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8/12/2019 Die Schatzkammer des Knigs von Hazrat Inayat Khan - Leseprobe
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Hazrat Inayat Khan
Die Schatzkammer
des Knigs
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Inhalt
Einleitung 6
Der Mullah und ein Bauernmdchen 9
Der unverschmte Sufi 10
Die Schale des Derwisches 11
Alif 12
Das Feuer der Liebe 14
Die Kraft des Wortes 15
Fasten 16
Musikmeditation 17
Majnun und Leila 18
Einssein mit Gott 19Moses und der Hirtenjunge 20
Goldbestickte Schuhe 21
Die Fe Gottes 22
Der Test fr den Knig 22
Was geschieht nach dem Tod? 24
Wahrer Glaube 24Menschliche Schwchen 25
Die Knigin der Fische 27
Beobachtung 28
Geduld 29
Hafis 30
Gedchtnis 31
Sadis Bcher 32
Der Heilige als Dieb 33
Der Knig und der Papagei 34
Geistige Reinigung 36
Ein Seufzer 39Schnheit 41
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Eben darum! 42
Unter dem Baum der Wnsche 43
Datteln 44
Meditation 45
Pilgerreise 46
Birbals Frage 47
Vom Privileg, ein Mensch zu sein 48
Die Schatzkammer des Knigs 50
Vertrauen 52
Tansen und Akbar 54
Ehestreit 56Salomon 57
Shah Khamush 58
Aufrichtigkeit 59
Kali und der Sufimeister 60
Tugend und Snde 62
Im Spiegel 64Weise Liebe 65
Puran Bhagat 66
Nicht genug! 67
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Einleitung
In der Geschichte der Menschheit wurden von jeher
spirituelle Wahrheiten in Geschichten verkleidet erzhlt,
sei es in den groen Epen und Mythen der Vlker, oder
in teils besinnlichen, teils heiteren kurzen Parabeln,
Gleichnissen, Anekdoten, die besonders bei den Sufis,
im Chassidismus und im Zen-Buddhismus eine Rollespielen. Fr den, der nur das uere Geschehen auf-
nimmt, sind sie eine vergngliche Unterhaltung, - fr
denjenigen, der die hintergrndige Bedeutung erkennt,
sind sie eine Weisung fr den inneren Pfad. In Indi-
en und sicher auch in anderen Lndern des Orients, indenen die Kunst des Lesens noch nicht allgemein
verbreitet ist, und die Massenmedien die Freude am
Einfachen und die Phantasie noch nicht verdorben
haben, spielt der Geschichtenerzhler noch heute eine
groe Rolle. Man kann es immer wieder beobachten,
wie eine Schar von Menschen einem Mann lauschen,der gesprochen oder gesungen oder gar mit Hilfe einiger
Puppen, die uralten, seit langem bekannten Geschich-
ten erzhlt, singt oder tanzt. Selbst fr einen Europ-
er, der die Sprache nicht versteht, vermittelt dies einen
Zauber, dem man sich schwerlich entziehen kann. Die
gleichen Temen finden wir in vielerlei Variationen, die
jeweils eine besondere Facette aufleuchten lassen.
Der indische Mystiker und Musiker Pir-o-Murshid
Hazrat Inayat Khan war der erste, der die Sufi-Lehren
in die westliche Welt brachte. Er wurde am 5. Juli 1882
in Baroda geboren. Er lebte mit seiner ganzen Familieim Haus seines Grovaters Moula Bakhsh, das nicht
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nur ein reffpunkt berhmter Musiker, sondern auch
der Dichter, Philosophen und Mystiker verschiedenster
Herkunft war. In dieser Atmosphre wuchs der jungeInayat auf. Grossen Einfluss hatte sein Grovater auf
seine Erziehung. Er pflegte ihn jeden Morgen zu we-
cken und den Vormittag mit ihm zu verbringen. Ina-
yat zeigte bereits als Kind ein ungewhnliches Interesse
fr Religion. Oft besuchte er Yogis und Derwische, um
ihnen still zuzuhren.
Inayat Khan wurde in seiner Zeit zu einem der
berhmtesten Musiker Indiens und musizierte an den
Hfen der Maharajas, bis er in Hyderabad seinem geis-
tigen Lehrer, Murshid Abu Hashim Madani, begegnete
und die meiste Zeit mit seinem Meister verbrachte. Vorseinem od trug sein Murshid ihm auf, in den Westen
zu gehen, um dort die Weisheit des Sufismus zu ver-
breiten, denn dies sei seine Aufgabe. Er reiste 1910 mit
seinen Brdern, zu denen sich spter auch der jngste,
Moulamia Musharaff Khan, gesellt hatte, zuerst in die
USA und spter nach England und Frankreich, wo ersich nach dem ersten Weltkrieg in Suresnes bei Paris
mit seiner Familie niederlie. Von hier aus unternahm
er zahlreiche Reisen, auf denen er Vortrge hielt, Be-
sucher empfing und seine Botschaft vermittelte. Die
Zahl seiner Anhnger vermehrte sich rasch. Im Jahr
1922 veranstaltete er in Suresnes seine erste Sommer-
schule, der jhrlich weitere folgten, zu denen immer
mehr Menschen aus aller Welt kamen, um sich von
Murshid Inayat Khans Botschaft von Liebe, Harmonie
und Schnheit inspirieren zulassen und ihr zu folgen.
Sein Werk blhte auf und er schuf die Organisation derSufi-Bewegung, um damit der Seele der Weisheit
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eine uere Form zu geben. Es entstand ein umfang-
reiches Werk an Schriften, teils aus mitgeschriebenen
Vortrgen, teils von ihm selbst diktiert. Er drcktesich in einer schlichten Sprache aus, die immer mehr
enthllt, je tiefer man nachdenkend in sie eindringt. Als
echter Orientale schmckte er seine Lehren nach alter
Sufitradition mit anschaulichen Bildern und Geschich-
ten, die fr jeden verstndlich sind. Die Sommerschule
im Jahre 1926 bildete den Hhepunkt seines Wirkens.
Bald darauf kehrte er in seine geliebte Heimat zurck.
Er hoffte dort die Ruhe und Zurckgezogenheit zu
finden, um sich von den Anstrengungen der letzten
Jahre zu erholen, die ihn physisch erschpft hatten.
Doch fr ihn war die Zeit gekommen, seine irdischeAufgabe war erfllt. Am 5. Februar 1927 starb er in
Delhi. Die Nachfolge bernahmen nach einander seine
Brder und Nachkommen bis heute.
Karima Sen Gupta
Die Ziffern am Ende einer jeden Geschichte beziehen sich auf Bandund Seitenzahl in der englischen Originalausgabe.
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Der Mullah und ein Bauernmdchen
Ein Bauernmdchen war auf dem Weg zu ihrem
Geliebten. Sie ging an einem Mullah* vorber, der
betete. In ihrer Unwissenheit ging sie an ihm vorbei,
was das Gesetz verbietet. Der Mullah war sehr zornig
und als sie zurckkehrte, tadelte er sie fr ihr Verge-
hen und sagte: Mdchen, was hast du fr eine groe
Snde begangen, als du vor mir vorbergingst, whrend
ich betete. Sie fragte: Was ist das: Beten? Er erwider-
te: Ich dachte an Gott, den Herrn des Himmels und
der Erde. Darauf sagte sie: Es tut mir leid, wenn ich
etwas Unrechtes tat. Ich wei kaum etwas von Gott undvom Beten. Ich war auf dem Weg zu meinem Geliebten
und dachte an ihn. Ich sah nicht, dass Sie beteten. Aber
wie konnten Sie mich sehen, wenn Sie an Gott dach-
ten? Diese Worte berhrten den Mullah so sehr, dass
er zu ihr sagte: Von diesem Augenblick an bist du mein
Lehrer. Ich bin es, der von dir lernen sollte!
*Priester V/180
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Der unverschmte Sufi
Ein Sufi ruhte einst glcklich und zufrieden unter
einem Baum; seine Beine waren ausgestreckt, die Arme
unter den Kopf gelegt. Er war ganz entspannt. Ein Vor-
bergehender, ein sehr frommer Mann, sah ihn so und
rief aus: Ich wusste nicht, dass du ein so unverschm-ter Kerl bist! Der Sufi war ganz berrascht ber diese
Bemerkung. Warum sagst du, dass ich unverschmt
sei? Ich tue nichts, ich ruhe mich hier nur friedlich aus.
Du liegst auf eine hchst unverschmte Art, weil deine
Fe nach Mekka zeigen! sagte der fromme Freund.
Der Sufi dachte einen Augenblick nach. Komm bit-te hierher, mein Freund, sagte er dann, nimm meine
Beine und drehe sie in d i e Richtung, wo Gott nicht
ist.
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Die Schale des Derwisches
Eine alte Geschichte erzhlt von einem Knig, der einem
Derwisch einen Wunsch erfllen wollte. Der Derwisch
wnschte sich, dass man seine Bettelschale mit Gold-
mnzen fllen mge. Der Knig hielt es fr ein Leich-
tes, die Schale zu fllen. Aber die Schale erwies sich alseine Zauberschale. Je mehr er auch versuchte, sie zu
fllen, - sie blieb leer! Der Knig war sehr enttuscht bei
dem Gedanken, dass er sein Versprechen nicht erfllen
knnte. Da sagte der Derwisch: Majestt, wenn Sie
meine Schale nicht fllen knnen, so sagen Sie es nur,
und ich werde sie wieder mitnehmen. Ich bin ein Der-wisch und werde wieder gehen und nur denken, dass
Sie Ihr Wort nicht gehalten haben.
Mit all seinen guten Absichten, seiner Grozgigkeit
und seinem Reichtum konnte der Herrscher die Scha-
le nicht fllen. Darum fragte er: Derwisch, erzhle
mir das Geheimnis deiner Schale. Es scheint mir nicht
natrlich zu sein. Der Derwisch antwortete ihm: Ja,
Majestt, es ist wahr, Sie vermuten richtig. Es ist eine
Zauberschale. Es ist die Schale eines jeden Herzens. Es
ist das Herz des Menschen, das niemals zufrieden ist.
Fllen Sie es, womit Sie wollen, mit Reichtum, mitAufmerksamkeit, mit Liebe, mit Wissen, mit allem,
was es gibt. Es wird niemals gefllt sein, denn es ist
ihm nicht bestimmt, gefllt zu werden. Weil er dieses
Geheimnis des Lebens nicht kennt, verlangt der Mensch
stets nach allen Dingen, die er vor sich sieht. Und je
mehr er bekommt, desto mehr wnscht er sich, - dieSchale seines Verlangens wird niemals gefllt sein.
VI/190-191
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Alif
In Indien wird eine Geschichte aus der Kindheit des
groen Heiligen Bullhe Shah erzhlt. Als Kind wurde
er zur Schule geschickt, um Lesen und Schreiben zu
lernen. Ihm wurde zuerst der Buchstabe Alif (ein gerader
Strich) gelehrt, aber er kam ber diesen einen Buch-
staben nicht hinaus. Die anderen Knaben in seiner
Klasse beendeten das ganze Alphabet, whrend er sich
noch immer mit dem ersten Buchstaben abmhte.
Als Wochen vergingen und sein Lehrer sah, dass das
Kind keine Fortschritte machte, dachte er, dass der
Knabe geistig zurckgeblieben sein msse und schick-te ihn nach Haus zu seinen Eltern. Die Eltern taten
alles, was in ihrer Macht stand fr den Sohn, schickten
ihn zu den verschiedensten Lehrern, aber er machte
einfach keine Fortschritte. Sie waren darber sehr
enttuscht. Schlielich lief er von zu Hause fort und
lebte im Dschungel, damit er nicht lnger seinen Elternzur Last falle. Er lebte im Wald und sah die Manifesta-
tionen von Alif, das sich als Gras, Bltter, Bume, Zweige,
Frchte und Blumen zeigte. Das gleiche Alif offenbarte
sich als Berge und Hgel, als Steine und Felsen. Er war
Zeuge desselben im Keim, im Insekt, im Vogel und imTier. Das gleiche Alif war in ihm selbst und in anderen
Menschen. Er dachte an Eines, sah Eines, fhlte Eines,
realisierte Eines und nicht anderes daneben.
Nachdem er diese Lektion zutiefst beherrschte, kehr-
te er nach vielen Jahren zurck, um seinen alten Lehrer
zu besuchen. Der Lehrer, ganz in Anspruch genommen
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von seiner Sicht der Mannigfaltigkeit, hatte ihn schon
lngst vergessen. Aber Bullhe Shah konnte seinen alten
Lehrer nicht vergessen, der ihm seine erste so inspirie-rende Lektion gegeben hatte, die fast sein ganzes Leben
in Anspruch genommen hatte. Er verneigte sich demtig
vor dem Lehrer und sagte: Ich habe die Lektion, die
ihr mir so liebevoll gelehrt habt, vorbereitet. Wollt ihr
mir nun weiteres, was es zu lernen gibt, zeigen? Der
Lehrer lachte ihn aus und dachte bei sich selbst: Nachall der Zeit hat sich dieser Narr doch noch an mich
erinnert. Bullhe Shah bat um die Erlaubnis, die Aufgabe
aufschreiben zu drfen. Der Lehrer antwortete im Spa:
Schreib auf diese Wand dort. Da schrieb Bullhe
Shah das Zeichen Alif an die Wand, indem er sagte:Schauen Sie, ist es so recht? Augenblicklich spaltete
die Wand sich in zwei Teile und formte so das Zeichen
Alif. Der Lehrer war ber dieses Wunder verblfft und
rief aus: Du bist mein Lehrer! Das, was du aus dem
einen Buchstaben Alif gelernt hast, zu dem war ich mit
all meiner Gelehrsamkeit nicht fhig. Ich bin fortandein Schler!
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Das Feuer der Liebe
Ein Murid* war lange bei einem geistigen Lehrer, mach-te jedoch keine Fortschritte und wurde nicht inspiriert.Schlielich ging er zum Lehrer und sagte: Ich habegesehen, dass viele meiner Mitschler inspiriert wurden,
aber ich bin unglcklich, weil ich keine Fortschrittemache. Jetzt habe ich alle Hoffnung aufgegeben undwerde Sie verlassen. Der Lehrer gab ihm den Rat, dieletzten Tage seines Aufenthalts in einem Haus nahedem Khankah** zu verbringen. Jeden Tag schickte erihm sehr gutes Essen und lie ihm sagen, dass er mit
seinen geistigen bungen aufhren und ein bequemesund ruhiges Leben fhren solle. Am letzten Tag sandteer ihm einen Korb mit Frchten durch ein besondersschnes, junges Mdchen. Sie setzte ihren Korb ab undging augenblicklich zurck, obwohl er sie bat zu blei-ben. Ihre Schnheit und ihr Charme hatten ihn zutiefst
beeindruckt, sodass er an nichts anderes mehr zu den-ken vermochte. Er sehnte sich danach, sie wiederzuse-hen, und sein Wunsch wuchs mit jedem Augenblick. Erverga zu essen, war voller Seufzer und Trnen. SeinHerz war geschmolzen durch das Feuer der Liebe. Nach
einiger Zeit besuchte ihn der Lehrer, und jetzt vermoch-te ein einziger Blick, ihn zu inspirieren.
* geistiger Schler V/181
** Ashram, Kloster
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Die Kraft des Wortes
Eine Geschichte erzhlt von einem Sufi, der ein krankesKind heilte. Er wiederholte leise einige Worte, danngab er das Kind seinen Eltern und sagte: Nun wird esgesund werden. Jemand, der dies nicht glauben konn-
te, warf ein: Wie kann das mglich sein, dass irgend-jemand durch ein paar Worte geheilt werden kann?Von einem sanften Sufi erwartet niemand eine zornige
Antwort, doch jetzt drehte er sich zu dem Mann umund entgegnete: Du verstehst nichts davon. Du bistein Narr! Der Mann fhlte sich sehr beleidigt. Sein
Gesicht lief rot an und er wurde sehr wtend. Der Sufisagte nun: Wenn ein Wort die Kraft hat, dich wtendzu machen, wie sollte dann ein Wort nicht auch dieKraft haben zu heilen?
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Anfragen fr Informationen ber die von Hazrat Inayat
Khan gegrndete Internationale Su-Bewegung und
Internationaler Su-Orden knnen an folgende Adressengeschickt werden:
The General Secretariat of the Su Movement
International Su Movement
Geschftsstelle: [email protected]
www.sumovement.org
Su Orden Deutschland e.V.Geschftsstelle [email protected]
www.suorden.de
Su Orden Schweiz
www.susmus.ch
Su Orden sterreich
www.suorden.at
Verlag Heilbronn
Postfach 2162, D-71370 Weinstadt
www.verlag-heilbronn.de
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