4. Neue Ökonomische Geographie (NEG)
Paul Krugman 1991: “Increasing returns and economic geography”, Journal of political economy, 99:3, p483-99
Charakteristika
• Allgemeines Gleichgewichtsmodell
• Dixit-Stiglitz Modell für monoplistische Konkurrenz (1977)
• Zunehmende Skalenerträge
• Transportkosten
Transport 1920 1940 1960 1980 1990
Seeweg 100 67 28 25 30
Luftweg 100 70 38 18 15
Telefon 100 28 3 1
Satellit 100* 15 8
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
4.1 Haushalte
Jeder Haushalt verfügt über ein Einkommen (Y), das er für Agrar (A) - und
Industrieprodukte (M) ausgibt.
Preise: pA und pM.
Annahme: Der Ausgabenanteile für Industrieprodukte (µ) ist fix.
Nachfragefunktionen: Mp
YM µ=*
( )Ap
YA µ−= 1*
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Industrieprodukte (M) sind ein Güterkorb, bestehend aus einzelnen Industrieprodukten
i = 1,...,n. Mengen und Preise entsprechen m(i) und p(i), i = 1,...,n.
Normalerweise: n ist fest vorgegeben. Nutzensteigerung durch Mehrkonsum und Kombination der n Güter möglich.
Dixit-Stiglitz: Die Anzahl der Güter n ist veränderbar (Produktinnovation). Je mehr Güter angeboten werden, umso höher ist der mögliche Nutzen der
Konsumenten.
Modelltechnische Umsetzung: M als CES-Aggregator,
ρ steuert die Krümmung der Indifferenzkurven, wobei
ρρ
1
0
)(
= ∫
N
diimM
10 << ρ
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Interpretation von ρ als Substitutionselastizität σ :
Zerlegung der Nutzenmaximierung in zwei Schritte:
• Für gegebene p(i) bestimmt der Haushalt die minimalen Ausgaben, um M zu
realisieren.
• Bestimmung von M bei gegeben Budgetanteil µ und Einkommen Y.
Erster Schritt: Ausgabenminimierung liefert als Optimalbedingung
D.h. die Mengenverhältnisse hängen nur vom Preisverhältnis und nicht vom Einkommen ab.
ρσ
−=
11
1
)()(
)()(
−
=ρ
jmim
jpip
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Nach einigen Umformungen:
Interpretation
• Auf der linken Seite stehen die Ausgaben für Industrieprodukte
• Ganz rechts steht der Konsum an Industrieprodukten
⇒ In der Mitte steht ein Preisindex.
Damit sind die Nachfragen m(j) darstellbar als:
Mdiipdjjmjpnn ρ
ρ
ρρ
1
0
1
0
)()()(
−
−
= ∫∫
ρρ
ρρ
1
0
1)(
−
−
≡ ∫
nM diipp
Mp
jpjm M
11
)()(
−
=ρ
σσ
−−
≡⇔ ∫
11
0
1)( n
M diipp
Mp
jpM
σ−
≡⇔ )(m(j)
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Resultate
Nachfrage nach j:
Indirekte Nutzenfunktion:
Der grau unterlegte Term ist als Konsumentenpreisindex (-1) interpretierbar.
Vereinfachung: Alle Güter haben gleichen Preis
Preisindex: Sei p(i) = p für alle i. Dann
Mit steigender Produktvielfalt n sinkt der Preisindex für M.
( ) [ ] [ ]( )YppU AM )1()1()1( µµµµ µµ −−−−−=
( ) Yp
jpjm
Mµσ
σ
)1(
)()( −−
−
=
ρρρ
ρ
ρρρ
ρ
ρρρ
ρ
ρρ 1
1
1
1
0
1
1
0
1)(−
−
−
−
−
−
− =
=
=
≡ ∫∫ pnnpdipdiipp
nnM
=
Mp
YM µ*
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Wenn die Produktvielfalt steigt, sinkt der Preisindex für Industriegüter.
die einzelnen Industrieprodukte j werden relativ teuerer.
die Nachfragekurve für bestehende Güter verschiebt sich nach unten.
Die Nachfragelastizität (unter Vernachlässigung des Effekts auf pM) ist -σ.
σ−=)()(
)()(
jmjp
jdpjdm
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Haushalte
Ergebnisse
pM : Preisindex für Industrieprodukte, sinkt in n.
Konsumentenpreisindex: CPI =
Nachfrageelastizität Industriegüter:
[ ] [ ] )1( µµ −AM pp
σ−
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
4.2 Unternehmen
Annahmen: Die Technologie für Industrieprodukte sei für alle Produkte gleich
(intersektoral und interregional). Die Produktionsmenge sei q, die Fixkosten M und die variablen Kosten c. Kosten werden in Arbeitseinheiten l gemessen.
Monopolistische Konkurrenz: Wegen der zunehmenden Skalenerträge wird es für jedes Produkt nur eine Firma geben. Konkurrenz findet über Neugründungen statt
(n ist nicht begrenzt)
Der Gewinn ist gegeben mit , wobei w der Lohnsatz ist.
Gewinnmaximierung und freier Marktzutritt führen zu:
cqFl +=
)( cqFwpq +−
cF
q)1(
*−= σ
σFl =*1
**−
=⇒σ
σcql
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Resultat: Jede aktive Firma bietet die konstante Menge ihres Produktes q* an fragt
l* Arbeit nach.
Gibt es in einer Region r ein Arbeitsangebot von Lr, dann ist die Anzahl der Firmen geben mit
Die Grösse des Arbeitsmarkt hat also ausschliesslich Konsequenzen für die Produktvielfalt.
Forward Linkage : Wenn das Arbeitsangebot steigt, nimmt die Anzahl der Firmen
zu. In der Folge sinkt der Preisindex, was die Region attraktiver macht.
σFL
n rr =
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
4.3 Transportkosten
Annahmen: Die Anzahl der Standorte sei R. Die „Eisberg“-Transportkosten Trs. Der
Preis eines Industrieprodukt aus r kosten in s
Der Preisindex für M am Standort s hängt damit auch von den Transportkosten ab.
Für die Gesamtnachfrage nach einem Industrieprodukt produziert am Standort r beträgt somit.
rsrrs Tpp =
( )∑=
−−
−
=R
srsM
s
rsrsr T
p
TpYq
1)1(
)(σ
σ
µ
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Die Gesamtnachfrage muss dem Angebot qr* entsprechen.
Nach Preis pr auflösen.
Aus der Optimalbedingung für die Gewinnmaximierung lässt sich ein Zusammenhang zwischen Preis und Lohn ableiten
Resultate: Das Lohnniveau am Standort r steigt
• mit den Einkommen an anderen Standorten
• mit sinkenden Transportkosten
• mit abnehmender Produktvielfalt (über Preisindex).
Backward – Linkage : Je mehr Einkommen in einer Region, umso höher sind die Lohnsätze
( )σ
σσµσ
σ /1
1
11
*1
−= ∑=
−−R
s
Msrssr pTY
qcw
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
4.4 Vereinfachungen
Durch „geschicktes“ Wählen von Einheiten lassen sich viele der Ausdrücke
vereinfachen.
Damit vereinfachen sich auch die regionalen Preisindizes und Löhne
σσ 1−≡c
** lq =rr wp =
σµ≡F
µσrr
r
LFL
n == ** lq ==µ
)1/(1
1
1)(1 σ
σ
µ
−
= ∑=
−R
ssrss
Mr TwLp ( )
σσσ
/1
1
11
= ∑=
−−R
s
Msrssr pTYw
cwp =−σ
σ 11
**−
=σ
σcql
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
4.5 Bevölkerung und Mobilität
Annahmen: (1) Bevölkerung besteht aus Landwirten und Arbeitern. (2) Landwirte
sind regional gebunden, (3) Arbeiter sind räumlich mobil. (4) Keine Durchlässigkeit zwischen Landwirten und Arbeitern, (5) identische Präferenzen.
LA: Anzahl der Landwirte insgesamt (über alle Regionen)
φr : Anteil der Region r an Landwirten
LM: Anzahl der Arbeiter insgesamt (über alle Regionen)
λr : Anteil der Region r an Arbeitern
Vereinfachung: µ=ML
)1( µ−=AL
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
(6) Agrarproduktion erfolgt linear (Eine Einheit Arbeit gibt eine Einheit Output)
(7) Agrarprodukte können kostenlos transportiert werden
⇒ Preise für Agrarprodukte überall gleich,
⇒ Löhne für Landwirte sind überall gleich hoch.
(8) Mobilitätsentscheidung der Arbeiter hängt von Reallohnunterschieden ab.
Reallohn: [ ] [ ] )1(
rr µµω −≡
AMr pp
w
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Eine Region mit unterdurchschnittlichem Reallohn verliert Arbeiter, und umgekehrt.
Dynamik:
Eigenschaften: (1) gewünschte Wanderungsrichtung, (2) alle Veränderungen
addieren sich über die Region auf Null (konstante Bevölkerung).
rωλω ∑=r
r
( ) rr λωωγλ −= r&
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
4.6 Temporäres Gleichgewicht
Annahmen: Die Gesamtwirtschaft ist in jedem Zeitpunkt für eine gegebene
Bevölkerungsverteilung im Gleichgewicht.
Einkommen:
Preisindex:
Nominallohn:
Reallohn:
rrrr wY φµµλ )1( −+=)1/(1
1
1)(σ
σλ−
= ∑=
−R
ssrss
Mr Twp
( )σ
σσ/1
1
11
= ∑=
−−R
s
Msrssr pTYw
[ ] r
r µωMrp
w=
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
4.7 Dynamisches Gleichgewicht
Analytische Lösung schwer möglich, deshalb Simulation.
Vereinfachung: Nur zwei Regionen. Der Anteil von Region 1 an der Arbeiterschaft
sei λ.
Szenario I: Hohe Transportkosten
Symmetrisches Gleichgewicht, d.h. die Arbeiterschaft verteilt sich gleichmässig auf beide Regionen.
Szenario II: Tiefe Transportkosten
Asymmetrisches Gleichgewicht, d.h. die Arbeiterschaft konzentriert sich auf eine der beiden Regionen.
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
4.8 Zusammenfassung
Wofür steht „Neue Ökonomische Geographie“?
Wie ist die Bevölkerung strukturiert?
Was macht Ballungsräume attraktiv?
Warum lebt es sich in der Peripherie schlechter?
Wozu Eisbergtransportkosten?
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie
Warum wird in Ballungsräumen mehr angeboten?
(Forward – Linkage)
Wie hängt der Lohnsatz vom Einkommen in einer Region ab?
(Backward - Linkage)
Was steht den Agglomerationskräften entgegen?
Schlussfolgerungen für die Politik?
GMF – SoSe 2009 - Regionalökonomie