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Arbeitsrecht aktuell
Osnabrück, 23.04.2009
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Wesentliche Änderung der Rechtslage durch EuGH Urteil.Wesentliche Änderung der Rechtslage durch EuGH Urteil.
Früher: Urlaub entfällt am Jahresende oder am Ende des Übertragungszeitraums (§ 7 III BUrlG).
Jetzt: Nicht genommener Urlaub verfällt unter Umständen nicht mehr und muss abgegolten werden.
Deutlich erhöhtes Abgeltungsrisiko bei Langzeitkranken.Deutlich erhöhtes Abgeltungsrisiko bei Langzeitkranken.
Urlaubsabgeltung bei Krankheit
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Gleichbehandlungsgrundsatz bei sachgrundloser Befristung gemäß § 14 II TzBfG
• Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht geeignet, einen Anspruch auf Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages nach § 14 II TzBfG, zu begründen.
• Bei individueller Veränderung genießt die Vertragsfreiheit Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
Aber:Aber: Diskriminierungsverbote gemäß § 1 AGG beachten!Diskriminierungsverbote gemäß § 1 AGG beachten!
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• Bundesmanteltarifvertrag ist keine andere Abmachung, wenn bereits vorher bestehend.
• Andere Abmachungen können neben Tarifverträgen auch Betriebsvereinbarungen oder Individualvereinbarungen sein.
Ablösung eines Tarifvertrags durch eine andere Abmachung i.S.d § 4 V TVG
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Die sog. Kleinbetriebsklauselgem. § 23 I KSchG
• Keine Anwendung des KSchG (!), nur sozialer Mindestkündigungsschutz gemäß §§ 242, 138 BGB.
• Schwellenwert seit 01.01.2004:
Mehr als 10 Arbeitnehmer (ohne Auszubildende)
• Schwellenwert bis 31.12.2003:
Mehr als 5 Arbeitnehmer (ohne Auszubildende)
Aber: Deren sozialer Beistand geht verloren, wenn die Anzahl der Arbeitnehmer auf fünf oder weniger sinkt. Neu- und Ersatzeinstellungen für
ausgeschiedene Arbeitnehmer nach dem 31.12.2003 zählen nicht mit.
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• Entscheidend:
Zahl der regelmäßig Beschäftigten im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
• Teilzeitkräfte zählen anteilig:
nicht mehr als 20 Stunden pro Woche 0,5
nicht mehr als 30 Stunden pro Woche 0,75
mehr als 30 Stunden pro Woche 1
• Verteilung der Darlegungs- und Beweislast:
Arbeitnehmer: Schlüssige Darlegung der ihm bekannten äußeren Umstände; aber
bei fehlender eigener Kenntnismöglichkeit genügt die bloße Tatsachenbehauptung.
Arbeitgeber: Muss substantiiert bestreiten unter Benennung geeigneter Beweismittel.
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Gemeinschaftsbetrieb(Kündigungsschutz, Mitbestimmung)
• Die einheitliche Leitung des Gemeinschaftsbetriebes muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken.
• Die Betriebsmittel der verschiedenen Unternehmen werden für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck eingesetzt.
• Der Einsatz der Arbeitnehmer wird von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert.
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Aufhebungsvertrag bei Betriebsübergang unwirksam
• Unwirksam gemäß § 134 BGB, weil es sich um ein Geschäft zur Umgehung eines Betriebsübergangs handelt.
• Die Regelungen des § 613 a BGB sind zwingendes gesetzliches Recht, die Rechtsfolgen können nicht umgangen werden.
• Alternative: Änderungsverträge mit reduzierten Bedingungen, wenn tariflich möglich.
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Schriftformerfordernis für Aufhebungsvertrag
Nimmt der Arbeitnehmer bei der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags eine Änderung an dem bereits unterzeichneten Angebot des Arbeitgebers vor, kommt ein wirksamer Aufhebungsvertrag (§623 BGB) nur bei erneuter Unterzeichnung der Änderung zustande.
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Zeugnisberichtigung
Arbeitgeber sind nach dem Grundsätzen der Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit verpflichtet, bestimmte positive Eigenschaften und Leistungen hervorzuheben, wenn eine Aussage dazu in der Branche üblich ist. Fehlt eine solche Aussage, so stellt dies ein beredtes Schweigen dar und damit einen erkennbaren Hinweis auf eine schlechtere Beurteilung.
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Wirtschaftskrise I.: Erholungsurlaub als Mittel der Kostensenkung
Bestimmung der Urlaubszeit durch den Arbeitgeber
• Erholungsurlaub einzelner Arbeitnehmer• Betriebsurlaub• Urlaub im Vorgriff• der Würgegriff der Betriebsrates: das Mitbestimmungsrecht
Bestimmung der Urlaubszeit durch Arbeitgeber und Betriebsrat
Widerruf des erteilten Urlaubs?
Gewährung unbezahlten Urlaubs?-10-
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Wirtschaftskrise II.:Flexible Gestaltung der Arbeitszeit zur Kostensenkung
Möglichkeiten der Flexibilisierung:
• Bedarfsarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG
• Das Direktionsrecht als Grundlage der Veränderung der Arbeitszeit
• Arbeitsvertragliche Regelungen als Grundlage für eine Flexibilisierung
Grenzen der Flexibilisierung
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Wirtschaftskrise III.:Kurzarbeitergeld als Unterstützung in der Krise
Voraussetzungen eines Anspruches auf Kurzarbeitergeld:
• erheblicher Arbeitsausfall• Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalles• betriebliche Voraussetzungen• schriftliche Anzeige der Kurzarbeit bei der BfA• Antrag auf Kurzarbeitergeld & Abrechnungsliste bei der BfA einreichen
Rechtsgrundlage erforderlich für die Einführung von Kurzarbeitergeld:
• tarifliche Ermächtigungsnorm• Betriebsvereinbarung• individualrechtliche Vereinbarung; notfalls: Änderungskündigung
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Rechtsfolgen bei Gewährung von Kurzarbeit:
• Kurzarbeitergeldbezug für die Dauer von 18 Monaten
• Höhe 60% des letzten Nettoeinkommens, 67 % mit Kindern
• Arbeitgeber trägt Sozialversicherungsbeiträge allein in voller Höhe
• Arbeitgeber ist zur Errechnung des Kurzarbeitergeldes verpflichtet
• Arbeitslosengeld wird auf der Basis der vollen Bezüge errechnet
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Die Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG:
• Zeitpunkt der Mitteilung• Adressat und Form der Mitteilung• Inhalt der Mitteilung
Die Nachweispflicht nach § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG:
• Zeitpunkt des Nachweises• Inhalt und Form der Bescheinigung• Achtung: Vorzeitiges Vorlageverlangen nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG
Rechtsfolgen bei Verletzung von Anzeige- und Nachweispflicht:
• Arbeitgeber hat Leistungsverweigerungsrecht, § 7 Abs. 1 S. 1 EFZG• Schadensersatzansprüche für Arbeitgeber• Abmahnung und verhaltensbedingte Kündigung
Krankmeldung in der betrieblichen Praxis
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Überwachung des Arbeitnehmers durch Hausbesuche oder Detektive
Krankengespräche
Einschaltung des Medizinischen Dienstes, § 275 Abs. 1 a SGB V
Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen:• Arbeitnehmer trägt Darlegungs- und Beweislast für AU• Arbeitgeber muss Beweiswert einer AU-Bescheinigung erschüttern
Zwei Fallgruppen sind anerkannt:– Tatsachen, die aus dem Lebensbereich des AN herrühren– Tatsachen, die dem Arbeitsbereich des Arztes unterfallen
Sonderfall: Arbeitsleistung trotz attestierter Krankheit
Bestehen Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit?
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Krankheitsbedingte Kündigung
Negative Gesundheitsprognose – fällt der Mitarbeiter auch künftig aus?Lang andauernde ErkrankungHäufige Kurzerkrankung
Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen InteressenStörungen im BetriebsablaufEntgeltfortzahlung als wirtschaftliche Belastung
Verhältnismäßigkeitsprüfung – ist die Kündigung das mildeste Mittel (ultima ratio)
Interessenabwägung: Übersteigt das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung das Interesse des Arbeitnehmers an dem Erhalt seines Arbeitsplatzes?
• Alter• Dauer der Betriebszugehörigkeit• Art der Erkrankung• Ursache der Erkrankung (Betriebsunfall/schlechte Arbeitsbedingungen)
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Betriebliches Eingliederungsmanagment (BEM)
Von einem BEM spricht man, wenn der Arbeitgeber in Fällen längerer Arbeitsunfähigkeit gemeinsam mit dem Arbeitnehmer und einer Interessenvertretung versucht zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.
Das BEM dient letztlich der Vermeidung krankheitsbedingter Kündigungen erkrankter Menschen.
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Mindestanforderungen an das BEM
Adressat des § 84 Abs. 2 SGB IX / Folgen des Unterlassens
Eintritt der Verpflichtung zur Durchführung eines BEM:
• Beschäftigte• Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres• Keine Wartefrist bei Dauer der Betriebszugehörigkeit
Verfahren des BEM:
• Information des Arbeitnehmers• Zustimmung des Arbeitnehmers• ein bestehender Betriebsrat ist zu beteiligen• bei schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmern ist die
Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen
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Mögliche Inhalte des Eingliegerungsgespräches
Gibt es mögliche Zusammenhänge zwischen der Erkrankung und dem Arbeitsplatz?
Liegen Leistungseinschränkungen vor?
Was sind die Ziele und Vorstellungen des Arbeitnehmers?
Wo und wie kann ein zukünftiger Einsatz erfolgen?
Liegen bezogen auf den Arbeitsplatz ein Anforderungs- und Fähigkeitsprofil vor?
Kann die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes optimiert werden?
Gibt es geeignete Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer?
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Rückzahlung von Schulungskosten
Die Wirksamkeit der Rückzahlungsklauseln hängt von einer Abwägung ab.
Dem Interesse des Arbeitgebers an der langfristigen Nutzung der von ihm finanzierten Qualifizierung ist das Recht des Arbeitnehmers auf freie Wahl seines Arbeitsplatzes gegenüber zu stellen.
Fortbildungsdauer von einem Monaten Bindung höchstens sechs Monate
Fortbildungsdauer bis zu zwei Monaten Bindung höchstens ein Jahr
Fortbildungsdauer bis zu vier Monaten Bindung höchstens zwei Jahre
Fortbildungsdauer bis zu einem Jahr Bindung höchstens drei Jahre
Fortbildungsdauer mehr als zwei Jahre Bindung höchstens fünf Jahre
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Doppelte Schriftformklausel
Liegt vor, wenn in einem Vertrag vereinbart ist, dass nicht nur Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen, sondern auch die Änderung der Schriftformklausel selbst der Schriftform bedarf (…bedürfen der Schriftform, dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis).
Es liegt ein Verstoß gegen § 305 b BGB vor.
Muster: „Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Aufhebung dieser Schriftformabrede selbst. Unberührt bleibt der Vorrang der Individualabrede i.S.d. § 305 b BGB“
Die doppelte Schriftformklausel bleibt in der Praxis relevant, weil sie die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindern kann.
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Straftaten und Kündigung
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat ein Urteil des Landesarbeitgerichts Berlin-Brandenburg scharf kritisiert. Eine Kassiererin eines Supermarktes wurde, nachdem sie 31 Jahr dort gearbeitet hat, wegen 1,30 € gekündigt. Thierse sagt: „Das ist ein barbarisches Urteil von asozialer Qualität.“
Thierse sagte der „Berliner Zeitung“, dass eine langjährige Angestellte wegen einer Nichtigkeit in die Arbeitslosigkeit gestoßen werde, verletzt das Gerechtigkeitsempfinden eines jeden halbwegs normalen Menschen zutiefst. Das Landesarbeitsgericht „hätte durchaus anders entscheiden können. Es hätte zum Beispiel berücksichtigen können, dass die Frau für ihr Unternehmen 31 Jahr lang Knochenarbeit geleistet hat“. Ein solches Urteil zerstöre das Vertrauen in die Demokratie, erkläre der Politiker.
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Ihr Bankberater berät Sie mit einem Lächeln.Ihr Bankberater berät Sie mit einem Lächeln.
Ihr Anwalt mit Kompetenz.Ihr Anwalt mit Kompetenz.
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