Der Fragebogen:eine Annäherung
Reinhard Burtscher
WiSe 2008 / 09
Befragung mit Fragebogen
• Persönlich-mündlich• Telefonisch• Schriftlich
Grundsätzlich: gestellte Frage sollten verstanden werden
a) Semantisches Verständnis: Begriffe müssen bekannt, vertraut sein und klar formuliert sein (eindeutig)
b) Pragmatisches Verständnis: Was will der Forscher eigentlich wissen? (Zweck der Frage)
Beispiele:
• Wie wichtig finden Sie eine Zertifizierung nach der ISO Norm 9001 Ihres Trägers?
• Leben in Ihrer Nachbarschaft eher junge oder eher alte Leute?
• Wie verbringen Sie den ganz normalen Abend?
Aufbau eines Fragebogens
1. Titelseite: Blickfang, einladend, …Angaben über die Untersuchung:Wer macht die Befragung, Adresse, Logo etc.Datum, ev. Untersuchungszeitraum etc.
2. Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens:z. B. Bei den meisten Fragen müssen Sie lediglich eines der
vorgesehen Kästchen ankreuzen.
Bei manchen Fragen haben Sie die Möglichkeit, einen Antwort in
eigenen Worten zu formulieren.
3. Hauptteil: Fragen
4. Die „letzte Seite“:
Weitere KommentareHaben Sie noch Vorschläge oder weitere Anmerkungen zu
diesem Fragebogen? …………………………………………..
………………………………………….. ………………………………………….. …………………………………………..
Abschlußformulierung ? Vielen Dank für Ihre
Unterstützung!
Arten von Fragen
Nach inhaltlichen Gesichtspunkten+ Einstellungen oder Meinungen: + Überzeugungen oder Wertorientierungen+ Wissen und Verhalten+ Merkmalen der Befragungsperson (soziodemografische Fragen)
Nach der Form+ Geschlossene Fragen+ Offene Fragen+ Halboffene Fragen
Geschlossene Fragen
Begrenzte und definierte Anzahl von Antwortkategorien
Wie stark interessieren Sie sich für das Thema Weiterbildung?
Sehr stark ..………………………..Stark .………………………...Mittel …………………………Wenig …………………………Überhaupt nicht ..……………………….
Einfachnennungen – Mehrfachnennungen
Welche Maschinen auf dieser Liste können Sie bedienen?
Mehrfachnennungen möglich
Bohrmaschine………………………..Fräsmaschine………………………..CNC Maschine………..……………..Steuerungsroboter Ben……………..Andere Maschinen…………………..
Offene Fragen
Es gibt keine Antwortkategorien.
Welche Hobbys üben Sie außerhalb der WfbM aus?
…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
Halboffene Fragen
[…geschlossene Fragen … am Ende …]
Sonstiges, bitte nennen ………….
Welche Tageszeitung lesen Sie besonders gern?Berliner Tageszeitung Berliner Kurier Berliner Krone Berliner Morgenpost Andere: ………………………….
Arten von Skalen
• Nominal – Ordinal – Intervall - Ratio Skalen (Klassische Einteilung nach Stevens 1946)
Nominal Skalen: gegenseitige AusschließlichkeitGeschlecht: weiblich männlich
= dichotom
Welche Partei wählen Sie am nächsten Sonntag?CDU/CSU SPD Bündnis 90 / Die Grünen [Usw.] = polytome Skala
Ordinal Skalen: Ausprägungen sind in einer relationalen (größer – kleiner) Beziehung zueinander (Rangordnung)
stimme voll und ganz zu…………………….stimme eher zu ………………………………stimme eher nicht zu ………………………..stimme überhaupt nicht zu …………………
stimme voll und ganz zu ist irgendwie mehr als stimme eher zu
Wie stark interessieren Sie sich für street-work?
Sehr stark……………………………….……..Stark …………………………………………..Mittel …………………………………………..Wenig …………………………………………Überhaupt nicht ……………………………...
Intervall Skalen: Abstände sind zwischen Skalenpunkten gleich
meist: endpunktbenannte Skalen
trifft überhaupt nicht zu trifft voll und ganz zu
überhaupt nicht zufrieden sehr zufrieden
Finden Sie einen Unterschied zwischen Bsp. 1 und Bsp. 2
Zweidimensional von negativem Wert über einen Mittelpunkt zum positiven Wert
Eindimensional nur in eine Richtung: nicht zufrieden bis sehr zufrieden
Verhältnis- oder Ratio-Skalen: mit einem echten Skalennullpunkt (nicht Skalenmittelpunkt)
Sehr unzufrieden Sehr zufrieden
-2 -1 0 +1 +2 Skalenmittelpunkt
Echte Skalennullpunkte:Das Netto-Einkommen in Euro
Die Anzahl der Kinder unter 18 Jahren im Haushalt
Die Dauer von Arbeitslosigkeit in Monaten
Weitere (Darstellungs-)Formen …
Beispiel: verbalisierte Skalen (in Tabellen od. Matrizenform)
Inwieweit fühlen Sie sich verbunden mit …Bitte machen Sie in jeder Zeile ein Kreuz!
nicht sehr überhauptsehr eng eng eng eng nicht Kann
ichverbunden verbunden verbunden verbunden verbunden nicht
sagen
Ihrem Wohnort Bundesland Deutschland Europa
Endpunktbenannte SkalenDer Wert 1 heißt, dass Sie „überhaupt nicht zustimmen.“Der Wert 6 heißt, dass Sie „voll und ganz zustimmen.“
Die Sozialarbeiterin ist für mich immer ansprechbar.
1 2 3 4 5 6
Semantische Differentiale oder Polaritätsprofile
TN muss sich entscheiden, welche von zwei gegensätzlichen Aussagen er (eher) zustimmt
Bsp:
Bitte kreuzen Sie Ihre Position bezüglich folgender Aussagen an.
Das Essen in der Kantine finde ich …
weder noch
Teuer O O O O O billig
Sehr gut O O O O O sehr schlecht
Rangliste / Hierarchie
… wenn das Verhältnis zueinander bestimmt werden soll.
Bsp: Sortieren Sie die nachfolgenden Tätigkeiten nach Ihren persönlichen Vorlieben:
Die liebste Tätigkeit erhält die Nummer 1, die zweitliebste Tätigkeit die Nummer 2, die drittliebste Tätigkeit die Nummer 3.
Rasen mähen Nr. _________
Laub sammeln Nr. _________
Unkraut jäten Nr. _________
Graphische Skalen
Antworten werden nicht als Text sondern als Zahlenstrahl oder ähnliches präsentiert.
Ich bin mit meinem Leben sehr zufrieden.
Stimme gar nicht zu stimme sehr zu
| | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | 1 5 10
Diskussion … Einflussgrößen
Was beeinflusst die Befragung?• Ort, Zeit, Rahmenbedingungen
(Zu Hause, auf der Straße, …)• Interviewereffekte:
z. B. Interviewer und Befragte sind jung und etwa gleich alt
• Vorgegebene Antwortkategorienvgl. Experiment Schwarz 1985 u.a.
Version A:• Bis ½ Stunde• ½ bis 1 Stunde• 1 bis 1 ½ Stunden• 1 ½ bis 2 Stunden• 2 bis 2 ½ Stunden• Mehr als 2 ½ Stunden
Ergebnis: 16,2 % schauten mehr als 2 ½ Stunden fern
Grundannahme: die Einteilung macht Sinn
• Version B:• Bis 2 ½ Stunden• 2 ½ bis 3 Stunden• 3 bis 3 ½ Stunden• 3 ½ bis 4 Stunden• 4 bis 4 ½ Stunden• Mehr als 4 Stunden
Ergebnis 37,5 % der Befragten schauten mehr als 2 ½ Stunden fern
Anpassungsleistungen
Überlegungen:• verbalisiert vs. endpunktbenannt• gerade vs. ungerade Skalen• Richtung der Skala
Regel: optisch präsentierte Skalen (Fragebogen – Selbstausfüller)
Eher vom höheren zum niedrigen Wert• Überhaupt nicht wichtig Sehr wichtig
Vom niedrigen zum höheren Wert• Überhaupt nicht wichtig Sehr wichtig
Akustisch präsentierten Skalen
• Wie wichtig ist für Sie gutes Aussehen bei der Beurteilung eines Menschen?
Ist das sehr wichtig, eher wichtig, eher nicht wichtig oder überhaupt nicht wichtig?
Oder• Wie wichtig ist für Sie gutes Aussehen bei der
Beurteilung eines Menschen?
Ist das überhaupt nicht wichtig, eher nicht wichtig, eher wichtig oder sehr wichtig?
Einflussgrößen – zum Nachdenken
Antworttendenzen allgemein:• Ja-Sage Tendenz• Tendenz zur Mitte
Oder ….
- Unwissen zu kaschieren- Anstrengung durch Nachdenken für die Antwort zu vermeiden- Soziale Anerkennung für die Antwort erhalten- Zustimmende Antworten erfordern in der Regel keine Begründung
(man muss sich nicht erklären)- Tendenz „sozialer Erwünschtheit“ Zustimmungstendenz- Fehlende Erfahrung und Übung für die eigenen „Vorlieben“
(vgl. Hagen Jutta 2007)
Diskussion
Smily:
Anzahl:
a. Zum Geburtstag dieser Frau kommen nicht so viele Freunde.b. Zum Geburtstag dieser Frau kommen viele Freunde.Frage 1: Wem bist du ähnlicher, der Frau, die nicht so viele Freunde hat, oder der Frau, die viele Freunde hat?Frage 2: Kommen zu deinem Geburtstag?
keine Freunde - einige Freunde - viele Freunde – sehr viele Freunde
a. Diese Frau kann gut die Zeit von der Uhr ablesen.b. Diese Frau kann nicht so gut die Zeit von der Uhr ablesen.
Frage 1: Wem bist du ähnlicher, der Frau die gut die Zeit von der Uhr ablesen kann, oder eher der Frau die nicht so gut die Zeit von der Uhr ablesen kann?Frage 2: Wie gut kannst du die Zeit von der Uhr ablesen?
sehr gut – gut - ein bisschen - gar nicht
Entnommen aus:
Denise Theiß: Selbstwahrgenommene Kompetenz und soziale Akzeptanz bei Personen mit geistiger Behinderung. Kinkhardt forschung. Bad Heilbrunn 2005
Bilderfragebogen zur Messung der selbstwahrgenommenen Kompetenz und sozialen Akzeptanz bei Personen mit geistiger Behinderung (37 Items der deutschen Version, getrennt für Mädchen bzw. Frauen und
Jungen bzw. Männer) (Vermeer, 2002)
Begriffe zu: 5 stufige Skalen
Häufig-
keit
Nie Selten Gelegent-lich
Oft Immer
Intensität Nicht Wenig Mittel-mäßig
Ziemlich Sehr
Wahr-schein-lichkeit
Keines-falls
Wahr-schein-
lich
Vielleicht Ziemlich wahr-
scheinlich
Ganz sicher
Zustim-mung
Stimmt nicht
Stimmt wenig
Stimmt mittel-mäßig
Stimmt ziemlich
Stimmt sehr
7 stufige Skalen
Häufigkeit
nie 1 2 3 4 5 6 7 immer
Oderselten 1 2 3 4 5 6 7 oft
Intensität gar nicht 1 2 3 4 5 6 7 sehr
Wahrscheinlichkeit keinesfalls 1 2 3 4 5 6 7 sicher
Zustimmung stimmt nicht 1 2 3 4 5 6 7 stimmt völlig
Ausblick - Literaturtipps Plädoyer für Pretests
Rolf Porst: Fragebogen. Ein Arbeitsbuch. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2008.
Hans Dieter Mummendey, Ina Grau: Die Fragenbogen-Methode. 5., überarbeitete Aufl. Hogrefe: Göttingen 2007
Question Wording – Zur Formulierung von Fragebogen Fragen. Online im Internet. http://www.gesis.org/fileadmin/upload/forschung/publikationen/gesis_reihen/howto/how-to2rp.pdfAbrufdatum: 28. Nov. 2008
Onlinetipp: http://www.2ask.de/Instrument für Online-Befragungen unter: Themenbereiche zahlreiche hilfreiche Texte zum Thema Befragung
Jutta Hagen: Und es geht doch! Menschen mit einer geistigen Behinderung als Untersuchungspersonen in qualitativen Forschungszusammenhängen. VHN, 76. Jg. S. 22- 34 (2007). Ernst Reinhard Verlag
Auswertung und Darstellung
Nutzung von geeigneten Software Programmen
http://www.grafstat.de/
http://www.statistiklabor.de/
kommerziell: SPSS – Statistical Package for the Social Sciences
Onlinetipp: http://www.2ask.de/
Instrument für Online-Befragungen
unter: Themenbereiche zahlreiche hilfreiche Texte zum Thema Befragung