei Scherraten von γ = 50s−1
und γ = 300s−1 bei 25 ◦C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
4.4 Geometrische Großen des angepassten Posthumus Funnel fur den
Std. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
4.5 Geometrische Großen des angepassten Posthumus Funnel fur den
Std. 2 unter Variation der Konushohe d. Die Durchmesser des oberen
und unteren Zylinders liegen bei allen Simulationen bei D0 = 14mm
und D2 = 60mm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
4.6 Ergebnisse der Voraussage der M Viscosity fur Joghurt fur eine To-
leranz von ±6% und ±7% mittels klassischer psychophysikalischer
Modelle. Die Daten zeigen Mittelwerte der drei Trainings- und Va-
lidierungsdatensatze. Die Eingangsparameter stehen fur a≡a8mm,
b≡b8mm, G≡Gst1Hz, s≡shear9, K≡KHers . . . . . . . . . . . . . . 126
4.7 Parameter fur die Netztopologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
170
Tabellenverzeichnis
4.8 Ergebnisse der Voraussage der M Viscosity fur eine Toleranz von
±6% mittels eines KNN. Die Eingangsparameter stehen fur a≡a8mm,
b≡b8mm, G≡Gst1Hz, s≡shear9, K≡KHers. Alle Werte in Prozent,
bis auf den”Target Net Error“ (TNE) und die Varianz (beide ohne
Einheit).”V1“ steht fur
”Validierungszyklus 1“ usw. . . . . . . . . . 128
4.9 Ergebnisse der Voraussage der M Viscosity fur eine Toleranz von
±7% mittels eines KNN. Die Eingangsparameter stehen fur a≡a8mm,
b≡b8mm, G≡Gst1Hz, s≡shear9, K≡KHers. Alle Werte in Prozent,
bis auf den”Target Net Error“ (TNE) und die Varianz (beide ohne
Einheit).”V1“ steht fur
”Validierungszyklus 1“ usw. . . . . . . . . . 129
4.10 Zusammenfassung der Teilergebnisse fur Toleranzen von ±6% (Ta-
belle 4.8) und ±7% (Tabelle 4.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
4.11 Ergebnisse der Studie 1 fur Puddingproben bei 22 ◦C. Ein”+“ be-
deutet”abweichende Probe richtig erkannt“, ein
”-“ hingegen
”ab-
weichende Probe nicht richtig erkannt“. Bei 13 Versuchsteilnehmern
mussen fur eine Signifikanz der Nullhypothese”Die Proben unter-
scheiden sich im Mundgefuhl“ von 99% (Signifikantniveau α = 0, 01)
mindestens 9 Personen die abweichende Probe erkennen. Die mitt-
leren relativen Viskositaten entsprechen denen aus Abbildung 3.13.
Verwendete Abkurzungen: abw.≡abweichende, rel. Visko.≡relative
Viskositat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
4.12 Ergebnisse der Studie 2 fur Puddingproben bei 22 ◦C ohne Anasthe-
sie. Bewertung der sensorischen Attribute Konsistenz (Kons), Cre-
migkeit (Crem) und Belegender Effekt (Bel) auf einer hedonischen
Skala von 0 (sehr wenig) bis 9 (sehr viel). Verwendete Abkurzungen:
Konz.≡Konzentration, Attr.≡Attribut, Stabw≡Standardabweichung,
Kons≡Konsistenz, Crem≡Cremigkeit, Bel≡Belegender Effekt . . . . 136
4.13 Ergebnisse der Studie 2 fur die totale Anasthesie. Bewertung der
sensorischen Attribute Konsistenz (Kons), Cremigkeit (Crem) und
Belegender Effekt (Bel) auf einer hedonischen Skala von 0 (sehr we-
nig) bis 9 (sehr viel). Verwendete Abkurzungen: Konz.≡Konzentration,
Attr.≡Attribut, Stabw≡Standardabweichung, Kons≡Konsistenz, Crem≡Cremigkeit,
Bel≡Belegender Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
171
Tabellenverzeichnis
4.14 Paarweiser Vergleich der Bewertung der sensorischen Attribute ei-
ner Konzentration eines Probanden mit und ohne Anasthesie (z.B.
Konsistenz der Konzentration 95% von Proband 4 mit und ohne An-
asthesie). Die dargestellten Werte reprasentieren die Summe uber
alle Probanden und sagen aus, ob der Wert mit Anasthesie großer,
gleich oder kleiner ist als der ohne Betaubung . . . . . . . . . . . . 138
4.15 Ostwald-de-Waele Fitparamter der verwendeten Puddingproben bei
22 ◦C, sowie die zum Schließen des Mundes geschatzte Kraft zu Be-
ginn des Schluckvorgangs. Die betrachteten Scherraten liegen im
physiologischen Bereich. Die Probe”Bier 20◦C“ stammt zum Ver-
gleich von Mathmann [103] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
4.16 Herschel-Bulkley-Fitparamter der verwendeten Puddingproben bei
22 ◦C, sowie die zum Schließen des Mundes geschatzte Kraft zu Be-
ginn des Schluckvorgangs (1% der gesamten Schluckzeit). Die be-
trachteten Scherraten liegen im physiologischen Bereich. Die Probe
”Bier 20◦C“ stammt zum Vergleich von Mathmann [103] . . . . . . 142
4.17 Maximale Drucke im numerischen Mundmodell am Anfang und am
Ende des Schluckvorgangs. Die maximalen Drucke entstehen immer
an der Zungenspitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
4.18 Maximale Dehnraten im Fluid im numerischen Mundmodell (um
den Punkt A aus Abbildung 4.23) fur die Puddingproben und Bier,
sowie im Standard und auf den Std. 2 angepassten Posthumus Fun-
nel (nach Tabelle 4.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
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