spezielle geobotanik: pflanze - klima - boden (springer-lehrbuch)

342

Upload: joachim-hueppe

Post on 18-Dec-2016

375 views

Category:

Documents


15 download

TRANSCRIPT

Page 1: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)
Page 2: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Springer-Lehrbuch

Page 3: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Richard Pott Joachim Hüppe

Spezielle Geobotanik

Pflanze – Klima – Boden

Mit 160 Abbildungen und 31 Tabellen

123

Page 4: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Professor Dr. rer. nat. Richard Pott Professor Dr. rer. nat. Joachim Hüppe Leibniz Universität Hannover Institut für Geobotanik Nienburger Str. 17 30167 Hannover E-mail: [email protected] E-mail: [email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN-13 978-3-540-49356-3 Springer Berlin Heidelberg New York

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung,des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfil-mung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auchbei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen diesesWerkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes derBundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätz-lich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auchohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- undMarkenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Textund Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebenefehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keineGewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand andererLiteraturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Dr. Dieter Czeschlik, Heidelberg Redaktion: Stefanie Wolf, Heidelberg Herstellung: LE-TEX, Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: WMXDesign, Heidelberg Umschlagabbildungen: links: Blattquerschnitt von Nerium oleander (Apocynaceae), Vergrößerung 100-fach, rechts: Garigue mit Euphorbia acanthothamnos (Euphorbiaceae) auf der griechischen Insel Euböa Foto S. X: Waldgrenze eines natürlichen Lärchen-Arvenwaldes (Larici-Pinetum cembrae) im Val Viola, Tessin Foto S. XIV: Herbstaspekt eines natürlichen Silikat-Buchenwaldes (Luzulo-Fagetum) im Weserbergland (Alle Fotos von den Autoren) Satz: Druckfertige Vorlage der Autoren SPIN 11789789 29/3180/YL – 5 4 3 2 1 0 Gedruckt auf säurefreiem Papier

Page 5: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Gewidmet dem Gedenken an den hannoverschen Geobotaniker Professor Dr. Hans Zeidler

*4.4.1915 † 6.8.2003

Page 6: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Vorwort

„Umweltprobleme, wie das heute viel diskutierte Waldsterben, die Fern-

wirkung des Abholzens tropischer Regenwälder oder die Folgen der Ver-

schmutzung von Flüssen und küstennahen Meeren, machen uns zunehmend

klar bewusst, wie kompliziert die Wechselbeziehungen zwischen Organis-

men und ihren mehr oder minder belasteten Lebensräumen sind.“

Heinz Ellenberg (1986) Zum Verständnis der Ursachen von Naturphänomenen wurde im Laufe

der vergangenen 250 Jahre viel Wissen über die Erde zusammengetragen. Der Kern dieser Erkenntnisse ist, dass die Erde ein dynamischer, ruheloser Planet ist. Ihre Lufthülle, die Ozeane und die Erdkruste sind in dauernder Bewegung und werden dabei von Kräften getrieben, die stärker sind als al-les, was der Mensch ihnen entgegensetzen könnte. Erdbeben und Tsunamis zeigen das überaus deutlich. Das große Erdbeben von Lissabon am 1. No-vember 1755 ist noch heute unvergessen: Damals begann sich mit den Aufklärern Immanuel Kant (1724-1804), Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) und Voltaire (1694-1778) die Einsicht durchzusetzen, dass solche verheerenden Erdbeben, Flutwellen und Vulkanausbrüche nicht Gottesstra-fe, sondern normale Vorgänge an der Erdoberfläche sind. Diese Veränder-lichkeit der natürlichen Systeme ist Basis unseres Wissens, wir erleben derzeit nur die Momentaufnahme eines langen evolutiven Prozesses auf dem Weg in eine unbekannte Zukunft. Dies erschreckt noch immer viele Menschen, die meinen, unsere Erde sei ein solides und unverrückbares Fundament für menschliches Planen und Schaffen, und sie verdrängen gern die Tatsachen des dynamischen Planeten. Ein „Status quo“ wäre für viele wünschenswert, und so wird oft gedacht. Beim derzeitigen Klima-wandel wird sogar suggeriert, nur der Mensch mit seinem Kohlendioxid-ausstoß verändere das Klima. Wenn es nur gelänge, den CO2-Ausstoß zu stoppen – wie im Protokoll von Kyoto und auf den Klima-Konferenzen von Montreal 2005 und Nairobi 2006 gefordert – werde das Klima so blei-ben wie es ist. Dabei wird der seit der Entstehung der Erde vor viereinhalb Milliarden Jahren nachgewiesene beständige Klimawandel negiert. Nichts deutet darauf hin, dass das Klima in Zukunft stabil sein könnte, unabhän-

Page 7: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

VIII Vorwort

gig von menschlichem Zutun. Das zeigt uns insbesondere der rasche Kli-mawandel während und nach den großen Vereisungs- und Erwärmungs-phasen vor allem auf der Nordhemisphäre mit ihren jeweiligen dramati-schen Landschafts- und Vegetationsveränderungen. Diese elementaren Gesetzmäßigkeiten der bekannten Interaktionen von Klima, Boden und Pflanze werden in diesem Buch mit zahlreichen Beispielen aus älteren und neueren Forschungsdaten näher beleuchtet und allgemein verständlich dar-gestellt, um die natürlichen Kräfte in Ursache und Wirkung zu beschrei-ben. Das ist eine notwendige Grundvoraussetzung zum Verständnis von Ökosystemen und deren Evolution in Raum und Zeit. Wir werden dabei sehen, wie natürliche Prozesse, beispielsweise Verlandungen von Gewäs-sern, funktionieren, wie sich Sukzessionen auswirken oder auch wie sich Störungen nach Stürmen, Bränden oder Klimaänderungen zeigen.

Aus vielen Gesprächen mit Studierenden und Kollegen wird neuerdings immer deutlicher, dass wir Lehrenden an den Universitäten zunehmend neue Themenfelder unserer Wissenschaftsgebiete erläutern und erklären müssen. Das betrifft in den Naturwissenschaften nicht nur die Grundlagen von Physik und Chemie, sondern in der Geobotanik auch das Basiswissen in Klima- und Bodenkunde, Meteorologie und Geographie. Wir müssen die Studierenden im Grundstudium wieder da abholen und mitnehmen, wo sie nach der Schulausbildung sind, und da hat sich in den letzten Jahren ei-niges geändert. Den Studierenden fehlen vielfach grundlegende Kenntnisse der Zusammenhänge: fußend oft auf ungenügendem Wissen um die allge-meinen geomorphologisch-klimatologischen Grundlagen, mangelnde Ar-tenkenntnis von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie Schwierig-keiten im Erlernen der lateinisch-griechischen Fachsprachen ohne huma-nistische Schulbildung. Deshalb haben wir nach dem Erscheinen der „Allgemeinen Geobotanik – Biogeosysteme und Biodiversität“, welche das bewährte Grundlagenwissen und die Evolution der wichtigsten Groß-lebensräume unseres Globus allgemein behandelt, umgehend mit der „Speziellen Geobotanik“ begonnen, in der die essentiellen standörtlichen Grundlagen des Zusammenwirkens von Klima, Boden und Pflanzen zu Ökosystemen erläutert werden. Es ist ein Buch zum fundamentalen Ver-ständnis und zum Begreifen der naturwissenschaftlichen Zusammenhänge, welche uns erklären, warum sich im Laufe der Erdgeschichte auf der Erde die verschiedenen Lebensräume mit ihren speziell angepassten Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen zu den Lebensgemeinschaften, den Biozöno-sen, entwickelt haben.

Manche Kritiker haben angemerkt, das Buch der Allgemeinen Geobota-nik – Biogeosysteme und Biodiversität (2005) wäre besser als Spezielle Geobotanik bezeichnet worden. Das kann man aus der botanischen Wis-senschaftstradition so sehen: Wir wollen jedoch auf die Geobotanik bezo-

Page 8: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Vorwort IX

gen, die allgemeinen evolutionsbiologischen, geologischen und pflanzen-geographischen Grundlagen dieses Faches als Allgemeine Geobotanik bezeichnen. Die ökologischen Grundlagen der Interaktionen von Pflanzen, Klima und Boden mit deren methodischem Erfassungsinventar interpretie-ren wir als Spezielle Geobotanik wie im vorliegenden Buch. Hierbei darf die Lehre von der Ökomorphologie der Pflanze nicht fehlen, sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Verständnisses für das evolutive Verhalten der Pflanzen in Raum und Zeit. Da die klassischen botanischen Diszipli-nen, die früher immer solche notwendigen Lehrveranstaltungen im Reper-toire hatten, dieses Fach heute im Zuge ihrer molekularbiologischen Er-neuerung inzwischen weitgehend abgeworfen haben, muss es neu in die Grundlage einer Speziellen Geobotanik integriert werden. Eine Ange-wandte Geobotanik, welche die Frage der Umsetzung des biogeographi-schen, evolutionsbiologischen und standortsökologischen Basiswissens sein muss, soll umgehend folgen. Dort findet sich eine Einführung in die Instrumentarien der landschaftsökologischen Raumerfassung, der Paläo-ökologie, der Historischen Geobotanik, der naturräumlichen Landeskunde sowie Antworten auf Fragen zur Restauration und Renaturierung von Öko-systemen und zur anthropogenen Einflussnahme auf die Natur.

Dieses Buch vermittelt den Stoff einer Grundvorlesung für Studierende der Bachelor-Studiengänge Biologie, Life Science und Geowissenschaften der Leibniz Universität Hannover zur Einführung in das Fach und dient als Basis für weiterführende Studien. Es richtet sich also an Studierende und Interessierte der Landschaftswissenschaften, der Boden- und Vegetations-kunde und der Geoökologie insgesamt. Es ist so geschrieben und konzi-piert, dass sich alle Interessenten auf dieser Basis in der speziellen Litera-tur zurechtfinden können. Das tiefere Eindringen in einzelne Teildiszi-plinen erschließt sich durch die am Ende eines jeden Kapitels aufgeführte Auswahl an Artikeln und Originalarbeiten, welche die Brücke vom Lehr-buch zur aktuellen Forschung bilden sollen. Auf diese Weise wurde der Text zur besseren Lesbarkeit weitgehend von Referenzen freigehalten. Mit speziellen Lern- und Merksätzen wird zudem der Lehr- und Lernbuchcha-rakter gewährleistet.

Dem Landesmuseum Natur und Mensch, Oldenburg, und seinem Direk-tor, Herrn Professor Dr. Mamoun Fansa, danken wir für die Überlassung von Bodenprofilen aus der Sammlung Reinhold Tüxen. Dem Springer-Verlag Heidelberg sind wir für die Aufnahme des Manuskriptes in seine naturwissenschaftliche Reihe und Frau Stefanie Wolf für das Lektorat zu sehr großem Dank verpflichtet.

Hannover, am 8. Juli 2007 Richard Pott

Joachim Hüppe

Page 9: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)
Page 10: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung ................................................................................... 1 1.1 Literatur ......................................................................................... 4 2 Grundlagen des Klimas .............................................................. 5 2.1 Klimafaktoren und Klimatypen ..................................................... 6 2.2 Klimaschwankungen ..................................................................... 8 2.3 Strahlungsparameter..................................................................... 12 2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen .................................... 15 2.5 Atmosphärische Zirkulation ........................................................ 20 2.6 Globale Temperaturverteilung .................................................... 22 2.7 Temperaturparameter .................................................................. 29 2.8 Niederschlagsverteilung............................................................... 31 2.9 Wind ............................................................................................ 33 2.10 Literatur ....................................................................................... 41 3 Klima- und Vegetationszonen .................................................. 43 3.1 Klimadiagramme ......................................................................... 48 3.2 Ozeanität und Kontinentalität ..................................................... 50 3.3 Vertikalgliederungen ................................................................... 56 3.4 Literatur ....................................................................................... 63 4 Das Klima der bodennahen Luftschicht .................................. 65 4.1 Charakteristika der bodennahen Luftschicht ............................... 66 4.2 Der Einfluss des Reliefs .............................................................. 69 4.3 Wärmeableitung ........................................................................... 73 4.4 Niederschläge ............................................................................... 79 4.5 Luftfeuchtigkeit und relative Luftfeuchtigkeit ............................. 84 4.6 Schneedecken und Frost .............................................................. 86 4.7 Literatur ....................................................................................... 89

Page 11: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

XII Inhaltsverzeichnis

5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens ........................................ 91 5.1 Ausgangsgesteine für die Bodenbildung ..................................... 92 5.2 Bodenarten .................................................................................. 96 5.3 Bodenminerale .......................................................................... 101 5.4 Physikalische und chemische Verwitterung .............................. 106 5.5 Biologische Verwitterung und Tonzerfall ................................. 115 5.6 Bodenwasser und Bodenluft ..................................................... 119 5.7 Feldkapazität ............................................................................. 124 5.8 Humus ....................................................................................... 126 5.9 Literatur ..................................................................................... 129 6 Bodenhorizonte und Bodentypen ........................................... 131 6.1 Globaler Überblick .................................................................... 132 6.2 Konsistenz des Bodens .............................................................. 136 6.3 Bodenhorizonte ......................................................................... 139 6.4 Rohböden und A/C-Böden ........................................................ 144 6.5 Regosol ..................................................................................... 146 6.6 Ranker, Rendzina und Pararendzina ......................................... 147 6.7 Tschernosem ............................................................................. 150 6.8 Braunerde .................................................................................. 153 6.9 Podsol ........................................................................................ 155 6.10 Parabraunerde ............................................................................ 157 6.11 Stau- und Grundwasserböden .................................................... 159 6.12 Auenböden ................................................................................ 161 6.13 Moorböden ................................................................................ 162 6.14 Gebirgsböden ............................................................................ 164 6.15 Salzböden .................................................................................. 166 6.16 Wüstenböden.............................................................................. 169 6.17 Latosol ....................................................................................... 171 6.18 Literatur ..................................................................................... 173 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen .......................... 175 7.1 C/N-Verhältnis .......................................................................... 176 7.2 Auswirkungen auf die Bodenstruktur ....................................... 178 7.3 Bodenmikroorganismen ............................................................ 180 7.4 Bodenfauna und Bodenflora ..................................................... 184 7.5 Literatur ..................................................................................... 193

Page 12: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Inhaltsverzeichnis XIII

8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben.............................................................. 195 8.1 Einfluss von Bodenkomponenten auf die Pflanzen ................... 198 8.2 Pflanzenmineralstoffe ............................................................... 202 8.3 Lichtwirkungen .......................................................................... 208 8.4 Temperaturwirkungen ............................................................... 215 8.5 Hitzewirkungen ......................................................................... 222 8.6 Windwirkungen ......................................................................... 225 8.7 Literatur...................................................................................... 231 9 Anpassungen der Pflanzen ...................................................... 233 9.1 Wasserhaushaltstypen ............................................................... 237 9.2 Formen der Primärproduktion ................................................... 243 9.3 Xerophyten ................................................................................ 248 9.4 Mesophyten ............................................................................... 259 9.5 Hygrophyten .............................................................................. 259 9.6 Helophyten ................................................................................ 261 9.7 Hydrophyten .............................................................................. 263 9.8 Epiphyten und Epiphyllie .......................................................... 266 9.9 Halophyten ................................................................................ 275 9.10 Pyrophyten ................................................................................ 279 9.11 Literatur ..................................................................................... 281

10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts ........................................................................... 283 10.1 Abiotische und biotische Faktorenkomplexe ............................ 284 10.2 Arealbildung .............................................................................. 286 10.3 Konvergenz ............................................................................... 293 10.4 Pflanzengesellschaften und Assoziationen ................................ 294 10.5 Symbiosen ................................................................................. 297 10.6 Dynamik und Regulation .......................................................... 301 10.7 Vegetationsveränderungen durch Eutrophierung....................... 306 10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen ............................. 309 10.9 Literatur ..................................................................................... 315 Verzeichnis der Gattungen, Arten und Syntaxa ................... 319 Sachverzeichnis ........................................................................ 323

Page 13: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)
Page 14: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

1 Einführung

Wenn wir eine Exkursion durch die einzelnen Landschaften unseres Glo-bus oder einer Region in Europa oder direkt vor unserer Haustür machen, so werden wir feststellen müssen, dass die einzelnen Pflanzen nirgendwo auf der Erde auf einem Kontinent oder an einem Berghang wahllos und zu-fällig verteilt wachsen, sondern dass bei der Verteilung der Pflanzen in ei-ner Vegetationsdecke über weite Räume hinweg, beispielsweise in einer Talregion mit Nord- und Südhängen oder in einem Wald, ganz bestimmte Gesetzmäßigkeiten vorherrschen. Auf Kalkböden finden wir ganz andere Arten vor als auf Sandböden, im Schatten des Waldes wiederum andere als auf Wiesen und Trockenrasen, die dem vollen Lichtgenuss ausgesetzt sind. Die Pflanzen treten also zu ganz bestimmten Gemeinschaften, zu Pflan-zengesellschaften zusammen.

Was sich überblicken lässt, ist Landschaft, was ins Detail zerfällt, ist Natur, so hört man es gelegentlich in den Diskussionen mit Geographen. Die Identifizierung räumlicher Muster der Landoberfläche anhand gut un-terscheidbarer Vegetation kennen wir als eine alte mitteleuropäische Tradi-tion. Alexander Freiherr von Humboldt (1769-1859) hat diese geobota-nisch ausgerichtete Sichtweise als Erster systematisch betrieben und durch seine Weltreisen auch gleich auf tropische und subtropische Klimazonen ausgedehnt. „Landschaft“ war für ihn also so etwas wie eine „Komposition von Vegetationsmustern“ aus Wäldern, Gebüschen, Rasen, Heiden, Moo-ren oder Röhricht, also nur aus Pflanzendecken bestimmter Wuchsformen, den Pflanzenformationen, wie wir sie noch heute so bezeichnen. Hum-boldts Erarbeitung der Formationen war ein erster beschreibender Schritt zur Vegetationsklassifizierung moderner Prägung. Mit Alphonse Pyrame de Candolle (1806-1893), Anton Kerner von Marilaun (1831-1898) und Johannes Eugenius Warming (1841-1921) verlagerte sich danach das Inte-resse von den räumlichen Vegetationsmustern auf die Vegetationsdynamik und die Beschreibung von Sukzessionen. Das gipfelte schließlich in der Begrifflichkeit Klimax für Endstadien natürlicher Höherentwicklung von Pflanzengesellschaften, jene Stadien also, das sich letztlich von selbst ein-stellen.

Kern der geobotanischen Forschung ist das Erkennen und die methodi-sche und begrifflich klare Beschreibung der Fülle zahlreicher aus Pflanzen

Page 15: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2 1 Einführung

und Tieren aufgebauter Lebensgemeinschaften, ihrer Struktur, ihrer Ent-wicklung, ihrer Verbreitung und räumlichen Ordnung, der Beziehung zwi-schen den jeweiligen Gliedern der Biozönose und der menschlichen Ein-wirkung. Aus der Erkenntnis, dass grundlegende Bindungen und Gesetzmäßigkeiten zwischen Vegetation – vor allem aber zwischen Arten in einem Pflanzenbestand – und jeweiligen Standortbedingungen bestehen, entwickelte sich die Auffassung, dass Vegetationsbestände als Gemein-schaften oder als Pflanzengesellschaften aufzufassen seien. Daraus ent-stand die Pflanzensoziologie. Josias Braun-Blanquet (1884–1980) und Reinhold Tüxen (1899–1980) schufen in Mitteleuropa zunächst ein Lehr-gebäude mit fest umrissenen Pflanzengesellschaften, den Assoziationen, ihren Verbänden und syntaxonomisch verschieden strukturierten Ordnun-gen und Klassen, welches inzwischen in fast allen Ländern der Erde An-wendung findet. Die häufigsten Vegetationsklassen Mitteleuropas sind un-ter anderem bei Richard Pott (1995) in der Beschreibung der Pflanzen-gesellschaften Deutschlands aufgeführt.

Der Amerikaner Frederik E. Clements (1847–1945) und seine Schule entwickelten aus den Anfängen der Pflanzensoziologie in den 1920er Jah-ren sogar eine holistische Naturbetrachtung, in der sie die Vegetationsein-heiten mit Organismen verglichen, diesen gar gleichsetzten und sie schließlich sogar als „Superorganismen“ betrachteten. Der große englische Ökologe Sir Arthur Tansley (1871–1955) führte im Jahre 1935 den Begriff Ökosystem ein, den er aus der aufkommenden Systemlehre übernahm. Was ein Ökosystem ist, wurde von Arthur Tansley zwar erklärt, aber nicht definiert. Das geschah erst mit Raymond L. Lindeman (1915–1942) und Eugene P. Odum (1913–2002). Danach trat das aus der Vegetationsökolo-gie hervorgegangene Ökosystem-Konzept seinen großen Siegeszug an. Es ist heute allgemein akzeptiert und vereinigt in idealer Weise eine analyti-sche und synthetisch-ganzheitliche Darstellung der Beziehungsgeflechte von Standortparametern, wie es jüngst auch Wolfgang Haber (2004) for-muliert. Es berücksichtigt räumlich-ökologische und zugleich historisch-dynamische Aspekte der Vegetation und beschreibt deren Struktur und Aufbau. Heinrich Walter (1898–1993) und Heinz Ellenberg (1913–1997) haben dieses Konzept besonders gefördert und konsequent weiterentwi-ckelt: Das in den 1960er Jahren von Ellenberg im Rahmen des damaligen „Internationalen Biologischen Programm, IBP“ entwickelte deutsche Waldforschungsprojekt in der norddeutschen Mittelgebirgslandschaft Sol-ling vereinigte seinerzeit die europäischen und nordamerikanischen For-schungsansätze zu den Stoff- und Energieflüssen in den vegetationskund-lich definierten Einheiten Wälder, Wiesen und Äcker und wurde so zu einem wichtigen Schritt in der modernen Ökosystemforschung. Die Er-gebnisse des „Solling-Projektes“ wurden von Heinz Ellenberg (1986) ver-

Page 16: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

1 Einführung 3

öffentlicht. Seitdem ist die Gleichsetzung von Pflanzengesellschaften oder Formationen mit Ökosystemen üblich. Die Vegetation dient dabei fast immer als Ausgangspunkt von Ökosystemstudien, welche auf einem räum-lichen Ansatz beruhen.

Vegetation ist wegen ihrer weitgehenden Ortsgebundenheit im terrestri-schen, amphibischen und aquatischen Milieu der dingliche Ausdruck von Biotop und Biozönose, wie wir es seit Karl August Möbius (1877) wissen. Sie ist ein integrierender Bestandteil oder ein allgemeiner Anzeiger aller wesentlichen Umwelteigenschaften. Vegetation prägt weithin das Erschei-nungsbild einer Landschaft und zeigt deren Entwicklungszustand. Sie spielt also eine zentrale Schlüsselrolle, und darum geht es in diesem Band: Vegetation ist – wie in der Allgemeinen Geobotanik, Biogeosysteme und Biodiversität (2005) ausgeführt – eine Besonderheit des Phänomens Le-ben, weil in ihr viele Einzelorganismen und Pflanzenarten zu greifbaren Gebilden höherer Ordnung und damit zu definierbaren Einheiten, den Pflanzengesellschaften integriert sind, wobei das Maß der Integriertheit der inneren Organisation schwächer oder stärker ausgeprägt sein kann, aber jedenfalls feststellbar ist. Das ist der Vorzug der Ganzheitlichkeit der Vegetation: Sie ist kein unauflösbares, geheimnisvolles, sondern ein zergliederbares, weitgehend in Transparenz überführbares Ganzes! Nur so verstehen wir, wie Vegetation sich ihr eigenes Kleinklima schafft, den Wasserhaushalt, die Bodenbildung, ja die Standortentwicklung sogar sel-ber steuert, durch Strahlungsabsorption und CO2-Bindung ebenfalls das Großklima beeinflusst – schließlich die photosynthetische Produktivität der Pflanzenbestände gewährleistet und letztlich Habitat- und Nischenan-gebote für die Tierwelt bildet.

Das rechtfertigt und stärkt eine eigenständige Vegetationsökologie als wichtigen Zweig der Geobotanik und bildet auch die Brücke zur Land-schaft, also zur geographisch-räumlichen Komponente. Und damit sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer Betrachtung. Landschaft als Ausschnitt der terrestrischen Erdoberfläche ist also im Wesentlichen ein Komplex von Vegetationseinheiten mit bestimmten physisch-geographischen Strukturen.

Alle Stufen der ökologischen Hierarchie schließen Leben und biologi-sche Prozesse ein, so dass sich schließlich die Biogeosysteme – der umfas-sende Begriff für sämtliche Ökosystem der Erde - definieren lassen: Die sichtbare Biosphäre geht ohne scharfe Grenzen in die Lithosphäre, die Schicht der Gesteine, der Sedimente sowie des Mantels und des Kerns der Erde selbst, über. Gleichermaßen vermittelt sie zur Hydrosphäre, der Wasserhülle von Ozeanen, Meeren und Seen mit Oberflächen- und Grundwasser, zur Kryosphäre mit ihren Schnee- und Eisflächen an den Polen und in den Gebirgen. In der Pedosphäre, im Bodenraum, sind als wichtige Standortparameter beispielsweise die Bodenentwicklung, die

Page 17: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4 1 Einführung

Verfügbarkeit von Mineralstoffen sowie die chemisch-physikalische Be-schaffenheit des Bodens zu nennen.

1.1 Literatur

Begon M, Harper JL, Townsend CR (1990) Ecology. 2nd ed. Blackwell, Boston Oxford London Braun-Blanquet J (1921) Prinzipien einer Systematik der Pflanzengesellschaften auf floristischer Grundlage. Jahrb St

Gallen Naturwiss Ges 57, 305-351 Braun-Blanquet J (1928, 1951, 1964) Pflanzensoziologie. Grundzüge der Vegetationskunde. 1. Aufl (1928) Biologi-

sche Studienbücher 7, Berlin, 2. Aufl (1951) Springer, Wien, 3. Aufl (1964), Springer, Wien Brown, JH, Gibson AC (1983) Biogeography. Mosby, St. Louis Campbell NA, Reece JB (2006) Biologie. 6. Aufl, Pearson Studium, München Boston San Francisco Clements FE (1937) Nature and structure of the climax. J Ecol 24: 252-284 Cox CB, Moore P (2005) Biogeography. An ecological and evolutionary approach. 7th ed. Blackwell, Oxford Dierschke H (1994) Pflanzensoziologie. Grundlagen und Methoden. Eugen Ulmer, Stuttgart Dierßen K (1990) Einführung in die Pflanzensoziologie (Geobotanik). Wiss Buchgesell, Darmstadt. Ellenberg H (1968) Wege der Geobotanik zum Verständnis der Pflanzendecke. Naturwissenschaften 10: 462-470 Ellenberg H (1996) Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht.

Ulmer, Stuttgart Haber W (2004) Vegetation, Ganzheitlichkeit und Naturschutz, Festschrift anlässlich der Verleihung der Ehrendok-

torwürde an Herrn Dr. Dieter Mueller-Dombois, Cottbus Humboldt A v (1807) Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer (Neu-

druck 1960). Akademische Verlagsanstalt, Leipzig Kerner von Marilaun A (1863) Das Pflanzenleben der Donauländer. Innsbruck Klink HJ (1996): Vegetationsgeographie, Das geographische Seminar. 2. Aufl. Westermann, Braunschweig Kratochwil A, Schwabe A (2001) Ökologie der Lebensgemeinschaften. Ulmer, Stuttgart Krebs CJ (1978) A Review of the Chitty Hypothesis of Population Regulation. Canadian J Zoology 56: 2463-2480 Larcher W (1994) Ökophysiologie der Pflanzen. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart Lindeman RL (1942) The trophic-dynamic aspect of ecology. Ecology 23: 399-418 MacArthur RH (1972) Geographical Ecology. Harper & Row, New York Möbius K (1877) Die Auster und die Austernwirtschaft. Hempel & Parey, Berlin Nentwig W, Bacher S, Beierkuhnlein C, Brandl R, Grabherr G (2003) Ökologie. Spektrum, Heidelberg Odum EP (1983) Grundlagen der Ökologie. 2 Bde. Thieme, Stuttgart Pott R (1995) Pflanzengesellschaften Deutschlands. 2 Aufl Ulmer, Stuttgart Pott R (1998) Vegetation analysis: In Ambasht RS: Modern trends in Ecology and environment 55-89, Backhuys,

Leiden Pott R (2005) Allgemeine Geobotanik – Biogeosysteme und Biodiversität. Springer, Heidelberg Sitte P, Weiler EW, Kadereit JW, Bresinsky A, Körner C (2002) Lehrbuch der Botanik. Spektrum, Heidelberg Tansley AG (1935) The use and abuse of vegetational concepts and terms. Ecology 16: 284-307 Thienemann A (1939) Grundzüge einer Allgemeinen Ökologie. Archiv Hydrobiologie 35, 267-285 Walter H (1968) Die Vegetation der Erde in ökophysiologischer Betrachtung. Bd II: Die gemäßigten und arktischen

Zonen. Gustav Fischer, Jena Stuttgart Warming E (1909) Oecology of plants. An introduction to the study of plant communities. Clarendon Press, Oxford

(die Originalausgabe ist 1895 in dänischer Sprache erschienen) Whittaker RH (1975) Communities and Ecosystems. 2nd ed. MacMillan, New York Wilmanns O (1998) Ökologische Pflanzensoziologie. 6. Aufl. Quelle & Meyer, Heidelberg Wilson DS (1980) The natural selection of populations and communities. Science 192: 1358-1360

Page 18: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2 Grundlagen des Klimas

Geographische Variationen des Klimas – vor allem durch Temperatur und Niederschläge gesteuert – bestimmen die globale Anordnung der Klima-zonen. Klimazonen sind großräumige Gebiete der Erde, in denen die Kli-mabedingungen ungefähr gleichartig sind. Sie beruhen im Wesentlichen auf unterschiedlichen Einstrahlungsbedingungen für das Sonnenlicht auf die Erdoberfläche (Abb. 2.1) und die darauf zurückzuführende allgemeine Zirkulation der Atmosphäre. Die natürliche Vegetation reflektiert die Kli-mazonen der Erde, und so zeigen Klimazonen und Vegetationszonen eine weitgehende Parallelität, weshalb wir uns zunächst mit klimatischen Grundlagen beschäftigen müssen.

Abb. 2.1. Unterschiedliche Einstrahlung bewirkt expositionsbedingt unterschied-lich starkes Abtauen von Eis und Schnee im Wildspitzmassiv (Tirol); die Ablation ist auf den südgeneigten dunklen Felswänden am größten

Page 19: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6 2 Grundlagen des Klimas

2.1 Klimafaktoren und Klimatypen

Die Faktoren, von denen der Zustand der Atmosphäre beeinflusst wird, be-zeichnet man als Klimafaktoren. Sie sind dafür verantwortlich, dass alle Klimaelemente an verschiedenen Orten der Erde andere Werte besitzen: Geographische Breite, Land-Meer-Verteilung, die Nähe oder die Entfer-nung von den Ozeanen und die Höhe über dem Meeresspiegel spielen da-bei entscheidende Rollen.

Wichtige Klimamotoren sind: die Sonne, die Sonnenfleckenaktivitäten, die Kontinentaldrift, der Vulkanismus, die Meteoriteneinschläge, die Meeresströmungen, die globalen Windsysteme sowie die Rückstrah-lung des Planeten Erde in Bezug auf das Sonnenlicht. Hierdurch kühlte und erwärmte sich das Klima im Laufe der Erdgeschichte mehrmals.

Äußere Klimafaktoren sind Wirkungsgrößen und Abläufe, die einen Klimazustand verändern, ohne selbst vom Klima beeinflusst zu werden. Dazu gehören vor allem die Sonnenwirkungen, die Kontinentalverschie-bungen und Vulkaneruptionen mit ihren Stäuben und Gasen. Innere Kli-mafaktoren sind Rückkopplungsvorgänge, die durch biologische, chemi-sche und geologische Vorgänge gesteuert werden. Dazu gehören vor allem die Bildung und der Verbrauch von Klimagasen.

Die Begriffe Klima, Witterung und Wetter sind in diesem Zusammen-hang voneinander getrennt zu betrachten. Klima ist „die für einen Ort, eine Landschaft oder einen größeren Raum typische Zusammenfassung der erdnahen und die Erdoberfläche beeinflussenden atmosphärischen Zustän-de und Witterungsbedingungen während eines längeren Zeitraumes von charakteristischer Verteilung der häufigsten mittleren und extremen Wer-te“, wie es der Klimatologe Joachim Blüthgen (1966) definiert hat.

Klima ist die „Synthese des Wetters“ über einen mindestens dreißig-jährigen Zeitraum.

Witterung beinhaltet die kurzfristigen, lokalen, also an einem Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt wirksamen Kombinationen der atmosphäri-schen Elemente, wie zum Beispiel feuchte und trockene Sommer, kalte oder milde Winter, das Auftreten von Hoch- und Tiefdruckgebieten wäh-rend der Jahreszeiten. Wetter ist demgegenüber die aktuelle Kombination von Temperatur, Feuchtigkeit, Niederschlag, Wind, Bewölkung und ande-rer atmosphärischer Gegebenheiten an einem bestimmten Ort zu bestimm-ter Zeit. Langfristig bilden die Witterungsfaktoren die jeweiligen Klima-faktoren. Messbare Einzelerscheinungen zur Charakterisierung des Klimas sind Strahlung, Luftdruck, Luftfeuchte, Temperatur, Wind, Verdunstung, Niederschlag und Bewölkung. Alle diese Parameter werden registriert, ge-

Page 20: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.1 Klimafaktoren und Klimatypen 7

sammelt und für längere Zeiträume, im Regelfall mindestens 30 Jahre, nach Mittelwerten, Häufigkeiten und Abfolgen von Extremen ausgewertet.

Langjährige Messwerte zahlreicher Klimastationen, die oft nur wenige Kilometer voneinander entfernt stehen, dokumentieren und kennzeichnen das Klima der betreffenden Lokalitäten, das wir zusammenfassend als Großklima oder Makroklima bezeichnen. Großräumig für alle Kontinen-te existieren bereits entsprechende Klimakarten, und auch über einzelne Länder verfügen wir über umfangreiches Datenmaterial, teils tabellarisch, teils in Klimakarten zusammengestellt. Berechnungen verschiedener auf Klimadaten basierender Indizes, wie diejenigen von Feuchte- und Tempe-raturregime, Höhenstufung und Kontinentalität, erlauben unter Heranzie-hung der Vegetation vor Ort sogar bioklimatische Charakterisierungen. Solche hat beispielsweise Salvador Rivas-Martínez für Spanien bereits im Jahre 1983 vorgelegt und später (1995, 1996) auf ganz Europa und sogar auf die ganze Erde erweitert. Das Makroklima umfasst als naturräumlicher Parameter den gesamten Globus, sowohl seine erdumspannenden Gürtel als auch kontinentale und maritime Zonen der Landmassen und Ozeane mit Flächen von mehr als 5000 Quadratkilometern Größe. Sie sind die Grundlage für die Zonobiome der Erde.

Die Werte des Mesoklimas sind unter sorgfältiger Ausschaltung aller mehr oder weniger zufälligen Lokaleinwirkungen gewonnen. Die von den Wetterstationen übermittelten klimatischen Daten und Beobachtungen ge-ben dabei Aufschluss über das Landschaftsklima einer Region bezie-hungsweise einer Landschaft. In vielen Fällen kann man jedoch für ökolo-gische Fragestellungen mit diesen zu allgemein gehaltenen Klimawerten nicht viel anfangen, denn das Klima vor Ort, sei es in einem Pflanzenbe-stand oder in einem speziellen Vegetationstyp, ist meist stark verschieden von den Werten des Mesoklimas.

In der Geobotanik interessiert daher vorwiegend das Lokalklima oder Mikroklima, auch als Topoklima bezeichnet, also das an einem Standort herrschende Klima im engeren Sinne. Das Mikroklima umfasst etwa das Klima der bodennahen Luftschicht eines Strauchbestandes in einem Trift-gelände oder in einem Park im Sinne von Rudolf Geiger (1961), welches vom Mesoklima stark abweichen kann.

Unmittelbar an der Bodenoberfläche nimmt man eine weitere Differenzierung vor: Der Energieaustausch zwischen einer Pflanzendecke oder einem Boden und dem angrenzenden Luftraum erfolgt in einer nur wenige Millimeter umfassenden Schicht durch molekulare Transport-prozesse. Diese Schicht wird molekulare oder laminare Grenzschicht genannt. Sie hat nicht nur große Bedeutung für das Temperaturverhalten und die Wärmeleitung von Oberflächen sowie die molekulare Diffusionen verschiedener Gase in diesem Grenzbereich, sondern auch auf die Wir-

Page 21: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8 2 Grundlagen des Klimas

kungen des Windes mit Mikroturbulenzen, wie dieses Peter Hupfer u. Wilhelm Kuttler (2006) besonders hervorheben.

Mit zunehmender Höhe über NN. nehmen die Temperaturen ab, und wir messen normalerweise Temperaturabnahmen von 0,52 Grad Celsius pro 100 Meter Höhenaufstieg. Daraus leiten wir mit dem Oroklima spezielle Klimaformen ab, die Gebirgs- oder Berglandsklimate. Regionale oder lo-kale Abweichungen der Temperaturbedingungen des Oroklimas können in vielen Fällen gegenüber denen des Makroklimas sehr groß sein. Bezüglich der Einwirkungen des Klimas auf die Pflanzenwelt müssen wir also gleich mehrere Klimatypen unterscheiden:

• das Großklima oder Makroklima, • das Landschafts- oder Mesoklima, • das Lokalklima, also das Standort-, Mikro- oder Topoklima, • die molekulare oder laminare Grenzschicht, • das von der Höhenlage und Geländeform abhängige Oroklima.

Ein besonderer Typ des Mesoklimas, mit allerdings stark ausgeprägten mikroklimatischen Aspekten, ist das Stadtklima, das wir nachfolgend aus Platzgründen nicht näher betrachten wollen, da seine Besonderheiten aus-giebig von Herbert Sukopp (1990) und Rüdiger Wittig (1991, 1996, 2002) sowie Sukopp u. Wittig (1998) behandelt wurden.

2.2 Klimaschwankungen

Wichtigster Motor unseres Klimasystems ist die Sonne. Die Sonnenein-strahlung erwärmt die Festlandsflächen und das Oberflächenwasser der Meere in Abhängigkeit von der geographischen Breite. Die Erde absorbiert in der Atmosphäre auf den Kontinenten und den Ozeanen etwa die Hälfte der von der Sonne zur Erde ausgesendeten Wärmeenergie. Die Wärmeab-gabe der Kontinente an die überlagernden Luftschichten beeinflusst die Zirkulation der Luftmassen in der Atmosphäre, die wir nahe der Erdober-fläche als Wind spüren.

Die Sonne verursacht auch die unterschiedlich langen zyklischen Kli-maschwankungen, von den etwa 100 000 Jahre währenden Milankovich-Zyklen im Rahmen der Änderungen der Erdbahn um die Sonne bis zu den Zyklen wechselnder Sonnenflecken-Aktivitäten. Die mittlere Entfernung von der Erde zur Sonne wird durch die Exzentrizität der elliptischen Erd-umlaufbahn im Laufe des Jahres verändert. Diese Exzentrizität verändert sich langfristig im Verlauf von jeweils etwa 100 000 Jahren. Die Neigung der Erdachse variiert ebenso zyklisch zwischen 22 Grad und 24,5 Grad mit

Page 22: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.2 Klimaschwankungen 9

einer Periode von circa 41 000 Jahren. Gegenwärtig beträgt sie 23,5 Grad, und das beeinflusst den Strahlungsunterschied zwischen Äquator und den Polen. Die Strahlung wird außerdem durch die veränderliche Lage von Pe-rihel, des sonnennächsten Punktes der Erdumlaufbahn, und Aphel, des sonnenfernsten Punktes, im Wechsel von etwa 23 000 Jahren und 18 000 Jahren beeinflusst und die jahreszeitliche Verteilung der Sonnenstrahlung auf der Erde verändert. Alle diese Langzeitvariationen sind als Milanko-vich-Parameter sehr wichtig für das Verständnis des Wechsels von Kalt- und Warmzeiten in der Vergangenheit und natürlich auch in der Zukunft. Kurzfristige Schwankungen der Solarstrahlung sind durch veränderliche Solaraktivitäten bedingt, die man seit den 1970er Jahren durch Satelliten-messungen kontinuierlich erfasst. Äußerlicher Eindruck der veränderlichen Sonnenaktivität sind leicht beobachtbare Sonnenfleckenmaxima, die peri-odisch vor allem 11-jährig als Schwabe-Zyklus oder längerfristig alle 88 Jahre als Gleissberg-Zyklus in Erscheinung treten. Zwischen den Sonnen-fleckenmaxima gibt es innerhalb der letzten 800 Jahre genau datierte Pha-sen mit geringerer Aktivität der Sonne:

• Wolf-Minimum von etwa 1210 bis 1350, • Spör-Minimum von 1400 bis 1510, das • Maunder-Minimum von 1645 bis 1715 sowie das weniger ausgeprägte • Dalton-Minimum von 1800 bis 1830.

Genau in die Phasen des Spör-Minimums und des Maunder-Minimums fällt die „Kleine Eiszeit“ von 1450 bis 1780 mit globalen Temperatur-rückgängen um ein Grad Celsius. Später stellten sich die Durchschnitts-temperaturen wieder auf die nacheiszeitlichen Mittelwerte ein, welche sie aber in den letzten 20 Jahren überschreiten.

In ihrem in kurzer Zeit seit 2001 mehrfach aufgelegtem Buch über Kli-mafakten beschreiben Ulrich Berner und Hansjörg Streif in der 4. Auflage (2004) die wichtigsten verändernden Kräfte unseres Klimasystems: Kon-tinentalverschiebungen mit dem allmählichen Verdriften der Kontinente führten über viele Millionen Jahre zu unterschiedlichen Konfigurationen von Landmassen und Ozeanen auf der Erde. Dadurch veränderten sich auch die globalen Wasserzirkulationen in den Ozeanen; kalte und warme Meeresströmungen entstanden und verbanden sich zu einem weltweiten Netzwerk. Gleiches geschah mit der Luftzirkulation in der Atmosphäre, was sich ebenfalls entscheidend auf den Wärmeaustausch über den gesam-ten Globus mit verschiedenen Kaltzeiten und Warmzeiten mehrfach aus-gewirkt hat. Die irdischen Klima- und Ökosysteme sind in der Vergangen-heit auch wiederholt durch große Vulkanausbrüche und Meteoriten-einschläge gestört und verändert worden. Die vulkanischen Gase, Stäube und Aschen haben ganz unterschiedliche Auswirkungen auf das Klima.

Page 23: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10 2 Grundlagen des Klimas

Hier zu nennen ist besonders das Chicxulub-Event vor 65 Millionen Jah-ren an der Grenze von der Kreidezeit zum Tertiär, in dessen Folge die Großsaurier auf der Erde ausstarben und gleichzeitig das Reich der Gym-nospermen zu Ende ging. Damals entwickelte sich die Welt der heutigen Säugetiere und der Angiospermen. Pflanzen und Tiere starben also aus und machten den Weg frei für die nächsten Schritte der Evolution. Auch das Klima veränderte sich immer wieder dementsprechend.

Es ist offensichtlich, dass die Erde durch die eingestrahlte Sonnenener-gie in unterschiedlichem Maße erwärmt wird, weil die niedrigen, äquator-nahen Breiten mehr Wärme empfangen als die Polregionen. Da die Son-nenstrahlung am Äquator nahezu im rechten Winkel auf die Erdoberfläche trifft, verteilt sich eine gegebene Wärmemenge über eine relativ weite Flä-che auf der Erde, und die Wärmestrahlung ist relativ hoch. Die Strahlungs-intensität ist in den Polargebieten dagegen relativ gering, weil die Sonnen-strahlen hier flach auf die Erde treffen und sich die Energie auf eine große Fläche verteilt. Für die niedrigen Temperaturen in den Polargebieten ist nicht nur der niedrige Sonnenstand, sondern auch eine hohe Albedo, das heißt eine hohe Reflexion der Sonnenstrahlen über Eis und Schnee, ver-antwortlich. Neuschnee hat beispielsweise eine Albedo von 75 bis 90 Pro-zent, Altschnee dagegen von nur 40 bis 70 Prozent, Vegetation und Böden etwa 20 Prozent. Wir werden die Albedo im Kapitel 2.4 eingehender ken-nen lernen. Die globale Albedo wird heutzutage erheblich von Arktis und Antarktis verstärkt, da die Pole eisbedeckt sind und dies die Rückstrahlung intensiviert. Sonnenstrahlung erwärmt nicht nur die Festlandsflächen, son-dern auch das Oberflächenwasser der Meere.

Veränderungen in der Zusammensetzung klimarelevanter Treibhaus-gase führen naturgemäß auch zu Änderungen des Strahlungshaushaltes der Erde und somit zu Klimaveränderungen. Die natürlichen Treibhausgase der Erdatmosphäre, wie zum Beispiel Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Ozon (O3), ermöglichen erst das Leben auf der Erde. Diese klimarelevanten Gase sind aber auch anthropogen freisetzbar und bilden seit dem Anthropozän Rückkopplungsvorgänge im irdischen Klimasystem. Ihre Menge in der Atmosphäre ist durch Umsetzungspro-zesse in der Vegetation, durch Verwitterung von Gesteinen und Böden und durch Freisetzung aus den Feucht- und Nasslebensräumen weitgehend be-stimmt. Wärmeabgabe und Treibhausgase sind also entscheidend für die Energiebilanz der Atmosphäre. Ohne die schützende Wirkung der Atmo-sphäre würden die Temperaturen an der Erdoberfläche heute etwa minus 18 Grad Celsius betragen. Tatsächlich stellt sich jedoch eine Temperatur – in globaler Sicht gemittelt – von etwa plus 15 Grad Celsius ein. Obwohl die von der Sonne auf die Erdatmosphäre auftreffende kurzwellige Strah-lung zu etwa 30 Prozent wieder in den Weltraum reflektiert wird, wärmt

Page 24: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.2 Klimaschwankungen 11

die verbleibende Strahlungsenergie sowohl die Atmosphäre als auch die Erdoberfläche.

Box 2.1. Klimaveränderungen

Mit dem Begriff Klimaveränderungen bezeichnen wir heute vor allem die of-fenbar vom Menschen verursachte oder beschleunigte globale Erwärmung. Das Klima kann mehrere Dauerzustände einnehmen, die mehr oder weniger warm sind. Im Moment befinden wir uns im Übergang zu einem wärmeren Zustand. Die Folgen sind aus der Erdgeschichte bekannt: vor etwa 55 Millio-nen Jahren im Paläozän gelangte ungefähr die gleiche Menge an CO2 in die Atmosphäre wie heute. Die Ursachen für die damalige Situation sind bislang unklar. Jedenfalls erwärmte sich die Erde aber damals um fünf, in höheren Breiten sogar um acht Grad Celsius. Dass das Klima wärmer oder kälter, feuchter oder trockener und von Monat zu Monat oder auch von Jahr zu Jahr schwankender wird, kann auch an natürlichen Kräften liegen, die nichts mit dem Menschen zu tun haben. Solche Kräfte haben wir in der Allgemeinen Geobotanik (2005) bereits kennen gelernt: Es sind Veränderungen in der von der Sonne abgestrahlten Wärme, Vulkanausbrüche und dabei entstehende Stäube in der Atmosphäre, Freisetzung von Gashydraten aus den Ozeanen, Veränderungen in der Orientierung der Erdachse relativ zur Erdumlaufbahn nach den Milankovitch-Zyklen, die vergangenen Kalt- und Warmzeiten so-wie die Veränderung der Lage der Kontinente und der Ozeane auf der Erde.

In Erinnerung gebracht seien hier beispielsweise die erdweit nachweisbare „Kleine Eiszeit“ von 1450 bis 1780 und die kurzfristige globale Abkühlung nach dem gewaltigen Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora am 5. April 1815. Bei dieser Eruption gelangte soviel Staub in die oberen Atmo-sphärenschichten, dass weniger Sonnenlicht die Erde erreichte und auf der Nordhemisphäre 1816 das „Jahr ohne Sommer“ mit der Konsequenz großer Hungersnöte in Europa folgte, weil die Erträge der Getreideernten spontan stark zurückgegangen waren.

Die Sonnenfleckenaktivität hat in den letzten Jahren messbar zugenom-men, aber die damit verbundene stärkere Einstrahlung reicht nicht aus, um die bisherige Erwärmung der Erdoberfläche um 0,6 Grad Celsius zu erklären. Dazu gehören Sekundäreffekte, zum Beispiel verminderte Reflexion durch Abschmelzen der Eisflächen und Ausdünnung der Ozonschicht, hauptsäch-lich aber die Zunahme der absoluten Luftfeuchtigkeit durch Erwärmung der Ozeane und stärkere Verdunstung. Wasserdampf ist das wirksamste Treib-hausgas. Das durch Verbrennung fossiler Kohlenstoffe gebildete und im Meerwasser gelöste Kohlendioxid gelangt in die Luft und bewirkt den An-stieg von 0,030 auf 0,036 Prozent. CO2 ist unabdingbar für den Pflanzen-wuchs, der die Grundlage allen Lebens auf der Erde ist. Ohne Kohlendioxid wäre unser Planet ein toter Himmelskörper. Einen Effekt in der gleichen Größenordnung wie das CO2 liefert die Zunahme des Methangehaltes.

Page 25: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

12 2 Grundlagen des Klimas

2.3 Strahlungsparameter

Seit den Physikern und Nobelpreisträgern Max Planck (1858-1947) und Albert Einstein (1879-1955) wissen wir um die Doppelnatur der Licht-strahlung: Wir können Licht als elektromagnetische Wellen, aber auch als Partikel-Strahlung auffassen, die aus lauter getrennten diskreten Ein-heiten, den Photonen oder Quanten, bestehen. Die Energie eines solchen Photons wird durch die Formel

E = h · Ȟ = beschrieben. Dabei bedeuten: E = Energie, h = Sonnenhöhe, c = Lichtge-schwindigkeit, Ȝ = Wellenlänge, Ȟ = Frequenz.

Da h und c Konstante sind, folgt, dass die Energie eines Photons umso höher ist, je kürzer seine Wellenlänge Ȝ ist. Die Energie wird in Joule (J) gemessen. Die abgegebene oder aufgenommene Energie pro Zeiteinheit ist der Strahlungsfluss (F), dessen Dimension J · s-1 = W (Watt) beträgt. Der Strahlungsfluss pro Fläche ist die Strahlungsflussdichte, die in W · m-2 (= J · s-1m-2) angegeben wird. Eine Quantenflussdichte wird entsprechend in mol Photonen als Maßeinheit des Brechungsindexes (m) und der Länge der durchstrahlten Luftmasse (s) in der Größenordnung Millimol pro Qua-dratmeter und Fläche gemessen. Das Spektrum elektromagnetischer Wel-len reicht von den Impulsen der IJ-Strahlung (der optischen Dicke und Im-pulse) bis zu Radiowellen.

Abb. 2.2. Ein Teil des elektromagnetischen Spektrums differenziert nach Solar-strahlung und thermischer Strahlung. Ultraviolettes, sichtbares und infrarotes Licht bilden nur einen kleinen Teil des Spektrums (nach Smith u. Smith 2006, © Pearson, San Francisco)

h ŧ c

Ȝ

Page 26: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.3 Strahlungsparameter 13

Für uns ist zunächst nur ein kleiner Bereich der Strahlung interessant, die Solarstrahlung oder Sichtbare Strahlung, auch Licht genannt, mit einer Wellenlänge zwischen 400 und 700 Nanometern (nm) und die daran anschließende kurzwellige Infrarotstrahlung (IR), wie wir aus der Abb. 2.2 entnehmen können. Strahlung ist kein Privileg der Sonne. Wir wissen aus dem von den österreichischen Physikern Josef Stefan (1835-1893) im Jah-re 1879 und seinem Schüler L. Boltzmann (1844-1906) im Jahre 1884 the-oretisch begründeten gleichnamigen physikalischen Gesetz, das jeder Kör-per eine seiner Oberflächentemperatur proportionale Strahlung abgibt. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass kurzwellige Sonnenstrahlung energiereicher ist als die vergleichsweise langwellige thermische Strahlung (Abb. 2.2). Das Stefan-Boltzmann-Gesetz besagt al-so, dass die Ausstrahlung eines Körpers mit der 4. Potenz seiner absoluten Temperatur anwächst:

A = İ · ı · T4

A = spezifische Ausstrahlung eines Körpers (W · m-2), İ = Emissionsvermögen für Oberflächen (für einen schwarzen Strahler ist İ = 1), ı = Stefan-Boltzmannsche Konstante (5,6697 · 10-8 W · m-2 · k-4), T = Temperatur eines Körpers (k)

Der Faktor İ beschreibt also das Emissionsvermögen beziehungsweise das Absorptionsvermögen einer Oberfläche, das zwischen 0 und 1 sein kann. Warum sich das solare und terrestrische Strahlungsspektrum unter-scheiden, erklärt sich weiterhin aus dem Wienschen Verschiebungsgesetz, das 1893 vom deutschen Physiker und Nobelpreisträger Wilhelm Wien (1864-1928) formuliert wurde. Es besagt, dass die Wellenlänge (Ȝmax) ma-ximaler Energieabgabe umso kleiner wird, je höher die Temperatur des Strahlers ist:

Ȝmax =

Ȝmax = maximale Wellenlänge der spezifischen Ausstrahlung (m), T = Temperatur des Strahlers (k)

Mit Hilfe des Wienschen Verschiebungsgesetzes lässt sich also die Wel-lenlänge höchster Strahlenflussdichte errechnen. Für die 5800 Grad Celsi-us heiße Sonne folgt ein Maximum der Ausstrahlung bei 0,48 Mikrome-tern (ȝm), also bei 480 Nanometern (nm) im Übergang zwischen blauem und grünem Licht (Abb. 2.2). Annähernd die gesamte solare Strahlungs-energie (99 %) liegt im Wellenlängenbereich von 0,22 bis 5 ȝm (500 nm). Die Abschnitte des Sonnenspektrums mit Strahlungswerten von Ȝ kleiner als 400 Nanometer werden als kurzwellige Strahlung, die mit Ȝ größer als 400 Nanometer als langwellige Strahlung bezeichnet.

2,8978 ŧ 10-3

T

Page 27: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

14 2 Grundlagen des Klimas

Für die Pflanzen ist nur die Strahlung bedeutsam, die sie für die Photo-synthese nutzen können; das ist die Strahlung zwischen 380 und 720 Na-nometern, die auch als photosynthetisch aktive Strahlung, abgekürzt PAR (engl. Photosynthetically Active Radiation) bezeichnet wird. Da die photo-synthetisch wirksame Strahlung sich aus Photonen, aus Lichtteilchen mit sehr unterschiedlicher Energie zusammensetzt, werden von einem neutra-len, filterlosen Strahlungssensor immer die kurzwelligen energiereichen Spektralbereiche stärker gewichtet. Dem begegnet man mit Photonensen-soren, die so gefiltert sind, dass sie alle Photonen zwischen 400 und 700 Nanometern annähernd gleichwertig registrieren und damit zu Photonen-zählern werden. Wegen der direkten stöchiometrischen Beziehung zwi-schen absorbierten Photonen im 400 bis 700 Nanometer-Bereich und der photosynthetischen CO2-Bindung wurde die Photonenstromdichte in der Biologie zum Standard (engl. Photosynthetically Active Photon Flux Den-

sity, PPFD, in ȝmol Photonen pro Quadratmeter und Sekunde, nach C. Körner 2002). Diese sind nicht mit den Werten einer PAR gleichzusetzen. Das Licht wird in Lux-Einheiten gemessen. Physikalisch einwandfreie Lichtmessungen sind sehr umständlich und viele Methoden, die im Labor üblich sind, können daher im Gelände nicht in Betracht kommen. Dabei sind Dauermessungen im Gelände wichtiger als Momentmessungen. Die Lichtmessungen gehen auf zwei Methoden zurück: Häufig angewendet wird die photoelektrische Methode mit Selen-Photozellen. Das einfallende Licht erzeugt Strom, der an einem Mikroamperemeter abgelesen wird. Die photochemische Methode, die auf Schwärzung von schwach lichtempfind-lichem Chlor-Silberpapier beruht, ist mittlerweile fast bedeutungslos ge-worden.

Die Intensität des direkten Lichtes nimmt vom Äquator zu den Polen hin ab, in gleicher Richtung vermehrt sich aber der diffuse Anteil des Lichtes. Auch steigt mit zunehmender Höhe im Gebirge der direkte Lichtanteil an, während das diffuse Licht abnimmt. Diese allgemeinen Lichtbedingungen können aber durch lokale oder regionale Faktoren geändert werden: Eine Vermehrung des Lichtes erfolgt wie bei der Wärmestrahlung an südlich exponierten Hängen auf der Nordhalbkugel und an nördlichen Hängen auf der Südhalbkugel. Weiterhin kann eine Vermehrung vor allem durch Re-flexion auf hellen Böden bei Dünenpflanzengesellschaften, bei Schneefle-cken im Hochgebirge, über dem Wasser bei Wasser- und Ufervegetation sowie an Flussterrassen erfolgen. Die Reduktion der Solarstrahlung erfolgt wie bei der Wärmestrahlung an nördlich exponierten Hängen auf der Nordhalbkugel und an südlich exponierten Hängen auf der Südhalbkugel, wesentlich intensiver aber durch die Bewölkung. Die Bewölkung ist auf der Erde sehr unterschiedlich. Am geringsten ist sie in den Trockengebie-ten, vor allem in den Subtropen.

Page 28: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen 15

Den Einfluss der Bewölkung auf das Licht zeigen folgende Werte der Tabelle 2.1, die in 700 m Höhe auf der Schwäbischen Alb um die Mittags-zeit im Juli 1994 an verschiedenen Tagen gewonnen wurden:

Tabelle 2.1. Einfluss der Bewölkung auf das Licht

Bewölkungszustand Licht in Prozent

Wolkenlos 100

Sonne, viele helle Wolken 100-114

Keine Sonne, Wolken hell 41

Keine Sonne, Wolken dunkler 33

Sprühregen, Himmel grau 9

Niedrig hängende, dunkle Wolken 4

2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen

Wenn man sich dem System Erde-Atmosphäre-Weltraum näher befassen will, bietet es sich an, die Strahlungsbilanzen getrennt nach Solarstrah-lung, Terrestrischer Strahlung und nach Wärmeflüssen darzustellen, wie es in der Abb. 2.3 dargestellt ist. In ihrer Neubearbeitung des Lehr-buchs zu Klimatologie beschreiben Wilhelm Lauer und Jörg Bendix (2004) eindrucksvoll klar und prägnant die wesentlichen Klimaparameter in deren raum-zeitlichen Dynamik. Auf dieses lesenswerte Buch greifen wir nachfolgend einige Male zurück. Dabei sind zunächst einige Voraus-setzungen zu erfüllen, unter denen die Bilanzierung erfolgen kann:

• Die Bilanz der Solarstrahlung gilt grundsätzlich nur für die Tagseite der Erde.

• Die Bilanz der Terrestrischen Strahlung (Infrarotstrahlung) gilt für den gesamten Globus (Tag- und Nachtseite), da Wärmestrahlung auch nachts abgegeben wird.

Auf der Tagseite der Erde setzt sich die Globalstrahlung aus der direk-ten Sonneneinstrahlung (I) und der diffusen Himmelsstrahlung (D) zu-sammen. Sie bezeichnet den Wert der tatsächlich den Erdboden erreichen-den Energiezufuhr, aus der alle vitalen Prozesse ihre Ausgangsenergie beziehen. 28 Prozent der direkten Sonnenstrahlung erreichen die Erdober-fläche nur bei wolkenfreiem Himmel. Mit dem Begriff diffuse Himmels-strahlung bezeichnet man das Sonnenlicht, das an Luftmolekülen, Aerosol-

Page 29: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

16 2 Grundlagen des Klimas

teilchen oder Wolkentropfen gestreut wird und das mit einem Anteil von 23 Prozent die Erdoberfläche erreicht. 26 Prozent der Strahlung gehen als atmosphärische Reflexion in den Weltraum zurück. Weitere 4 Prozent ge-hen dem System durch die Reflexion der Landoberfläche verloren. Die ge-samte Reflexion, die als planetare Albedo (Į) bezeichnet wird, beträgt rund 30 Prozent. An der Erdoberfläche stehen aus den direkten und den diffusen Strahlungsgewinnen also insgesamt 51 Prozent der Solarstrahlung für die Umwandlung der Lichtenergie in Wärmeenergie zur Verfügung.

Abb. 2.3. Schema der Strahlungs- und Wärmebilanz für das System Erde-Atmo-sphäre-Weltraum; Erläuterungen im Text (aus Lauer u. Bendix 2004, © Wester-mann, Braunschweig)

Der Energiezufuhr durch die Solarstrahlung am Tage steht die terrestri-sche Strahlung gegenüber, die zwar auch bereits bei Tage wirkt, in ihren Auswirkungen jedoch erst in der Nacht ihre volle Entfaltung erlangt. Dabei kommt es im umgekehrten Prozess zu einer Energieabgabe der zuvor er-

Page 30: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen 17

haltenen Energiezufuhr, die folgendermaßen bilanziert werden kann: Durch die Terrestrische Ausstrahlung (A) würde eigentlich mehr Energie verloren gehen (114 Prozent), als zuvor gewonnen wurde, wenn nicht die Gegenstrahlung der Atmosphäre (93 Prozent) eine negative Gesamtstrah-lungsbilanz verhindern würde. Die Strahlungsbilanz des Gesamtsystems in Abb. 2.3 zeigt, dass sich an der Obergrenze der Atmosphäre in der Meso-pause der 1. Hauptsatz der Thermodynamik erfüllt: Es geht dem System im Jahresmittel genau so viel Energie durch terrestrische Infrarot- und re-flektierte Solarstrahlung verloren, wie es durch die Einstrahlung der Sonne gewinnt. So ist garantiert, dass sich weder Erde noch Atmosphäre kontinu-ierlich aufheizen oder abkühlen. Die Strahlungsbilanz lässt sich deshalb in dieser Gleichung darstellen:

S = (I + D) · (I – Į) - (A – G)

S = Strahlungsbilanz, I = Direkte Sonneneinstrahlung, D = Diffuse Himmelsstrah-lung, Į = planetare Albedo, A = Terrestrische Ausstrahlung, G = Atmosphärische Gegenstrahlung

Die Globalstrahlung hat direkte und diffuse Anteile und ist wegen Re-

flexion und Absorption in der Atmosphäre in mittleren geographischen Breiten im Durchschnitt nur etwa halb so intensiv wie die Strahlung, die außerhalb der Atmosphäre in Richtung Sonne gemessen wird. Die Solar-konstante beträgt nach C. Körner (2002) etwa 1400 Watt pro Quadrat-meter.

Etwa die Hälfte der Globalstrahlung entfällt auf den Bereich der sicht-baren Strahlung, was weitgehend dem Spektralanteil der photosynthe-tisch aktiven Strahlung im Wellenlängenbereich von 380 bis 710 Nanome-tern entspricht. Ein Teil der Globalstrahlung wird von den getroffenen Oberflächen reflektiert, wobei in unserem Fall gerade die Pflanzendecke einen wesentlichen Einfluss hat. Die diffuse Himmelsstrahlung dringt we-sentlich tiefer in Pflanzenbestände ein als die direkte Strahlung. Pflanzen erhöhen je nach Form und Gestalt – vor allem ihrer Blätter – den Streu-lichtanteil der diffusen Strahlung. Wir werden die Reflexion noch näher kennen lernen, aber so viel ist schon vorweg zu bemerken: Weißblättrige Wüstenpflanzen haben eine Reflexion von etwa 20 Prozent, ein dunkler Fichtenwald nur etwa 10 Prozent und frisch gefallener Schnee kann bis zu 90 Prozent reflektieren.

Unter Reflexion oder Rückstrahlung versteht man eine starke Rich-tungsänderung der Strahlung nach Auftreffen auf eine Oberfläche. Das Verhältnis reflektierter Strahlung zur einfallenden Strahlung ergibt den Reflexionskoeffizienten. In Prozent ausgedrückt wird diese Größe als Al-

Page 31: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

18 2 Grundlagen des Klimas

bedo bezeichnet. Die planetare Albedo, die wir schon aus Abb. 2.3 ken-nen, ist als das Verhältnis der aus der oberen Atmosphäre in der Mesopau-se austretenden, reflektierten kurzwelligen Strahlung zur dort einfallenden Strahlung definiert. Die Albedo verschiedener Oberflächen zeigt Tabelle 2.2. Die dort angegebenen Messgrößen variieren mit der Bodenfeuchtig-keit und dem jahreszeitlichen Gang der Vegetationsentwicklung. Auffällig ist die sehr starke Schwankung der Albedo von Wasserflächen mit dem Einfallswinkel der Strahlung. Sie beträgt wenige Prozent bei hohem Son-nenstand und bis zu 50 Prozent bei völlig ruhigem Wasser und geringer Sonnenhöhe.

Die Reflexion ist stark abhängig von der Beschaffenheit des Bodens und von der Vegetationsbedeckung. Bei hellen Kalkverwitterungsböden ist die Reflexionszahl beispielsweise sehr hoch und bei dunkelbraunen Moorbö-den vergleichsweise sehr gering. Bei letzteren wird die meiste Einstrah-lung vom Boden direkt absorbiert. Farbe, Material, Zustand und Vegetati-onsbedeckung der Böden sind also ausschlaggebend für die Reflexion.

Tabelle 2.2. Reflexion in Prozent (= Albedo) der einfallenden Strahlung im Na-turschutzgebiet Heiliges Meer, Nordrhein-Westfalen (1990-1996)

Wald 5 – 10 Prozent Wasser 5 – 75 Prozent

Heide 10 Prozent Neuschnee 75 – 90 Prozent

Sand 12 – 50 Prozent Altschnee 40 – 70 Prozent

Die hohen Albedowerte über Schneedecken und Eis bewirken dort bei-

spielsweise bei windarmem Strahlungswetter eine hohe Reflexion, die noch durch den Umstand verstärkt wird, dass Schnee, insbesondere Neu-schnee, wegen des Lufteinschlusses nur eine äußerst geringe Wärmeleitfä-higkeit besitzt. Der Boden ist in solchen Fällen oft in nur wenigen Zenti-metern Tiefe nicht mehr gefroren. Für Pflanzen und Tiere bietet eine solche Situation ausgezeichneten Kälteschutz. Wir haben in Abb. 2.3 gesehen, dass Reflexion, Ausstrahlung, Wärmeaus-tausch und Verdunstung die Gesamtausstrahlung bilden, welche vom Erdboden ausgeht wie von einer erhitzten Fläche. Ein Teil dieser Wärme-ausstrahlung, die von der Erde als ganzer ausgeht, kommt aber als Gegen-strahlung zurück, wie uns das Schema der globalen Strahlungsbilanz zeigt. Die globale Wärmebilanz würde also nicht stimmen, wenn wir ne-ben der Wärmeabgabe nicht die Gegenstrahlung berücksichtigen würden. Was ist nun die Gegenstrahlung?

Page 32: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen 19

Gegenstrahlung ist die aus der Atmosphäre emittierte und auf die Erdoberfläche treffende Wärmestrahlung. Sie ist dort ein wichtiger Be-standteil der Energiebilanz. Während die Erdoberfläche wegen ihrer Temperatur Wärme an die Atmosphäre abstrahlt (terrestrische Aus-strahlung), erhält sie von der Atmosphäre die Gegenstrahlung zuge-sandt, die einen Teil der Strahlungsverluste kompensiert.

Aus Abb. 2.3 wissen wir bereits, dass im Gegensatz zu den Lichtstrah-len die Wärmestrahlen, die von der Erdoberfläche ausgesandt werden, von der Atmosphäre, insbesondere vom Kohlendioxid (CO2) und dem Wasser-dampf zum größten Teil absorbiert werden. Nur etwa vier Prozent davon gehen zurück in den Weltraum. Die Lufthülle der Erde wirkt also auf die gleiche Weise wie ein Treibhaus. Die von der Lufthülle absorbierte Wärme kommt dabei teilweise als Gegenstrahlung der Atmosphäre wieder zur Bo-denoberfläche zurück. Die effektive Ausstrahlung ist also gleich der Dif-ferenz zwischen Gesamtausstrahlung (A) und Gegenstrahlung (G), wie es in Abb. 2.3 angegeben ist. Die Glashauswirkung wird auch als natürlicher Treibhauseffekt bezeichnet. Daran sind in der Erdatmosphäre vor allem der Wasserdampf und das CO2 mit variablen Anteilen und tageszeitlichen Schwankungen beteiligt. Ohne Atmosphäre und ohne den natürlichen Treibhauseffekt würde die Erde nur durch solare Einstrahlung abzüglich der planetaren Albedo erwärmt werden können. Die Gegenstrahlung hängt vor allen Dingen vom Dampfgehalt der Luft und dem Grad und Zustand der Bewölkung ab. Je stärker diese beiden Faktoren ausgeprägt sind, umso größer ist auch die Gegenstrahlung. Ihr Anteil an der globalen Wärmebi-lanz ist zwar im Allgemeinen gering, besonders nennenswert jedoch:

• in kontinentalen Gebieten, überhaupt in allen Trockengebieten der Erde mit wolkenlosem Himmel,

• in Hochgebirgen, denn dort nimmt die Gegenstrahlung mit zunehmen-der Meereshöhe ebenfalls ab. Die abschirmende Wirkung der Atmo-sphäre wird hier aufgrund der geringeren Luftverunreinigungen zuneh-mend kleiner.

In allen Klimagebieten der Erde ist demnach eine Abnahme der Wärme-strahlung während klarer Nächte zu verzeichnen. Große Ausstrahlung und geringe Gegenstrahlung bedingen allgemein tiefe Temperaturen am Boden sowie Taubildung am Morgen, zum Teil sogar mit Spätfrostgefahr. Gegen-strahlung verringert also normalerweise die täglichen Temperaturamplitu-den. Deshalb fördert man beispielsweise in spätfrostgefährdeten Obstan-baugebieten künstlich die Gegenstrahlung, immer wenn Gefahr droht, mit Schutzsystemen.

Page 33: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

20 2 Grundlagen des Klimas

2.5 Atmosphärische Zirkulation

Die Wärmeabgabe der Kontinente an die Atmosphäre beeinflusst vor allem die Zirkulation der Luftmassen: Wir spüren sie nahe an der Erdoberfläche als Winde aus verschiedenen Himmelsrichtungen. Ein Faktor ist es vor al-lem, der das atmosphärische Zirkulationsmuster in der Troposphäre, der bis zu zehn Kilometer Höhe aufreichenden, unteren Atmosphärenschicht, erzeugt: Die Luftmassen werden in Abhängigkeit von der geographischen Breite unterschiedlich stark erwärmt. Damit unterscheiden sie sich in Vo-lumen und Dichte und setzen sich entsprechend dieser Kontraste in Bewe-gung. Sind sie einmal in Bewegung, so werden sie durch die Coriolis-Kraft als Folge der Erdrotation abgelenkt, von der Strömungsrichtung nach rechts auf der Nordhalbkugel und nach links auf der Südhalbkugel.

Die Coriolis-Kraft ist benannt nach dem französischen Physiker Gas-pard Gustave de Coriolis (1792–1843) für die ablenkende Kraft auf Luftströmungen als Folge der Erdrotation und beschreibt die Träg-heitskraft, die scheinbar auf sich bewegende Körper wirkt. Sie lässt sich feststellen, wenn man den Körper von einer mit dem Bezugssys-tem rotierenden Stelle aus betrachtet, beispielsweise von einem festen Punkt auf der Erdoberfläche. Die Veränderung der Pendelebene des foucaultschen Pendels hat ebenfalls diesen Effekt, genau wie Wirbel-bewegungen eines Flüssigkeitsstrudels. Am Äquator kaum merklich, wächst die Wirbelströmung zu den Polen hin an und erreicht dort ihr Maximum. In der nördlichen Hemisphäre dreht sich die Bewegungs-ebene im Uhrzeigersinn und in der südlichen gegen ihn.

Letztlich aus der Wechselwirkung der Wärmestrahlung von der Sonne mit der Erdrotation ergibt sich ein komplexes Muster von Zirkulations-walzen, die Zellen genannt werden und die sich jeweils über circa 30 Brei-tengrade erstrecken (Abb. 2.4). Die mit diesem planetaren Wirbel ver-bundene Zonalzirkulation in West-Ost-Richtung ist der dominante Faktor der atmosphärischen Zirkulation. Hadley-Zellen, benannt nach dem eng-lischen Physiker und Meteorologen George Hadley (1685–1768), entste-hen beim Aufsteigen von warmer Luft im Bereich der äquatornahen „Innertropischen Konvergenz-Zone“ (ITCZ). Die Hadley-Zellen trans-portieren also erwärmte Luft vom Äquator polwärts. Bei etwa 30 Grad führt deren Abkühlung zum Absinken bei abnehmender Sättigung an Wasserdampf. Ein Teil dieser Luftmassen strömt an der Unterseite der Hadley-Zellen gegen den Äquator zurück und erzeugt so die richtungs-konstanten Passat-Winde. Den Nordost-Passat der Nordhalbkugel machte sich die europäische Segelschifffahrt auf den Wegen zur Karibik zunutze.

Page 34: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.5 Atmosphärische Zirkulation 21

Ein anderer Teil der Luftmassen wird in den mittleren Breiten von den Ferrel-Zellen übernommen und strömt an ihrer Basis polwärts. Die Ferrel-Zellen, benannt nach dem amerikanischen Meteorologen William Ferrel (1817-1891), schließen an die Hadley-Zellen polwärts an, und zwar im Bereich absteigender Luft der subtropischen Hochdruckgebiete und aufsteigender Luft in den Zyklonen mittlerer Breiten. Sie sind Motor der globalen Westwinde auf der Nord- und Südhalbkugel.

Abb. 2.4. Die großen atmosphärischen Zirkulationssysteme und Niederschlagsver-teilung in der Troposphäre: Die Rossbreiten liegen unter den absteigenden Ästen der Hadley- und Ferrel-Zellen, die relativ kalte Luft herabführen. Am Äquator liegt die Zone der variablen Flauten auf den Meeren unterhalb der Aufstiegszone erwärmter Luft und zwischen den beiden Hadley-Zellen. Die häufigen und lang anhaltenden Flauten waren bei den Seeleuten in Zeiten großer Segelschiffe ge-fürchtet (aus Bahlburg u. Breitkreuz 2004, © Elsevier, München)

Bei etwa 60 Grad treffen diese Luftmassen auf diejenigen der Polar-Zellen. Polar-Zellen besitzen die am schwächsten ausgebildete Struktur im Aufsteigen in den Tiefdruckgebieten der gemäßigten Breiten und Ab- sinken in der polaren Region. Sie sind verantwortlich für die polaren Ostwinde und das polare Hochdruckgebiet an Nord- und Südpol. Luft über den Polen kühlt ab und strömt äquatorwärts. Bei Querung des 60. Breiten-grades ist sie ausreichend erwärmt, um aufzusteigen. Diese Luftmassen sind aber immer noch dichter als diejenigen der Ferrel-Zellen, weshalb beide sich nicht leicht mischen. Dies führt zu sehr wechselhafter Witterung in den entsprechenden Breiten. Nach Aufstieg strömt der größte Teil der

Page 35: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

22 2 Grundlagen des Klimas

polaren Luftmassen erwärmt zu den Polen zurück, während die Luft der Ferrel-Zellen an ihrer Oberseite gegen den Äquator fließt. Insgesamt bil-den diese Zellen jedoch nicht in sich geschlossene Systeme: Der zwischen ihnen stattfindende Luftaustausch reicht aus, um gemeinsam mit den von den Zirkulationssystemen erzeugten oberflächennahen Meeresströmungen recht effektiv Wärme vom Äquator gegen die Pole zu transportieren. Diese globale Zirkulation ist eng mit der Verteilung des Luftdruckes auf Meeres-niveau verbunden: Während des ganzen Jahres findet man am Äquator re-lativ niedrige Luftdruckwerte. Dieser Bereich wird deshalb als Äquatoria-le Tiefdruckrinne bezeichnet. Sowohl nördlich als auch südlich des Äquators liegen in Breiten von 20 Grad bis 40 Grad in zellulärer Struktur die subtropischen Hochdruckgebiete.

In den anschließenden Mittleren Breiten bestehen ausgedehnte Gebiete mit niedrigem Luftdruck, zu denen beispielsweise das bekannte Island-Tief gehört. Auch auf der Südhalbkugel gibt es um den 60. Breitengrad ganzjährig einen Gürtel niedrigen Luftdrucks. Die Luftdruckverteilung ist hier allerdings symmetrischer als auf der Nordhalbkugel als Folge der unterschiedlichen Land-Meer-Verteilung von Nord- und Südhemisphäre. Hier bestimmt die Westwinddrift das Bild der Zirkulation: Darunter versteht man von West nach Ost gerichtete, besonders auf der Nord-halbkugel relativ unbeständige Luftbewegungen zwischen 35 Grad und 60 Grad geographischer Breite. Sie entwickeln sich zwischen den subtropi-schen Hochdruckgebieten und der subpolaren Tiefdruckrinne. Auf der Südhalbkugel ist die Westwinddrift besonders gut ausgebildet; dort werden sehr hohe Windgeschwindigkeiten mit mehr als 250 Stundenkilometern erreicht. Berühmt sind die „Roaring Forties“ („Brüllende Vierziger“), die beispielsweise im neuseeländischen Hochland von Otago die Landschaft und Vegetation prägen (Abb. 2.5).

2.6 Globale Temperaturverteilung

Für die klimatischen Bedingungen auf der Erde ist demnach nicht allein die Sonne verantwortlich: Einen wichtigen Faktor stellen neben den Win-den die Ozeane dar, welche immerhin den größten Teil der Erde bedecken. Sie dienen als riesiges Wärmereservoir und als Wärmeaustauscher. Sie geben Wärme an die kalte Atmosphäre ab oder nehmen sie von einer war-men Umgebung auf. Ihre eigene Temperatur bleibt dabei im Durchschnitt relativ konstant. Die oben skizzierten großräumigen Windsysteme treiben aber obendrein die Oberflächenschichten des Meerwassers an, indem sie einen Teil ihrer Bewegungsenergie durch Reibung auf die Oberfläche der Meere übertragen. Auf diese Weise entstehen die Wellen und Oberflächen

Page 36: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.6 Globale Temperaturverteilung 23

Abb. 2.5. Im Einflussbereich der Roaring Forties, der kontinuierlich wehenden Westwinde auf der Südhalbkugel, können im Winter viele Orkane auftreten. Diese bewirken sogar das „Wandern“ von Pflanzen in Windrichtung von zwei bis drei Millimetern pro Jahr. Solche „Girlanden“ bilden die endemische, kleinwüchsige Epacridacee Dracophyllum muscoides und das Horstgras Chionochloa oreophila (Old Man Range, Neuseeland)

strömungen der Ozeane. Diese wiederum transportieren beispielsweise im Golfstrom einen großen Teil der Wärme von den Äquatorregionen zu den hohen Breiten. Im Nordatlantik sinken auf ihrem Weg nach Norden abgekühlte und damit dichter gewordene Wassermassen ab und gehen danach in ozeanische Tiefenströmungen über (Abb. 2.6).

Solche atmosphärischen und ozeanischen Strömungsmuster waren im Verlauf der Erdgeschichte ihrerseits natürlicherweise immer stark beein-flusst von der sehr variablen jeweiligen geographischen Verteilung der Kontinente auf der Erde. Schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Erde als Himmelskörper auch von jeher bestimmten kosmischen Einflüs-sen unterworfen ist. Als Beispiel sei der Mond genannt, der neben der Sonne durch seine Anziehungskraft die Gezeiten der Meere hervorruft und kontinuierlich modifiziert. Das globale Wärmeklima ist also zonal ange-ordnet. Es erfährt jedoch groß- und kleinräumige Abwandlungen. Für die räumliche Anordnung und Verteilung der Lufttemperaturen an der Erd-

Page 37: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

24 2 Grundlagen des Klimas

Abb. 2.6. Oberflächenzirkulation in den Ozeanen (rot: warme Strömung, blau: kalte Strömung). Auffallend sind die kreisförmigen Bewegungen um die Hoch-druckgebiete im Bereich der subtropischen Zonen bei 22 bis 30 Grad nördlicher bzw. südlicher Breite. Die Bereiche der Äquatorialströmungen decken sich mit dem Gürtel der Passatwinde. Zwischen dem nördlichen und dem südlichen Äqua-torialstrom bewegen sich äquatoriale Gegenströmungen. In niederen Breiten und entlang der Westseiten der Kontinente wird der Äquatorialstrom zu den Polen hin abgelenkt. Dadurch entstehen küstenparallele Strömungen. Im Bereich der Antark-tis bewegt sich der Antarktische Zirkularstrom gegen den Uhrzeigersinn (aus Brockhaus 2002, © FA Brockhaus, Mannheim)

oberfläche gelten nach P. Hupfer u. W. Kuttler (2006) folgende vier Grundsätze: • Die mittlere Jahrestemperatur nimmt in allen Jahreszeiten mit zuneh-

mender geographischer Breite ab. Diese Abnahme ist im jeweiligen Winter stärker als im Sommer ausgeprägt.

• Unter gleicher geographischer Breite und bei gleicher Höhenlage ist die mittlere Lufttemperatur über Festlandsflächen im Sommer höher und im Winter niedriger als über Ozeanen.

• Unter gleicher geographischer Breite besteht ganzjährig außerhalb der Tropen eine thermische Begünstigung der Westküsten der Kontinente durch Advektion milder Luftmassen und durch den Einfluss von Mee-resströmungen. In den Tropen dagegen dominiert eine thermische Be-günstigung der Ostküsten vor allem durch die Oberflächenzirkulation der Ozeane (Abb. 2.6).

• Die mittlere Lufttemperatur nimmt im Allgemeinen mit zunehmender Meereshöhe ab. Eine Ausnahme bleiben die polaren und alpinen Regio-nen durch Vorherrschen von Inversionswetterlagen.

Page 38: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.6 Globale Temperaturverteilung 25

Vor allem die Meeresströmungen spielen im Klimageschehen eine wichtige Rolle. Schon die Zone der höchsten Temperaturen unserer Erde, der Wärmeäquator, deckt sich nicht mit dem mathematischen Äquator, sondern liegt etwas nördlich oder südlich davon (Abb. 2.7). Die Nordhalb-kugel ist infolge der größeren Landmassen etwas wärmer als die Südhemi-sphäre. Hier spielt der Nordatlantische Oszillationsindex eine global be-deutsame Rolle (s. Box 2.2).

Abb. 2.7. Monatstemperaturmittel (reduziert auf den Meeresspiegel) im Januar (oben) und im Juli (unten; aus Smith u. Smith 2006, © Pearson, San Francisco)

Äquatorwärts gerichtete Ströme wirken abkühlend auf die Lufttempera-tur: Das sind an den Westküsten der Kontinente auf der Südhemisphäre der

Page 39: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

26 2 Grundlagen des Klimas

Humboldt-Strom, der Benguelastrom und der Westaustralstrom. Polwärts gerichtete Ströme (z. B. Golfstrom) bringen dagegen Wasser aus wärmeren Meeren und geben ihre Wärme an die überlagernden Luftschichten ab. Der Wärmewirkung des Golfstromes verdankt zum Beispiel Irland die Erhal-tung seiner mediterranen Pflanzengesellschaften aus Arbutus unedo, Rubia

peregrina und Blechnum spicant, die das Blechno-Quercetum petraeae Br.-Bl. et R. Tx. 52 aufbauen. Ferner ermöglicht der Golfstrom den Vor-stoß atlantischer Arten bis nach Westnorwegen und zu den Färöern, wie wir es von Erica cinerea her kennen und im Kapitel 10 sehen werden.

Box 2.2. Nordatlantischer Oszillationsindex (NAOI) und Circumantarktische Meeresströmungen Der NAOI basiert auf den Druckunterschieden zwischen Islandtief und Azo-renhoch. Dieser Index ist das Maß für die Differenz zwischen diesen beiden Luftdruckgebieten. Bei positivem NAOI ist das Islandtief stark, das Azoren-hoch schwach. Dann sind die Westwinde über dem Nordatlantik und Westeu-ropa verstärkt, was im Winter zu einem Anstieg der Temperatur führt. Dann frieren der Bottnische und der Finnische Meerbusen in der Ostsee nicht mehr zu und fungieren für diese Zeit nicht mehr als abstrahlende Eisfläche mit er-höhter Albedo. Bei negativem Index wird das Wetter in Europa von konti-nentalen kalten Luftmassen geprägt. Im ersteren Fall gibt es in Europa kühl-feuchte Witterungsphasen im Winter, wie zuletzt 2006/2007, im letzteren Fall gibt es eisig-kalte Wintertage, wie im Winter 2004/2005. Die Ozeanströmungen spielen eine zentrale Rolle im Klimasystem der Erde; sie transportieren Wärme, Kohlenstoff und Nährstoffe rund um den Globus und regulieren auch deren Vorräte in den Tiefen der Ozeane. Vermischungen von Kalt- und Warmwasser in circumantarktischen Meeresströmungen spie-len eine Schlüsselrolle in diesem Prozess der globalen Zirkulation.

Die globale Verteilung der bodennahen Lufttemperatur auf dem Zwei-meter-Niveau, welche die oben genannten Gesetzmäßigkeiten widerspie-gelt, zeigt die Abb. 2.7. Generell kann man festhalten: Die flächenhafte Darstellung der Wärmebedingungen der Erde geschieht durch Karten, in denen Isothermen verzeichnet sind. Hierbei handelt es sich um Linien, welche Orte gleicher Temperatur miteinander verbinden. Das Verfahren solcher Darstellungen wurde zuerst von Alexander v. Humboldt (1814) an-gewendet, als die ersten klimatischen Mittelwerte verschiedener Orte be-kannt wurden. Die Äquidistanz solcher Linien hängt von der gewünschten oder möglichen Detaillierung ab. Das Temperaturgefälle, das heißt der ho-rizontale Temperaturgradient, ergibt verschieden enge Scharungen der Iso-thermen auf der Karte, deren Zuverlässigkeit mit der Dichte des Klimasta-tionsnetzes wechseln kann. Heute besitzen wir global ein solides Daten-

Page 40: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.6 Globale Temperaturverteilung 27

netz. Die Linie, welche die höchsten Monats- oder Jahresmittelwerte auf den einzelnen Längenkreisen verbindet, ist eine Isotherme der höchsten Temperatur (Abb. 2.7). Beiderseits dieser Maximumlinie fallen die Tem-peraturen ab. Diese Maximumlinie ist deswegen eine Scheitellinie. Sie hat man früher als „Wärmescheitel der Erde“ oder „thermischen Scheitel“ im Sinne von Joachim Blüthgen (1966) bezeichnet; heute wird sie thermi-scher Äquator genannt.

Die mittlere Lufttemperatur im langjährigen Beobachtungszeitraum nimmt also von den Niederen Breiten gegen die Polargebiete ab. Deutlich erkennt man in Abb. 2.7 das gradientenarme tropische Wärmeplateau zwi-schen den Wendekreisen, das stärkere Gefälle in den Mittleren Breiten zwischen 40 und 70 Grad auf der Nordhalbkugel und zwischen 55 und 80 Grad auf der Südhalbkugel. Die engere Scharung der Isothermen auf der Südhalbkugel zeigt einen hohen Temperaturgradienten vom Äquator zum Pol und damit eine thermische Benachteiligung der Südhemisphäre gegen-über der Nordhemisphäre. Der thermische Äquator, diese Scheitellinie wärmster Temperaturen auf der Erde, verläuft im Mittel zwischen 10 Grad Nord und schwankt im Extremfall zwischen 20 Grad Nord (Mittelamerika, Südasien, abgeschwächt auch Nordafrika) und etwa 5 Grad Süd (Südame-rika, Indonesien). Die Ursachen für diese Asymmetrie liegen in der Tatsa-che begründet, dass die Nordhalbkugel im Sommer infolge der größeren Kontinentalmassen im Durchschnitt der Breitenkreise eine stärkere Er-wärmung erfährt (Landhalbkugel) als die Südhemisphäre mit ihren größe-ren Meeresanteilen (Wasserhalbkugel). Außerdem ist die antarktische Pol-kappe von einem riesigen Eisschild bedeckt. Sie besitzt ein hohes Rückstrahlvermögen und ist damit mit Jahresmitteln unter minus 30 Grad Celsius der Kältepol der Erde bei der antarktischen Station Wostok, wo man im Juli 1993 den bisherigen Rekord von minus 91,5 Grad Celsius festgestellt hat, wohingegen die Minima der arktischen meereisbedeckten Polkappe kaum unter minus 20 Grad Celsius liegen. Die minimale Durch-schnittstemperatur beträgt an der Station Wostok immerhin minus 58,2 Grad Celsius.

Ob auch der sechs Tage längere Nordsommer (Aphel-Stand der Sonne) eine Wirkung auf das Temperaturgeschehen hat, steht dahin, doch kann der sechs Tage längere Nordsommer nicht durch die Sonnennähe des Süd-sommers kompensiert werden. Die wärmsten Gebiete der Erde sind in den randtropischen Trockenräumen der Festländer in Nord-Mexiko, der Saha-ra, Nord-Indien, Nord-Australien, abgeschwächt auch im südlichen Zent-ralafrika und im Innern Südamerikas lokalisiert.

Dem negativen „thermischen Ostküsteneffekt“ der Mittleren und Ho-hen Breiten durch ablandige Ostwinde der passatischen Trockengürtel steht in den Niedrigen Breiten ein in mancher Hinsicht ähnlicher „kalter

Page 41: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

28 2 Grundlagen des Klimas

Westküsteneffekt“ gegenüber: Diese bedingen im Verein mit antarkti-schen, kalten äquatorwärts gerichteten Meeresströmungen, wie den Ben-guela- und den Humboldtstrom, kalte, allerdings nur aus 200 bis 300 Me-tern Tiefe aufquellende Auftriebswässer, die zu kräftiger Abkühlung und Nebelbildung in den darüber streichenden warmen Luftmassen führen (Abb. 2.6).

Die Januarisothermenkarte (Abb. 2.7) zeigt über den Nordkontinen-ten einen grundlegenden Unterschied des Isothermenbildes gegenüber Juli: Eine starke winterliche Abkühlung über Nordamerika und über Nordasien erzeugt hier sogar einen sekundären Kältepol der Erde bei Oimjakon in Si-birien, wo im Februar 1964 die Temperatur von minus 71,1 Grad Celsius gemessen wurde. Hier gibt es noch menschliche Siedlungen und Lärchen-taiga aus Larix dahurica über Permafrostboden. Zwischen den Kältezent-ren der Nordhemisphäre buchten sich die Isothermen über den mildtempe-rierten nordatlantischen Gewässern stark polwärts aus, so dass die 0-Grad- und die minus 1-Grad-Januarisothermen an der Küste von Mittelnorwe-gen ihre am engsten benachbarte Lage auf der Erde überhaupt erreicht, und zwar auf der gleichen Breite, auf der in Nordsibirien der nordhemisphäri-sche Kältepol liegt.

Die Juliisothermenkarte der Abb. 2.7 zeigt ein vergleichsweise gerin-ges Temperaturgefälle in allen Teilen der Erde. Der breitenparallele Iso-thermenverlauf herrscht vor, und Maxima mit Monatsmitteln von über 30 Grad Celsius werden nur auf der Nordhalbkugel erreicht. Über den Nord-kontinenten verlaufen die Isothermen annähernd zonal, lediglich die Eis-kappe Grönlands bildet ein eigenständiges Kältezentrum. Bemerkenswert ist auch das über Nordostasien zu beobachtende starke Zurückspringen der Isothermen nach Süden unter dem Einfluss des kalten Meeresstromes von Oyashio um die Kamtschatka-Halbinsel und über die Beringstraße bis auf die Aleuten (Abb. 2.6 u. 2.7).

Auf der Südhemisphäre macht sich der dort um diese Zeit herrschende Winter bemerkbar, da die Landmassen hier bereits in so niedrigen Breiten enden, dass es auf ihnen noch nicht zu größerer Abkühlung kommen kann. Die bis 55 Grad Süd reichende Spitze Südamerikas ist wiederum so schmal und daher so maritim getönt, dass nahezu ungestört zonal verlaufende Iso-thermen sich nur um null bis plus 4 Grad Celsius von denen des antarkti-schen Schelfmeeres unterscheiden. Eine Besonderheit stellt in thermischer Sicht der antarktische Kontinent im Juli dar: Seine Höhe mit Gebirgen von vier- bis fünftausend Metern und seine kilometermächtige Eisbedeckung mit den extrem tiefen Temperaturen bedingen, dass sich zu allen Jahreszei-ten hier der Kältepol der Erde befindet. Der Vergleich zwischen den bei-den Hemisphären unseres Globus offenbart die thermische Ungleichheit, welche durch den wärmeabhängigen Luftdruck zum Ausdruck kommt.

Page 42: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.7 Temperaturparameter 29

Dass dieser Effekt nicht noch deutlicher hervortritt, liegt daran, dass die bodennahen Wärmebedingungen nur einen Teil des Energiehaushaltes ausmachen. Die schon genannte Albedo allein wirkt hier schon modifizie-rend; deshalb ist die globale nordwinterliche Temperaturverteilung, genau gesagt der Anteil von Gebieten mit Schnee- und Eisbedeckung auf der Er-de, auf den großen Landmassen der Nordhalbkugel wichtiger und für die Asymmetrie beider Erdhälften entscheidender als die nordsommerliche Si-tuation. Ein Vergleich der polaren Januar- und Juliwerte beider Hemisphä-ren verdeutlicht das (Tabelle 2.3).

Tabelle 2.3. Gegenüberstellung von Frosttemperaturdaten für Januar und Juli am Nord- und Südpol (nach Hann-Süring 1951 und Gentilli 1958)

Nordpol Südpol

Januar – 41 °C – 13,5 °C

Juli – 1 °C – 48 °C

Da die negativen Wintertemperaturen auf der Nordhalbkugel am weites-ten und einseitig äquatorwärts ausgreifen, beeinflussen sie die Thermody-namik des Westwindgürtels ungleich stärker als auf der Südhalbkugel, wo sich lediglich der Eisgürtel des antarktischen winterlichen Schelfmeeres auswirken kann.

2.7 Temperaturparameter

Der enge Zusammenhang zwischen Temperatur und Strahlung wird im Mikroklima genauso deutlich wie im Großklima. Orte hoher Einstrahlung sind warm oder heiß, Orte geringer Einstrahlung kühl oder kalt. Ausnah-men von solchen Koinzidenzen hoher Strahlung und hoher Temperaturen stellen nicht nur die Hochgebirge mit ihren eigenen Klimaten dar, die wir im Kapitel 3 noch näher kennen lernen werden, sondern hohe Boden-, Luft- und Wassertemperaturen entstehen auch in Zusammenhang mit vul-kanischen Erscheinungen. Geothermie, Erdwärme und Überhitzung von Pflanzenstandorten sind auch hier stets die Folge von großem Zustrom ab-sorbierbarer Energie und gleichzeitig unzureichender Wärmeabfuhr. Die heißesten von Lebewesen bewohnten Stellen auf der Erde sind Geysire, in denen das Wasser mit 92 bis 95 Grad Celsius zutage treten kann (Abb. 2.8). Wir werden dieses Thema nachfolgend noch näher behandeln.

In den vergangenen Kapiteln haben wir hinsichtlich der positiven Strah-lungsbilanzen gesehen, dass Pflanzen erhebliche Energieüberschüsse er-

Page 43: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

30 2 Grundlagen des Klimas

halten können. Da von dieser Energie in der Regel nur etwa ein Prozent in der Photosynthese verbraucht wird, würden sich Pflanzen rasch erwärmen und binnen kurzer Zeit eines Hitzetodes sterben, wenn sie nicht Möglich-keiten hätten, diese Energie wieder abzuleiten. Eine Möglichkeit dazu liegt in der Transpiration, der Verdunstung über das pflanzliche Gewebe. Eine weitere ist die Konvektion. Darunter verstehen wir die Fortleitung von Wärme in einem bewegten Medium.

Emittierte Wärmestrahlung plus Verdampfungswärme der Transpi-ration plus Konvektion sind die Parameter der von der Vegetation ab-gegebenen Energie in Relation zur absorbierten Global- und Wärme-strahlung. Das Verhältnis von aufgenommener zu abgegebener Energie bestimmt die Energiebilanz.

Im Gegensatz zur Strahlungsbilanz muss die Energiebilanz eines Vege-tationsbestandes ausgeglichen sein, da sonst die Pflanzen Schaden er-leiden. Die überschüssige Energie der Nettostrahlung (Abb. 2.3) wird in der bodennahen Luftschicht und in der Vegetationsdecke also durch Ener-gieverluste mit unterschiedlichen Anteilen von Transpiration und Konvek-tion ausgeglichen.

Abb. 2.8. Der Prince of Wales Geysir in Rotorua auf der Nordinsel Neuseelands gehört zu den aktivsten Eruptoren der Erde. Schwefelbakterien und Grünalgen können sich in der Nähe des heißen Wassers ansiedeln und führen zu einem inten-siven Färbungsmuster auf den umgebenden Felsen

Page 44: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.8 Niederschlagsverteilung 31

2.8 Niederschlagsverteilung

Hinsichtlich der globalen Jahresniederschlagsverteilung differenziert man allgemein drei Haupttypen: den konvektiven, den frontalen und den oro-graphischen Niederschlag. Überall auf der Erde nehmen die Jahresnie-derschläge vom Äquator zu den Polen hin ab, wie Abb. 2.9 deutlich zeigt. Das liegt vor allem daran, dass warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann als kalte Luft. Diese Abnahme vom Äquator zu den Polen wird allerdings durch die ungleiche Land-Meer-Verteilung von Nord- und Süd-hemisphäre, durch Gebirge, durch das Geländerelief und die Höhenlage eines Gebietes generell vielfach modifiziert.

Box 2.3. Transpiration und Konvektion Um bei 25 °C ein Mol Wasser von der flüssigen in die Dampfphase zu über-führen, werden 44 Kilojoule (kJ) benötigt. Der Energieverbrauch für die Transpiration berechnet sich aus dem Produkt der Verdampfungswärme des Wassers und der Wassermenge der Transpiration. Für eine Transpirationsrate von 1 Millimol pro Quadratmeter pro Fläche (m-2 · s-1) ergibt sich demnach:

Energieverbrauch = 44 kJ · mol-1 1 mmol · m-2 · s-1 = 44 J · s-1 · m-2 = 44 Watt · m-2

Bei einer mittleren Transpirationsrate von 4 mmol · m-2 · s-1 für einen Vege-tationsbestand in der temperaten Zone Europas würden dabei 176 W · m-2 durch die Transpiration kompensiert werden, und das wäre etwa bereits die Hälfte der überschüssigen Strahlungsenergie. Über die Transpiration besteht also die Möglichkeit, überschüssige Energie zu kompensieren. Bei der Konvektion sieht das so aus: Wenn ein Blatt mit der Temperatur T1 von Luft der Temperatur T2 überströmt wird, dann wird für den Fall, dass T1 größer als T2 ist (T1 > T2) Wärme vom Blatt abgeführt. Diese Wärmeabfuhr ist umso größer, je größer die Temperaturdifferenz von Blatt und zugeführter Luft ist. Hier spielt auch die Geschwindigkeit der vorbei geführten Luft eine Rolle: Der über ein Blatt streichende Wind wird durch Wärmeaufnahme punktuell erhitzt, d. h. der T-Wert wird immer kleiner. Wärmeübertrag durch Konvektion erfolgt also nach folgender Formel:

Jkonv. = K1 · v0,5 · B-0,5 (TBlatt – TLuft)

J = Transpirationsrate einer Pflanze, K1 = ein Viertel der thermischen Leitfä-higkeit der Luft, V = die Windgeschwindigkeit (m-2 · s-1), B = Blattbreite in Meter, TBlatt – TLuft) die Temperaturdifferenz zwischen Blatt und Luft.

Dadurch lassen sich auffällige Niederschlagsgürtel und Trockenzonen auf der Erde differenzieren. Diese sind:

Page 45: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

32 2 Grundlagen des Klimas

Abb. 2.9. Weltweiter Jahresniederschlag. Die feuchtesten und die trockensten Ge-biete stehen immer im Zusammenhang mit Gebirgen, Meeresströmungen und Winden (aus Smith u. Smith 2006, verändert; © Pearson, San Francisco)

• der Äquatoriale, tropische Regengürtel mit überwiegend starker Be-wölkung und Niederschlagssummen von mehr als 2 000 Millimeter, stellenweise sogar über 3 000 Millimeter pro Jahr,

• die eigentlichen Passatgebiete, welche sich an den tropischen Regen-gürtel beidseits anschließen und wo Bewölkung und Niederschläge deutlich abnehmen und weitgehend Niederschlagsarmut vorherrscht,

• der subtropische Trockengürtel als regenarmer Bereich der subtropi-schen Trockengebiete im Bereich der abwärts gerichteten Luftströmun-gen der ITCZ, wo oft große Trockenheit bei wolkenlosem Himmel herrscht,

• die sich polwärts daran anschließenden Bereiche der Außertropischen Westwinde zwischen den subtropischen Hochdruckzellen und den Po-larregionen mit ausgeprägter Zyklonenaktivität, wo es oft zu starker Wolkenbildung mit entsprechend reichlichen Niederschlägen kommt,

• schließlich die Polargebiete, welche mit Niederschlägen von häufig weniger als 100 Millimetern vergleichsweise trocken sind.

Es ist auffällig, dass die Niederschlagsverteilung der Erde nicht absolut parallel zu den Breitenkreisen erfolgt, sondern dass bis auf wenige Aus-nahmen die Niederschlagshöhen auf gleicher Breite in der Nähe der Ozea-ne deutlich höher ausfallen als über dem Inneren der Landmassen. Dazu

Page 46: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.9 Wind 33

kommt der Einfluss des Reliefs in den Gebirgen, die als Hindernis für die Luftströmungen wirken, sichtbar vor allem in Nord- und Südamerika als Effekt der Nord-Süd streichenden Rocky Mountains und der Anden. Auch die Land-Meer-Verteilung und die Ausgestaltung der Küsten sind bestim-mende Faktoren für die Niederschlagsverteilung.

An manchen Orten finden sich deshalb Niederschlagsmengen, die weit über den allgemeinen Durchschnittswerten liegen und Rekordwerte erzie-len. Dies ist meistens auf die Summenwirkung gleich mehrerer nieder-schlagsverstärkender Faktoren zurückzuführen. So hält beispielsweise der Ort Cherrapunji am Khasia-Gebirge in Nordindien den Niederschlagsre-kord, wo zwischen August 1860 und Juli 1861 innerhalb von nur 12 Mona-ten insgesamt 26 461 Millimeter Regen niedergingen. Hierbei handelt es sich zwar um extreme Ausnahmewerte, aber auch in langfristigen Messun-gen gewonnene Werte können beträchtlich sein. So fällt an der Messstation Mt. Waialeale auf der hawaiianischen Insel Kauai, weltweit betrachtet, der meiste Niederschlag. Dort hat man im langjährigen Mittel 12 344 Millime-ter Regen pro Jahr zu erwarten. Dem steht die Region Iquique an der peru-anischen Küste in der Wüste Atacama gegenüber, wo man mit einer mittle-ren Jahressumme von kaum mehr als einem Millimeter zu rechnen braucht.

Je nach Jahresgang des Niederschlags und nach Niederschlagsmengen differenziert man verschiedene niederschlagsbezogene Klimatypen: Im humiden Klima sind die Niederschläge meist gleichmäßig über das Jahr verteilt. Dabei übersteigen die Niederschlagswerte diejenigen der poten-ziellen Verdunstung; es gibt also mehr Wasser, als verdunsten kann, und damit kommt es zu einem Wasserüberschuss, was sich im Allgemeinen durch oberflächlichen Abfluss in Fließgewässern zeigt. Dem steht das ari-de Klima gegenüber, wo die jährlichen Niederschlagssummen nicht aus-reichen, die Wasserverluste, die durch die Evapotranspiration entstehen, auszugleichen. In solchen Gebieten tritt gewöhnlich Trockenstress auf, dem sich Pflanzen und Tiere anpassen müssen.

2.9 Wind

Am Zustandekommen von Wind sind mehrere Faktoren beteiligt. Das horizontale globale Druckgefälle ist natürlich der wichtigste Motor für ho-rizontale Luftströmungen (Abb. 2.4). Dieses Gefälle ist im Grunde ge-nommen nur durch die Erwärmungsunterschiede zwischen Äquator und Polkappen primär bedingt. Auch eng begrenzte thermische Gegensätze wirken über ihre Druckdifferenzen auf die Luftbewegung ein. Der Auftrieb bei Lufterwärmung und demzufolge Anhebung mit Luftmassenabfluss in der Höhe sowie das Absinken der Luft bei Abkühlung und Schrumpfung

Page 47: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

34 2 Grundlagen des Klimas

sind Vorgänge, die lokale Druckunterschiede hervorrufen und damit auch vertikale Ausgleichsströmungen hervorrufen. Die vertikalen Luftströ-mungen als Auf- und Abwärtsströmungen von Luftmassen sind oft nur von lokaler oder regionaler Bedeutung. Wir kennen sie als Hangwinde oder Fallwinde, als Berg- oder Talwinde. Ein bekanntes Phänomen von Gebirgsüberströmungen sind die Bora und der Föhn. Unter Föhn (lat. fa-

vonius, lauer Westwind) versteht man einen nach einer Überquerung eines Gebirgskamms auftretenden warmen, trockenen, böigen Wind. Ihn gibt es in fast allen Gebirgen der Erde. Der Föhn ist eine Luftmasse, die an Ge-birgshindernissen zum Auf- und Absteigen gezwungen wird. Die feucht-adiabatische Abkühlung während des Luftaufstiegs führt zu einer sehr ef-fektiven Ausregnung (Abb. 2.10).

Beim Abstieg findet eine größtenteils trockenadiabatische Erwär-mung der Luft um bis zu 25 Grad Celsius statt, wobei die relative Luft-feuchte extrem absinkt. Der Begriff der adiabatischen Zustandsände-rung steht für die Temperaturänderung feuchter aufsteigender und trocken absteigender Luftmassen, die ohne den Einfluss von Kondensations- und Verdampfungsvorgängen mit einem Gradienten von 0,52 Grad Celsius (feuchtadiabatisch) und ungefähr 1 Grad Celsius pro hundert Meter (tro-ckenadiabatischer Temperaturgradient) abläuft.

Abb. 2.10. Föhn-Effekt. Die Luft wird an Gebirgen zum Aufsteigen gezwungen, kühlt ab und verliert dabei auf der Luv-Seite ihre Feuchtigkeit. Beim Abstieg auf der Lee-Seite erwärmt sich die trockene Luft wieder (aus H. Gebhardt et al. 2007 © Elsevier, München)

Föhn kommt in den mitteleuropäischen Alpen an etwa 50 Tagen im Jahr vor, vornehmlich im Frühjahr und im Herbst. Auch auf hohen Inseln und an Gebirgen im subtropischen und tropischen Passatklima beobachten wir häufig solche Fallwinde: Auf den Kanarischen Inseln beispielsweise, deren Gebirgskämme nicht über die thermische Inversionsschicht der oberen Passatwolken hinaus ragen, werden die Wolkenbänke des Nordostpassates über die Gipfel gedrückt (Abb. 2.11).

Page 48: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.9 Wind 35

Abb. 2.11. Föhnmauer auf der Kanareninsel La Palma: Die Wolken fließen oft wasserfallartig über die Felsgrate, hinter denen sie sich rasch auflösen und die Stadt Los Llanos nicht mehr erreichen

Abb. 2.12. Wie ein Blick von der Heidelberger Hütte ins zentralalpine Fimbertal zeigt, kommt es bei Föhnwetterlagen an der Inversionsschicht zur Wolkenbildung, die deutlich die Grenze zwischen Kalt- und Warmluft anzeigt

Page 49: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

36 2 Grundlagen des Klimas

Box 2.4. Bora, Mistral und Tramontana - Beispiele für kalte Fallwinde Während Föhn-Winde zu charakteristischen Temperaturanstiegen im Lee der Gebirge führen, verursacht die Bora (griech. boreas, Nordwind) eine deutli-che Temperaturabnahme. Die dalmatinische Bora wird deshalb als Prototyp für kalte Fallwinde angesehen. Die Bora bildet sich insbesondere im Winter über der Landmasse des Balkans, wenn kalte Luft aus der ungarischen Tief-ebene zur Adria transportiert wird. Dann weht ein kräftiger, kalter Wind, oft in Sturmstärke, über die Adria. Bora-Ereignisse führen meist zu Kälteeinbrü-chen am überwiegend warmen Adriatischen Meer, so dass die immergrüne mediterrane Vegetation des Zonobioms IV (vgl. Kap. 3) sich hier nur in windgeschützten Lagen voll entwickeln kann. Verwandt mit der Bora ist der kalte oder kühle Mistral Südfrankreichs. Bei tiefem Luftdruck über dem Golfe du Lion strömt atlantisch-mitteleuropäische Luft marinen Charakters durch die Leitfurche des Rhonetals mittelmeerwärts. Soweit sie vom Massif Central hinabfällt, hat sie vor allem im Winter so niedrige Ausgangstemperaturen, dass die adiabatische Erwärmung am Abfall der Cevennen nicht ausreicht, um ihre kalte Wirkung zu mildern. Auch der Mistral ist böig und erreicht Sturmstärken. Da er das ganze Jahr über wehen, aber vor allem im Winter und Frühling sich mächtig in seiner Wirkung bis nach Korsika und Sardinien erstrecken kann, bildet er einen bedeutenden Klimafaktor für die Provence und die Hochgebirge dieser großen Mittelmeer-inseln. Bezeichnend ist auch hier, dass mediterran-immergrüne Vegetation erst dort auftritt, wo hohe Bergzüge schützend bis an die Küste heranreichen, wie an der Côte d’Azur und im Windschatten des Monte Cinto auf Korsika oder der Supramonte di Olieri auf Sardinien. Von 705 bekannten mediterra-nen Arten verbleiben im unteren Rhonetal bei Arles im Einflussbereich des Mistral etwa nur noch 500 Arten. Der Mistral wirkt hier also auslesend. Um-gekehrt finden wir in Föhngebieten am Alpennordrand und am Bodensee manchmal noch submediterrane immergrüne Arten, wie Buxus sempervirens und Ruscus aculeatus. Dem Mistral genetisch verwandt sind die als Tramon-tana bekannten Winde der Ligurischen Küste und der Balearen.

Nachdem diese bereits beim Aufsteigen an der Luvseite einen Teil ihrer

Feuchtigkeit durch Kondensation verloren haben, sinken Luftmassen nach Überquerung eines Gebirgskammes wieder ab und erwärmen sich trocken-adiabatisch mit zusätzlicher Sonneneinstrahlung. Erwärmung und Absin-ken des Luftdrucks führen dazu, dass die relative wie auch die absolute Luftfeuchte zunächst feuchtadiabatisch abnehmen und sich die typische Staubewölkung als Luv-Wolke oder Föhn-Wolke entlang einer verhält-nismäßig stabilen Grenze auflöst, wie es uns das Foto in Abb. 2.11 ein-drucksvoll und deutlich zeigt. Da solche Föhnwinde nach Überquerung des Gebirgskammes ihre Feuchtigkeit verloren haben, tragen sie örtlich zum

Page 50: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.9 Wind 37

Austrocknen des Bodens bei und erhöhen somit die Evapotranspiration. Oft gleitet der Föhn auf die in den Tälern der Lee-Seite liegende lokale Kaltluft auf, so dass sich eine scharfe Temperaturinversion mit typisch sichtbarer Dunstgrenze und erhöhter bodennaher Temperatur ergibt (Abb. 2.12).Wichtiger für größere Areale sind die horizontalen Luftströmungen, die durch die thermischen Unterschiede im Luftdruck bedingt sind.

Die Entstehung der Winde hängt mit den unterschiedlichen Luftdruck-verhältnissen auf der Erdoberfläche zusammen. Die Luftmassen bewe-gen sich von Gebieten hohen Druckes in Gebiete niederen Druckes, und diese Bewegung der Luftmassen bezeichnen wir als Wind.

Die Geschwindigkeiten, die Winde erreichen können, sind zuweilen sehr beträchtlich. Sie steigen im Allgemeinen mit zunehmender Höhe über dem Boden. Nach G. Hellmann (1904, 1918 u. 1923) betrug zum Beispiel die mittlere Jahresgeschwindigkeit des Windes auf einem offenen Feld bei Nauen:

in 2 Meter Höhe = 3,29 Meter pro Sekunde in 16 Meter Höhe = 4,86 Meter pro Sekunde in 32 Meter Höhe = 5,54 Meter pro Sekunde

Unterhalb von 2 Meter sinkt die Windgeschwindigkeit noch weiter ab. In Bodennähe ist sie in vielen Fällen durch die stark bremsende Wirkung der Vegetation sehr gering. Wind nimmt also allgemein mit steigender Höhe zu (Tabelle 2.4).

Box 2.5. Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Windstärke Die Windrichtung wird durch eine Himmelsrichtung, im Wetterdienst nach einer 360-Grad-Skala mit Ost (E) = 90 Grad, Süd (S) = 180 Grad, West (W) = 270 Grad und Nord (N) = 360 Grad angegeben. Die Windgeschwindigkeit wird mit unterschiedlichen Maßeinheiten erfasst, zum Beispiel in Meter pro Sekunde, Kilometer pro Stunde oder Knoten. Ein Knoten entspricht 1,852 Kilometer pro Stunde. Windrichtung und Windgeschwindigkeit unterliegen starken turbulenten Schwankungen. Daher benutzt man in der Regel die über 10 Minuten gemittelte und als Windwert definierte Größe. Für Windangaben sind stets die Daten der Messhöhe erforderlich; für den Bodenwind gelten als Anemometerhöhe 10 bis 15 Meter über ebenem, hindernisfreiem Gelände. Zur Angabe der Windstärke wird vor allem die Beaufort-Skala (Bf) nach F. Beaufort (1774-1867) benutzt (Tabelle 2.4).

In windexponierten Gebieten nehmen die Windgeschwindigkeiten be-trächtlich zu. Die windgepeitschten Küsten Südirlands verzeichnen eine durchschnittliche Jahresgeschwindigkeit von 7,4 Meter pro Sekunde, der

Page 51: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

38 2 Grundlagen des Klimas

Tabelle 2.4. Windstärkeskala nach Beaufort (aus Hupfer u. Kuttler 2006)

Windgeschwindigkeit Wind-stärke in Bf

Bezeichnung Auswirkungen des Windes

m s-1 km h-1

0 Stille Rauch steigt gerade empor 0,0-0,2 < 1

1 Leiser Zug Wind durch Zug des Rau-ches angezeigt

0,3-1,5 1-5

2 Leichte Brise Windfahne bewegt sich 1,6-3,3 6-11

3 Schwache Brise Blätter und dünne Zweige bewegt, Wimpel streckt sich

3,4-5,4 12-19

4 Mäßige Brise Hebt Staub und loses Pa-pier, bewegt Zweige und dünnere Äste

5,5-7,9 20-28

5 Frische Brise Kleine Laubbäume schwanken, Schaumköpfe auf Seen

8,0-10,7 29-38

6 Starker Wind Starke Äste in Bewegung 10,8-13,8 39-49

7 Steifer Wind Bäume in Bewegung 13,9-17,1 50-61

8 Stürmischer Wind

Zweige werden abgerissen 17,2-20,7 62-74

9 Sturm Kleinere Schäden an Häu-sern

20,8-24,4 75-88

10 Schwerer Sturm Bäume entwurzelt 24,5-28,4 89-102

11 Orkanartiger Sturm

Starke Schäden 28,5-32,6 103-117

12 Orkan Verwüstende Wirkungen > 32,6 > 117

Säntisgipfel 7,7 Meter pro Sekunde und der freistehende Mount Washing-ton sogar 15 Meter pro Sekunde. Von furchtbarer Gewalt sind die Extre-me. Am Säntisgipfel zeigte der Windmesser nach Angaben von J. Braun-Blanquet (1964) am 27. Januar 1890 eine Windgeschwindigkeit von 46,1 Meter pro Sekunde an, das entspricht mehr als 165 Stundenkilometern. Solche Windstärken sind imstande, ganze Baumbestände zu entwurzeln oder zu knicken. Sogar Steinplatten können dabei in die Luft gewirbelt werden. Am meisten gefürchtet sind die Wirbelwinde, Tornados und die

Page 52: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.9 Wind 39

Orkane. Der Orkan Kyrill im Januar 2007 erreichte beispielsweise Wind-geschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern in den Kammlagen der deutschen Mittelgebirge und führte dort zu großflächigen Windwürfen, vor allem in Nadelholzforsten und Altholzbeständen.

Auch wenn Stürme und Hurrikane erhebliche Schäden hervorrufen, so sind sie auf der anderen Seite auch gestaltende Kräfte, welche neuen Le-bensraum verfügbar machen können. Viele anemochore Pflanzen haben sich in ihren Ausbreitungsmechanismen an den Wind angepasst. Wir kommen darauf zurück. Die globalen Windsysteme bewirken beispiels-weise die Verbreitung von Pollen, Mikroorganismen, Sporen und Samen über weite Strecken.

Die physikalischen Kräfte der Winde bewirken nicht nur die Ausbildung von Küsten- und Binnenlandsdünen, sondern auch spezifische Wuchsfor-men nach Windschur an Gehölzen an Standorten in Starkwindgebieten, vor allem an Küsten und in Gebirgen (Abb. 2.13). Hier wird der Wind oft-mals zum entscheidenden vegetationsgestaltenden Faktor.

Abb. 2.13. An der Küste der Neuseeländischen Südinsel bei Haast werden die be-rühmten Wälder der Tieflagen aus Dacrycarpus dacryoides, Dacrydium cupressi-

num und Weinmannia racemosa durch die Starkwinde aus der Tasman-See ge-schoren; die Verzweigungsmodi der Kurztriebe verleihen der Vegetation eine teppichartige Oberflächenstruktur

Der Wind beeinflusst vor allem die Transpiration der Pflanzen: Er bringt ständig neue ungesättigte Luft an verdunstende Oberflächen der pflanzli-

Page 53: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

40 2 Grundlagen des Klimas

chen Organe. Der Grenzschichtwiderstand an der Oberfläche der Pflanze, der die Austauschgeschwindigkeit von Gasmolekülen steuert, ist bei Windstille für großflächige Blätter beispielsweise dreimal so hoch wie für kleine, nadelförmige Blätter. Diese Unterschiede gleichen sich mit zuneh-mender Windstärke aus. In geschlossenen Pflanzenbeständen, dichten Baumkronen, in Horst- und Polsterpflanzen ist der Wind weitgehend abge-schwächt und die Transpiration herabgesetzt. Der physiologisch austrock-nend wirkende Wind ist besonders gravierend, wenn die Wasserversor-gung der Pflanzen nur unzureichend ist oder der Wassernachschub bei gefrorenem Boden unterbrochen wird. Dann vertrocknen die jungen Trie-be, und es kommt zur Welke bis hin zu letaler Wirkung. Gerade in den Gebirgen ist diese physiologisch austrocknende Windwirkung an den Baumgrenzen deutlich sichtbar. Sie wird meistens von der mechanischen Windwirkung begleitet.

Abb. 2.14. Im Starkwindgebiet rund um den Beagle-Kanal an der Südspitze Feu-erlands kann man auf extrem windgeschorene Individuen von Nothofagus betuloi-

des treffen, die den mechanischen Einfluss von Wind eindrücklich bezeugen

Windschur und Windschliff sind die Folge mechanischer Windeinwir-kung, wobei vor allem die jungen Triebe und Knospen von Gehölzen und Polsterpflanzen auf der dem Wind zugewandten Seite geschädigt werden und auf der vom Wind abgewandten Seite zum Ausgleich oft eine gestei-gerte Entwicklung einhergeht, so dass jene eigenartige Fahnenformen an Bäumen und Sträuchern entstehen, die für windreiche Gegenden charakte-

Page 54: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

2.10 Literatur 41

ristisch sind (Abb. 2.14). Die Hauptwindrichtung lässt sich hier leicht an der Vegetation ablesen. Vom Wind mitgeführte Sand-, Salz- oder Schnee-kristalle verschärfen als Schleifpulver die mechanische Windwirkung.

Winde besorgen oftmals auch den Stofftransport über weite Distanzen. In vegetationsarmen Gebieten können dabei erhebliche Mengen an Fein-material verfrachtet werden. Bekannt ist der Sahara-Staub auf alpinen Gletschern nach Winden aus Nordafrika oder der aus den subarktischen Tundren verwehte Löss in Periglazialzeiten. Schon Charles Darwin notier-te am 16. Januar 1832 die Deposition großer Mengen von Sahara-Stäuben bei den Kapverdischen Inseln. Bei solchen Stürmen verbindet die Spur der Stäube auch die Ökosysteme der Erde über Ozeane und Kontinente mit-einander. Diese Wüstenstäube werden von Afrika bis in die Karibik und nach Südamerika geweht, wo sie in den Ozeanen für die dortigen Koral-lenriffe und für die Epiphyten der Regenwälder Amazoniens düngend wir-ken. Ähnliches gilt für die Stäube aus der Wüste Gobi in China, die bis in den Pazifik nach Hawaii nachgewiesen wurden. Etwa 2 Milliarden Tonnen Staub werden jährlich vom Wind durch die Atmosphäre bewegt.

2.10 Literatur

Bahlburg H, Breitkreuz C (2004) Grundlagen der Geologie. 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag, Elsevier Mün-chen

Band G (1955) Bora und Mistral – ein Vergleich. Arch Meteor Geophys Bioklimat 6: 225-235 Barry RG, Chorley RJ (2003) Atmosphere, Weather and Climate. 8. ed Methuen, London New York Bendix J (2004) Geländeklimatologie. Borntraeger, Stuttgart Berlin Berner U, Streif H (2004) Klimafakten. Der Rückblick – ein Schlüssel für die Zukunft. 4. Aufl. Borntraeger, Stuttgart Blüthgen J (1966) Allgemeine Klimageographie. 2. Aufl. De Gryuter, Berlin Blüthgen J, Weischet W (1980) Allgemeine Klimageographie. 3. Aufl. De Gruyter, Berlin Bradley, RS (1999) Paleoclimatology – reconstructing climates of the Quarternary. 2nd ed. Int Geophys Ser 68, Aca-

demic Press Braun-Blanquet J (1964) Pflanzensoziologie. 3. Aufl. Springer, Wien Braun-Blanquet J, Tüxen R (1952) Irische Pflanzengesellschaften. In: Lüdi W (ed) Die Pflanzenwelt Irlands. Veröff

Geobot Inst Rübel 25: 224-421, Zürich Brockhaus FA (2002) Biosphäre. Die Lebensräume der Erde. Band 1, FA Brockhaus, Leipzig Mannheim Defant F (1950) Theorie der Hang- und Seewinde. Arch Meteor Geophys Bioklimat A 2: 404-425 Endlicher W (1991) Klima, Wasserhaushalt, Vegetation. Wissenschaftl Buchges, Darmstadt Erhardt E (1953) Über den täglichen Gang des Windes im Gebirge. Arch Meteor Geophys Bioklimat B 4: 431-450 Fabian P (2002) Leben im Treibhaus. Unser Klimasystem – und was wir daraus machen. Springer, Berlin Heidelberg

New York Flohn H (1971) Tropical circulation pattern. Bonner Meteorol Abh 15 Fontseré E (1949) La tramontane et le mistral de la côte catalane. Arch Meteor Geophys Bioklimat B 1 : 127-137 Frankenberg P (1989) Sonnenstrahlung, Lufthülle und Klima. Praxis Geographie 6: 6-11 Gebhardt G, Glaser R, Radtke U, Reuber P (2007) Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. Spekt-

rum Elsevier, München Geiger R (1961) Das Klima der bodennahen Luftschicht. Vieweg, Braunschweig Gentilli J (1958) A geography of climate. – The synoptic world pattern, Perth Hann-Süring Jv (1939-1951) Lehrbuch der Meteorologie (Erste Aufl. von J Hann 1901), 2 Bde, Leipzig Hellmann G (1904) Über die relative Regenarmut der deutschen Flachküsten. Sitzber Kgl Preuss Akad Wiss Berlin

54: 1422-1431 Hellmann G (1918) Über warme und kühle Sommer. Sitzber Preuss Akad Wiss Berlin 68: 891-907 Hellmann G (1923) Über den Ursprung der volkstümlichen Wetterregeln (Bauernregeln). Sitzber Preuss Akad Wiss

Berlin, math-naturw Klasse 20: 148-170 Hoyt DV, Schatten KH (1997) The Role of Sun in Climate Change. Oxford Univ Press, Oxford

Page 55: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

42 2 Grundlagen des Klimas

Humboldt Av (1814) Atlas géographique et physique du Nouveau Continent fondé sur des observations astronomi-ques et des nivellements barométriques. Paris

Hupfer P, Kuttler W (2006) Witterung und Klima – Eine Einführung in die Meteorologie und Klimatologie. 12. Aufl. Teubner, Wiesbaden

Kessler A (1973) Zur Klimatologie der Strahlungsbilanz auf der Erdoberfläche. Erdkunde 17: 1-10 Klaus D (1989) Die planetarische Zirkulation. Praxis Geographie 6: 12-17 Klink HJ (1996) Vegetationsgeographie. 2. Aufl. Westermann, Braunschweig Körner C (2002) Pflanze im Lebensraum. In Sitte et al: Strasburger Lehrbuch der Botanik 35. Aufl. Kap 13 Spektrum

Fischer, Stuttgart Kraus H (2004) Die Atmosphäre der Erde – Eine Einführung in die Meteorologie. 3. Aufl Springer, Berlin Heidelberg

New York Lamb HH (1971) Climate, Present, Past and Future. Vol I London Lamb HH (1977) Climate, Present, Past and Future. Vol II London Lamb HH (1988) Weather, Climate and Human Affairs. Routledge Lauer W (1975) Vom Wesen der Tropen – Klimaökologische Studien zum Inhalt und zur Abgrenzung eines irdischen

Landschaftsgürtels. Abh Akad d Wissenschaften Mainz 3 Lauer W, Bendix J (2004) Klimatologie. Westermann, Braunschweig Lauer W, Rafiqpoor MD (2002) Die Klimate der Erde – eine Klassifikation auf der Grundlage der ökophysiologi-

schen Merkmale der realen Vegetation. Erdwissenschaftl Forschg 40, Franz Steiner, Stuttgart Lieth H, Berlekamp J, Fuest S, Riediger S (1999) Climate diagram world atlas. Backhuys, Leiden Lozán JL (1998) Warnsignal Klima. Wissenschaftliche Fakten. Wissenschaftliche Auswertungen. Geo. Hamburg Naveira-Garbato AC, Stevens DP, Watson AJ, Roether W (2007) Short circuiting of the overturning circulation in the

Antarctic Circumpolar Current. Nature 447: 194-197 Parrish JT (1998) Interpreting Pre-Quarternary climate from the geological record. Columbia Univ. Press, Columbia Petersen H (1934) Extrem hohe Temperaturen und Föhn in Grönland. Meteor Zeitsch 51: 289-296 Plass GN (1956) The carbon dioxide theory of climate change. Tellus 8: 140-154 Rahmstorf S (2002) Ocean circulation and climate during the past 120.000 years. Nature 419: 207-214 Pott R (2005) Allgemeine Geobotanik - Biogeosysteme und Biodiversität. Springer, Heidelberg, Berlin Richter M (2001) Vegetationszonen der Erde. Klett-Perthes, Gotha Rivas-Martínez S (1983) Pisos bioclimaticos de España. Lazaroa 5: 33-43 Rivas-Martínez S (1995) Clasificación bioclimatica de la tierra. Folia Botanica Madritensis 16: 1-29 Rivas-Martínez S (1996) Bioclimatic map of Europe. Discurso investidura Dr. „honoris causa“ Universidad de Gra-

nada. Serv Publ Univ de Granada, Granada Rougetet E (1930) Le mistral dans les pleines du Rhône moyen entre Bas-Dauphiné et Provence. Meterologie 6: 341-

385 Saltzmann B (2002) Dynamical Palaeoclimatology. Academic Press, San Diego Sarmiento JL, Gruber N, Brzezinski M, Dunne JP (2004) High-latitude controls of termocline nutrients and low lati-

tude biological productivity. Nature 427: 56-60 Schneider SH (1990) Global Warming. Lutterworth Press, Cambridge Schneider-Carius K (1947/48) Die Etesien. Meteorol Rdsch 1: 464-470 Schönwiese CD (1996) Der anthropogene Treibhauseffekt in Konkurrenz zu natürlichen Klimaänderungen. Promet

25, 3: 53-61 Schönwiese CD (2003) Klimatologie. 2. Aufl. Ulmer, Stuttgart Schwarzbach M (1968) Neue Eiszeithypothesen. Eiszeitalter u. Gegenwart 19: 250-261 Smith TM, Smith RL (2006) Elements of Ecology 6th Ed. Pearson Educ Inc publ, San Francisco Storch Hv (1999) The global and regional climate system. In: Storch Hv, Flöser G (eds) Anthropogenic climate chan-

ge: 3-36, Springer, Heidelberg Storch Hv, Güss S, Heimann M (1999) Das Klimasystem und seine Modellierung. Springer, Heidelberg Sukopp H (1990) Stadtökologie: Das Beispiel Berlin. Reimer, Berlin Sukopp H, Wittig R (1998) Stadtökologie. 2. Aufl Fischer, Stuttgart Tricat J, Cailleux A (1972) Introduction to climatc geomorphology. Longman, London, New York Troll C (1952) Die Lokalwinde der Tropen – Gebirge und ihr Einfluß auf Niederschlag und Vegetation. Bonner Ge-

ogr Abhandl 9: 124-182 Walter H, Lieth H (1967) Klimadiagramme – Weltatlas. Fischer, Jena Wanner H (1986) Angewandte Geländeklimatologie . Erdkunde 40: 1-14 Webb DJ, Suginohava N (2001) Vertical mixing in the ocean. Nature 409: 37 Wefel G, Berger WH, Behre KE, Jansen E (2002) Climate development and history of the North Atlantic Realm.

Springer, Heidelberg Weischet W (2002) Einführung in die Allgemeine Klimatologie. 6. Aufl. Teubner, Stuttgart Weiss I (1937) Untersuchungen über Föhn im Riesengebirge. Veröff Meteor Inst Univ Berlin 2: 1-48 Wellmer FW, Becker-Platen JD (1999) Mit der Erde leben. Beiträge geologischer Dienste zur Daseinsvorsorge und

nachhaltiger Entwicklung. Springer, Heidelberg Wittig R (1991) Ökologie der Großstadtflora. UTB 1587. Fischer, Stuttgart Wittig R (1996) Die mitteleuropäische Großstadtflora. Geogr Rundschau 10: 640-646 Wittig R (2002) Siedlungsvegetation. Ulmer, Stuttgart Wittig R, Streit B (2004) Ökologie. UTB Basics, Ulmer, Stuttgart

Page 56: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3 Klima- und Vegetationszonierungen

Die Erde weist unendlich viele Mikro- und Mesoklimate auf, die bestimm-ten Klimazonen zugeordnet werden. Der deutsche Klimatologe Wladimir Peter Köppen (1846-1940) veröffentlichte im Jahre 1918 die Endfassung seiner bis heute gebräuchlichen Klimaklassifikation (Abb. 3.1). Er unter-schied sechs Haupttypen von Klimaten, die er mit den Buchstaben A-F be-zeichnete.

• A-Klimate sind Tropische Regenklimate der ITCZ entlang dem Äqua-tor ohne Jahreszeiten; die Mitteltemperaturen des kältesten Monats lie-gen immer über 18 Grad Celsius. Sie gliedern sich in feuchte und wech-selfeuchte Untertypen.

• B-Klimate sind Trockenklimate, die den anderen Klimaten gegenüber nach Temperatur und Jahresniederschlag abgegrenzt werden. Hier wer-den die Steppen- und Savannenklimate von den Wüstenklimaten ge-trennt.

• C-Klimate sind Gemäßigte Regenklimate, deren kältester Monat zwi-schen plus 18 Grad Celsius und minus 3 Grad Celsius liegt, wobei der wärmste Monat immer die plus 10 Grad-Celsius-Marke übersteigt. Sie werden in die drei Kategorien „Immerfeucht“, „Sommertrocken“ und „Warm“ unterteilt.

• D-Klimate sind Kontinentale Klimate mit Januarmitteln unter minus 3 Grad Celsius, aber mit Julimitteln von über plus 10 Grad Celsius.

• E-Klimate sind Polare Tundrenklimate; der wärmste Monat bleibt immer unter plus 10 Grad Celsius. In den F-Klimaten, den Klimaten

des Ewigen Frostes, bleibt die Temperatur des wärmsten Monats schließlich unter 0 Grad Celsius.

• Die Höhenlagen-Klimate der Berg- und Hochländer stellen eine Be-sonderheit dar und können beispielhaft für die Anden in Ecuador be-schrieben werden: An der Basis eines Gebirges kann das Klima tropisch sein, am Gipfel kalt genug für Gebirgsgletscher. Auf der Luv-Seite der Gebirgskette kann es pro Jahr mehr als 1500 Millimeter Niederschlag geben, auf der Lee-Seite im Regenschatten können es weniger als 250 Millimeter sein. Hochgebirge können deshalb mehrere Klimate besitzen. Sie sind zu kleinflächig, um in einer Globalkarte dargestellt werden zu

Page 57: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

44 3 Klima- und Vegetationszonierungen

können. Daher wird dieses Klima auch als undifferenziertes Hoch-

landklima bezeichnet.

Die Klimaklassifikation nach Köppen (Abb. 3.1) ist in ihrer großklima-tischen Einteilung nicht nach einheitlichen Prinzipien erfolgt, wie dies auch W. Lauer u. J. Bendix (2004) betonen. Dennoch hat sie zweifellos die größte Verbreitung und wird bei der Beschreibung klimatischer Raumein-heiten nahezu überall benutzt. Ihr Nachteil ist, dass im Gegensatz zu den thermisch definierten Großklimaten die B-Klimate (Trockenklimate) hy-grisch definiert werden. Daher kann die Zugehörigkeit von Trockengebie-ten zu den Hauptklimazonen erst durch eine weitere Differenzierung erfol-gen. Das System von Köppen ist eine empirische Klassifikation, in der Klima- und Vegetationszonen letztlich koinzidieren.

Abb. 3.1. Klimazonen nach Köppen (© National Geographic Society, Washing-ton, DC 2006)

Weitere Klimakarten schufen Carl Troll und Karl-Heinz Paffen (1963), die als Jahreszeitenklimate auf dem Grundgedanken des jahreszeitlichen Wandels der Klimafaktoren Licht, Temperatur und Niederschlag basieren. Troll u. Paffen unterscheiden die mittlerweile allgemein angewendeten fünf Hauptklimazonen:

Page 58: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3 Klima- und Vegetationszonierungen 45

• I Polare und subpolare Zone • II Kaltgemäßigte boreale Zone • III Kühlgemäßigte Zone • IV Warmgemäßigte Subtropen-Zone • V Tropenzone

Diese Einteilung entspricht im Wesentlichen auch den Inhalten der syn-optischen Tabelle 3.1. Den fünf Hauptzonen, die nach thermischen Prinzi-pien definiert sind, wollen wir hier aber zusätzlich die warm-temperaten und die mediterranoiden – quasi zonal auf den gleichen Breitenkreisen vorhanden – zuordnen. Sie sind heute aus klima- und vegetationsge-schichtlichen Gründen voneinander getrennt und isoliert. Die ökoklimati-sche Klimaklassifikation von W. Lauer u. P. Frankenberg (1986) be-schreibt ebenfalls auf der Basis der ökologisch relevanten Klimaparameter die wesentlichen globalen Typenmerkmale mit vier solaren Strahlungsgür-teln: Tropen, Subtropen, Mittelbreiten und Polarzonen.

Die globalen atmosphärischen Zirkulationssysteme und die jährliche Temperatur- und Niederschlagsverteilung auf der Erde, wie wir sie in den Abb. 2.4, 2.5 und 2.7 sehen, bedingen auch die globalen Windregime: In den Tropen entsteht der von Ost nach West wehende Passat aufgrund der Hadley-Zirkulation. Passate sind also beständige Winde, die auf beiden Erdhalbkugeln das ganze Jahr hindurch von den subtropischen Hoch-druckgürteln zur äquatorialen Tiefdruckrinne hin gerichtet sind. Sie sind trockene und niederschlagsarme Luftströmungen. Wegen der Erdumdre-hung weht auf der Nordhalbkugel deshalb ständig ein Nordostpassat in Richtung Äquator und auf der Südhalbkugel ein Südostpassat.

Zwischen den Polregionen und den Subtropen beherrschen in großer Höhe spezifische Strahlstürme, der Jetstream, die Luftbewegung. Sie trei-ben Hoch- und Tiefdruckgebiete in spiralförmigen Drehbewegungen auf Grund der Erdrotation vor sich her. In der Westwindzone oder Westwind-drift bilden sich im Grenzbereich zwischen Kaltluft aus polaren und Warmluft aus subtropischen Breiten die Hochdruckgebiete und die zyklo-nalen Tiefdruckgebiete der gemäßigten Breiten mit ihrem veränderlichen Wettergeschehen. Hauptaktionszentren in den subpolaren Tiefdruckrin-

nen zwischen 50 und 70 Grad nördlicher Breite sind vor allem das Island-

tief und das Aleutentief auf der Nordhalbkugel. Polwärts grenzen jeweils die polaren Hochdruckzonen zwischen 70 und 90 Grad Breite an; hier herrschen östliche Winde zwischen den polaren Hochdruckgebieten und den subpolaren Tiefdrucksystemen vor, die charakteristischen polaren Ost-winde. Wie hier der Lufttransport funktioniert, haben wir in Kapitel 2.5 schon kennen gelernt.

Page 59: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

46 3 Klima- und Vegetationszonierungen

Alle diese Windsysteme sind wesentliche Bestandteile der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation, die mit ihren Luftmassentransporten immer wieder von neuem die strahlungsbedingten Temperaturgegensätze zwi-schen den südlichen und den nördlichen Breiten beider Hemisphären ver-ringert und damit eine ausgeglichene globale Wärmebilanz ermöglichen. So differenzieren wir in der Tabelle 3.1 die Klima- und Vegetationszonen im Grunde nach den verschiedenen Mengen der von der Sonne zugeführ-ten Strahlungsenergie und ihrer globalen atmosphärischen Verteilung. Die-se Zonen decken sich weitestgehend mit der globalen Abgrenzung der Zo-nobiome von den tropischen Regenwäldern, Trockenwäldern und Savannen über die subtropischen Wüsten, Halbwüsten und Trockenge-biete, die immergrünen mediterranoiden Etesienklimate (s. Box 3.1) mit ihren Hartlaubwäldern, den Jahreszeitenklimaten der gemäßigten Breiten mit ihren frischen sommergrünen Wäldern, den wintertrockenen, kalten borealen Nadelwäldern bis zu den polaren arktischen und antarktischen Klimaten mit ihren verschiedenen Tundren, den polaren Wüsten und dem Ewigen Eis.

Box 3.1. Was sind Etesien?

Die Etesien sind sehr regelmäßig wehende trockene sommerliche Nordwest- oder Nordostwinde über dem östlichen Mittelmeer. Sie werden durch die Ausläufer des Azorenhochs über dem Alpengebiet und das vorderasiatische Tiefdruckgebiet gesteuert. Es handelt sich also nur beschränkt um antizyklo-nale Luftströmungen, denn die Etesien gehen teilweise ohne Frontströmun-gen in den Nordostpassat Nordafrikas über. Sie können deshalb in gewisser Hinsicht als „Passatwurzeln“ angesehen werden. Ihre Beständigkeit ist auf-fällig und hat dazu geführt, das mediterrane Wechselklima mit Sommerhitze und Winterkälte generalisierend als Etesienklima zu bezeichnen. Dieses Kli-ma mit Sommertrockenheit und Winterregen ist in den Breitenkreisen um 40 Grad beider Hemisphären in der Mittelmeerregion und in Kalifornien auf der Nordhalbkugel sowie in der Karroo-Region Westaustraliens, im Kapland von Südafrika und in der valdivianischen Küstenregion in Südchile auf der Süd-halbkugel verbreitet.

Der dominierende Einfluss von Temperatur und Niederschlag auf die

globale Verteilung der Vegetation ist auch die Grundlage für ein modernes Klassifikationssystem von L. R. Holdridge und Mitarbeitern (1971), wel-che auf der Basis globaler Temperatur- und Niederschlagsverteilung und der potenziellen Evapotranspiration so genannte Humiditätsregionen be-rechnet und definiert haben. Damit wird eine sinnvolle Beziehung zwi-schen Vegetation und Klima dargestellt (Abb. 3.2).

Page 60: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3 Klima- und Vegetationszonierungen 47

Tabelle 3.1. Temperaturbedingungen, Wärme-, Klima- und Vegetationszonen und Zonobiome

Wärme- und Klimazonen Vegetationszone/Zonobiom

Tropische Zone mit gleichmäßiger Temperatur, Jahresschwankungen sehr gering (unter 10 °C), kein Mo-nat unter 20 °C, Regen das ganze Jahr, Tageszeitenklima, A-Klimate (feuchter Typ)

Immergrüner tropischer Regenwald, Zonobiom I

Zone tropischer Sommerregengebie-te mit kurzer Dürrezeit, Monsunre-gen mit größeren Tagesschwankun-gen der Temperaturen, meist mehr als 10 °C, A-Klimate (wechsel-feuchter Typ)

Tropische halbimmergrüne Regen-wälder, regengrüne Monsunwälder und Savannen, Zonobiom II

Subtropische Zone mit starken Jah-res- und Tagesschwankungen der Temperatur; periodische oder episo-dische Niederschläge, B-Klimate

Subtropische Wüsten, Zonobiom III

Mediterranoide Etesienklimate mit Winterregen und Sommerdürre, starke Temperaturschwankungen in den Jahreszeiten, C-Klimate

Immergrüne Hartlaubvegetation, winterfeuchtes Zonobiom IV

Warmtemperate Zone mit gleich-mäßigen Niederschlägen im Jahr, von den Subtropen bis in die Gemä-ßigten Breiten, ozeanisches Klima, C-Klimate

Immergrüne Lorbeerwälder und subtropische Regenwälder, Zonobiom V

Nemorale, kalttemperierte Zone mit ausgeprägten Jahreszeiten und kur-zer Winterkälte, D-Klimate

Sommergrüne Laubwälder, nemorales Zonobiom VI

Gebiete mit starken Temperatur-amplituden, heißen Sommern und kalten Wintern, arid, D-Klimate

Steppen und Wüsten, arid-gemäßigtes Zonobiom VII

Kalttemperate Zone der Nordhalb-kugel mit kühlen Sommern und lan-gen Wintern, D-Klimate

Immergrüne boreale Nadelwälder, Zonobiom VIII

Zirkumpolare Zone mit sehr kurzen, kühlen Sommern und lang andau-ernden, kalten Wintern, E- und F-Klimate

Tundren und Kältewüsten, arktisches und antarktisches Zono-biom IX

Page 61: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

48 3 Klima- und Vegetationszonierungen

Unter Evaporation verstehen wir die Verdunstung an der freien Was-seroberfläche und der festen Oberfläche auf dem Land, insbesondere aber an der Bodenoberfläche. Auf Bodenflächen mit Vegetation ist die Evaporation die direkte Verdunstung von Bodenwasser und die Inter-

zeptionsverdunstung, welche unabhängig neben der Verdunstung durch die Pflanzendecke (= Transpiration) stattfinden kann. Die ge-samte Verdunstung über den Landflächen wird als Evapotranspirati-

on bzw. Landverdunstung bezeichnet. Dabei handelt es sich also um die Summe von Evaporation und Transpiration.

Abb. 3.2. Klassifikation der Pflanzenformationen der Erde nach den mittleren Jah-restemperaturen, den Jahresniederschlägen und der potenziellen Evapotranspirati-on von LR Holdridge et al. 1971 (verändert aus Archibold 1996, © Chapman & Hall, London)

3.1 Klimadiagramme

Temperatur und Strahlung als atmosphärische Parameter und Niederschlag als hydrosphärischer, aber auch atmosphärischer Parameter werden durch den Aufbau der Atmosphäre bestimmt. Entscheidender als Mittelwerte von

Page 62: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3.1 Klimadiagramme 49

Temperaturen und Niederschlag wirken sich jedoch die Dauer der Vegeta-

tionsperiode und kurzfristig einwirkende Ereignisse wie Spätfrost im Frühjahr und Frühfrost im Herbst aus. Das Zusammenwirken verschiede-ner atmosphärischer Standortparameter wird in Klimadiagrammen deut-lich, wie sie von Heinrich Walter und seinen Mitarbeitern im Jahre 1968 zusammengestellt wurden (Abb. 3.3). In ihnen sind unter anderem ver-zeichnet: Durchschnittstemperaturen, durchschnittliche Niederschlags-mengen, monatliche Verteilung von Temperatur und Niederschlag sowie ihr Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis drückt sich aus in der Dauer der frostfreien Periode sowie in humiden, perhumiden beziehungsweise ariden Phasen.

Abb. 3.3. Aufbau und Inhalte eines Klima-diagramms nach H. Walter und H. Lieth (1967): Für die Nordhemisphäre werden die Monate von Januar bis Dezember auf der Abszisse aufgetragen, für die Südhemi-sphäre von Juli bis Juni, so dass die warme Jahreszeit immer in der Mitte des Dia-gramms liegt. Ordinate: Die Temperatur (linke Ordinate) wird in °C angegeben, der Niederschlag (rechte Ordinate) in mm. Die

Ziffern auf dem Diagramm bedeuten: 1. Station, 2. Höhe über dem Meer, 3. Zahl der Beobachtungsjahre, 4. mittlere Jahrestemperatur, 5. mittlere jährliche Nieder-schlagsmenge, 6. mittleres tägliches Minimum des kältesten Monats, 7. absolutes Minimum (tiefste gemessene Temperatur), 8. Kurve der mittleren Monatstempera-turen, 9. Kurve der mittleren monatlichen Niederschläge, 10. liegt die Nieder-schlagskurve über der Temperaturkurve, herrscht eine relativ feuchte Zeit vor, die vertikal schraffiert dargestellt wird, 11. Monate mit mittlerem Tagesminimum un-ter 0 °C (schwarz = kalte Jahreszeit), 12. Monate mit absolutem Minimum unter 0 °C (schräg schraffiert), d. h. Spät- oder Frühfröste möglich (aus Nentwig et al. 2004, © Spektrum, Elsevier, München)

Klimadiagramme dienen vor allem dem Zweck, Orte ähnlichen oder gleichen Klimas zu erkennen und unterschiedliche Klimagebiete anhand einfacher und anschaulicher Darstellungen kenntlich zu machen. Verläuft die Niederschlagskurve über der Temperaturkurve, überwiegt der Wasser-eintrag den Verlust, und wir haben humide Bedingungen. Bleibt die Nie-derschlagskurve unter der Temperaturkurve, ist die Verdunstung höher als die Niederschlagsmenge, und wir haben aride Verhältnisse. Dies wird im Diagramm durch entsprechende graphische Darstellungen kenntlich: Schraffierte Flächen bedeuten humide, gepunktete Flächen bedeuten aride

Page 63: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

50 3 Klima- und Vegetationszonierungen

Bedingungen. Diese Art der Darstellung lässt zudem auf einen Blick er-kennen, ob es sich um ein Winter- oder ein Sommerregengebiet handelt, ob mehrere Regenzeiten vorkommen oder nur eine, und wie lange Dürre-phasen anhalten können.

Wie der Verlauf der Jahresisothermen in Abb. 2.7 zeigt, nehmen die Temperaturen vom Äquator zu den Polen hin ab. Diese Temperaturab-nahme zu den Polen hin bedingt die äquatoriale Anordnung der großen Wärmezonen der Erde. Wäre die Oberfläche unserer Erdkugel ganz homo-gen aus Wasser- oder Landmassen und Vegetation zusammengesetzt, dann müssten die Grenzlinien der einzelnen unterschiedlichen Wärmezonen vollkommen parallel zu den Breitengraden verlaufen. Dieser Idealfall ist aber keineswegs verwirklicht. Er scheitert an der ungleichmäßigen Vertei-lung der Land- und Wassermassen der Erde.

Wir sehen hieraus, dass eine Einteilung der Wärmezonen der Erde allein auf der Basis der Isothermen nicht genügt, sondern dass vor allem viele weitere Faktoren mit berücksichtigt werden müssen. Von besonderer Be-deutung sind dabei im Gefolge der Ozeanität oder Kontinentalität die Gebirgsverteilung, die Feuchtigkeitsbedingungen, die Tagestemperaturen und die jahreszeitliche Differenzierung eines Gebietes. Unter Berücksich-tigung dieser Punkte kommen wir zu einer Einteilung von neun Wärmezo-nen (s. Tabelle 3.1). Die neun Wärmezonen entsprechen, wie gezeigt wurde, auch neun ganz verschiedenen Klima- und Vegetationszonen sowie den bekannten neun Zonobiomen, die in der Allgemeinen Geobotanik (Pott 2005) eingehend behandelt sind. Auf ihre Weiterbehandlung wird daher an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet. Neben der Temperatur spielen auch die Niederschlagsbedingungen eine wichtige Rolle. Die markanteste, durch die Temperatur bedingte Scheidelinie ist wohl die Grenze zwischen frostfreiem Gebiet und dem Gebiet mit einer ausgeprägten Frostzeit, denn sehr viele Pflanzen werden schon durch Temperaturen, die knapp über 0 Grad Celsius liegen, geschädigt. Sie sind daher in ihrer Verbreitung auf die ersten drei Zonen beschränkt. Das sind die tropischen Pflanzen im weiteren Sinne.

3.2 Ozeanität und Kontinentalität

Die Wärmeschwankungen vergrößern sich natürlich vom Äquator zu den Polen hin, aber auch von den Meeresküsten zum Inneren der Kontinente hin. Es zeigen sich also Ozeanitäts- und Kontinentalitätseffekte, vor al-lem in den temperaten Zonen, und weisen höhenbedingte Abnahmen von

Page 64: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3.2 Ozeanität und Kontinentalität 51

den Tieflagen bis in die Gebirge auf. Die mittleren Wärmeschwankungen zwischen dem kältesten und dem wärmsten Monat verschiedener Orte in der Nähe des 52. Breitengrades zeigt Abb. 3.4. Das zonal angeordnete Wärmeklima erfährt also graduelle Abwandlungen zum Inneren Eurasiens hin durch die Temperatureinflüsse zunehmender Kontinentalität, durch den Temperatureinfluss des Golfstroms vor Irland und durch den Temperatur-einfluss der Winde: Während im atlantischen Europa Fröste nahezu fehlen, treten im kontinentalen Sibirien bei gleicher Breitenlage extreme Kältepe-rioden auf. Zugleich sind dort die Sommer heißer als im ozeanischen Ge-biet und daher die Jahrestemperaturschwankungen wesentlich größer, sie betragen im Mittel fast 60 Grad Celsius.

Die Kontinentalität nimmt generell von der Meeresküste zum Inneren der Kontinente hin zu. Während beispielsweise im atlantischen Irland und Westfrankreich winterliche Fröste nahezu ganz fehlen, treten im kontinen-talen Sibirien bei gleicher Breitenlage extreme Kälteperioden auf. Zugleich sind dort die Sommer heißer und trockener als in ozeanischen Gebieten, und daher messen wir hier wesentlich größere Temperaturschwankungen im Verlauf eines Jahres. Die Auswirkungen der Jahresschwankungen der mittleren Temperaturen auf 52 Grad nördlicher Breite zeigt die Abb. 3.4. Entsprechend dieser Unterschiede gibt es auch starke Differenzen hinsicht-lich der Vegetation in diesem Bereich des temperaten Zonobioms durch Eurasien von Irland bis zur Kamtschatka-Halbinsel. Das Gefälle zwischen Ozeanität und Kontinentalität zeigt sich durch die natürliche Vegetation auf diesem Breitenkreis jeweils an den Flanken des eurasiatischen Konti-nents.

Im hyperozeanischen Irland beträgt die Jahresamplitude nur 7,8 Grad Celsius, und dort herrschen die genannten atlantischen, halbimmergrünen Eichenwälder vom Typ des Blechno-Quercetum mit Quercus robur und Ilex aquifolium in der Baumschicht, unterwachsen von immergrünen Sträuchern wie Arbutus unedo, Rhododendron ponticum und Ruscus acu-

leatus (s. Abb. 3.4). Im subatlantischen Westfalen an der Station Münster messen wir einen Jahreswert von 16 Grad Celsius zwischen kältestem und wärmsten Monat; dort wachsen Eichen-Hainbuchenwälder oder Eichen-wälder aus Quercus robur, Q. petraea oder Buchen-Eichenwälder mit die-sen Arten und Fagus sylvatica, unterwachsen von der immergrünen Stech-palme Ilex aquifolium, also winterkahle Wälder mit teilimmergrüner Strauchschicht.

Im subkontinentalen Warschau messen wir eine Amplitude von 23 Grad Celsius, dort herrschen Eichen-Hainbuchenwälder vom Typ des Galio-

Carpinetum. Die Waldsteppe im Übergang zur kontinentalen Steppe bei Chkalov in Südrussland besteht aus halboffenen Graslandschaften mit Fe-

stuca und Stipa.

Page 65: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

52 3 Klima- und Vegetationszonierungen

Page 66: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3.2 Ozeanität und Kontinentalität 53

Abb. 3.4. Transekt entlang dem 52. Breitenkreis durch Eurasien und die Verände-rung der Vegetation nach dem Ozeanitätsgefälle, dargestellt an den Temperatur-amplituden zwischen kältestem und wärmsten Monat des Jahres (nach www.top-wetter.de/Klimadiagramme). Dementsprechend durchfährt man von Irland bis zur Kamtschatka-Halbinsel folgende Vegetationstypen: 1 Irischer Eschen-Eichen-mischwald mit Quercus robur, Fraxinus excelsior und Ilex aquifolium, Rhodo-

dendron ponticum in der Strauchschicht, 2 Fago-Quercetum petraeae mit Ilex

aquifolium, 3 Galio-Carpinetum mit Quercus robur, 4 Festuca valesiaca-Stipa capillata-Waldsteppe im Vegetationsmosaik mit thermophilen Eichenmischwäl-dern, 5 Betula pubescens s.l.-Laubwald, 6 Festuca sulcata s.l.-Steppe, 7 Pinus syl-

vestris-Larix sibirica-Nadelwald, 8 Ahornmischwald mit Pinus koraiensis, Betula

mandschurica und verschiedenen Acer-Arten, 9 Betula ermannii-Alnus-Wald mit Filipendula kamtschatica-Riesenblättern

Jenseits des Urals befinden wir uns in der offenen sibirischen Birken-Taiga mit Betula pubescens s. l.; hier betragen die jährlichen Amplituden immerhin schon 36,9 Grad Celsius. In der kasachischen Steppe an der Messstation Celinograd auf dem 71. Längengrad Ost messen wir nur noch 260 Millimeter Jahresniederschlag bei einer Temperaturamplitude von 37,6 Grad Celsius, wobei die kälteste Zeit im Januar mit minus 17,3 und die wärmste Zeit im Juli mit 20,3 Grad Celsius liegt. Hier ist Baumwuchs nicht mehr möglich, und die innerasiatischen Grassteppen nehmen hier ih-ren Anfang. Aber schon am Baikalsee bei Irkutsk gelangen wir in die süd-liche boreale Nadelwaldzone mit Pinus nigra und Larix sibirica. Hier be-trägt die Temperaturamplitude immerhin schon 39,2 Grad Celsius, und diese wird nur noch übertroffen an der Station Blagovescensk auf 127,5 Grad östlicher Länge am Amur mit 52,2 Grad Celsius. Auch hier wachsen Wälder aus Pinus koraiensis, Betula mandschurica und verschiedenen Ahorn-Arten. Hier betragen auch die tiefsten mittleren Januartemperaturen minus 23,7 Grad Celsius und die Juliwerte erreichen 21,5 Grad Celsius. Die Niederschläge liegen bei 542 Millimetern im Durchschnitt mit einem deutlichen Maximum im Juli und August, so dass die dortigen Laub-mischwälder verständlich werden.

Auf der Kamtschatka-Halbinsel schließlich zeigt sich deutlich der mäßi-gende Einfluss des Pazifischen Ozeans, der ein ganzjährig humides Klima gewährleistet mit deutlich geringeren Jahresamplituden von 21,1 Grad Celsius und nur geringen winterlichen Frosttemperaturen von durchschnitt-

Page 67: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

54 3 Klima- und Vegetationszonierungen

lich minus 8 Grad Celsius im Januar und Februar. Dazu kommt das im Kapitel 2.7 erwähnte Abbiegen der 10-Grad-Juliisotherme in diesem Ge-biet nach Süden über die Beringstraße zu den Aleuten, was ein kühles ma-ritimes Klima erzeugt (Abb. 2.7). Hier wachsen im Zonobiom VIII der immergrünen borealen Nadelwälder die spektakulären Riesenstauden von meist über zwei Metern Höhe manchmal sogar im Unterwuchs von Wäl-dern aus Betula ermannii oder Alnus maximowiczii (Abb. 3.5).

Abb. 3.5. Riesenstauden von Petasites amplus können eine mehr als zwei Meter hohe Vegetationsschicht bilden (Sachalin 2006)

Diese sind wahrscheinlich erst im Pleistozän entstanden, als das Be-ringmeer weitgehend trockengefallen war. Hier hat es nie eine Vereisung gegeben, weshalb man sogar von einer „Bering-Gap“ spricht, einer Lücke in den damaligen nordischen Eispanzern der Glazialzeiten. Darüber hinaus herrschte in den Kaltzeiten ein vergleichsweise mildes, regenreiches Klima mit kurzer Vegetationszeit. Diese war zwar zu kurz für die Etablierung von Baumwuchs, reichte jedoch für die Entwicklung solcher luxurierender, biomassereicher Hochstauden. Diese sind noch bis heute auf die Randbe-reiche des Pazifiks beschränkt, wo in kurzen, kühlen Sommern von etwa 100 Tagen zwar nur maximal 10 Grad Celsius erreicht werden, dafür aber in langen Wintern der Wert von maximal minus 6 Grad Celsius nicht un-terschritten wird.

Die lang anhaltende günstige ozeanische Klimasituation hat in dieser Region also eigene Vegetationstypen mit ganz speziellen Riesen-Wuchsformen der Pflanzen geschaffen. Gleichartiges gibt es nicht nur auf der Nordhalbkugel unserer Erde, sondern auch auf der Südhalbkugel, wo

Page 68: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3.2 Ozeanität und Kontinentalität 55

wir im Bereich der Subantarktis, beispielsweise auf den Kerguelen, ebenso solche großwüchsigen Stauden finden. Generell sind aber Nord- und Süd-hemisphäre hinsichtlich ihrer Ozeanität und Kontinentalität völlig vonein-ander geschieden.

Die Vegetationszonen der Erde, dargestellt auf einen „Idealkontinent“,

hat Carl Troll im Jahre 1948 konstruiert. Wenn man die Landmassen aller

Kontinente unter Wahrung ihrer Breitenlage zu einer einzigen Landmasse

zusammenrechnet, und so zusammenschiebt, wie es die Abb. 3.6 zeigt,

Abb. 3.6. Die Vegetationszonen der Erde, dargestellt auf einem „Idealkontinent” (nach C. Troll 1948, aus Klink 1996)

sieht man sofort die unterschiedliche Land-Meer-Verteilung von Nord- und Südhemisphäre. Das Gebilde des „Idealkontinents“ wird im Fachjar-gon wegen seiner Form als die „Trollsche Rübe“ bezeichnet. Die ausglei-chende Wärmerückstrahlung der Ozeane ist auch Grund für die Verschie-denartigkeit der Vegetationszonen auf den beiden Erdhälften: Sie macht zudem die Regelhaftigkeit der Lage der einzelnen klimatischen Vegetati-onszonen deutlich wie auch mit ihren Auswirkungen von kontinentaler und

Page 69: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

56 3 Klima- und Vegetationszonierungen

maritimer Lage den Nord-Süd- und Ost-West-Gegensatz. Zirkumboreale Tundren und Nadelwälder fehlen deshalb auf der Südhalbkugel und auch das temperate Zonobiom ist dort nur kleinflächig ausgebildet. In Äquator-nähe innerhalb der Wendekreise dagegen finden wir die spiegelbildlich angeordneten Trocken- und Feuchtsavannen und die immergrünen tropi-schen Regenwälder.

3.3 Vertikalgliederungen

Bei der Besprechung der Wärmezonen müssen wir noch darauf hinwei-sen, dass sich neben dieser horizontalen Gliederung auch eine Vertikal-

gliederung beim Aufstieg im Gebirge bemerkbar macht. Mit steigender Höhe über dem Meere ist die Temperaturabnahme also derjenigen der zu-nehmenden Breitengrade gleichzustellen. Wir haben schon gesehen, dass die Abnahme der Temperatur pro 100 Meter Höhe etwa 0,52 Grad Celsius beträgt. Dieser Temperaturgradient entspricht einer horizontalen, polwärts gerichteten Entfernung von etwa 100 Kilometern.

Wir kommen dabei auf eine annähernde Faustregel: Bei der Tempera-turabnahme entsprechen 100 Kilometer in der Horizontalen etwa 100 Meter in der Vertikalen.

Aufgrund dieser Tatsache könnte man annehmen, dass das Hochge-

birgsklima dem Klima nördlicher Breiten gleichzusetzen sei. Das Hoch-gebirgsklima entspricht aber keineswegs dem Klima des zirkumpolaren arktischen oder subarktischen Typs. Dies trifft nur für die mittleren Jah-

restemperaturen zu, also für alle zur vollen Stunde gemessenen und durch 24 dividierten Temperaturwerte, im Übrigen aber nicht. Bei dem sehr viel höheren Sonnenstand und der starken Einstrahlung im Hochge-birge sind die Tagesschwankungen der Temperatur in Äquatornähe oder in niedrigen Breiten viel größer als in Polnähe. Gerade im Winter zeichnet sich das Klima der aus den Wolken herausragenden Gipfel durch sonnige Tage aus und die Temperatur steigt mittags häufig über den Nullpunkt. Frostwechseltage, an denen der Nullpunkt von der Tagestemperaturkurve überschritten wird, sind deshalb relativ häufig. In der sibirischen Tundra an der Lena-Mündung gibt es beispielsweise nur 42,5 Frostwechseltage im Jahr, in den Gebirgen der gemäßigten Zone dagegen die doppelte Anzahl: zum Beispiel auf der Schneekoppe im Riesengebirge (1602 m) und auf der Zugspitze (2962 m) etwa je 80 Frostwechseltage. Die Zahl der Eistage und der frostfreien Tage hängt in unseren Gebirgen also von der Höhe ab, wo-bei natürlich die Jahreszeiten mit kalten Wintern und warmen Sommern

Page 70: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3.3 Vertikalgliederungen 57

deutlich ausgeprägt sind. Die Gebirge der gemäßigten Zone besitzen also ein Jahreszeitenklima. Von einem Jahreszeitenklima spricht man, wenn die Amplitude der Monatsmittel größer ist als die mittlere Tages- und Nachtamplitude der Temperaturen. Das Auftreten wohl definierter thermi-scher Perioden in Form von Jahreszeiten hat zu zahlreichen Anpassungen im Pflanzenreich geführt und wird oft auch zur Synchronisation phänolo-gischer Erscheinungen benutzt, die wir in Kapitel 9 behandeln werden.

Daraus ergeben sich nun Höhengliederungen der Vegetation, die wir als Vegetationsstufen bezeichnen. Das sind für Mitteleuropa:

Die planare Stufe des Tieflandes bis etwa 200 Meter Meereshöhe, die colline Stufe bis etwa 500 Meter Meereshöhe, darüber die montane

Stufe, die subalpine Stufe bis zur Waldgrenze, darüber die alpine

Stufe bis zur Obergrenze der geschlossenen Vegetationsdecke sowie die nivale Stufe oberhalb der Obergrenze der Blütenpflanzen.

Die absoluten Höhenangaben für diese Stufen sind abhängig von der jeweiligen geographischen Breite, von der Massenerhebung der einzelnen Gebirge oder Gebirgsmassive sowie von der Exposition zur Sonne. Auf etwa gleicher geographischer Breite erwarten wir also ähnliche Vegetati-onsabstufungen, wie sie auch in geographischer Abfolge in Richtung der Pole angeordnet sind. Auf planare und colline Laubwälder folgen in der montanen Stufe „boreale“ Nadelwälder, subalpine „Waldtundren“ an den Waldgrenzen und darüber „arktische Tundren“ in Form alpiner Rasen. Ein Beispiel für die Japanischen Alpen zeigt Abb. 3.7.

Anders sieht das Klima in den tropischen Gebirgen aus: Jahreszeiten gibt es hier nicht. Der Wechsel zwischen Frost und Wärme vollzieht sich in größeren Höhen täglich. Es sind praktisch alle Tage Frostwechseltage (Abb. 3.8).

Das Klima der tropischen Gebirge ist also im Gegensatz zum Jahres-zeitenklima der Gebirge in den gemäßigten Zonen ein typisches Ta-

geszeitenklima (s. Box 3.2). Ein ausgeprägtes Tageszeitenklima liegt vor, wenn die Temperaturamplitude über den Tag größer ist als über das Jahr.

Gerade dieser tägliche Wechsel zwischen kalten Temperaturen in der Nacht und warmen Temperaturen am Tage stellt an die Pflanzen dieser Hochgebirge große Anforderungen. Sie erreichen deshalb ihre obere Verbreitungsgrenze schon bei noch verhältnismäßig hohen Tages- und Jahresmitteltemperaturen. Die Höchstgrenzen der Hochgebirgspflanzen Ranunculus glacialis und Androsace alpina liegen in den europäischen Alpen bei über 4 200 Metern und für Saussurea gnaphaloides am Mt. Eve-rest im Himalaya sogar bei über 5 000 Metern.

Page 71: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

58 3 Klima- und Vegetationszonierungen

Abb. 3.7. Der Tsubakuro dake in den Japanischen Alpen zeigt eine deutliche Hö-hengliederung der Vegetation: In der hochmontanen Stufe wächst kalt-gemäßigter Nadelwald, in der subalpinen Stufe die subarktische Waldtundra (Krummholz) und in der alpinen Stufe die arktische Tundra in Form alpiner Matten

Abb. 3.8. Blick von Süden auf den 6.962 Meter hohen Aconcagua in den Anden Argentiniens, der höchste Berg Amerikas. Stipa chrysophylla-Rasen bilden die andinen Matten bis zur Obergrenze der Vegetation

Page 72: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3.3 Vertikalgliederungen 59

Die Temperaturabnahme mit zunehmender Meereshöhe zeigt zwar den Temperaturgradienten von 0,52 Grad Celsius pro einhundert Meter, schwankt jedoch jahreszeitlich von 0,4 bis 0,7 Grad Celsius. In den Hoch-gebirgen kommen aber je nach Höhenlage stark davon abweichende Tem-peraturgradienten vor; denn in den tieferen Luftschichten verläuft die Temperaturabnahme mit der Höhe nicht linear: In den Alpen ist sie bis et-wa 1700 Meter geringer, darüber messen wir eine stärkere und regelmäßi-gere Abnahme der Temperaturen. Gleichlautendes beschreibt W. Lauer (1986) für die Gebirge des tropischen Amerika. Bedeutend in diesem Zu-sammenhang sind vor allem die Temperaturinversionen bei der Bildung von Kaltluftseen. Inversionen treten besonders im Bereich des Hauptkon-densationsniveaus tropischer Gebirge oder bei Stau- und Passatbewölkung in den Subtropen auf. Für den Wärmehaushalt spielen auch die Hangexpo-sitionen eine besondere Rolle: Südlich exponierte Lagen erhalten auf der Nordhalbkugel mehr Wärme und höhere Temperaturen, umgekehrt ist dies auf der Südhemisphäre (Abb. 3.8).

Box 3.2. Tageszeitenklima der Tropen

Im Gegensatz zur gemäßigten Zone ist der Bereich der tropischen Hochge-birge durch ein Beleuchtungs- und Tageszeitenklima gekennzeichnet. Im-merwährender zwölfstündiger Tag am Äquator, keine Kurz- und Langtagpe-riode, gering schwankende Strahlungsintensitäten übers Jahr. Thermische Jahreszeiten fehlen, die täglichen Temperaturschwankungen ergeben kühle Nächte (wie Winter) und heiße Tage (wie Sommer). Besonders große Tages-schwankungen treten auf Hochplateaus und in Hochtälern der Randtropen auf, wo Trockenheit und fehlende Vegetationsdecke die Wirkungen der Ein- und Ausstrahlung noch verstärken. Subtropische Wüstengürtel und die äqua-torialen Regenwaldzonen sind Orte ausgeprägten Tageszeitenklimas.

An dieser Stelle muss auch die Massenerhebung erwähnt werden. Da-

runter versteht man sehr allgemein den geomorphologischen Sachverhalt, dass sich größere Vollformen, wie Gebirge, mit ihren Längs- und Querer-streckungen von ihrem Umland unterscheiden. Der Gebirgskörper als herausragende Masse erhält mehr Strahlung und Gesamtwärme als seine Umgebung und wird entsprechend aufgeheizt. Das hat Folgen für die Oro-klimate: Infolge der stärkeren Erwärmung bei fehlender Schneedecke, stei-gen die Isothermen im Gebirge; die Höhengrenzen der Pflanzen und der Vegetationsstufen sowie die Wald- und Baumgrenzen steigen dadurch deutlich. Mit den Temperaturen und dem Wasserangebot hängt vor allem in den Tropen und Subtropen die Länge der Vegetationszeit zusammen, die entscheidenden Schwellenwerte sind in der Köppenschen Klimaklassi-

Page 73: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

60 3 Klima- und Vegetationszonierungen

fikation sichtbar. Nach Angabe von G. Gensler (1946) erfolgt beispiels-weise auf der Nordseite der Schweizer Alpen eine Verkürzung der Vegeta-tionsperiode um 7 Tage pro 100 Meter Höhenzunahme, auf der Südseite um 6 Tage, Dies bestätigen auch Conradin Burga, Frank Klötzli und Georg Grabherr (2004) in ihrem einzigartigen Buch über die Hochgebirge der Erde.

Nach den bekannten Höhenstufungen und den Höhengradienten kennen wir heute global vier klimatische Höhenzonen:

• Tieflandszone, das ist der untere, wolkenfreie Raum in subtropischen und tropischen Regionen,

• Wolkenzone oder Nebelzone sowie die

• Zone oberhalb des Wolkenraumes und der Temperaturinversion,

• Eis- und Schneegrenze.

Für die mediterranen Gebirge wurde von Salvador Rivas-Martínez (1983) die Abfolge der Höhenstufen ab Meeresniveau zunächst mit der thermomediterranen Höhenstufe angesetzt; darüber folgen bei ihm die mesomediterrane und die supramediterrane colline Stufe, höher hinaus die oromediterrane Stufe, darüber wiederum die cryo-oromediterrane Stufe (subalpin-alpin oder nival). Diese bioklimatische Klassifikation gründet sich auf Berechnungen verschiedener Klima-Indizes, wie Feuchte- und Temperaturregime, Höhenstufung und Kontinentalität, welche im Ve-getationsbild einer Region deutlich zum Ausdruck kommen.

Wir haben diese Höhenstufung im Jahre 2003 auf die Kanareninsel Te-neriffa mit ihrem höchsten Vulkangipfel, dem 3 718 Meter hohen Teide, übertragen. Danach gibt es auf den Kanarischen Inseln folgende Einheiten, die in Abb. 3.9 idealtypisch dargestellt sind:

• Infrakanarische Höhenstufe • Thermokanarische Höhenstufe • Mesokanarische Höhenstufe • Suprakanarische Höhenstufe • Orokanarische Höhenstufe

In dieses Ordnungsprinzip wollten wir nun alle entsprechenden Lebens-räume der Kanarischen Inseln eingliedern (Abb. 3.10). So gibt es typische Vegetationsstufen, die expositionsbedingt zum Teil sehr unterschiedliche Höhengrenzen aufweisen:

• arid-semiarider „Sukkulentenbusch“ (Tabaibal und Cardonál) der in-frakanarischen Stufe (Kleinio neriifoliae-Euphorbio canariensis-Stufe) bis in Höhen von 100 bis 800 Metern über NN.

Page 74: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3.3 Vertikalgliederungen 61

Abb. 3.9. Höhenstufung nach Bioklimaten am Beispiel der Kanarischen Insel Te-neriffa (aus Pott et al. 2003, © Ulmer, Stuttgart)

• semiarider „thermophiler Buschwald“ (Bosque termófilo) der ther-mokanarischen Stufe (Mayteno canariensis-Junipero phoeniceae-Stufe) zwischen 200 bis 900 Metern über NN.

• semihumide „Lorbeerwälder“ (Monteverde mit Laurisilva und Fa-

yal-Brezal) der mesokanarischen Stufe (Ixantho viscosi-Lauro novoca-

nariensis-Stufe) zwischen 200 bis 1400 Metern über NN.

Auf La Palma, Gran Canaria, El Hierro und Teneriffa kommen wegen der größeren Höhen der Inseln noch hinzu:

• trockene „Kanarenkiefernwälder“ (Pinares) der mesokanarischen Stufe (Cisto symphytifolio-Pino canariensis-Stufe) in 1200 bis 2000 Metern über NN.

und nur auf Teneriffa und La Palma

• das „Teideginstergebüsch“ (Retamár) der suprakanarischen Stufe (Spartocytiso supranubii-Stufe) oberhalb 2000 Metern über NN.

• die alpinoide „Teideveilchen-Schuttflur“ (Violeta del Teide) der oro-kanarischen Stufe (mit Viola cheiranthifolia) oberhalb 2700 Metern über NN. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder Ver-

such einer detaillierten Höhengliederung auch noch jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen sein kann. Deshalb bleibt für die höhenklima-

Page 75: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

62 3 Klima- und Vegetationszonierungen

Abb. 3.10 a-f: Höhenabhängige Vegetationsformationen auf der Insel Teneriffa: a Sukkulentenbusch aus Euphorbia balsamifera (Tabaibal), b Cardonál von Euphorbia canariensis, c Juniperus turbinata ssp. canariensis kennzeichnet den thermophilen Buschwald (Bosque termófilo), d Thermokanarische Stufe der Nordhänge, beherrscht vom Monteverde aus Lorbeerwald (Laurisilva) und Fayal-Brezal, e Retamar der suprakanarischen Stufe und Viola cheiranthifolia (Detail), die am Vulkankegel des Teide Schuttfelder besiedelt, f Kanarenkiefernwald (Pi-nar) der mesokanarischen Stufe

tische Differenzierung von Teneriffa eine alte Version des schweizerischen Botanikers Hermann Christ (1833-1933) aus dem Jahre 1885 am plausi-belsten, der schlicht eine Zone „unter den Wolken“, eine „Wolkenregion“ und einen Bereich „über den Wolken“ unterscheidet. Er hat damit, vermut-lich ohne es zu ahnen, ein Charakteristikum aller passatbeeinflussten Ge-birge erfasst.

Page 76: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

3.4 Literatur 63

3.4 Literatur

Archibold OW (1996) Ecology of World Vegetation. Chapman & Hall, London Beierkuhnlein C (1998) Biodiversität und Raum. Die Erde 128: 81-101 Blüthgen J, Weischet W (1980) Allgemeine Klimageographie. De Gruyter, Berlin Briggs JC (1995) Global Biogeography. Developments in Paleontology and Stratigraphy 14: 452 Elsevier, Rotterdam Brown JH, Lomolino MV (1998) Biogeography. 2nd ed. Sinauer, Sunderland Burga CA, Klötzli F, Grabherr G (2004) Gebirge der Erde. Landschaft, Klima, Pflanzenwelt. Ulmer, Stuttgart Christ H (1885) Vegetation und Flora der Canarischen Inseln. Englers Botanische Jahrbücher Bd. 6 Colinveaux P (1993) Ecology. Wiley & Sons, New York Cramer WP, Solomon AM (1993) Climatic classification and future global redistribution of agricultural land. Clim

Res 3: 97-100 Crowley TJ, North GR (1991) Paleoclimatology. Oxford Monographs on Geology and Geophysics 18: 1-339, Oxford Ellenberg H (1973) Die Ökosysteme der Erde. Versuch einer Klassifikation der Ökosysteme auf funktionaler Grund-

lage. In: Ellenberg H (Hrsg): Ökosystemforschung: 235-265, Springer, Heidelberg, Berlin Emberger L, Gaussen H, Kassas M, de Philippis A (1963) Carte bioclimatique de la Zone Méditerranéenne

1:5.000.000. UNESCO, Paris und FAO, Rom Emiliani C (1992): Planet Earth – Cosmology, geology and Evolution of Life and Environment. Cambridge Univ

Press, Cambridge Eriksen W (1971) Die Häufigkeit meteorologischer Fronten über Europa und ihre Bedeutung für die klimatologische

Gliederung des Kontinents. Erdkunde 25: 163-178 Geiger R, Pohl W (1954) Eine neue Wandkarte der Klimagebiete der Erde nach W. Köppens Klassifikation. Erdkun-

de 8: 58-61 Gensler G (1946) Der Begriff der Vegetationszeit. Diss Univ. Zürich, Engadin Press, Samedan Hendl M (1984) Einführung in Aufgabe, Geschichte und Stand der globalen Klimaklassifikation. Zeitschr Erdkunde-

unterricht 36: 380-399 Holdridge LR, Grenke WC, Hatheway WH, Liang T, Tosi JA (1971) Forest Environments in Tropical Life Zones.

Pergamon, Oxford Hormes A, Müller BU, Schlüchter C (2001) The Alps with little ice: evidence for eight Holocene phases of reduced

glacier extend in the Central Swiss Alps. Holocene 11, 3: 255-265 Klink HJ (1996): Vegetationsgeographie, Das geographische Seminar. 2. Aufl. Westermann, Braunschweig Köppen W (1900) Versuch einer Klassifikation der Klimate vorzugsweise nach ihren Beziehungen zur Pflanzenwelt.

Geogr Zeitschrift 6: 593-611; 657-659 Köppen W (1918) Klassifikation der Klimate nach Temperatur, Niederschlag und Jahreslauf. Petermanns Geogr Mitt

64: 193-203; 243-248 Köppen W (1936) Das geographische System der Klimate. In: Köppen W, Geiger R (Hrsg): Handbuch der Klimato-

logie Bd. 1: Teil C. Bornträger, Berlin Körner C (2003) Alpine Plant Life. Functional Plant Ecology of High Mountain Ecosystems. 2nd ed. Springer, Berlin

Heidelberg New York Lang G (1994) Quartäre Vegetationsgeschichte Europas: Methoden und Ergebnisse. Fischer, Stuttgart Lauer W (1986) Die Vegetationszonierung der Neotropis und ihr Wandel seit der Eiszeit. Ber Dtsch Bot Ges 99: 211-

235 Lauer W, Bendix J (2004) Klimatologie. Westermann, Braunschweig Lauer W, Frankenberg P (1985) Versuch einer geoökologischen Klassifikation der Klimate. Geogr Rundschau 37:

359-365 Lauer W, Frankenberg P (1986) Klimaklassifikation der Erde. Geogr Rundschau 40. Westermann, Braunschweig Lauer W, Rafiqpoor MD (2002) Die Klimate der Erde – eine Klassifikation auf der Grundlage der ökophysiologi-

schen Merkmale der realen Vegetation. Erdwissenschaftl Forschg 40, Steiner, Stuttgart Lohmann U, Sausen R, Bengtsson L, Cubasch U, Perlitz J, Roeckner E (1993) The Köppen climate classification as a

diagnostic tool for general circulation models. Clim Res 3: 177-193 Müller P (1979) Biogeographie. Ulmer, Stuttgart Müller-Hohenstein K (1991) Die Landschaftsgürtel der Erde. 2. Aufl. Teubner, Stuttgart National Geographic (2006) Die große National Geographic Enzyklopädie der Geographie. National Geographic,

Washington DC Nentwig W, Bacher S, Beierkuhnlein C, Brandl R, Grabherr G (2003) Ökologie. Spektrum, Heidelberg Oke TR (1987) Boundary layer climates. 2. Aufl. Methuen, London Paffen KH (1967) Das Verhältnis der tages- zur jahreszeitlichen Temperaturschwankung. Erdkunde 21: 94-111 Penck A (1910) Versuch einer Klimaklassifikation auf physiogeographischer Grundlage. Sitzungsber Kgl Preuß

Akademie Wiss, Phys- Math Klasse: 236-246. Berlin Pott R, Hüppe J, Wildpret de la Torre W (2003) Die Kanarischen Inseln – Natur- und Kulturlandschaften. Ulmer,

Stuttgart Rivas-Martínez S (1983) Pisos bioclimaticos de España. Lazaroa 5: 33-43 Rivas-Martínez S (2007) Mapa de series, geoseries y geopermaseries de vegetación de España (Memoria del mapa de

vegetación potencial de España, Parte I. Itinera Geobotanica 17: 1-435

Page 77: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

64 3 Klima- und Vegetationszonierungen

Schmidt W (1930): Die tiefsten Minimumtemperaturen in Mitteleuropa. Die Naturwissenschaften 18: 367-369 Schröder FG (1998) Lehrbuch der Pflanzengeographie. Quelle & Meyer, Wiesbaden Schultz J (2002) Die Ökozonen der Erde. 3 Aufl. Ulmer, Stuttgart Smith TM, Smith RL (2006) Elements of Ecology. 6th ed. Pearson Educ, San Francisco Strahler AH, Strahler AN (2005) Physische Geographie. Ulmer, Stuttgart Summerfield MA (1994) Global geomorphology. Longman, London New York Thornthwaite CW (1933) The climates of the Earth. Geograph Rev 23: 433-440 Trewartha GT (1968) An introduction to climate – 4th ed. McGraw-Hill, New York Troll C (1943) Thermische Klimatypen der Erde. Petermanns Geogr Mitt 89: 81-89 Troll C (1948) Der asymmetrische Aufbau der Vegetationszonen und Vegetationsstufen auf der Nord- und Südhalb-

kugel. Ber Geobot Inst Rübel, Zürich Troll C (1963) Karte der Jahreszeitenklimate der Erde, mit einer Karte von C. Troll & KH Paffen. Erdkunde 28: 5-28 Troll C (1968) Jahreszeitenklimate der Erde. Geogr Verlagsges Velhagen, Klasing & Schroedel, Berlin Troll C, Paffen KH (1963) Jahreszeitenklimate der Erde. In: Rodenwaldt E, Jusak HJ (Hrsg): Weltkarten zur Klima-

kunde: 7-28, Berlin Walter H (1968) Die Vegetation der Erde in ökophysiologischer Betrachtung. Bd II: Die gemäßigten und arktischen

Zonen. Fischer, Jena Stuttgart Walter H, Lieth H (1967) Klimadiagramme – Weltatlas. Fischer, Jena Weischet W (1996) Regionale Klimatologie Teil 1: Die Neue Welt. Teubner, Stuttgart Weischet W, Endlicher W (2000) Regionale Klimatologie Teil 2: Die Alte Welt. Teubner, Stuttgart Wissmann V (1948) Pflanzenklimatische Grenzen der warmen Tropen. Erdkunde 2: 81-92 Woodward FI (1987) Climate and plant distribution. Cambridge Studies in Ecology 174, Cambridge Univ Press,

Cambridge

Page 78: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

Die Anfänge der Erforschung bodennaher Luftschichten liegen im 19. Jahrhundert, als zunächst der russische Forscher Aleksandr I. Wojeikov (1842-1916) an Vegetation und Boden gebundene Klimaeigenschaften un-tersuchte. Von ihm stammt unter anderem der immer noch gebräuchliche Begriff der Bestandesoberfläche als Grenzbereich des Boden-Pflanze-

Atmosphäre-Kontinuums. Nach Untersuchungen des Finnen Theodor Homen (1858-1923) zur Energiebilanz von Böden im Jahre 1897 konnte – auf diesen Ergebnissen aufbauend – im Jahre 1911 der deutsche Botaniker Gregor Kraus (1841-1915) die erste Monographie zum Thema „Boden und Klima auf kleinstem Raum“ herausgeben. Sechzehn Jahre später veröffent-lichte dann der deutsche Meteorologe Rudolf Oskar Geiger (1894-1981) sein grundlegendes Werk „Das Klima der bodennahen Luftschicht“, das bis zum Jahre 1961 in der vierten deutschen Auflage erschien. Dieses Lehrbuch der Mikroklimatologie hatte seinerzeit Pioniercharakter und ist bis heute unübertroffen.

Die mikroklimatischen Bedingungen der bodennahen Luftschicht wer-den weitestgehend durch das Relief der Bodenoberfläche bestimmt. Dabei spielt der Strahlungs- und Wärmeumsatz, wie wir ihn im Kapitel 2.3 ken-nen gelernt haben, eine maßgebliche Rolle. Die Energiebilanz an der Grenzfläche vom Boden zur Atmosphäre bestimmt hier die Eigenschaften des Mikro- oder Standortklimas beziehungsweise der laminaren Grenz-schicht. Der unbewachsene Erdboden und die Vegetation modifizieren je-doch die Strahlungsbedingungen und die thermischen Eigenschaften je nach Dichte, Struktur und Zusammensetzung der Pflanzendecke sowie Po-renvolumen, Wärme- und Temperaturleitfähigkeit oder Feuchtigkeit und Wasserleitfähigkeit des Bodens. Auch die Oberflächen von Gewässern sind in diesem Zusammenhang zu nennen: Im Vergleich zum festen Boden zeichnen sich Seen und breite Flüsse durch besondere strahlungsklimati-sche und thermische Eigenschaften aus. Trübungsgrade des Wassers und Intensität der Strahlung bestimmen hier die Eindringtiefen. Die Luftfeuch-tigkeit über Wasserflächen ist im Vergleich zu festem Boden meistens er-höht. Detaillierte Darstellungen zum Thema „Lebensraum Wasser und Umgebung“ finden sich im Lehrbuch „Gewässer des Binnenlandes“ von R. Pott u. D. Remy (2000).

Page 79: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

66 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

4.1 Charakteristika der bodennahen Luftschicht

Die Luftschicht unterhalb der international vereinbarten Höhe von zwei Metern über der Bodenoberfläche ist die bodennahe Luftschicht, wie sie von Rudolf Geiger im Jahre 1927 definiert wurde. Je näher man der Bo-denoberfläche kommt, desto mehr nimmt durch die Reibung am Boden die Windgeschwindigkeit ab und damit auch die Durchmischung der Luft. Obendrein absorbiert die Bodenoberfläche einerseits die einfallende Son-nenstrahlung und erwärmt sich dabei, andererseits strahlt sie auch die Wärme wieder aus und kühlt dabei die umgebende bodennahe Luft. Die Bodenoberfläche ist unter anderem auch Quelle des Wasserdampfes, der durch Verdunstung in die Atmosphäre gelangt. In dieser bodennahen Luft-schicht wachsen die meisten Pflanzen, und viele niedrigwüchsige Pflan-zengesellschaften sind auf dieses bodennahe Standortklima angewiesen.

In einem mehrschichtigen Pflanzenbestand, wie wir es beispielsweise von einem mitteleuropäischen Wald kennen, gibt es verschiedene Wuchs-stockwerke im typischen Bestandesaufbau: Am Boden und in der Kraut-schicht darüber, in der Strauchschicht, im Stammraum und im Kronendach des Waldes herrschen durchaus verschiedene, jeweils charakteristische Mikroklimate. Vergleichbares gilt darüber hinaus auch für den unterirdi-schen Wurzelbereich im selben Wald vom Humushorizont über die Bo-denhorizonte bis in die tiefsten Gesteinsschichten (Abb. 4.1).

Abb. 4.1. Stratigraphische und mikroklimatische Schichtung eines naturnahen Waldmeister-Buchenwaldes (Galio odorati-Fagetum) auf Rendzina-Humuskarbo-natböden über kreidezeitlichem Plänerkalk im Teutoburger Wald

Kronendach

Stammraum

Strauch- und

Krautschicht

Humus- und

Bodenhorizonte

Gesteinsschicht

Page 80: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.1 Charakteristika der bodennahen Luftschicht 67

Neben der Feuchtigkeit ist die Temperatur wohl die wichtigste Klima-komponente und beeinflusst nachhaltig das Leben einer Pflanze. Die Stoffwechselvorgänge sind dabei in entscheidendem Maße von der Umge-bungstemperatur abhängig, die bei höheren Werten zumeist fördernd, bei niedrigeren dagegen häufig hemmend wirkt. Bei Temperaturmessungen wird meistens die Lufttemperatur neben der Bodentemperatur be-stimmt. Als Messinstrumente dienen dazu Thermometer oder auch selbst-registrierende Thermographen in Dataloggern (Abb. 4.2).

Abb. 4.2. Mit modernen Dataloggern, wie hier eine Messstation der Firma Thies im Naturschutzgebiet „Heiliges Meer“, Nord-rhein-Westfalen, wird nicht nur die Luft-temperatur, sondern auch Luftfeuchte, Luftdruck, Niederschlagsmenge, Lichtin-tensität, Windgeschwindigkeit und Wind-richtung aufgezeichnet (aus Pott 2000)

Besonders wichtig für manche Pflanzenbestände sind dabei die Extrem-

temperaturen, also die für die Zeitdauer eines jeweiligen Tages größte Er-wärmung beziehungsweise die stärkste Abkühlung bei Nacht. Von Bedeu-tung sind weiterhin auch die Extremtemperaturen im Verlauf eines Jahres. Extremtemperaturen werden mit dem Maximum- und Minimumthermome-ter gemessen, einem eigens für solche Messungen konstruierten Thermo-meter. Dessen Quecksilbersäule schiebt ein Stäbchen vor sich her, welches jeweils bei den Extremwerten hängen bleibt. Mit der Erfassung solcher Ex-tremtemperaturen werden gleichzeitig auch Temperaturschwankungen er-mittelt. Das sind die Differenzen zwischen der höchsten und der niedrigs-ten Temperatur für einen gewissen Zeitraum, sei es für den Tag, den Monat oder das Jahr. Diese Differenzen werden als Amplituden bezeich-net: So können wir neben Tages- auch Monats- und Jahresamplituden

Page 81: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

68 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

unterscheiden. Für die Messung der Bodentemperaturen verwendet man ebenfalls eigens konstruierte Instrumente: Die Quecksilberkugel eines Thermometers, die man in den Boden einsenkt, ist dabei mit der eigentli-chen Skala durch ein Verbindungsstück konnektiert. Das Verbindungs-stück richtet sich mit seiner Länge nach der Bodentiefe, in der gemessen werden soll. Es gibt Thermometer, mit denen man von etwa zwei Zentime-tern Bodentiefe bis zu mehreren Metern messen kann. Will man einzelne Temperaturwerte in verschiedenen Bodentiefen auf ei-nem begrenzten Raum erhalten, so setzt man mehrere Thermometer mit verschieden langen Verbindungsstücken nebeneinander an. Um die Luft-temperaturen für einen gewissen Zeitraum graphisch darzustellen, verwen-det man normalerweise ein einfaches Kurvendiagramm, so wie man auch eine Fieberkurve zeichnet (Abb. 4.3). In der gleichen Weise kann man auch Bodentemperaturen darstellen; doch es empfiehlt sich, wenn zugleich an einem Ort in mehreren Tiefen gemessen wird, eine Bodenisothermen-

darstellung, wie sie auch schon Rudolf Geiger (1961) vorgestellt hat. Un-ter Bodenisothermen versteht man Linien beziehungsweise Flächen glei-cher Temperatur in verschiedenen Bodentiefen.

Abb. 4.3. Messung und Darstellung von Bodentemperaturen, wie hier an einem Beispiel eines Studentenprak-tikums aus dem Botanischen Garten der Universität Münster aus dem Jahr 1979. Bodenthermometer werden in definierten Tiefen eingebracht (oben); es ergeben sich Temperaturwerte über die Zeit (Mitte, hier in Stunden), die in Bodenisothermen-Darstellungen (unten) umgesetzt werden können

Page 82: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.2 Der Einfluss des Reliefs 69

4.2 Der Einfluss des Reliefs

Der Einfluss der Geländegestalt, also des Reliefs, auf die Temperaturen ist bei Tag und Nacht oftmals sehr verschieden und führt zu differenzierten Auswirkungen insbesondere in Bezug auf die Wärme. Wir beginnen zu-nächst mit dem Kaltluftfluss und daraus resultierendem Kaltluftstau, welche bei Windstille meist nachts auftreten. Da kalte Luft schwerer ist als warme, sinkt sie im reliefierten Gelände abwärts und fließt dementspre-chend von höheren in tiefere Lagen. So kommt es in Talgründen und Mul-den zur Ansammlung von stagnierenden Kaltluftmassen am Boden und oftmals zur Ausbildung von Bodenfrost.

Wir sprechen dann von Kaltluftseen oder im Gebirge von „Frostlö-

chern“, die sehr gefürchtet sind, weil dort extrem niedrige Temperaturen auftreten können. Anstelle der von den Hängen herabgeflossenen Kaltluft erhalten die höheren Lagen demgegenüber wärmere Luft. Auf diese Weise tritt eine Temperaturumkehr ein, denn sonst nehmen ja normalerweise die Temperaturen zur Höhe hin ab, wie wir es zuvor gesehen haben. Die so er-zeugten Temperaturdifferenzen können erheblich sein. Dementsprechend bleiben starke lokale Temperaturgefälle auf kleinstem Raum nicht ohne Einfluss auf die Vegetationsverteilung. Am Beispiel der Temperatur- und Vegetationsverteilung der Doline Gstettneralm in Abbildung 4.4 ist sehr gut zu sehen, wie stark sich ein solcher Kaltluftstau auswirken kann.

Abb. 4.4. Temperaturvertei-lung in der Doline Gstettner-alm in den Ostalpen bei Lunz (verändert nach Geiger 1961)

Es kommt nicht nur zu einer erheblichen Abkühlung am Grunde der Do-line, sondern die Vegetation erfährt quasi eine Umkehr gegenüber der „normalen“ Höhenstufung. Folgen im Regelfall mit der Höhe auf Nadel-wald Krummholz und alpine Matten, so sind die Verhältnisse hier umge-kehrt. In der Doline Gestettneralm ist damit eine Inversion der Vegetati-

onsstufen auf kleinstem Raum eingetreten, genauso, wie sich die Tempe-

Page 83: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

70 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

raturumkehr aufbaut. In diesem Frostloch ist auch die für Mitteleuropa bis-lang tiefste Temperatur von minus 51 Grad Celsius gemessen worden. Ähnliche Verhältnisse in anderen Frostlöchern sind nicht selten, wie schon im Jahre 1932 der österreichische Vegetationskundler Erwin Aichinger (1894-1985) aus den Karawanken beschrieben hat. Eine ganze Reihe sol-cher Beispiele ist auch aus dem südwestlichen Schweizer Jura bekannt. In vielen Tälern, deren Hänge mit Obstplantagen bestockt sind, werden bei Frostgefährdung nachts die Talsohlen künstlich beregnet. Das Wasser ge-friert in der Talsohle, dabei wird Wärme frei, und es entsteht künstlicher Rauhreif. Auf diese Weise verhütet man die Bildung von Kaltluftseen.

Als Kaltluftströme entwickeln sich in Berglagen oder in Wüsten die ge-fürchteten nächtlichen Talwinde. Sie können beispielsweise Nebelfrost erzeugen. Auch dieses übt einen erheblichen Einfluss auf die Vegetation aus. Das Themenfeld Frost wollen wir in den Kapitel 4.4 und 4.6 vertiefen.

Von besonderer Bedeutung sind die Unterschiede in der Exposition und der Inklination des Geländes: Von der Exposition eines Hanges zur Sonne hängt das Maß der Wärmestrahlung ab, welche der Boden erhält (Abb. 4.5).

Abb. 4.5. Unterschiedliche Expositionen erhalten unterschiedlichen Lichtgenuss. Jede Strichfolge symbolisiert eine gleiche Energiemenge langwelliger Einstrah-lung. Die vom gleichen Strahlenbündel versorgte Fläche ist am Nordhang in unse-rem Beispiel um das mehrfache größer als am Südhang, das heißt, die Energie-menge pro Quadratmeter ist entsprechend geringer

Dadurch wird das Wärmeklima der Lokalität bestimmt. Wie bei einer ebenen Fläche setzt sich auch die empfangbare Wärmemenge eines Han-ges aus der direkten Sonnenstrahlung und der diffusen Himmelsstrah-

lung zusammen, aus Faktoren also, die wir im Kapitel 2.3 schon kennen gelernt haben. Die diffuse Strahlung zeigt im Allgemeinen bei wechseln-den Expositionen keine großen Unterschiede, deswegen sind die Tempera-turen eines Nord- und Südhanges bei trübem Wetter auch ziemlich gleich. Ganz anders ist dies bei direkter Sonnenstrahlung: Unsere Messungen im Elbsandsteingebirge von 1995 bis 1999 an Moospolstern in unterschiedli-chen Expositionen haben das sehr deutlich gezeigt (Abb. 4.6).

Page 84: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.2 Der Einfluss des Reliefs 71

Abb. 4.6. Das Laubmoos Mylia taylori bildet im Elbsandsteingebirge Rasen an nordexponierten Sandsteinwänden in schattigen und feuchten Lagen; Pohlia

nutans, ebenfalls ein Laubmoos, wächst auf den südexponierten und sonnenbestrahlten Felskuppen. Die Differenzen der Temperaturen, bei de-nen diese Moose wachsen, sind extrem, obwohl die Messpunkte keine 50 Meter auseinander liegen (vgl. Tab. 4.1)

Wie extrem das Wärmeklima bei wechselnder Exposition an verschie-denen Berghängen sein kann, zeigen die Zahlenwerte in der Tabelle 4.1.

Tabelle 4.1. Temperaturmessungen an Moospolstern im Elbsandsteingebirge im Abstand von nur 50 Metern

Nordhang Südhang

Mittleres Jahresmaximum 19,5 °C 52,6 °C

Mittleres Jahresminimum - 3,6 °C - 6,0 °C

Mitteltemperaturen 6,2 °C 23,3 °C

Berechnet man aus diesen Werten die angenäherte mittlere Jahrestempera-tur, so findet man für den Moosrasen am Nordhang 6,2 Grad Celsius und für den Moosrasen am Südhang 23,3 Grad Celsius. Ins Großklima über-setzt würde das einem Temperaturklima in Mittelskandinavien einerseits und in der Sahara andererseits entsprechen. Wenn wir uns diese Werte vor Augen halten, dann ist die stark expositionsbedingte Verschiedenheit von Flora und Vegetation unserer Berghänge sehr gut verständlich. Wir verste-hen auch, weshalb die wärmeliebenden Pflanzen, die ihre Hauptverbrei-tung im südlichen und südöstlichen Europa haben, gerade die südlich ge-

Page 85: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

72 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

richteten Hänge besiedeln, während die nordisch-borealen Arten eher Nordhänge bevorzugen. Die unterschiedliche Besonnung der Hanglagen ändert sich mit der geographischen Breite: Am Äquator zum Beispiel, wo die Sonne um die Mittagszeit mehr oder weniger im Zenit steht, ver-schwinden die Unterschiede fast ganz. Hier erhalten die größten Wärme-mengen vormittags beziehungsweise nachmittags die Ost- und Westhänge. Mit zunehmender geographischer Breite ändert sich das aber. Auf der Nordhemisphäre erhält dann der Südhang und auf der Südhemisphäre der Nordhang die stärkste Einstrahlung. In den polaren Gebieten schließlich nimmt die direkte Sonnenstrahlung im Verhältnis zur diffusen Strahlung immer mehr ab, so dass auch hier die Expositionsunterschiede wiederum von geringerer Bedeutung sind, aber nicht ganz verschwinden. Mit zuneh-mender Höhe über dem Meer wird obendrein der Anteil der diffusen Strah-lung ebenfalls immer geringer. Deshalb werden in den Gebirgen von unten nach oben in unseren mittleren Breiten die Expositionsunterschiede mit di-rekter Einstrahlung für die Vegetation immer bedeutungsvoller. Wenn durch die Hangneigung die Strahlen senkrecht zur Bodenoberfläche fallen, dann treten beträchtliche Temperaturunterschiede zwischen Süd- und Nordhang auf. Für die Vegetation macht sich das bemerkbar durch unter-schiedliche Andauer der Vegetationsperioden: Während letztere an einem Südhang bereits in vollem Gang ist und im Kalkbuchenwald schon die Frühlingsgeophyten blühen, liegen an der Nordseite noch die Reste des Winterschnees und die Pflanzen in Winterruhe.

Abb. 4.7. Einstrahlungsunterschiede machen sich an süd- oder nordexponierten Hängen deutlich bemerkbar. Aus der Zeichnung wird ersichtlich, dass es sich da-bei um Unterschiede in der Strahlungsintensität handelt

Page 86: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.3 Wärmeableitung 73

Mit zunehmender Neigung eines Hanges, also der Inklination, wird die Sonneneinstrahlung zunächst immer stärker. Am besten und intensivsten wird der Hang erwärmt, der mittags im rechten Winkel zur Sonne steht, wenn bei Sonnenhöchststand ihre Strahlen senkrecht auf den Boden treffen (Abb. 4.7 u. 4.8). Dieser günstigste Neigungswinkel zur Sonnenstrahlung ändert sich mit geographischer Breitenlage und dem Sonnenstand im Laufe des Jahres zu den verschiedenen Jahreszeiten.

Abb. 4.8. Expositionsunterschiede von Süd- und Nordhängen am Badberg im Kaiserstuhl. Die sonnenbeschienenen Südhänge wirken gegenüber den Nordhän-gen wie ausgedörrt

Überschreitet oder unterschreitet der Neigungswinkel eines Hanges die-se Grenzwerte, dann nimmt die Einstrahlung wieder ab. Eine senkrechte Felswand wird daher in unseren Breiten die stärkste Einstrahlung im Win-ter beim Tiefststand der Sonne erhalten, nicht jedoch im Sommer. Diese Erscheinungen ändern sich natürlich wiederum in anderen geographischen Breiten. In der Antarktis wird zum Beispiel im Sommer eine senkrechte Nordwand die günstigsten Wärmeverhältnisse aufweisen, in der Arktis ei-ne Südwand.

4.3 Wärmeableitung

Nach der Aufsummierung aller Energiezufuhren und Abflüsse bleibt an der Erdoberfläche ein Energieüberschuss übrig. Dieser wird für zwei Pro-zesse verbraucht: Zum einen wird Luft durch Kontakt mit der Erdoberflä-che erwärmt, wodurch der Atmosphäre Energie zugeführt wird. Dies ist

Page 87: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

74 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

nach H. Gebhardt et al. (2007) der fühlbare Wärmestrom. Dieser kann durch Lufttemperaturmessungen erfasst werden, und er ist unter anderem wichtig für die Bildung von Wasserdampf durch Kondensation, also für den „versteckten Energietransport“ von der Erdoberfläche in die Atmo-sphäre, bei der Taubildung auch latenter Wärmestrom genannt. Die Son-nenenergie gelangt also nicht nur durch Absorption der direkten Sonnen-strahlung, sondern noch viel stärker durch Absorption an der Erdober-fläche und Umsetzung über langwellige Ausstrahlung in die Atmosphäre zurück. Für eine komplette Strahlungsbilanz müssen wir aber auch noch eine weitere Komponente berücksichtigen: den Bodenwärmestrom, die Energieleitung oder Wärmeableitung von der Erdoberfläche in den Boden. Folgende Parameter sind für die Wärmeableitung im Boden von Bedeu-tung:

• Wärmeausstrahlung gegen die Atmosphäre, also Reflexion (Abb. 2.3), • Wärmeaustausch mit den unmittelbar angrenzenden bodennahen Luft-

schichten, • Wärmespeicherung, • Verdunstungswärme, sofern der Boden feucht ist.

Die Wärmeausstrahlung von der Bodenoberfläche gehört zu den Wärmeumsetzungen, die sich in der Atmosphäre vollziehen. Über die Zu-sammenhänge der Reflexion sind wir bereits aus Kapitel 2.3 informiert. Bei der Ausstrahlung vom Boden her handelt es sich um nicht sichtbare, langwellige Strahlen. Ausstrahlungseffekte sind besonders intensiv in kla-ren Nächten oder in wolkenarmen Gebieten und oftmals mit Bodenfrostge-fahr verbunden. Sie treten besonders häufig im Frühling der gemäßigten Breiten auf.

Eine große Bedeutung für die Erwärmung der Atmosphäre kommt dem Wärmeaustausch zu: Die unmittelbar dem Boden angrenzende Luft-schicht wird dabei durch direkte Wärmestrahlung erhitzt. Die Luft wird dadurch spezifisch leichter, was zu einer Instabilität der unteren Luft-schichten führt: Schwerere, kühlere Luftmassen liegen dann über den leichteren, erhitzten Luftmassen. Die erwärmten Luftmassen steigen infol-gedessen auf, während sich an ihrer Stelle die Kaltluft abwärts bewegt; die Folge ist dann die schon erwähnte Bildung von Mikroturbulenzen mit ent-sprechenden Temperaturunruhen in der gesamten bodennahen Luftschicht. Es gibt also eine Temperaturdifferenz zwischen dem Boden und der Luft über dem Boden, deutlich spürbar etwa bei uns im Sommer auf einem na-hezu unbewachsenen Sandboden einer Binnenlandsdüne (Abb. 4.9). Ein solches Phänomen mit starkem Luftaustausch über erhitztem, nacktem Bo-den wird oft im Sommer durch Schlierenbilder sichtbar, wenn Flimmer-bewegungen der Luftpartikel sogar Zerrbilder am Horizont erzeugen. Die-

Page 88: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.3 Wärmeableitung 75

se Naturerscheinung ist eine komplizierte Art einer Luftspiegelung, die in Wüsten sogar Wasserflächen vorgaukelt und entfernte Teile einer Land-schaft scheinbar näher rücken lässt.

Zahlreiche Beispiele von Anpassungsnotwendigkeiten der Vegetation des vergleichsweise extremen Lebensraumes einer Binnenlandsdüne lassen sich hier anführen: So gibt es erhebliche Belastungen bis hin zu Schädi-gungen der Pflanzen auf offenen Sandböden, da in Bodennähe die Tempe-raturen oft 15 bis 20 Grad Celsius über der Lufttemperatur in 2 Metern Höhe liegen, was einen erheblichen Trockenstress auslösen kann. Mit einer starken nächtlichen Abkühlung bei Hochdruckwetterlagen können hier die durchschnittlichen Temperaturschwankungen eines Tages durchaus bis zu 50 Grad Celsius betragen. Die Maxima können sogar noch höher sein, wie Abb. 4.9 zeigt. Ähnliche Messergebnisse liegen schon aus den 1930er Jah-ren von den Trockenrasen des Maintales vor, die O. H. Volk (1937) unter-suchte; auch hier erhitzten sich die Moospolster bis zu 70 Grad Celsius, aber schon in einem Zentimeter Tiefe sank die Temperatur auf 55 Grad Celsius.

Abb. 4.9. Im Sommer entwickelt sich über Sandböden tagsüber an der Bodenober-fläche ein vertikaler Temperaturgradient. Die Wärmeableitung ist in diesem Fall abhängig von der Bodenauflage. Besonders stark ist die Wärmeableitung und da-mit auch entsprechend gering die Erwärmung der oberen Bodenschichten (grüne

Kurve), wenn diese weitgehend vegetationsfrei und hell sind. Sie ist gering, wenn lufterfüllte, dunkle Humusauflagen oder dunkel gefärbte Vegetationsschichten die Strahlung absorbieren. So können in einer trockenen, dunklen Humusauflage und einer Moosschicht mit Polytrichum juniperinum auf Sandböden im Hochsommer Extremtemperaturen bis zu 70,5 Grad Celsius gemessen werden (rote Kurve). Sti-xer Düne an der Elbe bei Neuhaus

Page 89: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

76 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

Diejenige Menge der Sonneneinstrahlung, welche auf die Erdoberfläche gelangt, wird also zu einem Teil vom Boden reflektiert, zum anderen Teil absorbiert und im Wege der Wärmespeicherung in Wärme umgesetzt. Die absorbierte Strahlung erwärmt dementsprechend den Boden auf der Landmasse und auch das Wasser der Ozeane. Das Eindringen der Wärme in den Boden ist abhängig von dessen mineralischer Beschaffenheit, der physikalischen Struktur und der Durchfeuchtung. Tägliche Temperatur-schwankungen sind im Boden jedoch höchstens bis zu einer Tiefe von ei-nem Meter spürbar. Nur die Jahresamplituden der Temperaturen sind bis in größere Bodentiefen hinein messbar.

Erst bei 10 bis 15 Metern Bodentiefe bleiben die Temperaturen das Jahr über konstant und spiegeln damit die mittlere Jahrestemperatur der Luft wider, was man leicht in Höhlen feststellen kann, die oft in besonderem Maße isotherm sind, also über ein besonders gleichmäßig gestaltetes Kli-ma verfügen. In noch größeren Tiefen erfolgt dann eine Temperaturzu-nahme im Rahmen der geothermischen Tiefenstufen mit Werten um 1 Grad Celsius auf etwa 35 Meter Tiefenabstieg.

Die Bodenisothermen in Abb. 4.3 verdeutlichen zunächst ein wichtiges Phänomen: Für die Bodentemperaturen kennzeichnend ist der Ausgleich von Temperaturschwankungen, der mit zunehmender Tiefe immer größer wird. Grundlegend wichtig ist in diesem Zusammenhang die Transforma-tion der sichtbaren kurzwelligen Einstrahlung an der Erdoberfläche in Wärme und die Speicherung derselben im Boden. Diese ist abhängig vom Luftgehalt des Bodens, indem dieser isolierend wirkt. Lufthaltige, trockene Böden erhitzen sich also an der Oberfläche, nasse, luftarme Böden leiten die Wärme besser ab. Bewachsener Boden mindert die Extreme, nackter Boden oder unbewachsener Fels steigert sie, so dass Werte von 60 bis 70 Grad Celsius erreicht werden können, besonders bei dunkler Farbe, wie wir in Kapitel 4.1 gesehen haben.

Die Verdunstungswärme bedingt, dass feuchter Boden bei gleicher Einstrahlung kühler bleibt als trockener Boden; dieses Phänomen hängt nicht nur mit der schon erwähnten Wärmestrahlung, sondern vor allem mit der potentiellen Evaporation zusammen.

Die potentielle Evaporation spiegelt die unter gegebenen klimatischen Bedingungen maximal mögliche Verdunstung wider. Die tatsächliche Verdunstung bezieht sich demgegenüber auf die Verdunstung, die von den gegebenen Wasservorräten im Boden abhängig ist. Die tatsächli-che ist immer kleiner oder maximal gleich der potentiellen Verduns-tung. Bei Wassermangel im Boden nimmt der Unterschied zwischen potentieller und tatsächlicher Evaporation stark zu.

Page 90: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.3 Wärmeableitung 77

Die Verdunstung „absorbiert“ gleichsam die Wärme im Boden. Es wäre daher auch angebrachter, von „Verdunstungskälte“ zu sprechen. Die Temperaturdifferenzen, welche an der Bodenoberfläche durch die Ver-dunstungswärme hervorgerufen werden, sind oft erheblich, wie es uns ein Beispiel in der Tabelle 4.2 aus der Etoscha-Pfanne in Südwestafrika zeigt. Hier können die Mittagstemperaturen auf trockenem Substrat etwa 40 Grad Celsius höher sein als die Werte am frühen Morgen (vergleiche Abb. 4.10). Die Wärmeabgabe hier lebender Pflanzen kann nur über die Wärme-leitung im Boden, über Wärmeausstrahlung in den Luftraum, über Wärme-austausch oder über die Verdunstung erfolgen.

Tabelle 4.2. Lufttemperaturen in Grad Celsius an der Bodenoberfläche in der Eto-scha-Pfanne am 20. Februar 2002

Tageszeit 8 Uhr 10 Uhr 12 Uhr 13 Uhr 14 Uhr 15 Uhr 16 Uhr

trockener Sand 23,8 45,9 64,0 65,7 65,3 63,0 57,5

feuchter Sand 21,5 33,3 40,0 41,0 41,0 38,5 37,8

Abb. 4.10. In der Etoscha-Pfanne im südwestafrikanischen Namibia können plötz-liche Starkregen entstehen, wenn sich kondensiertes Wasser in der Luft angerei-chert hat

Verschiedene Bodenarten bedingen große Unterschiede in der Wärme-leitung. Größere, grobkörnige Sandböden und stark gekrümelte Böden lei-ten im Allgemeinen schlechter als feindisperse Böden, wie Lehme und To-ne. Das hat natürlich zur Folge, dass sich aufgrund der geringeren

Page 91: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

78 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

Leitfähigkeit ein Sandboden oberflächlich viel stärker erwärmt als ein Lehmboden, der die Wärme besser in die Tiefe ableitet. Die Wärmeleitung hängt also von der Luftkapazität des Bodens ab. Die Temperaturleitfä-higkeit des Bodens steht also mit seinem Feuchtigkeitszustand in engem Zusammenhang: Ist der Boden trocken, dann sind die Zwischenräume der Bodenkrümel mit Luft erfüllt. Wasser dagegen leitet die Wärme im All-gemeinen 30-mal besser als Luft. Sind also die Bodenzwischenräume im feuchten Zustand mit Wasser gefüllt, ist eine wesentlich bessere Wärmeab-leitung garantiert. Das bedeutet also, dass sich trockener Boden nur ober-flächlich erwärmt und zwar sehr schnell, während ein feuchter Boden rela-tiv kühl bleibt, weil eben die Wärme besser in tiefere Bodenschichten abgeleitet wird. Es ist leicht einzusehen, dass damit auch die Temperatur-schwankungen in trockenen Böden wesentlich größer sind, als in feuchten Substraten. Wir halten fest: Feuchte Böden sind im übertragenen Sinne „ozeanische“, trockene Böden dagegen „kontinentale“ Standorte.

Abb. 4.11. Im Frühjahr bilden sich in manchen Buchenwäldern dichte Teppiche des Märzenbechers (Leucojum vernum) aus und zeigen, wie Geophyten von der Erwärmung der Böden profitieren können

Ein schönes Beispiel für die Wärmewirkung zeigt sich in unseren Brei-ten im zeitigen Frühjahr. Die Laubstreu in unseren Buchenwäldern er-wärmt sich bei uns Ende März oder Anfang April vor der Belaubung der Bäume oft schon sehr stark. An sonnigen Tagen sind in dieser Jahreszeit Temperaturen, die auf 25 bis 30 Grad Celsius ansteigen können, keine Sel-tenheit. An Südhängen vieler Mittelgebirge in Mitteleuropa sind sogar im Frühling Temperaturen der Streu von bis zu über 40 Grad Celsius gemes-

Page 92: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.4 Niederschläge 79

sen worden. Die in dieser Streuschicht befindlichen Knospen von Wald-pflanzen werden durch solche Temperaturen zum frühen Austreiben veran-lasst. Das trägt mit dazu bei, dass in unseren Wäldern im Allgemeinen ein Blütenzauber aus Geophyten im Vorfrühling entsteht, während ringsum die Natur noch kaum erwacht ist. Anemonen, Lerchensporn, Leberblüm-chen, Scharbockskraut, Goldsterne und Märzenbecher kennzeichnen die Geophyten-Fazies des Vorfrühlings mitteleuropäischer Kalkbuchenwälder (Abb. 4.11).

4.4 Niederschläge

Abgesehen von der Temperatur wird eine Pflanzendecke in keinem an-deren Falle so stark beeinflusst wie durch die Feuchtigkeit. Feuchtigkeit und Temperatur sind also die bestimmenden Faktoren für die Differenzie-rung des Pflanzenkleides unserer Erde. Das Wasser spielt in unserem Standortsgefüge eine ganz besondere Rolle: Es ist nicht nur ein vielfältiger abiotischer Faktor, sondern gleichzeitig auch ein wesentlicher Bestandteil der Pflanzen selbst. Als meteorologische Größe tritt uns Wasser in allen drei bekannten physikalischen Zuständen von fest, flüssig und dampfför-mig entgegen. Wir kennen Eis, Schnee, Regen, Nebel, Tau und Wasser-dampf (Luftfeuchte). Im Boden gibt es Grundfeuchte, Grundwasser, Kapil-larwasser, Haftwasser, und es tritt gebundenes und pflanzenverfügbares Wasser oder auch Wasserdampf auf. Im Faktor Wasser wird das Klima-

Boden-Pflanze-Kontinuum ganz besonders deutlich. Pflanzen können nur dort existieren, wo zumindest zeitweise ausreichend Wasser zum Aufbau eines Pflanzenkörpers von der Keimung bis zur Reproduktion zur Verfü-gung steht. Für die Pflanzen am Wuchsort stellen sich zwei Hauptproble-me: Einmal muss Wasser aus dem Boden aufgenommen, zum anderen muss eine übermäßige und unkontrollierte Wasserabgabe an die Atmo-sphäre verhindert werden.

Als klimatischer Standortfaktor für die Differenzierung der Vegetation sind Niederschläge, Niederschlagsmengen und die Feuchtigkeit in vierfa-cher Weise bestimmend:

• durch Menge, • durch Dauer, • durch jahreszeitliche Verteilung, • durch Wasserdampfgehalt der Luft.

Das Ausmaß der Wasserrückführung in die Atmosphäre wird generell von deren Aufnahme- und Speicherkapazität für Wasserdampf geprägt, und dieser Vorgang ist temperaturabhängig: In warmer Luft kann eine er-

Page 93: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

80 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

heblich größere Wassermenge im dampfförmigen Aggregatzustand gehal-ten werden als in kalter Luft. Dementsprechend wird bei niedrigen Tempe-raturen das Wasserdampfsättigungsdefizit der Luft aus geringeren Was-sermengen, die verdunsten, auffüllbar sein, als dies bei hohen Temperaturen selbst bei erheblich höherer Wassernachlieferung auf dem Niederschlagsweg möglich ist, wie dies besonders Rainer Lösch (2002) sowie R. Lösch u. E. D. Schulze (1994) hervorheben. Überschreitet die Größe oder das Gewicht von kondensiertem Wasserdampf den Reibungs-widerstand der Luft und deren Auftrieb, so fällt er als Regen herab. Die Grenze zwischen den kondensierten Tautropfen und den Regentropfen ist fließend, aber wichtig hinsichtlich ihrer Dauer und Intensität sowie der Größe und der Menge. Wenn man bedenkt, dass ein normaler Regentrop-fen rund 8 Millionen Wassertröpfchen von je einhundertstel Millimeter Durchmesser enthält, so sieht man den enormen Spielraum zwischen Was-serdampf – oder Wolkenkondensation – und Niederschlag. Die Grenzen sind natürlich fließend: Wir kennen sie aus dem Wetterbericht als Erschei-nungen des Nieselns, des Nebelnässens, des Nebelniederschlags bis hin zum Landregen.

Die klimatische Bedeutung der Niederschläge ist evident. Im Allgemei-nen unterscheiden wir hinsichtlich der Niederschläge mehrere verschiede-ne Kategorien.

Konvektionsniederschläge beruhen auf dem wärmebedingten Aufstei-gen der Luft bis zum Kondensationsniveau. Die Anregungen zu solchen vertikalen Luftbewegungen erfolgen durch klein- oder mittelräumige Er-wärmungsunterschiede an der Erdoberfläche. Ausdruck solcher Vertikal-bewegungen sind die Thermik und die Konvektion. Dabei verstehen wir unter Thermik die mehr aufwärts gerichtete Strömung wärmerer Luft und unter Konvektion hingegen das Aufsteigen erwärmter Luft bei gleichzeiti-gem Absinken kälterer Luft in der Umgebung. Vollzieht sich die Thermik ohne Wolkenbildung, spricht man von trockener Thermik oder Blauther-

mik. Ist die Luft dagegen ausreichend feucht, entwickeln sich typische Cumulus-Wolken, wie man sie an sommerlichen Schönwettertagen oft nachmittags beobachten kann. Abends lösen sie sich auf, da mit Abküh-lung des Erdbodens die Thermik erlischt. Konvektionsbedingte Nieder-schläge sind daher an die warme Jahreszeit oder an warme und zugleich feuchte Klimate gebunden.

Besonders niederschlagsreich sind die inneren Tropenzonen im Bereich der ITCZ (s. Kapitel 2.5) und die Westwindgürtel mit ihren Zyklonalregen. Zyklonale Aufgleitniederschläge entstehen, wenn sich Tiefdruckgebiete als Luftwirbel größeren Ausmaßes mit vorderseitigen Warmluft- und rück-seitigen Kaltluftvorstößen bilden. Diese wurden interessanterweise als ers-te vom englischen Admiral Robert FitzRoy (1805-1865) durch Beobach-

Page 94: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.4 Niederschläge 81

tung auf See im Jahre 1859 erkannt und beschrieben. Robert FitzRoy ist uns als Kapitän der Beagle bekannt, mit der Charles Darwin seine große Weltreise unternommen hatte. Solche Zyklone besitzen charakteristische Warm- und Kaltfronten, die bei uns in Europa oft den Witterungsverlauf im Sommer prägen, wenn schwülwarme und gewitterträchtige Witterungs-abschnitte von kühleren Phasen unterbrochen werden. Wenn dabei feuchte Warmluft an Fronten über kältere Luftmassen aufgleitet, bilden sich hohe Wolkentürme mit oftmals kräftigen Niederschlägen. Luftmassenmischungsniederschläge sind meist Gewitter, die an mächti-ge Wolken mit kräftigen vertikalen Luftströmungen und heftigen Konden-sationsvorgängen gebunden sind. Besonders fördernd für die Gewitterent-stehung ist feuchtwarme Luft mit feuchtlabiler Schichtung bis in große Höhen der Troposphäre. Man unterscheidet, je nach Genese, Luftmassen-gewitter – die bekannten Wärmegewitter im Sommer –, Frontgewitter im Bereich von Zyklonen, orographisch bedingte Gewitter und Gewitter, die von der Luftmassenzufuhr, von Ausstrahlung in hohen Luftschichten oder von Konvergenz der Luftströmungen in tieferen Luftschichten verursacht werden. Sie bringen lokal hohe Niederschläge. Jährlich entstehen auf der Erde rund 16 Millionen Gewitter, täglich etwa 44 000. Es gibt Gewitter-zentren in Südamerika und Äquatorialafrika mit 180 bis 200 Gewittertagen pro Jahr. In Mitteleuropa sind jährlich rund 30 Gewittertage zu verzeich-nen, in den Polarregionen dagegen gibt es durchschnittlich nur einen Ge-wittertag pro Jahr. Diese Phänomene sollen hier nicht weiter vertieft wer-den; sie können ausführlich bei Peter Hupfer u. Wilhelm Kuttler (2006) nachgelesen werden.

Steigungsniederschläge gehören zu den konvektiven Niederschlägen, die durch geländebedingte Hebung von Luftmassen erfolgen. Hohe Werte werden dabei vor allem an Gebirgen durch Luftmassen, die bei der Passa-ge der Höhen zum Aufsteigen gezwungen sind, erzeugt. Dass die Nieder-schläge in allen drei Aggregatszuständen von Wasser auftreten können, nämlich fest, flüssig und gasförmig, wollen wir zunächst am Beispiel des Nebelniederschlags verdeutlichen. Nebel nennt man den zu feinsten Tröpfchen (Durchmesser 0,02 Millimeter) kondensierten schwebenden Wasserdampf in den untersten Luftschichten und am Boden. Nebel ent-steht bei starker Abkühlung der bodennahen Luft, die dadurch den Tau-punkt unterschreitet. Die Wassermenge, die aus treibendem Nebel bei-spielsweise durch Wald herausfiltriert wird, hängt ab vom Tröpfchengehalt der Nebelwolke selbst, von der Kontinentalität des Klimas und von Hang-effekten aus Luv- und Lee-Expositionen. Seehöhe und Strömungsge-schwindigkeiten der Winde spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Diese Erscheinungen sieht man deutlich im Winter, wenn gewaltige Nebelfrost-

behänge diese Landschaften bizarr verformen (Abb. 4.12). In den Tropen

Page 95: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

82 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

bedingen solche Nebelniederschläge die Formationen der Nebelwälder an den Gebirgshängen. Im Sommer ist interessanterweise in Mitteleuropa der Gesamteintrag des Nebelniederschlags geringer als im Winter, weil in den Wäldern der Verdunstungsverlust durch Interzeption (= Niederschlagszu-rückhaltung) im belaubten Zustand der Bäume größer ist als im winterli-chen unbelaubten Zustand. In den Kronen der Bäume wird also bedeutend mehr Niederschlag ausgefällt, als auf den Waldboden gelangt. Dieses kann zu beträchtlichen Werten führen (Tabelle 4.3).

Abb. 4.12. Dichte Nebelfrostbehänge prägen einzeln stehende Buchen am Schau-insland im Hochschwarzwald

Tabelle 4.3. Interzeption mitteleuropäischer Wälder gegenüber Freiland im Jah-resdurchschnitt (nach Blüthgen 1966)

Ausgewählte Berge Sommer Winter

Großer Feldberg, Taunus (880 Meter) + 30 Prozent + 50-60 Prozent

Lemberg, Schwäbische Alb (1015 Meter) + 30 Prozent + 69 Prozent

Wasserkuppe, Rhön (950 Meter) + 160 Prozent + 260 Prozent

Tau ist der Typ des flüssigen atmosphärischen Niederschlags, der sich

bei starker Ausstrahlung durch Anlagerung von feinen Wassertröpfchen an unterkühlte Oberflächen von Pflanzen, Boden oder an Steinen bildet, wenn

Page 96: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.4 Niederschläge 83

der Taupunkt in Bodennähe unterschritten wird. Beim Taupunkt ist eine feuchte Luftmasse voll gesättigt; die Luftfeuchtigkeit beträgt dann 100 Prozent. Beim Unterschreiten der am Taupunkt herrschenden Temperatu-ren setzt Kondensation ein, der Wasserdampf geht vom gasförmigen in den flüssigen Zustand (Abb. 4.13).

Abb. 4.13. In den frühen Mor-genstunden können oftmals Tautropfen an Pflanzen, wie hier an Agrostis capillaris, auf-treten

Eine weit verbreitete, selbst in den Wüsten der Subtropen vorkommende Form von Eisniederschlägen bildet der Reif. Dabei handelt es sich um Niederschlag von Wasserdampf in Form von feinsten Eiskristallen an der unterkühlten Vegetationsdecke und an anderen kalten Oberflächen (Abb. 4.14). Advektionsreif entsteht, wenn die Bodenoberfläche so stark erkaltet ist, dass der Sättigungspunkt der bodennahen Luft unter dem Gefrierpunkt liegt und sich infolge der nächtlichen Abkühlung die Feuchtigkeit in fester Form auf dem Boden, an Pflanzen oder an anderen Gegenständen als kon-densierter Beschlag niederschlägt. Reif bildet sich nach Unterschreiten des Gefrierpunktes in Bodennähe bei feuchter Luft sehr rasch und ist häufig in den Übergangsjahreszeiten. Normalerweise erfolgt dies in klaren und windstillen Nächten.

Abb. 4.14. Deutlich zeichnet sich ein Reifrand an den Blät-tern des Efeus Hedera helix ab

Page 97: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

84 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

Nebelfrost ist der Oberbegriff für die abgesetzten Niederschläge Rau-reif, Raueis, und Klareis. Nebelfrostablagerungen bilden sich meist beim Gefrieren von Nebeltröpfchen an vorwiegend vertikalen Flächen unter gleichzeitiger Beteiligung von Sublimation. Raureif ist eine Sonderform von Advektionsreif. Es handelt sich meist um dünne Eisnadeln oder Eis-schuppen. Diese haften an Gegenständen nur locker an, sind zerbrechlich und entstehen fast ausschließlich durch Sublimation. Dabei handelt es sich um den Übergang von festen zu gasförmigen Zuständen ohne eine flüssige Phase. Dies kann nur bei Temperaturen unterhalb des Gefrier-punktes erfolgen. Voraussetzung für die Reifbildung sind hohe Luftfeuchte (um 90 Prozent oder mehr), schwacher Wind und Temperaturwerte unter minus 8 Grad Celsius. Die Kristalle wachsen in die Richtung, aus der der Wind weht.

Abweichend davon entsteht Raueis bei Nebel durch Eisniederschlag der kondensierten Feuchtigkeit. Herrscht dabei nur ein geringster Wind, dann geschieht der Raueisansatz meist einseitig an der Luvseite, wie wir es in Abb. 4.12 gesehen haben. Auf diese Weise können gewaltige, meterdicke Eisgebilde entstehen, die an Bäumen mit Eis- und Schneebruch große Zer-störungen anrichten. Diese Form des Niederschlags ist in den E- und F-Klimaten Köppens von großer Bedeutung. Er kann mit den normalen Re-genmessern zwar nicht erfasst werden, beträgt aber nach Hildung Köhler (1937) für die Gletscher von Lappland und Ellesmere Island bis zu 50 Pro-zent der Schnee-Niederschlagsmenge und wird gebildet bei Lufttemperatu-ren von minus 20 bis minus 35 Grad Celsius. Er spielt auch für die Nieder-schläge in der Antarktis die größte Rolle. Regnet es bei Frost, ohne dass die Regentropfen schon zu Eis gefroren wären, dann überzieht sich alles mit einer Eisschicht: Dieses Phänomen wird Klareis genannt. So ein glä-serner Panzer über Pflanzen kann ebenfalls schwerste Bruchschäden an Phanerophyten zur Folge haben.

4.5 Luftfeuchtigkeit und relative Luftfeuchtigkeit

Die Luftfeuchtigkeit, also der Wasserdampfgehalt der Luft, wird als absoluter Wert entweder in Gramm ausgedrückt oder in Millimetern Dampfspannung. Daneben wird aber auch die relative Luftfeuchtigkeit bestimmt. Die relative Luftfeuchtigkeit gibt das Verhältnis des wirklichen Dampfgehaltes zum höchstmöglichen Dampfgehalt der Luft an. Sie setzt also Feuchtigkeitsgehalt und Feuchtigkeitskapazität der Luft (partielle Luftfeuchtigkeit) in Relation, denn die Feuchtigkeitskapazität ändert sich mit der Temperatur. Die Luftfeuchtigkeit ist aufgrund der Evapotranspira-tion innerhalb eines Pflanzenbestandes meistens deutlich höher als über

Page 98: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.5 Luftfeuchtigkeit und relative Luftfeuchtigkeit 85

unbewachsenem Boden. Allerdings besteht dann eine Umkehrmöglichkeit der Bedingungen, wenn die Pflanzendecke so licht ist, dass sich der Erd-boden tagsüber an Strahlungstagen erwärmen kann und die Feuchte an der Bodenoberfläche und im Boden abnimmt. Der Übergang des Wassers von der Pflanze in den Luftraum ist im Gegensatz zum Übergang des Wassers vom Boden in die Pflanze mit einem Phasenwechsel verbunden. Hier wechselt das Wasser von der flüssigen Phase in die Dampfphase. In einem Liter Luft sind die verschiedenen Bestandteile zu unterschiedlichen Volu-menprozenten enthalten, was bedeutet, dass der Gesamtdruck sich aus vie-len Partialdrücken aufbaut. Der Gesamtdruck wird heute in der Maßeinheit Pascal gemessen und der Luftdruck meistens in Hektopascal (hPa) ange-geben. Der Partialdruck einer Gaskomponente ist der Druck, den dieses Gas ausüben würde, wenn es allein das Gesamtvolumen ausfüllen könnte.

Der Anteil des Wasserdampfdrucks am Gesamtdampfdruck ist nicht so einfach zu beschreiben, denn die Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasser-dampf ist stark temperaturabhängig. Das gilt auch für den Wasserdampf-partialdruck. Trägt man den maximal möglichen Wasserdampfgehalt der Luft als Partialdruck gegen die Temperatur auf, ergibt sich folgende Situa-tion (Abb. 4.15).

Abb. 4.15. Kurve Sättigungsdampfdruck über Wasser in Hektopascal (hPa) in Ab-hängigkeit von der Temperatur. In unse-rem Beispiel wird IJ1 bei 14 Grad Celsius erreicht, wenn kein Sättigungsdefizit mehr besteht und die absolute Feuchte gleich der Sättigungsfeuchte ist.

Die dargestellte Kurve gibt den Sättigungsdampfdruck, also die Sätti-

gungsfeuchte der Luft, wieder. Selten ist jedoch die Luft mit Wasserdampf gesättigt, so dass der tatsächliche oder absolute Wasserdampfpartialdruck, also die absolute Feuchte, nicht dem Sättigungsdruck entspricht. Der abso-luten Feuchte fehlt häufig ein bestimmter Betrag zur Sättigung. Dieser Be-

Page 99: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

86 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

trag wird als Sättigungsdefizit bezeichnet. Dies ist die Differenz zwischen zwei Sättigungspartialdrücken und damit die treibende Kraft der Verduns-tung reinen Wassers aus einer offenen Schale. Aus den Berechnungsgrö-ßen der absoluten Feuchte und der Sättigungsfeuchte kann die Relative

Luftfeuchte berechnet werden.

absolute Feuchte Relative Luftfeuchte =

Sättigungsfeuchte x 100 [in Prozent]

Der absoluten Feuchte bei einer Lufttemperatur T1 entspricht eine Sätti-gungsfeuchte bei einer tieferen Temperatur. Diese Temperatur wird die Taupunkttemperatur (griech. IJ = tau genannt, nicht mit dem deutschen Wort „Tau“ zu verwechseln). Kühlt man den Luftraum der Temperatur T1 ab, so setzt bei der Taupunkttemperatur IJ1 Taubildung ein. Brillenträger kennen dieses Phänomen im Winter vom Beschlagen der Brillengläser. Meteorologisch ist die Taupunkttemperatur an der Unterkante der Wolken erreicht. Die relative Luftfeuchte kann damit auch als Verhältnis zweier Sättigungsfeuchten aufgefasst werden.

Sättigungsfeuchte bei Taupunkt

Relative Luftfeuchte = Sättigungsfeuchte bei

Lufttemperatur

x 100 [in Prozent]

Das Wasserdampfsättigungsdefizit ist nur in erster Näherung treiben-de Kraft der Transpiration. Da meist die Blatttemperatur höher ist als die Umgebungstemperatur und in den Interzellularen Sättigungsfeuchte herrscht, wird die treibende Kraft der Transpiration größer sein als das Sät-tigungsdefizit der Luft, und zwar genau um den Betrag der Differenz zwi-schen den Sättigungsfeuchten der Blatt- und der Lufttemperatur. Dieser Wasserdampfgradient zwischen dem Blattinneren und der Außenluft wird Delta W, abgekürzt ǻ W, genannt. Im Kapitel 8 werden wir dieses Thema ausführlich behandeln.

4.6 Schneedecken und Frost

Feste Niederschläge aus Eis, das heißt aus Schnee und Hagel und ver-wandten Formen, wirken als Isolierschicht auf Vegetation und Boden, wenn sie sich zu einer Schnee- oder Eisdecke ansammeln. Sie wirken wärmeentziehend, wenn sie schmelzen. Sie nehmen nicht nur unmittelbar auf den Wasserhaushalt des Bodens Einfluss, sondern beeinflussen auch den Wachstumsrhythmus der Vegetation sowie das Mikroklima. Schnee wirkt infolge seines hohen Luftgehaltes stark isolierend, am stärksten tro-

Page 100: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.6 Schneedecken und Frost 87

ckener Pulverschnee. Er schützt daher den Erdboden äußerst wirksam vor dem Eindringen kalter Luft und dämpft die Temperaturschwankungen. Dazu kommt sein starkes Reflexionsvermögen, wie die Tabelle 2.2 schon gezeigt hat. Neben den generell hohen Albedo-Werten besitzt eine Schneedecke auch besondere Strahlungseigenschaften: Für die drei Spekt-ralbereiche, wie sie Abb. 2.2 zeigt, ergeben sich konkret folgende Albedo-zahlen einer frischen Pulverschneedecke: für ultraviolettes Licht 75 bis 85 Prozent, für sichtbares Licht 80 bis 85 Prozent und für Infrarot 8 bis 100 Prozent! Langwellige Wärmestrahlen im Infrarotbereich von größer als 1 000 Nanometern Wellenlänge werden tagsüber vom Schnee restlos ab-sorbiert, nachts dagegen werden diese als Ausstrahlung wieder völlig ab-gegeben. Dieses und die starke Reflexion tagsüber bewirken insgesamt die enorm abkühlende Wirkung einer Schneedecke auf die bodennahen Luft-schichten. Die tiefsten Temperaturen entstehen so in klaren Nächten un-mittelbar über frisch gefallenem Schnee. Altschnee und nasser Schnee ha-ben nur eine Albedo von etwa 40 bis 70 Prozent. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass nur geringe Anteile der auftreffenden Strah-lung den Schnee durchdringen. So messen wir bei 10 Zentimetern Schnee-tiefe höchstens 50 Prozent, bis 30 Zentimeter höchstens 10 Prozent der Strahlen, wobei der langwellige Anteil infolge der Absorption ganz ver-schwindet. Das erzeugt das blaue Licht der Gletscherhöhlen und des mäch-tigen Eises in einem Gletscher (Abb. 4.16).

Abb. 4.16. Der Glaciar Perito Moreno, der Argentinien mit Chile in den Patagoni-schen Anden verbindet, gehört zu den größten Gletschern der Erde. Sein mächti-ges Eis erscheint auf Grund der Absorption des Lichtes leicht bläulich

Page 101: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

88 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

Für die Entwicklung von Frühblühern in der Arktis und den alpinen Ge-birgsstufen spielt die Lichtdurchlässigkeit des Schnees eine wichtige Rolle. Sie erklärt das Aufblühen von Schneeglöckchen, Krokussen und Soldanel-len im Schnee oder unter einer verharschten Altschneekruste. Eine Schneedecke wirkt zusätzlich düngend auf die Vegetation und die obersten Bodenschichten. Gleiches gilt für Graupel, Hagel und Eisregen. Sobald Sonnen- oder Luftwärme oder die Verdunstung eine Schneedecke spürbar angegriffen haben, also Schneeschmelze einsetzt, reichern sich allmählich an der schmelzenden Schneeoberfläche neben neu angewehtem Staub auch die eingeschlossenen Partikel an, welche beim Schneefall äußerst effektiv aus der Luft herausgefiltert worden waren.

Höhe und Dichte von Schnee- und Eisdecken sind essentiell für den bodennahen Bereich: Die Dichte der Schneedecke ermittelt man durch Wiegen eines ausgestochenen Würfels. Die Höhe misst man in Zenti-metern oder Metern. Als Faustregel kann dabei gelten, dass ein Zenti-meter Schneehöhe einem Gegenwert von 1 Millimeter Niederschlag entspricht.

Wo die sommerliche Erwärmung nicht ausreicht, verbleibt der Frost im Boden unter einer wechselnd mächtigen sommerlichen Auftauschicht, de-ren Umfang von Wärme, Frost, Schneedecke und Bodenart abhängig ist. Man bezeichnet diese Schicht zwischen der sommerlichen Auftautiefe und den durch die geothermische Erwärmung darunter erreichten positiven Temperaturbereich als Permafrostboden (Abb. 4.17).

Abb. 4.17. Permafrostböden, wie hier in der Kanadischen Arktis, enthalten oft-mals charakteristische Eislinsen mit ovalen Aufwölbungen, die als Palsa bezeich-net werden

Page 102: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

4.7 Literatur 89

Er ist in winterkalten Klimaten Eurasiens und Nordamerikas sowie in den Hochgebirgen und in der Antarktis weit verbreitet. Wir unterscheiden den kontinuierlichen vom diskontinuierlichen Permafrost, der im erste-ren Fall bis in tiefe Schichten ganzjährig andauert und nur eine Tundren-vegetation erlaubt; im letzteren Fall taut der Boden im Sommer oberfläch-lich auf und ermöglicht den spärlichen Baumwuchs der Waldtundra. Hier liegt auch die polare Waldgrenze. Auf den Frost und seine Wirkung auf die Pflanzen kommen wir im Kapitel 9 noch einmal zurück.

4.7 Literatur

Aichinger E (1932) Höhenstufenumkehr der Vegetation durch Frostlöcher der montanen Stufe in den Karawanken. Forstarchiv 8: 20-26

Arft AM et al (1999) Responses of tundra plants to experimental warming: metaanalysis of the International Tundra Experiment. Ecological Monographs 69: 491-511

Bastian O, Schreiber KF (1994) Analyse und ökologische Bewertung der Landschaft. Fischer, Jena Biel ER (1944) Climatology of the Mediterranean Area. Misc Rep Met Chicago 13: 1-180 Blüthgen J (1966) Allgemeine Klimageographie. 2. Aufl. De Gryuter, Berlin Braun-Blanquet J (1964) Pflanzensoziologie. 3. Aufl. Springer, Wien Burrough PA (1981) Fractal dimensions of landscapes and other environmental data. Nature 294: 240-242 Cernusca A (1978) Ökologische Untersuchungen von Almflächen im Gasteiner Tal. Wagner, Innsbruck Cramer W et al (2001) Global response of terrestrial ecosystem structure and functions to CO2 and climate change:

results from six dynamic global vegetation models. Global change biology 7: 357-373 Eberle J, Thannheiser D (1995) Rezente Permafrostdegradierung: Auswirkungen auf Böden und Vegetation in Nord-

west-Spitzbergen. Die Erde 126: 19-33 Ellenberg H, Mayer R, Schauermann J (1986) Ökosystemforschung, Ergebnisse des Sollingprojektes 1966-1986. Ul-

mer, Stuttgart Fabian P (1992) Atmosphäre und Umwelt. 4. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg Gebhardt H, Glaser R, Radtke U, Reuber P (2007) Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. Spekt-

rum Elsevier, München Geiger R (1927) Das Klima der bodennahen Luftschicht – Ein Lehrbuch der Mikroklimatologie. 1. Aufl. Vieweg,

Braunschweig Geiger R (1961) Das Klima der bodennahen Luftschicht – Ein Lehrbuch der Mikroklimatologie. 4. Aufl. Vieweg,

Braunschweig Gensler G (1946) Der Begriff der Vegetationszeit. Diss Univ Zürich, Engadin Press, Samedan Gurevitch J, Scheiner SM, Fox GA (2002) The Ecology of Plants. Sinauer, Sunderland/MA Hofmann G (1956) Verdunstung und Tau als Glieder des Wärmehaushalts. Planta 47:303-322 Hupfer P, Kuttler W (Hrsg 2006) Witterung und Klima – Eine Einführung in die Meteorologie und Klimatologie. 12.

Aufl. Teubner, Wiesbaden Jansen MAK, Gaba V, Greenberg BM (1998) Higher plants and UVB-radiation: balancing, damage, repair and accli-

matisation. Trends plant sci 3: 131-135 Jentsch A, Beierkuhnlein C (2003) Global climate change and local disturbance regimes as interacting drivers for

shifting altitudinal vegetation patterns in high mountains. Erdkunde 57: 218-233 Jones HG (1992) Plants and microclimate. Cambridge Univ Press, Cambridge Kiehl J, Trenberth KE (1997) Earth annual global mean energy budget. Bull Am Meteorol Soc 78: 197-208 Köhler H (1937) Studien über Nebelfrost und Schneebildung und über den Chlorgehalt des Nebelfrostes, des Schnees

und des Schneewassers. Bull Geol Inst Uppsala 26: 279-308 Köppen W (1923, 1931) Die Klimate der Erde, Berlin, Leipzig Körner C (2002) Pflanze im Lebensraum. In Sitte et al. Strasburger – Lehrbuch der Botanik. 35. Aufl Kap 13 Spekt-

rum, Fischer , Stuttgart Körner C (2005) Wald, Biodiversität und CO2 – Überraschungen sind sicher. Naturwiss Rundschau 58:61-69 Körner C, Paulsen J (2004) A world wide study of high altitude treeline temperatures. J Biogeogr 31: 713-732 Kratochwil A, Schwabe A (2001) Ökologie der Lebensgemeinschaften. Ulmer, Stuttgart Kraus G (1911) Boden und Klima auf kleinstem Raum. Fischer, Jena Kreeb KH (1990) Methoden der Pflanzenökologie und Bioindikation. Fischer, Stuttgart Larcher W (1980) Ökologie der Pflanzen. Ulmer, Stuttgart Larcher W (2001) Ökophysiologie der Pflanzen. 6. Aufl. Ulmer, Stuttgart

Page 103: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

90 4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht

Larigauderie A, Körner C (1995) Acclimation of leaf dark respiration to temperature in alpine and lowland plant spe-cies. Ann Bot 76: 245-252

Leick E (1933) Der Tau als Standortsfaktor. Ber Dtsch Bot Ges 51: 409-442 Löffler J, Pape R, Wundram D (2006) The climatologic significance of topography, altitude and region in high moun-

tains. A survey of oceanic-continental differentiations in the Scandes. Erdkunde 60: 15-24 Lösch R (2002) Wasserhaushalt der Pflanzen. 2. Aufl. Quelle & Meyer, Wiebelsheim Lösch R, Schulze ED (1994) Internal coordination of plant responses to drought and evaporational demand. In:

Schulze ED, Caldwell MM (eds) Ecophysiology of photosynthesis. Ecol Stud 100: 185-200 Magurran AE (1988) Ecological diversity and its measurement. Croom Helen, London Martin K (2002) Ökologie der Biozönosen. Springer, Berlin Heidelberg New York Menzel A, Fabian P (1999) Growing season extended in Europe. Nature 397: 657 Paffen KH (1967) Das Verhältnis der tages- zur jahreszeitlichen Temperaturschwankung. Erdkunde 21: 94-111 Passarge S (1929) Die Landschaftsgürtel der Erde. Natur und Kultur. Hirth, Breslau Pott R (2000) Ökosystemanalyse des Naturschutzgebietes “Heiliges Meer“ (Kreis Steinfurt). Abh Westf Mus Naturk-

de, Beiheft 62, Münster Pott R, Remy D (2000) Gewässer des Binnenlandes. Ulmer, Stuttgart Reichelt G, Wilmanns O (1973) Vegetationsgeographie. Westermann, Braunschweig Richter G (1998) Stoffwechselphysiologie der Pflanzen. 6. Aufl. Thieme, Stuttgart New York Sauberer F, Dirmhirn I (1954) Über die Entstehung der extremen Temperaturminima in der Doline Gstettner-Alm.

Arch f Meteorologie, Geophysik und Bioklimatologie, Ser B 5: 307-326 Schmidt W (1930): Die tiefsten Minimumtemperaturen in Mitteleuropa. Die Naturwissenschaften 18: 367-369 Schmithüsen J (1976) Allgemeine Geosynergetik: Grundlagen der Landschaftskunde. De Gruyter, Berlin Smith TM, Smith RL (2006) Elements of Ecology 6th ed. Pearson Educ Inc publ, San Francisco Storch Hv, Güss S, Heimann M (1999) Das Klimasystem und seine Modellierung. Springer, Berlin Heidelberg New

York Troll C (1948) Der asymmetrische Aufbau der Vegetationszonen und Vegetationsstufen auf der Nord- und Südhalb-

kugel. Ber Geobot Inst Rübel, Zürich Troll C (1950) Die geographische Landschaft und ihre Erforschung. Studium Generale 3: 163-181 Volk OH (1937) Über einige Trockenrasengesellschaften des Würzburger Wellenkalkgebietes. Beih Bot Centralbl 57

B 3: 577-598 Walter H, Lieth H (1967) Klimadiagramme Weltatlas Fischer, Jena Walther GR, Beissner S, Burga CA (2005) Trends in the upward shift of alpine plants. J Veg Sci 16: 541-548 Wilson RCL, Drury SA, Chapman JL (2000) The Great Ice Age. National Academic Press, Washington Yoshino MM (1975) Climate in a small area. An introduction to local meterology. Tokyo Univ Press, Tokyo

Page 104: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Der Boden ist – im Vergleich zu den Dimensionen des Planeten Erde – nur eine sehr dünne Haut. Ohne diese gäbe es aber so gut wie kein Pflanzen-wachstum auf unserem Globus. Auch gäbe es ohne diese meist nur wenige Zentimeter dünne Krume aus fein zerbröseltem Gestein und zersetzten Pflanzenresten keinen Ackerbau und keine Kultur mit Saatzucht und Vieh-haltung, und auch die Wälder wären nicht denkbar. Der Boden besteht also aus festen mineralischen und organischen Bestandteilen unterschiedlicher Größe, ist mit Bodenwasser und Bodenluft durchsetzt und bietet den Pflanzenwurzeln Nährstoffe und Verankerung und den unzähligen Boden-organismen Lebensraum. Insgesamt gibt es mehr als 7500 verschiedene Bodentypen auf der Erde. Jeder von ihnen ist ein Produkt aus minerali-schen und biologischen Rohstoffen. Die Minerale können dabei entweder dem Gestein entstammen, auf dem der jeweilige Boden gerade „wächst“, oder sie wurden von Wind, Wasser oder Gletscher oft über weite Strecken zu ihrem gegenwärtigen Standort transportiert. Beim äolischen windver-frachteten Löss können diese Strecken sogar mehrere hundert Kilometer betragen. Bei den biologischen Rohstoffen im Boden handelt es sich um die Reste von Pflanzen, die auf verwitterten Gesteinsschichten wachsen. Im Laufe der Zeit führten Pflanzenwachstum, chemische Reaktionen, wie Auslaugung und Einwaschung, und physikalische Vorgänge zu einem je-weils charakteristischen Boden. Der Verwitterung kommt in diesem Pro-zessgefüge eine Schlüsselstellung zu, denn durch sie werden Festgesteine in Lockermaterialien und grobkörnige Substanz überführt. Diese sind wie-derum zum einen Voraussetzung für eine Bodenbildung und den Boden-aufbau sowie für den Pflanzenwuchs; zum andern steuert die Verwitterung auch den Abtrag von Böden. Die dabei wirkenden Kräfte verändern die Gesteine an der Erdoberfläche in ihren physikalischen, chemischen, mine-ralogischen und biologischen Eigenschaften. Eine besondere Rolle spielen dabei Grundwasser und Regenwasser, denn vom Feuchtigkeitsgehalt hängt es ab, wie rasch Veränderungen im Boden stattfinden. Damit ist auch die Bildung und Entwicklung unserer Böden ein klima- und naturraumabhän-giges Phänomen.

Der Boden ist ein dynamisches System, das sich ständig wandelt. „Ein Schnitt durch den Boden ist ein bis an den Rand voll beschriebenes Blatt

Page 105: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

92 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

aus dem Buche der Natur, das sowohl seine Entstehung aus dem Grundge-stein als auch seine Entwicklung und Reifung unter dem Einfluss von Kli-ma, Pflanzendecke, Tierwelt und menschlicher Wirkungen abzulesen er-laubt, die darin verzeichnet sind“, schrieb der Pflanzensoziologe Reinhold Tüxen (1898-1980) im Jahre 1957 treffend in seiner Veröffentlichung „Schrift des Bodens“.

Unter Boden verstehen wir die oberste, unter dem Einfluss von Klima und Lebewesen veränderte Schicht der Erdkruste. Ein Boden bildet sich aus dem Ausgangs-, Grund- oder Muttergestein unter dem wechselnden Einfluss von Klima und Vegetation. Als Ausgangsgestein bezeichnet man alle anorganischen Minerale, aus denen sich ein Boden bilden kann. Auch Lockersedimente gehören dazu. In den ersten Sta-dien der Bodenentwicklung bestimmt das Ausgangsgestein seine Ei-genschaften.

5.1 Ausgangsgesteine für die Bodenbildung

Angaben von Hans Gebhardt et al. (2007) in ihrem neuen Buch zur Physi-schen Geographie und Humangeographie zufolge, worauf die nachfolgen-den Ausführungen Bezug nehmen, dominieren unter den Gesteinen der Erdkruste mit etwa 65 Prozent magmatische Gesteine, gefolgt von meta-morphen Gesteinen mit etwa 27 Prozent. Sedimentgesteine haben demge-genüber nur einen relativ geringen Anteil von etwa 8 Prozent, bilden aber etwa 75 Prozent der Erdoberfläche. Gesteine bestehen in der Regel aus ei-nem oder mehreren Mineralen, aus Gesteinsbruchstücken oder aus einer ganz natürlichen Ansammlung tierischer oder pflanzlicher Reste. Gesteine sind also das Ergebnis und ein Zeugnis vergangener geologischer Prozes-se, und dies ist wichtig für die Bodenbildung: Etwa 90 Prozent der häufi-gen Minerale in der Erdkruste sind Silikate, inklusive Quarz (SiO2), daneben gibt es Carbonate, Sulfate, Sulfide, Chloride, Oxide und Hydroxi-de sowie Phosphate (Apatit). Wichtige silikatische Minerale sind bei-spielsweise Quarze, Feldspäte (Orthoklase und Plagioklase), Glimmer (Muskovit und Biotit), Pyroxene, Amphibole, Olivine oder amorphe Varie-täten. Einige davon spielen für den Bodenaufbau eine wichtige Rolle. Wir werden diese im Kapitel 5.5 näher erläutern. Die Verwitterungsstabilität nimmt bei ihnen von den dunklen Mineralen wie Olivin mit der extrem dunklen Farbe über eine Abfolge zum Biotit zu den hellen Mineralen nach Feldspat und Quarz zu.

Oxide und Hydroxide sind bis zu etwa 4 Prozent am Aufbau der Erd-kruste beteiligt. Viele braune und rote Farben in der Natur stammen von

Page 106: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.1 Ausgangsgesteine für die Bodenbildung 93

verschiedenen Eisenoxiden und Eisenhydroxiden, wie beispielsweise dem braun gefärbten Goethit (Į-Fe3+O[OH]) oder dem rot gefärbten Hämatit (Fe2O3). Eine besondere chemische Bedeutung besitzen auch die leicht wasserlöslichen carbonatischen Minerale, wie Calcit (CaCO3), und ver-schiedene Sulfate, wie Gips und Anhydrit, sowie Salze oder Halogenide. Anhydrit wird beispielsweise mit Wasser unter Quellung umgewandelt zu Gips (Ca[SO4] · 2H2O). Dieser Quellungsdruck kann umgebende Gesteins-schichten verbiegen und bewegen, wir nennen diesen Vorgang Gipstekto-

nik. Ähnliches geschieht bei wasserlöslichen Salzen und Halogeniden, wie Natriumchlorid (NaCl) oder Kaliumchlorid (KCl), die ein viskoses Fließen von salzführenden Gesteinen hervorrufen können und dabei ebenfalls be-nachbarte Gesteinsschichten verdrängen, verstellen oder verbiegen. Meist bilden sich dabei mächtige Salzkissen oder Salzstöcke, die Diapire. Dieser Vorgang der Salztektonik wird auch als Diapirismus bezeichnet. Die über 60 Meter hohen Sandsteinfelsen der Nordseeinsel Helgoland liegen beispielsweise auf einem aus ungefähr 700 Metern Meerestiefe aufgedrun-genen Salzkissen (Abb. 5.1). Hier beobachten wir direkt die tektonischen Bewegungen durch den Diapirismus.

Abb. 5.1. Die roten Felsen Helgolands sind eine Besonderheit in der Nordsee. Hier gelangte über ein Salzkissen durch salztektonische Prozesse und gewaltigen diapirischen Druck Buntsandstein, der den Kern der Insel bildet, an die Erdober-fläche

Grundsätzlich unterscheiden wir als Ausgangsmaterialien für die Bo-denbildung die vulkanischen Ergussgesteine, die Magmatite, und die Ab-lagerungsgesteine, die Sedimente. Silikatreiche Magmatite reagieren che-

Page 107: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

94 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

misch sauer, denn sie sind aus Quarz (SiO2), Glimmer, speziellen Alumini-um-Silicium-Verbindungen mit flächigen Kristallgittern und Alkali-feldspaten mit makromolekularer Kristallstruktur dreidimensional aufge-baut. Es gibt auch silikatarme Magmatite, die vor allem aus calciumrei-chen Plagioklasen bestehen. Diese haben die chemische Summenformel CaAl2Si2O8, während die typischen Feldspate den Grundaufbau eines Ka-lium- oder Natrium-AlSi3O8-Körpers aufweisen. Wir sind uns mit W. Frey u. R. Lösch (2004) einig, dass eine Bodenbildung direkt über anstehendem Magmatit durch physikalische und chemische Verwitterung erfolgen kann. Wie wir nachfolgend genauer sehen werden, sind allerdings Bodenbildun-gen aus Verwitterungsprozessen von umgewandelten oder auch umgela-gerten ehemaligen Magmatiten viel häufiger, die im Laufe ihrer Geschich-te zu Sedimenten geworden sind. Die durch biogene oder chemische Lösungs- oder Umbauprozesse entstandenen kalkreichen Sedimentgesteine zeigen normalerweise eine ausgesprochen basische chemische Reaktion. Die schwer löslichen Anteile der Magmatite, die entweder am Verwitte-rungsort verblieben oder aber durch Wasser, Wind und Eis verlagert wor-den sind, bezeichnet man als klastische Sedimente oder Lockersedimen-

te. Dabei handelt es sich, nach Partikeldurchmesser differenziert, um Kiese, Sande, Schluffe, Lehme und Tone.

Bei den Festgesteinen müssen wir grundsätzlich zunächst die vulkani-schen Erstarrungsgesteine, wie Basalte und Granite, von den metamorphen kristallinen Schiefern oder Gneisen unterscheiden. Durch ihre Verwitte-rung entsteht immer zunächst ein unreifer, flachgründiger Boden. Für den Verwitterungsgrad der Böden aus solchen Gesteinen ist ihre Struktur von Bedeutung: Grobkörnige Gesteine (z. B. Granit) zerfallen relativ schnell, porphyrische Gesteine, deren Grundmasse aus mikroskopisch kleinen Kristallen besteht, verwittern dagegen sehr viel langsamer. Kristalline Schiefer werden dagegen leicht abgebaut, wenn die Schichten aufgerichtet sind, sonst ziemlich schwer. Verwitterungsprodukte dieser Gesteine beste-hen meist aus kleinen Glimmerplättchen, wie zum Beispiel Phyllit.

Die chemischen Eigenschaften und damit die Fruchtbarkeitsgrade dieser Gesteine hängen primär von ihrem Basengehalt ab, vor allen Dingen aber von der Menge des Kalkes, der bei der Verwitterung ausgeschieden wird. Gerade die Eigenschaften spielen ja für die Ausbildung der verschiedenen Pflanzengesellschaften eine wesentliche Rolle. Wir unterscheiden deshalb:

• Saure Gesteine (70% SiO2, 2% CaO): Granit, Gneis, Glimmerschiefer, Phyllit.

• Neutrale Gesteine (55% SiO2, 6% CaO): Porphyrit, Diorit, Andesit. • Basische Gesteine (50% SiO2, 10% CaO): Basalt, Dolerit, Diabas,

Gabbro u. a.

Page 108: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.1 Ausgangsgesteine für die Bodenbildung 95

Siliciumdioxid und Calciumoxid und verhalten sich in diesem Zusam-menhang umgekehrt proportional. Wie sieht es nun bei der zweiten Gruppe von Gesteinen aus, die wir als Sedimentgesteine bezeichnen? Die Sedi-mentgesteine setzen sich in der Hauptsache bereits aus Produkten der Verwitterung und Aufbereitung der Eruptiv- und metamorphen Gesteine zusammen. Sie sind deshalb zunächst lose zusammengefügt. Allerdings können sie durch Zementierung verfestigt werden. Die Härte dieser Ge-steine hängt dann hauptsächlich von der Kittmasse ab, die Siliciumdioxid oder Kieselsäure (SiO2), Kalk, Ton oder Eisenoxidhydrat (Fe2O3 · n H2O) sein kann. So können folgende lockere Ausgangsprodukte zu verfestigtem Gestein verwittert werden: Schotter und Kiese werden zu Konglomeraten, Sande zu Sandsteinen, Tone zu Tonschiefern und Kalke zu Kalksteinen und Dolomiten. Hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit sind die Gesteine folgen-dermaßen einzustufen: Sedimentgesteine als saure Gesteine aus Sandstein mit SiO2 als Kittsubstanz oder aus Tonschiefer sind recht unfruchtbar. Es gibt auch neutrale Gesteine, wie Keupersandsteine, Kalksandsteine der Kreide und basische Gesteine, wie Kalksteine und Dolomite, die fruchtba-re Böden hervorbringen können.

Im Gegensatz zu den Regionen mit Festgesteinen sind die planaren Ge-biete der Erde meist von Lockergesteinen bedeckt. Im nördlichen Mittel- und Osteuropa gibt es beispielsweise vorwiegend Ablagerungen aus den Vereisungsphasen. Zu solchen pleistozänen Lockergesteinen gehören zu-nächst die Sandablagerungen der eiszeitlichen Schmelzwässer. Bei Ab-tauen der Gletscher haben sie sich mit dem Schmelzwasser vor den End-moränen ausgebreitet. Man bezeichnet die Art der Sandablagerungen als Sander. Große Teile der nordwesteuropäischen Sandgebiete sind von die-sem Typ. Es handelt sich in der Regel um sehr arme, saure Sande. Sandab-lagerungen der Eiszeitschmelzwässer findet man weiterhin noch als Tal-sande der Urstromtäler, die meist fluvioglazialer Entstehung sind.

Tonablagerungen in den eiszeitlichen Staubecken und Schmelzwasser-seen spielen räumlich gesehen keine große Rolle. Die Geschiebemergel

der Moränendecken, vor allem in Grundmoränen, waren anfangs als Jungmoräne kalkhaltig. Im Altmoränengebiet sind sie jedoch größtenteils durch Auswaschungen entkalkt.

Das wichtigste Lockersediment ist der Löss, ein calciumcarbonatrei-ches, äolisches, vom Wind zusammengetragenes Sediment mit Korngrö-ßen von 10 bis 60 Mikrometern. Löss bildet ein sehr feines Ausgangsmate-rial für die Bodenbildung, wobei den reichlich mit einwertigen Kationen ausgestatteten Aluminium-Silikat-Gittern ein hoher Kalkanteil gegenüber-steht, was bei der Verwitterung sehr nährstoffreiche Böden ergibt. In hu-miden Gebieten ist der Kalk aber vielfach ausgewaschen. Aus dem Feld-spat entsteht Ton, und wir erhalten dann den schweren Lösslehm.

Page 109: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

96 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Die aus solchen Lockergesteinen hervorgegangenen Böden sind tief-gründig. Es handelt sich um meist ausgereifte oder gealterte Bodentypen (im Gegensatz zu den Festgesteinsböden), die je nach ihrem Ausgangsge-stein mehr oder weniger fruchtbar sind. Aufgrund ihrer Tiefgründigkeit dienen sie auch in erster Linie der Ackerkultur. Auch hier ist wie bei den Festgesteinsböden der Kalkgehalt von größter Bedeutung. Kalkarme Sande weisen eine ganz andere Vegetation auf als kalkhaltige Bodenablagerun-gen. Diese pleistozänen Lockergesteine wurden im Holozän nochmals um-gelagert. Sie sind teils zusammengeschwemmt und abgelagert in Flussau-en, wo sie dann als alluviale Bildungen angesprochen werden. Sie können auch zu Dünen angehäuft oder am Wattenstrand als Schlickböden abgela-gert sein, woraus dann die fruchtbaren Marschenböden entstehen (Abb. 5.2).

Abb. 5.2. Die jungen, holozänen Marschenböden sind aus Feinsand und Schlick-ablagerungen an den gezeitenaktiven Flachküsten und in Flussmündungen ent-standen. Sie ähneln in ihrem Profilaufbau (A-G0G1-Profil) den Gleyböden. Sie werden in die Bodentypen Seewasser- Brackwasser- Fluss- und Moormarsch un-tergliedert. Nordseeküste bei Wilhelmshaven

5.2 Bodenarten

Das mineralische Material, aus dem ein Boden aufgebaut ist, stammt nur zum Teil aus dem Ausgangsgestein, zum Teil ist es im Prozess der Boden-bildung als Sekundärmineral neu gebildet worden. Neben den chemischen Eigenschaften und der Kristallstruktur der Minerale ist ihre Körnung oder

Page 110: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.2 Bodenarten 97

Korngrößenverteilung ein wichtiges Kennzeichen. Da die spezifische Oberfläche, das ist die Oberfläche bezogen auf die Masse, mit abnehmen-der Korngröße stark zunimmt, ergeben sich beispielsweise Möglichkeiten der Wechselwirkung mit der Bodenlösung bei kleinen Korngrößen eher als bei großen. Daher werden die Korngrößen nach einem Schema unterteilt, das mit abnehmendem Durchmesser immer engere Bereiche voneinander trennt (Abb. 5.3). Für die Korngrößenverteilung ist im deutschen Sprach-gebrauch der Begriff Bodenart eingeführt.

Abb. 5.3. Körnungsdreieck der mineralischen Substanz des Feinbodens (aus W. R. Fischer 2002); es bedeuten: Ss = stark sandiger Sand, Su = schluffiger Sand, Sl = lehmiger Sand, Slu = lehmig-schluffiger Sand, St = toniger Sand, Us = sandiger Schluff, Uu = stark schluffiger Schluff, Ut = toniger Schluff, Ts = sandiger Ton, Tt = stark toniger Ton, Tl lehmiger Ton, L = Lehm, Ls = sandiger Lehm

Das Schema der Klassifikation von Bodenarten in Abb. 5.3 berücksich-tigt vor allem die mineralische Substanz des Feinbodens, wobei die Sum-me der Anteile von Ton (T), Schluff (U) und Sand (S) 100 Prozent betra-gen. Eine feinere Unterteilung der Bodenarten wird durch die Kombination von Begriffen erzielt, wobei die Hauptbodenart voransteht, zum Beispiel: toniger Schluff (Ut), sandig-schluffiger Lehm (Lsu), schwach sandiger Lehm (Ls2). Unter Lehm (L) verstehen wir ein Gemisch aus Sand, Schluff und Ton.

Page 111: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

98 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Bodenarten werden nach Korngrößen ihrer mineralischen Bestandteile definiert und klassifiziert: Ton (T) hat einen Partikeldurchmesser, der weniger als 2 Mikrometer beträgt (< 2 ȝm), darauf folgen Schluff (U) mit einer Spannbreite von 2 bis 63 Mikrometer (2 – < 63 ȝm) und Sand (S) mit 63 Mikrometer bis 2 Millimeter (0,063 – < 2 mm). Grö-ßere Fraktionen sind Kies und Grus (Gr), deren Größen zwischen 2 und 63 Millimetern schwanken (2 - < 63 mm) sowie Steine über 63 Millimeter bis 200 Millimeter (63 - < 200 mm) und schließlich Blöcke mit einem Durchmesser von mehr als 200 Millimeter (> 200 mm).

Der Begriff Bodenart basiert auf den Bezeichnungen für Körnungsmi-schungen und der Zuordnung von Bodenpartikeln am Anteil Primärteil-

chen mit Durchmessern von weniger als 10 Mikrometern (Abb. 5.4). Hier-durch kann man verlässliche Mischungs- und Körnungsklassen ermitteln und darstellen. Beim Feinboden werden die Anteile der Sandfraktionen durch Sieben ermittelt; die Anteile der Schluff- und Tonfraktionen be-stimmt man mit Pipett- und Aräometer-Methoden, beispielsweise nach N. Moshrefi (1993). Da die Durchführung einer vollständigen Körnungsana-lyse sehr aufwändig ist, empfiehlt sich im Gelände deshalb oft die einfache „Fingerprobe“, mit der man Plastizität, Rollfähigkeit, Schmierfähigkeit und Rauigkeit einer Bodenprobe schnell erfühlen und bestimmen kann: Die Tonfraktion ist nach F. Scheffer und P. Schachtschabel (2002) gut formbar, sie hat eine durch das freigepresste Wasser glänzende und glatte Schmierfläche. Schluff ist weniger verformbar, mehlig und leicht staubig. Seine Schmierfläche ist rau. Sand ist nicht formbar, schmutzt nicht, und seine Körnigkeit ist sofort zu erkennen. Es ist also in vielen Fällen mög-lich, eine Körnung mit der Fingerprobe einer Bodenart mit hoher Sicher-heit zuzuordnen.

Im Allgemeinen zeigen durch Wasser und Wind transportierte Kornmi-schungen eine stärkere Sortierung der Bodenarten: Die Schlufffraktion kann vom Wind erfasst und leicht transportiert werden; deshalb sind schluffreiche Windsedimente, wie der Löss, auf der Erdoberfläche weit verbreitet. Tone sind ebenfalls großflächig vom Wind verfrachtet, aber meistens durch das Wasser weiträumig angesammelt, da Tone im Wasser stärker dispergieren und langsam sedimentieren. Schluff- und tonreiche Sedimente, wie sie als Löss oder als Marschen- und Auenablagerungen vorliegen, enthalten kaum jemals weniger als 10 Prozent Ton. Dagegen sind Tongehalte über 80 Prozent, wie sie in Tonschiefer oder tonreichen Kalkablagerungen vorkommen können, in Auenlehmen und Küstenmar-schen selten. In Flussauen werden die Bodenarten vom Hochwasserregime beeinflusst: Am Unterlauf von Flüssen gibt es die feinen Körnungen der Auenlehme, an den Oberläufen hingegen finden wir eher Steine und Kiese.

Page 112: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.2 Bodenarten 99

Parallel hierzu ist in einem Flusstalquerschnitt die Körnung flussnah am gröbsten und wird mit zunehmendem Abstand von der fließenden Welle feiner, da erst hier bei geringerer Strömung und Schleppkraft des Wassers die feinen Partikel sedimentieren (Abb. 5.5).

Abb. 5.4. Darstellung verschiedener Mischungen als Beispiele für Korngrößen-fraktionen entsprechend ihrem Durchmesser (16,9 ȝ = Quarzmehl, < 0,2 mm = Ton, 0,2 – 0,63 mm = Schluff, > 0,63 mm – 2 mm = Sand, > 2 mm = Kies oder Grus)

Besonders wichtig für die Körnung eines Bodens ist die Anordnung der Bodenpartikel im Gesamtverband: Je enger die Bodenpartikel aneinander gelagert sind, umso größer ist die Dichte des Bodens. Dieser Sachverhalt ist so allgemein gültig, dass in der Umgangssprache im Gegensatz zu ei-nem „lockeren Boden“ ein verdichteter, „verfestigter Boden“ steht. Diese verbreitete Verallgemeinerung übersieht, dass die Zunahme der Dichtela-gerung von Bodenpartikeln zwar eine regelmäßige, aber nicht die einzige Ursache einer Festigungszunahme im Boden ist. Es gibt nämlich auch nur dort punktuelle Verfestigungen in einem Bodenhorizont, wo an speziellen Kontaktstellen Möglichkeiten einer Verfestigung oder Konkretion von Par-tikeln bestehen. Ein Beispiel hierfür ist die Ortsteinbildung in den B-Horizonten von Podsolen, die wir im Kapitel 6 noch näher kennen lernen werden.

Wie die Körnung, so stellen auch die Porenform und die Porengrößen-verteilung ein Kontinuum dar, das man klassifizieren kann. Poren im Bo-den nennt man Primäre Poren, die körnungsbedingt sind, oder Sekundä-

Page 113: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

100 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Abb. 5.5. In einem Teiltransekt durch eine Flussaue wird deutlich, wie das Kör-nungsmuster die auffällige Vegetationszonierung einer mitteleuropäischen Fluss-aue mit Fließwasserröhrichten auf Kies am Flussufer, mit Weichholzwäldern auf Sand und Hartholzauenwäldern auf Auenlehm bedingt (aus Pott 1996, © Ulmer, Stuttgart)

re Poren die durch spaltförmige Schrumpfungsrisse sowie Wurzelröhren oder durch Lockern und Wühlen von Bodentieren entstehen. Zusammen bilden sie die Porengrößenverteilung oder Porung. Auch dieses System ist ein wichtiges Element des Bodens, besonders von Bedeutung für den Wasserhaushalt und die Feldkapazität. Darauf wird später noch näher ein-gegangen. Die Porengrößenverteilung ist bedeutsam für den Welkepunkt der Pflanzen: Wasser in den Feinporen von weniger als 0,2 Mikrometer Durchmesser ist in der Regel nicht pflanzenverfügbar. In den Mittelporen mit Durchmessern von mehr als 0,2 bis 10 Mikrometern ist es dagegen pflanzenverfügbar. Die Grobporen mit Lumina von mehr als 10 bis 50 Mikrometern sind in terrestrischen Boden normalerweise wasserfrei; ihr Anteil ist besonders wichtig für die Bodendurchlüftung. Die Porengröße ist weiterhin auch von großer Bedeutung für das Wurzelwachstum der Pflan-zen und der Pilzhyphen. Wurzelhaare Höherer Pflanzen mit Durchmessern von mehr als 10 Mikrometern können nur in Grobporen eindringen. Pilz-mycelien mit Durchmessern von etwa 3 bis 6 Mikrometern und Bakterien mit 0,2 bis 1 Mikrometer Größe können noch in Mittelporen leben. Die Feinporen sind selbst für Mikroorganismen nicht mehr besiedelbar.

Die Porengrößenverteilung ist hinsichtlich der Primärporen von Kör-nung und Kornform und hinsichtlich der Sekundärporen vom Bodengefüge und damit von der Bodenentwicklung abhängig. Deshalb ist der Anteil an

Page 114: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.3 Bodenminerale 101

Grobporen eines Bodens umso größer, je gröberkörnig, also sand- und kiesreicher, er ist. Der Anteil an Feinporen ist dagegen umso größer, je feinerkörnig ein Boden ist. Die Tabelle 5.1 zeigt, dass der Anteil der Grobporen bei sandigen Böden am höchsten ist und mit dem Tongehalt der Bodenfraktion absinkt. Ein zunehmender Gehalt der organischen Substanz führt besonders bei Sandböden zu einem erhöhten Anteil an Mittel- und Feinporen. Moorböden besitzen natürlicherweise sehr hohe Porenvolumi-na. Ihr Grobporenanteil sinkt, wenn der Zersetzungsgrad der organischen Substanz zunimmt, gleichzeitig steigen Mittel- und Feinporenanteil.

Tabelle 5.1. Anteil des prozentualen Porenvolumens und der Porengrößen in Mi-neralböden und organischen Böden (aus Scheffer u. Schachtschabel 2002)

Porenvolumen Grobporen Mittelporen Feinporen

Sand 46 ± 10 30 ± 10 7 ± 5 5 ± 3

Schluff 47 ± 9 15 ± 10 15 ± 7 15 ± 5

Ton 50 ± 15 8 ± 5 10 ± 5 35 ± 10

Anmoor 70 ± 10 5 ± 3 40 ± 10 25 ± 10

Hochmoor 85 ± 10 25 ± 10 40 ± 10 25 ± 10

Physikalisch betrachtet ist der Boden ein Dreiphasensystem mit festen, flüssigen und gasförmigen Phasen in Wechselbeziehung. Im Zuge der Bo-denreifung entstehen deutliche Horizonte, die an den einen Substanzen verarmen, während sich andere in ihnen anreichern. Diese Horizonte sind mit bloßem Auge zu erkennen. Ihre gesetzmäßige Anordnung ergibt das Bodenprofil. Und dieses Bodenprofil in seinem charakteristischen Aufbau und seiner Zusammensetzung ergibt den Bodentyp. Der Bodentyp ist also nichts anderes als ein gewisses Stadium der Bodenentwicklung unter ver-schiedenen Einflüssen. Das werden wir im Kapitel 6 vertiefen.

5.3 Bodenminerale

Die Primär- und Sekundärminerale im Gestein und im Boden unterliegen bei der Bodenbildung oder Bodenreifung verschiedenen chemischen Um-wandlungen, wobei auch immer wieder neue Minerale entstehen können; sie sind in Tabelle 5.2 zusammengestellt.

Siliciumdioxid (Į-SiO2, Quarz) ist als mechanisch und chemisch sehr stabiles Mineral in Böden gemäßigt humider Klimate weitgehend inert. Da

Page 115: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

102 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Quarz oft aus körnigen Gesteinen (z. B. Granit) stammt, findet er sich als Hauptbestandteil der Sand- und gröberen Schlufffraktionen. Hier stabili-siert er vor allem die Grobporen des Bodens. Während die Fe(II)-oxide in Böden kaum eine Rolle spielen, sind die Fe(III)-oxide sowohl für das Aus-sehen der Horizonte als auch für deren ökologische Eigenschaften von Be-deutung. Weiterhin markieren sie die Auswirkungen wichtiger Bodenpro-zesse. Die wichtigsten pedogenen Eisenoxide seien nachfolgend genannt: Hämatit (Fe2O3) ist rot und bildet sich bevorzugt bei höheren Temperatu-ren, geringerer Wasseraktivität (z. B. durch höhere Salzgehalte) und bei sehr raschem Abbau der organischen Bodensubstanz. Er ist der färbende Bestandteil in fast allen roten Böden, besonders in den „Terra rossa“-Böden und in den Latosolen der Tropen. Das gelbbraune Mineral Goethit (Į-Fe3+O[OH]) ist das häufigste pedogene Eisenoxid in den Böden Mittel-europas.

Die Bildung von Goethit wird gefördert durch ausreichend Wasser, teilweise reduzierende Bedingungen bei relativ hohen CO2-Gehalten in der Bodenluft bei carbonathaltigen Substraten. Das orangefarbene Mineral Lepidokrit (Ȗ-Fe3+O[OH]) bildet sich in carbonatfreien Böden bei wech-selnden Redox-Bedingungen, beispielsweise in Pseudogleyen. Ferrihydrit (5 Fe2

3+O3 · 9 H2O) ist das Eisen(III)-oxid mit der schlechtesten Kristall-struktur, der größten spezifischen Oberfläche, der höchsten Löslichkeit und dem größten Sorptionsvermögen für gelöste Stoffe. Dieses Mineral entsteht als erstes Verwitterungsprodukt eisenhaltiger Gesteine bezie-hungsweise als Abscheidungsprodukt eisenhaltiger Bodenlösungen. Im Laufe der Zeit kann Ferrihydrit zu Hämatit oder Goethit umgewandelt werden, was aber durch die Anwesenheit von gelösten Huminstoffen ver-zögert wird.

Da Eisen im Boden in zwei- und dreiwertiger Form vorkommen kann und die meisten Verbindungen des zweiwertigen Eisens leichter löslich sind als Eisen(III)-oxide, verändert sich der Eisenoxidgehalt von Böden als Folge von Redoxprozessen, so dass oxidierte Zonen gelb bis rotbraun, re-duzierte Zonen dagegen grau gefärbt sind. Eine wichtige Eigenschaft der Eisenoxide ist ihre Fähigkeit zur Bildung variabler Ladungen, an denen ge-löste Ionen gebunden werden können.

Aluminiumoxide entstehen in Böden durch die Verwitterung von Alu-mosilikaten; wichtigster Vertreter ist der Gibbsit [Ȗ-Al(OH)3]. Da die Alu-miniumoxide weiß beziehungsweise farblos sind und auch durch Redox-prozesse nicht beeinflusst werden, haben sie für die Bodenansprache kaum diagnostische Bedeutung. Sie können aber, ebenso wie die Eisenoxide, va-riable Ladungen tragen und damit gelöste Ionen binden. Mangan(IV)-oxide, beispielsweise der schwarze Pyrolosit (MnO2), werden in Böden unter oxidierenden Bedingungen, etwa bei Kontakt mit Luftsauer-

Page 116: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.3 Bodenminerale 103

Tabelle 5.2. Wichtige gesteins- und bodenbildende Minerale

Mineralstoffklassen Namen chem. Formeln

Elemente Kohlenstoff C

Halogenide Natriumchlorid, Halit, Steinsalz

NaCl

Kaliumchlorid KCl

Calciumfluorid CaF2

Oxide Siliciumdioxid SiO2

Hämatit Fe2O3

Goethit Į-Fe3+O(OH)

Lepidokrit Ȗ-Fe3+O(OH)

Ferrihydrit 5 Fe23+O3 · 9 H2O

Aluminiumoxid Į-Al2O3

Mangan(IV)-oxid MnO2

Carbonate und Sulfate Natriumsulfat Na2SO4

Gips Ca[SO4] · 2 H2O

Calcit Ca[CO3]

Dolomit CaMg(CO3)2

Siderit FeCO3

Silikate Orthokieselsäure H6SiO7

Kaolinit Al4[(OH)8|Si4O10]

Hydroxide Opal SiO2 · n H2O

Phosphate Apatit Ca5[(F,Cl,OH)|(PO4)3]

Sulfide Pyrit FeS2

Kupferkies CuFeS2

Nitrate Ammoniumnitrat NH4NO3

stoff, gebildet, wenn die Möglichkeit der Zufuhr gelösten Mangans (Mn2+) gegeben ist. Solche Bedingungen finden sich etwa in Stauwasserböden in der Trockenphase, so dass hier oft Manganoxide in Konkretionen auftre-ten. Mangan(IV)-oxide sind sehr wirkungsvolle Adsorbentien für viele ge-löste Ionen, vor allem für Schwermetalle.

Page 117: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

104 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Sieht man von leicht löslichen Sulfaten, wie Natriumsulfat (Na2SO4), ab, die nur in typischen Salzböden vorkommen, so ist Gips (CaSO4 · 2 H2O) das einzige Sulfatmineral, das in Böden von größerer Bedeutung ist. Dabei kann Gips sowohl als Primärmineral aus Gipsgesteinen als auch aus pedogenen Neubildungen auftreten, wie sie uns als „Gipsausblühungen" beispielsweise von Böden des mitteldeutschen Trockengebietes bekannt sind. In stärker versauerten Böden kommen allerdings Sulfate mit eng be-grenzten Stabilitätsbereichen vor, die für die Säurespeicherung in diesen Böden Bedeutung haben.

Die mengenmäßig bedeutendsten Carbonatminerale sind Calcit (Ca-CO3) und Dolomit (CaMg[CO3]2). In reduzierten eisen- und carbonathalti-gen Horizonten kommt außerdem Siderit (FeCO3) vor, der aber gegenüber Luftsauerstoff instabil ist und sich dann in Eisen(III)-oxide umwandelt. Die Carbonatminerale sind in Böden von großer ökologischer Bedeutung, weil sie durch die Reaktion

CaCO3 + H+ = Ca2+ + HCO3-

Säuren sehr wirkungsvoll durch Puffern neutralisieren können. Daher ist der pH-Wert von carbonathaltigen Bodenhorizonten normalerweise zwi-schen 7 und 8 und damit im Optimum wichtiger Bodentiere, beispielsweise der Regenwürmer. Durch Verringerung des Kohlendioxid-Partialdruckes der Bodenluft kann Calcit aus dem Bodensickerwasser ausgeschieden wer-den und zum Beispiel zur Bildung verhärteter Horizonte oder von Konkre-tionen führen. Formal sind Silikate Salze der sehr schwachen Kieselsäure (H4SiO4). In Böden fasst man unter diesem Begriff eine Vielzahl von Mi-neralen zusammen, die in ihrer Kristallstruktur das Tetraeder SiO4 haben, daneben aber noch eine Reihe weiterer Kationen und Anionen. Von be-sonderer Bedeutung sind die Alumosilikate oder Aluminosilikate, deren Struktur durch eine Verknüpfung von Silikat-Tetraedern mit Aluminium-oxid-Tetraedern gekennzeichnet ist. Bekanntestes Beispiel ist der Feld-

spat. Aufgrund der verschiedenen Ausgangsgesteine sowie des Grades der

Verwitterung und des Tonaufbaus ist zu erwarten, dass die minerogenen Bodenteilchen der einzelnen Böden von unterschiedlicher Größe sind. Der Bodenkundler spricht hier von Korngrößen oder auch von Bodenfraktion.

Unter Bodengefüge versteht man die räumliche Anordnung und Ver-bindung der festen Einzelteilchen des Bodens. Indirekt wird das Bodenge-füge durch das Porensystem gekennzeichnet, das durch Größe und Anord-nung der Einzelteilchen gegeben ist. Das Gefüge des Bodens lässt sich auf seinen verschiedenen Aufbaustufen untersuchen: Im Bereich der kolloida-len Ton- und Humuspartikel bestimmt man vor allem Form und Dichte der Koagulate. Koagulation der Bodenkolloide ist eine Voraussetzung für die

Page 118: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.3 Bodenminerale 105

Bildung von Bodenkrümeln, in die auch größere Einzelteile eingeschlossen sind. Die Krümel sind oft zu Krümelaggregaten verbunden (Abb. 5.6).

Abb. 5.6. Krümelstruktur des Bodens. Die Zwischenräume der Bodenkrümel füllen sich im Laufe der Zeit durch Partikel, die aus dem Prozess der Mikroerosion von den Krümeln abgetragen worden sind

Man unterscheidet zunächst zwischen Gefügen, die aus unverkitteten

Einzelteilchen bestehen, dem Einzelkorngefüge, und Gefügen mit mehr oder weniger fester Verbindung der Mineralpartikel. Eine besondere Be-deutung haben die Aggregatgefüge, bei denen eng zusammenhängende Bereiche von anderen durch Aggregatgrenzen getrennt sind. Beim Kohä-

renzgefüge sind die Bodenteilchen über größere Flächen miteinander ver-bunden.

Nach der Gestalt und Größe der Aggregate und ihrer Orientierung im Boden unterscheidet man verschiedene Gefügeformen und macht dabei oft gleichzeitig eine Aussage über die wirksamen gefügeprägenden Prozesse. In der Tabelle 5.3 sind die wichtigsten Formen der Aggregatgefüge zu-sammengestellt. Neben der Gefügeform ist die Stabilität der Aggregate maßgebend für den Luft- und Wasserhaushalt eines Bodens.

Tabelle 5.3. Bodengefüge (aus W. R. Fischer 2002)

Typ Entstehungsweise Aussehen

Einzelkorn Sediment ohne Verkittung einzelne Körner

Aggregat-Bodengefüge

Verkittung von Einzelteil-chen in begrenzten Berei-chen der Bodenmatrix

zusammenhängende Stücke unterschiedlicher Größe

Kohärent-Bodengefüge

Verkittung der gesamten Bodenmatrix über größere Bereiche

kompakt, gleichmäßig fest, keine bevorzugten Bruch-stellen

Page 119: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

106 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

5.4 Physikalische und chemische Verwitterung

Eine Begrenzung des Bodens erfolgt nach unten durch festes oder lockeres Gestein und nach oben durch die Vegetationsdecke. Der Boden ist für die Pflanze nicht nur physikalischer Halt und Wasserspeicher, sondern auch Nährstoffträger. Mit Ausnahme von Kohlensäure und Sauerstoff der Luft werden alle anderen chemischen Verbindungen für Leben und Wachstum aus dem Boden entnommen. Feinstruktur, Chemismus sowie Austausch-vorgänge zwischen Bodenlebewesen, Pflanzenwurzeln und Bodenpartikeln bestimmen somit das Geschehen vor allem in den oberen Bodenhorizon-ten. Doch wie entsteht ein Boden? Das Gestein in der Tiefe bildet keine kompakte Masse, sondern ist durch Schichtfugen, Spalten und Klüfte zer-legt (Abb. 5.7). Diese Trennflächen bilden bevorzugte Ansatzpunkte für Erosion, also Abtrag, Exaration, Aus- und Abschürfung, sowie Korrasi-

on, Abrieb und Schliff. Besonders an der Erdoberfläche unterliegen Ge-steine dem Einfluss und der zerstörerischen Wirkung von Sonne, Feuch-tigkeit, Wind, Frost und den biologischen, chemischen und physikalischen Verwitterungskräften.

Unter Verwitterung verstehen wir die natürliche Zerstörung der Ge-steine an der Erdoberfläche. Bei der physikalischen oder mechanischen Verwitterung werden Gesteine durch physikalische Kräfte zerkleinert.

Allmählich bildet sich im Laufe der Zeit ein humoser Bodenhorizont, ein Prozess, den wir nachfolgend genauer betrachten wollen. Dabei domi-niert zunächst der Faktor Druckentlastung: Bei der Erosion von Deckge-birgen werden die liegenden Partien entlastet und können sich ausdehnen. Dadurch können in Festgesteinen Risse entstehen. Verstärkend wirken Temperaturwechsel, insbesondere bei starken Tag-Nacht-Unterschieden, Wechsel von Sonne zu Schatten und jahreszeitliche Unterschiede. Minera-le haben unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten in Abhängigkeit von der Temperatur, dadurch treten in körnigen Gesteinen mechanische Span-nungen auf, die dort zu Rissen führen können. Dunkel gefärbte Minerale absorbieren mehr Licht, erwärmen sich rascher und kühlen sich schneller ab. Auch dadurch kommt es zu mechanischen Spannungen. Kompakte Ge-steine zeigen an ihren Oberflächen die größten Temperaturunterschiede. Dadurch gibt es mechanische Spannungen zwischen den Innen- und Au-ßenbereichen, so dass sich manchmal sogar schalenförmige Teile ablösen. Dieser Vorgang wird auch als Temperatursprengung oder Insolations-

verwitterung bezeichnet. Besonders wirksam ist die Insolationsverwitte-rung in schon vorhandenen Schwächezonen von Klüften und an instabilen Grenzflächen. Dort lösen sich dann die Gesteinsschichten schalen- oder schuppenförmig ab und wir sprechen von Desquamation, oder sie zerfal-

Page 120: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.4 Physikalische und chemische Verwitterung 107

Box 5.1. Zwei-, Drei- und Vierschichtminerale

Bei Zweischichtmineralen ist eine Tetraederschicht (Zentralion Si4+) über gemeinsame Sauerstoffionen mit einer Oktaederschicht (Zentralion Al3+) verbunden, während der Zusammenhalt zwischen den Doppelschichten durch Wasserstoffbrücken bewerkstelligt wird. Typischer Vertreter dieses Mineral-typs ist der Kaolinit (Al4[(OH)8|Si4O10]), der in sehr alten Böden vorkommt. Unter den Schichtsilikaten haben aufweitbare Dreischichtsilikate einen be-sonderen Einfluss auf die Bodeneigenschaften. Die Schichtsilikate, die in der Tonfraktion vorkommen, werden auch als Tonminerale bezeichnet. Zu die-sem Mineraltyp gehören beispielsweise die Glimmer mit einer hohen perma-nenten Ladung und Kalium als Zwischenschicht-Kation. Da Kalium sich von seiner Ionengröße gut in diesen Raum einfügt, wird es besonders fest gebun-den und ist nur sehr langsam austauschbar.

Wird im Verlauf der Bodenentwicklung dieses Kalium durch andere Kati-onen, wie Calcium, Magnesium oder Natrium, ersetzt, so ist der Zusammen-halt zwischen den Schichtpaketen nicht mehr so fest, und es können mit die-sen Kationen auch Wassermoleküle eindringen. Dadurch wird die Kristallstruktur aufgeweitet, und der Austausch der Zwischenschicht-Kationen wird erheblich erleichtert.

Typische Vertreter solcher Minerale in Böden sind Vermiculite und Smectite (z. B. Montmorillonit), die dadurch eine wichtige Rolle bei der Speicherung kationischer Nährstoffe bekommen. Bei uns werden als Tonmi-nerale vorwiegend Montmorillonit, Illit und Vermiculit gebildet. In tropi-schen Breiten kommt es dagegen zu einer stärkeren Kieselsäureabfuhr und als Tonmineral entsteht vorwiegend Kaolinit. Die Unterscheidung dieser Tonminerale ist deswegen so wichtig, weil sie eine unterschiedliche Absorp-tionsfähigkeit besitzen. Der Montmorillonit ist zum Beispiel aufgrund seiner Feinstruktur wesentlich absorptionsfähiger als der tropische Kaolinit. Daher sind auch die Böden des tropischen Regenwaldes nährstoffarm. Das Nähr-stoffpotential liegt hier in der Vegetation.

Nach W. R. Fischer (2002) können in stärker versauerten Böden auch Aluminiumhydroxy-Kationen aus der Bodenlösung in den Zwischenschicht-raum eingelagert werden. Sie enthalten dann eine weitere, oft zusammenhän-gende Oktaederschicht und bilden so die sekundären Chlorite, die auch als Vierschichtminerale bezeichnet werden. Durch diese Einlagerung wird auch ein großer Teil der permanenten Ladung blockiert und geht für den Katione-naustausch verloren.

Eine weitere bodenkundlich wichtige Eigenschaft der Silikate beruht auf der sehr geringen Säurestärke der Kieselsäure. So können Wasserstoffionen das Anion SiO4

4+ auch im Kristallverband protonieren. Die Folge ist einmal eine Pufferung der Säure, zum anderen eine Zerstörung des Kristallverbandes der Silikate, wobei auch die in ihnen enthaltenen Pflanzennährstoffe freige-setzt werden.

Page 121: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

108 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

len in einzelne Mineralkörper. Diesen Vorgang nennen wir Abgrusung (Abb. 5.7). Wenn die Gesteinsschichten in großen Schalen oder Platten abgelöst werden, sprechen wir von Exfoliation. Letztere finden wir häufig bei massigen Gesteinen, wie Plutoniten.

Die Insolationsverwitterung kommt dadurch zustande, dass sich die Minerale bei hohen Temperaturen ausdehnen und bei tiefen zusam-menziehen, insbesondere durch starke Temperaturschwankungen von mehr als 50 Grad Celsius. Durch diesen Vorgang wird das Gesteinsge-füge gelockert. In die entstandenen Spalten kann Wasser eindringen. Dabei dehnen sich die Minerale in den Gesteinen ungleich aus, und es kommt zu Spannungen nahe der Oberfläche, wodurch das Gesteinsge-füge gelockert wird.

Abb. 5.7. Silikat-Buchenwald vom Typ des Luzulo-Fagetum auf flach-gründigem Ranker aus stark verwit-terndem devonischem Schiefergestein im Sauerland

Beim Granit spricht man von Wollsackverwitterung und meint damit rundliche Gesteinsblöcke, die als Felsenburgen oder Blockmeere verge-sellschaft vorkommen und deren Entstehung überwiegend auf chemische Verwitterung zurückgeht (Abb. 5.8). Man muss allerdings die Insolations-verwitterung immer im Kontext mit den anderen Verwitterungsformen se-hen.

Page 122: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.4 Physikalische und chemische Verwitterung 109

Unter Einwirkung von Wasser und Kohlensäure beginnt danach die chemische Verwitterung. Diese Verwitterung fehlt in den Trockengebie-ten der Erde aus Mangel an Wasser. Dagegen ist sie gerade in den warmen humiden Gebieten die häufigste Form. Sie umschließt die mannigfaltigen Vorgänge, die das Wasser mit den in ihm gelösten Substanzen an den Ge-steinspartikeln auslöst.

Abb. 5.8. Wollsackverwitterung an Granitfelsen auf dem Brocken im National-park Harz

Die schon genannte Exfoliation, das „Abblättern“ oder Abschälen der äußersten Deckschichten der Gesteine, erzeugt schließlich die runden For-men. Diese Form der Verwitterung wird auch als Feinabschuppung oder als thermische Exfoliation bezeichnet. Sie tritt besonders häufig an Feld-flächen auf, die intensiver Sonnenstrahlung ausgesetzt sind, also tagsüber an ihren Oberflächen stark erhitzt werden, während das Gestein dicht dar-unter wegen seiner schlechten Wärmeleitfähigkeit vergleichsweise kühl bleibt. Dadurch kommt es zur Ausdehnung und zur Kontraktion der ober-flächennahen Mineralschichten mit der Folge von Scherspannungen, der Bildung oberflächennaher, meist haarfeiner Gesteinsspalten und der nach-folgenden Abblätterung oder Abschuppung ganzer Gesteinsschichten. Ge-steinsbewohnende Algen und Flechten können diesen Prozess noch ver-stärken (Abb. 5.9).

Eine weitere wichtige Form ist die Verwitterung durch Frostspren-

gung: Sie ist der wichtigste Verwitterungstyp aller jener Klimate, in denen Frostwechsel stattfindet. Flüssiges und gasförmiges Wasser, das sich in

Page 123: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

110 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

feinen Haarrissen, Poren, Kapillarräumen und Fugen im Gestein anrei-chert, dehnt sich beim Gefrieren mit einer Volumenzunahme von 7 bis 10 Prozent aus. Das Maximum der Ausdehnung wird bei minus 25 Grad Cel-sius erreicht. Ihre Tiefenwirkung hängt ab von der Gesteinsart und Lage-rung sowie zahlreichen Gesteinseigenschaften in Form von Klüften und Poren. Frostsprengung kann bis in etwa 2 Meter Bodentiefe hinabreichen.

Abb. 5.9. 200 Millionen Jahre alte Granite im Flinders Chase National Park auf dem südaustralischen Kangaroo Island zeigen das Phänomen der Exfoliation, wo-bei unter dem Einfluss des Seewindes spezielle orange-rot gefärbte Flechten und Algen die Verwitterung verstärken. Durch Salzverwitterung entstehen die Tafoni, die rundlichen Hohlformen im Gestein

In Gesteinhohlräume eindringendes Wasser gefriert bei Frostwechsel und bildet Klufteis. Da sich Wasser beim Frieren ausdehnt, entstehen beim weiteren Frieren im Poreninneren sehr hohe Drücke auf die umgebenden Gesteinswände. Dieser Vorgang wirkt vor allem bei wiederholtem Tempe-raturwechsel um die Null-Grad-Grenze. In wassergefüllten Poren friert das Wasser von außen, so dass sich ein Eispfropf bildet, der die Poren ver-schließt. Die Sprengwirkung tritt nur dann ein, wenn die Hohlräume weit-gehend geschlossen sind. Ihre Wirkung reicht von der Zerstörung der Mi-nerale eines Gesteins bis hin zum Zerlegen der Blöcke und der Erzeugung von Frostschutt (Abb. 5.10).

Page 124: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.4 Physikalische und chemische Verwitterung 111

In frostfreien ariden Gebieten bewirken Mineral- oder Salzlösungen die Zersprengung des Gesteins, indem nach Verdunsten des Wassers Salze auskristallisieren. Es handelt sich hier also um eine Form von Salzspren-gung, der aber im Vergleich zur Frostsprengung weniger Bedeutung zu-

Abb. 5.10. Geklüftete Gesteine verwittern mechanisch durch Blockzerfall, wie hier am Feldberg im Schwarzwald. Thermische Expansion und Kontraktion, seit-liche Druckentlastung durch Abtrag von Nachbargesteinen und Eisbildung in den Klüften sind hierbei die wirksamsten Kräfte. Das Material sammelt sich als Blockhalde am Fuß einer Felswand

kommt. Bei der Salzverwitterung werden die Minerale des Ausgangsge-steins beziehungsweise des Bodens durch den Einfluss klimatischer Fakto-ren, wie Niederschläge, Säuren oder Luftsauerstoff, umgewandelt oder aufgelöst. Dringen salzhaltige Lösungen in Gesteinshohlräume, so ver-dunstet in ariden und semiariden Klimaregionen das Bodenwasser und es kommt zur Bildung von Salzkristallen oder Salzhorizonten im Boden. Bei erneuter Befeuchtung, beispielsweise mit Regenwasser, kommt es dann zur Hydratation, also zur Anlagerung von Wassermolekülen an die Ober-fläche der salzhaltigen Bodenpartikel oder sogar zur Einlagerung von Wassermolekülen in die Kristallgitter der Salze selbst. Das führt zur Vo-lumenzunahme, wie wir es von der chemischen Reaktion der Umwandlung von Anhydrit zu Gips her kennen, die mit einer Volumenänderung von et-wa 60 Prozent abläuft:

CaSO4 + 2 H2O ĺ CaSO4 · 2 H2O

Page 125: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

112 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Diese Form der Salzverwitterung gehört zwar wegen ihrer Volumenän-derung und Bodenquellung infolge des Kristallwachstums zum Typ der physikalischen Verwitterung, wir können hier aber schon von chemischer

Verwitterung sprechen, da hierbei auch neue chemische Substanzen ent-stehen.

Insbesondere in klimatisch wechselfeuchten Regionen kommt es dazu, dass Gesteins- und Bodenoberflächen sehr schnell an ihren Oberflächen austrocknen, während das Wasser in tieferen Schichten länger verbleiben kann. Dort bewirkt es eine chemische oder salinäre Verwitterung im In-nern des Gesteins, was letztlich zu einer inneren Auflösung äußerlich noch intakt wirkender Gesteine führt. Entstehen – meist durch Salzsprengung – Öffnungen in der äußeren Kruste solcher Formen, so kann das verwitterte Material ausgeräumt werden, und es bilden sich Hohlräume, die Tafoni (Abb. 5.9). Dieser Vorgang der Bildung von Hohlformen in Felswänden oder größeren Gesteinsblöcken, die auf chemisch-physikalische Verwitte-rung zurückzuführen sind, bezeichnet man als Tafonierung.

Dabei wird im humiden Klimabereich oft ein Teil des Materials mit dem Sickerwasser weggeführt. Daneben bilden sich direkt oder aus der Lö-sungsphase neue Minerale, die wir schon als Sekundärminerale kennen ge-lernt haben. Die Tradition, den chemischen Vorgang der Lösung als che-mische Verwitterung zu betrachten, beruht darauf, dass dieser Vorgang in der Tat in Verbindung oder im Gefolge von chemischen Verwitterungs-prozessen auftritt. Dabei unterscheidet man verschiedene Prinzipien:

Unter den natürlichen Mineralen sind die Chloride von Natrium (NaCl) und Kalium (KCl) besonders leicht wasserlöslich. Sie sind daher nur in ex-tremen Trockenklimaten an der Erdoberfläche zu finden, beispielsweise am Toten Meer in Israel oder an den Salzseen in Nordamerika (Abb. 5.11).

Der Begriff der chemischen Verwitterung fasst alle weiteren gesteins-umwandelnden Prozesse zusammen, bei denen sich die chemischen Mine-ralkomponenten verändern. Hierzu sind Kohlendioxid (CO2), Sauerstoff (O2), ausreichend Wasser als Lösungsmittel und zahlreiche organische und anorganische Säuren zur intensiven chemischen Umwandlung der Minera-le notwendig. Eine Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass sich keine Bodensättigung einstellt. Die Verwitterungsprodukte der oberen Bodenho-rizonte müssen entweder mit dem Sickerwasserstrom weggeführt oder im Boden in neue Sekundärminerale, wie Oxide, Hydroxide und Tonminerale, überführt werden.

Dabei spielen die genannten Vorgänge der Hydratation oder Lösungs-

verwitterung eine entscheidende Rolle: Aufgrund des Dipolcharakters von Wasser neigen Grenzflächenkationen zur Anlagerung von Wassermo-lekülen. In Folge umschließt eine Hydrathülle frei liegende Ionenoberflä-

Page 126: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.4 Physikalische und chemische Verwitterung 113

chen. Die angelagerten Wassermoleküle an den Grenzflächen verändern die chemischen Bindungen im Kristall, und eine Lockerung des Gesteins ist die Folge. Andere Verwitterungsformen, wie die schon erwähnte Salz-sprengung, könnten hier problemlos ansetzen.

Abb. 5.11. Der Mono-Lake ist ein etwa 200 Quadratkilometer großer Salzsee am Rande der Mojave-Wüste in Kalifornien. Der See ist über 700 000 Jahre alt und vermutlich das Ergebnis früherer vulkanischer Tätigkeit. Er hat zwar mehrere Zu-flüsse, aber keinen oberirdischen Abfluss. Die bizarr geformten, salzüberkrusteten Kalksinterbildungen an seinem Südufer sind etwa 13 000 Jahre alte Sedimente, die erst seit den 1960er Jahren sichtbar sind, seitdem man hier große Mengen Wasser für die Stadt Los Angeles entnommen hat und der Seespiegel erheblich gesunken ist

Oft wird auch die Verwitterung von Carbonaten, den Salzen der Koh-lensäure, als eigenständige Verwitterungsart definiert: Die Löslichkeit von Steinsalz (NaCl) beträgt bei 10 Grad Celsius beispielsweise 263 Gramm in einem Liter Wasser. Die Löslichkeit von Gips dagegen beträgt nur 1,9 Gramm pro Liter, ist aber immer noch groß genug, um auch morphogene-tisch wirksam zu sein. Auch Kalkgestein wird gemeinhin zu den wasser-löslichen Gesteinen gezählt; das funktioniert jedoch nur, wenn Kohlendi-oxid (CO2) im Wasser enthalten ist. Dieses ist seinerseits durch Lösung in Form von Kohlensäure (H2CO3) in natürlichen Gewässern gelöst. Als ei-genständiger und überdies vorherrschender chemischer Verwitterungsvor-gang tritt die Carbonatisierung, also die Bildung und Anreicherung von Carbonaten, im Boden auf. Diese bestehen ihrerseits bereits als Carbonate,

Page 127: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

114 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

wie Calcit (CaCO3), das Mineral des Kalksteins. Durch Reaktion mit der Kohlensäure bildet sich daraus ein „doppeltes“ Carbonat, früher Calcium-

bicarbonat, heute Calciumhydrogencarbonat genannt. Kalkstein reagiert mit Kohlensäure zu Calciumhydrogencarbonat:

CaCO3 + H2CO3 ĺ Ca (HCO3)2

Chemisch liegt hier der gleiche Grundprozess vor wie bei der Hydrolyse,

wörtlich aus dem Griechischen die „Auflösung in Wasser“, unter Beteili-gung von Kohlensäure mit dem einzigen Unterschied, dass alle entstehen-den Reaktionsprodukte hochgradig wasserlöslich sind und damit meist ab-geführt werden: Im Unterschied zum Calcit ist das Calciumhydrogen-carbonat bereits im Wasser löslich. Das ist die entscheidende Voraus-setzung für die „Löslichkeit“ des Kalks und für die Entstehung entspre-chender Erosionstypen aus dem geomorphologischen Formenschatz der Karstverwitterung, der beispielsweise auch die Doline Gstettneralm ihre Entstehung verdankt, die wir in Abb. 4.4 kennen gelernt haben.

Durch den Reaktionsschritt der Carbonatisierung bildet sich Calcit, bei-spielsweise beim Quellaustritt („Sinterkalk") oder als Tropfstein in Höh-len. Auf der gleichen chemischen Reaktion beruht die Bildung von Kalk-konkretionen im Unterboden. Die Carbonatisierung wirkt auch bei der Komplexverwitterung vieler anderer Minerale mit, beispielsweise bei der Hydrolyse der Feldspäte. Die Carbonatverwitterung ist gleichzeitig der wirksamste Säurepuffer in Böden und stabilisiert den pH-Wert im Neutral-bereich. Dabei ist der Dolomit etwas stabiler als das Calcit, so dass seine Auflösung etwas langsamer abläuft. Ganz wichtig für die Verwitterungs-geschwindigkeit ist die Größe der reaktiven Oberfläche der Minerale, also die spezifische Oberfläche, und damit auch die Korngröße. So kann es vorkommen, dass man in einem Oberboden eines Kalkverwitterungsbo-dens, beispielsweise einer Rendzina, noch größere Stücke Kalkstein findet, während der Feinboden vollständig entkalkt und sogar sauer ist.

Hydrolyse ist die wichtigste chemische Reaktion bei der Silikatverwit-

terung. Der Vorgang der Verwitterung von Silikaten ist sehr bedeutsam, weil er in großen Teilen der Erde abläuft und viele Gesteine überwiegend aus Silikaten bestehen. Durch diesen Vorgang wird das vorwiegend kol-loidchemisch reaktionsfähige Bodenmaterial der Tonkolloide geschaffen. Das Wasser reagiert mit dem Silikatmineral durch Austausch eines H+-Ions gegen ein Kation des Minerals, das sich seinerseits mit dem Anion OH- zu einem Hydroxid verbindet. Die Silikatverwitterung ist in ihrer Wir-kung eine Mikroverwitterung. Jedes Silikat stellt ein Raumgitter dar, und dieses Raumgitter wird stufenweise abgebaut. Die am Rande dieses Raumgitters befindlichen Kationen haben das Bestreben sich zu hydratisie-ren. Durch diese Hydratisierung erfahren die Randzonen des Silikatgitters

Page 128: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.5 Biologische Verwitterung und Tonzerfall 115

eine Auflockerung und Auflösung, und die Alkalien und Erdalkalien wer-den frei. Damit wird gleichzeitig ein Teil der Kieselsäure frei, und das Si-likat zerfällt in die restlichen Bruchstücke Aluminiumhydroxid (Tonerde; Al[OH]3) und Siliciumdioxid (SiO2). Bei diesen Vorgängen wird auch das eingebaute Eisen in den Randzonen frei. Es oxidiert als Folge des Sauer-stoffzutritts und wird in Brauneisenstein oder Limonit umgewandelt. Die fortschreitende chemische Verwitterung lässt sich also an der zunehmen-den Braun- oder Rotfärbung (Rostfärbung) des Gesteins oder der Böden gut verfolgen. Dieser stufenweise Zerfall geht also in den Randzonen des Minerals vor sich und schreitet nach innen bis zur völligen Auflösung des primären Gitters fort. Der Prozess dieser Silikatverwitterung läuft umso schneller ab, je stärker die Wasserstoffionenkonzentration, je höher die Temperatur und je günstiger der Feuchtigkeitsgehalt ist.

5.5 Biologische Verwitterung und Tonzerfall

Wir haben schon gesehen, dass Verwitterung und Abbau organischer Sub-stanz Gesteine, Minerale und Humusstoffe in unterschiedlichen Stadien der Bodenbildung integrieren. Ein echtes Gleichgewicht zwischen Boden-aufbau und Dekomposition kann sich allerdings nicht einstellen, denn der Boden ist ein offenes System. Bei Auswaschungsvorgängen kommt es zu Verlusten an Mineralen und organischer Substanz, und durch die Absorp-tion von Wärme gewinnt ein Boden an Energie. Wichtig in diesem Zu-sammenhang ist ferner die Tatsache, dass tages- und jahreszeitliche Schwankungen im Energie- und Nährstoffhaushalt sowie langjährige Ver-änderungen eines Bodens in den verschiedenen Klimaregionen der Erde zu verzeichnen sind. Ein Boden ist also in dauernder Veränderung begriffen.

Die biologische Verwitterung wirkt insbesondere durch die Spreng-wirkung von Wurzeln, welche die physikalische Verwitterung unterstüt-zen, durch die von den Wurzeln und Abfällen ausgeschiedenen Säuren, be-sonders im Hinblick auf die Unterstützung der chemischen Verwitterung, und durch die Tätigkeit der Mikroorganismen. Unter den Mikroorganis-men sind vorwiegend Bakterien, Algen und Spaltpilze (Actinomyceten) wirksam bei diesem Prozess. Zum Beispiel gehören Salpeterbakterien und Nitratbakterien zu den gesteinszerstörenden Mikroorganismen. Auch endo-lithische Flechten wirken hierbei mit. Neben solchen Spezialgruppen för-dern alle Kohlensäureproduzenten unter den Mikroorganismen die Prozes-se der Gesteinsverwitterung.

Die mineralischen Bestandteile eines Bodens bestehen aus Gesteins-bruchstücken und primären oder neugebildeten Mineralen, vor allem Ton-mineralen. Für die Bodenbildung essentiell sind ferner die organischen

Page 129: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

116 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Box 5.2. Hydrolyse, Kohlensäureverwitterung und Tonminerale

Bei der Hydrolyse werden Silikate und Carbonate durch Wasser chemisch verwandelt. Dabei kommt es zu einer stofflichen Veränderung der Kristallgit-ter, da die H+-Ionen des Wassers die Kationen in den Gesteinsgrenzflächen dissoziieren. Kalium (K+), Natrium (Na+), Calcium (Ca2+) und Magnesium (Mg2+) gehen im Austausch gegen die Wasserstoffionen in die Bodenlösung über. Dieser Vorgang schreitet von der Gesteinsoberfläche in das Innere fort, so dass letztlich auch tiefer im Gestein gebundene Kationen freigesetzt wer-den. Auf diese Weise verlieren die Silikat- und Carbonatmineralien ihren Zu-sammenhalt und letztendlich werden Kieselsäure (SiO2) und Aluminiumio-nen aus ihrem ursprünglichen Mineralverband gelöst und in das Sicker- oder Bodenwasser überführt. Säuren beschleunigen die hydrolytische Verwitterung, da sie die Wasserstoff-ionen-Konzentration des Mediums erhöhen und dessen pH-Werte dadurch erniedrigen. Die wichtigste Rolle hierbei spielt das CO2, das als Kohlensäure (H2CO3) im Wasser gelöst vorkommt. Das CO2 wird zum einen Teil aus der Atmosphäre bereitgestellt, der weitaus größere Teil jedoch entstammt der Bodenluft, wo die Atmung der Bodenorganismen den CO2-Gehalt um ein Vielfaches vermehren kann. Der CO2-Partialdruck der Bodenluft kann nach Angaben von Gebhardt et al. (2007) den der freien Atmosphäre um das Drei-hundertfache übersteigen. Vor allem die häufigen Feldspäte reagieren mit Kohlensäure und Wasser zu Kaolinit, Kieselsäure, Kalium und Hydrogencarbonat nach folgender Formel: 2 KAlSi3O8 + 2 H2CO3 + H2O ĺ Al2Si2O5 (OH)4 + 4 SiO2 + 2 K + 2 HCO3

Das Hydrogencarbonat (HCO3) geht dabei in Lösung und wird meistens ab-geführt. Die anderen Verwitterungsprodukte werden ausgefällt oder in die Synthese weiterer Tonminerale eingebunden. Welche Tonminerale letztend-lich entstehen, hängt vom pH-Wert der Bodenlösung und der Löslichkeit der Minerale selbst ab. Auch spielt die Zeit in diesem Zusammenhang eine wich-tige Rolle, da fortschreitende Verwitterung normalerweise mit kontinuierli-cher Versauerung des Bodenmilieus einhergeht. So kann aus einem Drei-schicht-Tonmineral Smectit durch Lösung und Abfuhr von Silicium (Si) bei langanhaltender Verwitterung in den Tropen das Zweischicht-Tonmineral Kaolinit entstehen. Aus der Tonmineralzusammensetzung eines Bodens kann also auch auf den Grad der Bodenbildung und auf sein Alter geschlossen werden.

Substanzen, welche primär von den Pflanzen gebildet und von Mikroorga-nismen und Tieren umgewandelt werden. Minerogene Bestandteile des Bodens, die durch die Verwitterung des Ausgangs- oder Muttergesteins zustande gekommen sind, bestimmen die Bodenart. Alle zusammen, die

Page 130: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.5 Biologische Verwitterung und Tonzerfall 117

minerogenen und die organogenen Bestandteile des Bodens, erfahren mit der Zeit Umschichtungen und Veränderungen vor allem durch die Orga-nismen des Bodenlebens, das Edaphon, das anschließend behandelt wird. In den Böden finden sich nahezu alle Minerale der Ausgangsgesteine wie-der, man nennt sie Primärminerale. Dazu kommen noch weitere, die im Verlauf der Bodenentwicklung gebildet werden. Man nennt diese Sekun-

därminerale. Sie sind wichtig für die Bodeneigenschaften. Bei stark sau-rer Reaktion des Bodens geht im Gegensatz zu den Kalkböden der Zerfall der Silikate zwar schnell voran, aber die Tonminerale sind nicht beständig. Es tritt ein Tonzerfall ein in die Zerfallsprodukte Kieselsäure (SiO2) oder verschiedene Sesquioxide, wie zum Beispiel Eisen(III)-oxid oder Alumi-niumoxid. Die Humuskolloide bilden mit den Sesquioxiden komplexe Ver-bindungen und führen sie in Solform über, so dass eine Auswaschung durch Regenwasser erfolgt. Wir sprechen im Fall des Tonzerfalls auch von der Bodenalterung, weil die Sorption der Nährstoffe infolge des abneh-menden Tongehaltes allmählich schwindet und sich die Nährstoffversor-gung der Pflanzen verschlechtert. Danach unterscheiden wir drei Alter-klassen eines Bodens:

• Jugendstadium: Zwar physikalische Verwitterung, jedoch kein nen-nenswerter Tonaufbau (Primäre Minerale),

• Reifestadium: Optimaler Tonaufbau (Sekundäre Minerale),

• Altersstadium: Tonzerfall.

Der Prozess der Tonverlagerung oder Lessivierung bewirkt, dass sich Partikel der Tonfraktion im Oberboden aus dem Aggregatverband lösen, mit dem Sickerwasser nach unten transportiert und im Unterboden wieder festgelegt werden. Auf diese Weise entsteht ein Bodenhorizont mit gerin-geren Tongehalten und einer mit Tonanreicherung. Auslöser für diesen Prozess ist das Absinken der Calcium-Konzentration in der Bodenlösung: Bei hohen Calcium-Konzentrationen sind hier die negativ geladenen Ton-partikel über Calcium-Brücken aggregiert und damit immobil. Bei sinken-der Konzentration in der Bodenlösung werden die Calcium-Brücken auf-gebrochen und die nun freien negativen Ladungen erzeugen Abstoßungs-kräfte zwischen den Tonteilchen. Der Ton kann dispergieren und, falls genügend Sickerwasser vorhanden ist, nach unten verlagert werden. Im Unterboden werden bei höheren Calcium-Konzentrationen neue Calcium-Brücken aufgebaut, die den Ton festlegen.

Reduktions- und Oxidationsreaktionen in den Bodenschichten sind bei verschiedenen Sauerstoffkonzentrationen an einer Vielzahl von chemi-schen und biologischen Vorgängen beteiligt. Sie beeinflussen die Bil-dungsformen und biologische Verfügbarkeit sowie die Verlagerung und den Transport der Bodenelemente von Eisen, Mangan, Kohlenstoff,

Page 131: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

118 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Box 5.3. Podsolierung

Beim Prozess der Podsolierung, auch „Sauerbleichung” genannt, lösen sich Aluminium- und Eisenoxide unter dem Einfluss komplexierend wirkender Fulvosäuren im Oberboden auf, werden mit dem Sickerwasser verlagert und dann wieder ausgefällt. Es bildet sich ein verfestigter Einwaschungshorizont, der Ortstein. Dieser durch Eisen- und Humusanreicherung steinhart verfestig-te und bräunlichschwarz gefärbte obere Teil des B-Horizontes mit seinen zapfenförmigen Ausbuchten an Wurzelkanälen, wie sie Abb. 5.12 zeigt, ist vor allem auf Sanden unter Heidevegetation verbreitet und beeinträchtigt stark die Vegetationsentwicklung zurück zum Wald, da der Ortstein-Horizont schwer wasserdurchlässig ist und von den Pflanzenwurzeln kaum durchsto-ßen werden kann. Bei geringerer Verhärtung des Ortsteins spricht man von Orterde. Im Einzelnen lässt sich der Prozess in folgende Phasen aufgliedern: Zunächst kommt es zur Bildung stark saurer, wasserlöslicher Abbauprodukte, der Fulvosäuren, in der Organischen Boden-Schicht, in der Humusauflage und im Ah-Horizont, der dann als Ahe-Horizont bezeichnet wird (e von Elu-vial). Dann tritt eine komplexierende Auflösung von Eisen- und Aluminium-oxiden im Ahe- und manchmal auch im Ae-Horizont auf. Es folgt der Trans-port aller Fulvosäuren mit dem Sickerwasser in tiefere Schichten. Schließlich kommt es zur Ausfällung in den Anreicherungshorizonten Bh (h = humos) und Bs (s von sesqui = anderthalb nach dem Atomverhältnis in Fe2O3 und Al2O3) im Ortstein oder in der Orterde. Für diese Ausfällung sind die hydro-lytische Zersetzung bzw. Immobilisierung bei ansteigendem pH-Wert und die mikrobielle Umwandlung in weniger lösliche Formen oder eine Mineralisie-rung der organischen Molekülteile verantwortlich. Podsolierung tritt auf in nährstoffarmen, sehr sauren Böden mit der typischen Humusform des Roh-humus, da sich unter solchen Bedingungen verstärkt Fulvosäuren bilden. Au-ßerdem wird der Prozess durch ein kühl-feuchtes Klima und gut durchlässige Sandböden begünstigt. Der Bh-Horizont ist nach unten oft in einzelne, scharf abgegrenzte Bänder aufgelöst.

Stickstoff und Schwefel. Redoxreaktionen nennt man solche chemi-

schen Umsetzungen, an denen Elektronen beteiligt sind. Da Elektronen in wässriger Lösung nicht frei vorkommen, ist jede Oxidation (= Elektronen-abgabe) mit einer Reduktion (= Elektronenaufnahme) eines anderen Stof-fes verbunden. Ein Maß für die Konzentration der oxidierten und reduzier-ten Stoffe in einer Lösung ist das Redoxpotential. Es ist eine Kenngröße für die elektrochemische Aktivität der Elektronen in einem Medium. Von den chemischen Elementen der Bodenbestandteile kommen nur wenige als Donatoren oder Rezeptoren für Elektronen in Frage. Die wichtigsten sind die oben genannten Bodenelemente Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Mangan, Eisen und Schwefel. Unter stark reduzierenden Standortbedin-

Page 132: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.6 Bodenwasser und Bodenluft 119

gungen kommt noch Wasserstoff hinzu. Als Kräfte für die Redoxprozesse im Boden wirken niedrige und hohe Oxidationsstufen bei unterschiedli-chen Sauerstoffgehalten.

Abb. 5.12. Die Lackprofile von Eisen-Humus-Podsol-Böden von Reinhold Tüxen aus der Sammlung des Museums „Natur und Mensch“ in Oldenburg zeigen zap-fenartige Strukturen, die auf das Eindringen von Wurzeln in tiefere Bodenschich-ten zurückzuführen sind

5.6 Bodenwasser und Bodenluft

Wir haben es bereits gesehen, jeder Boden ist ein dreiphasiges System: Es besteht aus einer festen, einer flüssigen und einer gasförmigen Phase. Je günstiger das Raumverhältnis zwischen diesen einzelnen Phasen ist, umso größer sind die Voraussetzungen für die Bodenfruchtbarkeit. Der Raum am Gesamtvolumen eines Bodens, den die feste Phase einnimmt, bezeich-net man als Substanzvolumen, während der übrige Teil, die Hohlräume im Boden, als Porenvolumen bezeichnet werden. Der Anteil des Porenvo-lumens gibt also den Raum an, welcher der gasförmigen und flüssigen Phase, das heißt der Luft und dem Wasser zur Verfügung steht. Ideale Ver-teilungsverhältnisse zwischen Porenvolumen und Substanzvolumen für das

Page 133: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

120 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Wachstum der meisten unserer Pflanzen liegen dann vor, wenn die Ver-hältnisse etwa 1:1 stehen, also 50 Prozent Porenvolumen und 50 Prozent Substanzvolumen. In solchen Böden sind die Hohlräume auch so groß, dass selbst dann, wenn der Boden bis zur Wasserkapazitätsgrenze mit Wasser versorgt ist, noch genügend Hohlraum für die Luft zur Verfügung bleibt. Macht das Luftvolumen in diesem wassergesättigten Zustand etwa 10 Prozent des Gesamtbodenvolumens aus, so ist eine ausreichende Sauer-stoffzufuhr für die Wurzeln unserer meisten Wild- und Kulturpflanzen ge-währleistet. Diese Sauerstoffzufuhr spielt ja für die Wurzelatmung der Hö-heren Pflanzen und noch mehr für die Lebensprozesse der aeroben Mikroorganismen eine lebenswichtige Rolle.

Bei den verschiedenen Korngrößenfraktionen unserer Böden und ihren unterschiedlichen Strukturverhältnissen mit Einzelkorn- oder Krümelstruk-tur ist es verständlich, dass die Hohlräume der einzelnen Böden durchaus unterschiedlich sind. Bei den schweren Böden, den Lehm- und Tonböden, sind sie, weil die Bodenpartikel sehr fein sind und sich daher dicht zu-sammenschließen können, sehr klein. Das hat den großen Nachteil, dass diese kleinen Hohlräume wie Kapillaren wirken und sich bei Wassersätti-gung des Bodens voll mit Wasser anfüllen. Dazu kommt dann noch eine Quellung der Tonkolloide infolge der Hydratation. Für die Bodenluft bleibt unter diesen Umständen nur noch wenig oder überhaupt kein Platz mehr. Das Wasser wird also in den feinen Hohlräumen festgehalten. Wir bezeichnen einen solchen Vorgang als Staunässe. Er tritt also oberfläch-lich ohne Abhängigkeit vom Grundwasserspiegel auf und zwar immer in dicht gelagerten, wenig durchlüfteten Böden. Solche Böden sind sofort an der Zusammensetzung ihrer Pflanzengesellschaften zu erkennen.

Anders verhält sich ein schwerer Boden, wenn durch Kalk eine gesunde Krümelstruktur hervorgerufen wird. Die Krümel können aufgrund ihrer Größe nicht so dicht lagern wie die einzelnen Tonpartikelchen. Es entste-hen also größere Hohlräume im Boden, die auch bei voller Wassersätti-gung nicht mit Wasser angefüllt werden. Das Wasser füllt dabei nur die kleineren Poren aus. So ist in einem solchen Boden für eine gute Vertei-lung von Wasser und Bodenluft gesorgt.

Im Boden tritt das Wasser als Grundfeuchte, Grundwasser, Kapillarwas-ser, Haftwasser, als gebundenes sowie pflanzenverfügbares Wasser und als Wasserdampf auf. Von dem Niederschlagswasser, das nicht an der Ober-fläche des Bodens abfließt, bewegt sich ein Teil als Senkwasser oder Si-ckerwasser abwärts, während der andere Teil als Haftwasser von den Bo-denteilchen zurückgehalten wird. Wie groß die Menge ist und wie tief nun eine gewisse Regenmenge in den Boden eindringt, hängt von der Wasser-kapazität oder der Wasserhaltefähigkeit des Bodens ab. Je größer die Was-serkapazität des Bodens ist, desto mehr Haftwasser wird zurückgehalten

Page 134: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.6 Bodenwasser und Bodenluft 121

und desto weniger tief ist die Durchfeuchtung. Die Wasserkapazität hängt wiederum von der Bodenart ab: Ein Regen mit 50 Millimeter Niederschlag dringt beispielsweise in Sandboden 50 Zentimeter tief, in Lehmboden aber nur 10 Zentimeter tief ein.

Box 5.4. Staunässe anzeigende Unkräuter

Auf unseren Kulturböden gibt es verschiedene Varianten von Ackerunkraut-gesellschaften, die auf staunassen Böden vorkommen. Die Erkennung dieser Gesellschaften ist vor allem für den Landwirt von großer Bedeutung, weil sie ihm anzeigen, dass hier Maßnahmen für die Bodendurchlüftung notwendig sind. Die Staunässe anzeigende Flachwurzler Ackerminze (Mentha arvensis), Kriechender Hahnenfuß (Ranunculus repens), Sumpf-Ruhrkraut (Gnaphali-

um uliginosum), Krötenbinse (Juncus bufonius) oder Sumpfziest (Stachys pa-

lustris) können sich nur dort halten, wo der Boden zumindest zeitweise stau-nass und schlecht durchlüftet ist. Staunässe ertragende Tiefwurzler, wie Acker-Schachtelhalm (Equisetum ar-

vense), Ampfer-Knöterich (Polygonum amphibium var. terrestre), Wasser-pfeffer (Polygonum hydropiper) oder Huflattich (Tussilago farfara), haben tief reichende Wurzeln und Rhizome. Sie deuten daher den Wasserstau in größeren Tiefen, in etwa 50 bis 150 Zentimetern, an. Kommen die Arten zu-sammen mit denjenigen der ersten Gruppe vor, so ist der Boden drainagebe-dürftig.

Die wichtigsten Wasserträger des Bodens sind seine Ton- und Humus-kolloide. Sie besitzen allgemein elektronegative Eigenschaften und sätti-gen ihre Ladung ab, indem sie positiv geladene Ionen, also Kationen, ad-sorbieren. Dieser Kationenschwarm, der die Bodenteilchen umgibt, setzt sich aus zweiwertigen Calcium- und Magnesiumionen und aus einwertigen Wasserstoff-, Kalium- und Natriumionen zusammen. In unseren Böden überwiegen in der Regel Ca2+- und H3O

+-Ionen. Bei Überwiegen von Ca2+-Ionen weisen die Böden gute Krümelstruktur auf, während sie bei den H3O

+-Ionen zur Einzelkornstruktur neigen und leicht durch Regen einge-schlämmt und verdichtet werden. Jedes adsorbierte Ion besitzt nun eine Hydratationshülle, d. h. es ist von Wassermolekülen umgeben und somit hydratisiert. Deshalb ist auch jedes von vielen Ionen umschwärmte Ton-teilchen im Boden mit einem Wassermantel, dem Schwarmwasser, um-hüllt, wobei die Wassermoleküle umso fester gebunden sind, je näher sie den Tonteilchen liegen. Diesen inneren Ring der am stärksten gebundenen Wassermoleküle zum Tonteilchen hin bezeichnet man als hygroskopi-

sches Wasser. Die Saugkraft, mit der dieses Teilchen gebunden wird, ist so stark, dass die festen Bodenteilchen sich nicht unmittelbar zu berühren vermögen. Dabei können immense Saugkräfte entwickelt werden.

Page 135: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

122 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Die Größe der Wasserhülle um die Bodenteilchen hängt von der adsor-bierten Ionenart ab. Sie ist infolge der starken Hydratationshülle des Na+-Ions bei den Salzböden am größten, da das Na+-Ion sehr stark hydratisiert ist. Bei salzhaltigen Böden sind folglich die Tonteilchen mit so mächtigen Wasserhüllen umgeben, dass sie weit auseinander gedrängt werden. Der salzhaltige Schlickboden unserer Wattenküsten, der ja vorwiegend aus Tonteilchen besteht, quillt daher bei Wasserzufuhr regelrecht auf und nimmt eine breiige Konsistenz an. Bei Trockenheit zieht sich das Boden-gefüge infolge Wasserverlustes wieder zusammen. Es entstehen an der Oberfläche starke Spannungen, bis an den schwächsten Stellen des Gefü-ges Risse entstehen, die man als Trockenrisse bezeichnet (Abb. 5.13). Die-se Trockenrisse entstehen in allen feindispersen Böden mit hohen Tonan-teilen.

Abb. 5.13. Polygonale Trockenrisse im Schlickwatt der Nordsee entstehen durch Kon-traktion der Bodenpartikel bei Ebbe und ober-flächlicher Austrocknung. Sie sind für die an-nuellen Salicornia-Arten existentiell, denn nach der Reife im Herbst geraten die Samen in solche Bodenspalten, die somit „Safe Sites“ für die Keimung im nächsten Jahr darstellen

Überwiegt dagegen im Ionenschwarm das Ca2+-Ion, so ist die Wasser-hülle der Tonteilchen gering. Die einzelnen Bodenteilchen nähern sich be-sonders stark und neigen zum Verkleben. Es tritt die für Bodenfruchtbar-keit äußerst wertvolle Krümelbildung ein. In diesem Falle ist zwar die Menge des von den Bodenteilchen zurückgehaltenen Adsorptionswassers relativ gering, jedoch legen sich die kleinsten Krümel zu etwas größeren zusammen, so dass feine Porenkanäle entstehen, die sich mit Kapillarwas-ser füllen können. Das ist besonders der Fall, wenn der Boden neben Ton-teilchen auch noch genügend Humusteilchen enthält. Aufgrund dieser Hy-dratationsverhältnisse des Bodens können wir jetzt auch verstehen, dass Böden, die vorwiegend aus Quarzteilchen bestehen und kaum über feine Tonkolloide verfügen, nur wenig Ionen adsorbieren und deshalb nur unbe-

Page 136: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.6 Bodenwasser und Bodenluft 123

deutende Wasserhüllen enthalten. Dazu gehören zum Beispiel die armen Sandböden. Die Saugkräfte dieser Böden sind dementsprechend schwach im Gegensatz zu Lehm- und Tonböden. Schon bei geringem Wassergehalt ist ein solcher Boden abgesättigt. Dabei wird das meiste Wasser nur kapil-lar im Boden festgehalten.

Diese Verhältnisse muss man nicht nur beim Eindringen des Wassers in den Boden, sondern auch beim Wasseranstieg aus dem Grundwasserbe-reich berücksichtigen. Ein solcher Wasseranstieg geht immer vom Grund-wasserspiegel oder Stauwasserspiegel aus. Es kommt beim Wasseranstieg sowohl auf die Steighöhe als auch auf die Steiggeschwindigkeit an: Je feinkörniger der Boden ist, desto langsamer verläuft der Wasseranstieg. Hingegen vergrößern sich mit zunehmender Feinkörnigkeit die Steighö-hen. Theoretisch müsste die Steighöhe beim feinkörnigsten Boden, also beim Tonboden die höchste sein. Das ist aber nicht der Fall. Beim Tonbo-den sind die Wasserhüllen um die Tonteilchen nämlich zu dick, und daher sind die Poren zwischen ihnen sehr geringmächtig, so dass der Wasseran-stieg zu große Reibungskräfte nach sich zieht. Unmittelbar über dem Grundwasser steigt das Wasser kapillar auf und füllt alle Poren des Bo-dengefüges aus. Über dieser Zone bleiben die Poren zum größten Teil mit Luft erfüllt, und für die weitere Wasserbewegung hin zur Oberfläche sind nur noch die Saugkräfte der Bodenteilchen maßgebend. Sie bewirken, dass sich das Wasser wie ein Film über alle Bodenteilchen ausbreitet und sie benetzt. Durch Nachschub aus tieferen Bodenschichten wird der Wasser-film immer dicker, bis schließlich die Teilchen mit Adsorptionswasser ab-gesättigt sind. Je mehr sich nun das anstehende Kapillarwasser vom Grundwasserspiegel entfernt, desto größer und anhaltender werden die Reibungswiderstände, die der Wassernachschub überwinden muss. Der Nachschub wird geringer und dementsprechend auch der Absättigungs-grad. Schließlich wird die Endsteighöhe erreicht. Sie beträgt im günstigen Falle bei Lehmböden 2 Meter. Aufgrund solcher maximalen Steighöhen ist es verständlich, dass eine gewisse Höhe des Grundwasserstandes in unse-ren Böden für die Vegetation von Bedeutung ist. Der optimale mittlere Grundwasserstand beträgt bei Sandböden einen Meter, bei sandigen Leh-men und leichten Lehmen 1,50 Meter und bei schweren Lehmen etwa 2 Meter.

Für Böden mit Grünland sind die günstigsten Grundwasserstände erheb-lich höher, da die Bewurzelung der Pflanzen sich größtenteils nur auf die obere Bodenschicht von etwa 20 Zentimeter beschränkt. Für Auenwälder und Bruchwälder ist ein hoher Grundwasserstand essentiell; einen mittle-ren Grundwasserstand benötigen Eichen-Hainbuchenwälder, und mit ei-nem tiefen Grundwasserstand kommen Birkenwälder und Eichen-Els-beerenwälder zurecht.

Page 137: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

124 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

5.7 Feldkapazität

Der Energiegehalt der Feldkapazität (Ȍ) eines bestimmten Wasservolu-mens im Boden setzt sich aus mehreren Teilbeträgen zusammen: Das Gra-

vitationspotential (Ȍz) beschreibt die Differenz der Lageenergie des Was-sers gegenüber der Bodenoberfläche. So ist das Gravitationspotential positiv, wenn sich das Wasser über der Bezugsebene, ihr Wert ist negativ, wenn er sich darunter befindet. Das Matrixpotential (Ȍm) beschreibt die Energie, mit der das Wasser als Dipol mit der Bodenmatrix verbunden, al-so in den Bodenporen adhäsiv gebunden ist. Für freies, nicht gebundenes Wasser, beispielsweise Grundwasser, gilt: Das Matrixpotential ist null. Es ist also kein Energieaufwand nötig, Wassermoleküle zu entfernen. Die Bindung in Bodenporen verringert deren Energiegehalt, so dass das Mat-rixpotential für gebundenes Wasser negativ ist. Der negative Wert eines Matrixpotentials wird auch als Saugspannung (-Ȍm) bezeichnet. Das Ma-trixpotential muss also aufgewendet werden, wenn Wasser aus den Boden-poren absorbiert werden soll. Über die Korrelation von Porengrößen und Matrixpotential informiert die Tabelle 5.4. Die Saugspannung in den Pflanzen werden wir in Kapitel 8.2 näher betrachten.

Tabelle 5.4. Porendurchmesser und Matrixpotentiale (aus W. R. Fischer 2002)

Durchmesser Matrixpotential Porenklassen

[ȝm] [cm] [pF]

weite Grobporen > 50 0 bis -60 < 1,8

enge Grobporen 10 bis 50 -60 bis -300 1,8 bis 2,5

Mittelporen 0,2 bis 10 -300 bis -15000 2,5 bis 4,2

Feinporen < 0,2 < -15000 > 4,2

Feinwurzeln > 10

Pilzmycele 3 bis 6

Bakterien 0,2 bis 1

Wie das Gravitationspotential wird auch das Matrixpotential meist in der Längeneinheit Zentimeter angegeben. Da der Absolutbetrag dieser Werte sehr groß werden kann, verwendet man oft die logarithmische Dar-stellung: pF = log(-Ȍm). In der Tabelle 5.4 sind die Werte für das Matrix-potential angegeben; es wird deutlich, dass die Bindungsfähigkeit des Po-renwassers bei abnehmendem Porenradius zunimmt. In den Feinporen

Page 138: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.7 Feldkapazität 125

wird das Wasser so fest gebunden, dass die Pflanzen nicht mehr darauf zugreifen können. Wir bezeichnen dieses als „Totwasser“. Die Potential-grenze zum verfügbaren Wasser wird Permanenter Welkepunkt genannt. Dieser liegt bei einem Matrixpotential von minus 15000 Zentimetern be-ziehungsweise einem pF-Wert von 4,2, wie aus der Tabelle 5.4 ersichtlich wird. Die treibenden Kräfte für die Wasserbewegung im Boden sind also Gravitations- und Matrixpotential, deren Summe als das Hydraulische Po-

tential (ȌH) definiert ist. Das Osmotische Potential (Ȍo) berücksichtigt die Tatsache, dass hohe Salzkonzentrationen im Bodenwasser dessen Ver-fügbarkeit einschränken. Bei Pflanzen und Mikroorganismen macht sich dies durch einen erhöhten osmotischen Druck bemerkbar.

Mit sinkendem Wassergehalt beziehungsweise steigender Wasserspan-nung sinkt die Wasserleitfähigkeit stark ab. Ein Grund dafür ist zunächst, dass gröbere und damit luftgefüllte Poren für die Wasserleitung ausfallen. Darüber hinaus nimmt der Transportweg eines Wasservolumens erheblich zu. Dabei hat Sandboden zwar zunächst die höchste Wasserleitfähigkeit, bei steigender Wasserspannung nimmt diese jedoch um mehrere Zehner-potenzen ab, da dann kaum noch wasserführende und deswegen leitfähige Poren, vor allem Mittelporen, vorhanden sind (Abb. 5.14).

In den Bodenporen kann Wasser gespeichert werden, wenn es durch ein entsprechend niedriges Matrixpotential gegen Versickerung ge-schützt wird. Man definiert daher die Feldkapazität eines Bodens, ab-gekürzt FK und auch als Wasserkapazität (WK) bezeichnet, als dieje-nige Wassermenge, die der Boden über einige Tage gegen die Schwerkraft halten kann. In der Regel entspricht das dem Volumen der Fein- und Mittelporen.

Üblicherweise unterscheidet man Standorte mit hohem Grundwasser-stand, mit Stauhorizonten oder mit hohen, gleichmäßig verteilten Nieder-schlägen, bei denen keine großen Gradienten im hydraulischen Potential auftreten. Bei diesen bestimmt man die Feldkapazität als den Wassergehalt bei pF 1,8 (Ȍm = -60 cm). Hier sind auch die engen Grobporen in die Wasserspeicherung einbezogen. Es wird angenommen, dass alles in Grob-poren vorhandene Wasser innerhalb weniger Tage versickert und daher nicht zur Speichermenge beiträgt. Deshalb zieht man die Grenze der Feld-kapazität bei pF 2,5 (Ȍm = -300 cm). Zieht man von der Feldkapazität das Totwasser ab, so erhält man die nutzbare Feldkapazität (nFk), auch nutzbare Wasserkapazität (nWk) genannt. Dieser ökologisch wichtige Wert hat einen engen Zusammenhang zur Körnung eines Bodens bzw. zur Bodenart. Wie Abb. 5.14 zeigt, ist zwar die Feldkapazität beim Tonboden am größten, die nFk hat ihr Maximum aber beim Schluff. Ein Grund dafür ist im Schluffboden der hohe Anteil an Mittelporen, die Wasser pflanzen-

Page 139: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

126 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

verfügbar speichern können. Dies ist auch eine wesentliche Ursache dafür, dass Schluffböden unsere fruchtbarsten Böden sind. Einen erheblichen Beitrag zur Fk und nFk leistet auch der Humus. Aus Abb. 5.14 ist weiter-hin ersichtlich, dass bei gleichem Wassergehalt die Bindungsstärke, also das Matrixpotential des Bodenwassers, in der Reihenfolge von Sandboden über Schluffboden zu Tonboden hinansteigt.

Abb. 5.14. Beziehungen zwi-schen Wasserspannung und Wassergehalt in einem Sand-boden, einem tonigen Schluffboden (Lössboden) und einem Tonboden. FK = Feldkapazität, PWP = permanenter Welkepunkt (aus Scheffer u. Schacht-schabel 2002 © Spektrum Akademischer Verlag)

5.8 Humus

Bisher haben wir von den minerogenen Bestandteilen des Bodens gespro-chen. Zum Boden gehören aber auch – insbesondere was die oberen Bo-denhorizonte betrifft – die organogenen Bestandteile. Die gesamten orga-nogenen Bestandteile des Bodens, gleichgültig, ob es sich um pflanzliche, tierische oder Bildungen von Mikroorganismen handelt, bezeichnet man im weitesten Sinne als Humus oder als Organische Bodensubstanz (OBS). Dies ist ein außerordentlich heterogenes Stoffgemisch, welches sich aus Huminstoffen, den Reaktionsprodukten von Humifizierungspro-zessen ohne definierte Molekülstruktur und Nichthuminstoffen, den defi-nierten chemischen Verbindungen der Streu sowie den Resten von Wur-zeln und Bodenorganismen zusammensetzt.

Was bedeutet der Humus für den Boden und für die Vegetation? Der Humus ist kein unmittelbarer Nährstoff für unsere Höheren Pflanzen im üblichen Sinne. Er hat aber dennoch für die Pflanzenwelt eine hervorra-gende Bedeutung: als Nährhumus für die heterotrophen Mikroorganismen

Page 140: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.8 Humus 127

des Bodens, als Nährstoffträger besonders für Stickstoff, wobei die Hu-minsäuren Kristallite ausbilden, die wie Tonkolloide Sorptionsvermögen haben, durch Freiwerden von Nährstoffen bei der Mineralisation durch mikrobiellen Abbau und als Beitrag entweder direkt oder indirekt über Förderung des Bodenlebens zur Strukturverbesserung des Bodens.

Unter Rohhumus verstehen wir Bodenauflagen von halbzersetzten Rotteprodukten. Es kommt hier zur Bildung von Huminsäure-Vorstufen. Sie gehen mit Wasser eine helle Lösung ein und verbinden sich mit den Zerfallsprodukten der sekundären Tonmineralien (Ses-quioxide). In humiden Klimaten kommt es zur Auswaschung dieser Bestandteile aus dem Oberboden und zu einer Anreicherung im Unter-boden (Orterde, Ortstein). Diesen Vorgang nennt man Podsolierung (Abb. 5.15).

Etwa 90 bis 95 Prozent des im Boden vorkommenden Stickstoffs finden sich in organischer Bindung und werden bei der Mineralisierung des Hu-mus freigesetzt. Die organische Substanz enthält in erster Linie Cellulose und Hemicellulose, Fette, Proteine, Kohlenhydrate sowie Lignine. Cellulo-se und Lignine nehmen dabei etwa 50 bis 60 Prozent ein. Die einzelnen Stoffe werden verschieden schnell abgebaut, wobei Fette, Proteine, Koh-lenhydrate, Cellulose und Hemicellulose relativ rasch, Lignine dagegen nur sehr langsam zersetzbar sind.

Der Abbau der organischen Substanz durch die Bodenorganismen ge-schieht nach dem Fließbandsystem. Sobald bestimmte Abbaustufen er-reicht sind, treten jeweils neue Gruppen von Mikroorganismen auf. Diese Vorgänge des Abbaus werden von der leichten Zersetzbarkeit der organi-schen Substanz, wenn zum Beispiel wenig Lignin vorhanden ist, und von der mehr oder weniger neutralen Bodenreaktion gefördert. Wichtig ist auch ein möglichst ausgeglichener Wasserhaushalt der Böden. Wenn die Böden zu nass oder zu trocken sind, ist der Abbau gehemmt. Dazu kommt die Bodenwärme, die belegt wird durch eine schwache Zersetzung unter arktischem Klima, im feucht-warmen Tropenklima dagegen durch eine starke Zersetzung. Schließlich ist auch der Nährstoffgehalt des Bodens insgesamt für die Geschwindigkeit der Abbaurate bedeutsam.

Die Spanne der Humusgehalte der Oberböden reicht von unter einem Prozent („sehr schwach humos“) bis zu 8 bis 15 Prozent („sehr stark hu-mos“). Terrestrische Böden mit Humusgehalten zwischen 15 und 30 Pro-zent bezeichnet man als „extrem humos“ und entsprechende Feuchtböden als „anmoorig“. Das langfristige Maß des Humusgehaltes ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Biomassezufuhr, beispielsweise aus Laubstreu, und Mineralisierung. Unter allgemein günstigen standörtlichen Bedingun-gen ist der Humusgehalt meist relativ gering, da zwar die Biomasse opti-

Page 141: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

128 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

mal, die Mineralisierung aber noch stärker ausgebildet ist. Ist aber einer oder mehrere dieser Faktoren ungünstig gestaltet, so kommt es zur Hem-mung des Abbaus, und gerade diese Hemmstufen beim Abbau der organi-schen Substanz können sich für Boden und Pflanzenwelt äußerst nachhal-tig auswirken.

Abb. 5.15. Mächtige Rohhumuspakete stellen sich über einem Podsolboden ein, der in feinkiesigen Sanden ausgebildet ist. Der Podsol ist von der Besenheide (Calluna vulgaris) und jungen Kiefern besiedelt, die das organische Material für die Rohhumusauflage anliefern

Daher ergeben sich die höchsten Humusgehalte, wenn die Mineralisie-rung auch bei ausreichender Streuzufuhr gehemmt ist, beispielsweise durch zeitweiligem Sauerstoff- oder Wassermangel, durch Kälte oder auch durch sehr niedrige pH-Bereiche. So kann es bei großer Nässe zu Moorbil-dung kommen. Extrem saure Bodenreaktion fördert obendrein die Rohhu-musbildung. Die im Boden akkumulierte Humusmenge beträgt je nach Gehalt und Mächtigkeit des humosen Horizontes etwa 100 Tonnen pro Hektar, bei Schwarzerden und Anmoorböden auch erheblich mehr. Ent-sprechend hoch sind dann auch die im Humus enthaltenen Nährstoffmen-gen, insbesondere Stickstoff.

Page 142: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

5.9 Literatur 129

5.9 Literatur

Allen SE, Carlisle A, White EJ, Evans CC (1968) The plant nutrient content of rainwater. J Ecol 56: 497-504 Asman WHA, Sutton MA, Shjorring JK (1998) Ammonia: emission, atmospheric transport and deposition. New Phy-

tol 139: 27-48 Bach R (1950) Die Standorte jurassischer Buchenwaldgesellschaften mit bsonderer Berücksichtigung der Böden –

Humuscarbonatböden und Rendzinen. Diss ETH Zürich Bailey RG (1996) Ecosystem geography. Springer, New York Belnap J, Lange OL (eds 2003) Biological soil crusts: structure, function and management. Springer, Berlin Heidel-

berg New York Benbi DK, Nieder R (2003) Handbook of Processes and Modeling in Soil-Plant System. Haworth, New York Blume HP, Brümmer G, Schwertmann U, Kögel-Knabner J (2002) Lehrbuch der Bodenkunde. Spektrum, Heidelberg Blume HP, Felix-Hennigsen P, Fischer WR, Frede HG, Horn R, Stahr K (Hrsg 1996) Handbuch der Bodenkunde. E-

comed, Landsberg Bobbink R, Hornung M, Roelofs JGM (1998) The effects of air-borne nitrogen pollutants on species diversity in natu-

ral and semi-natural European vegetation. J Ecol 86: 717-738 Boynton B, Compton OC (1944) Normal seasonal change in oxygen and carbondioxid percentages in gas from the

larger pores and of three orchard subsoils. Soil Sci 57: 108-117 Brady NC, Weil RR (2001) The Nature and Properties of Soils. 13th ed. Prentice-Hall, Upper Saddle River/NJ Brändle R (1996) Überflutung und Sauerstoffmagel. In: Brunhold C, Rüegesegger A, Brändle R (Hrsg) Stress bei

Pflanzen: 133-148 UTB Haupt, Bern Braun-Blanquet J, Jenny H (1926) Vegetationsentwicklung und Bodenbildung in der alpinen Stufe der Zentralalpen.

Denkschr Schweiz Nat Ges 63: 2 Chapin SF III, Matson PA, Mooney HA (2002) Principles of terrestrial ecosystem ecology. Springer, Berlin Heidel-

berg New York Clements FE (1905) Research methods in Ecology. Univ Publ Comp, Lincoln/NE Combers R (1960) Réactions aux facteurs du milieu. Encycl Française IV. Paris Crawford RMM (1996) Whole plant adaptations to fluctuating water tables. Folia Geobot Phytotax 31: 7-24 Devey ES (1970) Mineral cycles. Sci Americ 223: 148-158 Dixon JB, Weed SB (1989) Minerals in soils and environments. Soil Sci Soc America, Madison Ellenberg H (1948) Unkrautgesellschaften als Maß für den Säuregrad, die Verdichtung und andere Eigenschaften des

Ackerbodens. Ber Landtechnik 4: 1-18 Fachbereich Bodenkunde des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung (1997) Böden in Niedersachsen,

Hannover Fischer WR (2002) Bodenkundliche Grundlagen. In: Weiterbildendes Studium Wasser u Umwelt. 8. Aufl Kurs WH

23 Bodenschutz als Gewässerschutz. Univ Hannover Forde B, Lorenzo H (2001) The nutritional control of root development. Plant Soil 232: 51-68 Frey W, Lösch R (2004) Lehrbuch der Geobotanik. Pflanze und Vegetation in Zeit und Raum. 2. Aufl. Spektrum El-

sevier, München Füchtbauer H (1988) Sedimente und Sedimentgesteine. Schweizerbart, Stuttgart Gebhardt G, Glaser R, Radtke U, Reuber P (2007) Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. Spekt-

rum Elsevier, München Gehrt E (1994) Neue Methoden der Bodenkartierung. Neues Arch f Niedersachsen 2: 51-62 Gerlach A, Albers AE, Broedlin W (1994) Development of nitrogen cycle in the soils of a coastal dune succession.

Acta Bot Neerl 43 (2): 189-203 Gilroy S, Jones DL (2000) Through form to function: Root-hair development and nutrient uptake. Trends Plant Sci 5:

56-60 Haider K (1996) Biochemie des Bodens. Enke, Stuttgart Hartge KH, Horn R (1989) Die physikalische Untersuchung von Böden. Enke, Stuttgart Hartge KH, Horn R (1999) Einführung in die Bodenphysik. 3. Aufl. Enke, Stuttgart Hartmann L (1992) Ökologie und Technik. Springer, Berlin Heidelberg New York Heineke HJ, Bartsch HU (1994) Das Fachinformationssystem Bodenkunde im Niedersächsischen Bodeninformati-

onssystem (NIBIS). Neues Arch f Niedersachsen 2: 63-78 Herrmann M, Pust J, Pott R (2005) Leaching of nitrate and ammonium in heathland and forest ecosystems of North-

west Germany. Plant Soil 273: 129-137 Hüppe J (1993) Die Entwicklung der Tieflands-Heidegesellschaften Mitteleuropas in geobotanisch-vegetationsge-

schichtlicher Sicht. Ber Reinhold Tüxen Ges 5: 49-76 Jasmund K, Lagaly G (1993) Tonminerale und Tone. Steinkopff. Darmstadt Jenny H (1930) Gesetzmäßige Beziehungen zwischen Bodenhumus und Klima. Naturwiss 18: 41 Jenny H (1980) The Soil Ressource – Origin and Behavior. Springer, New York Klötzli FA (1989) Ökosysteme. Aufbau, Funktion, Störungen. 2. Aufl. Fischer, Stuttgart Kögel-Knabner I (2000) Analytical approaches for characterizing soil organic matter. Org Geochem 31: 609-625 Kubiena WL (1953) Bestimmungsbuch und Systematik der Böden Europas. Enke, Stuttgart Kuntze H, Roeschmann G, Schwerdtfeger G (1994) Bodenkunde. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart

Page 143: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

130 5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens

Lemée G (1954) Phytosociologie et Pedologie. Rapp 8e Congrès Int Bot Paris Likens GE (1992) The ecosystem approach: ist use and abuse. Ecological institute, Oldendorf Maarel HWvd (1949) Mineralogical composition of a heath podsol profile. Soil Sci 76 Moor M (1963) Pflanzengesellschaften als geologische Zeiger im Jura. Regio Basiliensis 4, Basel Moshrefi N (1993) A new method of sampling soil suspension for particle-size analysis. Soil Sci 155: 245-248 Mückenhausen E (1962) Entstehung, Eigenschaften und Systematik der Böden der Bundesrepublik Deutschland.

DLG-Verlag, Frankfurt Nieder R (2005) Carbon and nitrogen turnover in North German forest soils. Proceed 3rd Int Nitrogen Conf Science

Press, Beijing New York Obermiller M (2007) Boden schreibt Geschichte. Lackprofile – Erdgeschichtliche Abziehbilder. Primus, Darmstadt Pallmann H, Richard F, Bach R (1950) Über die Zusammenarbeit von Bodenkunde und Pflanzensoziologie. 10.

Congr d Int Verein Verband Forstl Versuchsanstalten, Freiburg Patrick WH, Gambrell RP, Faulckner SP (1996) Redox measurements of soils. Soil Sci Soc Americ Ser 5, Madison Petersen J, Pott R (2005) Ostfriesische Inseln. Landschaft und Vegetation im Wandel. Schlütersche, Hannover Pinton R, Varanini Z, Nannipieri P, Varanni Z (2001) The rhizosphere: Biochemistry and organic substances at the

soil-plant interface. Marcel Dekker, New York Pott R (1996) Biotoptypen. Schützenswerte Lebensräume Deutschlands und angrenzender Regionen. Ulmer, Stuttgart Pringsheim EG (1949) Iron bacteria. Phil Trans Roy Soc London B 232: 311-342 Putins A (1992) Introduction to mineral sciences. Cambridge Univ Press, Cambridge Rendig VV, Taylor HM (1989) Principles of Soil-Plant Interactionship. McGraw Hill, New York Richard F (1955) Über Fragen des Wasserhaushalts in Böden. Schweiz Zeitschr Forstwiss 106: Richter O (1985) Simulation des Verhaltens ökologischer Systeme. VCH, Weinheim Richter OD, Markewitz D (1995) How deep is soil? Biosci 45: 600-609 Robinson D (1994) The responses of plants to non-uniform supplies of Nutrients. New Phytol 127: 635-674 Rowell DL (1997) Bodenkunde – Untersuchungsmethoden und ihre Anwendung. Springer, Berlin Heidelberg New

York Scheffer F, Schachtschabel P (2002) Lehrbuch der Bodenkunde. 15. Aufl. Spektrum, Heidelberg Schlesinger WH (1991) Biogeochemistry – An Analysis of global Change. Academic Press, San Diego Schlichting E, Blume HP, Stähr K (1995) Bodenkundliches Praktikum – Pareys Studientexte 81. 2. Aufl. Blackwell,

Berlin Schubert R (1986) Lehrbuch der Ökologie. Fischer, Jena Sitte P, Weiler EW, Kadereit JW, Bresinsky A, Körner C (2002) Lehrbuch der Botanik. Spektrum, Heidelberg Stumm W (1992) Chemistry of the Solidwater Interface. Wiley, New York Tüxen R (1957) Schrift des Bodens – Kurzer Führer durch die Ausstellung von Bodenprofilen nordwestdeutscher

Wald- und Heidegesellschaften aus der Bundesanstalt für Vegetationskartierung. Angew Pflanzensoziologie 14: 1-41

Walter H (1960) Standortslehre. Ulmer, Stuttgart Wedepohl KH (1969) Handbook of geochemistry. Springer, Heidelberg Berlin Wimmenauer W (1985) Petrographie der magnetischen und metamorphen Gesteine. Enke, Stuttgart Winkler S (1980) Einführung in die Pflanzenökologie. 2. Aufl. Fischer, Stuttgart Wittig R, Streit B (2004) Ökologie. Ulmer, Stuttgart

Page 144: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Im System der globalen Kreisläufe, wie es für die Klimafaktoren im Kapi-tel 2 ausgeführt ist, nimmt der Boden in seiner Kontinuum-Funktion eine wichtige Rolle ein. Die Bodenbildung im Gestein geht mit einer Nährstoff-freisetzung aus den Mineralien und gleichzeitiger Nährstoffspeicherung aus der anfallenden Biomasse einher. In diesem Prozess wirken alle Fakto-ren zusammen, die an der Erdoberfläche eine Rolle spielen, von der Son-nenstrahlung bis zur menschlichen Tätigkeit. Böden sind zudem über Jahr-hunderte oder gar Jahrtausende gewachsen; sie sind damit auch Archive der Erd- und Landschaftsgeschichte. Das Gestein oder das Sediment lie-fern die dominierenden bodenbildenden Voraussetzungen, welche die Körngrößenzusammensetzung, also die Bodenart, den Mineralbestand und damit den Bodenchemismus, das Bodengefüge und die Bodenfarbe maß-geblich beeinflussen, wie wir in Kapitel 5 gesehen haben.

Das System Boden-Pflanze-Atmosphäre ist dank der Positionierung der Böden im globalen Gesamtsystem von Strahlungs- und Wärmebilanzen eingebunden. Mit ihrer Filterwirkung und Pufferung sowie der ihnen eige-nen biotischen Aktivität wird außerdem klar, dass ein Boden die Funktion eines „Zwischenspeichers“ einnimmt. Das gilt sowohl für die Wärme- als auch für die Nährstoffbilanz. Die Böden besitzen dazu im Allgemeinen ei-ne hohe Regenerationsfähigkeit, und im Gegensatz zur Hydro- und Atmo-sphäre hat die Pedosphäre eine hohe funktionale Speicherkapazität, wie wir es in der Einführung schon definiert haben. Dies führt jedoch auch da-zu, dass Belastungen mit Schadstoffen im Boden über längere Zeit hinweg verborgen bleiben können, bis sie bei Überschreitung ihrer Kapazitäts-grenzen plötzlich in Erscheinung treten. Wir sehen das derzeit überaus deutlich bei der Überdüngung der Böden mit Stickstoff aus Gülle und Ammoniakdepositionen beispielsweise in den nordwesteuropäischen Pleistozänlandschaften, wo mancherorts über 50 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr alleine aus der Luft in den Boden eingetragen werden (Abb. 6.1). Das wird unsere Böden und ihre Vegetation in der Zukunft stark verändern, wenn diese Einträge nicht gestoppt werden.

Bei jungen, unreifen Böden ist das Ausgangsgestein von ausschlagge-bender Bedeutung für Bodeneigenschaften, und je nach der Gesteinsart un-terscheiden sich die Verwitterungsböden sehr stark. Mit der Zeit verwi-

Page 145: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

132 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

schen sich diese Unterschiede aber immer mehr, beispielsweise sichtbar an der Auswaschung des Kalkes aus Kalkgesteinen. Der Einfluss des Klimas und der Pflanzenwelt auf den Boden ist dagegen umso ausgeprägter, je weiter die Bodenreifung fortgeschritten ist, da mit der Bodenreifung auch die den Boden deckende Pflanzenmasse zunimmt. Das Bodenprofil wird somit vom Klima und von der Pflanzendecke geprägt. Doch verschwinden gewisse, durch das Ausgangs- oder Muttergestein bestimmte Besonderhei-ten niemals ganz. Diese Wechselwirkung macht es verständlich, dass zwi-schen Klimazonen, Vegetationszonen und Bodenzonen auf der Erdober-fläche eine nahezu völlige Parallelität besteht. Sie ist jedoch in Kulturlandschaften nur schwer nachzuweisen, denn der Mensch hat die na-türliche Pflanzendecke weitgehend zerstört und auch das Bodenprofil teil-weise verändert, indem er den Boden bearbeitete.

Abb. 6.1. Stickstoffeintrag über Niederschläge aus Intensivlandwirtschaftsgebie-ten in unterschiedliche Vegetationsbestände im Gebiet des Nationalparks „Hoge Veluwe“ in den Niederlanden (2005-2006), gemessen in Lysimetern und oberirdi-schen Niederschlagssammlern. Es bedeuten: BQ1N: Betulo-Quercetum roboris Kootwijkerzand; BQ2N: Betulo-Quercetum roboris Caitwickerzand; DPN: De-

schampsio-Pinetum Kootwijkerzand; AFN: Ackerbrache bei Stroe (Nähe Koot-wijk); CIN: Campylopus introflexus-Gesellschaft Kootwijkerzand; SC1N: Sper-

gulo-Corynephoretum Caitwickerzand, SC2N: Spergulo-Corynephoretum Hoge Veluwe. Die hohen Werte für Ammonium bezeugen den aerosolierten Eintrag

6.1 Globaler Überblick

Die Böden der Erde lassen sich in Bodenzonen aufteilen, die weitgehend den Zonobiomen entsprechen. Über diese Böden wollen wir zunächst eine kurze Übersicht geben (Abb. 6.2). Global betrachtet besitzen etwa 40 Pro-

Page 146: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.1 Globaler Überblick 133

zent der Festlandflächen unfruchtbare Tundren, Wüsten oder Halbwüsten mit entsprechenden Bodenformationen. Dazu kommen flachgründige Bö-den in den Gebirgen sowie etwa 35 Prozent nur mäßig fruchtbare Podsole und Latosole. Etwa 6 Prozent aller Böden sind von mittlerer Güte, und nur etwa 20 Prozent sind von Natur aus fruchtbar. Die immerfeuchten Tropen, in denen man früher und vielfach leider auch heute noch, getäuscht von der Artenfülle und der Dichte der Vegetation des Regenwaldes, das umfang-reichste Potential für die Erweiterung landwirtschaftlicher Nutzflächen sah, weisen nur eine scheinbar üppige Fruchtbarkeit aus. Hier sind infolge der hohen Temperaturen und der Niederschläge im Regime der ITCZ die chemische Verwitterung, die Auswaschung der Nährstoffe und der Abbau der organischen Substanz so sehr beschleunigt, dass die lateritischen tropi-schen Böden als „unfruchtbar“ gelten müssen. Das liegt daran, dass die tropischen Ökosysteme seit Alters her ungestört und klimatisch relativ ein-heitlich einer intensiven Verwitterung ausgesetzt sind, wobei fast alle Nährstoffe des Bodens in die Biomasse der Vegetation verlagert sind.

Abb. 6.2. Böden der Erde (aus Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl. 3. Band © F. A. Brockhaus, München)

Wird das natürliche Gleichgewicht in tropischen Wäldern nun durch Waldzerstörung vernichtet und durch Beseitigung der pflanzlichen Ge-hölzbiomasse gestört, verschwindet die anfangs noch vorhandene organi-

Page 147: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

134 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

sche Bodensubstanz durch Auswaschung in tiefe Bodenschichten oft schon in den ersten Jahren. Mangels ausreichender Austauschkapazität des Bo-dens durch seine hohen Kaolinitgehalte kann hier auch eingesetzter Dün-ger keinen Ersatz bringen; auch er wird rasch ausgewaschen. Eine Aus-nahme davon bilden die jungen basischen Vertisole und die durch regelmäßige Überschwemmungen mit Flusssedimenten regelrecht „ge-düngten“ Auenböden tropischer Tiefländer. Ein Vertisol ist ein dunkel-grauer, im feuchten Zustand fast schwarzer, tonmineralreicher Bodentyp mit A/C-Profil auf Gesteinen mit hohem Kalk- und Calciumsilikat-Anteil. Er besitzt hohe Gehalte an quellfähigen Tonmineralen, vor allem Smecti-ten. Der mächtige A-Horizont liegt dem Muttergestein (C) unmittelbar auf. Großflächige Vorkommen davon gibt es in den wechselfeuchten Tropen, besonders in Ebenen und Senken, wo die Böden in der Regenzeit durch-feuchtet und in der Trockenzeit ausgedörrt sind. In diesem Klima führt das zur periodischen Bildung tiefreichender Schrumpfrisse, in die humoses Material geraten kann und später in der Regenzeit, wenn die Risse sich schließen, erneut eingearbeitet wird. In der Folge bildet sich ein mächtiger, nahezu humoser Ah-Horizont, der jedoch nicht biogen ist, sondern seine Entstehung der Quellungsdynamik verdankt. Wir kennen diese Böden vor allem von den Randtropen in Zentralafrika, aus Indien, aus Australien und von den pazifischen Inseln (Abb. 6.3).

Abb. 6.3. Vertisol in Schwemmebenen auf der Insel Viti Levu (Fidschi). Diese Böden sind nur in der Regenzeit zu bewirtschaften. In der Trockenzeit sind sie völlig ausgedörrt

Page 148: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.1 Globaler Überblick 135

Vertisole sind insgesamt extrem anfällig gegen Brandrodung und Wei-dewirtschaft, da sie nicht regenerieren können und schnell erschöpfen. In den Trockensavannen Afrikas und Indiens kann nach der Vegetationszer-störung mangelnder Niederschlag grundsätzlich ein begrenzender Faktor für Boden und Vegetation sein: Nach lange ausbleibenden Niederschlägen kommt es dann zur Bodenversalzung durch die Evaporation bis zur totalen Bodenerschöpfung. Der Vorgang ist als „Sahelisierung“ inzwischen aus vielen subtropischen Regionen der Erde und nicht nur aus Afrika bekannt. Die mediterranen Böden der Terra rossa sind Varianten von Braunerden. Rotgelbe, hämatitreiche podsolige Böden sind bezeichnend für die Subtro-pen (Abb. 6.2). Die braunen und roten Böden der Savannen sind zudem als Roterde oder Rotlehme zu bezeichnen; sie sind teilweise den Vertisolen verwandt.

Als die fruchtbarsten Böden der Erde gelten die Steppenböden, beson-ders die Tschernoseme und Kastanoseme. Hohe Erträge erbringen aber auch die Böden des gemäßigt warmen, humiden Klimas, die Braunerden und Parabraunerden, während in höheren geographischen Breiten mit abnehmenden Temperaturen und zunehmenden Niederschlägen die Podso-le an Raum gewinnen. Wegen ihrer großen Bedeutung wollen wir sie nachfolgend einzeln behandeln.

Die Tundren- und Frostmusterböden im äußersten Norden Amerikas und Eurasiens sowie in der Antarktis sind durch Permafrost dominiert. Normalerweise sind diese Regionen schnee- und eisbedeckt. Wo aber in Kältewüsten die Niederschläge sehr gering sind, finden wir die Tundren-böden und Frostmusterböden (Abb. 6.2). Hier herrscht ein vorwiegend arides Kaltklima mit Niederschlägen unter 50 Millimetern pro Jahr, prak-tisch nur als Schnee. An solchen Stellen dominieren relativ starke Ver-dunstung und zeitweilige Schneefreiheit, vor allen in manchen Regionen der Antarktis und in der Arktis, beispielsweise bei Ellesmere Island im Kanadischen Polarmeer. In dieser Situation bilden sich humusfreie, neutra-le bis alkalische eisige Böden mit deutlicher Anreicherung an Salzen in den oberen Bodenhorizonten. Aerosolierte Salze aus den angrenzenden Ozeanen mögen hier verstärkend wirken. Diese Eiswüsten können bis in die Formation der Tundren übergehen. Wenn mehrere Monate Schneefrei-heit und Mitteltemperaturen von über 2 Grad Celsius eine mehr oder weni-ger geschlossene Tundrenvegetation erlauben, entstehen unter dem Ein-fluss des Permafrostes vor allem Böden mit eingeschlossenen Eisschich-ten, die wir in den Palsas der Abb. 4.17 schon gesehen haben. Diese Tun-drenböden zeigen normalerweise alle Formen der Kryoturbation mit Frostsprengung, Solifluktion sowie Polygonbildung (Abb. 6.4).

Hydromorphe Böden gibt es in den großen Flussniederungen, wie am Amazonas und im Kongo-Becken; Gebirgsböden sind weit verbreitet.

Page 149: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

136 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Abb. 6.4. Frostmuster in der Kanadischen Arktis

Allein in Mitteleuropa unterscheiden wir mehrere hundert verschiedene Bodentypen. Das Spektrum reicht dabei von den Marsch- und Wattböden der Nordseeküste über die Auenlandschaften der großen Flüsse zu den eis-zeitlich geprägten Regionen in den mitteleuropäischen Tiefebenen und zu den verschiedenen Bodenlandschaften der Mittelgebirge und in den Voral-pen, aber auch in von Lössböden geprägte Gegenden in Rheinhessen, am Oberrhein sowie in die großen Bördelandschaften. Diese Naturräume sind nach Alter und Genese verschieden und besitzen ihre jeweils eigenen cha-rakteristischen Bodentypen. In diesem Zusammenhang spielen die physi-kalischen Eigenschaften des Bodens eine entscheidende Rolle.

6.2 Konsistenz des Bodens

Vor allem die Konsistenz eines Bodens ist jene Eigenschaft, die auf Ko-häsion, also Anziehung zwischen Bodenmolekülen gleicher Art, und Ad-häsion, Anziehung zwischen Bodenteilchen unterschiedlicher Art, beruht. Sie beschreibt den Widerstand des Bodens gegenüber jeglicher Formver-änderung. Die Konsistenz wird vor allen durch die Bodenkörnung, also ih-re Textur, oder die Bodenart, den Bodenfeuchtegehalt, also die Saugspan-nung oder die Wassersättigung, weiter durch den Gehalt an organischer Bodensubstanz, das Bodengefüge und zum Teil durch den Kationengehalt

Page 150: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.2 Konsistenz des Bodens 137

bestimmt. Man unterscheidet vier Konsistenzbereiche: fest, halbfest, plas-tisch und flüssig.

Die Grenzwertparameter der Konsistenzbereiche sind zunächst die Haftgrenze, der Wassergehalt also, bei dem Gefügekörper zusammen-zuhalten beginnen. Die Plastizitätsgrenze beschreibt den Wassergehalt, bei dem eine 3 bis 4 Zentimeter dicke Bodenrolle nicht mehr in 1 bis 2 Zentimeter große Brocken zerfällt, die Klebgrenze wiederum meint den Wassergehalt, bei dem das Kleben des Bodens am Bohrstock be-ginnt. Die Fließgrenze schließlich beschreibt den Wassergehalt eines Bodens, bei dem dieser ohne Druckanwendung zu fließen beginnt.

Box 6.1. Internationale Bodenklassifikationssysteme (amerikanisches System nach H. Gebhardt et al. 2007) Die international gebräuchlichen morphologischen Klassifikationssysteme der Böden gehen auf ein System zurück, das 1960 in Amerika entwickelt worden ist. Die Böden werden dabei nach ihren Horizonten und nach ihrer Genese wie folgt definiert: Cryosols (griech. kryos = Frost) oder Gelisols (lat. gelare = zum Gefrieren bringen): Böden mit Permafrost; Histosols (griech. histos = Gewebe): Hoch- und Niedermoor, Böden mit organischem Boden-material; Spodosols (griech. spodos = Holzasche): Podsolböden mit einem spodic-B-Horizont; Andisols (japanisch an = dunkel): Braunerdeböden mit andischen Eigenschaften, meist junge Vulkanascheböden; Oxisols (oxic-B, von oxisch): Ferralitböden mit stark verwittertem Unterboden; Vertisols (lat. vertere = wenden): Pelosole, also tonige Böden mit starker Quellungs- und Schrumpfungsdynamik; Aridisols (lat. aridus = trocken): Böden mit aridem Feuchteregime und hohem Salzgehalt oder Oberboden mit geringem Humus-gehalt; Ultisols: Ferrasilitböden mit basenarmem Unterboden (Basensätti-gung weniger als 35 Prozent) und Tonanreicherungshorizont; Mollisols (lat. mollis = weich): Tschernosemböden mit mächtigem, durch Akkumulation von grauschwarzen Huminstoffen gekennzeichnetem Oberboden und hoher Basensättigung; Alfisols (vom amerikanischen Fachwort pedalfs = entkalkter Boden): Parabraunerdeböden mit einem Tonanreicherungshorizont im Unter-boden; Inceptisols (lat. inceptum = Anfang): schwach entwickelte Brauner-deböden mit erkennbaren Horizonten; Entisols (engl. recent = jung): Ranker oder Lockersyroseme, also unentwickelte Böden ohne erkennbare Horizonte. Mit dieser Benennung kann man für die Böden nach Art und Genese Kunst-namen bilden, wobei die ersten Silben der Bodentypen für Klassifikation und Namensgebung benutzt werden: Es entstehen neue Namen wie beispielsweise Aquert (ein aquic = vernässter Vertisol) oder Humult (ein humic = humoser Ultisol mit humosem Oberboden). Diese Bodentaxonomie wird nicht nur in den USA, sondern auch in einer ganzen Reihe anderer Länder für tropische und subtropische Gebiete angewendet.

Page 151: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

138 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Für physikalische und chemische Verwitterungsprozesse ist die Be-schaffenheit des Gesteins oder des Sediments von großer Bedeutung. So hängt die Verwitterungsstabilität eines Gesteins von seiner mineralogi-schen Konsistenz ab: Lockeres Gestein, wie Löss, festes, wie Gneis, schiefriges, wie Phyllit, grobkristallines, wie Granit, oder feinkristallines, wie Basalt, reagieren in dieser Hinsicht verschieden; dazu kommt die tek-tonische Vorbelastung der Gesteine. Auch die Struktur der gesteinsbilden-den Minerale beeinflusst die Geschwindigkeit der Verwitterung.

Je komplexer seine Struktur, desto verwitterungsresistenter ist das Mi-neral.

In festen Sedimentgesteinen hängt die Verwitterung sehr stark von der Art des Bindemittels ab, denn bei carbonatischen Sedimenten muss erst der Boden entkalkt werden, um eine Silikatverwitterung zu bewerkstelligen. Hierbei spielt das Geländerelief mit den mikroklimatisch wirksamen Hangexpositionen zur Sonne hin ganz wesentlich mit. Ebenso ist das Was-ser im Boden von großer Bedeutung: Sickerwasser, Haftwasser und Kapil-larwasser bewirken Stoffverlagerung und Horizontdifferenzierung im Bo-den, und es stellen sich bei Wasserüberangebot die hydromorphen Böden ein. Dies ist vor allen der Fall, wenn sich Stauwasser über einen dichten tonreichen Bodenhorizont bilden kann oder wenn das Grundwasser hoch ansteht. Welcher Wassergehalt beziehungsweise Bodenfeuchtegehalt im Einzelnen vorliegt, hängt ursächlich vom Porensystem des jeweiligen Bo-dens ab, wie wir es im Kapitel 5.3 schon ausführlich kennen gelernt haben.

Auch die Rolle der Bodenmikroorganismen und der Bodentiere, wie wir sie in Kapitel 7 kennen lernen werden, ist wichtig für die Bodenbildung. Die Vegetation schützt den Boden vor Abtrag und beeinflusst den Boden-wasserhaushalt, sie entzieht dem Boden Nährstoffe und trägt mit ihren Ex-sudaten, den Wurzelsäuren, zur Verwitterung bei. Die Bodentiere schaffen die Bodengefügeformen mit den speziellen Krümelstrukturen. Auch der Mensch spielt natürlich eine wichtige Rolle: Er rodet die Vegetation, pflügt den Boden, bearbeitet, düngt, be- und entwässert; er trägt Bodenma-terial ab oder auf und greift somit fundamental in die Bodenbildungspro-zesse ein. Die negativen Folgen sind Bodendegradation, Bodenerosion und Nährstoffverluste oder extreme Nährstoffanreicherung. Nicht nur Stick-stoff wird heute in die Böden eingetragen: Vielerorts sind Kontaminatio-nen mit schädigenden Schwermetallen oder Kohlenwasserstoffen lang an-haltend wirksam.

Die Dauer einer Bodenbildung ist also vom Mineralabbau, der Mineral-neubildung und der Humifizierung abhängig. So finden wir vielfach Böden vor, die unterschiedliche Entwicklungsphasen durchlaufen haben und des-halb als polygenetische Bildungen anzusehen sind. Wir können eine re-

Page 152: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.3 Bodenhorizonte 139

gelrechte Entwicklungsreihe der Bodentypen feststellen: Von unreifen Bö-den mit nur geringen Veränderungen der Verwitterungsprodukte des Mut-tergesteins zu reifen Böden, bei denen ein Profil mit den verschiedenen Horizonten deutlich erkennbar ist. Schließlich kann man auch noch von greisenhaften Böden sprechen, wenn eine starke Auswaschung der oberen Horizonte eingetreten ist (Abb. 6.5).

Abb. 6.5. Ausgeprägter Heidepodsol mit geringer Plaggenauflage. Durch die Heide verursachte Orterdebildung passte sich den Störungen des Bodens durch die Wur-zeln des ursprünglichen Waldes an, so dass dessen Wurzelzapfen deutlich sichtbar werden (aus Pott 1999 © Ulmer, Stuttgart)

Die Bodenentwicklung geht nun Hand in Hand mit einer bestimmten Vegetationsentwicklung. Diese Wechselbeziehungen zwischen Boden und Pflanze sind sehr eng. Auf beide Teile wirkt gleichermaßen das Klima ein, das in der bodennahen Luftschicht wiederum eine gewisse Beeinflussung, sowohl durch den Boden, als auch durch die Pflanzenwelt erfährt. Somit ergeben sich zwischen Klima, Boden und Vegetation spezielle Beziehun-gen von sehr komplexer Natur. Plaggenauflagen haben in den Geestgebie-ten Nordwestdeutschlands beispielsweise das vorausgegangene ältere Bo-denprofil eines Eichen-Birken-Waldes überformt. Die feinen horizontalen Bänder unter der Orterdeschicht stammen vom ehemaligen Eichen-Birken-Wald, ein Beleg für den Begriff „Schrift des Bodens“.

6.3 Bodenhorizonte

Wir haben in den vorhergehenden Kapiteln gesehen, dass Wasser und Temperatur die beiden klimatischen Faktoren sind, die in stärkstem Maße die Bodenentwicklung bestimmen. Dementsprechend unterscheiden sich die Böden der humiden und der ariden Gebiete sehr stark voneinander. In humiden Gebieten wird die Bodendynamik bestimmt durch einen abstei-

Page 153: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

140 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

genden Wasserstrom. Dieser absteigende Wasserstrom nimmt verschiede-ne lösliche und auch kolloidale Bestandteile aus den oberen Bodenschich-ten mit sich in die Tiefe. Die leicht löslichen Bestandteile, vor allem Salze, werden dabei dem Grundwasser zugeführt, während die kolloidalen Be-standteile, wie Humus, Eisenhydroxid und Tonerde schon in geringeren Tiefen wieder ausgefällt werden und sich dort als Orterde und Ortstein an-reichern. Auf diese Weise entstehen bestimmte Bodenhorizonte, die eine scharfe Gliederung des Bodenprofils verursachen. Den oberen Horizont, welcher der Auswaschung unterliegt, bezeichnet man als Eluvialhorizont oder auch als A-Horizont, wobei man ihn noch weiter in A1, A2 etc. unter-teilen kann. Darunter liegt der Illuvialhorizont als Anreicherungshorizont für die ausgewaschenen kolloidalen Bestandteile. Man bezeichnet einen solchen Horizont im Bodenprofil als B-Horizont. Unter diesem B-Horizont liegt das mehr oder weniger verwitterte Muttergestein in Form von Lo-cker- oder Festgestein, das man als C-Horizont bezeichnet. (Abb. 6.6).

Abb. 6.6. Podsol aus Flugsand (aus Niedersächsisches Landesamt für Bodenfor-schung, Böden in Niedersachsen, Hannover 1997/98)

In den ariden Gebieten gibt es dagegen einen absteigenden Wasserstrom nur vorübergehend nach Regenfällen. Da hier aber die Verdunstung über-wiegt, kommt besonders während der Trockenzeiten ein aufsteigender Wasserstrom zustande. Eine Auswaschung kann hier also nicht erfolgen.

Page 154: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.3 Bodenhorizonte 141

Ebenfalls tritt, da ja auch der Kalk nicht ausgewaschen wird, nie extreme Versauerung und kein Tonzerfall ein, und daher sind die kolloidalen Bo-denbestandteile ganz unbeweglich. Somit fehlt auch stets der B-Horizont. Wir bezeichnen daher diese Böden als AC-Böden. In Mitteleuropa gibt es solche Böden nur im Jugendstadium der Kalkverwitterungsböden.

Die Bodenhorizonte werden mit Großbuchstaben bezeichnet. Zur Be-nennung geogener und anthropogener Eigenschaften können kleine Buch-staben vorangestellt werden. Pedogene, durch Bodenbildungsprozesse ver-änderte Eigenschaften werden durch nachgestellte Kleinbuchstaben angezeigt (Tabelle 6.1). Zur Kennzeichnung des Humustyps beziehungs-weise der Humusform fasst man nach dem Arbeitskreis Bodensystematik (1988) die stofflichen Eigenschaften der organischen Bodensubstanz und das Aussehen der entsprechenden Oberbodenhorizonte zusammen und de-finiert somit die Humushorizonte, wie es in der Box 6.2 beschrieben ist.

In Anwendung der Horizontsystematik, wie sie sich aus der Tabelle 6.1 ergibt, kann man auch Humustypen oder Humusformen klassifizieren und beschreiben.

Unter Mull ([L]/Ah) versteht man eine Humusform, dem der L-Horizont als Auflage fehlt oder der nur nach Streufall kurzfristig vorhan-den ist. Im oftmals mächtigen Ah-Horizont fehlen Streustoffe nahezu völ-lig. Der Humuskörper ist gut gekrümelt, er besteht fast ausschließlich aus dunkel gefärbten bis schwarzen Tonmineralen. Sein pH-Wert liegt um 7, und seine Körnung ist Schluff bis Lehm. Mull bildet sich in Böden unter günstigen Wasser- und Luftbedingungen und hohen Nährstoffgehalten; ein intensives Bodenleben und Bioturbation sorgen für einen schnellen Abbau und die Durchmischung der organischen und mineralischen Bodenbestand-teile.

Auch bei Moder (LOfOh/Ah) sind alle Auflagehorizonte vorhanden, jedoch mit geringerer Mächtigkeit und mit unscharfen Grenzen. Nach Karl E. Rehfuess (1990) sowie F. Scheffer und P. Schachtschabel (2002) sind die Horizonte oft miteinander verfilzt, darunter gefolgt von einem deutlich ausgeprägten humosen Mineralboden. Es gibt kaum Spuren biogener Durchmischung, und unter den Huminstoffen sind Huminsäuren und Ful-vosäuren stärker vertreten. Die pH-Werte liegen in Böden aus Silikatge-steinen bei 3 bis 4, können in solchen aus Karbonatgesteinen aber größer als 4 sein. Moder bildet sich in Böden unter krautarmen Laub- und Nadel-holzwäldern über nährstoffarmem Gestein und unter kühl-feuchten Klima-ten.

Rohhumus (L/Of/Oh/Aeh) schließlich ist die dritte Humusform, die wir für eine Bodenansprache kennen müssen. Hier sind alle Auflagehorizonte getrennt. Die Humusauflage ist bis zu 30 Zentimeter mächtig. Es gibt kaum Spuren biogener Durchmischung, da wühlende Bodentiere meist

Page 155: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

142 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Tabelle 6.1. Wichtige Horizontsymbole nach der Systematik der Deutschen Bo-denkundlichen Gesellschaft (Mitt. DBG 86 [1998])

Substratmerkmale

(vorangestellt) Horizontsymbole Pedogene Merkmale

(nachgestellt) Sym-

bol

kombinier-

bar mit Bedeutung

Sym-

bol Bedeutung

Sym-

bol

kombinier-

bar mit Bedeutung

a A, C, G, M Auendynamik F am Gewässergrund a A anmoorig

c C carbonatisch H aus Torf b B gebändert

e F, H, Ah, C, G, P, S, R, M

mergelig L aus wenig zersetzter Streu (Litter)

c H, A, B, C,T, S, G, M

Sekundärkarbonat

f H, A, B, P, T, S, G

fossil O aus stark zersetzter Pflanzensubstanz

d B, P, T, M, G, C

dicht (wasserstauend)

h H Hochmoor A terrestrischer Oberbo-denhorizont e A, S

eluvial, sauergebleicht, nassgebleicht

j A, H, C, S, G

anthropogen umgelagertes Natursubstrat

B terrestrischer Unter-bodenhorizont

f O vermodert

l C locker (grab-bar) C

terrestrischer Unter-bodenhorizont, Aus-gangsgestein

g S haftnässegeprägt

m A, C massiv (nicht grabbar) P

terrestrischer Unter-bodenhorizont aus Tongestein (Pelos)

h O, A, B, G humos

n H Niedermoor T

terrestrischer Unter-bodenhorizont aus Carbonat-Lösungs-rückständen (Terra)

i F, A initial

r A, B, P, T, S, G

reliktisch S

terrestrischer Unter-bodenhorizont mit Stauwassereinfluss

l A lessiviert, tonver-armt

y C, G

anthropogen umgelagertes künstliches Substrat

G

Semiterrestrischer Horizont mit Grund-wassereinfluss

o F, G oxidiert

z F, A, G salzhaltig M

Horizont aus sedi-mentiertem Bodenma-terial (migrare)

p H, A gepflügt

E

Horizont aus aufge-tragenen Plaggen oder Kompost (Esch)

r F, H, S, G reduziert

R

durch Rigolen ent-standener Mischhori-zont

s H, G, B angereichert mit Sesquioxiden (in Podsolen

t B tonangereichert

v B, C verbraunt, ver-lehmt, verwittert

w S wasserleitend

X A biogen durch-mischt

z H, A, G Anreicherung von Salz

Page 156: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.3 Bodenhorizonte 143

fehlen. Dafür durchziehen die Hyphen der Basidiomyceten die oftmals plattig gelagerten Grob- und Feinhumusauflagen; sie bewirken hauptsäch-lich die Mineralisierung. Es fehlt ein humoser A-Horizont, oder er tritt stark gegenüber der Bodenauflage zurück. Häufig werden auch die Hu-musstoffe in den Unterboden eingewaschen, wie wir es beim Vorgang der Podsolierung im Kapitel 5.8 kennen gelernt haben. Der Humuskörper ist ferner gekennzeichnet durch niedrige pH-Werte von meist unter 4. Die Huminstoffe enthalten vor allen Fulvosäuren. Rohhumus bildet sich insbe-sondere bei extrem nährstoffarmem und grobkörnigem Boden unter einer Vegetationsdecke, die schwer abbaubare und nährstoffarme Streu liefert, wie die Heidebildner Calluna, Erica, Vaccinium oder Rhododendron, oder bei Nadelbäumen, insbesondere Picea und Pinus.

Box 6.2. Prinzipien der Horizontbeschreibung (AK Bodensystematik 1988) Bei der Beschreibung von Horizontfolgen der Bodenprofile kennzeichnet man die Substratmerkmale oder die pedologischen Eigenschaften durch Schrägstrich-Unterteilung, zum Beispiel Ah/Bv/C. Übergangshorizonte mit Merkmalen zweier unterschiedlicher Bodenprofile werden durch Aneinander-reihen der Kleinbuchstaben (Ahe) oder mit Bindestrich (Ah-Ae) dargestellt, wobei der letztgenannte Buchstabe immer die größere Bedeutung hat. Schichtwechsel im Profil werden durch vorangestellte römische Ziffern ge-kennzeichnet (II Bv). Gepflügte Böden, die je nach Bearbeitungstiefe mecha-nisch durchmischt sind, bezeichnet als Ap, humushaltige Mineralbodenhori-zonte als Ah und Mineralböden, die durch Auswaschung löslicher Humin-stoffe geprägt sind, als Aeh oder Ahe-Mineralbodenhorizonte. Ah = humus-haltiger mineralischer Oberbodenhorizont, L = Horizont aus gering zersetzter oder unzersetzter Streu, Of = Horizont einer Humusauflage mit hohem orga-nischen Anteil aus zersetzter Pflanzensubstanz, Oh = vollständig humifizierte Auflage, Ahe, Aeh = Mineralbodenhorizont mit Aus- oder Einwaschung von Fulvosäuren sind weitere Beispiele für Horizontbeschreibungen.

Diese drei Humusformen entstehen ohne den Einfluss von Grund- oder Oberflächenwasser; zwischen diesen Haupttypen gibt es zahlreiche Misch- und Übergangsformen, die je nach Spezifität gesondert benannt werden können: Sandmull beispielsweise ist der typische Mull sandiger Böden, Kalkmull entsteht über carbonathaltigem Boden, Kalk- oder Rendzina-moder (L/(Of)/Oh/Ah) entsteht auf trockenen, oft flachgründigen Kalkge-steinen in kühleren Klimaten, wo der Of-Horizont nur schlecht ausgebildet wird. Eine besondere Humusform ist der Tangelhumus (L/Of/Oh/Ah), den wir hier noch erwähnen wollen, weil er als Auflagenhumusform von Rendzinen in der montanen und subalpinen Stufe der Kalk-Hochgebirge

Page 157: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

144 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

bei kurzer, kühler, meist niederschlagsreicher Vegetationszeit weit verbrei-tet ist. Hier ist die dunkle bis schwarze Humusauflage 15 bis 30 Zentimeter mächtig, locker gekrümelt, von unten mit Karbonatsplittern oder kleinen Steinchen angereichert und hat pH-Werte von 6 bis 7. Er ist stark durch-setzt von Pflanzenwurzeln, besonders denen von Fichten, die im klüftigen Gestein ihren Halt finden. Ein moos- und farnreicher Fichtenwald vom Typ des Asplenio-Piceetum ist, wie er bei Richard Pott (1995) beschrieben ist, ist bezeichnend für die Tangelrendzinen in den nördlichen Kalkalpen. Hier bedecken die Waldmoose Hylocomium splendens, Rhytidiadelphus

loreus, Bazzania trilobata, Plagiomnium undulatum und Ptilidium crista-

castrensis in dichten Paketen den Boden (Abb. 6.7).

Abb. 6.7. Eine alpine Sonderform der Humusbildung ist Tangelhumus, bei dem üppige Moosdecken unter Fichtenwald vom Typ des Asplenio-Piceetum, wie hier bei Berchtesgaden, entwickelt sind

6.4 Rohböden und A/C-Böden

Das erste Stadium der Bodenbildung, bei dem ein neugebildeter A-Horizont eine Mächtigkeit von höchstens 2 Zentimetern aufweist (Ai), be-zeichnet man als Rohboden. Nach der Art des Ausgangsgesteins unter-scheidet man Syrosem (Ai/mC) aus Festgestein und Locker-Syrosem (Ai/lC) aus Lockergestein (Abb. 6.8). Als Syroseme (russ. = „rote Erde“) hat W. Kubiena (1953) alle Gesteinsrohböden bezeichnet. Ältere Bezeich-nungen sind Schutt- oder Skelettböden.

Page 158: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.4 Rohböden und A/C-Böden 145

Abb. 6.8. Locker-Syroseme einer Weißdünenkette auf der Nordseeinsel Lange-oog. Diese je nach Entwicklungsstadium und Sandzufuhr unterschiedlich intensiv bewachsenen Küstendünen werden von Ammophila arenaria besiedelt

Darüber hinaus unterscheiden wir zum einen unter Wasser gebildete, vor allem in silikatoligotrophen Gewässern verbreitete, also subhydrische Protopedon-Rohböden, zum anderen semiterrestrische Rambla-Böden und terrestrische Syroseme, die den Anfang spezieller Bodenentwicklun-gen bilden. Die ökologischen Eigenschaften der Rohböden werden fast ausschließlich durch die Gesteinseigenschaften bestimmt. Die Abb. 4.6 und 4.9 von den Sandsteinfelsen und den Dünen des Elbtales zeigen zu-sätzlich augenfällig die mikroklimatischen Besonderheiten dieser Rohbo-denstandorte. Aus dem Stadium eines Rohbodens bildet sich bei ungestör-ter Entwicklung aus dem Ausgangsgestein, dem C-Horizont, ein neuer Bodenhorizont A, der in diesem Stadium mit wenigen Millimetern Stärke noch äußerst geringmächtig ist und unmittelbar dem festen Gestein auf-liegt. Da die Bodenentwicklung aber noch nicht allzu weit fortgeschritten ist, dominiert in diesem Entwicklungsstadium das Ausgangsgestein noch viele wesentliche Bodeneigenschaften. Deshalb differenziert man die A/C-Böden nach dem Typ ihres Ausgangsgesteins:

• Syrosem-Regosol – aus carbonatfreiem oder -armem Lockergestein,

• Syrosem-Ranker – aus carbonatfreiem Festgestein,

• Syrosem-Rendzina – aus carbonatischem Festgestein und Gips,

• Syrosem-Pararendzina – aus carbonatischem Lockergestein.

Page 159: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

146 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Auf Kalkgestein entstehen basische oder neutrale Syrosem-Rendzinen; auf Silikatgestein saure Syrosem-Ranker. Bisweilen sind auch die oberen Zentimeter des festen Gesteins an Stoffen verarmt, also ausgehagert. Hier können Flechten, Algen und Bakterien, vor allem Cyanobakterien, in die oberen Gesteinsschichten eindringen, und die chemische und biologische Verwitterung beginnt. Flechten können dem Gestein wasserlösliche Mine-rale, vor allem Calcium, Kalium und Magnesium entziehen. Cyanobakte-rien bringen Stickstoff in das System, was für Syroseme in Trockengebie-ten und in Wüstenböden nicht unerheblich ist. Syroseme gibt es also in allen Extremlebensräumen der Erde, vor allem aber in Erosionslagen der Gebirge und an Felsstandorten. Auch in den arktischen und antarktischen Kältewüsten sind die Flechten die Pioniere dieser Extremlebensräume. So-gar unter Steinen lebende, kryptoendolithische Flechten sind von sonnen-beschienenen nordexponierten Hängen unter Felsgestein aus der Antarktis bekannt. Sie sind im Hochgebirge oftmals sogar Indikatoren des alpin-nivalen Klimas, wie dies der österreichische Botaniker Helmut Gams (1893-1976) schon 1927 erkannte. Er verstand darunter vor allem die all-gegenwärtigen Überzüge der Nabelflechten Umbilicaria cylindrica, die oft zusammen mit der Landkartenflechte Rhizocarpon geographicum auf Sili-katfelsen im Hochgebirge zu finden ist (Abb. 6.9).

Abb. 6.9. Rhizocarpon geographicum agg. ist eine Sammelbezeichnung für viele gesteinsbewohnende Krusten flechten mit grauweiß-gelbem Thallus in rissig-netzartigen Lagern. Diese Landkartenflechte wächst mit vielen Rassen in den Hochgebirgen Europas

6.5 Regosol

Regosole besitzen einen humosen A-Horizont, der direkt in Lockermateri-al aus Flug- oder Geschiebesand übergeht. Der Name (griech. rhƝgos = Decke, Teppich), soll die geringe Humusdecke hervorheben. Wir finden diesen Bodentyp ortsweise nur kleinflächig auf Dünen, häufiger jedoch als

Page 160: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.6 Ranker, Rendzina und Pararendzina 147

Formen der Bodendegradation nach langer ackerbaulicher Nutzung (Abb. 6.10). Ein Regosol unterscheidet sich in seinen bodenchemikalischen Ei-genschaften nicht sehr viel vom Ranker. Ein Unterschied liegt jedoch in der physikalischen Bodenkomponente: Hier macht sich der Unterschied zwischen den Locker- und Festgesteinen bemerkbar; denn die Gesteinsei-genschaften sind auch zunächst prägend.

Abb. 6.10. Regosol auf den Emsterrassen bei Emsbüren in Niedersachsen. Dieser Rohboden besteht aus einer lückenhaften, oft nur filmartigen Lage aus noch kaum zu Humus zersetzter abgestorbener organischer Substanz, auf der sich nach Auf-lassung des Ackerbaus großfächig Silbergrasrasen oder ruderale Hochstaudenflu-ren mit Tanacetum vulgare eingestellt haben

6.6 Ranker, Rendzina und Pararendzina

Ranker und Rendzina entstehen aus Gesteinsrohböden. Sie sind daher vor-wiegend Gebirgsböden. Der Ranker ist ein oft nur wenige Dezimeter tie-fer Boden, der ausschließlich auf carbonatfreien oder carbonatarmen Ge-steinen entstehen kann. Er hat seine Bezeichnung nach dem österreichi-schen Volksnamen für steile Berghalden, wo dieser Bodentyp häufig auftritt. Der Skelettanteil dieser flachgründigen Gebirgsböden ist naturge-mäß sehr groß. Der A-Horizont ist humos und wird nach unten hin, schon bei ein oder zwei Dezimetern Tiefe, humusarm. Oft bildet sich Moder als Humusform; bei sehr basenreichem Ausgangsgestein, wie beispielsweise Basalt, kann es auch Mull sein. Darunter folgt der C-Horizont aus dem an-

Page 161: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

148 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

stehenden Muttergestein (A/C-Profil). Da diese Ranker carbonatarm oder carbonatfrei sind, ist ihre Bodenreaktion immer sauer. Sie neigen daher auch, wenn sie tiefer verwittern und mit Nadelhölzern bepflanzt werden, zur Podsolierung, das heißt, sie können direkt vom Jugendstadium in das Greisenstadium übergehen. Unter natürlichen Standortbedingungen wer-den sie bei weiterer, tiefgründigerer Verwitterung zu mesotrophen und oligotrophen Braunerden. (Abb. 6.11).

Abb. 6.11. Podsolige oligotrophe Braunerde, ein typisches Bodenprofil des Silikat-Buchenwaldes. Dies ist ein weit verbreiteter Bodentyp im gemäßigt humiden Klimabereich mit verbrauntem Ah-Bv-C-Profil. Nach beginnender Versauerung setzen sich Eisenoxide und Eisenhydroxide aus primären Sili-katen frei. Diese bilden Beläge auf anderen Mineralen, was zur charakteristischen Braunfärbung führt. Der Humus ist als Mull oder Moder ausgeprägt

Die Rendzina ist ebenfalls ein sehr flachgründiger, junger Gesteinsbo-

den mit A/C-Profil, aber meist über massivem Kalkgestein, in dem durch Verwitterung schon Klüfte entstanden sind. Der Unterschied zum Ranker ist der Carbonatreichtum seiner Ausgangsgesteine. Der A-Horizont in die-sen Rendzinen ist im Allgemeinen sehr humusreich, liegt als Mull vor und verfügt daher auch auf Grund seiner basischen Reaktion über ein reges Bodenleben. Dadurch kommt auch die innige Durchmischung der Mine-ralbestandteile mit den organischen Substanzen des Bodens zustande. Die pH-Werte liegen zwischen 7 und 8, Calcium und Magnesium sind ausrei-chend vorhanden. Auf Grund ihrer starken Basensättigung neigen diese

Page 162: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.6 Ranker, Rendzina und Pararendzina 149

Böden im Gegensatz zu den Rankern kaum zur Podsolierung. Bei tieferer Verwitterung und Tonaufbau entstehen aus ihnen eutrophe Braunerden (Abb. 6.12). Gesteine, deren Löslichkeit in reinem Wasser nicht zu gering ist, können bereits durch das versickernde Niederschlagswasser aufgelöst und verlagert werden. Neben den leicht löslichen Salzen, die in unserem Klima rasch ausgewaschen werden, betrifft das in erster Linie Gips (Ca-SO4 · 2 H2O). Eine Folge dieser Auswaschung sind typische Höhlensyste-me in Gipsgesteinen, wie wir sie in Gipskarst-Landschaften finden. Als weitere Folge reichern sich die Begleitminerale des Gipses an und liefern das Material für die Bildung entsprechender Böden, beispielsweise Gipsrendzinen.

Abb. 6.12. Die Rend- zina ist ein Humus-Carbonatboden, im all-gemeinen skelettreich und flachgründig. Dieser A-C-Boden verfügt über eine geringe Wasser-kapazität und trocknet leicht aus, weil das

Wasser in den durchlässigen Kalken rasch versickert. Rendzinen zeigen eine neut-rale bis schwach basische Reaktion, und ihr Nährstoffreichtum lässt einen stark belebten Mull entstehen

Ranker und Rendzina sind in Mitteleuropa meist als Waldböden ausge-bildet. Zur Ackerkultur sind sie auf Grund ihrer Flachgründigkeit nicht ge-eignet, wohl aber zur Anlage von Reben, wie wir es beispielsweise von den südexponierten Lagen des Kaiserstuhls her kennen.

Der A-Horizont einer Pararendzina ähnelt sehr der Rendzina, nur ent-wickelt sich dieser Boden im Unterschied dazu aus Löss, Geschiebemer-gel, karbonathaltigen Schottern oder gar aus Sanden und Sandgesteinen. Auch ihr pH-Wert, ihre Calcium-Sättigung und das Krümelgefüge des Humus in Form von Mull ähneln denen einer Rendzina. Die Pararendzina unterscheidet sich jedoch davon durch höhere Sand- und Schluffgehalte. Unter Wald geht dieser Bodentyp nach Entkalkung in Braunerden oder Pa-rabraunerden über, während er sich im Steppenklima zu Schwarzerden entwickelt.

Page 163: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

150 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

6.7 Tschernosem

Unter Tschernosem (russ. „schwarze Erde“) verstehen wir einen Boden-typ, der im deutschsprachigen Raum unter dem Namen Schwarzerde be-kannt ist und hauptsächlich in den südlichen osteuropäischen Steppenland-schaften verbreitet und. Das Muttergestein dieses Bodentyps besteht aus einem schweren kalkhaltigen Löss. Dazu herrscht im Verbreitungsgebiet des Tschernosems ein semiarides Klima, das die Mineralisation der Hu-musstoffe periodisch jeweils im Spätsommer durch Trockenheit und im Winter durch Kälte hemmt. Dieses Klima, Grasvegetation und tiefgründi-ger, kalkhaltiger Untergrund sind die Voraussetzungen für die Ausbildung einer typischen Schwarzerde. Nur wenige andere Bodentypen haben einen derart hohen Humusgehalt. Die Humuskonzentration des Oberbodens einer typischen Schwarzerde erreicht 12 bis 15 Prozent des Substratgewichtes mit hoher Gefügestabilität und hoher nutzbarer Feldkapazität, womit ein Quadratkilometer Bodenfläche bei einer Bodentiefe von durchschnittlich 2 Metern 50 000 bis 70 000 Tonnen Humus enthält. Deshalb sind Tscherno-seme die fruchtbarsten Böden der Erde.

Bei einer mächtigen Schwarzerde kann der Humushorizont über 1 Meter und mehr Tiefe reichen. Er ist schwarz gefärbt und enthält im Allgemeinen 5 bis 10 Prozent Humus in Form von Mull, der in einen dunklen Ah-Horizont mit stabilem Krümelgefüge übergeht. Er wird nach unten zuneh-mend humusärmer und damit auch heller in der Farbe. Bei etwa 2 Meter Tiefe geht er allmählich in den unveränderten Löss, den C-Horizont, über. (Abb. 6.13).

Abb. 6.13. Der Tschernosem ist ein zu den Steppenböden gehörender, mächtig humoser Ah-C-Boden auf kalk-haltigem Lockersediment. Tschernoseme sind durch einen bis ein Meter mächtigen dunkelgrau-braunen bis grau-schwarzen, gut gekrümelten A-Horizont gekennzeichnet. Intensives Bodenleben führt zu starken, tiefgehenden Durchmischungen von humosem und mineralischem Mate-rial. Typisch für Tschernoseme sind die Krotowinen, die mit Bodenmaterial erfüllten Gänge und Hohlsysteme von Bodenwühlern. Im unteren C-Horizont finden sich Kalk-ausblühungen oder regelrechte Kalkkonkretionen, die der chemischen Verwitterung unterliegen

Page 164: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.7 Tschernosem 151

Die dunkle Färbung des A-Horizontes wird durch die sehr gute Durch-mischung des Humus mit mineralischen Bestandteilen und die adsorptive Sättigung mit Kalk bedingt. Die Zersetzung von Humus und die Bildung von leicht löslichen Salzen findet unter günstigen Bedingungen innerhalb von 8 bis 10 Wochen statt. Der neutrale oder alkalische Humus vom Typ eines Mull bindet die Mineralpartikel und bildet eine günstige Bodenstruk-tur, was die hohe Biodiversität in Landschaften mit solchen Böden erklärt. Ein solcher Boden absorbiert Wasser problemlos und speichert es bis in tiefe Schichten. Er ist auch besser durchlüftet, seine Temperatur schwankt weniger, denn durch seine dunkle Färbung absorbiert er mehr Sonnenlicht und erwärmt sich schneller. Das ist einerseits durch die starke und tiefe Durchwurzelung des A-Horizontes mit Steppengräsern und Kräutern, an-dererseits aber auch durch das rege Tierleben in diesen Böden bedingt. Wir finden hier auf Schritt und Tritt die Gänge und Bauten grabender Steppen-tiere, vor allem des Ziesels. Ebenfalls herrscht ein Reichtum an Regen-würmern vor. Der Humushorizont mit seiner krümeligen Struktur bildet somit einen idealen Ackerboden. Daher ist das Steppengebiet heute auch bis auf kleine Reste zu Ackerland geworden.

Wir unterscheiden mehrere klimaabhängige Typen von Tschernosemen. Alle unterliegen einer negativen Evapotranspiration: Während der feuchten Jahreszeit wird der freie Kalk im Boden durch Regen oder Schmelzwässer, die im Boden CO2 aufnehmen, gelöst und in die Tiefe verlagert. Die Re-genmenge reicht jedoch nicht aus, um den Kalk bis zum Grundwasser hin-abzuschwemmen. Vielmehr setzt im Sommer ein intensiver Wasser-verbrauch durch die Pflanzenwurzeln ein, die Kalklösung wird konzentrierter und schließlich kristallisiert der Kalk aus. Bei der mächtigen Schwarzerde geschieht das in Form von feinen, weißen Fäden, die wie Schimmelpilze aussehen. Man spricht daher auch von „Schimmelcarbona-ten“. Ihre Lage gibt die Tiefe des mittleren Vordringens der Niederschläge an. Bei der mächtigen Schwarzerde ist das in etwa 70 Zentimetern Tiefe. Je geringer die jährlichen Niederschläge nach Süden werden, desto weni-ger tief dringen sie in den Boden ein und desto höher liegen daher die Kalkausscheidungen. Zugleich ändert sich aber auch deren Charakter. Die mächtige Schwarzerde ist unter einer kräuterreichen Wiesensteppe ent-standen, in der Festuca sulcata (Abb. 6.14) dominiert.

Unter trockenerem Klima wird der Kalk in rundlichen Konkretionen auskristallisiert, und man spricht von „Kalkaugen“. Da aber auch die Pro-duktivität der Pflanzendecke abnimmt, ist der Humushorizont hier weniger mächtig, nur bis etwa 75 Zentimeter. Das trockenere Klima bedingt aber auch eine Hemmung des Humusabbaus, was zu schlechteren Lebensbedin-gungen für die Bodenorganismen führt. Für diesen Typ der Schwarzerde ist als natürliche Pflanzendecke die krautreiche Federgrassteppe bezeich-

Page 165: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

152 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

nend. Hier mischen sich diverse Kräuter und Stauden mit verschiedenen Stipa-Arten. Weiter südlich erreicht der Humushorizont kaum 50 Zentime-ter. Aber auch der Humusgehalt nimmt hier ab (5 %), weil eben die Pro-duktion der Pflanzendecke zu gering ist. Wird das Klima nach Süden noch trockener, so geht die Veränderung in derselben Richtung weiter. Der Hu-mus nimmt mehr und mehr ab und die Färbung des Bodens wird dunkel- und dann hellbraun. Der Kalkhorizont liegt dabei noch höher. Hier findet man schließlich die reine Federgrassteppe (Abb. 6.15). Kräuter und Stau-den treten darin stark zurück.

Abb. 6.14. Festuca sulcata-Steppe in der chinesischen Mongolei mit blühendem Allium tenuissimum und Stipa krylovii

Abb. 6.15. Stipa grandis-Steppe in der chinesischen Mongolei

Page 166: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.8 Braunerde 153

6.8 Braunerde

Eine Zwischenstellung zwischen Tschernosem und Podsol nimmt die Braunerde ein. Dieser Bodentyp ist in der Hauptsache als ausgereifter Boden in Laubwaldgebieten Mitteleuropas vertreten, wo infolge höherer Niederschläge durch die Verwitterung primärer Silikate eine Reihe von Sekundärmineralen, vor allem Schichtsilikate und Eisen- oder Alumini-umoxide, entstanden sind. Es handelt sich also um einen mehr ozeanisch beeinflussten Bodentyp. Diese Auswaschungsprozesse können nur bei pH-Werten unter 6 ablaufen, so dass auch eventuell vorhandene Karbonate mit ausgefällt werden. Durch die entstehenden Eisen(III)-Ionen werden ent-sprechende Bodenhorizonte braun gefärbt, daher der Ausdruck „Verbrau-nung“ oder auch Braunerde als Bezeichnung für diesen Bodentyp.

Box 6.3. Terra rossa und Terra fusca

Die Terra fusca ist ein Boden auf Carbonat- oder Gipsgestein. Der Unterbo-den aus carbonatischen Lösungsrückständen (T-Horizont = terra) ist im Un-terschied zum dunkleren Bv-Horizont einer Braunerde leuchtend gelbbraun bis rotbraun gefärbt, daher der Name Terra fusca (lat. fuscus = dunkel). Die-ser Boden entsteht oft aus einer Rendzina, wenn der silikatische, tonreiche Lösungsrückstand eines kalkhaltigen Gesteins versauert oder sehr gering-mächtig geworden ist. Bei diesem Prozess wird gebundenes Eisen freigesetzt und oxidiert, es findet also eine Verbraunung statt. Die entstehenden Silikat-minerale sind reich an Illit und bei starker Verwitterung kaolinitreich. Terrae

fuscae sind häufig im warm-feuchten mio- bis oligozänen Abschnitt des Ter-tiärs entstanden. Das gilt vor allem für die hämatitreiche, rotgefärbte Terra

rossa des Mediterrangebietes. Die Terra fusca ist in Mitteleuropa ver-gleichsweise selten, man findet sie vornehmlich in erosionsgeschützten tertiä-ren Landschaften über mesozoischem Kalk. Terra rossa und Terra fusca werden international neuerdings zu den Braunerden gestellt.

Die ökologischen Eigenschaften einer Braunerde hängen entscheidend

vom Ausgangsgestein ab: Bei basenreichen Gesteinen sinkt der pH-Wert im Lauf der Bodenentwicklung nur langsam ab und bleibt längere Zeit im Bereich zwischen 6 und ca. 4,5. Bei der Verwitterung werden große Men-gen an Sekundärmineralen gebildet und Nährstoffe freigesetzt. Die Hu-musform ist Mull, und entsprechend bildet sich ein günstiger Standort für Pflanzenwachstum und Bodenleben. Solche Braunerden entwickeln sich bei ausreichenden Niederschlägen in der Regel zu Parabraunerden weiter. Sinkt bei basenarmem Ausgangsgestein der pH-Wert rasch auf Bereiche unter 4,5 und ist der Standort nährstoffarm, ist die Humusform Moder oder

Page 167: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

154 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

geht sogar schon in Richtung Rohhumus. Hier verläuft die Bodenentwick-lung in der Regel zum Podsol. Der Kalk ist aus den reifen Braunerden im Wesentlichen ausgewaschen. Der Basenumlauf im Boden ist jedoch noch so ausreichend, dass es unter Laubwald nicht zur Ausbildung von Rohhu-musdecken kommt. Die Bodenreaktion ist im Oberboden nur schwach sauer. Der A-Horizont ist auf Grund des reichen Bodenlebens sehr gut mit gesunden Humusstoffen durchmischt, die nach unten hin bei etwa 20 Zen-timeter immer mehr abnehmen. Über dem A-Horizont lagert unter natürli-chen Waldverhältnissen eine mehr oder weniger dicke Laubschicht.

Abb. 6.16. Lackprofil einer Pod-sol-Braunerde von Reinhold Tü-xen aus der Sammlung des Muse-ums „Mensch und Natur“ in Oldenburg. Hierbei handelt es sich um einen Auswaschungsbodentyp silikatischer Lockergesteine und Verwitterungsdecken der kühl- bis

kalt-gemäßigten Klima- und Vegetationszonen. Der Illuvial- oder Einwaschungs-horizont (B-Horizont) ist durch verlagerte Sesquioxide und Huminstoffe rotbraun bis rostrot gefärbt

Wird die Basensättigung in den Braunerden und Parabraunerden gerin-ger, dann tritt Rohhumusbildung ein und damit auch Durchschlämmung des Bodens und ein Tonzerfall. Es wird dann die Podsolierung und die Ausbildung eines Anreicherungshorizontes, eines echten B-Horizontes, eingeleitet. So können wir also alle Übergänge von der gesunden Brauner-de bis zum typischen Podsol vorfinden. Deshalb wird dieser Bodentyp auch als Podsol-Braunerde angesprochen (Abb. 6.16). Braunerden, in de-ren Profil die Podsolierung schwach angedeutet ist, bezeichnet man als podsolig. Je nach ihrem Nährstoffgehalt und ihrer Basensättigung unter-scheiden wir in Mitteleuropa oligotrophe, mesotrophe und eutrophe Braunerden. Heute sind die Braunerden größtenteils keine Laubwaldböden mehr, sondern sie sind unter Kultur genommen und eignen sich als Acker-böden (Abb. 6.17).

Page 168: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.9 Podsol 155

Abb. 6.17. Buchen-Eichenwälder auf podsoligen Braunerden sind in Nord-deutschland seit dem Neolithikum häufig unter Kultur genommen. Die Äcker wei-sen eine charakteristische dunkelbraune bis rehbraune Färbung auf

Ein wesentlicher Unterschied gegenüber den Podsolen besteht weiterhin darin, dass bei den Braunerden der Boden nicht gealtert, sondern gereift ist, das heißt, der Tonaufbau aus primären Silikaten ist hier weit fortge-schritten, und es tritt noch kein Tonzerfall ein. Eine Abschwemmung der Zerfallsprodukte der Sesquioxide Eisen und Tonerde und deren Anreiche-rung im B-Horizont erfolgt hier also nicht. Das Eisen wird beim Tonauf-bau zwar abgespalten, legt sich aber rindenartig um alle Bodenpartikel, ohne in den Unterboden abzuwandern. Durch die Umrindung der Boden-partikel mit Eisenoxid erhält das Bodenprofil eine gleichmäßige Braunfär-bung.

6.9 Podsol

Den Bodentyp Podsol finden wir in einer enormen Ausdehnung durch das ganze Waldgebiet bis zur Tundra im Norden. Die Hauptverbreitung dieses Bodentyps liegt also in der Borealen Nadelwaldzone. Bei uns in Nord-westeuropa tritt er vorwiegend in den Sandböden auf. Die Podsolböden sind allerdings nicht an nährstoffarme Sandböden gebunden, sondern bil-den sich auf jedem Muttergestein aus. Den Vorgang der Podsolierung ha-

Page 169: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

156 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

ben wir im Kapitel 5.8 bereits kennen gelernt. Er tritt umso schneller und intensiver auf, je basenärmer das Gestein ist. Ist der Basengehalt der Ge-steine hoch, so entstehen weniger typische Podsole. Auf Kalkstein kommt es nur dann zur Podsolierung, wenn dem unverwitterten Gestein eine ge-nügend mächtige Verwitterungsschicht aufliegt und der Kalk vom Unter-grund her somit keinen Einfluss auf den Oberboden mehr hat. Desgleichen können auch unter Rohhumusauflagen auf Kalk Podsole auftreten.

Wir finden beim Podsol ein typisches ABC-Profil vor, wobei der A-Horizont der Auswaschungshorizont und der B-Horizont der Anreiche-rungshorizont ist. Die Stärke der Podsolierung ist an der Mächtigkeit des gebleichten Auslaugungshorizontes zu erkennen, der fast nur noch gebleichte Quarzkörnchen enthält und daher eine aschgraue Farbe auf-weist. Auch die Stärke des Anreicherungshorizontes kann über die Intensi-tät der Podsolierung Auskunft geben. Der Anreicherungshorizont kann entweder nur schwach verfestigt sein, dann sprechen wir von Orterde, oder er ist steinhart verfestigt, dann nennen wir ihn Ortstein. Je nach den Ausfällungen im B-Horizont unterscheiden wir den Eisen-Humuspodsol vom reinen Eisenpodsol. Letzterer tritt meist bei weniger extremer Podso-lierung auf (Abb. 6.18).

Abb. 6.18. Profil eines doppelten Podsols: Bei starker Stoffverlage-rung oder periodischer Austrock-nung kann ein Einwaschungshori-zont zu Ortstein verhärten. Je nach örtlichen Bedingungen entstehen so Eisen- oder Eisenhumuspodsole auch zeitlich hintereinander, die dann am Aufbau und an der Zu-sammensetzung des Bodenprofils unterscheidbar und datierbar sind. Die farbigen Markierungen an der Messlatte umfassen jeweils einen Bereich von 20 Zentimetern

Page 170: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.10 Parabraunerde 157

Die ausgefällten Sesquioxide werden von den Wurzeln der Pflanzen kaum aufgenommen. Sie scheiden praktisch aus dem Stoffkreislauf aus. Voraussetzung für die Podsolierung ist natürlich humides und kühleres Klima und damit absteigender Wasserstrom im Boden sowie nicht allzu starke Zersetzung. Stark gefördert wird die Podsolierung in Böden, die von Rohhumuslagen überdeckt sind, vor allem unter Nadelhölzern und Heide-kraut. Aufgrund der Entstehung der gefürchteten Fulvosäuren wird der Boden dann noch wesentlich stärker ausgewaschen. Durch die Ansäuerung des Bodens geht auch das Bakterienleben zurück. Damit wachsen die Roh-humusdecken immer stärker heran, und parallel nimmt auch die Intensität der Podsolierung zu.

6.10 Parabraunerde

Die Parabraunerde entsteht durch Lessivierung, das heißt durch Tonver-lagerung vom Ober- in den Unterboden. Voraussetzung für ihre Bildung ist, dass genügend Ton im Oberboden vorhanden ist, entweder aus dem Ausgangsgestein oder durch Silikatverwitterung, der pH-Wert lange genug in einem Bereich ist, der die Dispergierung der Tonminerale zulässt (ca. pH 6,5 bis pH 5) und der dispergierte Ton durch ausreichend Sickerwasser in groben Poren in den Unterboden verlagert werden kann. Diese Bedin-gungen sind oft in ursprünglich carbonathaltigen Lockersedimenten (Löss, Geschiebemergel etc.) gegeben, so dass sich dort Parabraunerden als typi-sche Bodenform entwickelt haben (Abb. 6.19).

Abb. 6.19. Lackprofil einer Parabraunerde von Reinhold Tü-xen aus der Sammlung des Museums „Natur und Mensch“ in Oldenburg. Parabraunerden oder Lessivés sind mäßig saure bis saure verbraunte Böden mit Tonverlagerung vom Ober- in den Unterboden, erkennbar an dem aufgehellten, leicht verfahlten, an Ton verarmten A-Horizont unter dem Humus und dem dichten, mit Ton angereicherten Einwaschungs- oder B-Horizont im Unterboden. Stark versauerte Parabraun-erden werden auch als Fahlerden bezeichnet. Den Vorgang der Tonverlagerung bezeichnet man als Lessivierung

Page 171: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

158 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Parabraunerden sind auf Grund ihres günstigen Wasser- und Nährstoff-speichervermögens relativ gute Pflanzenstandorte und werden daher meist ackerbaulich genutzt. Allerdings nimmt die Gefügestabilität im Oberboden bei Ackernutzung stark ab, und es kommt zur Degradierung, so dass Verschlämmungs- und Erosionsgefahr bestehen. Bei mechanischer Belas-tung entsteht leicht eine Verdichtung des Oberbodens, was diese Probleme noch verstärkt.

Das Verhalten gegenüber Belastungsstoffen ist einmal durch die günsti-ge Humusform, zum anderen durch die Tonverlagerung geprägt: gelöste Stoffe können einerseits an den festen Bodenbestandteilen gebunden und damit aus der Lösung entfernt werden. Andererseits können sie mit den Tonteilchen in den Unterboden verlagert werden und finden sich dann im Bt-Horizont wieder. Die Mineralisierungsleistung ist allgemein gut und wird durch landwirtschaftliche Meliorationsmaßnahmen (Kalkung, Dün-gung, Bewässerung) noch erhöht. In stärker entwickelten Parabraunerden kann bei entsprechenden klimatischen Bedingungen Staunässe auftreten.

Zu den Parabraunerden gehört auch die Fahlerde. Hierbei handelt es sich um eine extrem versauerte Parabraunerde, die vor allem unter Löss und Geschiebemergel, aber auch auf lehmigen Sanden vorkommt. Auch die Fahlerde ist ein Geschöpf der Eiszeit. Ihre Grundlage ist der Geschie-bemergel, ein Produkt der eiszeitlichen Gletscher. Als sich die Eismassen mit ihrem erheblichen Gewicht damals langsam über das Gestein beweg-ten, wirkte ihre Unterkante wie ein Hobel, der Späne aus dem Gestein schleift. Diese wurden unter dem Gletschereis zerrieben und abgelagert. Nach dem Rückzug der Eismassen blieben diese lockeren Sedimente als Moränen erhalten. Schon bald nach dem Rückzug der Gletscher lagerte der Wind feinen Flugsand auf diesen Moränen ab. Geschiebemergel und Sand begannen sich zu vermischen. Beim Kontakt mit Luft und Wasser wurde der Boden in diesen jungen Moränen zunächst braun, weil die darin enthal-tenen Eisenverbindungen zu rosten begannen. Im Laufe der Zeit spülte das Wasser aber die eisenhaltigen Tonpartikel aus. Dabei entstand ein blass-brauner Bodenhorizont, der im Vergleich zu den eisenreichen Braunerden oder den humusreichen Schwarzerden fahl erscheint – daher der Name Fahlerde.

Die Fahlerde ist ein sehr ertragreicher Boden, auf dem Winterweizen, Wintergerste und Raps besonders gut gedeihen. Aber auch für die ausge-dehnten Buchen- und Eichenmischwälder Norddeutschlands ist dieser Bo-den ein idealer Standort. Am weitesten sind die Fahlerden in Mitteleuropa in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Brandenburg ver-breitet. Vereinzelt findet man sie auch in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Hessen, wo sie sich aber meist nicht aus Geschiebemergel, sondern aus Löss entwickelt haben.

Page 172: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.11 Stau- und Grundwasserböden 159

6.11 Stau- und Grundwasserböden

Unter dem Begriff Stau- und Grundwasserböden werden Böden zusam-mengefasst, bei denen durch zeitweiligen Wasserstau Sauerstoffmangel und dadurch Redoximorphie auftritt. Diese äußert sich in einer „Marmo-rierung” der betreffenden Horizonte, worunter die Entstehung grauer, gebleichter und brauner, mit Eisenoxiden angereicherter Flecken neben-einander zu verstehen ist. Diese können auf Grund von zwei verschiedenen Ursachen entstehen, erstens durch Stauwassereinfluss und zweitens durch den Einfluss von Grundwasser. Nach ihrer Entstehungsweise und Ausprä-gung des Wassereinflusses unterscheidet man verschiedene Typen:

Nassböden bilden sich, wenn der Grundwasserstand so hoch ist, dass geschlossenes Kapillarwasser bis in das Bodenprofil hinaufreicht. Aber auch durch Staunässe über einer undurchlässigen Bodenschicht können Böden wenigstens zu bestimmten Jahreszeiten nass werden. In tonreichen Substraten sind Wasser- und Luftbewegungen durch das Überwiegen von Feinporen stark verlangsamt. Das äußert sich einmal in einer ebenfalls ver-langsamten Auswaschung und chemischen Verwitterung. Zum anderen tritt bei höherer biologischer Aktivität leicht Sauerstoffmangel auf. Das ist beispielsweise im Bereich grober Poren der Fall, durch die Niederschlags-wasser mit darin gelösten organischen Substanzen und Nährstoffen aus dem Oberboden rasch in den Unterboden vordringen kann. Als Folge da-von werden Mangan(IV)- und Eisen(III)-Oxide lokal durch Reduktion ge-löst. Die entstehenden Mn2+- und Fe2+-Ionen wandern ins Innere der Ag-gregate und werden dort durch den restlichen Sauerstoff wieder oxidiert. So entsteht die „Marmorierung” der Stauwasserhorizonte: graue und brau-ne Flecken nebeneinander im selben Horizont.

Solche mineralischen Nassböden, die durch Grundwassereinfluss ent-standen sind, bezeichnet man als Gleyböden. In den Grundwasserhorizon-ten der Gleyböden sind alle Poren des Bodens mit Wasser gefüllt. Es fehlt infolgedessen der Sauerstoff. Das Eisen, das in den besprochenen Böden ohne Grundwassereinfluss unter Zutritt des Sauerstoffs in oxidierter, drei-wertiger Form als Eisenhydroxid vorlag und deshalb rostbraun gefärbt war, liegt hier unter Sauerstoffabschluss in reduzierter, also zweiwertiger Form als Ferro-Eisen vor. Reduziertes Eisen zeigt keine Braun-, sondern eine grau-grünliche bis bläuliche Färbung (Abb. 6.20).

Alle Bodenhorizonte der Gleyböden, die dauernd unter Grundwasser stehen, weisen daher in der Hauptsache diese Farbtöne auf. Wir sprechen dann von Reduktionshorizonten. Diese Reduktionshorizonte oder Gleyho-rizonte werden mit dem Buchstaben G bezeichnet. Oberhalb des reinen Gleyhorizontes befindet sich in der Regel ein Bodenhorizont, in dem der Grundwasserspiegel zu trockeneren Zeiten zeitweilig absinkt und die Näs-

Page 173: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

160 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

se verschwindet. Dann dringt auch Sauerstoff in diesen vorher mit Wasser getränkten Horizont ein, und das Eisen oxidiert. Es bilden sich dabei cha-rakteristische rostbraune Flecken, häufig entlang der Wurzelkanäle, die bevorzugt den Sauerstoff in die Tiefe leiten. Wir finden in diesem Hori-zont also sowohl Reduktionsformen des Eisens in der üblichen gräulich-grünen Farbe als auch rostbraune Oxidationsformen vor. Je nach der Höhe des Grundwasserspiegels in den verschiedenen Böden können auch die einzelnen Gley-Horizonte verschieden hoch im Bodenprofil liegen.

Abb. 6.20. Lackprofil eines Pseu-dogley-Bodens von Reinhold Tüxen aus der Sammlung des Museums „Natur und Mensch“ in Oldenburg. Die Bodenklasse der grundwasser-beeinflussten Gleyböden ist durch das Standardprofil Ah-G0G1 charak-terisiert. Der Grundwasserspiegel steht hier meist nur etwa 40 Zenti-meter unter Flur. Unter einem feuchten, aber gut zersetzten Mull-

humus folgt der periodisch durchlüftete und demzufolge durch oxidiertes Eisen rostfleckige dunkle Grundwassersaumhorizont G0. Im ständig wassererfüllten Un-terboden liegt das Eisen fein verteilt in reduzierter Form vor; dieser Horizontab-schnitt ist deswegen grünlich-grau gefärbt (G1). Bei sehr konstantem Grundwas-serspiegel kann sich im G0-Horizont dichter, verfestigter Raseneisenstein bilden Wir unterscheiden dabei im Wesentlichen drei Formen:

• Semigley: Kapillarsaum des Grundwassers tiefer als 40 Zentimeter un-ter Flur,

• typischer Gley: Kapillarsaum des Grundwassers längere Zeit des Jahres höher als 40 Zentimeter unter Flur,

• Nassgley: Kapillarsaum des Grundwassers längere Zeit des Jahres bis zur Erdoberfläche.

Page 174: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.12 Auenböden 161

Einen Bodentyp, der nicht durch Grundwasser, sondern durch Stauwas-ser gleyartig verändert ist, bezeichnen wir als Pseudogley. Das Nieder-schlagswasser staut sich meist auf einer undurchlässigen Bodenschicht. Zu niederschlagsreichen Zeiten sind die Böden daher nass, während sie in niederschlagsarmen Zeiten austrocknen. Sie sind also wechselfeucht, und daher finden wir in diesen Böden auch Reduktions- und Oxidationsformen fleckenweise nebeneinander. Jedoch fehlt ihnen der reine Reduktionshori-zont mit den vorwiegend graugrünen Farben, der durch den Dauerstand des Grundwassers bedingt ist. Bei hohen Niederschlägen und kühl-feuchtem Klima, etwa in den Mittelgebirgen, können Nassphasen sehr lan-ge andauern und sehr intensiv sein. Hier bildet sich der Stagnogley. Dann kann, vor allem in hängigem Gelände, das durch den Sd-Horizont gestaute Wasser lateral im Sw-Horizont abfließen. Mit diesem Wasser werden auch die durch Reduktion gebildeten Fe2+- und Mn2+-Ionen weggeführt, so dass der Sw-Horizont massiv an Eisen und Mangan, aber auch an allen Neu-tralkationen verarmt und schließlich stark versauert. Ein solcher Horizont wird dann als Srw bezeichnet. Entsprechend seinen chemischen Eigen-schaften ist dieser Boden ein allgemein ungünstiger Pflanzenstandort und lässt nur eine geringe Durchwurzelungstiefe zu.

6.12 Auenböden

Auenböden sind durch stark schwankende Grundwasserstände mit periodi-scher Überflutung gekennzeichnet. Sie finden sich daher in unmittelbarer Nachbarschaft von Flüssen mit einer großen Amplitude zwischen Hoch- und Niedrigwasser. Bei Überflutung werden frische Sedimente auf dem Boden abgelagert und nach dem raschen Abfluss des Wassers von den Bo-dentieren eingearbeitet. Dadurch wächst das Profil nach oben, und es wer-den mit den Sedimenten Nährstoffe und Puffersubstanzen, beispielsweise Carbonate, zugeführt. Bei anwachsendem Sedimentkörper werden die Überflutungen seltener, die Sedimente feinkörniger und die Zeit zur Einar-beitung länger, so dass solche Böden oft im unteren Teil Sedimentschich-tung, im oberen Teil vollständige Durchmischung zeigen.

Die typische Horizontfolge sieht wie folgt aus: Die Humusform ist in der Regel Mull, da die biologische Aktivität sehr hoch ist und auch die ty-pische Vegetation eine leicht abbaubare Streu liefert. Der Ah-Horizont ist durch Bioturbation mächtig und besitzt ein stabiles Krümelgefüge. Der Humusgehalt ist nicht sehr hoch und zeigt sich nach unten hin allmählich abnehmend. Bei entsprechendem Niveau des Niedrigwassers ist oft ein gelbbrauner G0 als Oxidationssaum über dem Grundwasser zu sehen.

Page 175: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

162 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Die ökologischen Eigenschaften der Auenböden werden durch den Was-ser- und Nährstoffhaushalt bestimmt. Die Mineralisierungsleistung ist in der Regel sehr groß, und Schwermetalle werden immobilisiert. Durch die periodischen Überflutungen ist die Nutzung stark eingeschränkt. Je nach Entwicklungszustand und Ausgangsmaterial werden die Auenböden Rambla, Paternia, Auenregosol oder Tschernitza (schwarzerdeartiger Auenboden) und Vega (braunerdeartiger Auenboden) unterschieden.

6.13 Moorböden

Wo sich an feuchten oder nassen Stellen Torfmoose der Gattung Spha-

gnum oder Bleichmoose der Gattung Leucobryum ansiedeln können, sind sie potentielle Keimzellen von Hochmooren. Sie besitzen in ihren Blätt-chen zu Wasserspeichern umgebildete Zellen, mit deren Hilfe sie sich mit Wasser vollsaugen wie ein Schwamm. Die einzelnen Pflänzchen wachsen an der Spitze ständig weiter und sterben unten ab. Die abgestorbenen Teile werden in der nassen Umgebung jedoch nur unvollständig zersetzt, lagern sich ab und vertorfen. So heben sich die schwellenden Moospolster all-mählich über das Niveau der Umgebung, sie wachsen zu Hochmooren heran. Gleichzeitig entwachsen sie dem Einflussbereich des Grundwassers und sind dann vollständig auf Niederschläge angewiesen, sie wachsen ombrotroph (griech. ombros = Regen). Hochmoore werden zu extrem nährstoffarmen Lebensräumen und funktionieren regelrecht als Ionenaus-tauscher, indem die Torfmoose unter Abgabe von Wasserstoff-Ionen ver-schiedene Anionen und Kationen aus dem Niederschlagswasser oder ihrer Umgebung aufnehmen. So wird das wässrige Medium eines lebenden Hochmoores ständig im sauren Milieu gehalten. Auf diese Weise entstan-den mächtige Torflagerstätten, die mit steigendem Wasserstand im Hoch-moor unter Luftabschluss gerieten.

Torf entsteht unter Luftabschluss. Dabei handelt es sich um durch hoch anstehendes und stagnierendes, sauerstofffreies Wasser nur un-vollständig zersetztes, abgestorbenes Pflanzenmaterial. Es ist im Hochmoortorf vor allem aus Resten von Sphagnum, Eriophorum und Ericaceen-Reisern zusammengesetzt.

Torflager können mehrere Meter mächtig sein, müssen aber, um als sol-che definiert zu werden, eine Mindeststärke von 30 Zentimetern aufweisen und einen Anteil von mehr als 75 Prozent verglühbarer organischer Sub-stanz besitzen. Normalerweise gliedert man den Hochmoortorf in einen stark zersetzten, meist langsam aufgewachsenen älteren Sphagnum-Torf, den Schwarztorf, und den häufig darüber liegenden, schwächer zersetzten

Page 176: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.13 Moorböden 163

und schneller gewachsenen jüngeren Sphagnum-Torf, den Weißtorf (Abb. 6.21). Die obere Schicht des Moores, das Akrotelm, besitzt eine hohe hyd-raulische Durchlässigkeit mit Luftzutritt bei absinkendem Wasserstand. Diese Schicht ist reich an aeroben Bakterien und anderen Mikroorganis-men und ist der Bereich der Stoff- und Energieumsätze im Hochmoor. Darunter liegt das oft meterdicke Katotelm, das eigentliche Torflager. Je-des Hochmoor besitzt mit oft riesigen Mengen gespeicherter Niederschlä-ge einen eigenen Wasserhaushalt.

Abb. 6.21. Profil eines Hochmoortorfes von Reinhold Tüxen aus der Sammlung des Museums „Natur und Mensch“ in Oldenburg. Der Torfkörper ist zusammengesetzt aus schwach zersetzten Rotteprodukten von anspruchslosen Hochmoorpflanzen, unter denen besonders die Torfmoosgattung Sphagnum von Bedeutung ist

Im Gegensatz dazu steht das Niedermoor, dessen anspruchsvolle

Sumpfpflanzen und Röhrichte stets vom nährstoffreichen Grundwasser ab-hängig sind. Definitionsgemäß bilden sich Niedermoore nur im Einflussbe-reich nährstoffreichen Grundwassers. Je nach Art und Weise des Wasser-zutritts und der Niedermoorbildung differenziert man Durchströmungs-, Verlandungs-, Überflutungs-, Hang- und Quellmoore. Oft gibt es auch un-terschiedliche Übergänge zu Hochmooren, die als Übergangsmoor oder Zwischenmoor bezeichnet werden. Die Entwässerung und Moorkultivie-rung haben diese organogenen Substrate heute zumeist irreversibel verän-dert: Tiefumbruchböden und Sandmischkulturen, Treposole genannt, do-

Page 177: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

164 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

minieren in der modernen Kulturlandschaft. Diese anthropogenen Böden werden in bodenkundlichen Kartierungen heute nach dem ursprünglich an-stehenden Bodentyp unterschieden. Böden mit Humusgehalten zwischen 15 und 30 Prozent, die durch stärkere Vernässung entstanden sind, be-zeichnet man als Anmoorböden.

6.14 Gebirgsböden

Die arktisch-alpinen Böden haben mit den Wüstenböden die starke physi-kalische und fast fehlende chemische Verwitterung gemeinsam. Im Gegen-satz zu den Wüstenböden zeichnen sie sich jedoch durch einen Überschuss an Wasser aus, wenigstens zu einer bestimmten Jahreszeit. Ebenfalls tritt hier im Vergleich zu den Wüstenböden eine starke Anreicherung der orga-nischen Substanz ein, die auf eine größere Produktion und wenig Abbau zurückzuführen ist, die bald mehr torfig, bald mehr humusartig sein kann. Als wesentlicher Faktor kommt dann noch die Frostwirkung hinzu.

Die obere organogene Schicht besteht in den meisten Fällen aus einem 10 bis 20 Zentimeter dicken humosen oder torfigen Horizont, dessen Be-schaffenheit von dem Bewuchs und dem Grad der Durchnässung abhängt. Darunter steht entweder der Felds an oder es beginnen je nach dem Grad der Verwitterung des Ausgangsgesteins schluffige, sandige oder kiesige Schichten. Abhängig vom Klima kann ab einer bestimmten Tiefe der Dau-erfrostboden beginnen. Meistens sind die Bodenschichten stark gestört und überschoben.

Die Überschiebung und Störung der einzelnen Bodenschichten hängt mit der Erscheinung des Erdfließens oder Solifluktion zusammen. Solche Fließbewegungen des Bodens kann man in der Arktis an allen Hängen be-obachten. Sie kommen zustande, wenn die obere aufgetaute Bodenschicht, die teils von den Pflanzenwurzeln zusammengehalten wird, bei völliger Durchnässung dem gefrorenen Boden aufliegt. Es bilden sich stellenweise Risse, und die oberste Bodenschicht rutscht dann auf dem gefrorenen Bo-den, der als Gleitunterlage dient, hangabwärts (Abb. 6.22).

Hänge von nur ganz geringer Neigung genügen meist, um diesen Vor-gang auszulösen. An den Abrutschstellen wird der Unterboden entblößt und an der unteren Seite der Abrutschfläche schiebt sich der abgerutschte Boden wulstartig zusammen. So entstehen dann an einem Hang terrassen-artige Bildungen oder Bulten und kleine Hügel. Zum Teil treten auch Überschiebungen an den Unterkanten ein. Die entblößten Flächen werden von der Vegetation wieder überwachsen. Je spärlicher die Vegetation der

Page 178: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.14 Gebirgsböden 165

Arktis nach Norden beziehungsweise der Hochgebirge mit zunehmender Höhe wird, desto intensiver sind die Erscheinungen der Solifluktion, weil hier die verankernde Wirkung der Pflanzenwurzeln immer mehr abnimmt. Die Solifluktion hat eine enorme abtragende Kraft. Sie schafft sehr schnell das Bodenmaterial von den Hängen in die Täler hinein. Es ist verständlich, dass diese Erdbewegungen das Pflanzenwachstum, das in der Arktis und dem Hochgebirge bereits unter sehr ungünstigen Bedingungen stattfindet, noch mehr erschweren.

Abb. 6.22. Solifluktions-loben, wie hier im Silv-retta-Gebiet der schwei-zerischen Zentralalpen, werden oft durch Weide-tiere verstärkt und zu treppenartigen Weidepfa-den umgebildet

Eine weitere Erscheinung, die mit dem Frost zusammenhängt, ist für die arktischen und hochalpinen Böden typisch. Das Skelettmaterial des Bo-dens wird durch abwechselndes Gefrieren und Auftauen an die Erdoberflä-che gebracht, und dadurch erfolgt auf verschiedenen Böden eine Anreiche-rung an Gesteinsmaterial. Dieses „Sich-Herausarbeiten“ der Steine an die Erdoberfläche kommt folgendermaßen zustande: Beim Gefrieren der obe-

Page 179: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

166 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

ren Bodenschichten nehmen diese durch Ansaugen von Wasser aus den tieferen Schichten an Volumen zu und der Boden friert auf. Dabei werden die Steine, die im gefrierenden Boden stecken, mit angehoben. Darunter bilden sich Eislinsen. Nach dem Auftauen fällt der Stein nicht wieder in seine frühere Lage zurück, weil feines Bodenmaterial in die Höhlung ge-langt. Er rückt somit immer näher an die Bodenoberfläche. Dieser Vor-gang wiederholt sich bei jedem Gefrieren und Auftauen des Bodens. An Hängen werden bei diesen Vorgängen die Gesteine zugleich dem Gefälle folgend abwärts geschoben. Es entstehen so die Steinströme oder Strei-fenböden. Im ebenen Gelände geht dagegen die Bewegung zentrifugal von den Gefrierzentren aus und führt zur Bildung der Steinnetzböden oder Po-lygonböden.

6.15 Salzböden

Als Salzböden werden Böden bezeichnet, die einen Überschuss leicht löslicher Salze und daher hohe Ionenkonzentrationen im Bodenwasser aufweisen. Sie entstehen etwa dann, wenn bei salzhaltigem Grundwasser die Verdunstung größer ist als der Niederschlag. Wegen des stark negati-ven osmotischen Potentials können auf ihnen nur wenige Pflanzenarten wachsen. Salzböden sind in ariden Gebieten aller Kontinente weit verbrei-tet. Sie treten aber auch in humiden Gebieten dort auf, wo das Grundwas-ser salzig ist, etwa an flachen Meeresküsten oder im Landesinneren um Salzquellen herum. In ariden Gebieten kann der Ursprung der Salzanrei-cherung im Boden verschiedene Möglichkeiten haben:

• Salzanreicherungen durch Verdunstung eines großen Wasserbeckens, wie wir es beispielsweise von den weiten Randzonen des Kaspischen Meeres oder des Arals her kennen,

• Salz eines früheren Meeresbodens, bekannt etwa von den nordafrikani-schen Salzgebieten,

• Anreicherungen von Salz in sedimentären Gesteinen, verursacht durch Meere in früheren geologischen Zeiten, welche nach Hebung und Ver-witterung der aufliegenden salzfreien Schichten an die Erdoberfläche treten können,

• äolischer Ursprung des Salzes, wobei eine oberflächliche Ablagerung eintritt, wie sie zum Beispiel aus der Namib-Wüste bekannt ist, in der Salzablagerungen durch Verwehungen, die tief ins Binnenland getragen werden, erfolgen,

• Salzstaub im verspritzten Meerwasser in Küstengebieten.

Page 180: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.15 Salzböden 167

In diesen Böden wird im Sorptionskomplex der Humusstoffe das aus-tauschfähige Calcium durch austauschfähiges Natrium verdrängt. Da-bei wird der Humus leicht peptisiert, was bedeutet, dass sich im Was-ser dunkle, kolloidale Humuslösungen bilden. In konzentrierten Salzlösungen werden dagegen die Humusstoffe ausgeflockt.

Wird durch Niederschläge oder Bewässerung der Hauptteil der löslichen Salze in den Unterboden verlagert, so entsteht ein Solonez. Seine ökologi-schen Eigenschaften werden aber immer noch durch die Salzakkumulation bestimmt und sind durch hohe Natrium-Anteile am Austauscherbelag und einen hohen pH-Wert gekennzeichnet. Durch die deutlich geringere Ionen-konzentration im Bodenwasser sind die Tonminerale nicht mehr geflockt, sondern können verschlämmen, so dass das Gefüge instabil ist; trotz des hohen pH-Wertes kann hier Tonverlagerung auftreten. Eine Milderung dieser aus landwirtschaftlicher Sicht ungünstigen Eigenschaften ist mög-lich, wenn mit dem Bewässerungswasser Calcium-Ionen, etwa aus Gips, zugeführt werden.

Grundwasser ist selten reich an löslichen Salzen, weil diese Stoffe ja immer wieder durch den Grundwasserstrom mit abgeführt werden und letzten Endes ins Meer gelangen. Anders ist das in ariden Gebieten. Je tro-ckener das Klima ist, desto mehr lösliche Salze führt das Grundwasser mit sich. Dazu kommt noch die starke Verdunstung, die einsetzt, sobald das Grundwasser so hoch steigt, dass die Bodenoberfläche durch kapillaren Anstieg ständig feucht gehalten wird. In diesem Falle reichern sich die im Wasser vorhandenen Salze an der Bodenoberfläche an, besonders dann, wenn keine dichte Pflanzendecke vorhanden ist. Nasse Böden sind daher in ariden Gebieten gleichbedeutend mit Salzböden. Den Vorgang der Salz-anreicherung bezeichnet man als Verbrackung. Man unterscheidet je nachdem, welche Salze angereichert werden, die Karbonatverbrackung mit den Formen Kalkverbrackung (Carbonate) und Sodaverbrackung (Nat-riumcarbonate) von der Chlorid-Sulfatverbrackung. Die Art der Verbra-ckung hängt also von der Zusammensetzung des Grundwassers ab und die-se wiederum von der Aridität des Klimas (Abb. 6.23).

Im semihumiden Gebiet enthält das Grundwasser praktisch keine Chlo-ride oder Sulfate und auch kein Natrium, dagegen oft große Mengen von Calciumcarbonat. Das Wasser verdunstet und der Kalk bleibt zurück. So kommt es zu Kalkablagerungen, und es tritt Kalkverbrackung ein. Diese ist für die alkalitrophen Moore semihumider Regionen charakteristisch. Die Vegetation dieser Moore unterscheidet sich nicht wesentlich von derjeni-gen unserer Flachmoore. Auch hier sind Carex-Arten, Phragmites, Typha und andere Sauer- und Süßgräser typisch. Der Torf dieser Moore kann oft bis zu 40 Prozent Kalk enthalten. Diese Moore sind in Europa für das Ge-

Page 181: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

168 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

biet der Waldsteppe, also im nördlichen Anschluss an das große pontische Grassteppengebiet des südlichen Osteuropas bezeichnend.

Mit zunehmender Aridität treten im Grundwasser schon geringe Men-gen von Natriumchlorid (NaCl) oder Natriumsulfat (Na2SO4) auf. Das führt zu einer gewissen Anreicherung von Na+-Ionen in der oberen Hu-musschicht neben den Ca2+-Ionen. Die im Sorptionskomplex vorhandenen Ca2+-Ionen werden zum Teil durch Na+-Ionen verdrängt. So entstehen Na-triumcarbonate (Soda). Während der heißen Jahreszeit reichert sich das Soda an der Bodenoberfläche an, und es kommt zur Sodaverbrackung. Solche Verbrackungen kann man in der mittleren Steppenzone Südosteu-ropas häufiger beobachten. Zeigerpflanzen für diese Sodaverbrackung sind meist solche Pflanzen, die auch im Wattenstrandgebiet vorkommen.

Abb. 6.23. Auf Solonchak bei Illmitz am Neusiedler See wachsen nur halo-tolerante Arten, wie Lepi-

dium cartilagineum und Aster tripolium ssp. pan-

nonicum

Die Chlorid-Sulfatverbrackung ist an vollaride Gebiete gebunden. Bei

der Aridität des Klimas reichern sich im Grundwasser immer mehr Sulfate und schließlich auch Chloride des Natriums an, die sogar die Menge der

Page 182: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.16 Wüstenböden 169

Carbonate übertreffen. Unter diesen Umständen nehmen die leicht lösli-chen Salze an der Oberfläche stark zu, so dass bei Verdunstung des Was-sers eine weiße Salzkruste entsteht. Es bildet sich so der echte Solonchak, wie wir ihn im äußersten Südosten Europas vorfinden (Abb. 6.24).

6.16 Wüstenböden

Alle Wüstenböden zeichnen sich durch eine geringmächtige Verwitte-rungskrume aus. Man muss hier bei den Wüstenböden die Frage stellen, ob man überhaupt von einem Boden sprechen darf. Eine Pflanzendecke fehlt diesen Gebieten fast ganz. Wenn somit eine Verwitterung der oberen Ge-steinsschichten stattfindet, so sind biologische Vorgänge dabei so gut wie ausgeschlossen. Auch die Wirkung des Wassers tritt sehr zurück, so dass die physikalischen Kräfte der Verwitterung gegenüber den chemischen und biologischen sehr überwiegen. Vom Boden kann man also in diesem Sinne nur sprechen, wenn man den Begriff sehr weit fasst. Das Gestein in den Wüsten zerspringt unter der Einwirkung starker Temperaturschwan-kungen. An der Oberfläche reichert sich somit grober Gesteinsschutt an. So entsteht der erste Typ, die Steinwüste. In Nordafrika bezeichnet man sie als Hamada. Je nach dem Ausgangsgestein sind die Schuttstücke klein oder groß. Klein sind sie beispielsweise beim Kalkgestein, während die Eruptivgesteine zu scharfkantigen großen Felsklötzen zerspringen. Die Steinwüste ist extrem vegetationsfeindlich.

Mit der Zeit geht die Zersprengung des Schutts immer weiter und es bil-det sich auch feineres Material. An Berghängen wird dieses feinere Mate-rial dauernd herausgeblasen, in ebener Lage bleibt es dagegen liegen. Es wird durch die episodischen Platzregen zwischen das Grobmaterial gespült und füllt schließlich die Lücken ganz aus. Dadurch wird die Steinwüste zu einer ebenen Tenne, die mit herausragenden Gesteinsbrocken gespickt ist. Die immer weitergehende Aufspaltung der Brocken führt schließlich dazu, dass aus einer Steinwüste eine Kieswüste entsteht, die man als Serir oder Reg bezeichnet. Der Kies wird vom Sturmwind bewegt und die einzelnen Teilchen sind daher nicht mehr scharfkantig, sondern abgeschliffen und abgerundet. Bei dieser Schleifarbeit des Windes bleiben immer nur die härtesten Gesteinsfragmente, wie Feuersteine oder Quarzgerölle, übrig.

In den teilweise ausgedehnten Mulden der Kieswüsten kann nach hefti-gen Regenfällen das Wasser die feinsten Tonteilchen zusammenschwem-men. So entstehen Tonpfannen, zunächst allerdings ohne Salzanreiche-rung. Die Oberfläche wird nach dem Austrocknen stark rissig. Solche Tonböden sind in ariden Gebieten besonders vegetationsfeindlich, weil sie bei der starken Trockenheit eine luftundurchlässige zementartig-harte

Page 183: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

170 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Abb. 6.24. Artemisia frigida-Steppe auf Solonchak in der Inneren Mongolei

Abb. 6.25. Die besonderen Gesteinformationen der Pinnacles prägen das Bild der Sandwüste im westaustralischen Nambung-Nationalpark. Die charakteristischen Kalksteinsäulen entstanden durch Pflanzenwuchs vor etwa 500 000 bis 50 000 Jahren auf einer aus Quarzsand bestehenden Wanderdüne

Page 184: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.17 Latosol 171

Oberfläche entwickeln. Tritt nun in abflusslosen, tiefliegenden Mulden das Grundwasser zu Tage, so kommt es in den Wüsten in Folge der Verduns-tung stets zu einer Salzanreicherung. Es bilden sich die Salzpfannen (Salz-sümpfe und Salzseen), die man auch als Schott bezeichnet. Diese Gebiete sind meist relativ dicht mit einer Halophytenvegetation bestanden. Der Boden ist wegen der Eisenanreicherung oben braun gefärbt.

Dort, wo beim Gesteinszerfall, wie zum Beispiel bei anstehenden Sand-steinen, Sand entsteht, wird dieser durch äolische Kräfte ausgeweht und an anderen Stellen abgelagert. Diese riesigen und beweglichen Sandmassen bilden die Sandwüste, auch Erg genannt. Dabei schaffen unterschiedliche Windströmungen bald flache Sanddecken, bald bewegte Dünenlandschaf-ten mit Erhebungen bis zu 250 Metern Höhe. Im Landesinnern ist die Sandwüste wegen der Eisenanreicherung rötlich gefärbt, unter dem Ein-fluss der feuchten Meeresküsten gelb (Abb. 6.25).

6.17 Latosol

Latosole sind Bodentypen der feuchten Tropen. Es kommt hier zu keiner Ausbildung von Humushorizonten, weil die Zersetzung äußerst schnell vor sich geht. Wie bereits erwähnt, verläuft in den Tropen die Verwitterung der Silikate ganz anders als etwa in Mitteleuropa. Die freiwerdende Kie-selsäure wird in viel größerem Ausmaße weggeführt. Dasselbe tritt auch bei Tonzerfall ein, so dass die Sesquioxide (Al2O3 und Fe2O3), die beim Tonzerfall entstehen, sich gegenüber der Kieselsäure im Boden stark an-reichern. Dieses ist ganz bezeichnend für die tropischen Lateritböden. Durch das freigewordene Eisenhydroxid nimmt der Lateritboden die rote Färbung an, weshalb Tropenböden rot gefärbt sind. Nur bei gestauter Näs-se oder bei kalkhaltigem Muttergestein ist das nicht der Fall. Es handelt sich auch beim Laterit wie bei den Schwarzerden um A-C-Böden (Abb. 6.26).

Wechseln in den Tropen Regenzeiten mit ausgeprägte Trockenzeiten, so kommt es in den Trockenzeiten zu aufsteigenden Wasserströmen im Boden. Es bilden sich daher an der Oberfläche bei der Verdunstung des Wassers Krusten aus Eisenhydroxid und Kieselsäure, die ja jetzt nicht abgeführt werden, sondern nach oben wandern. Diese Krusten sind blasenförmig aufgetrieben. Sie sind schlackenartig hart und unlöslich. So entstehen die Laterite im engeren Sinne. Es handelt sich ganz be-sonders unfruchtbare Böden.

Page 185: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

172 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Alle Lateritböden der Tropen zeichnen sich aufgrund der geschilderten Bodendynamik und weiterhin aufgrund der geringen Sorptionsfähigkeit ih-rer Tonbestandteile, des Kaolinits, und der Tatsache, dass Humus fast

Abb. 6.26. Lateritböden mit tropischem Regenwald in Brasilien. Nach Rodung der Wälder erscheint die typische Rotfärbung dieser alten Böden

vollkommen fehlt, durch Nährstoffarmut aus. Scheinbar besteht hier ein Widerspruch, weil ja gerade diese Böden von Natur aus die denkbar üp-pigste Vegetation, nämlich den tropischen Regenwald, tragen. Das Nähr-stoffkapital liegt hier aber nicht im Boden, sondern in der Vegetations-schicht selbst. Die Nährstoffe befinden sich in ständigem Kreislauf; nach der Zersetzung der abgestorbenen Pflanzenteile, die sehr rasch vor sich geht, werden freigewordene Nährstoffe gleich wieder den Wurzeln zuge-führt. Es tritt somit kein Verlust ein, wie etwa bei der Bildung von Roh-humus, sondern das Nährstoffkapital erhält sich unbegrenzt. Das wegge-führte Wasser in den Bächen des Regenwaldes ist nahezu destilliert. Die Üppigkeit des Wuchses kommt allein durch die Wärme und die hohe Feuchtigkeit zustande.

Page 186: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

6.18 Literatur 173

6.18 Literatur

Ahnert F (1996) Einführung in die Geomorphologie. Ulmer, Stuttgart Ahrens C, Klassen H, Tüxen R (1974) Geodokumenta. Lackabzüge: Geologie – Bodenkunde – Archäologie. Olden-

burg Allen SE, Carlisle A, White EJ, Evans CC (1968) The plant nutrient content of rainwater, J Ecol 56: 497-504 Arbeitskreis für Bodensystematik der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft: Systematik der Böden und der bo-

denbildenden Substrate Deutschlands (1998) Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft 86: 1-180

Asman WHA, Sutton MA, Shjorring JK (1998) Ammonia: emission, atmospheric transport and deposition. New Phy-tol 139: 27-48

Bach R (1950) Die Standorte jurassischer Buchenwaldgesellschaften mit bsonderer Berücksichtigung der Böden – Humuscarbonatböden und Rendzinen. Diss ETH Zürich

Bailey RG (1996) Ecosystem geography. Springer, New York Blume HP, Brümmer G, Schwertmann U, Kögel-Knabner J (2002) Lehrbuch der Bodenkunde. Spektrum, Heidelberg Blume HP, Felix-Hennigsen P, Fischer WR, Frede HG, Horn R, Stahr K (Hrsg 1996) Handbuch der Bodenkunde. E-

comed, Landsberg Bobbink R, Hornung M, Roelofs JGM (1998) The effects of air-borne nitrogen pollutants on species diversity in natu-

ral and semi-natural European vegetation. J Ecol 86: 717-738 Bochter R (1984) Bodenbildung auf Kalk- und Gneisbergsturzblöcken unter subalpinem Fichtenwald. Z Pflanzenern

Bodenk 147: 604-613 Boynton B, Compton OC (1944) Normal seasonal change in oxygen and carbondioxid percentages in gas from the

larger pores and of three orchard subsoils. Soil Sci 57: 108-117 Brändle R (1996) Überflutung und Sauerstoffmagel. In: Brunhold C, Rüegesegger A, Brändle R (Hrsg) Stress bei

Pflanzen: 133-148 UTB Haupt, Bern Brockhaus A (2002) Enzyklopädie. 19. Aufl. 3. Band, München Burrichter E, Pott R, Freund H (1988) Potentielle natürliche Vegetation. Geographischer Atlas von Westfalen, Liefe-

rung 4: 1-42 u Karte Chapin SF III, Matson PA, Mooney HA (2002) Principles of terrestrial ecosystem ecology. Springer, New York Combers R (1960) Réactions aux facteurs du milieu. Encycl Française IV. Paris Crawford RMM (1996) Whole plant adaptations to fluctuating water tables. Folia Geobot Phytotax 31: 7-24 Devey ES (1970) Mineral cycles. Sci Americ 223: 148-158 Diekmann M, Falkengren-Grerup U (2002) Prediction of species response to atmospheric nitrogen deposition. J Ecol

90: 108-120 Diez T, Weigelt H (1987) Böden unter landwirtschaftlicher Nutzung. BLV, München Dixon JB, Weed SB(1989) Minerals in soils and environments. Soil Sci Soc America, Madison Drewes C, Pott R (1993) Naturräumlich differenzierter Aufbau von Plaggenböden im nördlichen Teil des Landkreises

Osnabrück, Telma 23: 21-37 Driessen FM, Dudal R (1991) The major soils of the world. Agricult. Univ Wageningen Duchaufour P (1998) Handbook of Pedology. Balkema, Rotterdam Ehlers J (1994) Allgemeine und historische Quartärgeologie. Enke, Stuttgart Ellenberg H (1948) Unkrautgesellschaften als Maß für den Säuregrad, die Verdichtung und andere Eigenschaften des

Ackerbodens. Ber Landtechnik 4: 1-18 Fachbereich Bodenkunde des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung (1997) Böden in Niedersachsen,

Hannover Falkengren-Grerup U, Schöttelndreier M (2004) Vascular plants as indicators of nitrogen enrichment in soils. Plant

Ecol 172: 51-62 Fangmeier A, Hadwiger-Fangmeier A, Van der Eerden L, Jäger HJ (1994) Effects of atmospheric ammonia on vege-

tation – a review. Environ Pollut 86: 43-82 FAO-UNESCO (1972-1978) Soil map of the world. Unesco, Paris Felix-Henningsen P (1990) Die mesozoisch-tertiäre Verwitterungsdecke im Rheinischen Schiefergebirge. – Relief,

Boden, Paläoklima 6. Borntraeger, Berlin Fischer WR (2002) Bodenkundliche Grundlagen. In: Weiterbildendes Studium Wasser u Umwelt. 8. Aufl Kurs WH

23 Bodenschutz als Gewässerschutz. Univ Hannover Fischer-Zujkov U, Schmidt R, Brande A (1999): Die Schwarzerden Nordostdeutschlands und ihre Stellung in der ho-

lozänen Landschaftsentwicklung. Z Pflanzenern Bodenk 162: 343-349 Forde B, Lorenzo H (2001) The nutritional control of root development. Plant Soil 232: 51-68 Forman RTT, Godron M (1986) Landscape Ecology. Wiley, New York Franz H (1941) Untersuchungen über die Bodenbiologie alpiner Grünland- und Ackerböden. Forschungsdienst 2: 3-4 Franz H (1981) Bodenbiologische Untersuchungen in den Hohen Tauern. Wagner, Innsbruck Gams H (1927) Von den Follateres zur Dent de Morcles. – Beitr Geobot Landesaufn Schweiz 15: 1-760 Ganssen R (1972) Bodengeographie. 2. Aufl. Koehler, Stuttgart Gebhardt G, Glaser R, Radtke U, Reuber P (2007) Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. Spekt-

rum Elsevier, München

Page 187: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

174 6 Bodenhorizonte und Bodentypen

Gehrt E (1994) Neue Methoden der Bodenkartierung. Neues Arch f Niedersachsen 2: 51-62 Gilroy S, Jones DL (2000) Through form to function: Root-hair development and nutrient uptake. Trends Plant Sci 5:

56-60 Gisi U (1997) Bodenökologie. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart Göttlich K (1980) Moor- und Torfkunde. 2. Aufl. Schweizerbart, Stuttgart Hänsel B (1998) Die Steppe und das Karpatenbecken im Spannungsfeld zwischen nomadischen und seßhaften Le-

bensformen. In: Das Karpatenbecken und die osteuropäische Steppe. Prähist. Arch Südosteuropa 12: 7-18 Hartmann L (1992) Ökologie und Technik. Springer, Heidelberg Berlin Heineke HJ, Bartsch HU (1994) Das Fachinformationssystem Bodenkunde im Niedersächsischen Bodeninformati-

onssystem (NIBIS). Neues Arch f Niedersachsen 2: 63-78 Herrmann M, Pust J, Pott R (2006) The chemical composition of throughfall beneath oak, birch and pine canopies in

North-West-Germany. Plant Ecology 184: 273-285 Hoagland BW, Collins SL (1997) Gradient models, gradient analysis and hierarchical structure in plant communities.

Oikos 78: 23-30 Jenny H (1930) Gesetzmäßige Beziehungen zwischen Bodenhumus und Klima. Naturwiss 18: 41 Klötzli FA (1989) Ökosysteme. Aufbau, Funktion, Störungen. 2. Aufl. Fischer, Stuttgart Kubiena WL (1953) Bestimmungsbuch und Systematik der Böden Europas. Enke, Stuttgart Kuntze H, Roeschmann G, Schwerdtfeger G (1994) Bodenkunde. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart Lemée G (1954) Phytosociologie et Pedologie. Rapp 8e Congrès Int Bot Paris Lerch G (1965) Pflanzenökologie. Akademie, Berlin Leser H, Haas HD, Mosimann T, Paesler R (1987) Wörterbuch der Allgemeinen Geographie, Bd 1 und Bd 2, 3. Aufl.

Diercke, DTV, Westermann, Braunschweig Liedtke H, Marcinek J (1994) Physische Geographie Deutschlands. Justus Perthes, Gotha Likens GE (1992) The ecosystem approach: ist use and abuse. Ecological institute, Oldendorf Maarel HWvd (1949) Mineralogical composition of a heath podsol profile. Soil Sci 76 Moor M (1963) Pflanzengesellschaften als geologische Zeiger im Jura. Regio Basiliensis 4, Basel Obermöller M (2007) Boden schreibt Geschichte. Lackprofile – Erdgeschichtliche Abziehbilder. In: Fansa M (Hrsg)

Schiftenr Landesmus Nat Mensch 52 Odum EP (1999) Ökologie. Grundlage, Standorte, Anwendung. Thieme, Stuttgart Pallmann H, Eichenberger E, Hasler (1940) Eine neue Methode der Temperaturmessung bei ökologischen und bo-

denkundlichen Untersuchungen, Ber Schweiz Bot Ges 50: Pallmann H, Richard F, Bach R (1950) Über die Zusammenarbeit von Bodenkunde und Pflanzensoziologie. 10.

Congr d Int Verein Verband Forstl Versuchsanstalten, Freiburg Patrick WH, Gambrell RP, Faulckner SP (1996) Redox measurements of soils. Soil Sci Soc Americ Ser 5, Madison Pott R (1999) Nordwestdeutsches Tiefland zwischen Ems und Weser. Ulmer, Stuttgart Pott R (2007) Stickstoffdeposition in Offen- und Waldlandschaften der Veluwe, Niederlande. Dr. Pandalis Stiftung,

Münster Rehfuess KE (1990) Waldböden. 2. Aufl. Parey, Hamburg Richter O (1985) Simulation des Verhaltens ökologischer Systeme. VCH, Weinheim Robinson D (1994) The responses of plants to non-uniform supplies of Nutrients. New Phytol 127: 635-674 Rowell DL (1997) Bodenkunde – Untersuchungsmethoden und ihre Anwendung. Springer, Berlin Heidelberg New

York Runge M (1973) Energieumsätze in den Biozönosen terrestrischer Ökosysteme. Scripta Geobot 4. Goltze, Göttingen Scheffer F, Schachtschabel P (2002) Lehrbuch der Bodenkunde. 15. Aufl. Spektrum, Heidelberg Schlichting E, Blume HP, Stähr K (1995) Bodenkundliches Praktikum – Pareys Studientexte 81. 2. Aufl. Blackwell,

Berlin Schubert R (1986) Lehrbuch der Ökologie. Fischer, Jena Semmel A (1993) Grundzüge der Bodengeographie. 3. Aufl. Teubner, Stuttgart Speier M (2006) Kurzzeit-Langzeit-Dynamik von Steppen und Halbwüstengebieten Ostasiens, Ber d Reinh Tüxen

Ges 18: 129-148 Succow M (1986) Landschaftsökologische Moorkunde. Fischer, Jena Walter H (1960) Standortslehre. Ulmer, Stuttgart Wiersum LK (1958) Density of root branching as affected by substrate and separate ions. Acta Bot Neerl 7: 174-190 Winkler S (1980) Einführung in die Pflanzenökologie. 2. Aufl. Fischer, Stuttgart

Page 188: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Bisher haben wir im Wesentlichen über die minerogenen und organogenen Substanzen des Bodens gesprochen. Es gibt aber mit der biotischen noch eine dritte Bodenkomponente. Ihr gehört die ganze Welt der Organismen des Bodens an, die in ihrer Gesamtheit als Edaphon (griech. edaphos = Boden) bezeichnet wird.

Das Edaphon setzt sich zusammen aus Bodenmikroorganismen sowie der Bodenfauna und der Bodenflora. Die meisten Mikroorganismen des Bodens halten sich in der Streu oder in den oberen Bodenschichten auf.

Die Artenzahl und auch die Individuenzahl der Bodenorganismen ist ungeheuer groß. Der Boden ist also durchaus kein totes Substrat. In einem Gramm humosen Wiesenbodens können bis zu 15 Milliarden Bodenmik-roorganismen vorkommen. Dabei handelt es sich meist um Bakterien, die vielen anderen Gruppen des Pflanzen- und Tierreichs gar nicht eingerech-net. Nicht nur ihre Zugehörigkeit zum Komplex Boden charakterisiert sol-che Bodenorganismen, sondern auch ihre Leistung im Hinblick auf die ganze Bodendynamik ist überhaupt nicht fortzudenken. Sie ist oft sehr eng mit den chemischen Prozessen im Boden verknüpft (Tabelle 7.1).

Die wichtigsten Lebensbedingungen der Bodenorganismen sind Feuch-tigkeit und Wärme, die Wachstum und Vermehrung stark fördern. Auch die Menge und Beschaffenheit der organogenen Substanz und eine ausrei-chende Durchlüftung des Bodens sind hier zu nennen. Letzteres gilt be-sonders für die Aerobier, die in den oberen Bodenhorizonten leben und bei weitem den größten Teil ausmachen. Die Wasser- und Nährstoffauf-nahme der Pflanzen wird unter anderem durch die speziellen Bedingungen der Bodenstruktur und der Bodenfeuchte gesteuert. Darüber hinaus müssen Wurzeln um Ressourcen mit benachbarten Pflanzen konkurrieren und sich gegen Pathogene wehren. Pflanzen haben sich an diese schwierigen Be-dingungen angepasst, indem sie sich mit Mikroorganismen vergesellschaf-ten, die das Wachstum von Pathogenen eindämmen, die Verfügbarkeit von Nährstoffen erhöhen und ihre Aufnahme erleichtern. Die Gesamtheit der mikrobiellen Gemeinschaften in der unmittelbaren Umgebung der Wurzel bezeichnen wir als Rhizosphäre.

Page 189: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

176 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Tabelle 7.1. Organismen des Bodens und ihre Funktion

Artengruppe Beispiele Funktion

Bakterien: - aerob, - anaerob

Bacillus mesentericus

Bacillus fusiformis

Bacillus megaterium

Bacillus mycoides

Azotobacter croococcum

Mineralisation von Bio-masse, Reduktion von N, Mn, Fe, S- und C-Verbindungen, Biomas-se-Abbau, Begrenzung des Humusgehaltes

Cyanobakterien Anabaena, Spirulina, Oscillato-

ria

Photosynthese, Stickstoff-Fixierung

Actinomyceten Streptomyces griseus

Streptomyces coelicolor

Humifizierung, Minerali-sierung

Rhizopoden starker Besatz Rotatorien und Landturbellarien

im Bodenwasser; Cystenbil-dung bei Trockenperioden

Nematoden Tylenchorhynchos, Longidorus Wurzelfraß Anneliden Enchytraeen, Lumbriciden Bioturbation, Lockerung

des Bodens, Streuabbau Arthropoden Tardigraden (bevorzugt in

Moospolstern), Asseln (Fall-laub), Milben, Tausendfüßer, Amöben, Ciliaten, Termiten (Tropen), Ameisen

Streuzersetzung, Dezi-mierung von Pilzen und Bakterien, Humusbil-dung, Stabilisierung des ökologischen Gleichge-wichtes

Wirbeltiere Maulwurf, Wühlmaus, Ziesel Bioturbation Algen (vor allem Diatomeen)

Humerillia exilis

Chlorococcum humicula

Trochiscia aspera

Photosynthese

Pilze Mucus,

Aspergillus

Trichoderma

Fusarium

Abbau auch in sauren und nährstoffarmen Bö-den, Bildung von Fulvo-säuren

7.1 C/N-Verhältnis

Ein guter Indikator für hohe Aktivitätsraten der Bodenmikroorganismen ist vor allem die Anlieferung und Bildung organischer Bodensubstanz. Diese ist das Ergebnis der jährlichen Biomasseproduktion, des Nettozuwachses und der jährlichen Streuerzeugung, die, wie wir bereits mehrfach gesehen haben, ebenfalls vom Klima, von den Bodenbedingungen und vom Vege-tationstyp abhängt, der den Bestandesabfall erzeugt. Für die Berechnung der Menge der organischen Substanz spielt natürlich die mikrobielle Bio-

Page 190: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.1 C/N-Verhältnis 177

masse ebenfalls eine entscheidende Rolle; denn aus der Summe der jährli-chen Anlieferung der organischen Bodensubstanz ermitteln wir die Menge an Kohlenstoff (C) und an Stickstoff (N) für die Humusumsetzung im Bo-den. Entscheidend ist dieses auch für das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis, das C/N-Verhältnis eines Bodens.

Das C/N-Verhältnis abgestorbenen organischen Materials im Boden gibt einen sehr guten Hinweis auf die Zersetzbarkeit beziehungsweise die Geschwindigkeit der Mineralisierung und erneute Bereitstellung der mineralischen Nährstoffe. Liegt die Relation über einem Richtwert von 25, ist der Abbau meistens gehemmt, weil dann in der Regel der Stickstoff für die zersetzenden Mikroorganismen limitiert ist.

Die Bedeutung der Kohlenstoffakkumulation und der mikrobiellen Hu-musumsetzung im Boden wird im Vergleich der Zonobiome der Erde be-sonders deutlich, wie es die Tabelle 7.2 zeigt. In tropischen Regenwäldern und in temperaten Laubwäldern gibt es die höchsten Biomasseakkumulati-on, während in Böden der borealen Nadelwälder aufgrund der ungünstigen Standortbedingungen die jährliche Kohlenstoffakkumulation am höchsten ist. Hinsichtlich der mikrobiellen Biomasse liegen auch im globalen Ver-gleich die grasdominierten Ökosysteme der Steppen in der Kohlenstoff- und Stickstoffbilanz an der Spitze.

Beim Mull beträgt das C/N-Verhältnis meistens 10 bis 15, bei Moder liegt das C/N-Verhältnis bei 20. Rohhumus ist erwartungsgemäß durch ein C/N-Verhältnis von 30 bis 40 ausgezeichnet und selbst im Oh-Horizont von meist über 25. Für schwach zersetzte Hochmoortorfe liegen die C/N-Werte noch höher, nämlich bei 50 bis 100; die Humuskennzahlen sind also sehr hoch, während für Niedermoortorfe die C/N-Werte bei 15 bis 35 lie-gen, was den Grad ihrer Humifizierung im Unterschied zum Hochmoortorf verdeutlicht. Wenn beispielsweise der Ligninanteil der Laubstreu sehr hoch ist, besteht ein ungünstiges C/N-Verhältnis, und das beeinflusst sehr stark die Bodenfauna, vor allem den Regenwurmbesatz, der in diesem Fall abnimmt. Vom C/N-Verhältnis ist auch das Regenerationsverhalten vieler unserer Laubbäume beeinflusst: So sind in der Regel alle Gehölze bei ei-nem günstigen C/N-Verhältnis, also bei einem relativ hohen Stickstoffan-teil im Boden, fähig, auch aus dem Stock auszutreiben, wie dies Richard Pott (1981, 1985) für die Interaktion von Buche und Hainbuche aus histo-risch-ökologischer Sicht untersucht hat. Zu solchen regenerationskräftigen Laubbäumen gehören nach H. Ellenberg (1996) sowie A. Schwabe und A. Kratochwil (2001) in Mitteleuropa beispielsweise Fraxinus excelsior (C/N: 21), verschiedene Ulmus-Arten (C/N: 28), Carpinus betulus (C/N: 23), Prunus padus (C/N: 23) und die Eichen (Quercus div. spec. mit C/N: 47). Fagus sylvatica (C/N: 51) vermag dies nur eingeschränkt, reagiert jedoch

Page 191: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

178 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

auf Niederwaldbetrieb oder Verbiss mit basitonem Wachstum und erhöh-tem Stockausschlag bei langen Umtriebszeiten. Zum Vergleich sei hier noch die Gattung Larix angeführt, deren C/N-Verhältnis 113 beträgt und die nicht in der Lage ist, nach Zerstörung apikaler Meristeme im Stockaus-schlag neu auszutreiben.

Tabelle 7.2. Menge, Verteilung und Umsetzung von Trockenmasse organischer Substanz in ausgewählten Zonobiomen (nach Schlesinger 1991, Scheffer u. Schachtschabel 2002, Sitte et al. 2002). 1 = Biomasse in g C m-2, 2 = Nettozu-wachs in g C m-2, 3 = Corg in g m-2, 4 = N in g m-2, 5 = C/N-Verhältnis, 6 = Mikro-bielle Biomasse C in g m-2, 7 = Mikrobielle Biomasse N in g m-2, 8 = C-Akkumulation in g m-2 pro Jahr; n.b. = nicht bekannt

Zonobiom 1 2 3 4 5 6 7 8

Tropischer Regenwald

27000 1100 15300 760 20 50 2 2,4

Temperater Laubwald

14000 600 7100 660 11 110 14 2,4

Borealer Nadelwald

9000 400 15500 1100 14 35 2,5 13,5

Savanne 1800 450 5400 320 17 60 8,7 n.b.

Steppe 1400 300 10500 790 13 215 51 n.b.

Halbwüste 350 45 3300 260 13 n.b. n.b. n.b.

Tundra 250 70 10800 1150 19 20 1 1,3

Wüste 100 1,5 100 10 10 n.b. n.b. n.b.

Vertreter der Schmetterlingsblütler (Fabaceae) besitzen dank ihrer

Symbiose mit Knöllchenbakterien ebenfalls ein günstiges C/N-Verhältnis. Sie dienen deshalb als wichtige Futterpflanzen. Ähnliches gilt für die In-teraktion von Nematoden mit Luftstickstoff fixierenden Actinomyceten beim Sanddorn (Hippophae rhamnoides), auf die wir im Kapitel 7.4 noch einmal zurückkommen.

7.2 Auswirkungen auf die Bodenstruktur

Die Bedeutung der Bodenmikroorganismen hinsichtlich der Humusbil dung und des Stickstoffkreislaufes im Boden ist eine bekannte Tatsache. Weniger bekannt ist jedoch der bedeutende Einfluss der Mikroorganismen auf die Bodenstruktur. Unter einer guten Bodenstruktur verstehen wir ei-

Page 192: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.2 Auswirkungen auf die Bodenstruktur 179

ne optimale Krümelstruktur des Bodens. Wir sprechen dabei auch wohl von der Aggregatbildung des Bodens, wie im Kapitel 5 schon einleitend beschrieben. Wir müssen aufgrund ihrer Entstehung zwei verschiedene Aggregatbildungen unterscheiden, die sich gegenseitig ergänzen. Die kol-loidchemischen Aggregatbildungen werden als Primäraggregate bezeich-net, die biologischen Aggregatbildungen durch die Mikroorganismen sind die Sekundäraggregate. Beide zusammen bilden ein optimales Struktur-gefüge des Bodens, die Bodengare (Abb. 7.1). Dieser Begriff steht für ei-nen günstigen Bodenzustand aus landwirtschaftlicher Sicht, weshalb dafür gelegentlich auch der Begriff Ackergare verwendet wird. Hier kommt das optimale Zusammenwirken aller kolloidalen und biologischen Fruchtbar-keitseigenschaften eines Bodens zusammen. Bestimmend ist und bleibt dabei jedoch die Bindung von Bodenkrümeln durch Bodenorganismen zur Schaffung und Erhaltung einer optimalen Krümelstruktur. Man bezeichnet diesen Vorgang auch als „Lebendverbauung“ der Bodenkrume.

Abb. 7.1. Primäraggregate werden durch die Mikroorganismen zu Sekundärag-gregaten verknüpft. Die chemischen Kolloidbrücken werden dabei meist über Pilzhyphen miteinander verbunden und bilden so „lebende Brücken“. Dies dient der Strukturverbesserung des Bodengefüges und wird als Bodengare bezeichnet

Die kolloidchemische Aggregatbildung entsteht bei Anwesenheit von Calcium-Ionen durch Koagulation der Bodenkolloide, den Ton- und Hu-musteilchen. Bei dieser Zusammenballung der Bodenkolloide werden na-türlich auch die gröberen Bestandteile des Bodens, etwa Sandkörnchen, mit „eingebacken“. Die Primäraggregate sind also nach dem Prinzip Bau-stein und Mörtel aufgebaut, wobei die hochdispersen Bodenkolloide den Mörtel und die gröberen Sandkörnchen die Bausteine darstellen. Form, Größe und Stabilität dieser Krümel hängen von dem Kolloidzustand des Bodens ab.

Page 193: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

180 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Die biologische Aggregatbildung besteht in dem Aufbau von Sekundär-aggregaten, bei der die Primärkrümel nochmals zu größeren Krümelver-bänden zusammengefügt werden. An diesem Sekundäraufbau sind nicht mehr die Bodenkolloide als Bindesubstanz beteiligt, sondern es sind die Mikroorganismen des Bodens. Halbkugelige und fädige Kolonien von Bo-denbakterien verbinden auf Grund ihrer Schleimhüllen die einzelnen Pri-märkrümel ganz fest und stabil miteinander. Man kann direkt von einem festen „Verkleben“ sprechen. Zu diesem Verkleben der Bodenkrümel durch die Bakterien tritt dann noch das Umwachsen und Umweben der Pilzhyphen hinzu. So wird durch die Bodenmikroorganismen ein festes und dauerhaftes, schwammartiges Gefüge des Bodens geschaffen. Auf Grund des lockeren Aufbaus eines solchen Bodengefüges spricht man auch von einer Schwammstruktur. Optimale Schwammstrukturen eines Bo-dens gewährleisten sowohl eine genügende Wasserkapazität als auch eine ausgezeichnete Durchlüftung. Die Mittelporen liegen in den Primärkrü-meln selbst und bilden die Speicherräume für das Wasser, während die größeren Hohlräume der Grobporen zwischen den Sekundäraggregaten als Luftkanäle fungieren. Diese optimale Lebendverbauung der Krümelstruk-tur durch die Mikroorganismen ist die eigentliche Definition der Bodenga-re. Durch diese Lebendverbauung tritt eine Stabilisierung mit fester Ver-ankerung der Krümelstruktur ein. Damit ist ein solcher Boden gegen die verschlämmende Einwirkung von Niederschlägen geschützt.

Auf der anderen Seite sind gemeinsam mit den Actinomyceten die Bo-denbakterien vielfach auf die Zersetzung und Oxidation schwer abbaubarer Lignine, Cellulosen und Huminstoffe spezialisiert und können dabei hohe Mengen an Kohlendioxid erzeugen. Diese Quelle ist für das Wachstum photoautotropher Organismen essentiell. Eine Reihe von Cyanobakterien ist sogar in der Lage, Luftstickstoff als Stickstoffquelle zu benutzen und dem Stickstoff-Kreislauf von Boden und Pflanzen zuzuführen. Darüber hinaus produzieren Actinomyceten das Geosmin, das den typischen „Erd-geruch“ verursacht (griech. osmé = Duft).

7.3 Bodenmikroorganismen

Eine größere und bedeutendere Rolle als den Bodentieren fällt dabei den Mikroorganismen des Bodens zu. Diese leben vorzugsweise in der Wur-zelschicht der Pflanzen. Die bedeutendste und individuenreichste Gruppe sind die Bakterien: Es kommen sowohl anaerobe, wie auch aerobe Arten vor. Die Aerobier sind bei weitem individuenmäßig in der Überzahl. Sie besiedeln vor allen Dingen die oberen Bodenhorizonte mit Luftzutritt,

Page 194: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.3 Bodenmikroorganismen 181

während die Anaerobier gezwungen sind, die tieferen Horizonte zu bevöl-kern. Der Weg, Bodenmikroorganismen und Bodenpartikel unter dem Mi-kroskop in verschiedenen Farbtönen zu sehen, wurde vom Münsteraner Botaniker Siegfried Strugger (1906-1961) entdeckt. Dabei handelt es sich um die Anfärbung des Bodens mit dem Fluoreszenzfarbstoff Acridinoran-ge, einer Vitalfärbung. Die angefärbten Präparate werden dabei unter dem Blaulicht-Fluoreszenzmikroskop beobachtet (Abb. 7.2).

Abb. 7.2. Der Fluoreszenzfarbstoff Acridinorange leuchtet bei An-strahlung mit Blaulicht in starker

Konzentration blutrot auf und in schwacher Konzentration hellgrün. Totes pflanz-liches und tierisches Gewebe hat nun die Eigenschaft, viel Acridinorange-Farbstoff zu speichern, lebendes aber wenig. Daher haben wir bei totem Material eine blutrote Fluoreszenz und bei lebendem eine Grünfluoreszenz

Die Ansprüche der Mikroorganismen an die Bodenfeuchtigkeit gleichen

denen der Höheren Pflanzen. Wie bei diesen liegt auch hier das Optimum der Entwicklung bei 70 bis 80 Prozent der wasserhaltenden Kraft des Bo-dens. Jedoch verhalten sich die einzelnen Mikroorganismen wie die Höhe-ren Pflanzen diesbezüglich etwas verschieden: Das Optimum der Boden-feuchtigkeit liegt für die Pilze in der Regel etwas tiefer als für die Bakterien. Indirekt kann natürlich eine zu starke Durchfeuchtung des Bo-dens hemmend auf die Entwicklung des Bodenlebens einwirken, weil da-bei der Sauerstoffzutritt eingeschränkt wird. Auf diese Weise kommt ja auch primär die unvollkommene Zersetzung der organischen Substanz in unseren Hochmooren zustande zusammen mit der Wirkung der starken Säurebildung durch den Ionenaustausch der Torfmoose. Nicht alle Mikro-organismen sind auf normale oder stärkere Durchfeuchtung des Bodens angewiesen. Es gibt auch einzelne Formen, die noch bei einem Prozent Wassergehalt des Bodens zu wachsen vermögen, wie man bei Untersu-chungen von Wüstenböden festgestellt hat. Die Bedeutung der Temperatur als Wärme ist ebenfalls für die Mikroorganismen des Bodens sehr groß. Jedoch muss betont werden, dass die in den verschiedenen Klimazonen der

Page 195: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

182 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Erde herrschenden Temperaturen dem Mikroorganismenleben keine abso-luten Grenzen setzen können. Selbst in den arktischen Tundraböden gibt es noch zahlreiche Arten von Mikroorganismen. Allerdings spielt sich dort das Mikroorganismenleben vorwiegend in den oberen 2 bis 5 Zentimeter tiefen Horizonten ab, da der Boden dem Permafrost unterliegt.

Die Mikroorganismen des Bodens bleiben auch in gemäßigten Breiten noch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und bei gefrorenem Boden in Tätigkeit. Ihre Individuenzahl sinkt dabei nach ersten Frösten im Winter stark ab und erfährt eine starke Massenentwicklung bei warmer Witterung, vorausgesetzt, der Boden ist nicht zu trocken. Nach kälterer Witterung ge-nügen oft zwei bis drei warme Tage, um die Bodenkeimzahl auf das Dop-pelte oder Dreifache anschnellen zu lassen. Dasselbe tritt natürlich auch nach Niederschlägen auf, wenn der Boden vorher relativ trocken war.

Durch die Schnelligkeit ihrer Entwicklung ist es den Mikroorganismen auch möglich, kürzeste Zeiträume zur Durchführung ihrer Lebensvorgänge auszunutzen. Das gilt besonders für die Arktis und für das Hochgebirge, aber auch für die episodischen Feuchtigkeitsverhältnisse in den Trocken-gebieten der Erde. Bekannt ist auch ihre regionale Anpassung an die Tem-peraturbedingungen. In den unterschiedlichen Breiten zeigen viele über die ganze Erde verbreitete Formen jeweils verschiedene Optimaltemperaturen. So liegt zum Beispiel die Optimaltemperatur von Acetobacter in tropi-schen Böden bei 30 Grad Celsius, dagegen in gemäßigten Breiten bei 28 Grad Celsius. Nitritbildner, wie Nitrosomonas, zeigen in den Tropen die optimale Lebenstätigkeit bei 35 Grad Celsius, in gemäßigten Breiten bei 25 Grad Celsius, und in den arktischen Gebieten ist noch eine starke Nit-ritbildung bei 6 bis 8 Grad Celsius nachgewiesen. Für die Mikroorganis-men der gemäßigten Breiten gilt allgemein, dass ihr Temperaturoptimum etwas über der vorherrschenden Durchschnittstemperatur des Großklimas liegt.

Als weiterer, wesentlicher Faktor für das mikrobielle Bodenleben ist die Menge und Beschaffenheit der organischen Substanz im Boden zu nennen. Sie bildet ja die Ernährungsbasis der Bodenmikroorganismen, soweit es sich um heterotrophe Formen handelt. Und diese bilden in unserem Boden die überwiegende Mehrzahl. Nicht nur der Humusgehalt, sondern auch die Humusart spielt für das Bodenleben eine entscheidende Rolle. Eine bevor-zugte Nahrungsquelle für die Bodenbakterien bilden die absterbenden und toten Wurzelhaare von Pflanzen, deren Anfall ja gerade in dicht bewach-senen Böden sehr groß ist, weil sie beim Wurzelwachstum immer wieder neu gebildet werden. Dieser Anfall an Wurzelhaaren ist natürlich in Wie-sen- und Weidenböden, wo die Pflanzen sehr dicht beieinander wachsen, am größten. Kleiner wird er bereits in den Ackerböden, und unsere Wald-böden zeigen im Allgemeinen einen lockeren und teilweise offenen Bo-

Page 196: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.3 Bodenmikroorganismen 183

denbewuchs. Hier ist also der Anfall an Wurzelsubstanz noch geringer. Wenn man nun diese drei verschieden genutzten Böden miteinander ver-gleicht, so kann man eindeutig feststellen, dass mit der Abnahme der Wur-zelsubstanz im Boden auch eine Abnahme des Bakteriengehaltes erfolgt, so dass Böden unter Wiesen- und Weidenutzung im Allgemeinen die dop-pelte bis dreifache Menge an Bodenbakterien besitzen, wie vergleichbare Acker- und Waldböden. Allerdings muss man hierbei auch bedenken, dass die Gräser und Wiesenkräuter relativ flach wurzeln und daher nur die obe-ren 10 Zentimeter dieser Böden so bakterienreich sind. Bei der tieferen Bewurzelung unserer Acker- und Waldböden trifft das nicht zu. Weiterhin ist bemerkenswert, dass saure Rohhumusdecken im Gegensatz zu Mullbo-dendecken des Waldes weniger von Bakterien besiedelt werden. Hierin liegt auch ein wichtiger Grund der Zersetzungshemmung.

Die drei genannten Faktoren Wasser, Temperatur und Anfall an orga-nischer Substanz im Boden bestimmen die jahreszeitlichen Schwan-kungen des Gehaltes an Bodenmikroorganismen. Je stärker diese Fak-toren auf das Bodenleben einwirken, umso höher ist die Besatzzahl. Ausschlaggebend ist immer der Faktor, der im Minimum vorhanden ist. Das ist bei uns in Mitteleuropa im Sommer die Feuchtigkeit und im Winter die Wärme. Daher tritt im Winter immer ein Minimum des Be-satzes an Mikroorganismen ein.

Sehr wichtig für das Gedeihen der aeroben Bodenmikroorganismen ist auch der Sauerstoff im Boden, gewährleistet und bedingt durch die Boden-durchlüftung. Diese Bedeutung des Sauerstoffs erkennen wir schon daran, dass die anaeroben Mikroorganismen zur Tiefe hin zunehmen, so wie wir es beim Akro- und Katotelm der Hochmoore im Kapitel 6 gesehen haben. Desgleichen sind dauernd durchnässte Böden wesentlich reicher an anae-roben Mikroorganismen als normal durchfeuchtete Böden, wo sie nur eine ganz geringe Rolle spielen. Allgemein kann hierzu gesagt werden, dass gut durchlüftete, gekrümelte Böden, wenn alle anderen Voraussetzungen für das Gedeihen der Bodenmikroorganismen gewährleistet sind, über einen hohen Besatz an Mikroorganismen verfügen, während deren Gehalt in dicht gelagerten Böden stark abfällt. Wie bei der Vegetation der Höheren Pflanzen ist auch bei den Bodenmikroorganismen die Reaktion des Bodens von Bedeutung. Ohne weiter darauf einzugehen, kann man behaupten, dass ein Optimum des Bakterienbesatzes bei neutralen bis leicht basischen Bö-den erwartet werden kann. In stark sauren Böden fällt der Bakterienbesatz dagegen ab, und die Pilze nehmen zu.

Page 197: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

184 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

7.4 Bodenfauna und Bodenflora

Den größten quantitativen und qualitativen funktionellen Anteil an den Umsetzungen im Boden haben die Bodenmikroorganismen, während die größeren Vertreter der Bodenfauna quantitativ nur geringe Stoffumsätze bewirken. Ausnahmen sind die Regenwürmer in den nährstoffreichen Bö-den gemäßigter Klimate, wo sie durch Bioturbation vor allem organisches Material in den Boden einarbeiten, durchmischen und den Aufbau einer stabilen Krümelung fördern. In den Tropen und Subtropen fehlen sie; hier übernehmen Termiten oder Blattschneiderameisen deren Rolle.

Unter den Protozoen sind die Rhizopoden die wichtigste Gruppe. Ihre Besatzzahl kann etwa 10 000 pro Kubikzentimeter betragen. Auch die Ro-tatorien (Rädertierchen) sind häufig vertreten. Sie schwimmen im Boden-wasser. Durch Zystenbildung können sie größere Trockenperioden über-stehen. Auch höchste und tiefste Bodentemperaturen können in diesem Zustand überdauert werden. Man findet im Boden etwa 100 verschiedene Arten. Eine wenig untersuchte Gruppe ist die der Landturbellarien. Sie kommen häufig in feuchten Falllaublagen vor. Eine weitere Gruppe der Bodenfauna sind die Nematoden. Sie gehören zu den häufigsten Bodentie-ren und sind in guten Böden etwa mit einer Anzahl von 10 000 pro Ku-bikmeter vorhanden. Sie bauen im Boden tote Wurzelsubstanz ab und er-reichen Massenentwicklungen in Böden mit viel organischer Substanz.

Als wichtigste Gruppen sind die Anneliden mit den kleinen, nur 5 bis 15 Millimeter kurzen Enchytraeen und den größeren Lumbriciden, den echten Regenwürmern, zu erwähnen. Durch die Gänge der Regenwürmer, die bis maximal 5 Meter tief in den Boden eindringen, schließen sie auch die unte-ren Bodenschichten auf, wenn auch die Hauptbildung der Gänge in den oberen Bodenhorizonten liegt. Es erfolgt dadurch eine regelrechte fortwäh-rende Durcharbeitung des Bodens bis zu 20 Prozent. Wichtig sind dabei die Wurmgänge auch für die Bodendurchlüftung. Bei Sonneneinstrahlung werden an der Bodenoberfläche höher gelegene Ausgänge von Wurmröh-ren intensiver erwärmt, und es entsteht ein Luftsog: Von tiefer gelegenen Wurmgängen strömt kühlere Luft in das Gangsystem nach und erzeugt so eine perfekte Klimaanlage. Gleiches gilt übrigens auch für Ameisen- und Termitenbauten, auf die wir noch zu sprechen kommen. Noch ein weiterer Vorgang ist für die Bodendynamik von besonderer Be-deutung. Die Würmer fressen nämlich unzersetzte Pflanzenreste, die sie vielfach in Naturböden aus dem oberen Streuauflage-Horizont in den Bo-den hineinziehen, verdauen diese Pflanzenreste und durchmischen sie dann mit mineralischen Bestandteilen. Der wertvolle Kot wird auf der Erdober-fläche oder auch in den Röhren abgelegt. Dadurch ist eine Durchmischung des Bodens mit hochwertigem Humus gewährleistet. Darüber hinaus

Page 198: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.4 Bodenfauna und Bodenflora 185

Abb. 7.3. Der Sanddorn Hippophae rhamnoides an der Nordseeküste auf der ost-friesischen Insel Norderney

Box 7.1. Interaktion vom Sanddorn Hippophae rhamnoides und Nematoden Auf den holländischen und niedersächsischen Nordsee-Inseln beobachtet man derzeit eigenartige Begebenheiten: Bei fortschreitender Bodenentkal-kung der Dünen wird die Vitalität des Sanddorns Hippophae rhamnoides (Abb. 7.3) geschwächt, und manchmal können die Sanddorngebüsche sehr rasch innerhalb weniger Wochen oder Monate absterben. Normalerweise be-sitzt dieser Strauch eine obligatorische, pH-abhängige Symbiose mit dem Ac-tinomyceten Frankia alni, der Luftstickstoff bindet und speichert und die Aufnahmekapazität von Bodenphosphat erhöhen kann (Abb. 7.4). Die Luft-stickstoffbindung der Wurzelsymbionten erfolgt im neutralen bis schwach al-kalischen Bereich; sinkt der pH-Wert auf den kalkarmen oder entkalkten In-seldünen unter pH 6, können Nematoden der Gattungen Tylenchorhynchus und Longidorus vermehrt die Symbionten von Hippophae angreifen und ver-zehren (Abb. 7.4). Die dadurch verringerte Aufnahmekapazität für Luftstick-stoff und Bodenphosphat schwächt den Sanddorn, bis er schließlich abstirbt. In die degenerierten Hippophae-Gebüsche dringen zunächst das Weidenrö-schen Epilobium angustifolium und dann der Holunder Sambucus nigra ein, die Abbaustadien des Sanddorn-Gebüsches darstellen und ihrerseits durch Mobilisierung des Stickstoffvorräte im Boden die Entwicklung zu einem Dü-nenwald einleiten können. Dies ist ein Schlüsselprozess der natürlichen Suk-zession in den Dünenökosystemen der Nordseeinseln mit kalkhaltigem Dü-nensand.

Page 199: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

186 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Abb. 7.4. Wirkungsschema der Veränderung und Verdrängung von Sanddorn mit Interaktion von Nematoden-Wurzelfraß in den Küstendünen Ostfrieslands (zu-sammengestellt nach Pott 1995 © Ulmer, Stuttgart)

wird mit dem Wurmkot der Boden mit Bakterien geimpft, denn in 1 Gramm Wurmkot sind etwa fünfmal soviel Bakterien enthalten wie in 1 Gramm guter Ackererde. Die Regenwürmer verlangen einen guten, durch-lüfteten Boden. In nassen und stark sauren Böden treten sie dagegen nicht auf. Die Grenzwerte liegen etwa zwischen pH 5,8 und 8,3 mit einem Op-timum der Entwicklung in neutralen Böden. Bevorzugte Lebensstätten des Regenwurms sind gute Gartenerde sowie Wiesen- und Weidenböden (Ta-belle 7.3). Berechnet man aus diesen Zahlen das Gewicht der Regenwür-mer pro Quadratkilometer, so ist ihr Gewicht größer als das Gewicht der Menschen auf der gleichen Fläche in den am dichtesten besiedelten Teilen Europas.

Ein wichtiger Bestandteil des Edaphons sind die Arthropoden: Davon leben die Tardigraden, die Bärtierchen, bevorzugt in Moospolstern. Asseln fressen das Falllaub. Die Milben sind nur zum Teil Pflanzenfresser. Sie sind aber infolge ihrer großen Zahl als Bodenbildner von Bedeutung. So-weit Tausendfüßer keine Räuber sind, ernähren sie sich auch von faulem

Page 200: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.4 Bodenfauna und Bodenflora 187

Tabelle 7.3. Regenwurmbesatz pro Kubikmeter in der Umgebung des Natur-schutzgebietes „Heiliges Meer“, Nordrhein-Westfalen (1990-1996)

Biotop Individuenzahlen

Gartenboden 400

Wiesen und Weiden 10 bis 300

Ackerland 70 bis 120

Wälder 50 bis 80

Brache 5 bis 10

Holz und totem Laub. Unter den Insekten sind in erster Linie die Collem-bolen, die Springschwänze, zu nennen. Sie sind universelle Verarbeiter der organischen Reste und stellen oft 30 bis 80 Prozent der gesamten Boden-fauna. Die Zahl ihrer Arten ist jedoch gering. Die Termiten spielen nur in den Tropen eine Rolle. Im Wald wird durch sie das Holz in großen Men-gen aufgearbeitet und mit mineralischer Substanz vermischt (Abb. 7.5).

Abb. 7.5. Termitensavanne im Kakadu-Nationalpark, Northern Territory, Australien. Staaten-bildende Termiten bauen ober- und unterirdische Nester bis zu 7 Metern Höhe. Die Kompass-termiten Nordaustraliens richten die Längsachse ihrer Bauten in genauer Nord-Südrichtung aus, wodurch eine Überhitzung zur Mittagszeit vermieden wird. Die Temperaturen im Innern eines

Termitenbaus werden durch ein Be- und Entlüftungssystem ganzjährig konstant gehalten. Termiten leben oft in Symbiose mit Pilzen, die bei der Erschließung pflanzlicher Nahrung behilflich sind. So findet ein Stofftransport von der Boden-oberfläche in tiefere Schichten statt

Page 201: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

188 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Für unsere gemäßigte Zone sind dann als weitere Arthropoden noch Ameisen und Käfer zu nennen, doch spielen sie für die Bodenbildung eine nur untergeordnete Rolle (Abb. 7.6). Hier wollen wir beispielhaft eine pio-nierhafte, nach Theorie, Methodik und Ergebnissen noch immer aktuelle, im Einzelnen jedoch viel zu wenig bekannte gemeinsame Studie von Vic-tor Westhoff und seiner Frau Jeanette Nicoline de Joncheere (1942) über die Beziehungen von Wald- und Forstgesellschaften und ihrer Ameisenpo-pulationen erwähnen. Die beiden Autoren haben zum ersten und einzigen Mal wirklich gründlich den Boden samt Bewuchs, Streu und Ästen Zenti-meter für Zentimeter in 126 exakt pflanzensoziologisch definierten Be-ständen durchmustert und dabei fast 2000 Nester von nicht weniger als 29 Ameisenarten gefunden und geprüft. Dabei zeigte sich beispielsweise ein

Abb. 7.6. Ameisenbau der Schwarzen Waldameise: Große Kolonien dieser staa-tenbildenden Insekten bauen über einen Meter hohe Haufen, die nicht gleichför-mig konisch gestaltet sind. In Südexposition ist der Haufen flacher gestaltet, um den Winkel der Sonneneinstrahlung zu erhöhen. Spezielle Arbeiterinnen „sonnen“ sich und erhöhen somit die Temperaturen ihres Exoskeletts und gehen danach di-rekt in die Brutkammern, wo sie die Temperatur auf konstanten 23 Grad Celsius halten können, bei der die Brut heranreift

Page 202: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.4 Bodenfauna und Bodenflora 189

deutlicher Unterschied in der Ameisenfauna zwischen Stiel- und Trauben-eichenwäldern, bedingt durch das divergierende Bodenklima in diesen Waldtypen, das von warm-trocken-sandigen bis zu kühl-feucht-tonigen Standorten reicht. Ferner konnte in diesem Zusammenhang auch der Ein-fluss der Bestandesstruktur in ein und derselben Pflanzengesellschaft auf die Ameisenpopulation nachgewiesen werden: Niederwaldbetrieb im Bir-ken-Eichenwald (Betulo-Quercetum typicum) wirkte hier auf die Ameisen-populationen nachteilig, denn diesen Beständen fehlte zeitweise eine gut entwickelte Krautschicht, ohne die es zu wenig Beute für Ameisen gibt, und es mangelte an guten Nistplätzen aus Moosen, Ästen und Baumstümp-fen. Solche frühen biozönologischen Arbeiten sind nach Otti Wilmanns (1991) sowie Angelika Schwabe u. Anselm Kratochwil (2001) essentiell und beispielhaft für das Studium der Beziehungen zwischen Pflanzen, Bo-den und der Tierwelt.

Hinsichtlich der Fragen von Myrmekochorie, in der Ameisen Diasporen verbreiten, spielen myrmekochore Pflanzenarten, vor allem solche mit Elaiosomen, eine wichtige Rolle. Dies sind in unseren Buchenwäldern bei-spielsweise Allium ursinum, Cordalis cava, Hepatica nobilis und verschie-dene Viola-Arten. Weltweit gibt es nach Angaben von A. Beattle (1983) etwa 70 Pflanzenfamilien, in denen Myrmekochorie auftritt. Myrmekocho-rie spielt eine große Rolle in den mediterranoiden Klimaregionen mit ihren Terra fusca-Böden. Sie ist weit verbreitet im südafrikanischen Fynbos und im Kwongan Südwestaustraliens.

Ameisen stellen je nach Substrat besondere bioturbate Mikrostandorte oder Choriotope dar und können auch formgestaltend wirken: Hier sei be-sonders auf die Hügel von Ameisen verwiesen (Abb. 7.7). Solche bei-spielsweise von der Ameise Lasius flavus geformte Hügel in Trockenrasen bilden ein spezielles Kleinmosaik, das für Extensivlandschaften auf Sand-böden typisch ist. Die Sandhügel zeigen im Bewuchs markante Unter-schiede zu ihrer Umgebung; da der Sand durch die Tätigkeit der bodenbe-wohnenden Ameisen laufend umgelagert wird. Zunächst können mit dem Aufwuchs horstbildender Gräser oder mit Hilfe übersandungsunempfindli-cher Kriechpioniere, wie Thymus pulegioides, buckelförmigen Gebilde ge-schaffen werden, die dann das unruhige Kleinrelief bewirken. Die dortige Vegetation setzt sich aus myrmekochoren Arten, wie Veronica

officinalis und Viola canina, zusammen oder aus ausläuferbildenden Pflanzen, wie Agrostis capillaris. Von den Ameisen „domestizierte“ Wur-zelläuse aus der Gruppe der Aphidinae wiederum nutzen die Agrostis-Gräser als Nahrungspflanzen.

Page 203: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

190 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Abb. 7.7. Kleinmosaik im Sandtrockenrasen durch Ameisensandhügel von Lasius

flavus, der Gelben Waldameise. Bei Lasius flavus ist die Entwicklung der Kolo-nien weitgehend mit dem Lebenszyklus von Blattläusen synchronisiert. Die Amei-sen bringen die Blattläuse sogar an geeignete Nährpflanzen und verteidigen sie. Hier im Vegetationskomplex von Sandmagerrasen, Besenginsterheiden und Wa-cholderbüschen wird die Mannigfaltigkeit formenbildender Kräfte und die Schaf-fung von Mikrostandorten besonders deutlich (Haselünner Wacholderhain; aus Pott und Hüppe 1991)

Page 204: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.4 Bodenfauna und Bodenflora 191

Auch die tropischen Blattschneiderameisen der Gattungen Acromyrmex und Atta sind von großer Bedeutung für den Nährstoffeintrag aus der Bio-masse in den Boden (Abb. 7.8).

Abb. 7.8. Blattschneiderameisen im „Pilzgarten“

Box 7.2. Blattschneiderameisen Die sozialen Insekten leben in riesigen unterirdischen, oft 4 bis 5 Meter tiefen Nestern, welche Durchmesser von 7 bis 8 Metern erreichen können. Es sind quasi „unterirdische Farmen“, mit einem Netzwerk von Tunneln und Kam-mern, wo die Ameisen sogar spezielle Pilzkulturen als regelrechte „Pilzgär-ten“ anlegen, diese füttern und pflegen. Die Pilze benötigen sie zur Aufzucht ihrer Brut. Die im Innern eines solchen Ameisenbaus in der Nähe und in den Brutkammern lebenden Tiere haben sogar spezielle Drüsen im Bereich der Mandibeln, die fungizide Sekrete, zum Beispiel Streptomycin absondern und so das Exoskelett der Ameisen gegen Pilzbefall schützen. Spezielle Arbeite-rinnen wiederum sieht man in einer ständigen „Blätterparade“, jedoch ver-stärkt am Abend und in der Nacht, zerschnittene Blätter und Blüten der Tro-penbäume transportieren. Eine Kolonie kann mehr als eine Million solcher Blattschneider-Arbeiterinnen haben, die mit ihren scharfen Mandibeln über Nacht einen ganzen Baum entlauben können. Die Blattschneidearbeit geht „nonstop“ bei Tag und Nacht. Man rechnet im Allgemeinen, dass eine Kolo-nie nach fünf Jahren ungefähr 50 Tonnen Biomasse und Waldboden für An-lage, zum Unterhalt und zur ständigen Erneuerung des unterirdischen Bau-werks bewegt und somit die Waldböden der Tropen stark beeinflusst.

Page 205: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

192 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Unter den Wirbeltieren sind die Grabtiere von Bedeutung. Bei uns denkt man zunächst an den Maulwurf, der tierische Nahrung zu sich nimmt, und an die verschiedenen Arten von Wühlmäusen. Gerade die Grabtiere sind für die Auflockerung und Durcharbeitung der Waldböden von enormer Wichtigkeit. In den osteuropäischen Steppengebieten ist es vor allem die grabende und Boden durchmischende Tätigkeit der Ziesel (Citellus-Arten), die umfangreiche Erdbaue bis in zwei Meter Tiefe anlegen. In den nord-amerikanischen Prärien sind es die zu den Erdhörnchen gehörenden fahl-braunen Nagetiere der Präriehunde aus der Gattung Cynomys. Diese leben in Kolonien mit unterirdischen Gangsystemen, die mit ausgeklügelten „Klimaanlagen“ – ähnlich den Termiten – versehen sind.

Bedeutsam für die Bodenbiologie sind ferner die Pilze. Man kann davon im Boden mehr als 300 Arten finden. Die häufigsten Bodenpilze stammen aus den Gattungen Penicillium, Mucor, Aspergillus, Trichoderma und Fu-

sarium. Sie besitzen in den Böden eine weltweite Verbreitung. Jedoch tritt in gemäßigten Breiten mehr die Gattung Penicillium in den Vordergrund, während in wärmeren Gegenden Aspergillus stärker vorherrscht (Abb. 7.9). Auch die Mycelien der Höheren Pilze, der Asco- und der Basidiomy-ceten, die den Humus durchziehen, sind hier zu nennen.

Abb. 7.9. Pilze sind Primärzersetzer der Laubstreu, dabei findet eine hydrolytische Aufspaltung von Makromolekülen statt, insbesondere der Polysaccharide. Die Abbauraten sind unter feucht-warmen Witterungsbedingungen besonders hoch, wie uns das die Pilzhyphen auf den Buchenblättern zeigen

Page 206: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

7.5 Literatur 193

In Rohhumusdecken sind die Pilze besonders stark vertreten. Oft ziehen Pilzhyphen von Meterlänge durch die Rohhumusauflagen hindurch. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Mykorrhiza, jene unterirdische Lebensgemeinschaft von Wurzeln und Pilzen, ohne die fast keine Höhere Pflanze auskommt. Im intakten Waldboden sind nahezu alle Wurzeln von einem Geflecht feinster, nur wenige Tausendstel Millimeter dicker Pilzfä-den, den Hyphen, umgeben. Die Mykorrhiza-Pilze sind bei der Wahl der Bäume, mit denen sie eine Symbiose eingehen können, keineswegs festge-legt. Vielmehr hält ein Pilz im Waldboden über lange Ausläufer oft mit mehreren Bäumen gleichzeitig Kontakt. So können Waldbäume über das verzweigte Hyphennetz Nährstoffe miteinander austauschen. Für das Zo-nobiom des Borealen Nadelwaldes ist dies im ersten Band der Geobotanik beispielhaft beschrieben. Im Kapitel 10.6 zu den Symbiosen kommen wir genauer auf die Mykorrhiza zurück.

Eine große Gruppe der Organismen des Bodens bilden Actinomyceten (Strahlenpilze) und Proactinomyceten. Auch Algen sind häufige Bewohner unserer Böden. Man findet chromatinhaltige Algen nicht nur an der Bo-denoberfläche, sondern mindestens bis 15 Zentimeter Bodentiefe vor. Das ist möglich, weil sie die Fähigkeit besitzen, sich bei Lichtmangel saprob zu ernähren. Die Artenzahl der im Boden lebenden Algen ist relativ groß. Die meisten Bodenalgen stammen aus der Gruppe der Kieselalgen (Diato-meen). Wenn auch die Algen zweifellos mit einer großen Anzahl von Ar-ten den Boden bevölkern, so spielen sie mengenmäßig und auch bodendy-namisch längst nicht die bedeutende Rolle der Bakterien, der Pilze und der Strahlenpilze.

7.5 Literatur

Asman WHA, Sutton MA, Shjorring JK (1998) Ammonia: emission, atmospheric transport and deposition. New Phy-tol 139: 27-48

Bach HJ, Dilly JC, Munch JC (1993) Bodenmikroflora. Int Mitt Ökosystemforsch Bornhöveder Seenkette 1: 120-125 Batjes NH (1996) Total carbon and nitrogen in the soils of the world. Eur J Soil Sci 47: 151-163 Beattle A (1983) Distribution of ant dispersal plants. Sonderb Naturwiss Ver Hamburg 7: 249-270 Becker TA (1988) Zur Rolle von Mikroklima und Bodenparametern bei Vegetationsabfolgen in Trockenrasen des un-

teren Unstruttales (Sachsen-Anhalt). Gleditschia 26: 29-57 Belnap J, Lange OL (eds 2003) Biological soil crusts: structure, function and management. Springer, Berlin Heidel-

berg New York Berger-Landefeld U (1960) Zum Celluloseabbau in Böden unter verschiedenem Baumwuchs. Oikos 11: 2 Blume HP (1965) Die Charakterisierung von Humuskörpern durch Streu- und Humus-Stoffgruppenanalysen unter

Berücksichtigung ihrer morphologischen Eigenschaften. Zeitschr Pflanzenern Bodenk 111: 95-114 Boerboom JHA (1960) De plantengemeenschappen van de Wassenaarse duinen. Medel Landbouw-Ges. 60, 19: 1-

135. Wageningen Burrichter E (1953) Beiträge zur Beurteilung von Böden aufgrund fluoreszenzmikroskopischer Untersuchungen ihrer

Mikroflora. Z Pflanzenern Düngung Bodenk 63: 154-171 Burrichter E (1954) Regeneration von Heidepodsolböden und die Entwicklung des Bodenkeimgehaltes in Abhängig-

keit von der Bewaldung. Z Pflanzenern, Düngung, Bodenk 64: 150-163 Burrichter E (1958) Untersuchungen über die Massenentwicklung von Bodenbakterien im Laufe des Jahres. Ber

Dtsch Bot Ges 71 (2): 71-80

Page 207: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

194 7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen

Burrichter E, Pott R (1987) Zur spät- und nacheiszeitlichen Entwicklungsgeschichte von Auenablagerungen im Ahse-Tal bei Soest (Hellwegbörde). Münstersch Geogr Arb 27: 129-135

Campbell NA, Mitchel LG, Reece JB (1994) Biology. Concepts and Connections. Benjamin Cummings, Redwood City/CA

Darwin C (1888) The Formation of Vegetable Mould through the Action of Warms. John Murray, London Dungler W, Fiedler HJ (1997) Methoden der Bodenbiologie. Fischer, Jena Eisenbeiss G, Wichard W (1985) Atlas zur Biologie der Bodenarthropoden. Fischer, Stuttgart Forde B, Lorenzo H (2001) The nutritional control of root development. Plant Soil 232: 51-68 Franz H (1941) Untersuchungen über die Bodenbiologie alpiner Grünland- und Ackerböden. Forschdienst 2: 3-4 Frimmel FH, Christman RF (1988) Humic substances and their role in environment. Wiley, Chichester Haider K (1999) From dead organic residues to humus. J. Plant Nutr Soil Sci 162: 363-371 King TJ (1981) Ant-hill vegetation in acidic grasslands in the Gower Peninsula, South Wales. New Phytol 88: 559-

571 Knicker H, Fründ R, Lüdemann HD (1993) The chemical nature of nitrogen in native soil organic matter. Naturwiss

80: 219-221 Kögel-Knabner I (2002) A review on the macromolecular organic composition in plant and microbial residues as in-

put to soil. Soil Biol Biochem 34: 139-162 Lee K (1985) Earthworms. Acad Press, London Maas PWTH., Oremus PAJ, Otten H (1983) Nematodes (Longidorus spec. and Tylenchorhynchus microphasmis

Loof) in growth and nodulation of Sea Buckthorn (Hippophae rhamnoides). Plant Soil 73: 141-147 Mosier AR (1998) Soil processes and global change. – Biol Fert Soils 27: 221-229 Oremus PAJ (1982) Growth and modulation of Hippophae rhamnoides L. in the sanddunes of the Netherlands. Diss.

Univ. Utrecht Pinton R, Varanini Z, Nannipieri P, Varanni Z (2001) The rhizosphere: Biochemistry and organic substances at the

soil-plant interface. Marcel Dekker, New York Pott R (1981) Der Einfluss der Niederholzwirtschaft auf die Physiognomie und die floristisch-soziologische Struktur

von Kalkbuchenwäldern. Tuexenia 1: 233-242 Pott R (1985) Vegetationsgeschichtliche und pflanzensoziologische Untersuchungen zur Niederwaldwirtschaft in

Westfalen. Abh Westf Mus Naturkde 47, 4: 1-75 Pott R (1995) Farbatlas Nordseeküste und Nordseeinseln. Ulmer, Stuttgart Pott R, Hüppe J (1991) Die Hudelandschaften Nordwestdeutschlands. Abh Westf Mus Naturkde 53 1/2: 1-313 Putten van der WH (1989) Colonization of the root of Ammophila arenaria by harmful soil organisms. Plant and soil

120: 213-223 Raich JW, Schlesinger WH (1992) The global carbon dioxide flux in soil respiration and its relationsship to vegeta-

tion and climate. Tellus 44: 81 Sauerbeck D, Johnen B (1976) Der Umsatz von Pflanzenwurzeln im Laufe der Vegetationsperiode und dessen Beitrag

zur “Bodenatmung”. – Z Pflanzenern Bodenk 139: 315-328 Schinner F, Öhlinger R, Kandeler E, Margesin R (1993) Bodenbiologische Arbeitsmethoden. Springer, Berlin Hei-

delberg New York Stankiewicz BA, van Bergen PF (1998) N-containing macromolecules in the biosphere and geosphere. Americ Chem

Soc Synp Ser 707: 321-328 Stevenson F (1994) Humus chemistry. Wiley, New York Strugger S (1947) Fluoreszenzmikroskopie und Mikrobiologie. Naturwiss 34: 1-267 Strugger S (1949) Praktikum der Zell- u. Gewebephysiologie der Pflanze. 2. Aufl. Berlin 1949 Swifer MJ, Heal OW, Anderson JM (1979) Decomposition in terrestrial ecosystems. Blackwell, Oxford Trumbore SE (2000) Age of soil organic matter and soil respiration: radiocarboncontraints on belowground C dyna

mics. Ecol Appl 10: 399-411 Westhoff V (1991) Die Küstenvegetation der Westfriesischen Inseln. Ber Reinh Tüxen Ges. 3: 269-290 Westhoff V, van Oosten MF (1991) De Plantengroei van de Waddeneilanden. Stichting Uitgev Koningl Nederl Na-

tuurhist Ver 53: 1-415 Westhoff V, Westhoff-De Joncheree JN (1942) Verspreiding en nestoecologie van de mieren in de Nederlandse Bos-

sen. Tijdschr over Planten-Ziekten 48: 138-212 Wilmanns O (1991) Laudatio zu Ehren von Victor Westhoff anläßlich der Verleihung des Reinhold-Tüxen-Preises

1991 der Stadt Rinteln am 22. März 1991. Ber Reinhold Tüxen Ges 3: 7-15 Wilson MA (1987) NMR techniques and applications in geochemistry and soil chemistry. Pergamon, Oxford Woodell SRJ, King TJ (1991) The influence of mound-building ants on British lowland-vegetation. In: Huxley CR,

Cutler DF (eds) Ant-Plant Interaction: 521-535. Oxford Univ Press, Oxford Zagwijn WH (1971) Vegetation history of the Coastal Dunes in the Western Netherlands. Acta Bot Neerl 20,1: 174-

182 Zech W, Kögel-Knabner I, Zuder A, Alt H (1985) CP-MAS-13C-NMR-Spektren organischer Lagen einer Tangel-

rendzina. Z Pflanzenern Bodenk 148: 481-488 Zoon FC (1986) On the relative revolvement of nematodes and other soilfactors in the decline of Hippophae rham-

noides in the Netherlands. Rev Nematol 9: 1-314

Page 208: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8 Klima und Boden als Standortfaktoren für

pflanzliches Leben

Strahlungsangebot, Wasser- und Mineralstoffversorgung sowie effektive Photosynthese für Wachstum und Aufbau von Biomasse sind die wichtig-sten Bindeglieder im Kontinuum von Pflanze, Klima und Boden. Die Pflanzen sind dabei von zahlreichen Standortfaktoren abhängig, die zu-sammenfassend gewöhnlich als der „Standort“ bezeichnet werden. Von den biotischen Faktoren, zu denen vor allem die Pflanzen und Tiere selbst zählen, werden die abiotischen Faktoren unterschieden, die als klimatische, edaphische und orographische Standortfaktoren bezeichnet werden können. Klimatische Einflüsse bestehen insbesondere hinsichtlich der Wirkungen von Einstrahlung, Niederschlag, Wind und Temperatur. Bei den Bodenfaktoren ragen die Faktoren Ausgangsgestein, Bodenart, Bodentyp, Wassergehalt sowie Nährstoff- und Basenversorgung heraus. Hinsichtlich des Reliefs sind Hanglage und Neigung von besonderer Be-deutung. Der Standort hat also für Pflanzen eine vielfältige und weit rei-chende Bedeutung, da er den Aufbau und die Lebensprozesse der Pflanzen beeinflusst, indem Energie und Nährstoffe bereitgestellt werden.

Es liegt auf der Hand, dass die einzelnen Standortfaktoren nicht für sich allein wirken, sondern einen Komplex ineinander greifender Faktoren bil-den. Beispielsweise hängt die Wasserversorgung des Bodens nicht nur vom Klima ab, das die Niederschlagshöhe und die Luftfeuchtigkeit be-stimmt. Daneben üben die Lage im Gelände, die Bodenart oder die Boden-bedeckung einen entscheidenden Einfluss auf die Wasserverhältnisse aus. Es macht eben einen Unterschied, ob sich ein Standort in Hanglage oder in einer Senke befindet, die Bodenart Sand oder Ton ist oder ob dichter Be-wuchs oder nackter Boden zu beobachten ist. In entsprechender Weise werden die Temperaturbedingungen eines Standorts nicht allein durch die besonderen Bodeneigenschaften beeinflusst, die sich in unterschiedlicher Wärmekapazität und Rückstrahlung bemerkbar machen, sondern auch durch die Strahlungsintensität der Sonne, die deutliche Unterschiede bei-spielsweise in unterschiedlichen Hanglagen aufweist, je nachdem, ob eine Süd- oder Nordexposition vorhanden ist. Alle Pflanzen sind entsprechend ihrer unterschiedlichen physiologischen und morphologischen Gegeben-heiten für das Leben in einer ganz bestimmten ökologischen Nische einge-

Page 209: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

196 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

richtet, die durch eine spezifische Kombination von Klima- und Bodenfak-toren gekennzeichnet ist. Für jeden der Klimafaktoren Licht, Wärme und Kontinentalität und der Bodenfaktoren Feuchtigkeit, Bodenreaktion und Stickstoffversorgung besitzt jede Art ein Minimum, ein Optimum und ein Maximum. Heinz Ellenberg (1992) verdanken wir durch die Analyse so genannter Zeigerwerte die Kenntnis insbesondere der Optimalwerte der verschiedenen Pflanzen, deren Grundidee in Tabelle 8.1 zusammengefasst ist.

Tabelle 8.1. Ellenbergsche Zeigerwerte. Die Zeigerwerte nach Heinz Ellenberg (1992) geben das ökologische Verhalten der Arten mit ihrem ökologischen Opti-mum zu den wichtigsten Standortfaktoren an. Alle Arten werden in eine Skala von 1 bis 9 eingeteilt, wobei die Werte 1 und 9 jeweils die Extremwerte darstellen und der Wert 5 einen mittleren Wert ergibt

Klimafaktoren

Licht (L) 1 = Tiefschattenpflanze 9 = Voll-Lichtpflanze

Wärme (T) 1 = Kältezeiger 9 = Wärmezeiger

Kontinentalität (K) 1 = ozeanisch verbreitet 9 = kontinental verbreitet

Bodenfaktoren

Feuchtigkeit (F) 1 = Trockniszeiger 9 = Nässezeiger

Bodenreaktion (R) 1 = Starksäurezeiger 9 = Kalkzeiger

Stickstoffversorgung (N) 1 = Stickstoffmangel- zeiger

9 = übermäßigen Stick- stoff anzeigend

Pflanzenarten werden häufig zu ökologischen Gruppen zusammenge-

fasst. Darunter verstehen wir Arten, die in ihrem soziologischen und öko-logischen Verhalten annähernd übereinstimmen. Die Bedeutung der Erar-beitung ökologischer Gruppen liegt vor allem in der Möglichkeit, Pflanzenbestände und mit ihnen deren Standorte zu charakterisieren und eine entsprechende Beurteilung vorzunehmen.

In der Tabelle 8.2 sind exemplarisch für unterschiedliche Vegetations-typen ökologische Gruppen von Arten zusammengestellt, die uns am Bei-spiel von Ackerwildkräutern einerseits und Waldpflanzen andererseits Möglichkeiten solcher Gruppierungen in Bezug auf den Faktor Bodenreak-tion zeigen (vgl. Tabelle 8.1).

Page 210: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben 197

Tabelle 8.2. Ökologische Gruppen von Pflanzen am Beispiel von Ackerwildkräu-tern und Waldpflanzen in Nordwestdeutschland

Acker Wald

R 1 = auf stark sauren Böden

Scleranthus annuus Calluna vulgaris

Rumex acetosella Vaccinium vitis-idaea

Spergula morisonii Vaccinium myrtillus

Spergula arvensis Melampyrum sylvaticum

Holcus mollis

Galeopsis segetum

R 2 = hauptsächlich auf sauren Böden, gelegentlich auf neutrale übergreifend

Raphanus raphanistrum Polypodium vulgare

Anthemis arvensis Dryopteris carthusiana

Juncus bufonius Teucrium scorodonia

Stachys arvensis Maianthemum bifolium

Spergularia rubra Melampyrum pratense

R 3 = vorwiegend auf schwach sauren Böden

Matricaria recutita Oxalis acetosella

Apera spica-venti Stellaria holostea

Aphanes arvensis Anemone nemorosa

Oxalis stricta Poa nemoralis

Papaver dubium Mycelis muralis

R 4 = auf schwach sauren bis alkalischen Böden

Sinapis arvensis Carex sylvatica

Veronica persica Galium odoratum

Fumaria officinalis Hepatica nobilis

Papaver rhoeas Brachypodium sylvaticum

Lamium galeobdolon

R 5 = auf neutralen bis alkalischen Böden

Consolida regalis Sanicula europaea

Scandix pecten-veneris Mercurialis perennis

Chenopodium album

Solanum nigrum

Urtica urens

Page 211: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

198 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

8.1 Einfluss von Bodenkomponenten auf die Pflanzen

Unterschiede im Nährstoffangebot verschiedener Bodentypen sind für das Verständnis der unterschiedlichen Zusammensetzung der Vegetation grundlegend. Seit langem ist bekannt, dass der Florenwechsel besonders zwischen Kalkgestein und saurem Gestein sehr groß ist. Man hat dement-sprechend kalkliebende und kalkfliehende Arten unterschieden (vgl. Bo-denreaktion in Tabelle 8.1). Auf Grund dieser Erscheinung wurden schon relativ früh zwei Theorien entwickelt: Die erste Theorie besagte, dass es die chemischen Komponenten der Gesteine seien, welche diesen Floren-wechsel hervorriefen. Dagegen postulierte die zweite Theorie, dafür kä-men nur die physikalischen Komponenten in Frage, indem die Kalkpflan-zen die Kalkböden bevorzugten, weil diese wasserdurchlässiger und daher auch trockener und wärmer seien, während die kalkfliehenden Arten auf den feuchten Silikatverwitterungsböden besser gediehen. Demnach wären also die Kalkpflanzen trockenheits- und wärmeliebende Arten, die auch auf kalkfreiem Boden vorkommen könnten, wenn dessen physikalische Eigenschaften ähnlich seien. Später hat sich allerdings gezeigt, dass diese Theorien nicht haltbar sind, sondern dass man in Wirklichkeit zwischen bodensteten und bodenvagen Arten unterscheiden muss, das heißt dass die ersteren immer auf Kalk vorkommen, die letzteren daneben auch auf anderen Bodenarten wachsen können. Auch kann das Verhalten einer Art innerhalb ihres Areals, also ihres Verbreitungsgebietes, wechseln. So sind viele pontisch-kontinentale Arten, die in Mitteleuropa ihre westliche Verbreitungsgrenze erreichen, dort streng an Kalkstandorte gebunden. Sie sind also bodenstet, während sie im Südosten, im Zentrum ihres Verbrei-tungsgebietes, bodenvag sind und damit auch auf andere Böden übergehen können.

Nicht verwechselt werden darf dieses allerdings mit dem scheinbaren Wachsen von Arten unter wechselnden Bedingungen, wie uns das Beispiel des Zittergrases Briza media zeigt. In Mitteleuropa wächst die Art in Kalk-trockenrasen und trockenen Wiesen, während sie beispielsweise in Irland im Einflussbereich des ozeanischen Klimas auf sauren Moorsubstraten zu gedeihen scheint. Diesen Widerspruch klären in Wirklichkeit aerosolierte mineralische Salze auf, die das benötigte trocken-warme Mikroklima kom-pensieren. Ebenso kann es vorkommen, dass Briza media tatsächlich auf Kalksubstraten wächst, diese jedoch kaschiert sind, weil die als Blanked

bogs bekannten Hochmoorkörper über das Substrat hinweg gewachsen sind, während die Graswurzeln das Substrat noch erreichen können.

Was die chemische Komponente des Bodens anbetrifft, so muss hier be-tont werden, dass die auslesende Wirkung nicht durch das Calcium-Ion als solches erfolgt, sondern es sich tatsächlich um eine Nebenwirkung des

Page 212: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.1 Einfluss von Bodenkomponenten auf die Pflanzen 199

Calciumcarbonats handelt. Eine solche Nebenwirkung ist insbesondere die Änderung der Bodenreaktion. Dabei handelt es sich um nichts anderes als die Änderung der Konzentration an Wasserstoff-Ionen, die durch den pH-Wert ausgedrückt wird (Tabelle 8.3). Die Messung des pH-Wertes kann sowohl auf chemischem Wege durch Indikatoren erfolgen als auch mit verschiedenen pH-Metern. Die Messung erfolgt in Bodenaufschlämmun-gen 1:2,5 entweder mit destilliertem Wasser oder in einer Kaliumchlorid-Lösung.

Tabelle 8.3. Maß für Bodensäure

pH-Wert Säuremaß

pH < 4,1 extrem sauer

pH 4,1 – 4,5 stark sauer

pH 4,6 – 5,2 sauer

pH 5,3 – 6,4 schwach sauer

pH 6,5 – 7,4 neutral

pH > 7,4 alkalisch

Die Tatsache, dass die Pflanzen nicht auf den Kalkgehalt des Bodens re-agieren, sondern auf die von diesem abhängige Bodenreaktion, erklärt uns auch, dass Kalkpflanzen auf Böden vorkommen, die nicht über nachweis-baren freien Kalk verfügen. Das ist meist der Fall bei Gips- und Basaltbö-den. Diese Böden zeichnen sich trotz des Fehlens von Kalk durch neutrale bis alkalische Reaktionen aus. Wir sprechen daher besser nicht von kalk-liebenden und kalkfliehenden Pflanzen, sondern von basiphytischen und acidophytischen Pflanzen, also von Arten, die bei basischer, und Arten, die bei saurer Bodenreaktion ihr Wachstumsoptimum finden.

Wir kennen nun einerseits Arten, die innerhalb eines sehr engen pH-Bereichs wachsen und die man als stenotope Arten bezeichnet, anderer-seits solche mit einem Wachstum in einem sehr breiten pH-Bereich, die eurytopen Arten. Die Waldkiefer Pinus sylvestris und auch der Wacholder Juniperus communis gehören beispielsweise zu den extrem eurytopen Ar-ten. Sie wachsen sowohl auf basischem Kalkboden als auch auf extrem saurem Sandboden. Man kann hierbei nahezu von indifferenten Arten hin-sichtlich der Bodenreaktion sprechen. Dagegen sind Arten wie etwa Cypripedium calceolus oder Primula suaveolens streng stenotop (Abb. 8.1). Sie wachsen nur auf basischen Böden. Andere wiederum gedeihen nur auf sauren Substraten, wie Erica tetralix oder die Hochmoorpflanze Drosera anglica. Die meisten jedoch sind indifferent und reagieren nach allgemeinem Nährstoffangebot oder Feuchtigkeit der Böden, von denen in Abb. 8.1 die Geophyten Paris quadrifolia, die wir aus Auenwäldern ken-

Page 213: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

200 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

nen, oder als Pflanze aus Bruchwäldern und Nasswiesen Caltha palustris dargestellt sind.

Abb. 8.1a-f. Zeigerpflanzen. Kalkzeiger: a Cypripedium calceolus und b Primula

suaveolens; Säurezeiger: c Erica tetralix und d Drosera anglica; indifferente Ar-ten: e Paris quadrifolia und f Caltha palustris

Es gibt auch ökologische Vikarianten hinsichtlich der Basen- und Säu-rezeiger, die schon seit langem von den Alpenpflanzen bekannt sind. Eini-ge davon sind in der Tabelle 8.4 angeführt.

Bei der Beurteilung der Standortverhältnisse bezüglich des pH-Wertes muss man auch den Konkurrenzfaktor berücksichtigen. Viele Pflanzen würden ohne Konkurrenz mit Sicherheit eine breitere ökologische Ampli-tude aufweisen.

Page 214: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.1 Einfluss von Bodenkomponenten auf die Pflanzen 201

Tabelle 8.4. Ökologische Vikarianten bei Gattungen basiphytischer und acidophy-tischer Alpenpflanzen (nach W. Frey u. R. Lösch 2004)

Gattung Kalksubstrat Silikatsubstrat

Achillea atrata moschata

Doronicum grandiflorum clusii

Gentiana clusii kochiana

Hutchinsia alpina brevicaulis

Pulsatilla alpina sulphurea

Primula auricula hirsuta

Ranunculus alpestris glacialis

Rhododendron hirsutum ferrugineum

Saxifraga moschata exarata

Soldanella alpina pusilla

Wiederum andere, wie Minuartia verna oder Viola guestphalica, wer-

den auf Grund ihres ausschließlichen Vorkommens auf schwermetallhalti-gen Böden als regelrechte Schwermetallzeiger angesehen (Abb. 8.2). Bei-spielsweise verträgt Silene vulgaris Chrom und Nickel im Substrat, Festuca ovina und Agrostis tenuis gedeihen auf bleihaltigen Böden; Viola

calaminaria, V. guestphalica und Minuartia verna ssp. hercynica wachsen auf zinkhaltigen Böden.

Abb. 8.2. Schwermetallzeiger: Minuartia verna (links) und Viola guestphalica

(rechts)

Als Schwermetalle werden die metallischen Elemente mit einer Dichte von mehr als 5 Gramm pro Kubikzentimeter bezeichnet. Dazu gehören zum Beispiel Eisen (Fe), Blei (Pb), Kupfer (Cu) oder Zink (Zn), um nur

Page 215: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

202 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

einige zu nennen. Neben ihrem hohen spezifischen Gewicht zeichnen sich Schwermetalle dadurch aus, dass die meisten von ihnen in mehreren Oxi-dationsstufen auftreten können und somit zum Valenzwechsel befähigt sind. Sie sind in den Pflanzen als metallische Komponenten von katalysie-renden Enzymen, zum Beispiel Eisen in den Cytochromen, Mangan in vie-len Dehydrogenasen und Kupfer in Cytochromoxidasen, häufig anzutref-fen. Ein Teil dieser Schwermetalle zählt zu den Spurenelementen, wie sie in der Tabelle 8.5 aufgelistet sind, und damit zu den essentiellen Wirkstof-fen, ein anderer hingegen zu den Zellgiften, beispielsweise Quecksilber (Hg), Blei (Pb), Cadmium (Cd), Chrom (Cr) und Arsen (As). Aber auch die Spurenelemente können in hohen Konzentrationen toxisch wirken; es kommt also immer auf die Dosis an. Gerade bei den Schwermetallen lie-gen die Konzentrationsbereiche für Mangel, optimale Versorgung und To-xizität eng beieinander.

Tabelle 8.5. Mikroelementkonzentrationen (mg/kg Trockensubstanz) in Nutz-pflanzen (nach Amberger 1988)

Mikroelement Mangel ausreichend ernährt toxisch

Mangan < 20 20 – 250 > 500

Eisen < 50 50 – 250 > 500

Zink < 20 20 – 150 > 400

Kupfer < 5 5 – 20 > 40

Bor (in monocotylen Pflanzen) < 2 2 – 5 > 20

Bor (in dicotylen Pflanzen) < 15 15 – 100 > 200

Wie die Tabelle 8.5 zeigt, hat die Schwermetalltoxizität insgesamt eine

weite Konzentrationsamplitude. Das hängt damit zusammen, dass zahlrei-che metalltolerante Pflanzen, die Metallophyten, Schwermetalle excludie-ren, entgiften oder sequestrieren können, indem sie die Schwermetallionen in speziellen Organen akkumulieren und entsorgen und somit Stoffwech-selprobleme umgehen.

8.2 Pflanzenmineralstoffe

Nicht nur die Bodenreaktion ist für die Zusammensetzung der Pflanzen-welt von Bedeutung, sondern auch der Mineralstoffgehalt des Bodens. Pflanzen benötigen für ihren Stoffwechsel und zum Aufbau des Pflanzen-körpers eine Vielzahl von Elementen oder deren Ionen, die sie primär über die Wurzeln aus der Bodenlösung aufnehmen. Diese Substanzen gelangen

Page 216: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.2 Pflanzenmineralstoffe 203

zunächst apoplastisch in die Wurzelrinde. Erst bei der Plasmalemmapassa-ge erfolgt die selektive Ionenaufnahme über den kontrollierten Durchtritt durch Ionenkanäle mittels Energie umsetzender Ionenpumpen. Dies ge-schieht spätestens an der Endodermis, wo die wässrige Ionenlösung wegen der Barrierewirkung des hydrophoben Casparyschen Streifens in das pflanzliche Cytoplasma geschleust und dort weitergeleitet wird. Die Kräfte des Wasserpotentials, die wir im Kapitel 9.1 näher sehen werden, sind für den Ferntransport der aufgenommenen Nährstoffe in der Pflanze verant-wortlich.

Dabei sind vor allem Stickstoff, Phosphor und Kali zu nennen. Wenn wir von den rein praktischen Fragen der Düngung in der Landwirtschaft absehen, ist über die ökologische Bedeutung des Phosphor- bzw. Kalige-haltes der Böden für die Zusammensetzung der Pflanzendecke immer noch vergleichsweise wenig bekannt. Viel genauer ist dagegen die ökologische Wirkung des Stickstoffs untersucht worden. Stickstoffanreicherung in Form von Nitraten kommt an verschiedenen natürlichen Standorten vor und bedingt eine nitrophile Flora.

Ein- und zweiwertige Nährstoff-Kationen, wie beispielsweise Kalium (K+), Calcium (Ca2+), Magnesium (Mg2+), aber auch etliche Mikronähr-stoffe, liegen im Boden in Ionenform vor und nehmen in dieser Form auch am pflanzlichen Stoffwechsel teil. Vor allen die Makronährstoffe Kohlen-stoff, Stickstoff, Phosphat und Schwefel sind im Boden in unterschiedli-cher Konfiguration vorhanden oder verfügbar und werden in den Pflanzen in verschiedene Substanzen eingebaut und umgesetzt. Makro- und Spuren-nährelemente sind für die Pflanzen essentiell. Über die im Boden vorhan-denen Mengen der einzelnen Nährelemente gibt zusammenfassend Tabelle 8.6 eine Übersicht. Der Bedarf an diesen Nährstoffen und die Toleranz von Höchstmengen sind jedoch von Pflanzenart zu Pflanzenart verschieden. Zwischen den einzelnen Pflanzenarten, ja sogar zwischen Unterarten einer Sippe bestehen im Einzelfall große Unterschiede hinsichtlich der Nähr-elemente, und dies ist ein wichtiger Faktorenkomplex für die individuelle differenzierte Standort-Einnischung der verschiedenen Pflanzen.

H. Marschner (1985, 1995) verdanken wir sehr eindrucksvolle Einblicke in den Umsatz und die Nutzung der wichtigsten pflanzlichen Nährelemen-te, und auf diese Arbeiten wollen wir uns nachfolgend beziehen. Abgese-hen vom Gewinn an Stickstoff durch Fixierung molekularen Luftstick-stoffs (N2), wie wir ihn von der Symbiose mit Rhizobien, Actinomyceten und Cyanobakterien her kennen, oder durch Carnivorie bei Pflanzen nähr-stoffarmer Extremstandorte, wie beispielsweise auf Hochmooren oder in Heidegesellschaften, erfolgt der normale pflanzliche Stickstofferwerb aus dem Boden, wo Stickstoff normalerweise zu 98 Prozent organisch gebun-den im Humus vorliegt und erst durch Mineralisierung freigesetzt wird.

Page 217: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

204 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Tabelle 8.6. Nährelemente des Bodens aus Gesteinen, Mineralen und organischen Substraten (zusammengestellt nach Klink 1998, Schroeder und Blum 1992, Geb-hardt et al. 2007)

Hauptnährelemente Ionen-

Form

Quellen Gehalt im

Boden

Stickstoff (N) NO3-, NH4+

Organische Substan-zen, N2 über Symbionten

0,03 – 0,3 %

Phosphor (P) H2PO4-, HPO4

2-, (PO4

3-)

Ca-, Al-, Fe- Phospha-te

0,01 – 0,1 %

Schwefel (S) SO42- Fe-Sulfide,

Ca-Sulfat 0,01 – 0,1 %

Kalium (K) K+ Glimmer, Illit, K-Feldspäte

0,2 – 3,0 %

Calcium (Ca) Ca2+ Ca-Feldspäte, Augit, Hornblenden, Ca-Carbonate, Ca-Sulfate

0,2 – 1,5 %*

Magnesium (Mg) Mg2+ Augite, Hornblenden, Olivin, Biotit, Mg-Carbonate

0,1 – 1,0 %**

Spurenelemente

Bor (B) H2BO3- akzessorisch in Silika-

ten und Salzen

5 -100 ppm***

Molybdän (Mo) MoO42- Eisen-Al-Oxide,

Al-Hydroxide

0,5 – 5 ppm

Chlor (Cl) Cl- Chloride 50 - > 1000 ppm

Eisen (Fe) Fe2+, Fe3+ Augite, Biotit, Fe-Oxide, Fe-Hydroxide

0,5 – 4,0 %****

Mangan (Mn) Mn2+, (Mn3+)

Manganit akzessorisch in Silikaten

200 – 4000 ppm

Zink (Zn) Zn+ Zn-Phosphat, Zn-Carbonat, Zn-Hydroxid

10 – 300 ppm

Kupfer (Cu) Cu2+, (Cu+)

Cu-Sulfid, Cu-Sulfat, Cu-Carbonat

5-100 ppm

*mit Ausnahme von Kalkböden **mit Ausnahme von Dolomitböden ***ppm = parts per million = 1 Millionstel = 0,0001% = 1mg/kg ****mit Ausnahme von Eisen-Anreicherungshorizonten

Page 218: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.2 Pflanzenmineralstoffe 205

Stickstoff wird der Bodenlösung in Form von freien Nitrat-Ionen (NO3-)

und Ammonium-Ionen (NH4+) entnommen und in den Pflanzen in großen

Mengen in Aminosäuren, Proteinen, Nukleinsäuren und Coenzymen ge-bunden. Etwa die Hälfte des pflanzlichen Stickstoffs befindet sich in den Blättern, und davon wiederum ist ein Großteil in den Chloroplasten. Nur etwa 10 bis 20 Prozent des Stickstoffs sind in den Pflanzen längerfristig frei verfügbar. Der Einbau von Ammonium in Aminosäuren erfolgt bereits in den Wurzeln, während Nitrat im Xylemwasser bis in die Sprosse trans-portiert wird. Bei nitrophilen Pflanzen fungieren freie Nitrationen im Zell-saft sogar als Osmotika, beispielsweise bei den Urticaceae und den Cheno-podiaceae. Bei Stickstoffmangel reagieren die Pflanzen häufig durch Chlorosen, etwa bei Chlorophyllschädigung, Anreicherung von Anthocya-nen oder verstärkter Ligninbiosynthese, die zur Verholzung bei so genann-ter Hungermorphose, der Peinomorphose, führt. Auch Kümmerwuchs, sichtbar am niedrigen Spross-Wurzel-Verhältnis, kann eine Folge des Stickstoffmangels sein.

Schwefel nimmt am Pflanzenstoffwechsel in reduzierter Form teil, wo-bei die Sulfat-Aufnahme in Form des SO4

2--Anions und die Sulfatredukti-on in Wurzeln und Blättern erfolgt. Die Sulfationen werden im Xylem-saftstrom transportiert. Sulfat ist neben Nitrat das wichtigste zusätzliche Anion für die Ernährung der Pflanzen. In den Blättern nicht benötigtes Sulfat sowie für den dortigen Proteinstoffwechsel überschüssiger reduzier-ter Schwefel, der als Glutathion vorliegt, gelangen über das Phloem wieder in die Wurzeln. Schwefel ist Bestandteil von Aminosäuren, Peptiden und Proteinen und kommt in allen Zellmembranen vor. Schwefel kann auch im Parenchym gespeichert und remobilisiert werden. Die Schwefelreduktion erfolgt in den Chloroplasten, wo Ferredoxin die Elektronen auf den oxi-dierten Schwefel überträgt. Da Sulfat mit Calcium schwer lösliche Salze, wie beispielsweise Gips bildet, kann es nicht in anorganischer Form in der Vakuole gespeichert werden, sondern wird in organischen Molekülen fest-gelegt.

Phosphor ist das zentrale Element des Energiestoffwechsels und nimmt am Stoffwechsel als anorganisches Phosphat (H2PO4

-) teil. Phosphor kata-lysiert die Speicherung und die Übertragung der chemischen Energie durch den Auf- und Abbau von Polyphosphaten mit Adenosin. Auch in der Zelle liegt Phosphor auf seiner höchsten Oxidationsstufe vor und verbindet sich als PO4

3+ mit Kohlenhydraten zu einfachem Phosphatestern (C-O-P). Phos-phat ist wegen seiner geringen Löslichkeit im basischen Milieu, wo es als Calcium-Phosphat oder Apatit sowie im sauren Bereich als Aluminium-Phosphat oder Goethit vorliegt, an vielen Standorten ein Minimumfaktor für Pflanzen. Im Boden ist Phosphat zudem nur schwer löslich und wird im Gegensatz zum leicht löslichen Nitrat kaum ausgewaschen. Wo an Wur-

Page 219: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

206 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

zelhaaren Protonen oder organische Säuren ausgeschieden werden, kann Phosphat leichter gelöst werden. Eine solche primäre Phosphataufnahme sichern sich die Pflanzen, die über eine Mykorrhiza verfügen, oder auch die australischen und südafrikanischen Proteaceen mit ihren Proteoidwur-zeln. Nach der Aufnahme von Phosphorsäure wird diese umgehend an or-ganische Moleküle gebunden und damit gegen eine „Rücklösung“ ge-schützt. Der Transport erfolgt im Xylem. Der Phosphatbedarf für ein optimales Pflanzenwachstum liegt bei 0,3 bis 0,5 Prozent der pflanzlichen Trockenmasse.

Die basischen Kationen Kalium, Magnesium und Calcium sind essen-tielle Makronährstoffe, die jedoch nicht im Stoffwechsel umgesetzt wer-den, sondern bestimmte Reaktionen ermöglichen, den pH-Wert regulieren und den Wasserhaushalt der Zelle stabilisieren. Kalium ist ein wichtiger Bestandteil von Tonmineralen und dort reversibel gebunden. In den Pflan-zen hat es einen Anteil von 2 bis 5 Prozent des Trockengewichtes und fun-giert als wichtiges Osmotikum. In dieser Funktion wird es in den Vakuolen der Schließzellen der Stomata an- und abgereichert. Kalium formt im Cy-toplasma mit manchen Enzymen schwach gebundene Komplexe, wirkt mit bei der Bindung der Messenger-RNA an die Ribosomen und hat eine wich-tige funktionelle Bedeutung beim Phloemtransport. Kalium-Mangel redu-ziert das Pflanzenwachstum, da der Gewebeturgor gestört ist; der gestörte Wasserhaushalt äußert sich in Dürre- und Welkeerscheinungen besonders am Rande älterer Blätter, durch Vergilben von Nadeln oder Nadelabwurf.

Magnesium ist im Boden vor allem als austauschbares Kation Bestand-teil von primären und sekundären Mineralen, aus denen es durch Verwitte-rung freigesetzt wird. Die Aufnahme von Magnesium in die Pflanzen wird dabei stark durch Effekte der Ionenkonkurrenz beeinträchtigt. Wichtigster Antagonist für Magnesium ist Calcium. Aber auch Ammonium, Kalium, Mangan und selbst Wasserstoff-Ionen beeinflussen die Magnesiumauf-nahme. Die Funktion von Magnesium in der Pflanze beruht auf seiner Fä-higkeit, Ionenbindungen mit Phosphorgruppen einzugehen sowie zahlrei-che Komplexe zu binden oder zu stabilisieren. Seine metabolischen Funktionen sind vor allem Stabilisierung von Enzymen bei der Phosphat-umsetzung, wie Nitrogenase, ATPase, Phosphorylase, Regulation des Pro-tonengradienten im Stroma der Chloroplasten bei der ATP-Synthese sowie Osmoseregulation und pH-Regulation der Zelle als Antagonist zu Calcium und Kalium. Seine wichtigste Funktion ist aber seine strukturelle Bedeu-tung als Zentralatom von vier Pyrrolringen beim Aufbau des Chlorophylls. So führt Magnesiummangel bei den Pflanzen umgehend zu Chlorosen, Vergilbungen und Blattabwurf.

Calcium liegt in der Bodenlösung als Ca2+ vor, wobei wir „kalkarme“ und „kalkreiche“ Böden unterscheiden, bei denen das Calcium in der Form

Page 220: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.2 Pflanzenmineralstoffe 207

des Calciumcarbonats (CaCO3) im Boden vorliegt. Bei Kalkböden wird der pH-Wert durch die Lösung von Calciumcarbonat bei etwa pH 7 stabili-siert, wobei es praktisch unbegrenzt zur Verfügung steht. Wie E. D. Schul-ze et al. (2002) betonen, ist in kalkarmen Böden Calciumcarbonat auf Grund seiner hohen Löslichkeit und der geringen Witterungsstabilität schnell verbraucht, so dass das gelöste Calcium nach Auflösung des Car-bonats nur noch an den Austauschern festgelegt ist. Auch die Calcium-Aufnahme in die Wurzeln wird durch antagonistische „Ionenkonkurrenz“, besonders von Aluminium, beeinflusst. Die erfolgreiche Calcium-Aufnahme erfolgt deshalb zusammen mit Anionen, besonders Nitrat, im sauren Boden mit Sulfat. Calcium wird im Xylem transportiert und fehlt in Phloem, da dort wegen des vergleichsweise hohen pH-Wertes Calcium mit Phosphat zu unlöslichem Apatit reagieren würde. Deshalb wird Calcium nur in gebundener Form, beispielsweise in einer Calcium-Protein-Bindung, transportiert.

Calcium hat in pflanzlichen Zellwänden zusammen mit Magnesium eine vernetzende und stabilisierende Funktion. Es kommt in den Pflanzen ge-löst im Cytosol oder in den Vakuolen vor. In der Zellwand und in der Va-kuole wird Calcium in Verbindung mit Malat gespeichert, wobei Ausfäl-lungen als Calciumoxalat, Calciumsulfat oder Calciumcarbonat möglich sind. Es aktiviert unter anderem membrangebundene Enzyme, wie die ATPasen der Ionenkanäle, wirkt entquellend und wirkt beim Wasseraus-tritt aus den Cytoplasmen über Hydathoden beim Vorgang der Guttation. Calcium ist in den Zellwänden ein wichtiger Bestandteil der Mittellamel-len. Calcium-Mangel zeigt sich durch Aufweichen und Verfärben der Zell-wand, beginnend an den jüngsten Blättern. Ferner tritt Kleinzelligkeit im Blattgewebe auf, da das meristematische Teilungswachstum gestört ist. Schließlich verlieren die Membranen ihre Selektivität der Ionenaufnahme.

Die in der Tabelle 8.6 verzeichneten Spurenelemente gelten als katio-nische Mikronährstoffe. Sie sind für verschiedene Stoffwechselvorgänge der Pflanzen notwendig. Diese stets nur in Spuren notwendigen Elemente haben in der Regel katalytische Funktionen als essentielle Co-Faktoren von Enzymen. Viele Enzyme enthalten ein oder mehrere Metallionen als fest eingebaute Komponenten ihres aktiven Zentrums, beispielsweise Zink als Zn2+ in Lactat- und Alkoholdehydrogenase, Kupfer als Cu2+ in ver-schiedenen Ascorbat- und Phenoloxidasen, Molybdän zusammen mit Ei-sen in der Nitratreduktase.

Wenn beispielsweise nach hohen Niederschlägen, bei hohen pH-Werten in Kalkböden oder nach längerer Trockenheit der weit verbreitete Mangel an Bor auftritt, führt dies zum Absterben von Knospen und zur Verkür-zung von Internodien, da dieses Spurenelement wegen seiner Bindung an Ribose direkt in die DNA- und RNA-Synthesen eingreift und schließlich

Page 221: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

208 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Zellwand- und Membranfunktionen beeinträchtigt. Die metabolische Funktion von BO3

3- spielt offenbar zusätzlich eine noch nicht ganz ver-standene Rolle bei der Regulation des Kohlenhydrat- und Phenolstoff-wechsels.

8.3 Lichtwirkungen

Die Lichtversorgung einer Pflanze zur Photosynthese wird durch die ge-nannte Relative Beleuchtungsstärke als Quotient aus Lichtstärke am Wuchsort und der Lichtstärke des vollen Tageslichts ausgedrückt, wie es W. Larcher (1994) formuliert (vgl. Kap. 2). Sie ist unter anderem vom Blattflächenindex (Leaf Area Index, LAI) als Maßzahl für die Belaubung der Pflanzendecke abhängig. Er gibt an, wie groß die Oberfläche sämtli-cher Blätter der Pflanzen über einer bestimmten Bodenfläche ist. Auch die Lichtverteilung in mehrstöckigen Vegetationsbeständen, wie in einem Wald oder einer Wiese, sind davon abhängig (Abb. 8.3).

Abb. 8.3. Lichtverteilung in einem stockwerkartig aufgebauten Laub-Nadel-Mischwald (links) und in einer Hochgraswiese (rechts). Die Zahlen geben die Pro-zentwerte der an der Bestandsoberfläche einfallenden kurzwelligen Einstrahlung wieder. Die roten Kurven kennzeichnen den Temperaturverlauf in den Pflanzen-beständen, die ebenfalls den Strahlungsgang widerspiegeln. Während in einem mehrschichtigen Wald der maximale Strahlungseintrag im oberen Kronenraum liegt, verteilt er sich in einer Wiese auf 0,1 bis 1 Meter Höhe. In vegetationsarmen Formationen oder in Wüsten findet der gesamte Strahlungsaustausch am Erdboden statt mit hoher Tageserwärmung und hoher nächtlicher Ausstrahlung. (nach Klink 1998, Larcher 1994 und Gebhardt et al 2007 © Elsevier, München)

Page 222: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.3 Lichtwirkungen 209

Das Lichtbedürfnis einer einzelnen Art ist nicht an allen Standorten konstant, sondern kann je nach den unterschiedlichen Standortverhältnis-sen sehr variabel sein. Es ändert sich in der Regel: • mit der geographischen Breite unter Berücksichtigung der umgekehrten

Proportionalität zwischen Lichtbedürfnis und Temperatur. Je ungünsti-ger die Temperaturbedingungen für die einzelnen Arten werden, umso lichtbedürftiger werden sie. Das bedeutet beispielsweise für mitteleuro-päische Arten, dass sie immer weniger Schatten ertragen, je weiter sie nach Norden ausstrahlen. Umgekehrt sind solche Arten in wärmeren Gebieten weniger lichtbedürftig.

• mit der Höhe über dem Meer unter dem Einfluss der Temperatur.

• mit den Ernährungsbedingungen der Pflanze. Das Lichtbedürfnis liegt bei schlechten Ernährungsbedingungen höher als bei guten. Wälder auf mageren Böden weisen zum Beispiel einen wesentlich schlechteren Kronenschuss auf als vergleichbare Wälder auf guten Böden. Unter na-türlichen Bedingungen ist der schlechte Kronenschuss ein Zeichen für größere Lichtbedürftigkeit.

Bezüglich ihrer Lichtansprüche kann man die Pflanzen nach H. Wiesner u. J. Claus (1985) in verschiedene Gruppen einteilen: Die Sonnenpflanzen der Offenstandorte und die Lichtblätter von Laubbäumen im oberen Kro-nenbereich des Waldes (Abb. 8.4) verbindet ein größerer Blattquerschnitt für effektivere Nutzung der Strahlung und eine verstärkte Cuticula zur Verminderung der cuticulären Transpiration. Demgegenüber kommen die Schattenpflanzen beziehungsweise die Schattenblätter in den unteren Vegetationsschichten oder im Inneren des Waldes mit teilweise weniger als zwei Prozent des vollen Sonnenlichtes aus. Auf diese speziellen Anpas-sungen der Pflanzen gehen wir in Kapitel 9 detaillierter ein.

Abb. 8.4. Blick auf das Kronendach eines Buchenwaldes im Nationalpark Hainich. Die sonnenexponierten Blätter der Eschen und Buchen (Detail) sind insgesamt klei-ner gestaltet und weisen eine starke Cuti-nisierung auf

Page 223: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

210 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Diese Einteilung stimmt zwar grundsätzlich, doch ist mit der Einstufung einzelner Arten in diese Kategorien Vorsicht geboten. Starklichtpflanzen sind zwar Arten, die einen vollen Lichtgenuss an unbeschatteten Standor-ten, wie in Wüsten, Steppen und im Hochgebirge, genießen. Das heißt aber nicht, dass für solche Pflanzen unbedingt die starken Lichtintensitäten notwendig wären. Deshalb sollte besser davon gesprochen werden, dass die Starklichtpflanzen an Starklichtstandorten wachsen können. Viele die-ser Arten sind auf extreme Standorte angewiesen, weil sie an günstigeren Standorten dem Wettbewerb konkurrenzkräftigerer Arten nicht gewachsen sind. Es wäre in diesem Sinne also falsch anzunehmen, dass diese Pflanzen eine leichte Beschattung nicht vertragen könnten.

Gleiches trifft auf die Schwachlichtpflanzen zu, die noch bei vollem Tageslicht wachsen und zudem eine gewisse Schattenwirkung vertragen können. Dazu gehören beispielsweise Segetal- und Ruderalpflanzen, Wie-senpflanzen und Röhrichtpflanzen (Tabelle 8.7).

Tabelle 8.7. Schwachlichtpflanzen nach Messungen des Lichteinfalls in Prozent am Standort

Segetal- und Ruderalpflanzen Wiesenpflanzen

Matricaria discoidea 100 – 50 % Salvia pratensis 100 – 30 %

Lithospermum arvense 100 – 33 % Thymus serpyllum 100 – 25 %

Hordeum murinum 100 – 25 % Geranium pratense 100 – 17 %

Cardaria draba 100 – 10 % Colchicum autumnale 100 – 12 %

Unter Schattenpflanzen verstehen wir Arten, die niemals dem vollen

Tageslicht ausgesetzt sind, wie es in Schattholzwäldern, beispielsweise Buchenwäldern und Eschen-Ahorn-Schluchtwäldern, der Fall ist. Darin wachsen Waldpflanzen, wie Lathyrus vernus bei 33 bis 20 Prozent, Pre-

nanthes purpurea bei 10 bis 3 Prozent und Geranium robertianum bei 74 bis 4 Prozent Lichteinfall.

Unterschiede zwischen Sonnen- und Schattenblättern sind nicht nur auf die morphologisch-anatomische Ebene beschränkt, sondern berühren auch physiologische Parameter, wie Wasser- und Chlorophyllgehalt (Tabelle 8.8).

Der Lichtgenuss einer Art hängt von vielen Faktoren ab. Wenn Pflanzen das volle Tageslicht meiden, so hängt das in der Regel meist nicht unmit-telbar so sehr mit dem Licht zusammen. Es handelt sich also nicht in erster Linie um eine Lichtempfindlichkeit dieser Arten, sondern vielmehr um Störungen des Wasserhaushaltes an sonnigen Stellen. Die Pflanzen können auf Grund ihres morphologischen Aufbaus die Transpiration an extremen

Page 224: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.3 Lichtwirkungen 211

Lichtstandorten nicht genügend einschränken. Sie würden vertrocknen oder kümmerlich wachsen. Es handelt sich also auch hier wieder um kom-plexe Zusammenhänge, so dass wir besser von licht- oder schattenertra-

genden Arten sprechen. Alternativ könnte das Begriffspaar lichttolerant und schattentolerant verwendet werden.

Tabelle 8.8. Unterschiede zwischen Sonnen- und Schattenblättern von Fagus syl-

vatica (nach Lichtenthaler et al. 1981)

Charakter Sonnenblätter Schattenblätter

Dichte der Stomata (Zahl/mm²) 214 ± 26 144 ± 11

Blattdicke (µm) 185 ± 12 93 ± 5

Blattfläche (cm²) 29 ± 4 49 ± 7

Frischgewicht (g) 0,5 ± 0,1 0,4 ± 0,1

Trockengewicht (g) 0,24 ± 0,03 0,12 ± 0,02

Wassergehalt (% Frischgewicht) 53 ± 4 70 ± 5

Chlorophyll (mg/g Trockengewicht) 6,6 ± 2 16,1 ± 2

Chlorophyll auf Blattflächenbasis (mg/100 cm²)

5,5 ± 1,8 3,9 ± 0,4

Unmittelbar zum Lichthaushalt der Pflanze gehört auch das Lichtmini-

mum, das die Pflanze unbedingt zur Photosynthese braucht. Das Lichtmi-nimum bildet die so genannte Hungergrenze. Unterhalb davon ist die Stoffproduktion stark eingeschränkt, so dass es nicht mehr zur Ausbildung von Blüten und Früchten kommt. Solche sterilen Pflanzen findet man des Öfteren an stark schattigen Stellen.

Analog zu den Licht- und Schattenpflanzen lassen sich auch lichttole-rante und schattentolerante Pflanzengesellschaften unterscheiden. Lichtto-lerant sind viele einschichtige sowie die Oberschicht mehrschichtiger Pflanzengesellschaften. Als schattentolerant sind demgegenüber Pflanzen-gesellschaften der Felsklüfte und Höhlen, der nordexponierten Hänge so-wie allgemein die Unterschichten mehrschichtiger Pflanzengesellschaften zu bezeichnen. Wie sich bei pflanzensoziologischen Untersuchungen von Höhlen herausgestellt hat, findet dort je nach Lichtbedürfnis der Arten von außen nach innen eine typische Abstufung statt mit Abfolge der Evolution von Blütenpflanzen über Farne, Laubmoose und Lebermoose bis hin zu thallophytischen Algen und Cyanobakterien (Abb. 8.5).

In unseren am höchsten entwickelten Pflanzengesellschaften, den natür-lichen Wäldern, gehören allein die Arten der höheren Baumschicht zu den Lichtpflanzen. Alle darunter liegenden Schichten, wie Strauch- und Kraut-schicht, sind in der Regel zu den Schattenpflanzen zu stellen. Eine Aus-nahme machen hier aber unsere Edellaubwälder auf nährstoffreichen

Page 225: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

212 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Lehm- und Kalkböden, wie wir es am Beispiel der krautreichen Buchen-wälder in Abb. 4.1 gesehen haben. Hier ist in der Krautschicht sowohl eine Gruppe von Schattenpflanzen als auch von Lichtpflanzen vorhanden. Bei-de Gruppen lösen sich in der jahreszeitlichen Vegetationsfolge ab. Die Lichtpflanzen erscheinen schon Anfang April, und ihre Blüte- und Frukti-fikationsvorgänge schließen sie bei Belaubung der Bäume, im Mai, ab. In der schattenreichen, belaubten Periode des Sommers entwickeln sich dann am gleichen Ort die Schattenpflanzen. Durch diese zeitliche Anpassung an die jeweiligen Belaubungsverhältnisse der Bäume wird die Vegetationspe-riode in diesen höchstentwickelten Waldgesellschaften optimal ausgenutzt.

Abb. 8.5. Schistostega pennata ist ein 0,5 bis 1 Zentimeter großes akrokarpes Moos aus der Familie Schistostegaceae. Dieses Moos wird deshalb Leuchtmoos genannt, da es im Dunkeln zu leuchten scheint. Die Pflanzen besitzen ein ausdauerndes Protonema, welches linsenförmige oder rundliche Zellen enthält, deren Vakuolen einfallen-des Licht ähnlich einer Sammel-

linse auf die Chloroplasten fokussiert. Dies ist eine Anpassung an sehr dunkle Standorte von tiefen Felsspalten und Höhlen. Ein Teil des Lichtes wird von der gekrümmten Zellrückwand, ähnlich wie bei einem Katzenauge, reflektiert. Hier-durch scheinen die Moose bei bestimmten Lichtverhältnissen goldgrün zu leuch-ten. Es handelt sich dabei also um einen rein optischen Effekt

Auch eine Reihe von Epiphytengesellschaften fällt in diese Kategorie. Das zeigen nicht nur in den tropischen Regenwäldern die Epiphyten auf ih-ren „Trägerbäumen“ in günstiger Lichtexposition. Dies gilt sogar in unse-ren Buchenwäldern besonders für epiphytische Moose und Flechten, aber auch für Höhere Pflanzen, wie den Tüpfelfarn Polypodium vulgare (Abb. 8.6).

Kletterpflanzen oder Lianen klimmen mit dünnen Stengeln an anderen Gewächsen, aber auch an Felsen empor und bringen auf diese Weise ihr Laub, ohne selber kräftige, tragende Stämme zu entwickeln, auf dem kür-zesten Wege aus dem Waldesschatten und vom Erdboden empor an das Sonnenlicht.

Der tages- und jahreszeitlichen Lichtverteilung in unseren mitteleuropä-ischen Laubwäldern sind auch die Frühjahrsgeophyten , die wir im Kapitel 4 und in Abb. 4.11 kennen gelernt haben, bestens angepasst, da sie im zei-tigen Frühjahr unter Ausnutzung des vollen Sonnenlichtes bei der ersten Bodenerwärmung vor der Laubentfaltung der Bäume blühen und fruchten.

Page 226: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.3 Lichtwirkungen 213

Auch die Vegetationsdynamik eines Waldes wird vom Lichteinfall ge-steuert: Sukzessionen beginnen mit lichtliebenden Pionierpflanzen, wäh-rend die Folge- und Schlussstadien aus Schattholzarten aufgebaut sind. In unseren Buchenwäldern sind die Keimlinge der frostempfindlichen Bu-chen (Fagus sylvatica) und Eichen (Quercus robur) schattentolerant; das bedeutet, sie keimen auf dunklem Waldboden im Schatten von Vorwald-stadien, meist aus Holunder (Sambucus nigra, Sambucus racemosa), Eber-esche (Sorbus aucuparia) und Esche (Fraxinus excelsior), sind so bis in die ersten Jahre ihres Lebens vor den gefährlichen Spätfrösten geschützt. Sie überwuchern später die Vorwaldbäume und dunkeln sie aus, um schließlich als adulte Bäume mit Sonnenblättern und Schattenblättern das gesamte Licht auszunutzen und nahezu monodominante Bestände aufzu-bauen.

Abb. 8.6. Nur in alten Bann- und Hudewäldern wachsen Moose und Farne zusammen mit dem Tüpfelfarn Polypodium

vulgare auf alten Eichenstäm-men

Bezüglich des Lichteinflusses auf das Wachstum und die Entwicklung

der Pflanzen seien noch zwei weitere für die Vegetation sehr wesentliche Erscheinungen erwähnt. Beim Photoperiodismus handelt es sich um die Anpassung des Lichtgenusses der Pflanzen an die Tageslänge. Auf den Photoperiodismus ist man erst aufmerksam geworden, als man Pflanzen aus ihrer ursprünglichen Heimat in Gebiete mit anderen Tageslängen brachte. Ökologisch ist darüber noch nicht viel erarbeitet worden, jedoch wissen wir, dass wir diesbezüglich Arten, die eine solche Anpassung auf-weisen, von indifferenten Arten unterscheiden müssen. Bei den ersteren ist

Page 227: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

214 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

die Erscheinung der Langtag- und der Kurztagpflanzen charakteristisch. Kurztagpflanzen findet man verständlicherweise in erster Linie unter den tropischen Gewächsen, während Langtagpflanzen vorwiegend in Höheren Breiten vorkommen. Die kurzen Tage fallen ja hier in die ausgedehnte Winterzeit, in der die Vegetation ruht.

Die zweite Erscheinung betrifft die Besonderheiten unserer Hochge-

birgsflora, die sowohl durch stärkere Intensität des Lichtes als auch durch andere, von denen der Ebene abweichende Lichtqualitäten induziert wer-den. Wie wir bereits erfahren haben, steigt mit zunehmender Höhe die In-

tensität des Lichtes an. Es ändert sich gleichzeitig aber auch die Zusam-

mensetzung des Lichtes. Beim Durchgang durch die mit Wasserdampf und Staubteilchen geladene Atmosphäre werden die kurzwelligen ultravio-letten Strahlen von 400 bis 290 Mikrometer Wellenlänge viel stärker ge-schwächt als die langwellige Strahlung, zu der auch die Wärmestrahlung gehört. Die Verunreinigung ist in den unteren Luftschichten, also in der Ebene, wesentlich größer als in den Höhen der Hochgebirge. Deshalb zeigt das alpine Lichtklima infolge der reinen, staubarmen Atmosphäre mit stei-gender Höhe eine Zunahme der kurzwelligen Strahlung.

Abb. 8.7. Drei wichtige Lebensformtypen sind in den alpinen Rasengesellschaften aus Carex curvula und Sempervivum montanum als Anpassung an Strahlung und Trockenheit evolviert: Poikilohydre Moose und Flechten als austrocknungstole-rante Arten, tiefwurzelnde Höhere Pflanzen mit stomatärer Transpiration und was-serspeichernde Sukkulente mit CAM-Metabolismus

Page 228: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.4 Temperaturwirkungen 215

Welchen Einfluss übt nun das alpine Lichtklima auf den Habitus und die physiologische Leistung der Alpenpflanzen aus? Die Blätter vieler Alpen-pflanzen besitzen eine ausgesprochene Sonnenblattstruktur. Sie sind in-folge der Vermehrung des Palisadenparenchyms vielfach dicker als die Blätter der gleichen Art aus dem Tiefland. Fest steht weiterhin, dass viele Alpenpflanzen schon bei niedrigen Temperaturen, im Minimum schon bei minus 16 Grad Celsius zu assimilieren vermögen, Flechten sogar bei mi-nus 20 Grad Celsius, so dass sie auch unter der Schneedecke, sofern der Boden nicht stark gefroren ist, nicht zur vollkommenen Unterbrechung ih-rer Lebenstätigkeit gezwungen sind (Abb. 8.7).

Einen besonderen Einfluss übt das alpine Lichtklima, insbesondere der Reichtum an ultravioletten Strahlen, auf die Hemmung des Längenwachs-tums aus, indem der kurzwellige, ultraviolette Strahlungsbereich das Stre-ckungswachstum der Zellen und Organe hemmt. Alle Pflanzen der hochal-pinen Region zeichnen sich daher durch einen so genannten Nanismus aus. Der Zwergwuchs ist also nicht nur eine ausschließliche Anpassung an die tiefen Temperaturen allein, um den Schneeschutz ausnutzen zu können, sondern auch durch das ultraviolette Strahlungsklima bedingt. Es gibt also eine Komplexwirkung von Temperatur und Licht in gleichsinniger Rich-tung. Wir unterscheiden den induzierten Nanismus bei solchen Alpen-pflanzen, wo die „alpine Tracht“ verloren geht. Denken wir zum Beispiel an das Edelweiß Leontopodium alpinum, das in der Ebene zu einer lang-stieligen Pflanze wird und zudem noch das dicke Wollkleid zum Tempera-tur- und Strahlungsschutz verliert. Aber nicht alle hochalpinen Pflanzen verlieren bei der Kultur in der Ebene ihren Nanismus, obwohl ihnen dort das ultraviolette Licht und niedrige Temperaturen fehlen. Bei der Form des erblichen Nanismus handelt es sich um einen Zwergwuchs, der auch in der Ebene beibehalten wird. Beispiele dafür sind in Abb. 8.8 zusammenge-stellt.

8.4 Temperaturwirkungen

Durch die Temperaturen wird vor allem die Vegetationszeit eines Gebie-tes bestimmt. Die Länge der Vegetationszeit mit ihren hellen Tagen hat insbesondere in den temperaten, borealen und arktischen Breiten eine sehr große Bedeutung für die Pflanzen. Unter Vegetationszeit verstehen wir die Jahresperiode, die ein Wachstum der Pflanzen ermöglicht. Die Ansprüche können bei den einzelnen Pflanzen sehr unterschiedlich sein, wie wir das schon an den verschiedenen Blühzeiten einzelner Arten sehen können (Ta-belle 8.9).

Page 229: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

216 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Abb. 8.8a-l. Pflanzen mit erblichem Nanismus. a Dryas octopetala, b Saxifraga

muscoides, c Saxifraga oppositifolia, d Potentilla nitida, e Silene elisabethae, f Campanula cenisia, g Silene acaulis, h Silene exscapa, i Salix reticulata, j Gen-

tiana schleicheri, k Gentiana verna, l Gentiana clusii

Page 230: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.4 Temperaturwirkungen 217

Tabelle 8.9. Beginn der Vegetationszeit in Mitteleuropa

Einsetzen der Blüte von bei Tagesmitteltemperaturen

von mindestens

Hasel (Corylus avellana) 2 °C

Mandel (Amygdalus communis) 6,2 °C

Aprikose (Prunus armeniaca) 8,8 °C

Birne (Pyrus communis) 10,5 °C

Apfel (Malus domestica) 11,5 °C

Aus der Tabelle 8.9 ist bereits zu entnehmen, dass es keine generelle

Vegetationszeit gibt, die für alle Pflanzen Gültigkeit hat. Selbst innerhalb einer Wärmezone sind die Vegetationszeiten der Pflanzen verschieden. Dennoch definieren wir eine Vegetationszeit in den temperaten Laubwald-zonen vom Zeitpunkt des Ergrünens bis zur Laubverfärbung: Das Ergrü-nen von Holzpflanzen und die Stoffproduktion setzen damit in Mitteleuro-pa erst dann wirklich ein, wenn die Tagesmittel der Temperaturen durchschnittlich 5 Grad Celsius erreichen. Ein Abschluss der Assimilati-onstätigkeit tritt im Herbst danach bei der Blattverfärbung ein, ebenfalls bei Tagesmitteln von rund 5 Grad Celsius. Deshalb rechnet man als Hauptvegetationszeit in den gemäßigten Zonen die Jahreszeit mit Tages-mitteln über 5 Grad Celsius.

Die Vegetationszeiten ändern sich also mit der geographischen Breite: Bereits im Etesienklima, also im Mittelmeerbereich, ist die Vegetations-zeit, abgesehen von extremen Trockenheiten, schon wesentlich länger als in Mitteleuropa. Wir haben hier bei den Immergrünen zwar eine Stockung des Wachstums in den ausgesprochenen Wintermonaten zu verzeichnen, jedoch können auf Grund der Tatsache, dass die Temperaturen im Allge-meinen nicht unter null Grad absinken, die Früchte verschiedener Wild- und Kulturpflanzen das ganze Jahr hindurch ausreifen. Es gibt die Erschei-nung, das vorjährige, reife Früchte und Blüten zu gleicher Zeit im Frühjahr auf einer Pflanze anzutreffen sind, wie bei Orangen, Zitronen und beim Erdbeerbaum Arbutus (Abb. 8.9).

In den tropischen und subtropischen Breiten tritt abgesehen von der Äquatorialzone - die eine ganzjährliche Vegetationsperiode aufweist - eine Stockung des Wachstums zu den Trockenzeiten ein. Die Unterbrechung der Vegetationszeit hat hier also andere Gründe als in den anderen Zono-biomen der Erde.

Eine zunehmende Verkürzung der Vegetationszeit zeigt sich auf der Nordhemisphäre an Nordhängen und mit steigender Höhenlage in den Ge-birgen. In Höhen von 3000 Metern und darüber hinaus haben wir in den Alpen oft nur noch Vegetationszeiten, die nicht mehr als einen oder zwei

Page 231: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

218 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Abb. 8.9. Arbutus canariensis ist ein endemischer Baum des trockenen Lorbeer-waldes (Monteverde seco) auf den Kanarischen Inseln

Box 8.1. Reproduktionszyklus des mediterranen Erdbeerbaums Arbutus

Die Arbutus-Arten aus der Familie Ericaceae haben einen ganz speziellen Reproduktionszyklus: vom Beginn der Knospenbildung bis zur Fruchtreife vergehen fast 22 Monate. Dabei werden im März/April die Knospen und die Blütenrispen angelegt, die weißen Blüten erscheinen jedoch erst im Oktober und blühen bis Ende Januar/Anfang Februar. Wenn der Sommer aber zu tro-cken war, werden die Knospen und Blütentriebe vor der Blüte abgeworfen; so reguliert die Pflanze selbst ihre Fruchtproduktion. Wenn nach der Blüte und nach der Pollination die Fruchtreife während des Winters oder im zeiti-gen Frühling (Oktober bis Februar) erfolgt, ist also genügend Feuchtigkeit und eine ausreichende Zahl von Früchten vorhanden, die dann alle reifen können, so dass möglichst wenige davon im Sommer verlorengehen. Das Re-genwasser des Winters und des Frühlings kann so vorwiegend für die vegeta-tiven Aktivitäten der Pflanzen genutzt werden, während im Sommer und vor allem im Herbst, wenn die Tage kürzer werden und die Photosyntheseaktivi-tät nachlässt, der Großteil des verfügbaren Wassers für die Fruchtreife be-nutzt werden kann. Im Herbst und Frühwinter sind die Früchte reif, so dass neue Blüten und reife Früchte des Vorjahres gleichzeitig an der Pflanze zu sehen sind. Die Samen werden im Frühling verbreitet, wenn die Temperatu-ren nicht zu hoch sind, der Boden noch feucht ist und die Tage schon lang genug sind, um ein schnelles Wachstum der Keimlinge zu gewährleisten, da das geringe Endosperm der Samen als Reserve nicht lange vorhält.

Page 232: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.4 Temperaturwirkungen 219

Monate umfassen. Diese Verkürzung wird sowohl durch Frost bedingt als auch durch lange Schneebedeckung. Das erfordert eine Anpassung aller alpinen Pflanzen an diese Bedingungen. Eine Reihe davon überwintert mit grünen Blättern, die dann sofort nach der Schneeschmelze assimilieren können, wie wir es bei zahlreichen Ericaceen, zum Beispiel Rhododen-

dron, Empetrum und Loiseleuria sehen. Sehr viele Alpenpflanzen bilden die Blütenknospen schon im Jahr vorher aus, der Gletscherhahnenfuß (Ra-

nunculus glacialis) als Nivalpflanze gilt hier als Paradebeispiel (Abb. 8.10).

Abb. 8.10. Der Gletscherhahnenfuß Ranuncu-

lus glacialis gilt als höchstaufsteigende Blüten-pflanze der Alpen. Diese Pflanze ist optimal angepasst, denn sie erträgt die Auswirkung der Schneebedeckung in normalen Wintern mit achtmonatiger Schneedecke sowie in Sommern mit bleibender Schneedecke

Vor allem durch die langjährigen Forschungen von W. Moser et al. (1977) am Hohen Nebelkogel (3184 m) in den Ötztaler Alpen sind wir gut über die Lebensvorgänge im Hochgebirge unterrichtet: Im Reich des Glet-scherhahnenfußes dauert die Vegetationsentwicklung je nach Witterung und Standort etwa 3 Monate. Sie wird immer wieder von Kaltlufteinbrü-chen mit Schneefall und Frost unterbrochen, so dass die von Pflanzen nutzbare Vegetationszeit nur zwischen etwa 30 und 70 Tagen beträgt. Da der Gletscherhahnenfuß in seiner Wachstumsphase recht frostempfindlich ist und dann nur Temperaturen bis minus 6 Grad Celsius erträgt, überlebt er solche Wetterstürze im Sommer nur in windgeschützten Lagen unter Schneeschutz. Bei Strahlungswetter können sich seine Blätter aber um bis zu über 20 Grad Celsius über die Lufttemperatur erwärmen, so dass hier extreme Temperaturschwankungen in kürzester Zeit möglich sind. Norma-lerweise beginnt Ranunculus glacialis nach dem Austrieb zwischen An-fang Juni und Anfang August seine Knospen zu entfalten, die Blätter wachsen und die schon ein bis zwei Jahre vorher angelegten Blüten öffnen sich. Wenn die Schneedecke länger bleibt, ist die Blühbildung verzögert. Der Gletscherhahnenfuß überlebt sogar eine über zwei Sommer andauern-de Schneedecke und kann sogar länger als 32 Monate unter Schnee seine Blühfähigkeit erhalten, wie H. Reisigl u. R. Keller (1987) betonen.

Page 233: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

220 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Andere Pflanzen verlängern die Vegetationsperiode dadurch, dass sie das Ausreifen der Samen, das die eigentliche Vegetationsperiode ab-schließt, in den Winter hinein verlegen. Solche Wintersteher säen dann den Samen auf Schnee aus. Sie sind alle Frostkeimer, das heißt, ein Durch-frieren des Samens ist für ihre Keimfähigkeit notwendig. Wieder andere Pflanzen beschreiten einen ganz eigenartigen Weg: Sie sind „pseudo-lebendgebärende“ Pflanzen im übertragenen Sinne. Als Beispiel sei hier Poa alpina var. vivipara, das Alpen-Rispengras genannt (Abb. 8.11). An den Rispen bilden sich Brutknospen aus, die zu einer voll entwickelten kleinen Pflanze mit Blättchen und einer kleinen Wurzel auswachsen. Diese Miniaturpflänzchen fallen ab und wurzeln sich noch vor Einbruch des Winters fest. Ähnlich verhält sich der „lebendgebärende Knöterich“ Poly-

gonum viviparum.

Abb. 8.11. In der alpinen Höhenstufe, wie hier am Timmelsjoch in den Ötztaler Alpen (2474 m), wachsen alpine Rasengesellschaften mit an kurze Vegetationszei-ten angepassten Arten, die unter anderem vivipar sein können, wie Poa alpina var. vivipara (Detail)

Tiefe Temperaturen können eine stark negativ auslösende Wirkung auf die Vegetation ausüben, und aus diesem Grunde sind auch die absoluten Temperaturminima eines Gebietes von großer Bedeutung.

Während der kalten Jahreszeit befinden sich die meisten Pflanzen im Ruhezustand. Doch sind bei vielen Pflanzen auch im Ruhezustand extreme

Page 234: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.4 Temperaturwirkungen 221

Minustemperaturen nicht unwichtig. Die Empfindlichkeit gegenüber sol-chen Temperaturen ist bei den einzelnen Pflanzenarten sehr verschieden und eine Einteilung bezüglich der Frostempfindlichkeit sieht so aus:

• Pflanzen, die schon bei Temperaturen leicht über null Grad Celsius ge-tötet oder geschädigt werden. Dazu gehören viele tropische Gewächse.

• Pflanzen, die erst bei Temperaturen unter null Grad Celsius geschädigt werden. Dabei handelt es sich meist um wasserhaltige Pflanzen oder Pflanzenteile mit niedrigem osmotischen Wert. Spätfröste haben auf saf-tige Jungtriebe und Blätter verheerende Auswirkungen.

• Pflanzen, die mehr oder weniger tiefe Temperaturen unter null Grad Celsius ohne Schaden vertragen können. Am sibirischen Kältepol bei Oimekon am Baikalsee halten zum Beispiel immergrüne Nadelbäume, wie Larix- und Pinus-Arten, Temperaturen bis zu minus 70 Grad Celsi-us aus.

Die Fähigkeit, tiefe Temperaturen ohne Schaden zu ertragen, bezeichnet man als Frosthärte. Die Frosthärte einer Pflanze bleibt nicht über das ganze Jahr hindurch gleich, sondern sie unterliegt oft großen Schwankun-gen. Die Frosthärte ist in den Sommermonaten, wie man experimentell be-legen kann, gering. Sie nimmt im Herbst rasch zu und beginnt im Spätwin-ter wieder abzuklingen. Für die Änderung der Frosthärte sind als auslösende Reize die Änderungen der Außentemperaturen und der Tages-längen maßgebend. Eine wesentliche Bedeutung kommt wohl den Tempe-raturänderungen zu. Die Zunahme der Frosthärte im Herbst ist nichts ande-res als ein Abhärtungsvorgang, bedingt durch die ersten kühlen Tage und Nächte, bei dem kryoprotektive Stoffe, häufig Zucker oder Zuckerderivate, ferner verschiedene organische Säuren, einige Aminosäuren und spezifi-sche Proteine gebildet werden. Diese Angaben über die wechselnde Frost-härte einer Pflanze zu den verschiedenen Jahreszeiten zeigen, dass starke Fröste die Vegetation mitten im Winter nicht so sehr gefährden. Die größte Gefahr besteht im Vorfrühling, wenn durch vorübergehende warme Witte-rung oder starke Bestrahlung die Pflanzen leicht enthärtet werden und dar-auf ein plötzlicher Kälteeinbruch erfolgt. Als häufige Ursache der Frost-schädigung ist heute für eine große Zahl von Pflanzen experimentell erwiesen, dass eine amorphe Eisbildung in den Interzellularen erfolgt, die eine Entwässerung der lebenden Zellen zur Folge hat. Dabei werden die Biomembranen irreversibel zerstört, was rasch den Eistod bewirken kann.

Eine andere Art der Schädigung von Pflanzen durch tiefe Temperaturen ist die Frosttrocknis. Die Frosttrocknis ist oft das, was wir gemeinhin als Erfrieren bezeichnen, dabei hat sie im Grunde mit Erfrieren nichts zu tun. Sie ist ein regelrechtes Vertrocknen der Pflanzen, das durch Gefrieren des Bodens und die damit verursachte Unterbindung des Wassernachschubs

Page 235: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

222 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

zustande kommt. Der Wasserverbrauch der Pflanzen ist auch im Winter nicht ganz eingestellt. Ein Wassernachschub ist infolge des eingefrorenen Wurzelwerkes aber nicht mehr möglich, und daher kommt es zu Trocken-schäden an den oberirdischen Pflanzenteilen oder im schlimmsten Falle sogar zum Vertrocknungstod. Besonders gefährdet sind die Pflanzen, wenn sonnige Witterung und zugleich gefrorener Boden vorherrschen. Die ober-irdischen Pflanzenteile weisen dann starke Übertemperaturen auf, weshalb Photosynthese und Transpiration oft schon früh, manchmal zu früh, einset-zen.

8.5 Hitzewirkungen

Besonders interessante Lebensräume wurden erst vor wenigen Jahren in der Tiefsee entdeckt: Es sind hydrothermale submarine Quellsysteme an den Mittelozeanischen Rücken im Bereich von Plattengrenzen der Erd-kruste. Hier werden in „Smokers“ aus schlotähnlichen Gebilden minerali-sches, vor allem sulfidreiches warmes oder heißes Wasser freigesetzt, wie es J. F. Grassle (1991) und C. L. van Dover (2000) beschreiben. An sol-chen Stellen bilden sich bislang unbekannte neue Lebensgemeinschaften aus Protozoen, Bakterien und Tiefseetieren. Die Primärproduktion wird hier durch Chemosynthese bewerkstelligt; chemoautotrophe Archaea und Bakterien nutzen die energetisch bedeutsamen Schwefelverbindungen zur Primärproduktion auf der Basis, den Schwefelwasserstoff (H2S), der aus den untermeerischen Kaminen tritt, zu elementarem Schwefel und Sulfaten zu oxidieren. Mit Hilfe der durch diese Oxidation gewonnenen Energie wird danach CO2 in organische Verbindungen eingebaut.

Auch an terrestrischen Thermalquellen oder an anderen geothermisch aktiven Orten, wo heißes Wasser, Dämpfe oder Schlämme an die Erdober-fläche gelangen, gibt es solche Extremlebensräume. Berühmt sind hier die Solfatare und Fumarolen, wo Schwefel sichtbar auskristallisiert wird oder wo heiße Dämpfe aus Erdspalten oder Vulkanschloten entweichen. Schwefelhaltig sind normalerweise Gase in einem aktiven Vulkan, die wir am deutlichsten mit unseren Sinnen wahrnehmen können, sei es am ste-chenden Geruch von Schwefeldioxid (SO2), an dem von faulen Eiern des Schwefelwasserstoffs (H2S) oder anhand der Ablagerungen und Konkreti-onen von reinem Schwefel, wie wir es in Kapitel 2 und in Abb. 2.8 schon vorgestellt haben. Hier entstehen ganz eigene Lebensräume, die oftmals stammesgeschichtlich sehr alte Organismen beherbergen und vielfach so-gar in der räumlich angrenzenden Anordnung von Archaea, Bakterien, Mikroorganismen, Moosen, Flechten, Sporen- und Samenpflanzen gestaf-felt zoniert weg vom heißen Schlot sogar das zeitliche Spektrum der biolo-

Page 236: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.5 Hitzewirkungen 223

gischen Evolution widerspiegeln (Abb. 8.12). Auch in Fumarolen sind Schwefelwasserstoff und elementarer Schwefel (S2) nach Schwefeldioxid die volumetrisch wichtigsten Komponenten. Hier können zusätzlich wich-tige Spurengase wie Kohlenoxidsulfid (COS) und Kohlenstoffdisulfid (CS2) im Gleichgewicht mit Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Koh-lenmonoxid (CO) akzessorisch auftreten.

Die meisten homoiohydren Höheren Pflanzen und Farne reagieren emp-findlich gegen hohe Temperaturen; von den poikilohydren Moosen und

Box 8.2. Pflanzen auf heißem Boden

Der „biologisch evolutive Zeitraffer“ an solchen vulkanischen Extremstand-orten, wie hier am Taupo-Vulkan in Neuseeland ist evident (vgl. Abb. 8.12): Archaea, die in ihrer äußeren Form bei sonst tiefgreifenden Unterschieden an Bakterien erinnern – und daher früher auch als Archaebakterien bezeichnet wurden – bilden aerobe und anaerobe, heterotrophe, schwefelabhängige und phototrophe Formen. Sie sind extrem thermo-, acido- und halophil und leben zum Inneren des Vulkanschlotes hin, gefolgt von Photosynthese betreibenden grünen oder grünblauen Cyanobakterien, Moosen, manchmal sogar einigen Flechten und einem „Miniaturwald“ von Lycopodium volubile, einem Vertre-ter der Bärlappgewächse. Hier verlassen wir den eigentlichen Geothermbe-reich und kommen in die angrenzende baumfreie Gebüschvegetation aus Ka-nuka (Kunzea ericoides), durchsetzt von den Farnen Gleichenia und Dicranopteris. Ähnliches finden wir in den Vulkangebieten vom Kilauea auf Hawai’i und an den Akan-Vulkanen auf der japanischen Insel Hokkaido. Nur die Moose, die weiteren Kryptogamen und die Blütenpflanzen ändern sich jeweils entsprechend der biogeographischen Regionen in solchen Zonie-rungsmustern an den vulkanischen Schloten. Am Akan konnten wir in einem Fumarolenfeld die Temperaturen in den hitzebeeinflussten natürlichen Moos- und Graspolstern messen: Bei 78 Grad Celsius Bodentemperatur wachsen niedrige Rasengesellschaften aus Fimbristylis dichotoma, Poaceae, und bei 45 Grad Celsius fanden wir höherwüchsige Bestände des Grases Miscanthus

sinensis, umgeben von dichten Moospolstern aus verschiedenen Sphagnum-Arten. Auch an den Gipfeln des Teide (3718 Meter), dem höchsten Vulkan der Kanarischen Inseln, gibt es Fumarolen und Solfatare. Dort fanden wir am 5.6.1995 in einer Höhe von 3650 Metern knapp unter dem Gipfel in einigen Fumarolen an feuchten und warmen Erdspalten im Geröll mehrere kleine Po-pulationen von Sagina procumbens, einer Caryophyllacee, vergesellschaftet mit Poa annua, verschiedenen polsterförmigen Moosen, wahrscheinlich aus den Gattungen Grimmia und Tortula, welche jedoch alle bis jetzt noch nicht genau bestimmt werden konnten, da sie auch in Kultur bislang steril geblie-ben sind. Unser Neufund, das Mastkraut Sagina procumbens, ist die derzeit am höchsten aufsteigende Blütenpflanze im Gipfelbereich des Teide und ge-deiht isotherm bei 37 Grad Celsius.

Page 237: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

224 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Abb. 8.12. Geothermalfeld nördlich von Taupo auf der Nordinsel Neuseelands. In der Entfernung von den heißen Vulkanschloten zeigt sich sehr schön das zeitliche Spektrum der biologischen Evolution. Im Detailfoto sieht man insbesondere den durch den Bärlapp Lycopodium volubile geprägten Aspekt

Flechten haben wir schon im vergangenen Kapitel über ihre Toleranz ge-gen Hitze erfahren. Einige C4-Gräser, wie die für die vulkanischen Akan-Thermalfelder genannten Vertreter der Gattungen Fimbristylis und Mis-

canthus ertragen Temperaturen von 50 Grad Celsius und darüber. Die Hit-zeresistenz ist jedoch im Allgemeinen auf Werte von 50 bis 55 Grad Cel-sius begrenzt. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang noch die extrem seltene endemische Seerose Nymphaea thermarum angeführt, die mit einer Population von etwa 100 Individuen von einer 34 Grad Celsius warmen Thermalquelle im südlichen Ruanda bekannt ist, von wo sie E. Fischer (1988) erstmals beschrieben hat. Das Gras Dichanthelium lanuginosum wächst an den heißesten Stellen des Yellowstone-Nationalparks in den USA. Bodentemperaturen von bis zu 65 Grad Celsius hält die Pflanze aus, was sie offenbar einer Symbiose mit einem Pilz verdankt, dessen Wir-kungsweise bislang allerdings unbekannt ist.

Page 238: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.6 Windwirkungen 225

8.6 Windwirkungen

Die Einwirkung des Windes ist neben der direkten mechanischen Wirkung darüber hinaus auch eine indirekte. Der Wind verändert nämlich die Inten-sität anderer Faktoren. So setzt zum Beispiel der Wind die Temperatur der Pflanzen bei starker Einstrahlung herab, indem er den Wärmeaustausch mit der umgebenden Luft begünstigt. Andererseits kann der Wind auch durch Aufwirbeln von überhitztem Staub die Lufttemperatur so erhöhen, dass ein Hitzetod eintreten kann. Das erleben wir in den Trockengebieten der Erde, vor allem in den heißen Wüsten. Die wesentlichste physiologi-sche Wirkung des Windes auf die Pflanzen ist aber die Steigerung der Transpiration. Damit zeigt er eine ähnliche Wirkung wie die Trockenheit. Ein leichter Wind begünstigt gegenüber Windstille hingegen die Heranfüh-rung von Kohlendioxid für die Photosynthese der Pflanzen.

Die direkte und indirekte mechanische Wirkung des Windes auf die Pflanzenwelt zeigt zum einen lebenswichtige Vorteile für die Pflanzen-welt, zum anderen aber auch große Nachteile. Zu den lebenswichtigen Einwirkungen zählt der Transport der Pollen anemogamer Pflanzen. Ne-ben dem Pollentransport ist für viele Pflanzen auch der Samentransport von sehr großer Bedeutung. Die Samen zahlreicher Arten sind sogar mit Flugeinrichtungen versehen, zum Beispiel bei Esche, Ahorn, Kiefer und anderen mit propellerartigen Anhängseln oder der Pappus bei den Astera-ceen als fallschirmartiges Gebilde. Die Pflanzen, deren Samen und Früchte durch den Wind verbreitet werden, bezeichnet man als anemochor. Die Anemochorie, die Ausbreitung von Diasporen durch Wind, ist essentiell für alle Sporenpflanzen und einige Pilze sowie für Pflanzen mit flugfähi-gen Samen und Früchten. Sehr auffällig ist die Verbreitung dieser anemo-choren Arten in den Hochgebirgen. Mit zunehmender Höhe steigert sich bekanntlich die Windwirkung, und angepasst daran nimmt auch die Zahl der anemochoren Arten rapide zu. Bezogen auf die Alpenflora haben wir etwa folgende prozentualen Anteile ermittelt:

• montane und subalpine Stufe etwa 41,3%,

• alpine Stufe etwa 52,4%,

• nivale Stufe etwa 62,5%.

Nachteilige Auswirkungen auf die Pflanzenwelt machen sich besonders in Gebieten mit starken Windwirkungen bemerkbar. Das ist unter anderem besonders im Flachland wie in Hochgebirgen der Fall, vor allem dann, wenn kein Baumwuchs vorhanden ist und somit die Reibung der Luft in Bodennähe verringert wird. Beispiele dafür sind Steppen und Wüstenge-biete, die Tundren der Arktis sowie windexponierte Stellen der Alpenmat-ten.

Page 239: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

226 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Auch an den Meeresküsten treten häufig sehr starke Winde auf, weil sich die Geschwindigkeit der Luftmassen auf dem Meer frei auswirken kann. Die Pflanzenwelt der Küstengebiete hat somit unter den vom Meer her kommenden Stürmen stark zu leiden, weniger stark allerdings die Pflanzen in unmittelbarer Bodennähe, weil hier die Windgeschwindigkeit deutlich gebremst wird. Zur Veranschaulichung zeigen wir ein Beispiel von Windmessungen, die wir an unterschiedlichen Tagen der Jahre 1990 bis 1996 in der Heide des Naturschutzgebietes „Heiliges Meer“ durchge-führt haben (Tabelle 8.10).

Tabelle 8.10. Windgeschwindigkeiten über Heideflächen

Höhe über Boden Windgeschwindigkeit

150 cm = freie Atmosphäre 4,7 - 5,1 m/s

40 cm = Höhe der Calluna-Spitzen 1,0 - 1,7 m/s

2 cm = zwischen Calluna vulgaris 0,007 - 0,009 m/s

Die bodennahen Pflanzen sind also selbst bei Sturm keinen hohen Windgeschwindigkeiten ausgesetzt. Das ist aber bei unserem Baumwuchs nicht mehr der Fall. Besonders einzeln stehende Bäume haben unter der Windwirkung stark zu leiden. Diese Tatsache äußert sich schon rein mor-phogenetisch in der Windschur, die solche Bäume erleiden. Die Krone ist fahnenartig nur an der abgekehrten Seite der Hauptwindrichtung ausgebil-det (vgl. Abb. 2.13 u. 2.14). Dazu setzt aber auch noch eine mechanische Deformation der Krone ein, indem Stücke der Blattlamina einfach abrei-ßen oder tiefe Risse im Blattgewebe zwischen den Blattnerven entstehen.

Auf starke Küstenwindeinwirkungen sind auch die bekannten Kratt-

wälder an der Nordsee zurückzuführen, die sich von den Küsten Schles-wig-Holsteins bis nach Norwegen hinauf erstrecken. Sie gleichen physio-gnomisch den windgeschorenen Wäldern Neuseelands, die wir in Abb. 2.13 gesehen haben. Es handelt sich dabei um eine windbedingte Form von Niederwäldern: Zum Kratt gehört also der Seewind. Seewärts zum Meere hin sind diese Wälder durch einen dichten Strauchgürtel abgeschirmt. Im Schutze des niedrigen Gebüsches können zur windabgekehrten Seite hin die Sträucher immer etwas höher wachsen, bis schließlich einige Bäume auftreten, die erst noch niedrig sind, landeinwärts jedoch normale Höhe er-reichen und nur deren Gipfel vom Sturm beeinflusst werden. Der Kratt-wald weist also somit im Profil eine deutliche Stromlinienform auf. Es ist vollkommen unmöglich, in einen solchen Krattwald von der Windseite aus

Page 240: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.6 Windwirkungen 227

einzudringen, da die Zweige eine dichte, geschlossene Wand bilden, über die der Sturm hinwegfegt.

Die Winderosion kann größere Ausmaße an den Sandstränden der Mee-resküsten annehmen. Der Sand stammt zumeist aus Ablagerungen am Meeresstrand. Er wird nahe der Bodenoberfläche weitergetrieben und an bestimmten Stellen zu Dünen aufgehäuft. Bei der Bildung unserer Küsten-dünen an Nord- und Ostsee ist neben dem Wind auch die Vegetation maß-gebend beteiligt. Stößt der Wind auf ein totes Hindernis, so wird die Wind-stärke im Lee abgeschwächt, und es kommt hier zu Sandablagerungen in Form von Sandschwänzen. Es wird so lange Sand angehäuft, bis die An-häufung die Höhe des Hindernisses erreicht. Darüber kann sie nicht hi-nauswachsen. Anders verhält sich der Fall, wenn das Hindernis mit zu-nehmender Sandablagerung immer höher wächst, was bei unseren Dünenpflanzen, vor allem bei den Hauptdünenbildnern, nämlich unseren Strandgräsern Strandweizen Elymus farctus, Strandhafer Ammophila are-

naria und Strandroggen Elymus arenarius, zutrifft, und wenn sich die ers-ten Embryonaldünen bilden (Abb. 8.13).

Abb. 8.13. Grashorste von Elymus farctus (vorne) und Elymus arenarius bilden durchlässige, elastische Hindernisse auf den Strandplaten. Hier wird der Sand nicht nur hinter dem Hindernis, sondern auch zum Teil in ihm selbst abgelagert, das heißt, der Grashorst wird teilweise verschüttet. Die Pflanze wächst aber durch den Sand wieder hindurch. Damit wird das Hindernis erhöht, und es kann neuer Sand abgelagert werden. Die Düne nimmt also aufgrund des Wachstums der Dü-nengräser immer mehr an Höhe zu. So entstehen am Meeresstrand Primärdünen

Page 241: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

228 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Als weitere Dünenbildner kommen, wenn auch untergeordnet, Cakile

maritima und Honckenya peploides vor, die einen relativ hohen Salzgehalt des Bodens vertragen können. Deshalb sind sie auch nahezu von jeder Konkurrenz bei der Bildung der Primärdünen ausgeschlossen, denn die Primärdünen werden ja in Strandnähe gebildet. Vor allem der Einfluss des Pflanzenwachstums ist für die Entstehung und die Bewegung von Wan-derdünen entscheidend. Pflanzen können ab einer bestimmten Besied-lungsdichte sichelförmige Dünen in parabelförmige umwandeln.

Ist die Primärdüne höher geworden, so wird sie immer mehr vom Re-genwasser ausgesüßt. Es siedeln sich dann bei einem Salzgehalt, der nicht mehr über 1% Salz hinausgeht, langsam andere Arten an, die zuerst wegen des höheren Salzgehaltes hier nicht gedeihen konnten. Solche Arten sind in der Hauptsache Ammophila arenaria und Elymus arenarius, die mit dem

Elymo-Ammophiletum eine eigene Pflanzengesellschaft bilden. Beide Dü-nengräser sind viel wüchsiger als der Strandweizen. Daher unterdrücken sie allmählich den Strandweizen und beherrschen bald die Düne. Bei die-sem neuen Wandel in der Vegetationsbedeckung sprechen wir von einer Sekundärdüne.

Im Gegensatz zur primären Strandweizendüne ist dies also eine Strand-haferdüne. Sobald die oberirdischen Teile des Strandhafers und der Strand-gerste zugeweht werden, tritt eine Streckung der Internodien an der Basis ein, und es wachsen neue Ausläufer steil aufwärts in den neu abgelagerten Sand hinein, so dass die Pflanzen immer wieder die Spitze der Dünen er-klimmen. Die Rhizome und Wurzeln dieser Dünengräser gehen oft über einen Meter in die Tiefe und wachsen mehrere Meter in horizontaler Rich-tung. Im Sommer verlängern sie sich sehr rasch, bis zu 10 Zentimetern pro Woche. Diese Sekundärdünen können auf den Nordseeinseln bis zu 20 Meter Höhe erreichen. Zunächst liegen die Sekundärdünen zerstreut hinter dem Strandgelände. Bei Sturmfluten werden sie aber vom Wasser ange-nagt, und das abgespülte Material wird zwischen den Dünen abgelagert. Somit entsteht ein zusammenhängender Dünenwall, an dem an der Luvsei-te neuer Sand durch den Wind angelagert wird (Abb. 8.14).

Bei weiteren Sandablagerungen am Strand rückt die Strandlinie zum Meer hin fort, während die Sekundärdünen weiter ins Binnenland rücken. Sie werden auch bei Sturmfluten nicht mehr vom Meerwasser überspült, und es kann damit eine vollkommene Aussüßung durch das Regenwasser einsetzen. Ebenfalls sind die Sandablagerungen hier in größerer Entfer-nung vom Strand nicht mehr nennenswert. Es siedeln sich jetzt Pflanzen an, die zunächst nur schwächere Übersandung ertragen können, wie Salix

repens oder Carex arenaria. Weiterhin, wenn keine Übersandungen mehr erfolgen, treten Pflanzengesellschaften auf, die auch auf unseren festgeleg-ten Binnensanddünen und Sandfeldern vorkommen. Artenbeispiele sind

Page 242: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.6 Windwirkungen 229

Abb. 8.14. Sekundärdüne mit Ammophila arenaria und Ammocalamagrostis bal-

tica auf der Nordseeinsel Langeoog

Abb. 8.15. Tertiärdünenlandschaft mit natürlichen Krähenbeerheiden aus Em-

petrum nigrum als erstes Altersstadium auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog

Page 243: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

230 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Corynephorus canescens, Carex arenaria, Calluna vulgaris und Hip-

pophae rhamnoides, den wir besonders aus Kapitel 7.4 kennen. Die Düne hat damit das Stadium der Tertiärdüne erreicht. Durch Abfall von totem Pflanzenmaterial wird der Oberboden zunehmend humoser. Die weiße Farbe der Primär- und Sekundärdünen, die durch laufende Übersandung zustande kam, wird hier zur grauen Farbe des humosen Bodens. Man spricht daher wohl auch von Graudünen (Abb. 8.15).

Abb. 8.16. Seewindgeschorener Eichenkratt mit Quercus petraea und Salix are-

naria im Populo-Quercetum auf der Nordseeinsel Spiekeroog

Im Bereich des Sanddorn-Gebüsches vollzieht sich normalerweise der Übergang von der Weißdüne zur Graudüne. Die Kriechweide Salix repens ist den Winden gegenüber unempfindlich; sie erklimmt daher auch die Dünenkuppen und kann dort die letzten Wehsande fangen und festlegen. Für Hippophae rhamnoides ist sie Wind- beziehungsweise Sandschutz. Der Sanddorn bleibt im Luv niedrig, wächst im Lee aber bis zu 2 Meter hoch. In der Altersphase des Sanddorn-Gebüsches kommen Straucharten hinzu, meistens der Holunder Sambucus nigra, der windfest genug ist, um an stickstoffreiche Stellen vorzudringen. Vor allem aber folgen dem Ely-

mo-Ammophiletum in der Sukzession typische Trockenrasen-Vegetation-seinheiten der sich anschließenden Graudünen, meist mit Silbergrasrasen vom Typ des Violo-Corynephoretum, auf die wir im Kapitel 10 noch ein-

Page 244: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

8.7 Literatur 231

mal zu sprechen kommen werden. Diese sind Ausgangsstadien für die Entwicklung der natürlichen Küstenheiden, vor allem aus Calluna vulgaris und Empetrum nigrum, die meistens mit den Trockenrasen mosaikartig verzahnt sind. Ihr endgültiges Verteilungsmuster in den Dünen ist jedoch mikroklimatisch bestimmt: Es gibt auffällige Unterschiede bei der Besied-lung von Nord- und Südexpositionen. Während das Violo-Corynephoretum seinen Schwerpunkt in Südlage hat, ist die Krähenbeerheide vom Typ des Hieracio-Empetretum bevorzugt auf Nordhängen verbreitet. Hierbei ma-chen die unterschiedlichen Wärme- und Feuchtigkeitsansprüche der Sil-bergrasrasen beziehungsweise der Krähenbeerheiden ein solches Vertei-lungsmuster verständlich.

Bei ungestörter Weiterentwicklung können sich auf den Dünen natürli-che windharte Birkenwälder oder vereinzelt sogar Pappel-Eichenwälder als windgeschorene Kratts ausbilden (Abb. 8.16). Graudünen und Braundünen bilden zusammen mit ihren Gebüschen und Dünenwäldern die Tertiärdü-nenlandschaft.

8.7 Literatur

Amberger A (1988) Pflanzenernährung. UTB. Ulmer, Stuttgart Buchanan BB, Gruissem, W, Jones R L (2002) Biochemistry & Molecular Biology of Plants. Am Soc of Plant Physi-

ologists, Rockville Campbell NA, Reece JB (2006) Biologie. 6. Aufl. Pearson Studium, München Boston San Francisco Crawford RMM, Palin MA (1981) Root respiration and temperature limits to the North-South distribution of four pe-

rennial maritime plants. Flora 171: 338-354 Dover CL van (2000) The Ecology of Deep-Sea Hydrothermal Vents. Princeton Univ Press, Princeton/NJ Fischer E (1988) Beiträge zur Flora Zentralafrikas I. Eine neue Nymphaea sowie ein neuer Streptocarpus aus Rwan-

da. Feddes Repert 99: 385-390 Frey W, Lösch R (2004) Lehrbuch der Geobotanik – Pflanzen und Vegetation in Raum und Zeit. Spektrum, Heidel-

berg Gebhardt H, Glasser R, Radtke U, Reiber P (2007): Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. Spek-

trum Elsevier , München Grassle JF (1991) Deep-sea benthic biodiversity. Bioscience 41: 461-469 Gurevitch J, Scheiner SM, Fox GA (2002) The Ecology of Plants. Sinauer, Sunderland/MA Klink, HJ (1998): Vegetationsgeographie. 3. Aufl. Westermann, Braunschweig Körner C (2003) Alpine Plant Life. Functional Plant Ecology of High Mountain Ecosystems. 2nd ed. Springer, Berlin

Heidelberg New York Lal R (1987) Tropical ecology and physical edaphology. Wiley, Chichester Lange OL, Lösch R, Schulze ED, Kappel L (1971) Responses of stomata to changes in humidity. Planta 100: 76-86 Larcher W (1994): Ökophysiologie der Pflanzen. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart Lichtenthaler HK, Buschmann C, Doll M, Fietz HJ, Bach T, Kozel U, Meier D, Rahmsdorf U (1981): Photosynthetic

activity, chloroplast ultrastructure and leaf characteristics of high-light and low-light plants and of sun and sha-de leaves. Phytosyn Res 2: 115-141

Marschner H (1985) Nährstoffdynamik in der Rhizosphäre. Ber Dtsch Bot Ges 98: 291-309 Marschner H (1995) Mineral nutrition of higher plants. 2nd ed. Academic Press, London San Diego Mengel K (1991) Ernährung und Stoffwechsel der Pflanze. Fischer, Jena Moser W, Brzoska W, Zachhuber K, Larcher W (1977) Ergebnisse des IBP-Projekts „Hoher Nebelkogel, 3184 m“.

Sitz Ber Österr Akad Ges Math Nat Kl Abt 1: 1-186 Nobel PS (1999) Physiochemical and Environmental Plant Physiology. Academic Press, New York Odum EP (1991) Prinzipien der Ökologie – Lebensräume, Stoffkreisläufe, Wachstumsgrenzen. Spektrum, Heidelberg Petersen J, Pott R (2005) Ostfriesische Inseln – Landschaft und Vegetation im Wandel. Textband + Kartenband.

Schlütersche, Hannover Pfadenhauer J (2001): Vegetationsökologie. Ein Skriptum. 2.Aufl. IHW, Eching

Page 245: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

232 8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben

Reisigl H, Keller R (1987) Alpenpflanzen im Lebensraum. Alpine Rasen, Schutt- und Felsvegetation. Fischer, Stutt-gart New York

Runge M (1973) Energieumsätze in den Biozönosen terrestrischer Ökosysteme. Scripta Geobot 4. Goltze, Göttingen Sakai A, Larcher W (1987) Frost survival of plants. Ecological Studies 67: 1-321 Schlee D (1992) Ökologische Biochemie. Fischer, Jena Schroeder D, Blum W (1992): Bodenkunde in Stichworten. 5. Aufl. Hirt, Berlin Stuttgart Schulze ED, Beck E, Müller-Hohenstein K (2002): Pflanzenökologie. Spektrum, Heidelberg, Berlin Schwintzer C, Tjepkema J (1990): The biology of Frankia and actinorhizal plants. Academic Press, San Diego Seymour RS (1997) Plants that warm themselves, Sci Americ 276: 104-109 Shea K, Roxbourgh SH, Rauschert ESJ (2004) Moving from pattern to process: coexistence mechanisms under inter-

mediate disturbance regimes. Ecol letters 7: 491-508 Tate RL (2000) Soil microbilogy. 2nd ed. Wiley, New York Tomsett AB, Thurmann DA (1988) Molecular biology of metal tolerance of plants. Plant Cell Environ 11,5: 393-394 Trepl L (1994) Geschichte der Ökologie vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. 2 Aufl, Beltz, Athenäum, Weinheim Turesson G (1922) The species and the variety on ecological units. Hereditas 3: 100-113 Walter H (1968) Die Vegetation der Erde in ökophysiologischer Betrachtung. Bd II: Die gemäßigten und arktischen

Zonen. Gustav Fischer, Jena Stuttgart Werner D (1987): Pflanzliche und mikrobielle Symbiosen. Thieme, Stuttgart Wiesner H, Claus J (1985) Stundenblätter Licht und Schatten. Klett, Stuttgart Zeller O (1951) Über die Assimilation und Atmung der Pflanze im Winter bei tiefen Temperaturen. Planta 39: 500-

526

Page 246: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9 Anpassungen der Pflanzen

Heteromorphie, Plastizität, Gestaltwandel und morphologisch-physio-logische Veränderungen sind offenbar eine notwendige biologische Vor-aussetzung für die Anpassungen von Pflanzen an sich ständig verändernde Umweltbedingungen, die ja unsere Erde kennzeichnen. Pflanzen haben sich im Laufe der Zeit vielfältig angepasst und manchmal sogar interessan-te Gestaltveränderungen hervorgebracht. Dimorphismus ist die Bezeich-nung für das regelmäßige Auftreten verschiedener Erscheinungsformen bei ein- und derselben Art; manchmal sehen die männlichen und weiblichen Pflanzen oder Blüten beziehungsweise die jungen und alten Formen der-selben Individuen verschieden aus. Gelegentlich kommt auch Saisondi-

morphismus vor, wobei es sich um das Auftreten einer nach Farbe und Form verschiedenen Frühjahrs- und Sommergeneration handelt. Das Phä-nomen der Heterophyllie finden wir bei den Unterwasser- und Schwimm-blattformen der Teichrose Nuphar lutea (Abb. 9.1).

Abb. 9.1. Dimorphismus und Heterophyllie am Beispiel der Teichrose Nuphar lu-

tea mit ihren typischen Unterwasser- (links) und Schwimmblättern (rechts). Die Teichrose bildet im Flachwasser dicke, ledrige, dunkelgrüne, epistomatische und wasserabscheidende Schwimmblätter sowie dünne, häutige, durchscheinende, blassgrüne, salatblattartige und kurzgestielte Unterwasserblätter, die am Rand ge-wellt sind. Die Ausbildung von Schwimm- und Unterwasserblättern ist ontogene-tisch festgelegt. Letztere zeigen eine Oberflächenvergrößerung der Blattlamina durch asynchrones Wachstum ihrer Intercostalfelder, die den „Salatblatt“-Habitus erzeugt. Die ehemaligen Stomata der Blattunterseite sind zu Hydropoten umge-wandelt, was eine zusätzliche Mineralstoffaufnahme über die Unterwasserblätter ermöglicht

Page 247: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

234 9 Anpassungen der Pflanzen

Mit Ausnahme der Phänomene Dimorphismus und Heterophyllie sind Variationen von Merkmalen innerhalb der Pflanzenarten kontinuierlich. Manchmal sind jedoch auch Verzweigungsmodi, Bedornung, Verästelung und die Blattgestalten einzelner Arten physiognomisch heteromorph und täuschen so unterschiedliche Pflanzensippen vor: Dieses Phänomen heißt Divarikation und ist für viele strauchige, meist sklerophylle Gehölzarten der Tropen und Subtropen bekannt. Gehäuft tritt es in Neuseeland auf, wo bei mehr als 60 Arten verschiedener Familien und Verwandtschaftskreise solche Verzweigungen und divergierenden Beblätterungen von Jungpflan-zen spezieller Gebüsche und kleiner Bäume verwirrend vielgestaltig sind. Beispiele sind etwa die völlig verschiedengestaltigen Juvenil- und Adult-formen von Pseudopanax ferox (Araliaceae) oder auch von Prumnopitys

taxifolia (Podocarpaceae) (Abb. 9.2 und 9.3 a).

Abb. 9.2. Pseudopanax ferox aus der Familie Araliaceae ist eine der auffälligsten divarikaten Ar-ten der Flora Neuseelands. Bei juvenilen Pflanzen hängen die bis zu 50 Zentimeter langen und 7 bis 15 Millimeter breiten Blätter von der Sprossspitze herab (links im Bild). Diese Blätter sind am Rande gewölbt und regelmäßig gezähnt. Das Juvenil-Stadium kann bis zu 20 Jahre andauern. Danach entwickelt die Pflanze ein stark verzweigtes Adultstadi-um mit viel kürzeren und mehr oder weniger abstehenden Blät-tern

Es gibt viele Überlegungen für eine solche Verschiedengestaltigkeit ge-rade innerhalb der neuseeländischen Flora. Eine Hypothese besagt, dass diese Pflanzen sich aus laubwerfenden und nur schwach hartlaubigen Ar-ten der Eiszeiten entwickelt haben könnten. Eine andere Hypothese vermu-tet, dass sich solche divarikaten Arten als beweidungsresistent gegen die großen Laufvögel, wie etwa die Moas, vor Ort entwickelt haben und nach

Page 248: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9 Anpassungen der Pflanzen 235

Ausrottung der Moas in den letzten Jahrhunderten heute ohne diesen Se-lektionsfaktor weiterleben. Das würde auch die starke Bedornung des Strauches Melicytus alpinus erklären (Abb. 9.3 b). Auffällig ist in Neusee-land auch die physiognomische Ähnlichkeit in einer Art Mimikry der Südbuche Nothofagus menziesii mit der endemischen Ericacee Gaultheria

antipoda in den Wäldern der Südinsel, die ebenfalls als Anpassung gegen selektiven Verbiss gedeutet wird (Abb. 9.3 c).

Abb. 9.3a-c. a Die eibenähnlichen Blätter von Prumnopitys taxifolia aus der Fa-milie Podocarpaceae werden 1 bis 1,5 Zentimeter lang. b Die auf der Südinsel Neuseelands endemische Melicytus alpinus aus der Familie Violaceae zeigt im Adultstadium Blätter im Inneren des Strauches und Dornen nach außen. Die Diva-rikation dient offenbar als Camouflage gegen den Verbiss der Jungpflanzen. Was den Wechsel des Juvenil- und Adult-Kontrastes bewirkt, ist noch unbekannt. c Gaultheria antipoda aus der Familie Ericaceae (oben) und Nothofagus menziesii (unten) sind täuschend ähnlich in ihren Blattformen und wachsen zusammen in neuseeländischen Buchenwäldern

Im Laufe von Generationenfolgen verändern sich also über längere Zeit-räume Merkmalsgefüge durch Mutation und durch Selektion derart, dass Anfangs- und Endglieder solcher Entwicklungsreihen zu zwei verschie-denartigen Arten gestellt werden. Es findet dann keine Kreuzung der gleichzeitig lebenden Arten mehr statt. Eine Stammart spaltet sich so im Laufe der Evolution in zwei oder mehr gleichzeitig lebende Schwesternar-ten auf, ein Phänomen, das als Speziation bezeichnet wird.

Die Höheren Pflanzen haben sich also – wie alle Organismen – im Lau-fe ihrer Evolution an bestimmte abiotische Rahmenbedingungen ange-passt. An der äußeren Gestalt der Pflanzen erkennt man häufig ihre Anpas-sung an die Standortbedingungen. Deshalb ist zu erwarten, dass sie in verschiedenen Gebieten der Erde unter vergleichbaren Standortbedingun-gen auftreten können und dies auch tun. Eine mediterrane Art wird in Mit-

Page 249: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

236 9 Anpassungen der Pflanzen

teleuropa eher trockene und warme Standorte, wie Südhänge in Flusstä-lern, bevorzugen; eine boreale Art eher feuchte und kühle Standorte, wie Moore oder Nordhänge von Bergkämmen. Schattentolerante Pflanzen, die in Mitteleuropa als Unterwuchs von Buchenwäldern vorkommen, wachsen beispielsweise im wolkenreichen, atlantischen Klima Westirlands auch in Offenlandschaften. Ein Paradebeispiel ist die spätfrostgefährdete, atlan-tisch verbreitete Stechpalme Ilex aquifolium, die in Westeuropa in Küsten-nähe im Freiland als Baum wächst und im Binnenland den Schutz der Wälder sucht. Ilex aquifolium ist die einzige in Mitteleuropa einheimische immergrüne Laubbaumart. Sie ist besonders empfindlich gegenüber tiefen Wintertemperaturen. Ihre Arealgrenze stellt ein klassisches Beispiel einer klimatisch bedingten Verbreitungsgrenze dar, das oft in Lehrbüchern der Botanik aufgeführt wird. Zurzeit beobachten wir eine Ausweitung ihrer nördlichen Arealgrenze in Europa (Abb. 9.4).

Abb. 9.4. Klimalimitierte Verbreitungsgrenze der Stechpalme Ilex aquifolium (grün) und der Verlauf der mit blauer Linie markierten Null-Grad-Januar-Isother-me (nach Walter u. Straka 1970). Die nördliche Verbreitungsgrenze von Ilex aqui-

folium gilt als klassisches Beispiel einer klimalimitierten Arealgrenze und war Ba-sis zahlreicher vegetationsgeschichtlich-paläoökologischer Arbeiten. Die Basisda-ten (links) gehen auf eine Arbeit von J. Iversen (1944) zurück, die Verschiebung der Arealgrenzen nach Norden (rechts) und der Isothermen basieren auf den Daten von S. Berger et al. (2007)

Manche Arten stellen enge Ansprüche an den Standort und sind nur un-ter ganz bestimmten Bedingungen anzutreffen. Wir nennen sie stenöke

Pflanzen mit enger ökologischer Amplitude. Das Gegenteil sind euryöke Arten, die ein breites Standortspektrum besitzen. Im Allgemeinen diffe-renzieren wir die Pflanzen in Generalisten und Spezialisten und bezeich-

Page 250: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.1 Wasserhaushaltstypen 237

nen sie entsprechend ihrer Reaktion auf spezielle Standortfaktoren mit dem Präfix „eury-“ oder „steno-“ und leiten aus ihrem Verhalten auch ihren ökologischen Zeigerwert ab (Tabelle 9.1).

Tabelle 9.1. Generalisten und Spezialisten

Standortfaktor Generalisten Spezialisten

Allgemein euryök stenök

Temperatur eurytherm stenotherm

Salzgehalt euryhalin stenohalin

Wassergehaltsschwankungen euryhydrisch stenohydrisch

9.1 Wasserhaushaltstypen

Dem Wasser stehen zwei Wege beim radialen Transport durch das Rindengewebe der Wurzel zum Zentralzylinder offen: als apoplastischer

Weg über die Zellwände mittels Diffusion durch die intermicellären und interfibrillären Räume bis zur Endodermis. Dort endet der freie Diffusions-raum, da mitgeführte Ionen den Casparyschen Streifen nicht passieren können (vgl. Kap. 8.2). Der Weg in den Zentralzylinder der Wurzel führt nur über das Cytoplasma und die Vakuolen, vor allem in den Durchlasszel-len. Der symplastische Weg verläuft durch die Plasmodesmen der Gewe-beprotoplasten, wenn ein Gefälle der Saugkraft in radialer Richtung vor-liegt. Tatsächlich ist im Inneren der Wurzel die Saugkraft am höchsten, weil die Gefäße in den Leitbündeln den Zellen relativ viel Wasser entzie-hen. Nach außen nimmt die Saugkraft des Wassers allmählich ab. Die Wasserbewegung in der Pflanze folgt entsprechend gerichtet dieser Saug-kraftkette. Der Übertritt des Wassers aus dem Protoplasten von Durchlass-zellen in den Zentralzylinder und weiter über die Markstrahlen in das Fern-leitungssystem ist noch nicht eindeutig gekärt, wahrscheinlich sind Wasser- und Ionenkanäle daran beteiligt. Grundsätzlich unterstützt der Wurzeldruck die für den Wassertransport wirksame und durch die Trans-piration ausgelöste Saugkraft, den „Transpirationssog“ und den hydrosta-

tischen Druck der Pflanzen. Bei den Koniferen bestehen die Wasserleitbahnen aus aneinandergereih-

ten gestreckten Zellen, den Tracheiden, die rund nur einen Millimeter lang sind. Sie grenzen jeweils seitlich an ihren Enden aneinander, wobei Tüpfel den Übertritt des Wassers ermöglichen. In den Tüpfeln ist eine in der Mitte verdichtete Membran gespannt, die das Wasser nur am Rande passieren

Page 251: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

238 9 Anpassungen der Pflanzen

lässt. Laubbäume dagegen besitzen vergleichsweise dicke und lange Tra-cheen. Wo das Wasser durch Tüpfel strömen muss, trifft es auf Membra-nen, die auf der ganzen Fläche durchlässig sind. Es scheint somit beson-ders leicht fließen zu können. John Sperry et al. (2005) haben neuerdings an Mammutbäumen (Sequoiadendron giganteum) Kaliforniens gezeigt, dass die Leitungsbahnen dieser Koniferen dem Wasser sogar weniger Wi-derstand entgegensetzen als diejenigen der Laubbäume. Das Wasser zwängt sich durch Nanometer große Poren in der Membran. Wären diese Löcher größer, könnten die Tüpfel ihre Aufgabe, beim Eindringen von Luft die Leitungsbahnen zu verschließen, nicht erfüllen. Die Tüpfelmemb-ran der Koniferen hingegen bietet dem Wasser wesentlich größere Schlupflöcher, wodurch ihr Nachteil, dass sie in der Mitte undurchlässig ist, mehr als wettgemacht wird. Dringt Luft in das Wasserleitsystem eines Nadelbaumes ein, wird der verdickte Mittelteil der Membran gegen die Tüpfelöffnung gepresst und somit der Gefahr einer transpiratorischen Em-

bolie entgegengewirkt. Bei den zu den höchsten Bäumen der Erde zählen-den bis 112,7 Meter großen Exemplaren von Sequoia sempervirens haben jüngst Georg W. Koch et al (2004) obendrein festgestellt, dass in den obersten Baumspitzen der eingeschränkte Wassertransport auch die Photo-synthese limitiert und schließlich das Längenwachstum dieser Baumriesen beschränkt (Abb. 9.5).

Abb. 9.5. Die kalifornischen Mammutbäume Sequoia sempervirens (links) und Sequoiadendron giganteum (rechts) aus der Familie Taxodiaceae gehören zu den höchsten Bäumen der Erde

Page 252: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.1 Wasserhaushaltstypen 239

Im Gegensatz zu anderen chemischen Substanzen, etwa Ionen, kann Wasser nicht aktiv aufgenommen und transportiert werden. Die Wasser-flüsse sind stets passiv und energiefrei beziehungsweise verlaufen entlang einem Energiegradienten.

Zur Beschreibung von Wasserflüssen hat sich eine thermodynamische Kenngröße als zweckmäßig erwiesen, das Wasserpotential. Das Wasser-potential ist eine vom chemischen Potential des Wassers abgeleitete Größe und setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen:

Ȍ = P – ʌ – IJ [PA]

Ȍ (psi) = Wasserpotential; P = hydrostatischer Druck; ʌ (pi) = osmotisches Poten-tial; IJ (tau) = Matrixpotential; PA = Pflanzenflächenindex Ȍ wird in der Einheit Pascal (1 Pa = 1 kg/(m·s²) = 1 N/m²; frühere Maß-

einheit Bar: 1 bar = 0,1 MPa [Megapascal]) angegeben. Das Wasserpoten-tial Ȍ ist der thermodynamische Zustand des Wassers, also die benötigte Energie, um Wasser eines bestimmten Systems in den Standardzustand zu überführen. Als Bezugssystem wird das Wasserpotential reinen Wassers in einem Standardzustand gleich 0 gesetzt. Ȍ ist also gleich 0 bei einem Druck von 0,1 MPa (Megapascal) und einer Temperatur von 0 Grad Celsi-us. In dieser Form beschreibt ȥ die freie Enthalpie pro Volumeneinheit Wasser in einer Lösung bezogen auf den Standardzustand von Wasser oder anders ausgedrückt die Arbeit, die in ein System hinein gesteckt werden muss, um das vorliegende Potential des Wassers auf das Potential reinen Wasser zu heben. Da das Potential reinen Wassers gleich Null definiert ist, werden die Wasserpotentiale alle < 0 und besitzen immer negative Werte. Je weiter sich das Wasserpotential von Null entfernt, desto niedriger ist es, und umso mehr Arbeit muss aufgewendet werden, um es wieder auf das Potential reinen Wassers zu heben. Daraus folgt nun, dass ein energierei-cher Wasserfluss nur von Orten hohen Wasserpotentials zu Orten niedri-gen Wasserpotentials stattfinden kann. Es gibt immer wieder Schwierig-keiten mit den Begriffen „höher“ und „niedriger“ im Zusammenhang mit Wasserpotentialen. Man kann es sich am besten an einem Thermometer und Temperaturen unter Null klar machen. Eine Temperatur von minus 5 Grad Celsius ist höher als eine Temperatur von minus 10 Grad Celsius. Genau so ist ein Wasserpotential von minus 0,5 Megapascal höher als ei-nes von minus 1,0 Megapascal. In der dargestellten Form erhält das Was-serpotential die Dimension eines Drucks, also Pascal (Pa) beziehungsweise Megapascal (MPa, früher: bar), und wir können die Wasserpotentialwerte für unsere Pflanzen an einem Standort wie folgt angeben:

ȌBoden < ȌPflanze < ȌLuft

Page 253: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

240 9 Anpassungen der Pflanzen

Die Transpiration ist ein Diffusionsvorgang und gehorcht damit dem 1. Fickschen Gesetz. Wir können es für die Transpiration in der folgenden Form schreiben:

EBlatt = gBlatt · ǻ W

EBlatt = Transpirationsrate eines Blattes [mmol H2Om-2/s-1]; gBlatt = Leitfähigkeit eines Blattes für Wasserdampf [mmol H2Om-2/s-1]; ǻ W = Wasserdampfdruck-Differenz zwischen Blatt und Außenluft [dimensionslos] = vpd (vapor pressure

deficit) Die Blattleitfähigkeit gBlatt ist nichts anderes als das Reziproke der

Summe aller Diffusionswiderstände auf dem Weg zwischen Zellwand und Umgebung. Die Blattleitfähigkeit wird ganz wesentlich von der Öff-nungsweite der Stomata bestimmt. Daraus folgt, dass bei konstanter Öff-nungsweite der Stomata die Transpiration eines Blattes nur von ǻ W ab-hängt. Das bedeutet, dass im Tagesverlauf die Transpiration den gleichen Kurvenverlauf haben wird wie ǻ W. Überall dort, wo dies nicht der Fall ist, hat die Pflanze aktiv durch Veränderung der Spaltöffnungsweite ihren Wasserverlust beeinflusst. Da die Transpiration leicht bestimmt werden kann und ǻ W eine ebenso leicht zu berechnende Größe ist, kann man die Blattleitfähigkeit einfach bestimmen.

įmWasser EBlatt = įt · A

įmWasser = Menge des transpirierten Wassers [mol H2O]; įt = Zeitabschnitt in Se-kunden; A = Blattfläche [m²]

Die Wasserdampfdruck-Differenz, das heißt die Differenz des Molen-

bruchs für Wasserdampf innerhalb des Blattes (Wasserdampf-Partialdruck zu Luftdruck) und dem Molenbruch für Wasserdampf der umgebenden turbulenten Außenluft berechnet sich wie folgt:

PWasser Blattinnenraum PWasser Luft ǻ W = NBlattinnenraum - NLuft PLuft -

PLuft

Das Wasserpotential quantifiziert also ganz allgemein den Energieauf-wand, der nötig ist, um das System „Pflanze im Boden“ mit Wassermole-külen abzusättigen beziehungsweise solche aus ihm zu entfernen. Dieser Energiebedarf zur Verschiebung von Wassermolekülen im Gesamtsystem wird letztlich bestimmt durch die Intensität der Bindung, mit welcher die Wasserdipole vom jeweiligen Milieu festgehalten werden, und durch die Aufnahmekapazität des jeweiligen Mediums für Wasser. So sind Wasser-moleküle im Boden normalerweise an die Oberflächen der Bodenkolloide

Page 254: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.1 Wasserhaushaltstypen 241

angelagert und so mit der Bodenmatrix verbunden. Ihre freie Beweglich-keit ist gewissermaßen eingeschränkt, und man bezeichnet sie als Matri-

kale Teilkomponente des Wasserpotentials (Matrixpotential). Sie ist als Größe IJ in die zuvor genannte Formel eingegangen und im Kapitel 4.5 er-läutert worden (vgl Abb. 4.15).

Die Osmotische Komponente des Wasserpotentials steht dagegen für die Kräfte in den Vakuolen der Pflanzenwurzelzellen und liegt meist in der Größenordnung von minus 1 und minus 2 Megapascal (entsprechend mi-nus 10 bis minus 20 bar) bei mesophytischen Pflanzen (Osmotisches Po-

tential). Bei normalen Wald- und Ackerböden wird das Gesamtwasserpo-

tential hauptsächlich durch die matrikalen Bindungsgrößen bestimmt, in Salzböden jedoch überwiegt die osmotische Komponente. Insgesamt gese-hen herrscht somit in gut wasserversorgten und nur mäßig austrocknenden Böden ein vom Boden zur Pflanze hin gerichteter Wasserpotentialgra-

dient vor. Er beträgt nach W. Larcher (1980) in feuchten Böden bis 0 Me-gapascal, in trockenen Böden minus 2 bis minus 5 Megapascal, in feuch-ter, bodennaher Luft minus 10 Megapascal und in trockener Luft minus 100 Megapascal und mehr. Die Pflanze ist somit im Normalfall in einen Wasserpotentialgradienten vom Boden durch den Pflanzenkörper in den Luftraum eingebunden; dies ist das eigentliche Boden-Pflanze-Atmo-

sphäre-Kontinuum, abgekürzt SPAC (Soil-Plant-Atmosphere-Continu-

um), von dem eingangs von Kapitel 4 schon die Rede war. Entlang des SPAC strömt das Wasser vom Boden apoplastisch durch die Pflanze bis zu den Blattinterzellularen in flüssiger Aggregatform, vom Blatt über die cu-ticuläre und stomatäre Transpiration in den Luftraum als Wasserdampf.

Die meisten Pflanzen können ihren Wasserhaushalt so wenig regulieren, dass dieser im Wesentlichen dem der Umgebung entspricht. Wir bezeich-nen solche Pflanzen als poikilohydre, also austrocknungstolerante Arten. Sie besitzen kleine Zellen ohne Zentralvakuole, so dass sie ohne Schaden für längere Zeit austrocknen und anschließend wieder Feuchtigkeit auf-nehmen und sich wieder entfalten. Unter ihnen gibt es Arten, wie Moose und Flechten, Kryptogamen also, welche die Trockenperioden in einer Art Trockenstarre überdauern. Das können auch einige subtropisch bis medi-terran verbreitete Farnpflanzen, wie Ceterach officinarum, Cheilanthes

marantae und die „Rose von Jericho“ (Selaginella lepidophylla) aus den Wüsten Jordaniens und Israels (Abb. 9.6).

Poikilohydrie ist in ariden Lebensräumen mit kurzen und unregelmäßi-gen Regenperioden von Vorteil. Die meisten Höheren Pflanzen regulieren ihren Wasserhaushalt über die Transpiration, und ihre Regulationsfähigkeit ist damit begrenzt; wir nennen diese homoiohydre, also eigenfeuchte Ar-ten, welche ihren Wasserhaushalt so weit kontrollieren können, dass sie mehr oder weniger unabhängig vom Wasserhaushalt der Umgebung wer-

Page 255: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

242 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.6a-d. Beispiele für poikilohydre Pteridophyten: a Selaginella lepidophylla,

Selaginellaceae, b Cheilanthes marantae Sinopteridaceae, c-d Ceterach officina-

rum, Polypodiaceae, c trockener und d feuchter Zustand

den. Hierzu verfügen die Zellen über eine große Zentralvakuole, die den stabilen, lebensnotwendigen Wassergehalt des Protoplasmas gewährleistet. Homoiohydre Pflanzen besitzen zahlreiche cuticuläre und stomatäre An-passungen zur Regulation ihres Wasserhaushaltes. Die Entwicklung der Homoiohydrie fand statt im Silur vor etwa 420 Millionen Jahren beim Übergang der Pflanzen vom Wasser zum Land. Heute gehören fast alle Kormophyten diesem Typ an. Als erste kormophytische Landpflanze ist uns Cooksonia caledonica, ein fossiler Nacktfarn aus der Gruppe der Psi-

lophyten aus dem Silur der Britischen Inseln und aus Böhmen bekannt. Die Psilotaceae sind heute nur noch durch die beiden pantropisch verbrei-teten Gattungen Psilotum und Tmesipteris mit je nur zwei Arten vertreten (Abb. 9.7).

Das Landleben stellte große Herausforderungen an die Pflanzen und brachte erhebliche evolutionäre Neuerungen mit sich. Wichtig wurden bei-spielsweise Epidermen mit Spaltöffnungen zum Gasaustausch und mit Cu-ticula als Verdunstungsschutz; Wurzeln beziehungsweise Rhizoide zur Verankerung und zum Transport, Leitgewebe mit Xylem zum Wasser- und Ionentransport sowie Phloem zum Transport organischer Stoffe, ferner verschiedene Festigungselemente zur Stabilisierung mit Lignin und Skle-renchym.

Insgesamt begünstigt feuchte Luft die Hygromorphie von Pflanzen, während trockene Luft die Xeromorphie fördert.

Stellt man nun Einflüsse verschiedener Feuchtigkeitsverhältnisse, die man beispielsweise über die potentielle Evapotranspiration ermitteln kann, an Pflanzenstandorten zusammen, wird schnell klar, dass sich diese im

Page 256: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.2 Formen der Primärproduktion 243

morphologischen und anatomischen Bau der Pflanzen bemerkbar machen. Eine Übersicht über wesentliche Faktoren vermittelt die Tabelle 9.2.

Abb. 9.7. Die Psilophyten Psi-

lotum nudum (Australien, links) und Tmesipteris vieillardii (Neukaledonien, rechts) sind „lebende Fossilien“: Die habi-tuelle Ähnlichkeit der Psilota-ceae mit den ersten bekannten Landpflanzen aus der Silurzeit ist zunächst so verblüffend, dass noch vor wenigen Jahren eine tiefere Verwandtschaft vermutet wurde. Es gibt An-

haltspunkte für eine Verwandtschaft mit den Bärlappgewächsen, aber auch mit echten Farnen, wie den Gleicheniaceae, etwa mit der neukaledonischen Stroma-

topteris aus der Familie Schizeaceae. Tmesipteris hat etwas größere Mikrophylle in locker schraubiger Anordnung, die flügelartig an der Sprossachse herunterlau-fen. Sie sind noch nicht ohne weiteres den Blättern der Höheren Pflanzen gleich zu stellen. Psilotum nudum ist noch in Australien und Neukaledonien verbreitet und findet sich als Relikt in Europa nur in Südspanien bei Algeciras

9.2 Formen der Primärproduktion

Die Photosynthese ist die Stoffwechselgrundlage der Biosphäre: In den Lichtreaktionen wird Sonnenenergie eingefangen und dazu benutzt, ATP aus ADP zu regenerieren und Elektronen von Wassermolekülen auf NADP+ zu übertragen. ATP und NADPH dienen dann im Calvin-Zyklus zur Synthese von Zucker aus Kohlendioxid. Die Energie, welche die Chlo-roplasten als Sonnenlicht absorbieren, wird als chemische Energie in orga-nischen Verbindungen gespeichert.

In den meisten Pflanzen erfolgt die anfängliche Kohlenstoff-Fixierung durch die Rubisco (Ribulosebisphosphat-Carboxylase-Oxygenase), jenes Enzym des Calvin-Zyklus, das CO2 an Ribulose-1,5-bisphosphat bindet. Pflanzen mit solchem Metabolismus bezeichnet man als C3-Pflanzen, weil das erste Produkt der Kohlenstoff-Fixierung bei ihnen das 3-Phosphogly-cerat ist, eine Verbindung mit drei Kohlenstoffatomen. Diese Arten erzeu-gen weniger Photosyntheseprodukte, weil ihre Spaltöffnungen an heißen, trockenen Tagen geschlossen bleiben müssen, um einen zu hohen Wasser-verlust durch die Transpiration zu verhindern (Abb. 9.8).

Page 257: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

244 9 Anpassungen der Pflanzen

Tabelle 9.2. Übersicht Feuchtigkeitsverhältnisse und Formgestaltung der Pflanzen

Schwache potentielle Evapo-

transpiration:

Begünstigung der Hygromorphie

Starke potentielle Evapotranspi-

ration:

Begünstigung der Xeromorphie

Begünstigung des Wachstums und der Blattentwicklung

Hemmung des Wachstums und Ver-kleinerung der Transpirationsfläche

Verringerung der Ausbildung von Stacheln und Haaren

Begünstigung von Stacheln und Haarbildungen

Verzögerung der Blütenbildung und Fruchtreife

Beschleunigung der Blüten und Fruchtbildung

Vergrößerung der Interzellularen und des Schwammparenchyms

Starke Entwicklung des Wurzelsys-tems zum Ausgleich des Wasserde-fizits

Verlangsamte Verholzung und Ein-schränkung der Holzgefäße

Verkleinerung der Epidermiszellen und Verringerung der Rinden- und Markschicht

Vergrößerung der Rinden- und Mark-zellen

Begünstigung der Sklerenchym-, Kork- und Holzbildung

Förderung des Palisadenparenchyms in Blättern (daher Verdickung)

Vielfach Transpirationseinschrän-kung durch Einsenkung der Spalt-öffnungen, Einrollen der Blätter etc.

Entsprechende Umweltbedingungen, die der Photorespiration Vorschub leisten, herrschen an trockenen, stark besonnten und heißen Standorten. Die C4-Pflanzen heißen so, weil hier dem Calvin-Zyklus eine andere Art der Kohlenstoff-Fixierung vorgeschaltet ist, bei der als erstes Produkt eine Verbindung mit vier Kohlenstoffatomen entsteht. Diesen C4-Dicarbon-

säureweg nutzen viele Arten nicht nur der ariden Tropen und Subtropen aus derzeit bekannten rund 20 verschiedenen Pflanzenfamilien. Der Me-chanismus des C4-Dicarbonsäurewegs ist in der Regel an einen besonderen anatomischen Aufbau der Blätter gebunden. Die meisten C4-Pflanzen be-sitzen zwei Typen photosynthetisch aktiver Zellen: die Bündelscheidenzel-len der Leitbündel und die Mesophyllzellen. Die Bündelscheidenzellen sind als dichter Kranz um die Leitbündel angeordnet. Zwischen dieser Leitbündelscheide und der Blattepidermis, also dem äußeren Abschluss-gewebe, liegen die lockerer gepackten Mesophyllzellen. Der Calvin-Zyklus läuft ausschließlich in den Chloroplasten der Bündelscheidenzellen ab, aber zuvor wird CO2 im Mesophyll in organische Verbindungen einge-

Page 258: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.2 Formen der Primärproduktion 245

baut. Ein erster Schritt ist die Anlagerung von CO2 an Phosphoenolpyruvat (PEP), bei der Oxalacetat entsteht, ein Molekül mit vier Kohlenstoffato-men.

Letztlich „pumpen” die Mesophyllzellen der C4-Pflanzen das CO2 also in die Bündelscheidenzellen. Dadurch bleibt dort der CO2-Partialdruck so hoch, dass die Rubisco keinen Sauerstoff, sondern Kohlendioxid bindet. Das ist der „Trick“ der C4-Pflanzen. Auf diese Weise wird die Photorespi-ration auf ein Minimum beschränkt und die Zuckerproduktion läuft auch bei teilweise geschlossenen Stomata unvermindert weiter. Die maximale Zuwachsrate kann das Zehnfache der Effizienz von C3-Pflanzen betragen. Besonders vorteilhaft ist diese Anpassung in den Tropen und anderen hei-ßen Gegenden mit starker Sonneneinstrahlung. Das sind auch genau die Gebiete, in denen sich die C4-Pflanzen seit dem Oligozän vor etwa 25 Mil-lionen Jahren evolutiv durchgesetzt haben.

Abb. 9.8. Photosyntheseraten bei ver-schiedenen Temperaturen in der C3-Wüstenpflanze Camissonia claviformis

(Onagraceae), die normalerweise im Winter und im Frühling wächst, und bei der C4-Pflanze Amaranthus palmeri (Amaranthaceae) aus demselben Le-bensraum, welche im Sommer wächst. Die Maximumrate der Photosynthese

liegt in der C3-Pflanze bei 23 Grad Celsius und bei der C4-Pflanze um 42 Grad Celsius (aus Gurevitch et al. 2002 © Sinauer Ass. Inc.)

Bei drei Vertretern der Familie Amaranthaceae hat man kürzlich festge-stellt, dass sie C4-Photosynthese durchführen, aber keine kranzförmigen Bündelscheidenzellen besitzen. Suaeda aralocaspica weist dabei eine pro-ximale und eine distale Kompartimentierung der Chloroplasten auf, Bie-

nertia cycloptera und Bienertia sinuspersici haben ein zentrales und ein peripheres chloroplastidäres Kompartiment. Diese Pflanzen exprimieren PEP-Carboxylase, Pyruvat-Phosphat-Dikinase und das NAD-Malatenzym und gehören zum NAD-Malatenzym-Typ.

Ein zweiter, an besonders trockene Standorte angepasster Weg der CO2-Fixierung existiert bei den sukkulenten Arten der Dickblattgewächse sowie bei vielen Kakteen, Bromelien und Vertretern von über 25 weiteren Pflan-zenfamilien. Diese Pflanzen öffnen ihre Spaltöffnungen nachts und schlie-

Page 259: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

246 9 Anpassungen der Pflanzen

ßen sie am Tage, genau umgekehrt, wie es die anderen machen. Wenn sie die Spaltöffnungen tagsüber geschlossen halten, vermindert sich zwar der Wasserverlust, aber gleichzeitig kann auch kein CO2 in die Blätter gelan-gen. Dazu haben diese Pflanzen folgenden Ausweg beschritten: Nachts nehmen sie durch die geöffneten Spaltöffnungen CO2 auf und bauen es in verschiedene Carbonsäure-Anionen ein, hauptsächlich in Malat. Diesen Weg der Kohlenstoff-Fixierung nennt man, weil man ihn bei Sukkulenten aus der Familie Crassulaceae zuerst entdeckt hat, Crassulaceen-Säurestoff-wechsel (Crassulacean acid metabolism, CAM). Die Mesophyllzellen solcher CAM-Pflanzen speichern die Carbonsäuren, die sie nachts produ-zieren, bis zum Morgen in großen Vakuolen und schließen dann ihre Spaltöffnungen. Da nachts tiefere Temperaturen als tagsüber herrschen, somit also die Luftfeuchtigkeit relativ höher und der Wasserverlust der Pflanzen durch Transpiration nur gering ist, können die Stomata der CAM-Pflanzen zu dieser Zeit geöffnet bleiben. CO2 dringt in den Pflanzenkörper ein und wird in der Primärfixierung von CO2 vorfixiert. Mit Hilfe der PEP-Carboxylase werden CO2 und PEP zu Oxalessigsäure (Oxalacetat) umge-wandelt und anschließend durch ein weiteres Enzym, die Malatdehydroge-nase, zu Malat2- reduziert. Eine H+/ATPase in der Tonoplastenmembran pumpt unter Energieaufwand Protonen in die Vakuole, worauf Malat2--Ionen passiv folgen. Es wird also eine Potentialdifferenz beziehungsweise ein elektrochemischer Gradient zwischen Cytoplasma und Tonoplast auf-gebaut. Im Tonoplasten bildet sich aus Malat2- und H+ Äpfelsäure. Es kön-nen sich hierbei Konzentrationen von 0,1 mol/L einstellen, was einem pH von 3,5 entspricht.

Tagsüber, wenn die Lichtreaktionen ATP und NADPH für den Calvin-Zyklus liefern, wird das CO2 aus den in der Nacht zuvor gebildeten Car-bonsäuren in denselben Zellen wieder freigesetzt, so dass es in den Chlo-roplasten in Zuckermoleküle eingebaut werden kann. Auf diese Weise sind CAM-Pflanzen in der Lage, den unvermeidlichen Wasserverlust auf etwa ein Zehntel gegenüber nicht angepassten C3-Pflanzen zu reduzieren. Aller-dings ist ihre Produktivität auch deutlich niedriger. Wegen des Wechsels im Säuregrad mit dem Tagesverlauf spricht man häufig auch vom diurna-

len Säurerhythmus. Die CAM-Metaboliten lassen sich noch genauer differenzieren: Am Ta-

ge, also bei Belichtung, wird Malat in Oxalessigsäure überführt, aus der Vakuole in die Chloroplasten transportiert und hier in Pyruvat und CO2 ge-spalten. Während CO2 dem Calvin-Zyklus zugeführt wird, wird das Pyru-vat unter Einfluss einer Pyruvat-Phosphat-Dikinase zu PEP umgewandelt, woraus wieder Kohlenhydrate entstehen. Man unterscheidet drei Typen von CAM-Pflanzen, die sich durch verschiedene Enzyme bei der Um-wandlung von Malat in CO2 selektiv verhalten:

Page 260: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.2 Formen der Primärproduktion 247

Box 9.1. Ausbreitungen von C4-Pflanzen im Zuge des „Global Warming“

Es ist derzeit sehr spannend zu beobachten, ob und wie sich C4-Pflanzen im Zuge des Global Warming erfolgreich in solche Gebiete vorwagen können, in deren Klimaten sich normalerweise ein C3-Assimilationstyp evolutiv entwi-ckelt hat. Wir beobachten derzeit beispielsweise bei uns in Mitteleuropa eine Ausbreitung der C4-Pflanzen Atriplex glabriuscula, A. hastata var. salina, A.

rosea, A. sabulosa, A. tatarica sowie Salsola kali, Botryochloa ischaemum,

Eragrostis pilosa und Setaria viridis. Als Archäophyten sind Setaria pumila,

Digitaria ischaemum, Echinochloa crus-galli, Panicum miliaceum, Portulaca

oleracea und Euphorbia peplus eingewandert. Nach dem Jahre 1500 sind folgende Neophyten hinzugekommen: Amaranthus retroflexus und andere Amaranthus-Arten, verschiedene Cyperus-Arten, Cynodon dactylon, Er-

agrostis minor sowie Spartina anglica.

• NADP-Malatenzym-Typ (z. B. Cactaceae, Agavaceae)

• NAD-Malatenzym-Typ (z. B. Crassulaceae)

• Phosphoenolpyruvat (= PEP)-Carboxykinasen-Typ (z. B. Bromeliaceae, Liliaceae)

Die genauen Mechanismen der Regulation zwischen CO2-Dunkelfixierung bei Belichtung sind noch nicht vollständig geklärt. Sicher ist jedoch, dass die CO2-Refixierung durch die PEP-Carboxylase durch ei-ne hohe Malatkonzentration (als Endprodukt) gehemmt wird. Man spricht von einer „Feed-back“-Hemmung oder auch Endprodukthemmung. So-mit kann die Rubisco während des Tages also allein über das CO2 verfügen und es in den Calvin-Zyklus einschleusen. In der Dunkelheit wird sie al-lerdings inaktiviert und die PEP-Carboxylaseaktivität setzt sich durch. Ein weiterer Regulationsmechanismus auf Ebene der PEP-Carboxylase ist die Aktivierung durch Phosphorylierung bei Nacht und die Inaktivierung durch Dephosphorylierung bei Tag, also durch Umwandlung von malat-sensitiver in malatinsensitive Form.

Die ökologischen Vorteile des CAM-Metabolismus sind also hohes Temperaturoptimum, Tolerierung mittlerer bis hoher Lichteinwirkun-gen und ein sehr niedriger CO2-Kompensationspunkt.

Die wohl extremste Ausprägung des CAM findet sich bei einigen Wüs-tenpflanzen (z. B. Opuntia basilaris, Cactaceae, und Agave americana, Agavaceae, Abb. 9.9), die auf Grund der starken Trockenheit ihre Stomata ständig geschlossen halten. CO2 zirkuliert zwischen Atmung und Photo-synthese, und es findet keine Netto-Kohlenstoffaufnahme statt. Somit

Page 261: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

248 9 Anpassungen der Pflanzen

kommt es praktisch zu einem Nullwachstum. Nur während kurzer Regen-phasen können die Pflanzen mit Hilfe des CAM eine positive Nettophoto-synthese-Bilanz erzielen. Allerdings kann auch hier eine ausreichende Wasserverfügbarkeit zu einem „normalen“ C3-Stoffwechsel führen.

Abb. 9.9. Agave americana, Agavaceae, am Naturstandort in Arizona, austreiben-der Blütenstand (links), ausgereifter Blütenstand (rechts)

9.3 Xerophyten

Betrachtet man die verschiedenen Organe der Xerophyten (aus griech.: xerós - trocken und phytón - Pflanze) an trockenen Standorten, so wird man eine möglichst optimale Ausbildung der Organe für die Wasserauf-nahme, also die Wurzel, und eine Reduktion der wasserabgebenden Orga-ne, also hauptsächlich der Blätter, feststellen. Die Wurzeln können einer-seits als tiefe Pfahlwurzeln ausgebildet sein, wobei sich deren Länge daran orientiert, dass sie das Grundwasser erreichen können. Anderseits finden sich weitläufige Wurzelsysteme dicht unter der Oberfläche, die in kurzen Regenzeiten möglichst viel Niederschlagswasser aufzusaugen vermögen. Die Entwicklung eines solchen Wurzelsystems dicht unter der Oberfläche kann sogar den Abstand der Pflanzen voneinander bestimmen (Abb. 9.10).

Das vermehrte Anlegen von Wurzeln auf trockenen Böden kann expe-rimentell nachgewiesen werden: Dazu werden Keimpflanzen gleicher Her-kunft und aus gleichen Anzuchtbedingungen einerseits in trockenen und

Page 262: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.3 Xerophyten 249

andererseits in feuchten Boden gesetzt. An den Pflanzen auf trockenem Boden entwickeln sich auffällig mehr Wurzeln als an jenen auf feuchtem Boden.

Abb. 9.10. Darstellung eines weitverzweigten Wurzelsystems, wie es beispiels-weise bei der Waldkiefer Pinus sylvestris ssp. sylvestris auftreten kann. Untersucht wurde ein kümmernder, schütterer Kiefernbestand auf Kalkblockschutt, in dessen Zwischenräumen Moder auftritt, worin die Feinwurzeln nestartig angehäuft er-scheinen. Aus L. Kutschera u. E. Lichtenegger (2002)

Eine Reduktion der Blattfläche, zumindest der transpirierenden Oberflä-che, ist generell bei Xerophyllie gegeben. Bei den sklerophyllen Xe-

rophyten handelt es sich meistens um Holzpflanzen, deren Blätter durch Sklereiden versteift sind. Die Blätter des mediterranen Oleanders (Nerium

oleander) aus der Familie Apocynaceae sind derb wie bei den meisten skleromorphen Pflanzen der mediterranoiden Zonobiome (Abb. 9.11).

Page 263: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

250 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.11. Blattquerschnitt mit Krypta von Nerium oleander, Apocynaceae: e obere und untere Epidermis, p Palisadenparenchym, s Schwammparenchym. Vergrößerung 100-fach. Zeichnung aus Sitte et al. (2002) © Spektrum Akad. Ver-lag

Diese feste Struktur kommt nicht allein durch Festigungselemente, wie beispielsweise sklerenchymatisches Gewebe oder Sklereiden zustande, sondern durch eine dicke, mehrschichtige Epidermis mit Hypodermis, welche wie ein Außenskelett wirkt. Auf die Epidermis ist zusätzlich noch eine dicke Cuticula aufgelagert. Einen solchen Blattaufbau nennen wir bi-fazial, da er ähnliche Ober- und Unterseiten aufweist. Das Mesophyll wird in ein mehrschichtiges Palisadenparenchym – das oben und unten vorhan-den ist – und ein Schwammparenchym unterteilt. Die Stomata liegen in Krypten, Vertiefungen auf der Blattunterseite, die der Verringerung der Transpiration dienen. Außerdem werden durch die Haare Luftkonvektio-nen verhindert (Abb. 9.12).

Abb. 9.12. Krypta mit Trichomen und Stomata (400x). Für die Darstellung von Cutin und Suberin wurde das Präparat mit Sudan III gefärbt. Die einzelligen, epidermalen Trichome entstehen durch

lokales Auswachsen einzelner Epidermiszellen. Sie sind mit dem unteren Teil in der Epidermis verankert. So bildet sich ein windstiller Raum, der mit Wasser-dampf gesättigt ist

Page 264: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.3 Xerophyten 251

Ein Beispiel für sklerophylle Stauden stellt die südafrikanische xerophy-tische Clivia nobilis dar. Die Art besitzt spezielle Spaltöffnungen, die sehr effektiv vor der Transpiration schützen (Abb. 9.13).

Abb. 9.13. Blattunterseite mit Spaltöffnungsapparat von Clivia nobilis, Amarylli-daceae (400x, Sudan III, links). Spaltöffnung von Clivia nobilis (1000x, Sudan III, rechts). Die cutinisierten Schichten (Cuticula und Zellwandbereiche) sind hellrot gefärbt. Deutlich ist zu erkennen, dass die Cuticula sich bis in den substomatären Raum hineinzieht und die Schließzellen überzieht. Kräftig rot erscheinen auch die Cutinhöcker und die Cuticularleisten, die zwischen den Epidermiszellen hineinra-gen. Die epistomatischen Stomata sind leicht eingesenkt und somit nicht dem trocknenden Wind ausgesetzt. Durch cutinisierte Höcker, die mit einer Cuticula überzogen sind, schließen die Spaltöffnungen an drei verschiedenen Stellen wie eine Schleuse, und die stomatäre Transpiration ist effektiv herabgesetzt. Es entste-hen somit ein „äußerer“ und ein „innerer Hof“ zur Verringerung der Verdunstung. Die cuticuläre Transpiration wird obendrein durch eine dicke Cuticula verringert. Zusätzlich sind alle Epidermiszellwandbereiche nach außen cutinisiert und ver-dickt. Die Epidermiszellen stehen über Tüpfel in Verbindung

Als weitere Reduktionsmöglichkeit der Transpiration ist die Ausbildung von Trichomen an der Blattoberfläche zu sehen. Dabei müssen die Haare sowohl mengenmäßig als auch in ihrer Struktur so angeordnet und diffe-renziert sein, dass es zwar zu einer Herabsetzung der Transpiration, aber nicht zu einem Wärmestau an der Blattoberfläche kommt. Wichtig für eine reduzierte Transpiration – und zwar sowohl eine stomatäre als auch eine cuticuläre – ist das Vorhandensein einer dicken Cuticula und weiterer Cu-ticularschichten sowie die Auflage von Wachsen. Solche aufgezeigten Dif-ferenzierungen sind bei den einzelnen Xerophyten in unterschiedlicher Weise ausgebildet und aufeinander abgestimmt.

Page 265: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

252 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.14a-i. Cistus-Arten als Beispiele für malakophylle Xerophyten. a Garigue aus Cistus creticus und Cistus monspeliensis; Île Rousse, Korsika; b Cistus

monspeliensis; c Cistus laurifolius; d Cistus creticus; e Cistus salviaefolius; f Ci-

stus incanus; g Cistus albidus; h Cistus symphytifolius; i Cistus villosus

h

e

aa-

Page 266: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.3 Xerophyten 253

Verwirklicht sind diese Anpassungen besonders bei einer interessanten Gruppe von Pflanzen, die wir mit Heinrich Walter (1968) als malakophyl-

le Xerophyten bezeichnen wollen. Hier finden wir Vertreter mit der ver-gleichsweise schwächsten Dürreresistenz. Vor Eintritt der Trockenheit entwickeln sie relativ große Blätter, die eine starke Behaarung aufweisen. Bei zunehmender Trockenheit werden die noch neu gebildeten Blätter im-mer kleiner und noch dichter behaart. Bei weiter fortschreitender und län-ger anhaltender Trockenheit vertrocknen zunächst die größeren Blätter und eventuell auch noch die kleineren, bevor sie schließlich abgeworfen wer-den. Übrig bleiben dann nur junge Blattanlagen, die bei einsetzenden Nie-derschlägen bald wieder austreiben. Zu den malakophyllen Xerophyten zählen neben vielen krautigen Pflanzen aus Sommerregengebieten und Halbsträucher der Steppen auch die Cistus-Arten des Mediterrangebietes (Abb. 9.14).

Der wirksamste und häufigste Transpirationsschutz homoiohydrer Pflanzen wird durch starke Reduktion der transpirierenden Oberflächen im Verhältnis zum Gesamtvolumen erzielt, so vielfach durch Blattfall zu Be-ginn der Trockenzeit; ferner bei immergrünen Pflanzen durch Verzwer-gung der ganzen Pflanze, durch geringe Verzweigung, durch Verminde-rung der Blattmenge sowie durch Reduktion der Sprossachsen und der Blattspreiten. Dieses Phänomen nennen wir Nanismus (Abb. 9.15). Wir haben es in Kapitel 8.3 schon kennen gelernt.

Abb. 9.15. Die aus Südafrika stammenden Lithops-Arten stellen ein schönes Bei-spiel für Pflanzen mit Nanismus dar

Bei einigen Ericaceen ist die freie Oberfläche der Blattspreiten durch Einkrümmung der Ränder dauernd, bei einigen einheimischen Dünengrä-sern (z. B. Ammophila arenaria) und bei den Steppengräsern (z. B. Stipa

Page 267: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

254 9 Anpassungen der Pflanzen

pennata) durch Zusammenfaltung oder Einrollung in den Trockenzeiten vorübergehend stark verkleinert. Wir sprechen dann von Rollblättern. Bei Genista-Arten oder Zypressengewächsen sind beispielsweise die Laubblät-ter nur noch kleine Schuppen oder, so bei vielen Kakteen, zu Dornen um-gebildet; bei anderen Kakteen, baumartigen Euphorbia-Arten, einigen Asclepiadaceen sind sie sehr frühzeitig vergänglich oder völlig reduziert.

Mit der Verkleinerung und noch mehr dem Schwund der Blätter muss allerdings auch die Assimilation des Kohlenstoffs abnehmen. Zur Kom-pensation dieses Verlustes sehen wir Assimilationsparenchym in den Sten-geln auftreten. In diesem Fall sind die Sprossachsen grün gefärbt; so etwa bei den Rutengewächsen. Als schönes Beispiel kann der Besenginster Sa-

rothamnus scoparius dienen, der allerdings an seinen langen, rutenförmi-gen Zweigen noch kleine, grüne, lanzettliche Blättchen entwickelt, die je-doch nur noch wenig wirksam sind (Abb. 9.16).

Abb. 9.16. Der Besenginster Sa-

rothamnus scoparius (Fabaceae) lie-fert ein bezeichnendes Beispiel für einen typischen Rutenstrauch

Oft geht bei solchen Pflanzen mit einer Reduktion der Blätter auch eine

Abflachung oder sogar blattähnliche Ausbildung der grünen Sprossachsen Hand in Hand: sie können alsdann weit vollkommener als zylindrische Formen die Assimilationsfunktion des Blattes übernehmen, transpirieren dann aber natürlich auch wieder stärker.

Page 268: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.3 Xerophyten 255

Solche blattartigen Sprosse werden als Flachsprosse oder Platycladien bezeichnet. Wenn sie begrenzt wachsen, also Kurztriebe darstellen, nennt man sie Phyllocladien (Abb. 9.17), besonders blattähnlich sind Phyllodien (Abb. 9.18), im Falle von Langsprossen werden diese als Cladodien bezeichnet (Abb. 9.19).

Abb. 9.17. Die westaustralische Acacia glaucoptera (links) besitzt Phyllocladien, Casuarina equisetifolia (Casuarinaceae, rechts) dagegen dünne, schmale und lang ausgezogene Blätter

Abb. 9.18. Auf Hawai’i wächst Acacia koa, Mimosaceae, mit charakteristisch ge-flügelten Blattstielen, die als Phyllodien bezeichnet werden und größtenteils die Funktion der Blattspreiten übernehmen

Page 269: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

256 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.19a-c. a Opuntia ficus-indica, Cactaceae: als Flachsprosse ausgebildete Cladodien mit nach den Blattstellungsregeln geordneten Seitensprossen, deren Blätter zu Dornen umgewandelt sind. b Zweig von Ruscus aculeatus, Ruscaceae, mit blattähnlichen Phyllocladien, denen Früchte aufsitzen, c Cladodien bei Schlumbergia kautzkii, Cactaceae

Eine Abflachung des gesamten massig entwickelten Stammes mit Ver-schmälerung an den Verzweigungsstellen zeigen beispielsweise die be-kannten Opuntien und die Blattkakteen. Lehrreiche Beispiele für Phyllo-cladien finden sich in der Gattung Ruscus mit mehreren strauchigen Arten. Ruscus aculeatus trägt an seinen Zweigen in den Achseln reduzierter schuppenförmiger Blättchen breite, in eine Stachelspitze auslaufende, dun-kelgrüne Phyllocladien, die durchaus den Eindruck von Blättern machen. Ihrer Oberseite aber entspringen in der Mittellinie, annähernd in ihrer hal-ben Länge, aus der Achsel eines winzigen schuppenförmigen Blattes eine bis mehrere Blüten, wodurch die Achsennatur der blattähnlichen Gebilde deutlich erkennbar wird (Abb. 9.19 b).

Eine besondere Anpassung an die Trockenheit ist die Fähigkeit zur Wasserspeicherung bei den Sukkulenten. Sie zählen deshalb zu den arido-

Page 270: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.3 Xerophyten 257

aktiven Xerophyten. Sukkulente, darunter die Kakteen, besitzen eine spe-zialisierte Anatomie, die ihnen das Überleben auch bei Trockenheit ermög-licht. Sie vermögen Wasser in speziellen Geweben, den Hydrenchymen, zu speichern, und die meisten haben Merkmale entwickelt, die ihnen er-lauben, die Verdunstung einzuschränken. Unter anhaltender Trockenheit können sie das Wachstum sogar ganz einstellen. Im bizarren Äußeren der Pflanzen drückt sich die Evolution aus, in der sich Funktion und Überleben miteinander verbanden. Die aufgewölbte Form hat eine Oberflächenver-kleinerung im Verhältnis zum Inhalt als Verdunstungsschutz zur Folge. Organe solcher Pflanzen können als Ganzes zu Wasserspeichern entwi-ckelt sein. Häufiger ist allerdings der Fall, dass nur bestimmte Teilbereiche sukkulent sind. Man unterscheidet zwischen Wurzel-, Blatt- und Spross-

Sukkulenz. Während Blatt- und Spross-Sukkulenz in verschiedenen Fami-lien, wie Cactaceae, Euphorbiaceae, Asteraceae oder Crassulaceae weit verbreitet sind, tritt Wurzelsukkulenz nur selten auf.

Ein typisches Beispiel für Stammsukkulenz liefern die Kakteen. Deren Keimlinge ähneln noch denen anderer dikotyler Pflanzen. Bei der weiteren Entwicklung schwillt aber das Rindenparenchym zum Hydrenchym, einem Wasserspeichergewebe mit großlumigen und dünnwandigen Zellen, an. Außerdem werden die Blätter zu Dornen umgebildet, und die Seitenknos-pen wandeln sich zu Haar- oder Dornenbüscheln, den Areolen, um (Abb. 9.20).

Abb. 9.20. Bei der Familie Cactaceae können die Blätter sowohl vollkommen er-halten bleiben (Pereskia grandifolia, links) als auch zu Blattdornen mit Areolen umgebildet sein (Echinocactus grusonii, rechts)

Page 271: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

258 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.21a-d. Crassulaceae (Dickblattgewächse): a Aeonium ciliatum als Beispiel für die Sukkulenten-Gattung Aeonium. Diese artenreichste Gattung der Crassula-ceae ist mit 34 Endemiten und einer Vielzahl von Hybriden auf den Kanarischen Inseln vertreten. Fast alle sind inselspezifisch und stehen unter internationalem Artenschutz. b Greenovia aurea als Beispiel für die dickfleischigen, in breiter, be-cherförmiger Rosette ausgebildeten Gewächse mit stark blau bereiften Blättern. c Aichryson parlatorei als Beispiel für kurzlebige, zerbrechliche Kräuter mit flei-schigen, flachen Blättern. d Monanthes brachycaulon als Beispiel für die kleinsten Vertreter der Crassulaceae. Sämtliche Blätter, auch die Kron- und Kelchblätter, sind fleischig, die Blüten meist unscheinbar rötlich gestreift mit einem Kreis deut-lich vergrößerter Nektarien (aus Pott et al. 2003)

Ein weiteres Beispiel zur Transpirationsreduzierung findet sich bei Ku-gel- und Säulenkakteen. Sie bilden nicht selten prominente Längsrippen aus, die nicht nur eine Zu- oder Abnahme des Sprossumfangs ermöglichen, sondern deren Flanken wegen ihrer unterschiedlichen Sonnenexposition

Page 272: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.5 Hygrophyten 259

deutliche Temperaturunterschiede aufweisen (Abb. 9.20). Mit diesem thermischen Potential halten sie kühlende Luftströme in Gang.

Wie die Sprosse können auch die Blätter sukkulenter Pflanzen als Spei-chergewebe fungieren. Es können alle Blattzellen als potentielle Hydren-chymzellen ausgebildet sein. Solche Blätter bezeichnet man als „allzell-

sukkulent“. Voraussetzung hierfür ist, dass alle Zellen sowohl Chloropla-sten als auch große Vakuolen besitzen. Allzellsukkulenz tritt beispiels-weise bei der Familie Crassulaceae auf (Abb. 9.21) und ist an den CAM-Stoffwechsel gekoppelt.

9.4 Mesophyten

Als Mesophyten (aus griech.: mésos - mittel und phytón - Pflanze) be-zeichnet man Pflanzen, die an mäßig feuchten bis mäßig trockenen Stand-orten vorkommen. Sie nehmen dadurch eine Stellung zwischen den Xerophyten und den Hygrophyten ein. Man könnte sie als „Normalfall“ der Pflanzen bezeichnen. Mesophyten zeichnen sich meist durch relativ große Blätter aus, welche an der Oberfläche nicht durchweg behaart sind und auch nur selten Wachsüberzüge besitzen. Ein insgesamt mesomorpher Bau der Pflanze schließt dabei nicht aus, dass einige Sprossabschnitte oder Organe nicht auch xeromorphe oder hygromorphe Anpassungen aufweisen können. Zu denken ist dabei etwa an die schon behandelten Sonnen- und Schattenblätter an ein und derselben Pflanze (vgl. Kap. 8.2). Auf spezielle Anpassungen können vor allem diejenigen Pflanzengruppen, die ungünsti-ge Jahreszeiten, wie Winter oder Trockenzeiten, als Samen überdauern, verzichten. Hier bei den Therophyten finden wir die häufigste Ansamm-lung von Mesophyten. Darunter gibt es auch Arten, die in Wüsten als Plu-

viotherophyten nur während der Regenzeit blühen.

9.5 Hygrophyten

Hygrophyten (aus griech.: hygrós - feucht und phytón - Pflanze), meist krautartige Feuchtpflanzen, sind in Nebel- und Regenwäldern und Hoch-gebirgswäldern zu finden, aber auch in schattigen Wäldern der gemäßigten Zone. Sie gehören zu den hydrolabilen Pflanzen, denen es schwer fällt, ih-ren Wasserhaushalt zu regulieren, und die häufig schon bei kurzen Tro-ckenphasen Wasserstress erleiden. Die Wurzel der Hygrophyten ist meist nicht stark ausgebildet. Da meist genügend Niederschlag vorhanden ist, braucht die Wurzel nicht zur verstärkten Wasseraufnahme aus den tieferen Bodenschichten eingesetzt zu werden.

Page 273: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

260 9 Anpassungen der Pflanzen

In den gemäßigten Breitengraden, den sommergrünen Laubwäldern, be-stehen die Hygrophyten aus krautigen Pflanzen, die ebenfalls keine Stütz-funktion oder verstärkte Aufnahme von Wasser benötigen. Der Spross der Hygrophyten zeichnet sich durch geringes Festigungsgewebe aus, da auch hier der Turgordruck zur Stabilität der Pflanze beiträgt. Die Epidermis be-steht, ebenso wie die der Helophyten, aus dünnwandigen, nur mit dünner Cuticula überzogenen Zellen, um wiederum die Transpiration in diesem mit hoher Luftfeuchtigkeit ausgestatteten Standort zu erhöhen.

Die Blätter der Hygrophyten sind dünn, da die einzelnen Gewebetypen meist nur einschichtig sind, wie zum Beispiel die Epidermiszellen und das Palisadenparenchym. Eine interessante Beobachtung gelingt manchmal, wenn man Hautfarne der Gattung Hymenophyllum an Stammfüßen oder am Boden tropischer Regenwälder untersucht. Dabei kann man eine epiphytische Lage von blaugrünen Cyanobakterien sehen, die offenbar den Farnen zusätzlichen Stickstoff aus der Atmosphäre bieten (Abb. 9.22).

Abb. 9.22. Hautfarne aus der Gattung Hymenophyllum mit einem Überzug aus Cyanobakterien im Regenwald von Ha-wai’i

Auch das Schwammparenchym ist nur mäßig entwickelt. Kennzeich-

nend für ein Hygrophytenblatt sind außerdem die hoch aufgewölbten Sto-mata an der Blattunterseite und lebende Haare auf der Epidermis, um die Oberfläche zu vergrößern. Auch diese Merkmale dienen alle der Unter-stützung der Transpiration. Die Epidermiszellen und das Palisadenparen-chym können des Weiteren prismenartig geformt sein, um das wenige Licht, das durch die vielen Vegetationsschichten schattiger Wälder zu den krautigen Pflanzen durchdringt, optimal aufzufangen.

Page 274: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.6 Helophyten 261

9.6 Helophyten

Helophyten (aus griech.: hélos - Sumpf und phytón - Pflanze), kommen in Sumpf- und Moorlandschaften vor, die teilweise oder ganz überflutet sind oder zumindestens einen stark durchnässten Untergrund aufweisen. Es handelt sich um hydrolabile Pflanzen, die nur bedingt eine Wasserver-knappung ertragen können.

Das Wurzelsystem ist bei den Helophyten nur gering bis mäßig ausge-bildet. Es zeichnet sich aber durch besondere Anpassung aus. So sind zum Beispiel besonders große Interzellularräume im parenchymatischen Gewe-be zu erkennen. Diese Aerenchyme oder auch Durchlüftungsgewebe rei-chen weit bis an die Sprossbasis hinein, so dass auch ein Gasaustausch mit den meist untergetauchten Wurzeln erfolgen kann. Da die Helophyten in sehr durchnässten oder überschwemmten Gebieten stehen und Sauerstoff wegen der viel geringeren Löslichkeit in Wasser nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, wäre die Sauerstoffzufuhr in die untersten Pflanzenteile gefährdet. Die Versorgung erfolgt demnach über den Teil der Sprossachse, der sich über dem Wasser befindet und im direkten Gasaus-tausch mit der Umgebung steht. Die Aerenchyme gewährleisten also die Versorgung der Wurzeln und überschwemmten Teile der Pflanze mit Sau-erstoff. Dieses Durchlüftungsgewebe ist sehr massiv entwickelt und kann bis zu ca. 70 % des Gewebevolumens ausmachen.

Die Interzellularräume reichen bis in die Sprossachse, um den Gasaus-tausch zu gewährleisten. Im Spross sind die Interzellularräume des paren-chymatischen Gewebes als Sternparenchym ausgebildet (Abb. 9.23). Die zellulären Markzellen sind hier sternförmig miteinander verwachsen, wo-durch ein Durchlüftungsgewebe mit großen Interzellularräumen entsteht. Daher liegt das Festigungsgewebe im peripheren Bereich der Sprossachse.

Abb. 9.23. Sternparenchym im Spross der Flatterbinse Juncus effusus

Bei Pflanzen, die ein sekundäres Dickenwachstum aufweisen, kann die

Sauerstoffzufuhr in die Sprossachse praktisch nur noch über Lenticellen erfolgen, so dass sich bei helophytisch lebenden Bäumen andere Struktu-

Page 275: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

262 9 Anpassungen der Pflanzen

ren entwickelt haben. Meist werden Atemwurzeln ausgebildet, die mit ih-ren Endausläufern über die Bodenoberfläche und über die Überschwem-mungsgrenze hinausreichen, so dass das Interzellularsystem des Rinden-gewebes „Luftkontakt bekommt“ und somit den Wurzeln genügend Sauerstoff zugeführt werden kann. Diese Ausbildung der Wurzeln ist be-sonders in Mangroven vertreten (Abb. 9.24).

Abb. 9.24. Bei Ebbe erscheinen die charakteristischen Luftwurzeln der Mangrove-Arten, mit deren Hilfe die Sauerstoffzufuhr in die unteren Pflanzenteile für die Zellatmung sichergestellt wird. In der australischen Mangrove von Daintree in Queensland dominieren Arten wie Avicennia marina, Rhizophora spec. und Bru-

giera spec.

Weitere Merkmale der Sprossachse von Helophyten sind eine einschich-tige, dünne Epidermis und eine sehr dünne Cuticula, um die Transpiration zu erhöhen. Bei unter Wasser liegenden Pflanzenteilen ist sogar meistens keine Cuticula vorhanden. Außerdem besitzen Helophyten nur wenig Fes-tigungsgewebe. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit in der Umgebung wird der Turgordruck in den Zellen auf einem stabilen Niveau gehalten. Er trägt dazu bei, die Pflanze zu stabilisieren.

Die Blätter der Helophyten weisen ebenfalls morphologische Merkmale auf, die bei ihrem Standort von Vorteil sind. So ist auch hier die Cuticula nur sehr dünn entwickelt. Normalerweise reicht das Feuchtigkeitsgefälle

Page 276: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.7 Hydrophyten 263

zwischen dem Pflanzeninneren und der Außenwelt aus, um die Transpira-tion zu regulieren. Durch die Abgabe des Wassers während der Transpira-tion entsteht ein Unterdruck im Xylem, der einen Sog von der Wurzel bis in die Blätter auslöst. Der ist notwendig, um das Wasser von der Wurzel in die oberen Bereiche der Pflanze zu saugen. Bei den Helophyten kann die Transpiration nur in ausreichendem Maße aufrecht erhalten werden, indem die Epidermiszellen klein sind, einschichtig vorliegen und nur von einer gering entwickelten Cuticula überzogen werden. Da in den Gebieten, in denen die Helophyten wachsen, eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, müs-sen die Pflanzen die Transpiration auf diese Weise unterstützen.

Bezeichnenderweise besitzen die Helophyten viele Stomata, um die Transpiration zu erleichtern. Die stomatäre Transpiration beruht auf der Diffusion des Wasserdampfes, der aus den Interzellularen stammt und durch die regulierbaren Spalten in die Atmosphäre entweicht. Diese Sto-mata sind hoch aufgewölbt, damit der über die Blätter streichende Wind die abgegebene Feuchtigkeit besser aufnehmen kann. Da die Helophyten teilweise in Gebieten wachsen, wo Windzufuhr sehr niedrig sein kann, wie bei sehr dicht bewachsenen Röhrichtgürteln, muss jeder Luftzug optimal ausgenutzt werden. Um die Transpiration zusätzlich zu erleichtern, sind in den Blättern auch viele Leitbündel vorhanden. Zwar findet die Transpirati-on auch über andere Teile der Pflanze statt, die Blätter bilden hierbei je-doch die wichtigsten Organe.

9.7 Hydrophyten

Als Hydrophyten (aus griech.: hýdor - Wasser und phytón - Pflanze), also echte Wasserpflanzen, sollen hier nur solche Pflanzen verstanden werden, die sich als höherentwickelte schwimmfähige Moose, Farne oder Höhere Pflanzen sekundär dem Leben im Wasser wieder angepasst haben. Bei die-sen Wasserpflanzen ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen submer-sen und schwimmenden Arten (Abb. 9.25).

Die schwimmenden oder amphibischen Wasserpflanzen haben sowohl Kontakt mit der Luft als auch mit dem Wasser. Die submers lebenden Wasserpflanzen sind meist am Boden durch Wurzeln verankert. Ein fester verholzter Stamm ist nicht entwickelt; er würde dem Wasser, insbesondere dem fließenden, einen zu großen Widerstand entgegensetzen. Auch die Blätter sind entweder schmal oder stark aufgeschlitzt. Riemenförmige, flu-tende, strömungstolerante Wasserpflanzen werden als Rheophyten be-zeichnet (Abb. 9.26). Festigende verholzte Gewebe können den Wasser-pflanzen auch fehlen, weil die Turgeszenz durch den hydrostatischen Druck im Wasser aufrechterhalten wird. Solche speziellen ökomorphologi-

Page 277: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

264 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.25. a Azolla filiculoides und Salvinia natans als schwimmende Farne. Das Buchenblatt bietet den Größenvergleich. b Salvinia natans, Spirodela polyrhiza und Lemna minor als Konstituenten der Schwimmfarngesellschaft. c Die Algen-farne beherbergen in Höhlungen der Oberlappen ihrer Blätter luftstickstoffbinden-de Cyanobakterien, Habitus von Azolla filiculoides, d Ricciocarpus natans als Beispiel für ein schwimmfähiges Lebermoos der Familie Ricciaceae, e Propagulen von Utricularia (Lentibulariaceae) dienen als Turionen der Überdauerung ungüns-tiger Jahreszeiten

Abb. 9.26. Sagittaria sagittifolia var. vallisneriifolia, die rheobionte Form (links) und die Normalform (rechts). Zwischen beiden sind je nach CO2-Partialdruck des Außenmediums alle morphologischen Übergänge möglich

Page 278: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.7 Hydrophyten 265

schen Veränderungen bei Wasserpflanzen sind eingehend bei Richard Pott und Dominique Remy (2000) beschrieben.

Weil die submersen Blätter der Hydrophyten mit der gesamten Blatt-oberfläche gelöste Gase und auch Wasser mit den gelösten Nährstoffen aufnehmen, sind die Epidermiszellen äußerst dünnwandig und nur von ei-ner hauchdünnen Cuticula überzogen. Um die Gasaufnahme zu sichern, hat bei den submersen Blättern eine starke Oberflächenvergrößerung statt-gefunden. Die Blätter sind zumeist sehr zart und dünn und zudem fedrig zerschlitzt. Die federartigen Blätter können geradezu mit Kiemen vergli-chen werden und erfüllen wie diese die Aufgabe, die in stehenden Gewäs-sern spärlich vorhandenen lebenswichtigen Gase, vor allem den Sauerstoff, durch die Entwicklung einer großen Oberfläche optimal aufzunehmen. Ei-nen weiteren Vorteil bietet diese Blattform in fließenden Gewässern: Sie beugt einer Zerstörung der Blätter durch die Scherkräfte des Wassers vor, da die Blätter so dem Zug der Strömung besser nachgeben können.

Da das Wasser ein viel dichteres und damit tragfähigeres Medium ist als Luft, bilden die Hydrophyten in den submersen Blättern nur wenig Festi-gungsgewebe aus. Als Schutz vor dem Kollabieren werden allerdings Sili-kate und Oxalate inkrustiert. Zu einer Ausbildung von Spaltöffnungen kommt es bei submersen Blättern nicht, aber sie besitzen, ebenso wie die emersen Schwimmblätter, Hydropoten, durch die Wasser mit den gelösten Nährstoffen aufgenommen werden kann.

Wie bereits erwähnt, nehmen die submersen Blätter im Wasser gelöstes Kohlendioxid oder Calciumbicarbonat auf. Dieses wird nach der Entnahme von Kohlendioxid als freies Calciumhydroxid (Ca[OH]-) auf der Blattober-seite wieder ausgeschieden, welches sich dort durch Kohlendioxidaufnah-me aus dem Wasser wieder in Carbonat oder Bicarbonat umwandelt. Da-her lassen sich auf der Oberseite häufig schmutzig graubraune Krusten von Calciumcarbonat (CaCO3) feststellen. Diesen Vorgang nennt man biogene

Entkalkung. Wenn Wasserpflanzen einen Teil ihrer Blätter unter Wasser ausgebildet

haben und andere schwimmend, wie beim Wasserhahnenfuß Ranunculus

cf. aquatilis, beim Schwimmfarn Salvinia natans oder bei Nuphar lutea mit ihren „Salat“- und Schwimmblättern (vergleiche Abb. 9.1), gehört die-ses ebenfalls zum Formenkreis der Heterophyllie.

Die Wasseraufnahme der Hydrophyten kann oftmals mit der gesamten Oberfläche der Pflanzen erfolgen. Sind Wurzeln entwickelt, so kann in diesen sogar noch ein Wurzeldruck entwickelt werden. Eine Aufnahme des Wassers ist insbesondere für die Zufuhr neuer Mineralnährstoffe erforder-lich. Um davon genügend zu erhalten, besitzen viele submerse Wasser-pflanzen oder schwimmende Arten auf der Unterseite ihrer Blätter speziel-le Hydropoten oder Hydatoden. Dabei handelt es sich um drüsenartig

Page 279: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

266 9 Anpassungen der Pflanzen

differenzierte Epidermiszellen oder reduzierte Stomata, die einzeln oder gruppenweise auftreten. Wegen ihrer Aufnahme- und Speicherfähigkeit von Ionen werden sie auch als Ionenfänger bezeichnet.

Box 9.2. Propagulen und Ramets

Vegetative Diasporen, auch als Propagationskörper bezeichnet, dienen ent-weder ausschließlich der Überdauerung oder der Ausbreitung der Pflanzen oder vereinen beide Funktionen. Der wesentliche Unterschied zwischen Pro-pagulen und Ramets besteht in deren jeweiliger Überdauerungsfähigkeit. Während Ramets nicht besser als ihre jeweilige Mutterpflanze vor Umwelt-einflüssen geschützt sind, weisen Propagulen Eigenschaften auf, die sie als spezielle Überdauerungseinheiten kennzeichnen. Ähnlich wie bei Samen werden dabei unter anderem komplexe Kohlenhydrate als Reservestoffe ein-gelagert, die zu einer deutlichen Verschiebung des Verhältnisses von Tro-cken- zu Frischgewicht führen können und gleichzeitig aufgrund ihres höhe-ren spezifischen Gewichtes die Propagulen absinken lassen. So weisen nach Elias Landolt (1986) Turionen von Spirodela polyrhiza ein Verhältnis von Trocken- zu Frischgewicht von 0,27 auf, im Vergleich zu 0,08 bei Ramets. Ein weiterer Schutzmechanismus besteht in der Ausbildung unterschiedlicher Dormanztypen. Im Gegensatz zu Samen besitzen Propagulen allerdings kei-nen effektiven Schutz gegenüber längerfristiger Austrocknung.

9.8 Epiphyten und Epiphyllie

Epiphyten leben auf anderen Pflanzen, benutzen diese jedoch nur als Un-terlage, ohne ihnen Wasser oder Nährstoffe zu entziehen, und sind daher strikt von Parasiten oder Halbparasiten zu unterscheiden. In der Regel hoch oben in den Kronen der Bäume sitzend, leben sie völlig abgeschnit-ten vom Erdboden und sind ausschließlich auf die Zufuhr von Wasser und Mineralstoffen aus der Luft angewiesen.

Epiphyten wurden erstmals 1492 von Christoph Kolumbus (1451-1506) erwähnt, wenn auch nicht richtig gedeutet. Er beschrieb verschiedenartige Zweige und Blätter auf einem Baum, die alle einer Wurzel entspringen. Der Begriff Epiphytismus wurde erst um 1880 von Georg Klebs und And-reas Franz Wilhelm Schimper eingeführt; vorher sprach man wie Anton Joseph Kerner von Marilaun (1831-1898) von Raumparasiten oder Über-pflanzen (Abb. 9.27).

Es gibt Übergänge von der terrestrischen zur epiphytischen Lebenswei-se: So kommen beispielsweise in unseren gemäßigten Breiten auf Kopf-weiden Epilobium- und Moehringia-Arten vor. Dieses ist allerdings kein

Page 280: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.8 Epiphyten und Epiphyllie 267

Abb. 9.27. Epiphytische Bromeliaceen der Gattung Vriesea und Cactaceen der Gattung Rhipsalis im Regenwald von Iguazu, Brasilien

echter Epiphytismus, da sich in den Astgabeln der Bäume nur Erde ange-sammelt hat, in der die Pflanzen quasi terrestrisch zu siedeln vermögen. Diese Erscheinung wird als fakultativer Epiphytismus bezeichnet, wobei es oft die gleichen Arten sind, die zwischen terrestrischer und epibionter Lebensform – dies ist wohl der treffendere Begriff – hin und her pendeln. Eine Rhododendron-Art, nämlich Rhododendron javanicum, ist als ein ty-pischer fakultativer Epiphyt anzusehen: Diese Art siedelt in den Tropen-wäldern Javas je nach den Umweltbedingungen mal terrestrisch, mal steigt sie mit zunehmender Feuchtigkeit des Klimas bis in die höchsten Baum-wipfel empor (Abb. 9.28). Gleiches gilt für Senecio multivenius aus den Bergwäldern Costa Ricas.

Pflanzen, die ausschließlich auf anderen Pflanzen siedeln, sind die obli-

gaten Epiphyten. Thallophyten, die dank ihrer poikilohydren Organisati-onsform Wasser rasch aus der Atmosphäre aufnehmen können und so ge-nügsam sind, dass sie mit dem in angewehtem Staub, verwesenden Rindenstückchen oder den im Niederschlags- oder Träufelwasser gelösten Spuren anorganischer und organischer Stoffe auskommen, passen sich ei-ner epiphytischen Lebensweise relativ leicht an; so findet man Algen, Flechten und viele Moosarten als Aufwuchs in Wäldern aller feuchter Klimagebiete.

Page 281: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

268 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.28. Rhododendron javanicum aus Südostasien (links) und Senecio multive-

nius aus Costa Rica (rechts), zwei Beispiele für fakultativen Epiphytismus

Für Sprosspflanzen bedeutet dagegen der Verzicht auf die stetige Was-ser- und Nährstoffzufuhr aus dem Boden zugunsten eines höheren Licht-genusses eine derart einschneidende Umstellung ihres Wasser- und Stoff-haushaltes, dass eine solche Umstellung im Allgemeinen nur unter den günstigen Wachstumsbedingungen des feuchten Tropenklimas gelingt, aber auch dort zu erheblichen Einschränkungen und Anpassungen zwingt. Das gemeinsame Kardinalproblem aller Epiphyten ist die Wasserversor-gung. Daher existieren für die kormophytischen Epiphyten umso bessere Lebensbedingungen, je feuchter und wärmer das Klima ist. Die günstigsten Bedingungen für das Gedeihen epiphytischer Farne und Blütenpflanzen bietet ohne Zweifel der tropische Regenwald, wo im Durchschnitt 10 bis 20 Prozent, stellenweise bis zu 30 Prozent aller Pflanzenarten epiphytisch leben. Von den etwa 50 000 Orchideenarten bewohnt mehr als die Hälfte epiphytisch die Wälder des tropischen Amerikas und Südostasiens; die Familie Bromeliaceae setzt sich fast gänzlich aus Epiphyten oder Fels-pflanzen zusammen. In den Wäldern der immerfeuchten Tropengürtel sind nicht nur die Blätter der Bäume mit Algen, Flechten oder Moosen überzo-gen. Man bezeichnet solche Arten als Epiphylle (Abb. 9.29) und die Er-scheinung des Epiphytismus auf Blättern als Epiphyllie. In den Baumkro-nen haftet eine zusätzliche Pflanzenwelt aus Farnen und Kräutern, bis zu

Page 282: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.8 Epiphyten und Epiphyllie 269

Sträuchern und selbst kleinen Bäumchen, die nicht selten so kräftig wu-chern, dass der sie tragende Ast oder Baum unter dem Gewicht der Epiphytenlast zusammenbricht und mit den darauf lebenden Pflanzen zu Boden stürzt.

Abb. 9.29. Vor allem auf Blättern immergrüner Arten der Tropen ist oftmals ein Überzug von Algen, Pilzen und Flechten zu beobach-ten, der als Epiphyllie bezeichnet wird

Die fehlende Wasser- und Mineralstoffversorgung aus dem Boden muss bei den Epiphyten durch besondere Anpassungen ausgeglichen werden. Relativ einfach wird noch die Nährstoffzufuhr gelöst: Da Mineralstoffe nur in kleinsten Mengen von den Pflanzen benötigt werden, genügen Spuren von Humus aus pflanzlichen und tierischen Resten, die sich in den Astga-beln oder zwischen dem Wurzelgewirr der Epiphyten ansammeln. Vielfach bilden die unteren Teile der Blätter zisternenartige Auffangvorrichtungen für solche Humusreste, oder es gibt besondere Anpassungsformen wie die Nischenblätter mancher Farne (Abb. 9.30). So schaffen sich die Epiphyten einen eigenen Humusboden, dessen Masse im tropischen Regenwald auf mehrere Tonnen pro Hektar geschätzt wird und der zahlreichen Kleintie-ren, vor allem Ameisen, ihren eigenen Lebensraum bietet.

Die ökologische Hauptschwierigkeit der Epiphyten liegt in der Wasser-versorgung, und diese wird umso größer, je höher der Lichtbedarf der Pflanzen ist. In diesem Zusammenhang unterscheidet man zunächst je nach Wuchslage im Kronenraum der Bäume die Schatten- und Sonnen-

Epiphyten (s. Box 9.3). Ein weiteres Phänomen der epiphytischen Lebensweise ist die Wasser-

speicherung. Im einfachsten Falle siedeln Höhere Pflanzen auf Moospols-tern, die schwammartig das Wasser aufsaugen. Speziellere Differenzierun-gen weisen die unterschiedlichen Blätter der Geweihfarne Platycerium auf: Zwischen den geweihartig verzweigten werden fast ganzrandige Blätter gebildet, die sich weitgehend der Unterlage anschmiegen (Abb. 9.30). Die-se Blätter, die als Mantelblätter bezeichnet werden, sind recht kurzlebig. Sie werden allerdings nicht abgestoßen, sondern dicht übereinanderge-

Page 283: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

270 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.30. Drynaria quercifolia (links) und Platycerium alcicorne (rechts) stellen zwei typische epiphytische Farne tropischer Regionen dar

schichtet, wobei sie nach oben leicht abstehen. Durch diese Lage sammeln die Mantelblätter das Wasser, das von zahlreichen kurzen Wurzeln aufge-nommen werden kann.

Box 9.3. Schatten- und Sonnen-Epiphyten Schatten-Epiphyten sind solche Pflanzen, die in den untersten Teilen der Baumkronen siedeln. Sie finden dort im geschlossenen Waldesinneren eine hochgradig feuchte, vielfach dampfgesättigte Atmosphäre und erhalten aus-reichend Regen- und Träufelwasser aus den oberen Kronenlagen. Es sind meist Farne, die in den großen Astgabeln sitzen und in der Regel als Zister-nenpflanzen ausgebildet sind. Je höher die Pflanzen an das Sonnenlicht rü-cken, umso stärker werden tagsüber Erwärmung, Lufttrockenheit und poten-tieller Wasserverlust. Da keine Wassernachleitung aus dem Boden existiert, müssen die Pflanzen sich auf den Gelegenheitserwerb von Wasser aus atmo-sphärischen Niederschlägen einstellen. Sonnen-Epiphyten haben daher stets besondere Einrichtungen zur Anpassung an einen gespannten Wasserhaus-halt, wie sie in ähnlicher Form auch bei Pflanzen trockener Bodenstandorte vorkommen. Damit tragen die Sonnenepiphyten - auch im Regenwald der Immerfeuchten Tropen - unverkennbar gewisse Züge von Xerophytismus: Darunter fällt zunächst der Verdunstungsschutz. Die Transpiration wird durch eine dicke Cuticula und gut funktionierende Spaltöffnungen bei Was-sermangel drastisch eingeschränkt. Vielfach besitzen diese Pflanzen auch nur wenige Spaltöffnungen pro Quadratmillimeter, ähnlich wie die Sukkulenten.

Page 284: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.8 Epiphyten und Epiphyllie 271

Bei den obligaten Epiphyten lassen sich zunächst äußere und innere

Wasserspeicher unterscheiden. Im ersteren Fall kommt es außerhalb der Pflanze zur Anlage von Wasserreservoiren: Untere Blätter oder Teile da-von formen dabei Auffangbehälter für Tropfwasser und Humusreste. Dazu gehören die Zisternen der Bromeliaceen. Die epiphytischen Formen, in de-nen die Vielzahl der Bromelien zusammengefasst wird und die die unteren Regionen der Urwaldbäume besiedeln, bilden durch Blattrosetten eine Zis-terne aus, die mehrere Liter Wasser fassen kann. Besonders die Blattunter-seiten im Zisternenbereich besitzen einen dichten Belag spezialisierter Saugschuppen. Dazu gehören Vriesea, Aechmaea, Guzmania, Nidulari-

um, Billbergia und viele Tillandsia-Arten. Die epiphytischen Formen hö-her entwickelter Bromelien haben keine Zisternen mehr. Sie sind wurzel-los, der ganze Spross ist bandförmig und mit Saugschuppen übersät, die überall Wasser aufnehmen können. Sie stellen den höchsten Grad der An-passung an die epiphytische Lebensweise dar. Paradebeispiel für solche Arten ist Tillandsia usneoides, die eine extreme Oberflächenvergrößerung und eine extreme Reduktion der Leitgewebe aufweist sowie keine Fähig-keit zur Wasserleitung mehr besitzt. Die Saugschuppen übernehmen die Funktion der Nährstoffaufnahme. Zu beachten ist hier die Konvergenz zu den Wasserpflanzen, die sich oft auch sekundär an den „Extremstandort“ Wasser angepasst haben. Da durch die Cuticula kein Wasser aufgenom-men werden kann, sind bei vielen Epiphyten unabhängig von den Wurzeln spezielle Wasseraufnahmeorgane entwickelt, im einfachsten Fall paren-chymatische, dünnwandige Zellen oder Zellgruppen in Form von Saughaa-ren oder Hydathoden, die aus der cutinisierten Epidermis oder verkorkten Knollenwand herausragen.

Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für die äußere Wasserspeiche-

rung ist das Urnenblatt von Dischidia rafflesiana, einer Asclepediacee aus den Mangrovenwäldern Queenslands (Abb. 9.31). Die Wasseraufnahme erfolgt hier durch dichte Filze von Adventivwurzeln.

Weiter verbreitet als die äußere ist die innere Wasserspeicherung. Da-zu bedarf es aber zunächst eines besonderen Modus effizienter Wasserauf-nahme. Eine spezifische Errungenschaft der Epiphyten ist ihre Fähigkeit zu äußerst rascher Wasseraufnahme, nicht nur durch die Wurzeln, sondern auch über alle oberirdischen Organe. Ihre Lebensweise zwingt die Epiphy-ten zu einer großen Vielfalt in der Wurzelbildung. Sie haben meist dreier-lei Wurzeln: • Echte Erdwurzeln, die das wenige Erdreich und die Humusreste durch-

ziehen, die sich etwa in den Astgabeln gesammelt haben, sind nur spär-lich entwickelt.

• Haftwurzeln dienen lediglich der Verankerung der Pflanze an ihrer Stütze beziehungsweise auf der Unterlage. Sie zeigen schon kurz nach

Page 285: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

272 9 Anpassungen der Pflanzen

Abb. 9.31. Dischidia rafflesiana, Ascle-piadaceae; Detail: Urnenblatt aufge-schnitten

der Ausbildung der Radicula zahlreiche Seitenwurzeln, die ebenfalls der Anheftung dienen.

• Luftwurzeln schließlich wachsen sparrig nach allen Richtungen und er-füllen über ihre spezielle Rhizodermis mit dem Velamen radicum eine besondere Aufgabe bei der Aufnahme von Wasser. Das Velamen radi-

cum ist eine Wurzelhülle, die aus luft- oder wassergefüllten, toten Zellen epidermalen Ursprungs besteht. Es ist meist 2- bis 12-schichtig aufge-baut und grenzt im Inneren der Wurzel an die Exodermis, wobei Durch-lasszellen für den Stoffaustausch zwischen Velamen und Wurzelrinde sorgen. Darüber hinaus sind sie auch in der Lage zu assimilieren. Physi-ognomisch erscheinen die Luftwurzeln weiß und grau. Bei der Aufnah-me von Wasser ergrünen sie sofort und die chlorophyllführenden tiefe-ren Wurzelschichten werden sichtbar.

Box 9.4. Wasseraufnahme durch ein Velamen radicum

Das Velamen radicum ist in der Lage, durch kapillare Saugkräfte Tau- und Regenwasser sehr rasch aufzunehmen, vorübergehend zu speichern und auf osmotischem Wege dann allmählich an die lebenden Zellen im Wurzelinne-ren abzugeben. Dabei kann man jedoch beobachten, dass einzelne spindel-förmige Flecken von etwa 2 bis 4 Millimetern Länge und 1 bis 2 Millimetern Breite weiß bleiben. Diese Gebilde sind die Pneumathoden, die dem Gas-austausch dienen und gewissermaßen die Rolle von Spaltöffnungen über-nehmen, wenn das Velamen mit Wasser gefüllt ist (Abb. 9.32).

Page 286: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.8 Epiphyten und Epiphyllie 273

Abb. 9.32. Velamen radicum, Exodermis und Teile der Wurzelrinde (links). Deut-lich erscheinen im lichtmikroskopischen Bild (rechts) die Durchlasszellen (400x, Sudan III-Färbung)

Ist das Wasser erst einmal in der Pflanze, erfolgt eine effiziente innere Wasserspeicherung. Oft wird bei den Epiphyten, so bei den Rubiaceae und Orchidaceae, das Wasser in Spross- oder Speicherknollen gespeichert. Die bis zu 30 Zentimeter dicken Sprossknollen, es handelt sich in diesem Fall um Hypocotylknollen, können in ihren inneren Hohlräumen beträchtliche Mengen an Wasser speichern (Myrmecodia, Abb. 9.33), gleichzeitig fin-den dort Ameisenvölker Unterschlupf. Die Wasseraufnahme erfolgt - ähn-lich wie bei manchen Hydrophyten - mit Hilfe von Hydropoten, die als spezialisierte Organe das Wasser osmotisch aufnehmen.

Abb. 9.33. Fast unscheinbar im Kronenbereich von australischen Mangrovenbäumen wachsen die Hypocotylknollen von Myrme-

codia beccarii, Rubiaceae, einer typischen Ameisenpflanze

Ein Großteil der Epiphyten speichert demgegenüber das Wasser auch in den Blättern. In den Blattquerschnitten von Myrmecodia, Hydnophytum und vielen Orchideen findet sich ein mächtig ausgebildetes, subepider-

Page 287: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

274 9 Anpassungen der Pflanzen

Box 9.5. Saugschuppen der Bromeliaceen

Sprosse von Tillandsia recurvata, die in regenarmen Winterperioden am na-türlichen Standort bis zu einem Wasserdefizit von 60 Prozent austrocknen, nehmen nach Besprühen bereits in der ersten Sekunde 10 bis12 Prozent des verlorenen Wassers kapillar wieder auf. Nach wenigen Minuten wird die Wasseraufnahme fortgesetzt, nach oft nur 10 Minuten waren etwa 20 Pro-zent, nach 2 Stunden 50 Prozent und nach 5 Stunden bereits 80 Prozent des ursprünglichen Wasserdefizits getilgt; die volle Aufsättigung dauert etwa 30 Stunden. Auf natürliche Verhältnisse übertragen bedeutet dies, dass ein ein-ziger Regentag genügt, um einen mehrwöchigen Wasserverlust zu ersetzen, und dass bereits ein kurzer Schauer für eine mittlere Wasserversorgung aus-reicht.

Mit derart leistungsfähigen Einrichtungen zur Aufrechterhaltung des Was-serhaushalts ausgestattet, haben sich zahlreiche Epiphytenarten, vor allem aus der Familie Bromeliaceae, weit außerhalb der immerfeuchten Waldgebiete ausgebreitet und finden sich in der offenen Tropenlandschaft, vielfach ge-häuft entlang von Straßen, dringen bis in geschlossene Siedlungen vor, reihen sich büschelförmig an Telegrafendrähten auf und besiedeln selbst den tro-ckensten Dornenbusch. Mit der vorgenannten Befähigung zu rascher Wasser-aufnahme und ihrem wirksamen Verdunstungsschutz können diese Pflanzen ohne Schwierigkeiten auch mehrmonatige Trockenzeiten überdauern.

Die Saugschuppen der Bromeliaceae sind der höchstentwickelte und lei-stungsfähigste Wasseraufnahmeapparat. Über ihren aus einem Kranz toter dünnwandiger Zellen bestehenden Schild wird in Sekundenschnelle Wasser durch Kapillarkräfte angesaugt, anschließend langsam an die lebenden Fuß-zellen und über sie an die Blatt- und Sprossgewebe weitergegeben.

Beispielhaft sind solche Saugschuppen bei der Bromeliacee Tillandsia us-

neoides ausgebildet (Abb. 9.34). Dabei handelt es sich um einen vollkommen wurzellosen Epiphyten, bei dem die gesamte Wasser- und Nährsalzaufnahme über die Oberfläche der Pflanze erfolgen muss.

Bei Tillandsia findet die Saugschuppenbildung in Form einer besonderen Haarbildung statt. Hier wird ein Schildhaar, die spätere Saugschuppe, da-durch gebildet, dass von einem gewissen Entwicklungsstadium ab nur noch mehrere radiale Zellteilungen stattfinden. Zunächst wird durch tangentiale Teilungen und Einsinken der so genannten Fußzelle ein „Stiel“ gebildet. Durch radiale Teilungen wird dann der Deckel mit dem Schild ausgebildet. Das fertige Haar zeigt den in Abb. 9.34 dargestellten Aufbau.

males oder zentral gelegenes, stark wasserhaltiges Parenchym, das den Blättern einen sukkulenten Habitus verleiht. Gleichzeitig sind die Leitbün-del häufig verkümmert, da kein langer Wasserweg zu überbrücken ist. E-benso wie viele Sukkulenten, die auf sparsamsten Wasserverbrauch einge-richtet sind, haben zahlreiche Sonnenepiphyten auch einen ähnlichen

Page 288: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.9 Halophyten 275

Gasaustausch mit diurnalem Säurerhythmus entwickelt: Kohlendioxid wird nur nachts durch die dann geöffneten Stomata in die Pflanzen aufge-nommen, zu organischen Säuren angereichert und tagsüber ohne Transpi-ration für die Photosynthese verarbeitet.

Abb. 9.34. Tillandsia usneoi-

des (Bromeliaceae) in den Mangroven der Everglades in Florida. Saugschuppe von T.

usneoides im Längsschnitt. In der Anfärbung mit Sudan III wird der Verlauf der Cutinisie-rung deutlich. Saugschuppe von T. usneoides, Querschnitt und Aufsicht, Detail

9.9 Halophyten

Der Begriff Halophyt leitet sich von „halas“, dem griechischen Wort für Salz, insbesondere Meersalz, ab. Den Halophyten stehen die Glykophyten gegenüber, deren Name sich aus „glykýs“, griechisch für süß, ergibt. Der Begriff Halophyten wurde im Jahre 1928 von Otto Stocker (1888-1979) geprägt. Er gibt eine ökologisch-standörtliche Definition, indem er jede Pflanze als Halophyt bezeichnet, die in irgendeinem Stadium ihres Lebens einer Salzwirkung ausgesetzt ist, die von der großen Masse der „norma-len“, glykischen Pflanzen nicht ohne Schaden ertragen wird. Somit wird deutlich, dass der Ausdruck „Halophyt“ für Pflanzen verwendet wird, die in Lebensräumen mit hoher Salinität vorkommen und ihren Lebenszyklus dort vollenden. Üblicherweise wird dieser Begriff nur für Pflanzen benutzt, die konstant und spezifisch in salzreichen Lebensräumen vorkommen.

Page 289: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

276 9 Anpassungen der Pflanzen

Salzpflanzen sind nicht nur weltweit an den Meeresküsten und im Brackwasser verbreitet, sondern können auch in Binnenregionen an ver-salzten Senken und Salzquellen auftreten. Heute können wir Halophyten folgendermaßen definieren: Halophyten sind Pflanzen, die auf Standorten mit einem Salzgehalt über etwa 0,5 Prozent eine Förderung ihrer Entwick-lung und Verbreitung erfahren. Des Weiteren bezieht sich der Begriff Ha-lophyt nicht ausschließlich auf Pflanzen, die eine erhöhten Konzentration an Natriumchlorid (NaCl) tolerieren, sondern er kann sich auch auf Pflan-zen mit einer Toleranz gegenüber Salzen wie Natriumsulfat (NaB2 BSOB4 B)) oder Calciumsulfat (CaSOB4 B) beziehen. Halophyten weisen zahlreiche morpho-logische und physiologische Anpassungen an ihre Standorte auf.

Vor allem Natrium ist für einige Halophyten von essentieller Bedeu-tung. Als Mikronährelement spielt es eine Rolle im CB4 B- und CAM-Stoffwechsel, jedoch nicht im CB3 B-Stoffwechsel. Es kann in bestimmten Si-tuationen auch als Ersatz für Kalium fungieren. In der Zelle liegt Natrium als Ion im Cytosol vor. Neben den bereits erwähnten Wirkungen auf den Wasserhaushalt, den Turgor und die Stomatabewegungen, kann es auch zur Aktivierung verschiedener Enzyme beitragen. Steigt der Salzgehalt in-nerhalb der Pflanze jedoch, wirkt sich Natriumchlorid auf die Konformati-on von Enzymen aus. Es kann dann zu Fällungen oder partieller Denaturie-rung von Proteinen und damit zu Strukturänderungen von Organellen und Membranen kommen. Änderungen im Stoffwechsel können ebenfalls auf-treten. Da das Natrium-Ion sich mit einer vergleichsweise großen Hydrat-hülle umgibt, sind Störungen in molekularen Wasserstrukturen im Cy-toplasma möglich. Große Probleme ergeben sich für die Pflanze besonders dann, wenn sich die Bodensalinität auf einen Wert über 0,5 Prozent erhöht.

Als obligate Halophyten werden solche Pflanzen bezeichnet, die aus-schließlich an Salzstandorten wachsen und durch eine mäßige Salzauf-nahme eine Wachstumsförderung erfahren. Sie werden auch Euhalophy-

ten genannt und benötigen zumindest während eines Abschnitts ihrer Lebensphase erhöhte Salzmengen. Dadurch besitzen diese Pflanzen an ih-ren Standorten Konkurrenzvorteile gegenüber anderen Arten. Viele Che-nopodiaceen gehören hierher. Ein gutes Beispiel ist der Queller, der heute taxonomisch in mehrere Arten, vor allem Salicornia ramosissima, Salicor-

nia brachystachia und Salicornia stricta, aufgegliedert wird (Abb. 9.35). Fakultative Halophyten sind solche Pflanzen, die zwar ausschließlich

Salzböden besiedeln, deren physiologisches Optimum aber im salzfreien oder zumindest salzarmen Milieu liegt. Erhöhte Salzkonzentrationen wer-den lediglich toleriert. Der Grund für die Besiedlung salzhaltiger Standorte liegt darin, dass die Pflanzen hier praktisch konkurrenzlos wachsen kön-nen, wogegen sie auf salzfreien Böden schnell dem Konkurrenzdruck der Glykophyten erliegen. Zahlreiche Poaceen, wie zum Beispiel Spartina

Page 290: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.9 Halophyten 277

anglica, Cyperaceen und Juncaceen gehören zu dieser Gruppe. Standort-

indifferente Halophyten wiederum können noch auf Salzböden wachsen, man findet sie aber in der Regel an salzfreien Standorten. Bei ihnen lassen sich häufig sogar genetische Unterschiede zwischen solchen Populationen finden, die halophytisch, und solchen, die glykophytisch wachsen.

Glykophyten schließlich finden an allen Salzstandorten mit Salz-Konzentration höher als 0,5 Prozent auf Dauer keine Möglichkeit zu über-leben.

Abb. 9.35. Salicornia stricta in herbstlicher Rotfärbung auf Grund der hohen Anthocyananreicherung im Laufe des Abbaus von Chlorophyll

Betrachtet man Küstenstandorte in humiden Regionen, fällt erwartungs-gemäß auf, dass mit zunehmender Entfernung vom Meer eine deutlich zu-nehmende Anzahl von Glykophyten zu finden ist. Durch Regen wird hier das Salz aus dem Boden ausgewaschen und die Konzentration des Salzes nimmt mit wachsender Entfernung zum Meer ab.

In ariden Gebieten hingegen ist die Situation genau umgekehrt. Da die Regenfälle dort vergleichsweise gering sind, wird das Salz nicht aus dem Boden ausgewaschen, sondern lagert sich durch Verdunstung des Meer-wassers in höheren Konzentrationen im Boden ab. Da hinter dem Spül-saum keine Auswaschung durch Meerwasser erfolgt, steigt die Salzkon-zentration im Boden hier deutlich über die Konzentration des Meerwassers an. Infolgedessen sind dort die obligaten Halophyten in einiger Entfernung

Page 291: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

278 9 Anpassungen der Pflanzen

zum Wasser zu finden. Natürlich nimmt auch hier der Salinitätsgrad ab ei-ner bestimmten Entfernung vom Meer wieder ab.

Box 9.6. Salz als Stressfaktor

Alle Lebewesen benötigen in gewissen Mengen verschiedene Salze. Aller-dings ist dabei die Menge von Bedeutung; Salze können für jede Pflanze schnell zu einem Stressfaktor werden. Da das Wasser in salzhaltigen Böden sehr stark osmotisch gebunden ist, kann die Pflanze keine wirksame Saug-spannung aufbauen, die es ihr ermöglicht, Wasser aufzunehmen. Pflanzen auf Salzstandorten sind daher einer physiologischen Trockenheit ausgesetzt. Durch die Störung der Wasseraufnahme ist aber gleichzeitig auch die Auf-nahme essentieller Mineralstoffionen gestört. Dadurch können sich Pflanzen nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgen. Um Wasser aufnehmen zu können, erhöht die Pflanze die Salzkonzentration in den Zellen soweit, dass das Wasserpotential in der Pflanze negativer ist als im Boden.

Um der toxischen Wirkung zu hoher Salzkonzentrationen in der Pflanze entgegenzuwirken, werden in den Zellen osmotisch wirksame, aber nicht to-xische Stoffe eingelagert, so dass der osmotische Druck in der Pflanze größer bleibt als im Boden und somit eine Saugspannung entsteht. Ionen, wie zum Beispiel Natrium, Chlor, Calcium oder Magnesium besitzen in zu hoher Konzentration eine toxische Wirkung auf lebenswichtige Enzyme, wie PEP-Carboxylase, RubisCo und Nitratreduktase, die eine entscheidende pflanzen-physiologische Rolle bei der Aufnahme von Kohlendioxid spielen. Ohne die-se Enzyme kommen grundlegende Wachstumsvorgänge und damit der ge-samte Stoffwechsel in der Pflanze zum Erliegen. Die meisten Enzyme von Halophyten sind folglich genauso empfindlich gegenüber hohen Salzkonzent-rationen wie die der Glykophyten. Halophyten haben daher eine Methode entwickelt, mit der sie die schädlichen Salzionen vom Cytosol ihrer Zellen fernhalten. Die Pflanzen erreichen dies durch selektive Kompartimentierung, indem das aufgenommene Salz in erster Linie in der Vakuole gespeichert und somit ein negativer Einfluss etwa auf Chloroplasten verhindert wird.

Bei dem Begriff Salinität wird zumeist an Kochsalz gedacht, also Natri-umchlorid. Es lassen sich viele der Aussagen, die für Natriumchlorid zutref-fen, aber auch auf andere Salze übertragen, die ebenfalls Einfluss auf die Ent-wicklung von Pflanzen haben. Zu nennen wären etwa Calciumchlorid, Magnesiumchlorid, Natriumsulfat oder Magnesiumsulfat. Natriumchlorid ist vor allem an den Küsten von Bedeutung, während in Steppen und Wüstenge-bieten alkalisch wirkende Sulfate und Carbonate von Magnesium, Natrium und Calcium verbreitet sein können.

Salzakkumulation und Salzelimination in den Halophyten erfolgen mei-stens über Salzdrüsen. Sie dienen der Entfernung von Salzen aus dem Stoffwechsel der Pflanzen, um die Menge in der Pflanze gering zu halten.

Page 292: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.10 Pyrophyten 279

Bereits erwähnt wurde, dass die Evolution der Halophyten konvergent ver-laufen ist und Halophyten aus unterschiedlichen Pflanzenfamilien stam-men, weshalb von einer konvergenten Entwicklung der Salzdrüsen unter-schiedlicher Familien gesprochen werden kann. Es handelt sich also um polyphyletisch entstandene ökomorphologische Anpassungen. Hervorge-gangen sind sie aus bereits vorhandenen Strukturen glykophytischer Vor-läufer der Halophyten, etwa Drüsenhaaren oder zweizelligen Haaren.

Salzdrüsen, die in der Epidermis liegen, entziehen den Mesophyllzellen durch Plasmodesmen Natriumchlorid (Abb. 9.36). Durch aktive Sekretion pumpen die Drüsenzellen das Chlorid nach außen, der NatriumP-Transport erfolgt als passiver Export. Die Ionenpumpe ist in der Plasmamembran lo-kalisiert. Die Energie für den aktiven Transport wird durch die Zellatmung der in den Drüsenzellen reichhaltig vorhandenen Mitochondrien geliefert.

Abb. 9.36. Detailaufnahme eines Querschnitts durch einen Salzdrüsenkomplex des Strandflieders Limonium vulgare, Plumbaginaceae, bei 1000facher Vergröße-rung und gefärbt mit Sudan III

9.10 Pyrophyten

In vielen Regionen der Erde ist Feuer ein wichtiger ökologischer Faktor für die Entwicklung und die Artenzusammensetzung der Vegetation. Das gilt insbesondere für die Vulkangebiete, wo Feuer nach Vulkanausbrüchen zum natürlichen Geschehen gehören. Sogar ganze Biome verdanken dem Feuer ihr bekanntes Erscheinungsbild: Savannen, semiarides Buschland, Prärien, mediterrane Macchien und Garigues und auch die borealen Na-delwälder. Natürliche Auslöser sind hier meist Blitze. Die meisten Pflan-zenarten in diesen Lebensräumen sind speziell an die Wirkungen des Feu-ers angepasst, und für einige von ihnen ist das Feuer sogar existenziell. Solche „Feuerspezialisten“ nennen wir Pyrophyten, und die Anpassungs-

Page 293: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

280 9 Anpassungen der Pflanzen

syndrome werden als Pyrophytismus bezeichnet. Pyrophyten haben oft langlebige Samenbanken im Boden oder in den langlebigen Zapfen und Früchten der Baumkronen, wie wir es beispielsweise von der Kanarischen Kiefer Pinus canariensis oder den australischen Proteaceen der Gattungen Banksia und Grevillea kennen (Abb. 9.37). Diese öffnen sich erst unter der Wirkung des Feuers, die Samen werden erst nach dem Brand ausgestreut und erreichen dann ihre volle Keimfähigkeit.

Abb. 9.37. Eine aus Lignotubern ausschlagende Banksia nach einem Brand in der Nähe von Sydney in Australien (links). Die verholzten Fruchtstände entlassen die Samen nur, wenn sie durch Feuer zur Öffnung angeregt worden sind (rechts)

Der Pyrophytismus zeigt sich in vielfältigen Überlebensstrategien: Viele Pflanzen treiben nach einem Feuer immer wieder aus; sie besitzen zur Re-generation befähigte Sekundärmeristeme unter schützenden Borken oder generell unterirdische Apikalmeristeme, vor allem die Gräser und viele Geophyten. Bei Horstgräsern und Rosettenpflanzen wirken häufig „Stroh-mäntel“ aus abgestorbenen Blättern als Feuerschutz.

Viele Pflanzen speichern auch einfach soviele Reservestoffe im Stamm, dass sie nach einem Brand sofort wieder austreiben, wie wir es von den australischen „Grasbäumen“ der Gattungen Xanthorrhoea, Kingia und Da-

sypogon und einigen Baumfarnen der Gattungen Cyathea und Dicksonia kennen. Manche Pflanzen besitzen Lignotuber, das sind durchschnittlich 5 bis 60 Zentimeter große verholzte Anschwellungen der unteren Interno-dien im Bereich der Cotyledonen, der Primärblätter inklusive der Wurzel-hälse. Diese werden als Xylopodien bezeichnet. Manchmal hilft auch nur die „Verlagerung“ von Vegetationsmeristemen in die Erde, da der Boden

Page 294: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

9.11 Literatur 281

als guter Isolator gegen die Feuerhitze fungiert, wie wir es von den Ge-ophyten und den vielen Zistrosen aus dem Mittelmeergebiet her kennen.

Obligatorische Feuerzyklen variieren zwischen jährlich in der Savanne, einem Zeitraum von 30 bis 40 Jahren in den mediterranen Zonobiomen bis zu mehrhundertjährigen Abständen im borealen Wald. Entzündbare Streu- und Strauchschichten der Wälder oder leicht entflammbare Papierborken beispielsweise bei den australischen Melaleuca- und Eucalyptus-Bäumen begünstigen das Brennen. Hier entstehen die häufigen Brände mit so ge-nannten durchziehenden Grundfeuern von etwa 100 Grad Celsius am Bo-den und 500 Grad Celsius in einem Meter Höhe und den destruktiven Kro-nenfeuern mit Temperaturen über 1000 Grad Celsius mit Vernichtung aller Holzgewächse.

9.11 Literatur

Addo-Bediako A, Chown SL, Gaston KJ (2000) Thermal tolerance, climatic variability and latitude. Proc R Soc Lond B 267, 739–745

Adriani MJ (1958) Halophyten. In: Ruhland W (Hrsg) Handbuch der Pflanzenphysiologie Bd IV: 709-736. Springer, Berlin Göttingen Heidelberg

Akhani H, Barroca J, Koteeva N, Vozenesenkaya E; Franceschi V; Edwards G; Ghaffari SM; Ziegler H (2005) Bie-

nertia sinuspersici (Chenopodiaceae) - A new species from southwest asia and discovery of a third terrestrial C[4] plant without kranz anatomy. Systematic Botany 30, 2: 290-301

Barkman JJ (1958) Phytosociology and ecology of cryptogamic epiphytes. Van Gorcum, Assen. Barthlott W, Porembski S, Seine R (2004) Karnivoren. Ulmer, Stuttgart Berger S, Söhlke G, Walther GR, Pott R (2007) Bioclimatic limits and range shifts of cold-hardy evergreen broadl-

leaved species and their northern ditributional limit in Europe. Phytocoenologia 37 Berner EK, Berner RA (1996) Global environment: Water, Air, and Geochemical Cycles. Prentice-Hall, Upper Sad-

dle River/NJ Buchanan BB, Gruissem W, Jones RL (2002) Biochemistry & Molecular Biology of Plants. Am Soc of Plant Physiol,

Rockville Caemmerer S von, Farquhar GD (1981) Some relationships between the biochemistry of photosynthesis and the gas

exchange of leaves. Planta 153: 376-387 Chuong, SD, Franceschi VR, Edwards GE (2006) The cytoskeleton maintains organelle partitioning required for sin-

gle-cell C4 photosynthesis in Chenopodiaceae species. Plant Cell 18: 2207-2223 Cushman JC, Borland AM (2002) Induction of Crassulacean Acid metabolism by water limitation. Plant Cell Environ

25: 295-310 Ehrlen J, Eriksson O (2000) Dispersal limitation and patch occupancy in forest herbs. Ecology 81: 1667-1674 Endler JA (1986) Natural Selection in the World. Princetown Univ Press, Princetown/NJ Ernst WHO (1996) Schwermetalle. In: Brunold C, Rüegsegger A, Brändle R (Hrsg): Stress bei Pflanzen. 191-219.

UTB Haupt, Bern Wien Foster BL (2001) Constraints on colonization and species richness along a grassland productivity gradient: the role of

propagule availability. Ecology Letters 4, 530-535 Franzen D (2004) Plant species coexistence and dispersion of seed traits in a grassland. Ecography 27, 218-224 Graham LE, Graham JM, Wilcox LW (2006) Plant Biology. 2nd ed. Pearson Education, Upper Saddle River/NJ Gurevitch J, Scheiner SM, Fox GA (2002) The Ecology of Plants. Sinauer, Sunderland/MA Howe HF, Smallwood J (1982) Ecology of seed dispersal. Ann Rev Ecol Syst 13: 201-228 Huston MA (1994) Biological diversity: the coexistence of species in changing landscapes. Cambridge Univ Press,

Cambridge Iversen J (1944) Viscum, Hedera and Ilex as climate indicators. Geol Förens Förhandl 66: 463-483 Jäger EJ (1972) Comments on the history and ecology of continental European plants. In: Valentine DH (ed): Taxo-

nomy, phytogeography and evolution, 349-362. London Jäger EJ (1995) Klimabedingte Arealveränderungen von anthropochoren Pflanzen und Elementen der natürlichen Ve-

getation. Angew Landschaftsökol 4: 51-57 Jones HG (1992) Plants and Microclimate – A Quantitative Approach to Environmental Plant Physiology. Cambridge

Univ Press, Cambridge

Page 295: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

282 9 Anpassungen der Pflanzen

Juniper BE, Robins RJ, Joel DM (1989) The carnivorous plants. Academic Press, London Keller R (1961) Gewässer und Wasserhaushalt des Festlandes. Haude & Spener, Berlin Kerner von Marilaun A (1863) Das Pflanzenleben der Donauländer. Innsbruck Kinzel H (1982) Pflanzenökologie und Mineralstoffwechsel. Ulmer, Stuttgart Knull U (2000) Grundriss der Allgemeinen Botanik. 2. Aufl. Spektrum, Heidelberg Berlin Koch GW, Sillett SC, Jennings GM, Davis SD (2004) The limits to tree hight. Nature 428: 851-854 Kramer PJ (1981) Carbon dioxide concentration, photosynthesis and dry matter productive. Bioscience 31: 29-33 Kramer PJ, Boyer JS (1995) Water Relations of Plants and Soils. Academic Press, New York Kutschera L, Lichtenegger E (2002) Wurzelatlas mitteleuropäischer Waldbäume und Sträucher. Stocker, Wien Lal R (1987) Tropical ecology and physical edaphology. Wiley, Chichester Lampert W, Sommer U (1999) Limnoökologie. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart Landolt E (1986) The family of Lemnaceae – a monographic study. Vol I: Biosystematic investigations in the family

of duck weeds (Lemnaceae). Veröff Geobot Inst Zürich 71: 1-566 Lange OL, Lösch R, Schulze ED, Kappen L (1971) Responses of stomata to changes in humidity. Planta 100: 76-86 Lange OL, Nobel PS, Osmond CB, Ziegler H (1982) Physiological Plant Ecology II: Water relations and carbon as-

similation. Springer, Heidelberg Larcher, W (1994): Ökophysiologie der Pflanzen. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart Maximor NA (1929) The Plant in Relation to Water. Allen & Unwin, London Nabors WM (2004) Introduction to Botany. Pearson, San Francisco Boston New York Nultsch W (2001) Allgemeine Botanik. 11. Aufl. Thieme, Stuttgart Pott R (1990) Die nacheiszeitliche Ausbreitung und heutige pflanzensoziologische Stellung von Ilex aquifolium L.

Tuexenia 10: 497-512 Pott R, Hüppe J, Wildpret de la Torre W (2003) Die Kanarischen Inseln: Natur- und Kulturlandschaften. Ulmer,

Stuttgart Pott R, Remy D (2000) Gewässer des Binnenlandes. Ulmer, Stuttgart Raven JA (2002) Selection pressures on stomatal evolution. New Phytol 153: 371-386 Raven PH, Evert RF, Eichhorn SE (1999) Biology of Plants. 6th ed. Freeman, New York Reimold RJ, Queen W (1974) Ecology of halophytes. Academic Press, New York Richter G (1996) Biochemie der Pflanzen. Thieme, Stuttgart New York Schmithüsen, J (1968): Allgemeine Vegetationsgeographie. Obst, Berlin Schopfer P, Brennicke A (1999) Pflanzenphysiologie. 5. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg New York Schröder, FG (1998): Lehrbuch der Pflanzengeographie. Quellen & Meyer, Heidelberg Schultz, J (2000) Handbuch der Ökozonen. Ulmer, Stuttgart Selaya-Garvizú NG (2007) Light interception and carbon gain in a secondary tropical forest succession. Promab Sci-

entific Ser 11: 9-158 Sitte P, Weiler EW, Kadereit JW, Bresinsky A, Körner C (2002) Strasburger, Lehrbuch der Botanik. 35. Aufl. Spekt-

rum, Heidelberg Berlin Sperry JS, Hackl UG, Wheeler JK, Sikkema EH (2005) Torus-Margo Pits help Conifers compere with Angiosperms.

Science 23, 310: 1924 Steubing L, Fangmeier A (1992) Pflanzenökologisches Praktikum. Ulmer, Stuttgart Stocker O (1928) Der Wasserhaushalt ägyptischer Wüsten- und Salzpflanzen vom Standpunkt einer experimentellen

und vergleichenden Pflanzengeographie aus. Fischer, Jena The Biology Project. http://www.biology.arizona.edu/biochemistry/tutorials/chemistry/page3.html, vom 10.11.2005 Thienemann A (1939) Grundzüge einer Allgemeinen Ökologie. Archiv Hydrobiologie 35: 267-285. Walter H (1968) Die Vegetation der Erde in ökophysiologischer Betrachtung. Bd II: Die gemäßigten und arktischen

Zonen. Fischer, Jena Stuttgart Warming E (1909) Oecology of plants. An introduction to the study of plant communities. Oxford, Clarendon

Page 296: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10 Reaktionen der Pflanzen auf die

Veränderlichkeit des Standorts

Die Gesamtheit der Einwirkungen der Außenwelt auf die Pflanze bezeich-net man als Standort. Dieser Begriff darf nicht mit dem Terminus Fund-

ort verwechselt werden. Die Bezeichnung Standort hat also in der geobo-tanischen Terminologie einen streng festgelegten Sinn. Somit können wir die Synökologie auch als Standortlehre definieren (Abb. 10.1).

Abb. 10.1. Indirekt und direkt wirkende Standortfaktoren (verändert nach Ellen-berg 1968)

Bei Pflanzen besteht eine enge, bei Tieren eine etwas lockerere Bindung an den Standort. Der Standort ist ein bestimmter Geländeausschnitt mit der Gesamtheit aller dort wirksam werdenden äußeren Bedingungen. Tiere

Page 297: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

284 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

können sich nacheinander an mehreren Standorten aufhalten. Sie verbin-den auf Wanderungen, wie auf dem Vogelzug, verschiedene Ökosysteme; unter anderem daran zeigt sich, dass Ökosysteme offen sind. Der Standort wird deshalb von zahlreichen Parametern oder Faktoren geprägt. Sie müs-sen das Leben und Überleben der Lebewesen am Standort gewährleisten. Am Standort herrscht Konkurrenz zwischen und innerhalb einzelner Ar-ten, welche die am besten an die jeweiligen Standortbedingungen ange-passten Individuen einer Art fördert und sich durch das „Survival of the

fittest“ auszeichnet (Abb. 10.2). Standortbedingungen sind nicht konstant; daher werden auch nicht stets die gleichen Individuen gefördert.

Abb. 10.2. Haushohe Vulkanschlote und Kraterhänge aus Vulkangestein auf der westlichsten Azoreninsel Flores sind mit meterdicken Sphagnum-Torf-moosdecken bekleidet, welche die Ele-mente der Baumheide-Gesellschaften des Fayal-Brezal unter sich begraben. Hier können die ombrotraphenten Torfmoose wegen ihrer Wasserspei-cherkapazität solche dominanten Vege-tationsstrukturen ohne Konkurrenz an-derer Arten bilden

Wir wollen nachfolgend die Phänomene der Pflanzenverbreitung und ih-

rer Ursachen, der Verbreitungsbedingungen sowie der Interaktionen von Pflanze-Klima-Boden als integrierende Kräfte behandeln und deren Funk-tion für die Ökosysteme an einigen Beispielen kennen lernen.

10.1 Abiotische und biotische Faktorenkomplexe

Der Standort einer Pflanze setzt sich aus einer Fülle von einzelnen Fakto-ren der Außenwelt zusammen, und ihnen kommt für die Artenauslese und

Page 298: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts 285

Zusammensetzung einer Pflanzengesellschaft die Schlüsselrolle zu: Die jeweiligen Standortbedingungen sind sowohl exogener als auch endoge-

ner Natur, das heißt, sie wirken einmal von außen her auf die Pflanzenge-sellschaften ein und zum anderen von innen her, aus der Pflanzengesell-schaft selbst. Sie werden folgendermaßen differenziert (Tab. 10.1):

Tabelle 10.1. Standortbedingungen (nach Pott 1995)

exogen endogen

klimatische Faktoren

(Niederschläge, Temperatur, Wind etc.)

Konkurrenz und Koexistenz

(Wettbewerb um Raum, Nahrung, Wasser und Energie)

edaphische Faktoren

(physikalische und chemische Boden- beschaffenheit)

Abhängigkeit

(z. B. Licht- und Schattenpflanzen)

anthropo-zoogene Faktoren

(Einwirkungen von Mensch und Tier)

Anpassung

(z. B. zeitlich komplementäre Geophyten)

Duldung

(z. B. Kommensalismus)

Die exogenen Faktoren wie Licht und Temperatur bestimmen, welche

Pflanzenarten an einem bestimmten Ort wachsen können und welche nicht, das heißt, sie begrenzen den Rahmen der Wachstumsmöglichkeiten im Ge-lände. Die endgültige Auswahl der Arten einer Gesellschaft bestimmen sie in der Regel aber nicht. Dafür sind die endogenen Faktoren verantwort-lich, jene Kräfte, welche die Pflanzen selbst besitzen und entfalten, um das Leben in der Gemeinschaft zu regulieren. Aus der Vielzahl von zufälligen Arten, die aufgrund der exogenen Faktoren beispielsweise auf neu ge-schaffenen Wuchsplätzen wie Brachäckern, Ruderalstellen oder Gärten wachsen können, bleibt im Endeffekt nur ein Bruchteil von bestimmten Arten zurück. Exogene Einflüsse der unbelebten Umwelt auf den Orga-nismus bezeichnet man auch als abiotische Faktoren; Einflüsse, die von anderen Lebewesen ausgehen, nennt man biotische Faktoren.

Aus der zufälligen primären Artenkombination entwickelt sich also un-ter dem Einfluss der endogenen Faktoren die bestimmte, gesetzmäßige

Artenkombination. So treiben die Knollen-, Wurzel-, Rhizom- und Zwie-belgeophyten in unseren Buchenwäldern schon im zeitigen Frühjahr aus. Sie blühen und fruchten, bevor die Buche ihr sommerliches, schattiges Kronendach entwickelt. Diese Pflanzen sind also zeitlich komplementär in

Page 299: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

286 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

das Ökosystem Buchenwald eingenischt. Welcher von beiden Kräftegrup-pen im Endeffekt für die Bildung der Pflanzengesellschaften nun die wirk-samere Bedeutung zukommen, hängt von der Einseitigkeit oder Vielseitig-keit der exogenen Faktoren ab. Sind die exogenen Faktoren einseitig, überwiegend also ein Faktor als Extremfaktor, dann sind sie am meisten für die Auslese der Pflanzenarten in der Gesellschaft verantwortlich, so wie wir es von extremen Halophytengesellschaften, Primärdünengesell-schaften der Meeresküsten oder alpinen Rasengesellschaften kennen. Sind dagegen die Außenfaktoren vielseitig, kommt den endogenen Faktoren die Hauptauslese für die jeweilige Pflanzengesellschaft zu.

Wir sind bei ökologischen Labor- und Geländeuntersuchungen also ge-zwungen, jede Faktorengruppe meist zunächst getrennt für sich zu behan-deln und in ihrer Wirkung auf die Pflanzenwelt zu untersuchen. In Wirk-lichkeit tritt aber im Leben der Pflanze ein ganzer Faktorenkomplex wirksam in Erscheinung, und die einzelnen Faktoren stehen zueinander in vielfacher Wechselwirkung. Die Wirkung jedes einzelnen Faktors wird demnach vom Zusammenwirken aller Faktoren beeinflusst. Wenn wir auch im Folgenden die Einwirkungen einzelner Faktoren auf die Pflanzen nach-einander abhandeln, so müssen wir diese Tatsache der komplexen Interak-tion immer berücksichtigen und bedenken.

10.2 Arealbildung

Die Ursachen-Komplexe für die Verbreitung von Pflanzenarten und die jeweilige Arealabgrenzung durch Minimum-Temperaturen, durch man-gelnde Sommerwärme, winterliche Tiefsttemperaturen oder zu geringe Niederschläge haben wir inzwischen mehrfach gesehen. Dabei werden verschiedene Arealtypen – also Gruppen von Pflanzensippen mit ähnli-cher Arealform – oder Geoelemente, das sind Arten mit ähnlichen Verbreitungsschwerpunkten in bestimmten Florenregionen oder Florenrei-chen, beispielhaft erwähnt.

Die Lebensäußerungen der Organismen folgen annähernd einer Opti-

mumskurve (Abb. 10.3), bei der die jeweils empfindlichsten Lebenssta-dien den Erhalt und die Ausbreitung von Arten begrenzen. Das physiolo-

gische Verhalten einer Art ist der Bereich eines Standortfaktors, den die Art in kontrollierten Experimenten in Reinkultur ohne Konkurrenz durch andere Arten toleriert. In der englischsprachigen Fachliteratur wird dieses als „Fundamental niche“ bezeichnet. Das ökologische Verhalten einer Art ist der Bereich eines Standortfaktors, in dem die Art auch bei Konkurrenz durch andere Arten tatsächlich vorkommt, das ist die „Realized niche“. Die

Page 300: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.2 Arealbildung 287

Abbildungen 10.3 bis 10.6 geben die Abhängigkeiten von Eibe (Taxus

baccata), Buche (Fagus sylvatica) und der Küstenheide (Erica cinerea) von der Trophie des Standortes oder ihrer jeweiligen Höhenlage im Gebir-ge und deren Konkurrenzverhalten im Gelände wieder: Die ökologische Potenz ist von Art zu Art verschieden groß; der Bereich, in dem diese op-timal gedeihen, wird als Vorzugsbereich oder auch als physiologisches

Optimum bezeichnet.

Abb. 10.3. Physiologisches und ökologisches Verhalten derselben Pflanzenarten (nach Ellenberg 1953). Schematisches Diagramm der physiologischen und ökolo-gischen Wachstumskurve von Taxus baccata in der Konkurrenz zur Buche. Im Hintergrund: Taxus baccata-Wald mit Taxus-Früchten (Detail)

Wird der Minimal- oder Maximalwert eines Faktors überschritten, ist die Grenze der Toleranz erreicht. Häufig werden jedoch die Verhältnisse dadurch kompliziert, dass die einzelnen Faktoren nicht unabhängig von-einander wirken: So ist beispielsweise die Fähigkeit zur Wasserspeiche-rung im Boden abhängig von dessen Beschaffenheit, seiner Körnung und chemischen Zusammensetzung. Sein Wassergehalt beeinflusst wiederum den Wärmehaushalt: Nasser Boden erwärmt sich langsamer als trockener, speichert also mehr Wärme und leitet diese auch besser weiter. Der Tole-ranzbereich einer Art, also ihr physiologisches Optimum, muss in der Na-tur nicht ihrem ökologischen Optimum entsprechen, wie wir es in Abb. 10.3 am Beispiel der Eibe gesehen haben. Grund dafür ist die Konkurrenz um Nährstoffe und Raum mit anderen Arten.

Page 301: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

288 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

Abb. 10.4. Das physio-logische und ökologi-sche Optimum der Bu-che (Fagus sylvatica) findet sich auf ausgegli-chenen Standorten. Auf feuchten Böden ist die Buche edaphisch einge-engt und wird von feuch-tigkeitsliebenden Baum- und Gehölzarten ver-drängt. Das potentielle bzw. physiologisch be-dingte Areal der Buche ist also größer als ihr ö-kologisch bedingtes, wirkliches Areal

Abb. 10.5. Wechsel des Höhengradienten von Erica cinerea mit ab-nehmender Ozeanität von Madeira im Atlanti-schen Ozean bis zu den Faröern im europäischen Nordmeer

Page 302: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.2 Arealbildung 289

Abb. 10.6. Höhenverbreitung von Rotbuche (Fagus sylvatica) in einem schemati-schen Nord-Süd-Profil von Südskandinavien bis zum Apennin (nach Ellenberg 1963). Die Geobotaniker Erna und Heinrich Walter (1952) bezeichnen dieses Phä-nomen des Standortwechsels in unterschiedlichen Klimaregionen als „Relative Standortskonstanz und Biotopwechsel“: „Wenn in der Richtung zur Verbreitungs-grenze einer Art das Klima sich in bestimmter Weise ändert, dann tritt bei der Art ein Biotopwechsel ein, durch den die Klimaänderung möglichst kompensiert wird, so dass die Standortbedingungen (...) mehr oder weniger konstant bleiben.“

Abb. 10.7. Verbreitung von Buchenwäldern in Europa. Detail links Fagus sylvati-

ca, rechts Fagus orientalis, in roter Ellipse das Verbreitungsgebiet von F. orienta-

lis (Kartographie nach Bohn et al. 2003)

Page 303: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

290 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

In fast allen bisher untersuchten Fällen hat sich herausgestellt, dass der Konkurrenzdruck eine Verschiebung des ökologischen Optimums gegen-über dem physiologischen bewirkt und dass das natürliche Vorkommen ei-ner Art nur selten direkt und allein durch exogene Standortfaktoren be-stimmt wird. Diese beeinflussen meist die Verbreitung nur indirekt, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit verändern.

Die großen Differenzen, die offenbar bei vielen Arten zwischen poten-tiellem und tatsächlichem Areal bestehen, machen das Problem verständ-lich, aus einem Verbreitungsbild Schlüsse auf das ökologische Verhalten einer betreffenden Art ziehen zu wollen.

Mit der Feststellung der Verbreitung einer Pflanzenart drängt sich un-willkürlich die Frage auf, weshalb eine Pflanze nun gerade dieses Gebiet besiedelt, an anderer Stelle aber fehlt. Auf unser Beispiel der Abb. 10.7 bezogen: Warum dominiert Fagus sylvatica in ganz Europa und warum ist das Areal von Fagus orientalis in Europa auf die Region um das Schwarze Meer beschränkt? Wir fragen hier nach dem „Warum der Verbreitung“ und kommen damit auf die Verbreitungsursachen, die einmal florenge-schichtlich, zum anderen aber auch ökologisch bedingt sein können.

Es stellen sich dabei die beiden Grundfragen: „Ist die Pflanze im Zuge ihrer Ausbreitung überhaupt nicht an diesen Ort gelangt, oder fehlen hier die grundsätzlichen Lebensbedingungen?“ Sie kann auch, wenn sie schon einmal vorhanden war, im Laufe früherer erdgeschichtlicher Epochen durch Aussterbeprozesse schnell oder durch ungünstige klimatische Ver-änderungen recht langsam wieder ausgelöscht worden sein, wie wir es bei den Auswirkungen der Eiszeiten ja mehrfach auf der Erde erlebt haben.

In der Regel spannen die Außenfaktoren, wie Klima und Boden, nur den großen Rahmen der Wachstumsmöglichkeiten für die einzelnen Pflanzen-arten. Sie bestimmen meist, ob die Pflanzen an bestimmten Orten über-haupt wachsen können oder nicht. Ob sie nun auch an allen Stellen, wo es die Außenfaktoren ermöglichen, in Wirklichkeit vorkommen, ist eben die Frage der Konkurrenz unter den Pflanzenarten selbst.

Unter Konkurrenz versteht man den Wettbewerbskampf der einzelnen Arten um Raum, Nahrung, Wasser und Energie.

Die Konkurrenzkraft der einzelnen Arten spielt hinsichtlich der Begren-zung der Pflanzenareale demnach eine ganz entscheidende Rolle. Wir un-terscheiden die Konkurrenz zwischen verwandten Arten gleicher geneti-scher Herkunft in einer Population vor Ort, die intraspezifische

Konkurrenz, von dem Wettbewerb zwischen genetisch verschiedenen Ar-ten, der interspezifischen Konkurrenz, oder aber auch nur das „gegensei-tige Dulden“, die Koexistenz im Lebensraum. Wir müssen also theoretisch

Page 304: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.2 Arealbildung 291

unterscheiden zwischen einem potentiellen Areal, das die Pflanzen auf Grund ihrer ökologischen Konstitution besiedeln können, und einem tat-sächlichen, realen Areal (Abb. 10.8).

Abb. 10.8a-c. Arealtypen: a geschlossenes Areal, b disjunktes Areal, c Hauptareal mit Exklaven und Vorposten

Wie wir schon gesehen haben, sieht letzteres meist ganz anders als das theoretisch mögliche Areal aus und ist durch die Konkurrenz der Arten ge-genüber dem ersteren meist wesentlich verkleinert. Die konkurrenzbeding-te Einengung einer Pflanzenart kann somit auf zwei Wegen erfolgen:

• Von der Peripherie her: Das gibt es insbesondere bei klimatisch be-dingten Arealen, wie wir es bei borealen Arten in Mitteleuropa sehen. Auch das Beispiel der Buche in Abb. 10.7 zeigt an den klimatisch be-dingten Arealgrenzen im Mittelmeergebiet, dass hier in den Montanstu-fen die Konkurrenzkraft der Buche nachlässt und das zusammenhän-gende Areal zerstückelt ist.

• Vom Zentrum her, wenn physiologisches und ökologisches Optimum nicht mehr übereinstimmen. Das Beispiel der Eibe (Abb. 10.3) verdeut-licht die Abdrängung dieser Art durch die Buche auf trockene Kalkfels-Steilhänge beziehungsweise auf feuchte, rutschige Hänge oder sogar auf Übergangs- oder Flachmoore, wo Taxus baccata jeweils am Rande ihrer physiologischen Existenzmöglichkeiten noch wachsen kann.

Ein ähnliches Verhaltensspektrum zeigt in Mitteleuropa die Waldkiefer (Pinus sylvestris) in ihrer Konkurrenz zu vielen Laubbaumarten: Wir fin-den heute natürliche Kiefernwälder hier nur an Moorrändern und auf Tro-ckenstandorten, also in Extrembereichen. Die mittleren Bereiche haben im Laufe der nacheiszeitlichen Wiederbewaldung Europas die Laubbäume er-obert.

Koexistenz von Pflanzen gleicher oder ähnlicher Standortansprüche in gemeinsamen Habitaten ist durch räumlich-zeitliche Komplementarität möglich, wie wir bei den Geophyten im Buchenwald in Abb. 4.11 gesehen haben. Ebenso kennen wir Konkurrenzausschluss durch wiederholte Stö-rungen, wobei möglicherweise konkurrenzstärkere Arten immer wieder

Page 305: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

292 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

durch Störung auf ein Ausgangsniveau zurückgeworfen werden, so dass sie nicht dominieren können und somit Koexistenz für eine gewisse Zeit zustande kommt. Es gibt auch das Phänomen der Koexistenz durch zeitli-che Heterogenität, besonders sichtbar bei verschiedenen Sukzessionssta-dien und Alterklassen von Waldgesellschaften oder bei Gewässerverlan-dungen, auf die wir im Kapitel 10.7 näher eingehen wollen.

Neben den direkt sichtbaren phänotypischen Merkmalen, wie Körper-größe oder Körperform, unterliegen viele weitere populationsbestimmende Merkmale der Selektion und stehen im Zusammenhang mit den Umwelt-faktoren des Lebensraumes; hierzu gehören die Fortpflanzungsrate und die Altersstruktur einer Population. Je nachdem, ob der Lebensraum weitge-hend konstante Verhältnisse aufweist oder sehr variabel ist, lassen sich zwei unterschiedliche Selektionstypen unterscheiden: die K-Selektion und die r-Selektion. Sie führen zu zwei verschiedenartigen Überlebensstrate-gien, die man deshalb auch als K-Strategie und r-Strategie bezeichnet. Entsprechend unterscheidet man K-Strategen von r-Strategen. Aus dem Zusammenwirken verschiedener genetisch fixierter Anpassungen bezie-hungsweise Merkmale ergeben sich unterschiedliche Lebensstrategien, die eine Koexistenz unterschiedlicher Arten an einem scheinbar uniformen Standort zulassen. Das einfache Modell der r-Selektion und der K-Selektion geht dabei von zwei gegensätzlichen Habitattypen aus, in denen günstige Lebensbedingungen kurzfristig oder dauerhaft vorhanden sind. Es werden nach R. H. MacArthur u. E. O. Wilson (1967) sowie E. R. Pianka (1970) r-Strategen als meist kurzlebige, konkurrenzschwache Arten mit hoher Fortpflanzungsrate und schneller Ausbreitung von meist langlebi-gen, konkurrenzstarken, aber reproduktionsschwachen K-Strategen unter-schieden.

Im Falle stabiler Lebensräume ist es für die Population von Vorteil, be-sonders enge Anpassungen an die Umweltfaktoren zu entwickeln, die ge-netisch fixiert sind. Die Anpassung an einen lokalen konstanten Lebens-raum innerhalb eines komplexen Ökosystems mit zum Teil auch instabilen Kompartimenten begünstigt Individuen mit einem genetisch fixierten Ver-halten zur Ortstreue. Jene Individuen, die hiervon abweichen, unterliegen einem großen Selektionsdruck, sie gehen der Population durch Genfluss verloren. Nur wenige hiervon sind in der Lage, außerhalb der Heimatloka-lität zu überleben und unterscheiden sich von der Ausgangspopulation zu-nächst durch genetische Drift und später eventuell auch durch Mutation und gerichtete Selektion, die eine Rückkehr zur Heimatlokalität verhindert und auch die Variabilität der Tochterpopulation erhöht.

Page 306: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.3 Konvergenz 293

10.3 Konvergenz

Wenn analoge Formen in genetisch verschiedenen Verwandtschaftskreisen im Laufe der Evolution durch ähnliche Umwelteinflüsse entstanden sind, sprechen wir von Konvergenz. Es bilden sich evolutiv unter spezifischen Lebensbedingungen bei nicht verwandten Arten, also unabhängig vonein-ander, konvergente Lebensformen. Konvergente Lebensformen bei Pflan-zen sind beispielsweise die Phanerophyten, die Chamaephyten und vor al-len die verschiedenen Geophyten als Anpassungen an das Temperaturgefü-ge ihres Lebensraumes. Konvergent sind auch die sukkulenten Kakteen und Euphorbien, die sich auf verschiedenen Kontinenten zu teils ähnlichen Gestaltungstypen als Anpassung an die Trockenheit entwickelt haben (Abb. 10.9).

Abb. 10.9. Ein schönes Beispiel für Konvergenz in der Paläotropis und der Neo-tropis zeigen stammsukkulente Arten aus den Familien Euphorbiaceae und Cac-

taceae: Euphorbia canariensis der Kanarischen Inseln (links), zwei Vertreter der Sonora-Wüste Arizonas mit der kandelaberartig wachsenden Carnegiea gigantea und der basisverzweigten Lemaireocereus thurberi (rechts)

Das breite Spektrum der Verbreitung des CAM-Metabolismus spricht für Konvergenz. Eine wichtige Voraussetzung ist offensichtlich die Ent-wicklung von Geweben, deren Zellen mit großen Vakuolen und Chlo-roplasten ausgestattet sind, wie es auch Gerhard Richter (1998) betont. Diesen Weg beschreiten offenbar selbst einige Wasserpflanzen, wie Litto-

rella uniflora und Lobelia dortmanna, ein Hinweis auf die frühe phylogen-tische Etablierung dieser Anpassungsform.

Page 307: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

294 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

10.4 Pflanzengesellschaften und Assoziationen

Die ganz bestimmte floristische Zusammensetzung einer Pflanzengesell-

schaft kommt dadurch zustande, dass diese sich aus solchen Pflanzenarten zusammensetzt, welche nahezu allesamt gleiche Ansprüche an ihre Um-welt stellen, oder dass sie zumindest diese Umweltbedingungen ertragen können. Damit erklärt sich auch, dass innerhalb eines gewissen geographi-schen Verbreitungsgebietes an verschiedenen Stellen im Gelände bei glei-chen Umweltbedingungen immer wieder gleiche Pflanzengesellschaften vorkommen. Das ist eine der Grunderkenntnisse der Geobotanik.

Box 10.1. Die ersten Ökosysteme der Erde

Seit dem frühen Archaikum haben mit der Entwicklung erster Organismen auch die biologischen Inkorporationen und der Stoffwechsel von Mineralen, besonders von Kalium, Magnesium, Eisen und Silizium, die Evolution beein-flusst und somit auch die damalige jeweilige globale Umwelt modifiziert. Marine und nicht-marine Systeme der Biomineralisation wurden damals ent-wickelt, und es begann eine erste Interaktion zwischen den Lebensräumen, den Ozeanen, dem festen Land mit seinen Gesteinen, der Atmosphäre, den ersten Böden und der damaligen Biosphäre, zunächst in einer sauerstofffrei-en, dann aber in einer Sauerstoffatmosphäre, wie wir sie noch heute haben. Ganz am Anfang gab es noch eine versteckte, „Tiefe Biosphäre“ mit Tempe-raturen von bis zu 120 Grad Celsius. Hier lebten in der Hitze prokaryotische Archaea und Bakterien und sogar einige eukaryotische Pilze. Die meisten dieser Organismen waren chemolithotroph und spielten eine wichtige Rolle während der ersten Gesteinsumwandlungen und der Bildung von Bodenmine-ralen. Diese „Tiefe Biosphäre“ war sicherlich anaerob und ist heute durch phylogenetisch „alte Organismen“ fossil repräsentiert. Es bestehen auch kei-ne Zweifel, dass diese „Tiefe Biosphäre“ für die ersten geologisch-mikrobiologischen und geobiologischen Umwandlungsprozesse auf der Erde eine wichtige Rolle gespielt hat. Hydrocarbon-Degradation auf der Basis von elementarem Schwefel und Carbonaten ist noch heute durch mikrobiologi-sche Aktivität nachweisbar. In ähnlicher Weise, wie wir heute den Efflux von Hydrocarbonaten als Flüssigkeit oder als Gase an Kontinentalschelfen in das Ozeanwasser beobachten, dürften damals ähnliche Vorgänge stattgefunden und sich energiereiche Oasen in den damaligen Weltmeeren gebildet haben. Hier war ein anaerobes Leben auf der Basis von Chemosynthese möglich – und denkbar. Diese Prozesse haben die damalige Hydrosphäre, die Evolution und wahrscheinlich auch das Klima schon im Erdaltertum beeinflusst und modifiziert.

Page 308: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.4 Pflanzengesellschaften und Assoziationen 295

Vegetationskunde ist die Lehre von der Evolution, der geographi-schen Verbreitung einzelner Pflanzensippen, ihrer Aggregation zu Pflanzengesellschaften und Vegetationsformationen und deren Synthe-se zu Großlebensräumen, den Zonobiomen. Die Vegetationskunde in diesem speziellen Sinne wird seit F. Höck (1906) auch als Pflanzenso-

ziologie bezeichnet, also als Lehre von der Vergesellschaftung charak-teristischer Pflanzenarten und bestimmter Standortbedingungen in de-finierten geographischen Räumen und in den jeweiligen Epochen der Evolution.

Für eine feinere Analyse der Pflanzendecke, die sich einer floristischen Gliederung bedient, war die Fassung der Pflanzengesellschaften und die Etablierung der Pflanzensoziologie folgender Schritt essentiell: Auf Vor-schlag des Franzosen Charles Flahault (1852-1935) aus dem Jahre 1893 und des Schweizers Carl Schröter (1855-1939) wird eine Pflanzengesell-schaft als definierbare Einheit = Assoziation bezeichnet. Sie begründeten auf dem 3. Internationalen Botaniker-Kongress in Brüssel im Jahre 1910 dieses Begriffssystem für die hierarchische Gliederung der Vegetation auf floristischer Grundlage.

Eine Assoziation ist eine Pflanzengesellschaft mit definierter floristi-scher Zusammensetzung und von einheitlicher Physiognomie unter gleichartigen Standortbedingungen in Raum und Zeit. Die Assoziation ist die grundlegende Einheit in der Vegetation.

Jede Assoziation ist dreifach charakterisiert:

• sie zeichnet sich aus durch eine ganz bestimmte Artenzusammenset-zung, ihren floristischen Charakter,

• sie verdankt ihr Dasein dem Zusammenwirken ganz bestimmter Außen-bedingungen, sie hat also einen eigenen Lebenshaushalt, einen eigenen Standort, also einen spezifischen ökologischen Charakter und

• sie verkörpert in sich ganz bestimmte evolutive Entwicklungsmöglich-keiten, besitzt also einen historisch-genetischen Charakter in Raum und Zeit.

Vor diesem Hintergrund entwickelte Josias Braun-Blanquet (1913) sein pflanzensoziologisches Konzept. Die Grundzüge dieser pflanzensoziologi-schen Methode haben Victor Westhoff u. Eddy van der Maarel (1973) fol-gendermaßen zusammengefasst:

• Assoziationen sind durch ihre floristische Zusammensetzung charakte-risiert. Ihre vollständige Artenzusammensetzung kennzeichnet das Ver-hältnis zu anderen Pflanzengesellschaften und zu ihrem Lebensraum im Allgemeinen besser als andere Merkmale.

Page 309: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

296 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

• Unter den Arten, die eine Pflanzengesellschaft aufbauen, sind einige bessere Indikatoren des jeweiligen Vegetationstyps selbst sowie seines Standortes als andere Arten. Für eine Klassifikation und Standortbe-schreibung ist es deshalb sinnvoll, die Pflanzenarten mit der engsten Gesellschaftsbindung und entsprechenden standörtlichen Amplitude als die zweckmäßigsten Indikatoren auszuwählen. Solche diagnostisch wichtigen Arten umfassen Kennarten, Differentialarten sowie stete

begleitende Arten einer Pflanzengesellschaft. Insgesamt spricht man von der charakteristischen Artenkombination einer Assoziation.

• Diagnostisch bedeutsame Pflanzenarten finden Verwendung bei der hie-rarchischen Klassifikation von Pflanzengesellschaften. Eine derartige Klassifikation wird für einen typologischen Vergleich von Pflanzenge-sellschaften untereinander als notwendige Voraussetzung erachtet.

Ein sehr instruktives Beispiel hierfür bieten die Pflanzengesellschaften in den verschiedenen Biozönosen unserer Meeresküsten. Begrenzende Faktoren sind hier für die Pflanzen meist hohe Salzgehalte des Meerwas-sers, der Böden und der Luft. Nur wenige Arten, vor allem die salztoleran-ten Halophyten vermögen dieses Milieu zu ertragen. Alle anderen Pflanzen werden von der Besiedlung der Meeresküsten ausgeschlossen. Die Ent-wicklung von Dünen aus dem Zusammenwirken von Wind, Boden und Pflanzen haben wir in den Abb. 8.12 bis 8.15 gesehen.

Die Erkenntnis des Zusammenwirkens der abiotischen und biotischen Standortfaktoren zur Genese von Pflanzengesellschaften in Küstendünen ist eine grundlegende Erkenntnis der Pflanzensoziologie, die wir J. Braun-Blanquet und W. C. de Leeuw verdanken. Sie hatten schon im Jahre 1936 auf der westfriesischen Insel Ameland die Grundzüge von den Wechselbe-ziehungen im komplizierten Gefüge von Pflanze, Boden und Klima und der Verbindung von Pflanzenarten zu Pflanzengesellschaften nachgewie-sen.

Auf Grund seiner Schlüssigkeit und vergleichsweise leichten Anwend-barkeit hat sich der methodische Ansatz Braun-Blanquets inzwischen be-währt und wird daher weltweit – besonders in Europa – angewandt. In ei-ner Vielzahl von Veröffentlichungen hat Josias Braun-Blanquet immer wieder sein Konzept erörtert und weiterentwickelt. Mit der Herausgabe seines Lehrbuches der Pflanzensoziologie im Jahre 1928, welches in 3. Auflage 1964 letztmalig erschien, schuf er einen umfassenden gedankli-chen Überbau dieser Disziplin, weit über die reine Typologie von Pflan-zengesellschaften hinausgehend – ein Meilenstein geobotanischer For-schung.

Page 310: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.5 Symbiosen 297

10.5 Symbiosen

Unter Symbiose versteht man das enge Zusammenleben zweier artver-schiedener Organismen, die wenigstens zeitweise aus der Stoffwechselge-meinschaft miteinander einen gewissen Nutzen ziehen. Das Gleichgewicht zwischen den beiden Partnern ist ein dynamisches, das heißt, für eine be-stimmte Zeit ist der Wirt der Profitierende, für eine andere Zeit ist der Gast der Profitierende. Der Wirt ist im Allgemeinen der systematisch und phy-logenetisch höher entwickelte Partner dieses Verhältnisses, während der Gast phylogenetisch niedriger einzustufen und oft auch heterotroph ist.

Die Symbiose kann zwischen Pflanze und Tier, häufiger aber zwischen einer Höheren und einer Niederen Pflanze verlaufen. Ein sehr signifikantes Beispiel für eine Symbiose stellen die Knöllchen der Rhizobium-Arten, die deswegen auch als Knöllchenbakterien bezeichnet werden, oder die Actinorhiza bei Hippophae rhamnoides dar, die beide der Stickstoffge-winnung aus molekularem Luftstickstoff dienen und die wir in Abb. 7.4 schon kennen gelernt haben. Während der ersten Phase des Zusammenle-bens verhalten sich die Bakterien parasitisch: die Bakterien gelangen durch einen Infektionsschlauch in das Rindengewebe der Wurzel. Die bildet als eine Abwehrreaktion eine Zellulosekapsel, denBeginn einer Zellwuche-rung, ein Vorgang, den wir als Nodulation bezeichnen. Die Wirtszellen vermehren sich unter der Reizwirkung der Infektion, gleichzeitig vermeh-ren sich auch die Bakterien, so dass schließlich die charakteristischen Wurzelknöllchen entstehen. Die Bakterien produzieren während dieser Symbiose das Leg-Hämoglobin, das dem Hämoglobin des Blutes ähnlich ist, jedoch ein niedriges Molekulargewicht besitzt. Seine Funktion ist mit Sauerstoff-Bindung und Sauerstoff-Transport zu beschreiben. Sein Vor-kommen ist an die Zellwand des Bakteriums gebunden, wo es nur während der Symbiose gebildet wird. Währenddessen fixieren die Bakterien den Luftstickstoff, wozu die Fabaceen nicht in der Lage sind. Haben diese sich zu einer gewissen Menge vermehrt, beginnt die Wirtspflanze mit der Ab-wehrreaktion, was bedeutet, dass sie letztlich von dieser Symbiose profi-tiert. Sie verdaut die Bakterien, es bleiben jedoch noch mehr Bakterien als bei Beginn der Infektion übrig. Im Endeffekt profitieren also beide Partner.

Bakterienknöllchen können auch in Blättern vorkommen, so bei einigen Rubiaceen. Man spricht in diesem Fall von einer zyklischen Symbiose. Die Bakterien werden mit den Samen weitergegeben. Später wachsen sie und vermehren sich in den Interzellularen der Blätter, wodurch die angren-zenden Zellen zurückgedrängt werden. Makroskopisch ist dieses deutlich zwischen den Blattadern zu erkennen. Sie vermögen ebenso wie die Wur-zelknöllchenbakterien Luftstickstoff zu binden.

Page 311: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

298 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

Als besondere Symbiose bilden die Pilze mit sehr vielen Landpflanzen eine Mykorrhiza aus. Dabei sind die Hyphen der Pilze mit den Wurzeln der Pflanzen vergesellschaftet. Sie übernehmen die Funktionen der Wur-zelhaare: Wasseraufnahme, Aufnahme anorganischer Substanzen und zum Teil auch organischer Substanzen. Man unterscheidet zwischen ek-

totropher Mykorrhiza, wobei die Pilzhyphen nur zwischen den Zellen wachsen, bei Fichte, Eiche und anderen einheimischen Baumarten, und endotropher Mykorrhiza, wobei die Hyphen bis in die innersten Rinden-bereiche hineinwachsen, vor allem bei Orchideen. Es gibt aber auch Über-gänge zwischen beiden Formen. Entfernt man die Mykorrhizahyphen von einer Wurzel, können viele Wirtspflanzen nur weiterbestehen, wenn sie mit Phosphat und Stickstoff gedüngt werden.

Symbiosen besonderer Art stellen die Flechten dar (Abb. 10.10). Eine Flechte ist kein in sich einheitlicher Organismus, auch wenn sie äußerlich als unzertrennbares Ganzes in Erscheinung tritt. Sie ist das Produkt einer Symbiose aus einem Pilz, dem Mycobionten, und einer oder mehrerer Al-gen, den Phycobionten, also Angehöriger zweier vollkommen verschiede-ner biotischer Gruppen. Algen und Pilze stehen in der Flechte in engem Kontakt; meist umhüllt der Pilz mit seinem dichten Geflecht von Hyphen eine große Zahl von ein- oder mehrzelligen Algen.

Pilze sind als heterotrophe Organismen zur Produktion organischer Sub-stanz aus anorganischem Material nicht in der Lage. Sie schließen ge-wöhnlich totes organisches Material wie etwa Stroh, Humus oder Holz auf oder parasitieren auf anderen Organismen. In der Flechtensymbiose erhal-ten sie die notwendigen Kohlenhydrate von der autotrophen Alge, wobei Grünalgen besonders Zuckeralkohole und Cyanobakterien besonders Glu-kose aufbauen und an den Pilzpartner abgeben. Als Gegenleistung wird die Alge vom Pilz mit Wasser und Mineralstoffen versorgt. Flechten decken ihren Wasser- und Mineralstoffhaushalt fast vollständig über Niederschlä-ge beziehungsweise Luftfeuchtigkeit und atmosphärische Stäube. Sie

Abb. 10.10a-i Flechtentypen: a Die Krustenflechte Xanthoria parietina ist Stick-stoffzeiger auf festem Substrat, b Peltigera canina ist eine Boden bewohnende Blattflechte, c Cornicularia aculeata besiedelt Sandböden, d bei Cetraria islandi-

ca handelt es sich um eine arktisch-alpin verbreitete Strauchflechte, e die Becher-flechte Cladonia coccinea wächst in Calluna-Heiden, f Bartflechten der Gattung Usnea wachsen epiphytisch nur bei hoher Luftfeuchtigkeit, g Parmelia azetabu-

lum bewächst Baumstämme und gilt als Bioindikator für reine Luft, h mit Stereo-

caulon vesuvianum beginnt weltweit die Erstbesiedlung von Lava, i Cladina reti-

pora (weiß) und Cladonia pyrenoclada (gelb) charakterisieren ultramafische Substrate auf Grande Terre, Neukaledonien

Page 312: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.5 Symbiosen 299

Page 313: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

300 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

nehmen Wasser im flüssigen oder dampfförmigen Zustand über die gesam-te Thallusoberfläche auf. Zwischen 100 und 300 Prozent des eigenen Tro-ckengewichts können Flechten normalerweise an Wasser aufnehmen, sie stellen also poikilohydre Organismen dar.

Nicht nur in morphologisch-anatomischer Hinsicht, sondern auch in Be-zug auf ihre physiologischen Eigenschaften vollbringen Flechten Leistun-gen, zu denen die jeweiligen Partner allein nicht fähig sind. In der Symbio-se entstehen zahlreiche Stoffwechselprodukte, die für die Lichenen spezifisch sind: Diese Flechtenstoffe, die den Thallus häufig rot, gelb oder grün färben, kommen sonst nur selten bei Pilzen oder Pflanzen vor.

Beide Partner einer Flechte erfahren in der Symbiose neben der Verbes-serung ihrer physiologischen Lebensbedingungen eine Ausweitung ihrer Standorte: So können Pilze Gesteine nur in Form der Flechtensymbiose besiedeln, da sie auf beziehungsweise in diesem unwirtlichen Substrat durch die Algen versorgt werden müssen, unser Beispiel Rhizocarpon ge-

ographicum in der Abb. 6.9 zeigt dies. Die Alge andererseits ist in der Umhüllung durch das Pilzhyphengeflecht geschützt, zum Beispiel vor all-zu raschem Wasserverlust, vor intensiver Strahlung oder vor dem leichtem Zugriff algenfressender Tiere.

Somit dringen Pilze und Algen an Standorte vor, die sie auf sich jeweils allein gestellt auf Dauer nicht besiedeln können. Wegen ihres langsamen Wachstums sind Flechten den schnell sprossenden Blütenpflanzen zwar konkurrenzmäßig an zahlreichen Standorten unterlegen, aber sie können sich dort dauerhaft behaupten, wo Höhere Pflanzen für sie widrige Wuchs-bedingungen vorfinden, beispielsweise bei nicht ausreichendem Wurzel-raum auf nacktem Fels oder auf der Rinde von Bäumen. In klimatisch ex-tremen Gegenden, wie vor allem in der Arktis und in den Hochgebirgen, bedecken Flechten in großen Mengen den Boden und bestimmen so das Bild der Vegetation. Sie sind dort Charakterarten der meisten Pflanzenge-sellschaften, wie dies B. Sieg et al. (2006) vorbildlich für Grönland er-forscht haben. Auch in den Trockenrasen-Pflanzengesellschaften von Dü-nen, in Heiden oder in bodensauren Wäldern können die Flechten eine bezeichnende Rolle spielen; wir kennen sie als Pioniere in der Besiedelung von Lavagestein überall auf der Erde, sie sind in der Lage, metallische, ul-tramafische Extremstandorte flächenhaft einzunehmen, und wir kennen sie sogar als Erstbesiedler in und an Fließgewässern. Eine große Rolle in die-sem Zusammenhang spielen aber die epilithischen und die epigäischen Flechten, die spezielle, gut charakterisierbare Gesellschaften bilden, wel-che vikariierend in entsprechenden Phanerogamen-Gesellschaften einge-mischt sind, wie das beispielhaft die Gegenüberstellung in der Tabelle 10.2 aus den Dünen der Nordseeküste zu zeigen vermag.

Page 314: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.6 Dynamik und Regulation 301

Tabelle 10.2. Gegenüberstellung einiger Phanerogamen- und Erdflechten-Gesellschaften auf Küstendünen (nach H. Bültmann 2006)

Phanerogamen-Gesellschaften Erdflechten-Gesellschaften

Primärdüne

Elymo-Agropyretum juncei keine Flechten

Sekundärdüne

Elymo-Ammophiletum arenariae Cladonietum foliaceae

Cetraria aculeta/C. muricata-

Cladonion arbusculae-Fragmentges. Cladonia rangiformis-Dominanzbestand

Tertiärdüne

Carex arenaria-Rasen Lecideetum uliginosae

Violo-Corynephoretum Cladonietum zopfii,

Cladonietum foliaceae

Cladonia bacillaris-Mikrogesellschaft Tortulo-Phleetum arenariae Cladonietum mitis mit C. gracilis und

C. uncialis

Hieracio-Empetretum Cladonietum nemoxynae

Die Flechtensymbiose hat sich als äußerst erfolgreiche Lebensform er-

wiesen; rund 20 000 Arten sind bisher auf der Erde beschrieben worden. Gewöhnlich treten Flechten in der Natur nicht allein, sondern zusammen mit anderen Flechtenarten auf, die ähnliche Ansprüche haben. Solche Flechtengesellschaften kommen von den arktischen und antarktischen Re-gionen bis zu den tropischen Regenwäldern und Wüsten vor. Wo die Le-bensbedingungen für die Höheren Pflanzen ungünstig werden, nehmen konsequenterweise oft Flechten deren Stelle ein. An solchen Standorten wirkt sich die große Resistenz gegen Kälte und lange Schneebedeckung, gegen Hitze und lange Austrocknung besonders günstig aus. Selbst unter extremen Umweltbedingungen erreichen Flechten noch eine positive Stoff-wechselbilanz.

10.6 Dynamik und Regulation

Diversität in Ökosystemen ist das Ergebnis eines noch nicht vollkommen verstandenen evolutiven Prozesses von Einwanderung, Diversifikation und Auslöschung der beteiligten Organismen. Die Theorie der Inselbioge-ographie von MacArthur u. Wilson aus dem Jahr 1967 erklärt die Arten-vielfalt als eine Balance zwischen Einwanderungsraten und Auslöschungs-

Page 315: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

302 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

raten der Organismen. Die Variation der Diversität bei diesem Prozess bleibt jedoch unerklärt. Einwanderungsalter, Persistenz vor Ort und evolu-tive Dauer bleiben hierbei ebenfalls unberücksichtigt. Aus den neuen Stu-dien von Tadashi Fukami et al. (2007) wissen wir jedoch um die Bedeu-tung des evolutionären Alters der Diversität für ein Ökosystem.

Großflächig auftretende mechanische Störungen können zu dramati-schen Verlusten an Biodiversität in den betroffenen Ökosystemen führen, wie wir es beispielsweise von Vulkanausbrüchen, Hurrikanen, Tsunamis oder von Waldbränden her kennen; diese Katastrophen können aber auch einzigartige Möglichkeiten zur Wiederbesiedlung mit hoch diversen Sys-temen auf neuen Substraten bieten. Wie sind solche Wiederbesiedlungs-prozesse reguliert? Wir finden derartige Ereignisse nicht nur nach Naturka-tastrophen, sondern auch in unterschiedlich alten, von Menschen geschaffenen oder beeinflussten Landschaften, wie zum Beispiel den jun-gen Poldern im Marschengebiet der Nordsee mit ihren spektakulär schnell etablierten und artenreichen neuen Vegetationstypen der Röhrichte, Weichholzgebüsche und Feuchtwälder, in denen sich in nur wenigen Jahr-zehnten seit den 1950er Jahren beispielsweise mehr als 200 Moosarten neu angesiedelt haben. Ähnliches gilt für die vergleichsweise alten artenrei-chen Kalktrockenrasen in den Kalkgebieten Mitteleuropas, wo man indi-gene natürliche Felsrasen und Xerothermvegetationskomplexe mit neuen Steinbruchflächen in Dauer und Qualität der pflanzlichen Wiederbesied-lung miteinander vergleichen kann. Vergleichsweise langsame Vegetati-onsentwicklungen und Sukzessionsprozesse kennen wir von den Litoral-zonen unserer Binnengewässer oder vom epiphytischen Moosbewuchs von Baumborken. Hier spielen Transport und Ausbreitung von Propagulen, von Sporen, deren Keimung und dauerhafte Etablierung an Ufern von Ge-wässern oder auf unterschiedlich glatten oder rauen Borken wohl die ent-scheidende Rolle: Vorhandene und sich ausbreitende Artenpools sowie spezielle Etablierungsmöglichkeiten sind dafür Grundvoraussetzung.

In ökologisch bewertbaren Zeiträumen hängt die Dynamik der Pflan-zendiversität eines Ökosystems von der Balance zwischen Einwanderung neuer Arten und dem lokalen Aussterben von Populationen des regionalen Artenpools ab, wie wir es seit MacArthur u. Wilson (1967) und Martin Zobel (1997) genau wissen. Neue Theorien über den Ursprung und die Andauer von Diversität, die in der „Unified neutral theory of biodiversity“ von S. P. Hubbel (2001) und in der „Stochastic niche theory“ von D. Til-man (2004) formuliert wurden, unterscheiden sich zwar in vielen Aspek-ten, stimmen jedoch in der fundamentalen Rolle der Einwanderung für ein besseres Verständnis der Dynamik von Diversität überein.

Darüber hinaus ist Einwanderung eine wichtige Determinante der gene-tischen Variation aller Pflanzenarten, die in diesen Prozess einbezogen

Page 316: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.6 Dynamik und Regulation 303

sind. Die Konsequenzen für die genetische Differenzierung der Pflanzen bei ihrer jeweiligen Einwanderung in neue Gebiete sind jedoch völlig ver-schieden bei haplonten Organismen wie den Moosen und Farnen sowie normalerweise diploiden oder polyploiden Phanerogamen. Monözische oder diözische Vermehrungssysteme oder selbstbefruchtende Arten modi-fizieren zusätzlich solche genetischen Konsequenzen, wie dies auch jüngst M. K. Nowack et al. (2007) für die Endosperm- und Samenentwicklung bei Arabidopsis thaliana nachweisen konnten. Moderne molekularbiologi-sche Labormethoden und mathematische Modelle für die Datenanalysen öffnen gerade heute unvorhersehbare Möglichkeiten zum Studium solcher genetischen Muster und der Rekonstruktion von Entstehungs-, Einwande-rungs- und Etablierungsprozessen spezieller Pflanzen und Tiere in Ökosys-temen, wie wir es am Beispiel der Koevolution australischer Banksia-Arten der Kwongans, der australischen Heidebusch-Formationen, und den Nahrungsansprüchen dortiger blütenbesuchender Beuteltiere, den Honey

Possums, honigfressender Vögel und Insekten in Abb. 10.11 sehen.

Abb. 10.11. Blühphasen westaustralischer nektarreicher Banksia-Arten im Jahres-verlauf als Ressource für spezielle Bestäuber aus verschiedenen Tiergruppen und als Ergebnis der Koevolution und zeitlichen Einnischung. Von oben nach unten: Banksia serrata, B. prionotis, B. blechnifolia, B. ilicifolia, B. praemorsa, B. atte-

nuata und B. grandis

Aus der vergleichenden Betrachtung und Analyse lässt sich eine grund-legende Theorie zur Regulation und Andauer von Biodiversität entwi-

Page 317: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

304 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

ckeln. Wir wollen das nachfolgend spezifizieren: Einwanderungsraten sind abhängig von der Fähigkeit der Diasporen, sich in einem Ökosystem zu verbreiten, dort zu keimen und sich zu etablieren. Während die hauptsäch-liche Verteilung ihrer Deposition meist nahe um die Samenquelle herum erfolgt, wird aber ein Teil der Diasporen in den „Long-distance-transport“, den Ferntransport einbezogen, der sicherlich artspezifisch verschieden und abhängig von der Größe, der Form und der Gestalt der Diasporen ist. Prin-zipiell handelt es sich bei den Diasporen um generative Ausbreitungsein-heiten, wie Sporen, Samen oder Früchte, aber auch um vegetative, wie Bulbillen, Rhizome oder Turionen.

Hinsichtlich des für die Diasporenausbreitung verantwortlichen Medi-ums oder Vektors bezeichnet man den durch Schwerkraft hervorgerufenen Ausbreitungsprozess als Barochorie. Unter Autochorie versteht man da-gegen die Verbreitung durch die Mutterpflanze oder Diaspore selbst. Bei der Semachorie lösen äußere Kräfte eine Verbreitung aus, bei der Ane-

mochorie der Wind. Bei der Hydrochorie trägt Wasser zur Verbreitung bei, bei der Zoochorie Tiere und bei der Hemerochorie der Mensch. Au-

tochore Pflanzen bewirken selbst aktiv die Ausbreitung ihrer Diasporen, während die übrigen Ausbreitungsarten generell als allochor diesen ge-genüber stehen. Bei letzteren werden die Diasporen passiv durch einen äu-ßeren Vektor verbreitet. Susanne Bonn u. Peter Poschlod (1998) widmen diesem Thema ein eigenes, sehr empfehlenswertes Lehrbuch.

Immigrationsraten von Pflanzen hängen ab von der Fähigkeit ihrer Pro-pagulen, sich im System auszubreiten, nachfolgend zu keimen und sich zu etablieren. Während das Verbreitungsmuster der Propagulen meistens ei-nen scharfen Peak nahe an ihrer Quelle, also an der Mutterpflanze, zeigt, können sich die verschiedenen Pflanzenarten aber merklich hinsichtlich ih-rer potentiellen maximalen Ausbreitungsdistanzen unterscheiden und dabei ist meist nur ein Teil der Propagulen in eine Fernverbreitung, das „Long-

range dispersal“, involviert. Auch die Größe der Propagulen ist eine wich-tige Determinante für die Ausbreitungsdistanz und für den Keimerfolg, wie dies in zahlreichen Untersuchungen von Martin Zobel (1997) nachge-wiesen wurde. Generell kann man feststellen, dass die maximale Ausbrei-tungsdistanz der Samen von Blütenpflanzen höchstens einige Kilometer beträgt – das ist auch der Fall selbst bei windverbreiteten Diasporen. Spo-ren von Moosen und Farnen dagegen werden oftmals über tausende von Kilometern verbreitet, was natürlich verschiedene Pflanzenareale und so-mit verschiedene Diversitätsmuster zur Folge hat. Das erklärt auch den heutigen Moosreichtum in den niederländischen Poldern. Während lokaler oder kleinräumiger Diasporentransport inzwischen ausführlich untersucht worden ist, kann man den Ferntransport und die Fernausbreitung generell nur schwierig quantifizieren. Nur für seltene Arten gibt es einigermaßen

Page 318: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.6 Dynamik und Regulation 305

verlässliche Daten von S. A. Levin et al. (2003). So weiß man, dass in vie-len Ökosystemen eine erfolgreiche Etablierung von Propagulen auf seltene Ereignisse beschränkt ist, welche meist auf lokale Störungen zurückzufüh-ren sind. Konsequenterweise müssen quantitative Studien von Einwande-rungsmustern der Pflanzen unter Berücksichtigung von Ferntransport auch entsprechende Muster von großräumigen Störungen, den „Large-scale di-

sturbances“, zugrunde legen. Ausbreitung ist der erste und essentielle Schritt beim Einwanderungs-

prozess. Diasporen-Ausbreitungsexperimente zeigen, dass die lokale Pflanzendiversität oft durch Ausbreitungsfaktoren limitiert wird. Potentiel-le Ausbreitungsdistanzen sind zunächst abhängig von der Größe der Dia-sporen, jedoch hängt der Ausbreitungserfolg sehr davon ab, welche Agen-tien involviert sind, Wind, Wasser, Vögel und andere Tiere oder auch der Mensch. Ausbreitungsfähigkeit erlangt ferner große Bedeutung im Fall sel-tener Arten, die eventuell unter genetischen, demographischen oder räum-lichen Effekten leiden, beispielsweise infolge Habitatfragmentation und Begrenzung oder der Größe ihrer Population. Hier müssen im Ausbrei-tungsgeschehen oft bemerkenswerte Distanzen überbrückt werden.

Gelegentlich ermöglichen großräumige Ereignisse exzellente Gelegen-heiten, die Ergebnisse der Langstrecken-Verbreitung und der Ausbreitung von Diasporen indirekt zu studieren, wenn ausreichend Einwanderungser-folge seltener Arten nachgewiesen sind und deren Verbreitungsmuster ana-lysiert werden kann. In dieser Hinsicht kann man Phanerogamen, Farne und Moose untereinander vergleichen, denn sie regulieren ihre Verbreitung unterschiedlich. Einwanderungsstrategien und -muster von Moosen, Far-nen und Blütenpflanzen sind also verschieden, da ihre Diasporen, ihr Aus-breitungssystem und ihre jeweilige Lebensgeschichte verschieden sind.

Moose und Farne benötigen zur Etablierung und erfolgreichen Ansied-lung offene Habitate, und wir erwarten ein grob gekörntes Verbrei-tungsmuster neuer Genotypen, vor allem in den Kontaktbereichen ver-schiedener Klone. Das „Window of Opportunity“ beträgt als Zeitfenster für Moose und Farne 10 bis 20 Jahre. Bei Blütenpflanzen führt genetische Variation zu feinkörnigen Verbreitungsmustern. Stö-rungen der Bodenoberfläche und die zeitlich differenzierte Verfügbar-keit von Nährstoffen unterbrechen diese Balance und erhöhen die Bio-diversität.

Die allgemeinen Barrieren für eine erfolgreiche Ansiedlung und die Ausbreitung einer Pflanzenart sind abiotischer Stress und das Vorhanden-sein negativer biotischer Interaktionen. Diese Barrieren fungieren als „Hie-rarchie von Filtern“, die bestimmen, welche Arten erfolgreich kolonisie-ren. Unter oligotrophen Bedingungen ist die relative Bedeutung abiotischer

Page 319: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

306 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

Filter höher als die der biotischen Filter, während unter eutrophen Bedin-gungen sich die gegenteiligen Verhältnisse einstellen. Sehr oft ist sogar ei-ne Art von Störung notwendig, um zeitweise den Filtereffekt abzuschwä-chen. So führt bei oligotrophen Bedingungen eine Störung des Bodens zu einer leicht ansteigenden Verfügbarkeit von Nährstoffen. Innerhalb eines Systems kann eine Art hinsichtlich des Grades der Störung differieren, welche diese zu Etablierung benötigt, beispielsweise humuskompatible und humusinkompatible Arten in Kalktrockenrasen. Die Breite des Zeit-fensters, in dem eine Etablierung nach einer Störung möglich ist, variiert bemerkenswert zwischen den einzelnen Arten, vornehmlich in Abhängig-keit von den biologischen Charakteristika der Pflanzen, wie Samengröße, Umweltbedingungen, Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser sowie dem Lebensraum. Zusammenfassend kann man festhalten, dass Störungen eine große Rolle in der Dynamik der lokalen Biodiversität spielen.

10.7 Vegetationsveränderungen durch Eutrophierung

Überall ist in den Gebieten vor allem die Konzentration von Nitrat im Grund- und Oberflächenwasser stark angestiegen, in denen intensive Land-wirtschaft betrieben wird. Das haben wir in Abb. 6.1 deutlich gesehen. Der zunehmende Einsatz von Mineraldünger, dichte Viehbestände auf Weide-flächen und das Ausbringen von Gülle in Europa sind die wesentlichen Ur-sachen. Auch im Niederschlag werden zunehmende Stickstoffkonzentrati-onen gemessen, die aus Stickoxiden von Autoabgasen und Ammoniak aus Massentierhaltungen resultieren. Der Dünger wird seit Jahrhunderten in zu hohen Dosen ausgebracht; Stickstoff geriet dabei vom Mangelfaktor zum Überschussfaktor.

Das Überangebot an Stickstoff aus der landwirtschaftlichen Düngung und der Luftdeposition beträgt in der Regel also mehr als das Doppelte oder sogar das Vielfache dessen, was die Pflanzen aufnehmen können. Der überwiegende Rest gelangt über den Boden vornehmlich als Nitrat zum Grundwasser und wird dort in zunehmendem Maße zum Problem.

Die damit verbundene Hypertrophierung bedeutet nicht nur eine Ver-

armung an ehemals standorttypischer Vegetation in quantitativer Sicht, sondern auch die Mengenzunahme an euryöken Pflanzen mit breiten öko-logischen Amplituden, woraus eine Nivellierung und Uniformierung der Vegetation resultiert. Besonders deutlich werden solche Vegetationsverän-derungen durch Eutrophierung im Bereich der Gewässervegetation.

Die Vegetation der Seen, Weiher und Teiche zeigt hinsichtlich ihrer Ar-tenkombination und ihrer räumlichen Verteilung für jedes Stillgewässer individuelle Züge, wobei eine direkte Abhängigkeit von der Ausformung

Page 320: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.7 Vegetationsveränderungen durch Eutrophierung 307

Box 10.2. Stickstoff im Grundwasser

Unsere 1992 begonnenen und seither kontinuierlich andauernden Untersu-chungen der Schadstoffbelastungen der Gewässerlandschaft „Heiliges Meer“ in Nordrhein-Westfalen erbrachten ein detailliertes Bild von Schadstoffein-trägen aus unterschiedlichen Quellen sowie der räumlichen und zeitlichen Dynamik bzw. der Differenzierung von Stoffflüssen und -umsetzungen. Da-bei nehmen besonders Wechselwirkungen zwischen Vegetation, Böden und Milieubedingungen im oberflächennahen Grundwasser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Intensität von Stoffflüssen aus der Umgebung. Deren Dynamik ist gerade im oberflächennahen Bereich an der Grenzfläche zwi-schen Sicker- und Grundwasser besonders intensiv. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ein wesentlicher Teil von Stick-stoffeinträgen aus der Umgebung in aquatische Ökosysteme direkt über diese oberflächennahen Bereiche erfolgen und dass es darüber hinaus einen erheb-lichen Stofftransport über größere Distanzen innerhalb der Bereiche um 5 bis 10 Meter Tiefe gibt. Kleinräumig strukturierte Milieu- und Transportbedin-gungen innerhalb des oberflächennahen Sicker- und Grundwassers gehen zu-sätzlich in erster Linie auf kleinräumige Mosaikstrukturen der Vegetation zu-rück, welche die Durchlässigkeit der Böden und des oberflächennahen Grundwasserleiters sowie die Aktivität von Mikroorganismen verändern und auch über Stoffabgabe und -entnahme durch Pflanzen auf alle Stoffflüsse im Untergrund und an der Erdoberfläche direkten Einfluss nehmen. Umsätze im Grundwasser sowie Transportvorgänge innerhalb der oberflächennahen Schichten pleistozäner Sande werden daher wesentlich von der Vegetation beeinflusst. So verhalten sich zum Beispiel Birkenwälder und Erlenbruch-wälder bei winterlicher Bodengefrornis hinsichtlich der Grundwasserdyna-mik nahezu antagonistisch: Erlenbrücher fördern die Dynamik des Grund- und Sickerwassers und damit auch den Stofftransport innerhalb dieser Zonen, Birkenwälder senken sie. Die Art der Stoffflüsse und Stoffeinträge unterliegt charakteristischen Amplituden, von denen in hohem Maße auch die Vegetati-on abhängig ist, insbesondere in ihrer Nährstoffversorgung. Verstärkt werden solche Schwankungen durch einen jahreszeitlichen Wechsel der Mineralisa-tionsrate, der durch die Aktivität von Mikroorganismen gesteuert wird. Dies hat zur Folge, dass Pflanzennährstoffe im Frühjahr in hohen Konzentrationen vorliegen; insbesondere gilt dies für den Nitratstickstoff. Deshalb kommt es innerhalb der trophogenen Zone eines Gewässers während der Vegetations-periode zu einer mehr oder weniger raschen Verknappung der Pflanzennähr-stoffe. Das Nährstoffangebot und die Trophieentwicklung wird daher inner-halb aquatischer Ökosysteme neben geohydrologischen Faktoren besonders auch durch biotische Faktoren beeinflusst.

des Gewässergrundes und den jeweiligen physiko-chemischen Gegeben-heiten besteht. Innerhalb oligo- bis hypertropher Typenreihen von Stillge-wässern sind die Endstadien von ihrer Vegetation her jeweils am einfach-

Page 321: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

308 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

sten strukturiert und weisen vergleichsweise wenige und artenarme Pflan-zengesellschaften auf. Im Gegensatz zum produktionsschwachen oli-gotrophen Milieu ist das hypertrophe Milieu häufig reicher an angepassten, euryöken Individuen und deshalb durch eine sehr umfangreiche Phytomas-se gekennzeichnet. Meso- bis eutrophe Gewässer bieten dagegen ausgegli-chenere Standortbedingungen mit einer jeweils recht großen Vielfalt an Pflanzenarten und Pflanzengesellschaften (Abb. 10.12).

Abb. 10.12. Vegetationszonierung eines eutrophem Gewässers am Beispiel des Naturschutzgebietes „Großen Heiliges Meer“ in Nordrhein-Westfalen mit Myrio-

phyllo-Nupharetum-Schwimmblattvegetation im Zonationskomplex mit Röhrich-ten vom Typ des Scirpo-Phragmitetum und kulissenartig aufragenden Gehölzen des Bruchwaldes

Viele Pflanzengesellschaften in und an Gewässern stellen vor allem Zwischenglieder einer Sukzession dar, die beispielsweise während der Verlandung eines Sees auftreten und die sich im Laufe der Zeit gegenseitig ablösen. Solche typischen Vegetationsabfolgen in der Verlandungsreihe eines eutrophen Sees sind nur dann verwirklicht, wenn räumliche Zonie-rungen mit Schwimmblatt-, Röhricht-, Seggen- und Gebüschformationen mit dem abschließenden Birkenbruch oder dem Erlenbruchwald auftreten. Diese Verlandungszonen wachsen irisblendenartig zunehmend in Richtung Seemitte und bilden als Endphase der Verlandungssukzession verschiede-ne organogene semiterrestrische Nassböden, auf denen letztendlich ein Bruchwald stockt.

Page 322: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen 309

Das Grundwasser als natürliche Ressource, die oberirdischen Kleinge-wässer und die größeren Seen sowie deren typische Vegetation aus Was-serpflanzen, Röhrichten und Bruchwäldern genießen heute zwar gesetzli-chen Schutz. Gegen die schleichenden Prozesse der Vegetations-veränderung, Uniformierung und Nivellierung sind aber einfache Schutz-maßnahmen wirkungslos.

10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen

Die tiefsten Wintertemperaturen Mitteleuropas treten bekanntlich im Hochgebirge auf. Hier können in der alpinen und nivalen Stufe, oberhalb der Baumgrenze, Temperaturen bis minus 40 Grad Celsius vorkommen. Auf welche Weise schützen sich nun die alpinen Gewächse vor diesen au-ßergewöhnlich tiefen Temperaturen? Wir müssen in diesem Zusammen-hang zwei Gruppen von Pflanzenarten unterscheiden:

Die frostresistenten Arten wachsen auf Felsnasen, Felsgraten und an-deren oft windexponierten Extremstandorten. Dazu gehört beispielsweise der schon genannte Gletscherhahnenfuß (Ranunculus glacialis, vgl. Abb. 8.9). Diese Art kommt in der Regel in Höhenlagen von 3000 bis 4000 Me-tern vor und ist dort nahezu vor jeglicher pflanzlichen Konkurrenz ge-schützt. Sie benötigt allerdings einen winterlichen Schneeschutz. Neben den einzelnen Arten gibt es auch frostresistente Pflanzengesellschaften. Diese Gesellschaften treten in den Alpen immer dort auf, wo sich der Schnee nicht halten kann, auf windgepeitschten Hängen, Graten und Fels-rücken. Sie überdauern in der Regel den alpinen Winter ohne Schnee-schutz in der Windecken- oder Gratvegetation (Abb. 10.13). Die zweite Gruppe alpiner Arten bedarf des Schneeschutzes, um tiefe Temperaturen überdauern zu können. Die Pflanzen sind unter einer 50 cm tiefen Schnee-decke keinen tiefen Temperaturen mehr ausgesetzt. Vor allem ist die eisige Windwirkung unter Schneebedeckungen vollkommen ausgeschaltet. Viele dieser alpinen Arten erfrieren bei uns bei strengeren Frösten ohne Schnee-bedeckung.

Zu erwähnen sind im Hochgebirge auch noch die Schneetälchengesell-

schaften. Das sind speziell an die lange Schneebedeckung angepasste Pflanzengesellschaften mit äußerst kurzer Vegetationsperiode, welche zum Teil nur 6 bis 8 Wochen umfasst. Solche Schneetälchen sind meist mul-denförmige Vertiefungen auf den alpinen Matten von nur wenigen bis zu einigen hundert Metern Durchmesser, in denen der Schnee im Winter zu-sammengeweht ist und die dann eine ganz dicke Schneedecke tragen, die an ihren tiefsten Stellen zum Teil gar nicht oder nur im Hochsommer auf-taut. In diesen Schneetälchen hat sich eine ganze Reihe von Pflanzenge-

Page 323: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

310 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

Abb. 10.13. Windecken- oder Gratvegetation mit der Gemsheide-Gesellschaft vom Typ des Loiseleurio-Cetrarietum im Fimbertal, Silvretta. Detail: Loiseleuria

procumbens, Ericaceae

sellschaften angesiedelt, die sich dadurch unterscheiden, dass sie verschie-den lange Schneebedeckung vertragen können und daher auch unterschied-liche Vegetationszeiten haben. Nach außen hin, an der Peripherie der Schneetälchen, wo der Schnee schneller auftaut, kommen Pflanzengesell-schaften mit etwas längerer Vegetationszeit vor. Die Bestände, die weiter nach innen hin liegen, vertragen zunehmend kürzere Vegetationszeiten. So kommt also durch das langsame Auftauen des Schnees von den Rändern her eine regelrechte Vegetationszonierung zustande, die oft kreisförmig angeordnet sein kann. Von außen nach innen treten zunehmend Pflanzen-gesellschaften mit kürzerer Vegetationszeit auf. (Abb. 10.14).

Die alpinen Chamaephyten und Hemikryptophyten können den vollen Vorteil des Schneeschutzes ausnutzen, und sie nehmen mit steigender Hö-he auf Kosten anderer Wuchsformen zu. Phanerophyten, also Bäume und höhere Sträucher fallen in der alpinen Stufe allgemein aus und Geophyten, deren Knospen im Boden liegen oder die Zwiebeln und Knollen besitzen, sowie Therophyten fehlen den obersten Höhenstufen. In der Gruppe der Chamaephyten, die in größeren Höhen absolut dominierend vertreten ist, sind bei den Höheren Pflanzen zwei Sonderformen ausgebildet, die beson-ders gut der Schneebedeckung angepasst sind:

Page 324: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen 311

Die Spalierpflanzen sind in der Regel kleine Holzpflanzen, die sich zweidimensional in der Horizontalen ausbreiten. Die Sprosse wachsen also nicht nach oben, sondern sie legen sich flach an den Boden, um die Schneebedeckung voll ausnutzen zu können (Abb. 10.14).

Die Polsterpflanzen wachsen ähnlich wie Moospolster, indem sie kur-ze, etwa gleichlange und dicht stehende Sprosssysteme ausbilden. Solche Wuchsformen sind insbesondere an extreme klimatische Bedingungen an-gepasst, also nicht allein an den Schneeschutz. Ihre Wuchsform ist optimal zur Anpassung an Schneeschutz, als gegenseitiger Schutz der Sprosse ge-genüber Windwirkung und Kälte, sowie als Verdunstungsschutz bei star-ker Einstrahlung.

Abb. 10.14. Die im Wesentlichen aus Spalierpflanzen bestehende Krautweiden-Gesellschaft Salice-

tum herbaceae stellt ein gutes Bei-spiel für eine Schneetälchengesell-schaft dar, in der die blauen Blüten von Soldanella pusilla besonders auffallen

Die jüngste Vergangenheit zeichnet sich durch eine Häufung von Jahren mit überdurchschnittlich warmen Temperaturen aus, und wir beobachten seit einigen Jahren deutliche Veränderungen in der alpinen Flora, speziell hinsichtlich des „Höhersteigens“ zahlreicher Alpenpflanzen und ihrer Ge-sellschaften. Wie wird das weitergehen? Mit Ausnahme des Jahres 1996 war die letzte Dekade die wärmste seit Beginn der Klimamessungen. Die mittlere Erdoberflächentemperatur hat sich im Verlauf des letzten Jahr-hunderts um 0,6 Grad Celsius erhöht, und es ist von einem weiteren ra-schen Anstieg in den kommenden Jahrzehnten auszugehen. Der Trend die-ses Temperaturanstiegs verlief über diesen Zeitraum allerdings nicht kontinuierlich, sondern akzentuierte sich in zwei Phasen (Abb. 10.15). Während der erste markante Temperaturanstieg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf natürliche Ursachen zurückgeführt wird, lässt sich der zweite, seit 1976 anhaltende Trend bislang nicht allein mit den heute be-kannten, natürlichen klimawirksamen Faktoren erklären.

Klimatische Parameter beeinflussen in vielen Regionen der Erde maß-geblich die Physiologie und Produktivität von Arten sowie deren Areale und damit die Zusammensetzung und Verteilung von Biomen. Mit dem Klimawandel werden diese Parameter verändert, und damit ist auch eine Reaktion klimasensibler Arten und Ökosysteme zu erwarten.

Page 325: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

312 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

Ziel neuerer Untersuchungen ist, für diese auf Modellannahmen beru-henden Erwartungen Beispiele in der Natur zu finden, die belegen, dass ökologische Auswirkungen des ablaufenden Klimawandels bereits im Gange und mit Hilfe von Felddaten dokumentierbar sind. Fallbeispiele, die hier vorgestellt werden, fokussieren auf Arten, deren Grenzen vorwiegend klimalimitiert sind und somit eine rasche Reaktion auf sich ändernde kli-matische Bedingungen in Form von Arealverschiebungen erwarten lassen.

Abb. 10.15. Vergleich gemessener und modellierter Jahresdurchschnittswerte der Abweichungen der Erdoberflächentemperatur vom langjährigen Mittel der Mess-periode 1880-1920. Die Modellresultate basieren nur auf natürlichen Faktoren (links), nur auf anthropogenen Faktoren (Mitte) und der Kombination natürlicher und anthropogener Faktoren (rechts; aus Walther et al. 2005)

Alpine Gebiete gehören zu jenen Regionen, für die eine überdurch-schnittliche Erwärmung im Zusammenhang mit dem andauernden Klima-wandel erwartet wird. Gleichzeitig gehören sie zu den Gegenden mit der längsten Tradition floristischer Inventarisierungen und Vegetationsunter-suchungen. Das Resultat dieser früheren Untersuchungen ist eine reiche Quelle an Daten, die weit in das letzte Jahrhundert zurückreicht, bei-spielsweise durch Eduard Rübel (1912), Josias Braun (1913) und Carl Schröter (1926). Insbesondere die Flora alpiner Gipfel wurde schon früh als möglicher Indikator für Klimaschwankungen erkannt, und erste diesbe-zügliche Arbeiten wurden bereits im Anschluss an die Erwärmungsphase der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Josias Braun-Blanquet (1955 und 1957) publiziert. In der jüngeren Vergangenheit konnte eine Vielzahl von Berggipfeln erneut von H. R. Hofer (1992), Georg Grabherr et al. (1994) und Gian-Reto Walther (2003) besucht und auf mögliche floristi-sche Veränderungen im Vergleich zu historischen Datenbelegen untersucht werden (Abb. 10.16 u. Tabelle 10.3). Seit diesen letzten Reinventarisie-rungen hat sich das Klima nicht nur weiter erwärmt, sondern der Trend hat in den 1990er Jahren und in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends deutlich zugenommen. Zwei Dekaden nach der ersten Wiederaufnahme in den Jahren 1983-85 durch H. R. Hofer (1992), stellt sich die Frage, ob sich die außergewöhnlich warmen klimatischen Bedingungen der 1990er Jahre

Page 326: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen 313

auch in einer weiteren Veränderung der Zusammensetzung alpiner Gipfel-floren widerspiegeln – und wenn ja – wie stark diese Veränderung im Ver-hältnis zu jener der ersten Vergleichsperiode ausfällt. Die hier vorgestell-ten Resultate zeigen, dass der von Hofer (1992) für dieselben Gipfel sowie von anderen Autoren für weitere Gebiete der Alpen wie auch in Skandi-navien nachgewiesene Aufwärtstrend alpiner Arten unvermindert anhält. Dieser Vergleich zwischen verschiedenen Untersuchungsperioden zeigt, dass nicht nur die Artenzahlen im Allgemeinen weiter in Zunahme begrif-fen sind, sondern sich auch die Änderungsraten insgesamt erhöht haben.

Abb. 10.16. Artenzahlen der untersuchten Berggipfel des Berninagebiets der ver-schiedenen Aufnahmezeitpunkte (aus Walther et al. 2005). Dies entspricht einer durchschnittlichen Diversitätsveränderung pro Gipfel von +7,3 Arten (1985-2003), im Vergleich zu +10,5 Arten für die frühere Vergleichsperiode (1905-1985) von E. Rübel (1912) zu R. H. Hofer (1992). Die Änderungsrate belegt, dass sich die relative Artenzahlveränderung in den letzten zwei Dekaden (+3.7 Arten/Dekade) im Vergleich zu den acht Jahrzehnten der ersten Vergleichs-periode (+1.3 Arten/Dekade) verstärkt hat

Es ist allgemein anerkannt, dass das Klima der wichtigste die Obergren-ze der Verbreitung von Pflanzenarten bestimmende Faktor darstellt. Da sich das Klima im Verlaufe des hier untersuchten Zeitfensters sowohl glo-bal als auch lokal nachweislich erwärmt hat, kann dies auch das Überleben der Pflanzen in höher gelegenen Gebieten begünstigt haben. Dies wird auch als plausibelste Erklärung für die beobachtete Artenzunahme schon in den früheren Arbeiten genannt. Auf diesem Wege kann man nicht nur die Fortsetzung, sondern sogar eine Verstärkung dieses Höhenwanderungs-trends alpiner Arten in der Zeit seit Mitte der 1980er Jahre aufzeigen. Eine

Page 327: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

314 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

Tabelle 10.3. Arten, die 2003 in größerer Höhe gefunden wurden als deren zu Beginn des 20. Jahrhunderts für das Berninagebiet bzw. für denselben Berg nachgewiesene Obergrenze (aus Walther et al. 2005) Artname Obergrenze im

Bernina-Gebiet (Rübel 1912)

Obergrenze am selben Berg nach Rübel (1912)

Höchster Gipfel für die Art im Jahre 2003

Achillea atrata 2900 m Tschüffer: 2300-2750 m Alv: 2200-2900 m

P. Tschüffer (3123 m) P. Alv (2975 m)

Adenostyles leucophylla 2940 m dals Lejs: bis zu 2820 m

P. dals Lejs (3041 m)

Agrostis rupestris 3100 m Languard: 3090 m P Languard (3262 m) Antennaria dioica 3010 m Alv: 2600 m P. Alv (2975 m) Arenaria biflora 2970 m Lagalb: bis zu

2700 m

P. Lagalb (2959 m)

Artemisia umbelliformis 3020 m Languard 2700 m P. Languard (3262 m) Aster alpinus 2980 m P. Alv (2975 m) Carex sempervirens 2930 m Chatscheders:

2930 m

P. Chatscheders (2986 m)

Draba fladnizensis 3170 m Languard: 3170 m P. Languard (3262 m) Dryas octopetala 2800 m Alv: bis zu 2620 m P. Alv (2975 m) Festuca quadriflora 3010 m P. Tschüffer (3123 m) Geum montanum 3080 m Languard: > 2700

m

P. Languard (3262 m)

Gnaphalium hoppeanum 2650 m Alv 2650 m P. Alv (2975 m) Hieracium piliferum 2800 m P. Chatscheders

(2986 m) Hieracium villosum 2650 m Las Sours (2979 m) Minuartia verna 3090 m Piz Languard:

3090 m*

P. Languard (3262 m)

Moehringia ciliata 2850 m Tschüffer 2850 m Alv: 2500 m

P. Alv (2975 m)

Myosotis alpestris 2930 m Piz Lagalb: 2500 m

P. Lagalb (2959 m)

Phyteuma hemi-

sphaericum

2977 m P. Chatscheders (2986 m)

Polygonum viviparum 3060 m Tschüffer: 2900 m P. Tschüffer (3123 m) Saussurea alpina 3010 m Tschüffer: 2700 m P. Tschüffer (3123 m) Saxifraga caesia 2770 m Alv: 2650 m P. Alv (2975 m) Solidago virgaurea 2700 m Alv: 2650 m P. Alv (2975 m) Trisetum spicatum 3080 m Munt Pers (3207 m)

* Brügger in Heer (1845)

gleichzeitige Verdrängung alpiner Pflanzen durch das „Höhersteigen“ von Pflanzen tiefer gelegener Gebiete konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Viel eher handelt es sich bei der beobachteten Artenzunahme um eine Erweiterung des Artenpools ohne gleichzeitige Verdrängung beste-hender Arten.

Page 328: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.9 Literatur 315

10.9 Literatur

Arts GHP (2002) Deterioration of atlantic soft water macrophyte communities by acidification, eutrophication and al-kalinisation. Aquatic Botany 73: 373-393

Bahn M, Körner C (2003) Recent increases in summit flora caused by warming in the Alps. In: Nagy L, Grabherr G, Körner C, Thompson DBA (eds) Alpine Biodiversity in Europe. Ecological Studies 167: 437-441. Springer, Berlin Heidelberg New York

Barko JW, Gunnison D, Carpenter SR (1991) Sediment interaction with submersed macrophyte growth and commu-nity dynamics. Aquatic Botany 41: 41-65

Begon M, Mortimer M, Thompson D J (1997) Populationsökologie. Springer, Berlin Heidelberg New York Beniston M (2003) Climatic change in mountain regions: A review of possible impacts. Clim Change 59: 5–31 Berger S , Walther GR (2005) Detektion und Verifikation von klimainduzierten Vegetationsveränderungen. In: Korn

H, Schliep R, Stadler J (eds): Biodiversität und Klima-Vernetzung der Akteure in Deutschland. BfN-Skriptum 131: 32-34

Bick H (1989) Ökologie – Grundlagen, terrestrische und aquatische Ökosysteme, angewandte Aspekte. Fischer, Stutt-gart New York

Bohn U et al (2003) Karte der natürlichen Vegetation Europas. Landwirtschaftsverlag, Münster Bonn S, Poschlod P (1998) Ausbreitungsbiologie der Pflanzen Mitteleuropas. Quelle & Meyer, Wiesbaden Box EO (1981) Macroclimate and Plant Forms: an Introduction to Predictive Modelling in Phytogeography. Tasks for

Vegetation Science 1, Junk, The Hague Braun J (1913) Die Vegetationsverhältnisse der Schneestufe der Rätisch-Lepontischen Alpen – Ein Bild des Pflanzen-

lebens an seinen äussersten Grenzen. Denkschr. Schweiz nat forsch Ges 48: 1–347 Braun-Blanquet J (1921) Prinzipien einer Systematik der Pflanzengesellschaften auf floristischer Grundlage. Jahrb St

Gallen Naturwiss Ges 57: 305-351 Braun-Blanquet J (1925) Zur Wertung der Gesellschaftstreue in der Pflanzensoziologie. Viertelsjahresschrift Natur-

forsch Ges Zürich 70: 122-149, Zürich Braun-Blanquet J (1928, 1951, 1964) Pflanzensoziologie. Grundzüge der Vegetationskunde. 1. Aufl (1928) Biolo-

gische Studienbücher 7, Berlin, 2. Aufl (1951) Springer, Wien, 3. Aufl (1964), Springer, Wien Braun-Blanquet J (1955) Die Vegetation des Piz Languard, ein Masstab für Klimaänderungen. Sven Bot Tidskr 49:

1–9 Braun-Blanquet J (1957) Ein Jahrhundert Florenwandel am Piz Linard (3414 m). Bull Jardin Bot Etat Bruxelles, Vol-

ume jubilaire Walter Robyns (Comm. SIGMA 137): 221–232 Braun-Blanquet J, De Leeuw WC (1936) Vegetationsskizze von Ameland. Ned. Kruidk Archief 46: 359-393 Bremer P, Ott ECJ (1990) The establishment and distribution of bryophytes in the woods of the Ijsselmeerpolders, the

Netherlands. Lindbergia 16: 3-18 Brundrett M C (2002) Coevolution of roots and mycorrhizas of landplants. New Phytologist 154: 275-304 Bültmann H (2006) Erdflechten in komplexen Dünenlandschaften Nordjütlands auf unterschiedlichen Betrachtungs-

ebenen. Arb Inst Landschaftsökol Münster 15: 1-14 Burga CA, Walther GR, Beißner S (2004) Florenwandel in der alpinen Stufe des Berninagebiets – ein Klimasignal?

Ber Reinh Tüxen Ges 16: 57–66 Caroll SB (2001) Change and necessity: the evolution of morphological complexity and diversity. Nature 409: 1102-

1109 Chase JM (2003) Community – assembly: when should history matter? Oecologia 136: 489-498 Chave J, Muller-Landau HC, Levin SA (2003) Comparing classical community models: theoretical consequences for

patterns of diversity. Am Nat 159: 1-23 Chisholm RA, Burgman MA (2004) The unified neutral theory of biodiversity and biogeography: comment. Ecology

85: 3172-3174 Clements EE (1916) Plant succession. An analysis of the development of vegetation. Carnegie Just of Washington.

Publ 242. Washington/DC Connor EF, Mc Coy ED (1979) The statistics and biology of the species-area relationship. Am Nat 113: 791-883 Cox C B, Moore P D (2000) Biogeography, 6. Aufl. Blackwell, Oxford Dieckmann U, Doebeli M (1999) The origin of species by sympatric speciation. Nature 400: 334-357 Dierschke H (1994) Pflanzensoziologie. Grundlagen und Methoden. Ulmer, Stuttgart Dierßen K (1990) Einführung in die Pflanzensoziologie (Geobotanik). Wiss Buchges, Darmstadt Ellenberg H (1953) Physiologisches und ökologisches Verhalten derselben Pflanzenarten. Ber Dtsch Bot Ges 65: 351-

362 Ellenberg H (1956) Aufgaben und Methoden der Vegetationskunde. In: Walther H (Hrsg) Einführung in die Phytolo-

gie. Band IV/1. Ulmer, Stuttgart Ellenberg H (1968) Wege der Geobotanik zum Verständnis der Pflanzendecke. Naturwiss 55: 462-470 Emerson BC, Kolm N (2005) Species diversity can drive speciation. Nature 434: 1015-1017 Endler J A (1977) Geography variation, speciation, and clines. Princeton Univ Press, Princeton/NJ Eriksson O (1989) Seedling dynamics and life histories in clonal plants. Oikos 55, 231-238 Flahault C (1893) Les zones botaniques dan le Bas-Languedoc et les pays voisins. Bull Soc Bot France 40: 35-62

Page 329: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

316 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

Flahault C, Schröter C (1910) Rapport sur la nomenclature phytogéographique. Actes III. Congr Int Bot Bruxelles 1: 131-164

Fukami T, Beaumont HJE, Zhang XX, Rainey PB (2007) Immigration history controls diversification in experimental adaptive radiation. Nature 446: 436-439

Grabherr G, Gottfried M, Pauli H (1994) Climate effects on mountain plants. Nature 369: 448 Grime JP (2001) Plant strategies, vegetation processes and ecosystem properties. Wiley, Chichester Grubb PJ (1976) A theoretical background to the conservation of ecologically distinct groups of annuals and biennials

in the chalk grassland ecosystem. Biol Cons 10, 53-76 Heer O (1845). Über die nivale Flora der Schweiz. Schweiz Ges Nat Denkschr. 29. Bern Hejny S, Remy D, Pott R (2003) Röhrichte und Riedsümpfe, Wasservegetation. In: Bohn U. (Hrsg) Karte der natürli-

chen Vegetation Europas Maßstab 1:2500000. Bundesamt für Naturschutz: 497-513 Höck F (1906) Pflanzenbezirke des Deutschen Reiches. Verh Bot Verein Provinz Brandenburg 12, Berlin Hofer HR (1992) Veränderungen in der Vegetation von 14 Gipfeln des Berninagebietes zwischen 1905 und 1985. Ber

Geobot Inst Rübel 58: 39–54 Hubbell SP (2001) The unified Neutral Theory of Biodiversity and Biogeography. Princeton Univ Press, Princeton/NJ Hurtt GC, Pacala SW (1995) The consequences of recruitment limitation: reconciling chance, history and competitive

differences between plants. J Theor Biol 176: 1-12 Huston MA (1999) Local processes and regional patterns: appropriate scales for understanding variation in the diver-

sity of plants and animals. Oikos 86: 393-401 Jax K (2002) Die Einheiten der Ökologie: Analyse Methodenentwicklung und Anwendung in Ökologie und Natur-

schutz. Lang, Frankfurt Kalamees R, Zobel M (2002) The role of a seed bank in gap regeneration in a calcareous grassland community. Ecol-

ogy 83: 1017-1025 Keddy PA (1992) Assembly and response rules – two goals for predictive community ecology. J Veg Sci 3: 157-165 Keller F, Kienast F, Beniston M (2000) Evidence of response of vegetation to environmental change on high-

elevation sites in the Swiss Alps. Reg. Environ. Change 1: 70–77 Kerner von Marilaun A (1863) Das Pflanzenleben der Donauländer. Innsbruck Krassilov VA (2003) Terrestrial Paleoecology and Global Change. Pensoft, Moscow Kutschera U (2006) Evolutionsbiologie. 2. Aufl. Ulmer, Stuttgart Levin SA, Muller-Landau HC, Nathan R, Clavc J (2003) The ecology and evolution of seed dispersal: a theoretical

perspective. Ann Rev Ecol Syst 34: 575-604 Losos JB, Schluter D (2000) Analysis of an evolutionary species-area relationship. Nature 408: 847-850 Maarel E van der (ed) (2005) Vegetation Ecology. Blackwell, Maeden/MA MacArthur RH, Wilson EO (1967) The Theory of Island Biogeography. Princeton Univ Press, Princeton/NJ Mayr E (1967) Artbegriff und Evolution. Parey, Hamburg Miles CJ, Longton RE (1992) Deposition of moss spores in relation to distance from the parent gametophytes. J Bryol

15: 607-621 Miyawaki A, Box EO (2006) The healing power of forests. The Philosophy behind Restoring Earth´s Balance with

Natur Trees. Kosei, Tokyo Murphy KJ (2002) Plant communities and plant diversity in softwater lakes of northern Europe. Aquatic Botany 73:

287-324 Nei M, Maruyama T, Chakraborty R (1975) The bottleneck effect and genetic variability in populations. Evolution

29: 1-10 Nowack MK, Shirzadi R, Dissmeyer N, Dolf A, Endl E, Grini PE, Schnittger A (2007) Bypassing genomic imprinting

allows seed development. Nature 447: 312-315 Otsus M, Zobel M (2004) Moisture conditions and the presence of bryophytes determine fescue species abundance in

a dry calcareous grassland. Oecologia 138: 293-299 Ouborg NJ, Piquot Y, van Groenendael JM (1999) Population genetics, molecular markers and the study of dispersal

in plants. J Ecol.87: 551-568 Parmesan C & Yohe G (2003) A globally coherent fingerprint of climate change impacts across natural systems. Na-

ture 421: 37-42 Pärtel M, Kalamees R, Zobel M, Rosén (1999) Alvar grasslands in Estonia: variation in species composition and

community structure. J Veg Sci 10: 561-570 Pärtel M, Zobel M, Liira J, Zobel K (2000) Species richness limitations in productive and oligotrophic plant commu-

nities. Oikos 90: 191-193 Pianka ER (1970) On r- and K-Selection. Ann Nat 104: 592-597 Poschlod, P (1991) Diasporenbanken in Böden – Grundlagen und Bedeutung. In: Schmid B, Stöcklin J (Hrsg): Popu-

lationsbiologie der Pflanzen. Birkhäuser, Basel Boston Berlin Pott R (1980) Die Wasser- und Sumpfvegetation eutropher Gewässer in der Westfälischen Bucht – Pflanzensoziologi-

sche und hydrochemische Untersuchungen. Abh Landesmus Naturkde 42, 2: 1-156 Pott R (1983) Die Vegetationsabfolgen unterschiedlicher Gewässertypen Nordwestdeutschlands und ihre Abhängig-

keit vom Nährstoffgehalt des Wassers. Phytocoenologia 11, 3: 307-340 Pott R (1995) Pflanzengesellschaften Deutschlands. 2. Aufl. Ulmer, Stuttgart Pott R (1996) Die Entwicklungsgeschichte und Verbreitung xerothermer Vegetationseinheiten in Mitteleuropa unter

dem Einfluss des Menschen. Tuexenia 16: 337-369

Page 330: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

10.9 Literatur 317

Pott R (1998) Stickstoffbelastungen der Gewässerlandschaft im Naturschutzgebiet „Heiliges Meer“ (Kreis Steinfurt) und Möglichkeiten landesplanerischer Gegensteuerung. Abh Westf Mus Naturkde 60, 2: 1-127

Pott R (2000) Ökosystemanalyse des Naturschutzgebietes “Heiliges Meer” (Kreis Steinfurt). Interaktionen zwischen Still- und Fließgewässern, Grundwasser und Vegetation sowie Landnutzung und Naturschutz. Abh Westf Mus Naturkde 62, Beiheft, 1-397

Pott R (2005) Allgemeine Geobotanik, Biogeosysteme und Biodiversität. Springer, Berlin Heidelberg New York Pott R, Freund H, Petersen J, Walther G-R (2003) Aktuelle Aspekte der Vegetationskunde. Tuexenia 23: 11-39 Pott R, Hüppe J (2001) Flussauen- und Vegetationsentwicklung an der mittleren Ems; Zur Geschichte eines Flusses in

Nordwestdeutschland. Abh Westf Mus Naturkde 63 (2): 1-119 Pott R, Pust J, Hofmann K (1996) Trophiedifferenzierungen von Stillgewässern im Naturschutzgebiet „Heiliges

Meer“ und deren Auswirkungen auf die Vegetation. Abh Westf Mus Naturkde 58: 1-60 Pott R, Remy D (2000) Ökosysteme Mitteleuropas – Die Gewässer des Binnenlandes. Ulmer, Stuttgart Powell JA, Zimmermann NE (2004) Multiscale analysis of active seed dispersal contributes to resolving Reid’s para-

dox. Ecology 85: 490-506 Ranchfuß H (2005) Chemische Evolution und der Ursprung des Lebens. Springer, Berlin Heidelberg New York Ricklefs RE, Schluter D (1993) Species Diversity in Ecological Communities. Historical and geographical Perspec-

tives. Univ Chicago Press, Chicago Rübel E (1912) Pflanzengeographische Monographie des Berninagebietes. Engelmann, Leipzig. Rünk K, Moora M, Zobel M (2004) Do different competitive abilities of three fern species explain their different re-

gional abundance? J Veg Sc 15: 351-356 Sadler J P (1999) Biodiversity on oceanic islands: a palaeoecological assessment. J Biogeogr 26,1: 75-88 Schluter D (2000) The Ecology of Adaptive Radiation. Oxford Univ Press, Oxford Schröter C (1926) Das Pflanzenleben der Alpen. 2. Aufl. Raustein, Zürich Shaver GR, Canadell J, Chapin III FS, Gurevitch J, Harte J, Henry G, Ineson P, Jonasson S, Melillo J, Pitelka L, Ru-

stad L (2000) Global warming and terrestrial ecosystems: a conceptual framework for analysis. BioScience 50(10): 871-882

Shea K, Roxbourgh SH, Rauschert ESJ (2004) Moving from pattern to process: coexistence mechanisms under inter-mediate disturbance regimes. Ecol letters 7: 491-508

Sieg B, Drees B, Daniels FJA (2006) Vegetation and Altitudinal zonation in continental West Greenland. Med om Grønland. Bioscience 57: 6-93

Signor P W (1995) Evolutionary history of biodiversity. Encyclopedia of Environm. Biol 3: 747-756 Soons MB, Heil GW, Nathan R, Katul GG (2004) Determinants of long-distance seed Dispersal by wind in grass-

lands. Ecology 85: 3069-3079 Sprugel DG (1991) Disturbance, equilibrium and environmentally variability: what is natural vegetation in a changing

environment. Biol cons 58: 1-18 Stanley S M (1979) Macroevolution: Pattern and Process. San Francisco Sundberg S, Rydin H (2002) Habitat requirements for establishment of Sphagnum from spores. J Ecol 90: 268-278 Sykes MT, Prentice IC & Cramer W (1996) A bioclimatic model for the potential distributions of north European tree

species under present and future climates. J Biogeogr 23: 203-233 Taiz L, Zeiger E (2000) Physiologie der Pflanzen. Spektrum, Heidelberg Tautz D (2003) Evolutionary biology: splitting in space. Nature 421: 225-226 Ter Steege H, Zagt R (2002) Density and diversity. Nature 417, 698-699 Thienemann A (1956) Leben und Umwelt, vom Gesamthaushalt der Natur. Hamburg Thomas C D, Bodsworth E J, Wilson R J, Simmons A D, Davis Z G, Musche M, Conradt L (2001) Ecological and

evolutionary processes at expanding range margins. Nature 411: 577-581 Thomas CD, Cameron A, Green RE et al. (2004) Extinction risk from climate change. Nature 427: 145-148 Thuiller W, Lavorel S, Araujo M, Sykes MT, Prentice IC (2005) Climate change threats to plant diversity in Europe.

Proc Nat Acad Sci 102: 8245–8250 Tilman D (1989) Ecological experimentation: strengths and conceptional problems. In: Likens GE (ed) Long-term

studies in ecology: approaches and alternatives: 136–157. Springer, Berlin Heidelberg New York Tilman D (1997) Community invasibility, recruitment limitation and grassland biodiversity. Ecology 78: 81-92 Tilman D (2004) Niche trade-offs, neutrality, and community structure: a stochastic theory of recourse competition,

invasion, and community assembly. PNAS 101: 10854-10861 Trepl L (2005) Allgemeine Ökologie, Bd 1, Organismus und Umwelt. Lang, Frankfurt Trepl L (2007) Allgemeine Ökologie, Bd 2, Population. Lang, Frankfurt Turnbull LA, Crawley MJ, Rees M (2000) Are plant populations seed-limited? A review of seed sowing experiments.

Oikos 88: 225-238 Venable DL, Brown JS (1988) The selective interactions of dispersal, dormancy, and seed size as adaptions for reduc-

ing risk in variable environments. Am Nat 131: 360-384 Verburg R, Maas J, During HJ (2000) Clonal diversity in differently-aged populations of the peudo-annual clonal

plant Circaea lutetiana L.. Plant biology 2: 646-652 Vitousek PM (1988) Diversity and biological invasion of oceanic islands. In: Wilson EO (ed): Biodiversity: 181-189.

National Academic Press, Washington/DC Volkov I, Banavar JR, Hubbell SP, Maritan A (2003) Neutral theory and relative species abundance in ecology. Na-

ture 424: 1035-1037

Page 331: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

318 10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts

Walter H (1968) Die Vegetation der Erde in ökophysiologischer Betrachtung. Bd II: Die gemäßigten und arktischen Zonen. Fischer, Jena Stuttgart

Walter H, Walter E (1952) Das Gesetz der relativen Standortskonstanz; das Wesen der Pflanzengemeinschaften. Ber Dt Bot Ges 66: 227-235

Walther G-R (1999) Distribution and limits of evergreen broad-leaved (laurophyllous) species in Switzerland. Bot Helv 109: 153-167

Walther G-R (2000) Climatic forcing on the dispersal of exotic species. Phytocoenologia 30: 409-430 Walther G-R (2002) Weakening of climatic constraints with global warming and its consequences for evergreen

broad-leaved species. Folia Geobot 37: 129-139 Walther G-R (2004) Plants in a warmer world. Perspect Plant Ecol Evol Syst 6(3): 169-185 Walther G-R (2005) The establishment of a new northernmost palm population – a consequence of recent climate

change? The Palms – An international symposium on the biology of the palm family. The Linnean Society of London & The Royal Botanic Gardens: 41. Kew, London

Walther G-R, Beißner S, Pott R (2005) Climate change and high mountain vegetation shifts. In: Broll G, Keplin B. (eds) Mountain Ecosystems – Studies in Treeline Ecology: 77-96. Springer, Berlin Heidelberg New York

Walther G-R, Berger S, Sykes MT (2005) An ecological „foot print“ of climate change. Proc Royal Soc London, Biol Ser 272: 1427-1432

Walther G-R, Petersen J, Pott R (2003) Concepts and Application of Non-linear Complex Systems Theory to Eco-logical Succession. In: Ambasht RS, Ambasht NK (eds) Modern Trends in Applied Terrestrial Ecology: 303-314, Kluwer, New York

Walther G-R, Post E, Convey P, Menzel A, Parmesan C, Beebee TJC, Fromentin J-M, Hoegh-Guldberg O, Bairlein F (2002) Ecological responses to recent climate change. Nature 416: 389-395

Westhoff V, van der Maarel E (1973) The Braun-Blanquet-approach. In: Whittaker RH: Ordination and classification of communities. Handbook of Vegetation Science. The Hague: 617-726

Willner W, Grabherr G (2007) Die Wälder und Gebüsche Österreichs. Textband und Bildband. Spektrum Elsevier, München

Wirth V (1987) Die Flechten Baden-Württembergs. Ulmer, Stuttgart Wyatt R (1982) Population ecology of bryophytes. J Hattori Bot Lab 52: 179-198 Zobel M (1997) The relative role of species pools in determining plant species richness: an alternative explanation of

species coexistence? Trends Ecol Evol 12: 266-269 Zobel M, Zobel K (2002) Studying plant competition: from root biomass to general aims. J Ecol 90: 578-580

Page 332: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Verzeichnis der Gattungen, Arten und Syntaxa

Acacia glaucoptera 255 Acacia koa 255 Acetobacter 182 Achillea atrata 201, 314 Achillea moschata 201 Acromyrmex 191 Adenostyles leucophylla 314 Aechmaea 271 Aeonium ciliatum 258 Agave americana 247, 248 Agrostis capillaris 83, 189 Agrostis rupestris 314 Agrostis tenuis 201 Aichryson parlatorei 258 Allium tenuissimum 152 Allium ursinum 189 Alnus maximowiczii 54 Amaranthus palmeri 245 Amaranthus retroflexus 247 Ammocalamagrostis baltica

229 Ammophila arenaria 145, 227,

228, 229, 253 Amygdalus communis 217 Anabaena 176 Androsace alpina 57 Anemone nemorosa 197 Antennaria dioica 314 Anthemis arvensis 197 Apera spica-venti 197 Aphanes arvensis 197 Arabidopsis thaliana 303 Arbutus canariensis 218 Arbutus unedo 26, 51 Arenaria biflora 314 Artemisia umbelliformis 314 Aspergillus 176, 192 Asplenio-Piceetum 144 Aster alpinus 314 Aster tripolium ssp.

pannonicum 168 Atriplex glabriuscula 247 Atriplex hastata var. salina

247 Atriplex rosea 247 Atriplex sabulosa 247

Atriplex tatarica 247 Atta 191 Avicennia marina 262 Azolla filiculoides 264 Azotobacter croococcum 176 Bacillus fusiformis 176 Bacillus megaterium 176 Bacillus mesentericus 176 Bacillus mycoides 176 Banksia attenuata 303 Banksia blechnifolia 303 Banksia grandis 303 Banksia ilicifolia 303 Banksia praemorsa 303 Banksia prionotis 303 Banksia serrata 303 Bazzania trilobata 144 Betula ermannii 54 Betula mandschurica 53 Betula pubescens 53 Betulo-Quercetum roboris 132 Betulo-Quercetum typicum

189 Bienertia cycloptera 245 Bienertia sinuspersici 245 Billbergia 271 Blechno-Quercetum 51 Blechno-Quercetum petraeae

26 Blechnum spicant 26 Botryochloa ischaemum 247 Brachypodium sylvaticum 197 Briza media 198 Brugiera 262 Buxus sempervirens 36 Cakile maritima 228 Calluna vulgaris 128, 143,

197, 226, 230, 231, 298 Caltha palustris 200 Camissonia claviformis 245 Campanula cenisia 216 Cardaria draba 210 Carex 167 Carex arenaria 228, 230 Carex curvula 214 Carex sempervirens 314

Carex sylvatica 197 Carnegiea gigantea 293 Carpinus betulus 177 Casuarina equisetifolia 255 Ceterach officinarum 241, 242 Cetraria islandica 298 Cheilanthes marantae 241,

242 Chenopodium album 197 Chionochloa oreophila 23 Chlorococcum humicula 176 Cistus albidus 252 Cistus creticus 252 Cistus incanus 252 Cistus laurifolius 252 Cistus monspeliensis 252 Cistus salviaefolius 252 Cistus symphytifolius 252 Cistus villosus 252 Citellus 192 Cladina retipora 298 Cladonia coccinea 298 Cladonia gracilis 301 Cladonia pyrenoclada 298 Cladonia uncialis 301 Cladonietum foliaceae 301 Cladonietum mitis 301 Cladonietum nemoxynae 301 Cladonietum zopfii 301 Clivia nobilis 251 Colchicum autumnale 210 Consolida regalis 197 Cooksonia caledonica 242 Cordalis cava 189 Cornicularia aculeata 298 Corylus avellana 217 Corynephorus canescens 230 Cyathea 280 Cynodon dactylon 247 Cynomys 192 Cypripedium calceolus 199,

200 Dacrycarpus dacryoides 39 Dacrydium cupressinum 39 Dasypogon 280 Deschampsio-Pinetum 132

Page 333: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

320 Verzeichnis der Gattungen, Arten und Syntaxa

Dichanthelium lanuginosum 224

Dicksonia 280 Dicranopteris 223 Digitaria ischaemum 247 Dischidia rafflesiana 271, 272 Doronicum clusii 201 Doronicum grandiflorum 201 Draba fladnizensis 314 Dracophyllum muscoides 23 Drosera anglica 199, 200 Dryas octopetala 216, 314 Drynaria quercifolia 270 Dryopteris carthusiana 197 Echinocactus grusonii 257 Echinochloa crus-galli 247 Elymo-Agropyretum juncei

301 Elymo-Ammophiletum 228,

230, 301 Elymus arenarius 227, 228 Elymus farctus 227 Empetrum nigrum 229, 231 Epilobium 266 Epilobium angustifolium 185 Equisetum arvense 121 Eragrostis minor 247 Eragrostis pilosa 247 Erica cinerea 26, 287, 288 Erica tetralix 199, 200 Eriophorum 162 Eucalyptus 281 Euphorbia 254 Euphorbia balsamifera 62 Euphorbia canariensis 62, 293 Euphorbia peplus 247 Fago-Quercetum petraeae 53 Fagus orientalis 289, 290 Fagus sylvatica 51, 177, 211,

213, 287, 288, 289, 290 Festuca ovina 201 Festuca quadriflora 314 Festuca sulcata 53, 151 Filipendula kamtschatica 53 Fimbristylis dichotoma 223,

224 Frankia alni 185 Fraxinus excelsior 53, 177,

213 Fumaria officinalis 197 Fusarium 176, 192 Galeopsis segetum 197 Galio odorati-Fagetum 66 Galio-Carpinetum 51, 53 Galium odoratum 197 Gaultheria antipoda 235

Genista 254 Gentiana clusii 201, 216 Gentiana kochiana 201 Gentiana schleicheri 216 Gentiana verna 216 Geranium pratense 210 Geranium robertianum 210 Geum montanum 314 Gleichenia 223 Gnaphalium hoppeanum 314 Gnaphalium uliginosum 121 Greenovia aurea 258 Grevillea 280 Grimmia 223 Guzmania 271 Hedera helix 83 Hepatica nobilis 189, 197 Hieracio-Empetretum 231, 301 Hieracium piliferum 314 Hieracium villosum 314 Hippophae rhamnoides 178,

185, 230, 297 Holcus mollis 197 Honckenya peploides 228 Hordeum murinum 210 Humerillia exilis 176 Hutchinsia alpina 201 Hutchinsia brevicaulis 201 Hydnophytum 273 Hylocomium splendens 144 Hymenophyllum 260 Ilex aquifolium 51, 53, 236 Juncus bufonius 121, 197 Juncus effusus 261 Juniperus communis 199 Juniperus turbinata ssp.

canariensis 62 Kingia 280 Kunzea ericoides 223 Lamium galeobdolon 197 Larix 178, 221 Larix dahurica 28 Larix sibirica 53 Lasius flavus 189, 190 Lathyrus vernus 210 Lecideetum uliginosae 301 Lemaireocereus thurberi 293 Lemna minor 264 Leontopodium alpinum 215 Lepidium cartilagineum 168 Leucobryum 162 Leucojum vernum 78 Limonium vulgare 279 Lithops 253 Lithospermum arvense 210 Littorella uniflora 293

Lobelia dortmanna 293 Loiseleuria procumbens 219,

310 Loiseleurio-Cetrarietum 310 Longidorus 176, 185 Luzulo-Fagetum 108 Lycopodium volubile 223, 224 Maianthemum bifolium 197 Malus domestica 217 Matricaria discoidea 210 Matricaria recutita 197 Melaleuca 281 Melampyrum pratense 197 Melampyrum sylvaticum 197 Melicytus alpinus 235 Mentha arvensis 121 Mercurialis perennis 197 Minuartia verna ssp. hercynica

201, 314 Miscanthus sinensis 223, 224 Moehringia 266 Moehringia ciliata 314 Monanthes brachycaulon 258 Mucor 192 Mucus 176 Mycelis muralis 197 Mylia taylori 71 Myosotis alpestris 314 Myriophyllo-Nupharetum 308 Myrmecodia beccarii 273 Nerium oleander 249, 250 Nidularium 271 Nitrosomonas 182 Nothofagus betuloides 40 Nothofagus menziesii 235 Nuphar lutea 233, 265 Nymphaea thermarum 224 Opuntia basilaris 247 Opuntia ficus-indica 256 Oscillatoria 176 Oxalis acetosella 197 Oxalis stricta 197 Panicum miliaceum 247 Papaver dubium 197 Papaver rhoeas 197 Paris quadrifolia 199, 200 Parmelia azetabulum 298 Peltigera canina 298 Penicillium 192 Pereskia grandifolia 257 Petasites amplus 54 Phragmites 167 Phyteuma hemisphaericum

314 Pinus 143, 221 Pinus canariensis 280 Pinus koraiensis 53

Page 334: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Verzeichnis der Gattungen, Arten und Syntaxa 321

Pinus sylvestris 199, 291 Pinus sylvestris ssp. sylvestris

249 Plagiomnium undulatum 144 Platycerium alcicorne 269,

270 Poa alpina var. vivipara 220 Poa annua 223 Poa nemoralis 197 Pohlia nutans 71 Polygonum amphibium var.

terrestre 121 Polygonum hydropiper 121 Polygonum viviparum 220,

314 Polypodium vulgare 197, 212,

213 Polytrichum juniperinum 75 Populo-Quercetum 230 Portulaca oleracea 247 Potentilla nitida 216 Prenanthes purpurea 210 Primula auricula 201 Primula hirsuta 201 Primula suaveolens 199, 200 Prumnopitys taxifolia 234, 235 Prunus armeniaca 217 Prunus padus 177 Pseudopanax ferox 234 Psilotum nudum 242, 243 Ptilidium crista-castrensis 144 Pulsatilla alpina 201 Pulsatilla sulphurea 201 Pyrus communis 217 Quercus petraea 51, 230 Quercus robur 51, 53, 213 Ranunculus alpestris 201 Ranunculus cf. aquatilis 265 Ranunculus glacialis 57, 201,

219, 309 Ranunculus repens 121 Raphanus raphanistrum 197 Rhipsalis 267 Rhizobium 297 Rhizocarpon geographicum

146, 300 Rhizophora 262 Rhododendron 143, 219, 267 Rhododendron ferrugineum

201 Rhododendron hirsutum 201 Rhododendron javanicum 267,

268 Rhododendron ponticum 51,

53 Rhytidiadelphus loreus 144

Ricciocarpus natans 264 Rubia peregrina 26 Rumex acetosella 197 Ruscus aculeatus 36, 51, 256 Sagina procumbens 223 Sagittaria sagittifolia var.

vallisneriifolia 264 Salicetum herbaceae 311 Salicornia 122 Salicornia brachystachia 276 Salicornia ramosissima 276 Salicornia stricta 276, 277 Salix arenaria 230 Salix repens 228, 230 Salix reticulata 216 Salsola kali 247 Salvia pratensis 210 Salvinia natans 264, 265 Sambucus nigra 185, 213, 230 Sambucus racemosa 213 Sanicula europaea 197 Sarothamnus scoparius 254 Saussurea alpina 314 Saussurea gnaphaloides 57 Saxifraga caesia 314 Saxifraga exarata 201 Saxifraga moschata 201 Saxifraga muscoides 216 Saxifraga oppositifolia 216 Scandix pecten-veneris 197 Schistostega pennata 212 Schlumbergia kautzkii 256 Scirpo-Phragmitetum 308 Scleranthus annuus 197 Selaginella lepidophylla 241,

242 Sempervivum montanum 214 Senecio multivenius 267, 268 Sequoia sempervirens 238 Sequoiadendron giganteum

238 Setaria pumila 247 Setaria viridis 247 Silene acaulis 216 Silene elisabethae 216 Silene exscapa 216 Silene vulgaris 201 Sinapis arvensis 197 Solanum nigrum 197 Soldanella alpina 201 Soldanella pusilla 201, 311 Solidago virgaurea 314 Sorbus aucuparia 213 Spartina anglica 247, 276, 277 Spergula arvensis 197 Spergula morisonii 197

Spergularia rubra 197 Spergulo-Corynephoretum 132 Sphagnum 162, 163, 223, 284 Spirodela polyrhiza 264, 266 Spirulina 176 Stachys arvensis 197 Stachys palustris 121 Stellaria holostea 197 Stereocaulon vesuvianum 298 Stipa chrysophylla 58 Stipa grandis-Steppe 152 Stipa krylovii 152 Stipa pennata 253, 254 Streptomyces coelicolor 176 Streptomyces griseus 176 Stromatopteris 243 Suaeda aralocaspica 245 Tanacetum vulgare 147 Taxus baccata 287, 291 Teucrium scorodonia 197 Thymus pulegioides 189 Thymus serpyllum 210 Tillandsia recurvata 274 Tillandsia usneoides 271, 274,

275 Tmesipteris vieillardii 242,

243 Tortula 223 Tortulo-Phleetum arenariae

301 Trichoderma 176, 192 Trisetum spicatum 314 Trochiscia aspera 176 Tussilago farfara 121 Tylenchorhynchus 176, 185 Typha 167 Ulmus 177 Umbilicaria cylindrica 146 Urtica urens 197 Usnea 298 Utricularia 264 Vaccinium myrtillus 197 Vaccinium vitis-idaea 197 Veronica officinalis 189 Veronica persica 197 Viola calaminaria 201 Viola canina 189 Viola cheiranthifolia 61, 62 Viola guestphalica 201 Violo-Corynephoretum 230,

231, 301 Vriesea 267, 271 Weinmannia racemosa 39 Xanthoria parietina 298 Xanthorrhoea 280

Page 335: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Sachverzeichnis

A/C-Böden 144, 145 Abgrusung 108 Abhängigkeit 285 abiotische Faktoren 195, 284,

285 Ablation 5 acidophytisch 199 Ackergare 179 Actinomyceten 115, 176, 178,

180, 185, 193, 203 Actinorhiza 297 Adhäsion 136 adiabatische Zustandsänderung

34 Adsorptionswasser 122 Advektionsreif 83, 84 Aerenchym 261 Aggregatbildung 179, 180 Aggregatgefüge 105 Akrotelm 163, 183 Albedo 10, 17, 18, 29, 87 Aleutentief 45 Alfisols 137 alpine Stufe 57, 60 Altschnee 18 Ameisen 184, 188 amorphe Eisbildung 221 Amphibole 92 Andesit 94 Andisols 137 Anemochorie 39, 225, 304 anemogame Pflanzen 225 Anhydrit 93, 111 Anmoor 101 Anmoorböden 164 Anneliden 184 Anpassung 182, 212, 213,

214, 215, 219, 235, 245, 256, 261, 270, 271, 285, 292, 293, 311

Anreicherungshorizont 118 Antarktis 10, 24 Antarktischer Zirkularstrom

24 Anthropozän 10

anthropo-zoogene Faktoren 285

Apatit 92, 103, 205, 207 Aphel 9 äquatoriale Regengürtel 32 äquatoriale Tiefdruckrinne 22 Äquatorialströmungen 24 Aquert 137 Areal 288, 290, 291 Arealtypen 286, 291 arides Klima 33, 49 Aridisols 137 Arktis 10 arktische Tundra 57 Artemisia frigida-Steppe 170 Arthropoden 186 Assoziation 2, 294, 295, 296 Atemwurzeln 262 Atmosphäre 5, 8, 10, 11, 19,

20, 48, 66 atmosphärische

Gegenstrahlung 17 atmosphärische

Strömungsmuster 23 atmosphärische Zirkulation

20, 21, 45, 46 Auenböden 134, 161, 162 Auenlehm 100 Auenregosol 162 Ausbreitung 305 Ausgangsgestein 92, 96, 131,

142, 145, 147, 153, 157, 169, 195

äußere Klimafaktoren 6 außertropische Westwinde 32 Autochorie 304 Azorenhoch 26, 46 Barochorie 304 Basalt 94, 138, 147 Basenzeiger 200 basiphytisch 199 Baumgrenze 59 Beaufort-Skala 37, 38 Benguelastrom 26 Bergwinde 34 Bering-Gap 54

Betula ermannii-Alnus-Wald 53

Bewölkung 6 Binnenlandsdünen 39, 75 Biodiversität 3 biogene Entkalkung 265 Biogeosysteme 3 Bioklimate 61 biologische Verwitterung 115 Biosphäre 3 biotische Faktoren 195, 284,

285, 307 Biotit 92, 204 Biotop 3 Bioturbation 141, 161, 176,

184 Biozönose 3 Blanked bogs 198 Blattflächenindex 208 Blattschneiderameisen 184,

191 Blauthermik 80 Blöcke 98 Bodenalterung 117 Bodenart 77, 88, 96, 97, 98,

116, 121, 125, 131, 136, 195

Bodenbildung 3, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 101, 115, 116, 129, 131, 138, 144, 173, 188

Bodenfaktoren 91, 195, 196 Bodenfarbe 131 Bodenfauna 175, 177, 184,

187 Bodenflora 175, 184 Bodenfraktion 101, 104 Bodenfrost 69 Bodengare 179, 180 Bodengefüge 100, 104, 105,

122, 131, 136 Bodenhorizonte 66, 112, 126,

131, 139, 140, 141, 153, 159, 180

Bodenisothermen 68, 76 Bodenkeimzahl 182

Page 336: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

324 Sachverzeichnis

Bodenkrümel 78, 105, 180 Bodenluft 91, 102, 104, 119,

120 Bodenmikroorganismen 138,

175, 176, 178, 180, 181, 182, 183, 184

Bodenminerale 101 bodennahe Luftschicht 65, 66 Bodenorganismen 91, 116,

126, 127, 151, 175, 179 Boden-Pflanze-Atmosphäre-

Kontinuum 65, 241 Bodenpilze 192 Bodenprofil 101, 132, 139,

140, 148, 155, 159, 160 bodenstet 198 Bodenstruktur 151, 175, 178 Bodentemperatur 67, 68 Bodentiere 104, 138, 141 Bodentyp 91, 96, 101, 134,

146, 147, 148, 149, 150, 153, 154, 155, 161, 164, 195

bodenvag 198 Bodenwärmestrom 74 Bodenwasser 48, 91, 111, 116,

119, 125, 166, 167, 184 Bodenzonen 132 Bora 34, 36 boreale Nadelwälder 46 Boreale Nadelwaldzone 155 Bosque termófilo 61, 62 Bottnischer Meerbusen 26 Braunerde 135, 148, 149, 153,

154 Brutknospen 220 Bündelscheidenzellen 244,

245 C/N-Verhältnis 176, 177, 178 C3-Pflanzen 243, 245, 246 C4-Dicarbonsäureweg 244 C4-Pflanzen 244, 245, 247 Calcit 93, 103, 104, 114 Calcium 206, 207 Calciumhydrogencarbonat 114 Calciumoxid 95 CAM-Metabolismus 214, 247,

293 CAM-Pflanzen 246 Campylopus introflexus-

Gesellschaft 132 Carbonat 92, 114, 153, 204,

265 Carbonatisierung 113 Cardonál 60, 62 Carex arenaria-Rasen 301 Carnivorie 203

Cetraria aculeta/C. muricata-

Cladonion arbusculae-Fragmentges. 301

charakteristische Artenkombination 296

chemische Verwitterung 112 Chicxulub-Event 10 Chlorid 92 Chlorid-Sulfatverbrackung

167, 168 Choriotope 189 circumantarktische

Meeresströmung 26 Cisto symphytifolio-Pino

canariensis-Stufe 61 Cladodien 255, 256 Cladonia bacillaris-

Mikrogesellschaft 301 Cladonia rangiformis-

Dominanzbestand 301 colline Stufe 57 Coriolis-Kraft 20 Crassulacean acid metabolism

(CAM) 246 cryomediterran 60 Cryosols 137 Cyanobakterien 146, 176, 180,

203, 211, 223, 260, 264 Dalton-Minimum 9 Desquamation 106 Diabas 94 Diapirismus 93 Differentialarten 296 diffuse Himmelsstrahlung 15,

17, 70, 72 Dimorphismus 233, 234 Diorit 94 direkte Sonneneinstrahlung

15, 17, 70 diskontinuierlicher Permafrost

89 diurnaler Säurerhythmus 246 Divarikation 234, 235 Dolerit 94 Doline 69 Dolomit 95, 103, 104, 114 Dreischichtsilikate 107 Duldung 285 Dünenpflanzengesellschaften

14 Dynamik 15, 174, 301, 302,

306, 307 edaphische Faktoren 285 Edaphon 117, 175 effektive Ausstrahlung 19 Einstrahlung 70, 72 Einstrahlungsbedingungen 5

Einwanderung 301, 302 Einzelkorngefüge 105 Eis 5, 10, 18, 79, 84, 86, 87 Eisen-Humuspodsol 156 Eisenpodsol 156 Eisgrenze 60 Eislinsen 88, 166 Eisniederschlag 83, 84 Eiswüste 135 elektromagnetische Wellen 12 Ellenbergsche Zeigerwerte

196 Eluvialhorizont 140 Embryonaldünen 227 emittierte Wärmestrahlung 30 endogen 285 endolithische Flechten 115 Energiebilanz 19, 30, 65 Entisols 137 epigäische Flechten 300 epilithische Flechten 300 Epiphyllie 266, 268, 269 Epiphyten 41, 212, 266, 267,

268, 269, 270, 271, 273, 274

Epiphytismus 266, 267, 268 erblicher Nanismus 215 Erdflechten-Gesellschaften

301 Erdrotation 20 Erg 171 Erosion 106 Etesienklima 46, 217 euryök 236 eurytop 199 Eutrophierung 306 Evaporation 48 Evapotranspiration 37, 46, 48,

242 Evolution 10 Ewiges Eis 46 Exaration 106 Exfoliation 108, 109, 110 exogen 285 Exposition 59, 60, 70, 71, 72,

73 Exsudate 138 Extremtemperaturen 67 Exzentrizität 8 Fahlerde 157, 158 Faktorenkomplex 203, 286 Fallwinde 34 Fayal-Brezal 61, 62, 284 Federgrassteppe 151, 152 Feinporen 100, 101, 124, 159 Feldkapazität 100, 124, 125,

126, 150

Page 337: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Sachverzeichnis 325

Feldspat 92, 95, 104 Ferrel-Zellen 21 Ferrihydrit 102, 103 Festgesteine 94 Festuca sulcata-Steppe 152 Festuca valesiaca-Stipa

capillata-Waldsteppe 53 feuchtadiabatische Abkühlung

34 Feuchtigkeit 6, 34, 36, 65, 67,

79, 83, 84, 172, 175, 183, 196, 199, 218, 241, 263, 267

Feuchtigkeitsgehalt 84, 91 Feuchtigkeitskapazität 84 Fingerprobe 98 Finnischer Meerbusen 26 Flechten 109, 110, 146, 212,

214, 215, 222, 223, 224, 241, 267, 268, 269, 298, 300, 301, 318

Fließwasserröhrichte 100 Föhn 34, 35, 36 Foucaultsches Pendel 20 frontaler Niederschlag 31 Frosthärte 221 Frostlöcher 69 Frostmusterböden 135, 136 Frostschutt 110 Frostsprengung 109, 110, 111,

135 Frosttrocknis 221 Frostwechseltage 56 Frühfrost 49 fühlbarer Wärmestrom 74 Fulvosäuren 118, 141, 143,

157, 176 Fumarolen 222, 223 Fundamental niche 286 Gabbro 94 Gashydrate 11 Gebirgsböden 135, 147, 164 Gegenstrahlung 18, 19 Gelisols 137 Gemäßigte Regenklimate 43 Generalisten 236, 237 Geoelemente 286 Geophyten 72, 78, 79, 199,

212, 280, 285, 291, 293, 310

Geosmin 180 Geothermie 29 Gesamtausstrahlung 18, 19 Gesamtwasserpotential 241 Geschiebemergel 95, 149,

157, 158

gesetzmäßige Artenkombination 285

Gewitter 81 Geysir 29, 30 Gezeiten 23 Gibbsit 102 Gipfelflora 313 Gips 93, 103, 104, 111, 113,

145, 149, 167, 199, 205 Gipsrendzina 149 Gipstektonik 93 Gleissberg-Zyklus 9 Gleyböden 96, 159, 160 Glimmer 92, 94, 107, 204 Global Warming 247 globale Abkühlung 11 globale Erwärmung 11 globale Strahlungsbilanzen 15 globale Temperaturverteilung

22 globale Westwinde 21 globale Zirkulation 22 globales Wärmeklima 23 Globalstrahlung 15, 17, 30 Glykophyten 275, 276, 277,

278 Gneis 94, 138 Goethit 93, 102, 103, 205 Golfstrom 26 Granit 94, 102, 108, 110, 138 Grassteppe 53 Gravitationspotential 124 Grobporen 100, 101, 102, 125,

180 Großklima 7, 8, 44 Grundfeuchte 79, 120 Grundfeuer 281 Grundgestein 92 Grundwasser 3, 79, 91, 120,

123, 124, 138, 140, 151, 159, 161, 163, 166, 167, 168, 171, 248, 306, 307, 309, 317

Grundwasserböden 159 Grus 98, 99 Hadley-Zellen 20, 21 Hadley-Zirkulation 45 Haftwasser 79, 120, 138 Halbwüste 133, 178 Halogenide 93 Halophyten 275, 276, 277,

278, 279, 281, 296 Hamada 169 Hämatit 93, 102, 103 Hangwinde 34 Hartholzauenwälder 100 Hartlaubwälder 46

Hauptklimazonen 44 Heidepodsol 139 Helophyten 260, 261, 262,

263 Hemerochorie 304 Heteromorphie 233 Heterophyllie 233, 234, 265 Hierarchie von Filtern 305 Histosols 137 Hochgebirgsflora 214 Hochgebirgsklima 56 Hochmoor 101, 162, 163 Hochmoortorf 162, 177 Höhenlagen-Klimate 43 Höhenstufung 7, 60, 61 Homoiohydrie 242 horizontale Luftströmungen

33 Horizonte 101, 102, 104, 137,

139, 141, 143, 159, 160, 181

Humboldt-Strom 26 humid 49 humides Klima 33 Humifizierung 138, 176, 177 Huminstoffe 126 Humult 137 Humus 119, 126, 127, 128,

140, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 157, 167, 172, 184, 192, 193, 203, 269

Humusformen 141 Humushorizont 66 Humustypen 141 Hurrikan 39 Hydratation 111, 112, 120 hydraulisches Potential 125 Hydrenchym 257 Hydrochorie 304 Hydrolyse 114, 116 Hydrophyten 263, 265, 273 Hydrosphäre 3 hydrostatischer Druck 237,

239 Hydroxid 92 Hygromorphie 242, 244 Hygrophyten 259, 260 hygroskopisches Wasser 121 Hypertrophierung 306 Idealkontinent 55 Illit 107, 153, 204 Illuvialhorizont 140 Inceptisols 137 induzierter Nanismus 215 Infrakanarische Höhenstufe 60 Infrarotstrahlung 12, 13, 15 Inklination 70, 73

Page 338: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

326 Sachverzeichnis

innere Klimafaktoren 6 Innertropische

Konvergenzzone 20, 32, 43, 80

Insolationsverwitterung 106, 108

Internationales Biologisches Programm 2

Interzeption 82 Interzeptionsverdunstung 48 Inversion 35, 37, 59, 60 Inversion der

Vegetationsstufen 69 Inversionswetterlagen 24 Ionenaustauscher 162 Islandtief 22, 26, 45 Isothermen 26, 50 Ixantho viscosi-Lauro

novocanariensis-Stufe 61 Jahreszeitenklima 44, 57 Januarisothermen 28 Jetstream 45 Juliisothermen 28 Kalium 206 Kalkmoder 143 Kalkmull 143 Kalksinterbildungen 113 Kalkverbrackung 167 Kalkverwitterungsböden 18 Kältepol der Erde 27, 28 kalter Westküsteneffekt 27, 28 Kaltluftfluss 69 Kaltluftsee 69 Kaltluftstau 69 Kaltzeiten 9, 11 Kaolinit 103, 107, 116, 134 Kapillarwasser 79, 120, 122,

123, 138, 159 Karstverwitterung 114 Kastanosem 135 Katotelm 163, 183 Kennarten 296 Kies 98, 99, 100, 169 Kieswüste 169 Klareis 84 Klassifikation 42, 44, 48, 60,

63, 97, 137, 296 Kleine Eiszeit 9, 11 Kleinio neriifoliae-Euphorbio

canariensis-Stufe 60 Klima-Boden-Pflanze-

Kontinuum 79 Klimadiagramme 48, 49 Klimafaktoren 6, 196 klimainduzierte

Vegetationsveränderungen 309

Klimaklassifikation 43, 44 Klimaparameter 15 Klimaschwankungen 8 klimasensible Arten 311 Klimate des Ewigen Frostes

43 klimatische Faktoren 285 Klimatypen 6, 8 Klimaveränderungen 10, 11 Klimawandel 311, 312 Klimax 1 Klimazonen 1, 5, 43, 44, 132,

181 Klufteis 110 Koagulate 104 Koevolution 303 Koexistenz 285, 290, 291, 292 Kohärenzgefüge 105 Kohäsion 136 Kohlendioxid 10, 11, 19 Kohlensäureverwitterung 116 Kommensalismus 285 Kondensation 74 Konkurrenz 200, 228, 284,

285, 286, 287, 290, 291, 309

Konsistenz 122, 136, 138 Kontinentaldrift 6 kontinentale Klimate 43 Kontinentalität 7, 50, 51, 55,

60 Kontinentalverschiebungen 9 kontinuierlicher Permafrost 89 Konvektion 30, 31, 80 Konvektionsniederschläge 31,

80 Konvergenz 20, 81, 271, 293 Köppensche

Klimaklassifikation 59, 60 Korngrößenfraktionen 97, 99 Körnung 96, 98, 99, 100, 125,

141, 287 Körnungsdreieck 97 Korrasion 106 Krattwälder 226, 230 Krautschicht 66 Kronendach 66 Kronenfeuer 281 Krotowina 150 Krümelaggregate 105 Krümelstruktur 105, 120, 121,

179, 180 Krummholz 58 Kryosphäre 3 Kryoturbation 135 K-Strategie 292 Kurztagpflanzen 214

kurzwellige Strahlung 13 Lackprofil 119, 154, 157, 160 laminare Grenzschicht 7, 8 Land-Meer-Verteilung 22, 33 Landschaftsklima 7, 8 Landverdunstung 48 Langtagpflanzen 214 langwellige Strahlung 13 Large-scale disturbances 305 latenter Wärmestrom 74 Lateritböden 133, 171, 172 Latosol 133, 171 Laurisilva 61, 62 Leaf Area Index 208 Lehm 77, 97, 141, 212 Lepidokrit 102, 103 Lessivé 157 Lessivierung 117, 157 Lianen 212 Licht 208 Lichtbedürfnis 209 Lichtblätter 209 Lichtgeschwindigkeit 12 Lichtintensität 67 Lichtpflanzen 285 Lignotuber 280 Limonit 115 Lithosphäre 3 Lockersedimente 92, 94 Locker-Syrosem 144, 145 Lokalklima 7, 8 Long-distance-transport 304 Long-range dispersal 304 Lorbeerwald 61, 62, 218 Löss 41, 91, 95, 98, 138, 149,

150, 157, 158 Lösslehm 95 Lösungsverwitterung 112 Luftdruck 6, 67 Luftfeuchte 6, 34, 36, 67, 79,

84, 86 Luftfeuchtigkeit 11, 65, 83,

84, 195, 246, 260, 262, 263, 298

Luftkapazität 78 Lufttemperatur 67 Luftzirkulation 9 Lumbriciden 184 Luv-Wolke 36 Lux-Einheiten 14 Magmatit 93, 94 Magnesium 206 Makroklima 7, 8 malakophylle Xerophyten

252, 253 Mangrove 262 Marschenböden 96

Page 339: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Sachverzeichnis 327

Massenerhebung 59 mathematischer Äquator 25 Matrixpotential 124, 125, 126,

239, 241 Maunder-Minimum 9 Maximum-

Minimumthermometer 67 Mayteno canariensis-Junipero

phoeniceae-Stufe 61 mechanische Windwirkung 40 mediterranoide Etesienklimate

46 Meeresströmungen 6, 9, 25 Mesokanarische Höhenstufe

60, 61, 62 Mesoklima 7, 8 mesomediterran 60 Mesopause 17 Mesophyten 259 mesotrophe Braunerden 148 Metallophyten 202 Meteoriteneinschläge 6, 9 Methan 10 Mikroklima 7, 8, 65, 66 Mikroklimatologie 65 Mikroturbulenzen 8, 74 Milankovich-Parameter 9 Milankovich-Zyklen 8, 11 Mimikry 235 Mineralisation 127, 150, 176 Mistral 36 Mittelporen 100, 101, 125,

180 Mitteltemperaturen 71 Moder 141, 147, 148, 153,

249 molekulare Grenzschicht 7, 8 Mollisols 137 montane Stufe 57 Monteverde 61, 62, 218 Montmorillonit 107 Moorböden 18, 101, 162 Mull 141, 143, 147, 148, 149,

150, 151, 153, 161 Muskovit 92 Mutation 235, 292 Muttergestein 92, 132, 134,

140, 148, 150, 155, 171 Mycobiont 298 Mykorrhiza 193, 206, 298 Myrmekochorie 189 Nanismus 215, 216, 253 Nassböden 159, 308 Nassgley 160 Nebel 79, 81, 84, 259 Nebelfrost 70, 84, 89 Nebelfrostbehänge 81

Nebelniederschlag 81 Nebelzone 60 Neigungswinkel 73 Nematoden 176, 178, 184,

185, 186 Neuschnee 18 Nichthuminstoffe 126 Niedermoor 137, 163 Niederschlag 6, 33, 43, 44, 46,

48, 49, 79, 80, 88, 121, 135, 166, 195, 259, 306

niederschlagsbezogene Klimatypen 33

Niederschlagsgürtel 31 Niederschlagsmenge 67 Niederschlagsverteilung 31,

32 Niederschlagszurückhaltung

82 nivale Stufe 57, 60 Nivalpflanze 219 Nivellierung 306, 309 Nordatlantischer

Oszillationsindex 25, 26 Nordostpassat 20, 34, 45 nutzbare Feldkapazität 125 nutzbare Wasserkapazität 125 Oberflächentemperatur 13 Oberflächenzirkulation 24 ökologische Amplitude 200 ökologische Nische 195 ökologische Vikarianten 200 ökologisches Optimum 287,

288 ökologisches Verhalten 286 Ökosystem-Konzept 2 oligotrophe Braunerden 148 Olivin 92, 204 ombrotroph 162 Optimumskurve 286 Organische Bodensubstanz

126 Orkan 39 orographischer Niederschlag

31 Orokanarische Höhenstufe 60,

61 Oroklima 8 oromediterran 60 Orterde 118, 127, 139, 140,

156 Orthoklase 92 Ortstein 118, 127, 140, 156 Ortsteinbildung 99 osmotisches Potential 125,

239, 241 Oxid 92

Oxisols 137 ozeanische Strömungsmuster

23 ozeanische Tiefenströmung 23 Ozeanität 50, 51, 55 Ozeanitätsgefälle 53 Ozon 10, 11 Palsa 88, 135 Parabraunerde 135, 149, 157,

158 Pararendzina 145, 147, 149 Partialdruck 85, 240, 245, 264 Partikel-Strahlung 12 Passat 45, 59 Passatgebiete 32 Passat-Winde 20, 24 Passatwurzeln 46 Paternia 162 Pedosphäre 3, 131 Peinomorphose 205 perhumid 49 Periglazial 41 Perihel 9 Permafrost 28, 88, 89, 135,

137, 182 Permanenter Welkepunkt 125 Pflanzenflächenindex 239 Pflanzenformationen 1, 48 Pflanzengesellschaften 1, 2, 3,

4, 26, 41, 66, 94, 120, 130, 174, 211, 228, 285, 286, 294, 295, 296, 300, 308, 309, 310

Pflanzenmineralstoffe 202 Pflanzensoziologie 2, 4, 41,

89, 130, 174, 295, 296 pflanzenverfügbares Wasser

79, 120 Phosphat 92, 203, 204, 205,

206, 207, 245, 246, 298 Phosphor 205 photochemische Methode 14 photoelektrische Methode 14 Photonen 12 Photonenstromdichte 14 Photoperiodismus 213 Photosynthese 14, 30, 176,

195, 208, 211, 222, 223, 225, 238, 243, 245, 247, 275

Photosynthetically Active

Photon Flux Density 14 Photosynthetically Active

Radiation 14 photosynthetisch aktive

Strahlung 14 Phycobiont 298

Page 340: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

328 Sachverzeichnis

Phyllit 94, 138 Phyllocladien 255, 256 physiologische Windwirkung

40 physiologisches Optimum

287, 288 physiologisches Verhalten 286 Pilzhyphen 100, 179, 180,

192, 193, 298 Pinar 61, 62 Pinus sylvestris-Larix sibirica-

Nadelwald 53 Plaggenauflage 139 Plagioklase 92 planare Stufe 57 planetare Albedo 16, 17, 18 Platycladien 255 Pluviotherophyten 259 Pneumathoden 272 Podsol 99, 119, 128, 133, 135,

140, 153, 154, 155, 156 Podsol-Braunerde 154 Podsolierung 118, 127, 143,

148, 149, 154, 155, 156, 157

Poikilohydrie 241, 300 polare Tundrenklimate 43 polare Waldgrenze 89 polare Wüste 46 Polargebiete 32 Polar-Zellen 21 Polsterpflanzen 40, 311 Polygonböden 166 Porengrößenverteilung 99,

100 Porenvolumen 65, 101, 119,

120 Porphyrit 94 Porung 100 potentielle Evaporation 76 Primäraggregate 179 Primärdünen 227, 228, 301 Primäre Poren 99 Primärminerale 101, 117 Primärproduktion 222, 243 Primärteilchen 98 Propagulen 264, 266, 302,

304, 305 Protopedon 145 Pseudogley 160, 161 Pyrit 103 Pyrolosit 102 Pyrophyten 279, 280 Pyrophytismus 280 Pyroxene 92 Quantenflussdichte 12 Quarz 92, 94, 101, 102

Rambla 145, 162 Ramets 266 Ranker 108, 137, 145, 146,

147, 148, 149 Raseneisenstein 160 Raueis 84 Raureif 84 Realized niche 286 Redoximorphie 159 Redoxpotential 118 Redoxreaktion 118 Reflexion 10, 11, 16, 17, 18,

74 Reflexionskoeffizient 17 Reg 169, 316 Regen 33, 79, 80, 121, 151,

162, 270, 277 Regenwald 41, 59 Regenwasser 91, 117, 218,

228, 272 Regosol 145, 146, 147 Regulation 4, 206, 208, 242,

301, 303 Reif 83 relative Beleuchtungsstärke

208 relative Luftfeuchte 84, 86 relative Standortskonstanz und

Biotopwechsel 289 Rendzina 66, 114, 145, 147,

148, 149, 153 Rendzina-

Humuskarbonatboden 66 Rendzinamoder 143 Retamár 61, 62 Rheophyten 263 Rhizosphäre 175, 231 Riesenstauden 54 Roaring Forties 22, 23 Rohböden 144, 145 Rohhumus 118, 127, 141, 143,

154, 172 Rollblätter 254 Rossbreiten 21 Roterde 135 Rotlehm 135 r-Strategie 292 Rückstrahlung 6, 195 Rutenstrauch 254 Safe Sites 122 Sahara-Staub 41 Saisondimorphismus 233 Salzböden 104, 122, 166, 167,

241, 277 Salzdrüsen 278, 279 Salzpflanzen 276, 282 Salztektonik 93

Salzverwitterung 110, 111, 112

Sand 18, 41, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 149, 158, 171, 189, 195, 227, 228

Sandböden 1, 75, 101, 118, 123, 155, 189, 298

Sandmull 143 Sandwüste 170, 171 Sättigungsdampfdruck 85 Sättigungsdefizit 85, 86 Saugkraft 121, 237 Saugschuppen 271, 274, 275 Saugspannung 124, 136, 278 Säurezeiger 200 Savanne 46, 178, 281 Savannenklimate 43 Schattenblätter 209, 211, 259 Schattenpflanzen 209, 210,

211, 212, 285 Scheitellinie 27 Schiefer 94 Schlickböden 96, 122 Schlickwatt 122 Schluff 97, 98, 99, 101, 125,

141 Schnee 3, 5, 10, 17, 18, 29,

79, 84, 86, 87, 88, 219, 220, 309, 310

Schneegrenze 60 Schneeschutz 309 Schneetälchengesellschaft 309 Schott 171 Schrift des Bodens 91, 92,

130, 139 Schwabe-Zyklus 9 Schwachlichtpflanzen 210 Schwammstruktur 180 Schwarmwasser 121 Schwarzerde 149, 150, 151 Schwarztorf 162 Schwefel 205 Schwefelbakterien 30 Schwefeldioxid 222 Schwefelwasserstoff 222 Schwermetallzeiger 201 Sedimente 3, 93, 94, 98, 113,

158, 161 Sedimentgesteine 92, 94, 95 Sekundäraggregate 179 Sekundärdüne 228, 229, 301 Sekundäre Poren 99, 100 Sekundärminerale 101, 112,

117 Selektion 235, 292 Selen-Photozellen 14 Semachorie 304

Page 341: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

Sachverzeichnis 329

Semigley 160 Serir 169 Sesquioxide 117, 127, 154,

155, 157, 171 sichtbare Strahlung 13, 17 Siderit 103 Siliciumdioxid 95, 101, 115 Silikat 92, 104, 108, 114, 115,

116, 148 Silikatverwitterung 114, 115,

138, 157 Sinterkalk 114 sklerophylle Xerophyten 249 Smectite 107, 134 Smokers 222 Sodaverbrackung 167, 168 Soil-Plant-Atmosphere-

Continuum 241 Solarkonstante 17 Solarstrahlung 9, 12, 13, 14,

15 Solfatare 222, 223 Solifluktion 135, 164, 165 Solonchak 168, 169, 170 Solonez 167 Sonnenblätter 211 Sonneneinstrahlung 8, 76 Sonnenenergie 10 Sonnenfleckenaktivitäten 6, 8,

11 Sonnenfleckenmaxima 9 Sonnenlicht 15 Sonnenpflanzen 209 Sonnenstrahlung 66, 73 Spalierpflanzen 311 Spartocytiso supranubii-Stufe

61 Spätfrost 19, 49 Speicherkapazität 79, 131 Spezialisten 236, 237 Speziation 235 Spodosols 137 Spör-Minimum 9 Spurenelemente 202, 204, 207 Stadtklima 8 Stagnogley 161 Stammraum 66 Standort 7, 91, 153, 158, 195,

203, 210, 219, 236, 239, 260, 262, 274, 283, 284, 292, 295

Standortbedingungen 2, 148, 177, 235, 284, 285, 289, 295, 308

Standortentwicklung 3 Standortfaktoren 195, 196,

237, 283, 290, 296

Standortklima 8, 65, 66 Standortlehre 283 Starklichtpflanzen 210 Staunässe 120, 121, 158, 159 Stauwasserböden 103, 159 Stefan-Boltzmann-Gesetz 13 Stefan-Boltzmannsche

Konstante 13 Steighöhe 123 Steigungsniederschläge 81 Steine 98, 165, 166 Steinnetzböden 166 Steinsalz 113 Steinwüste 169 stenök 236 stenotop 199 Steppe 51, 53, 174, 178 Steppenklimate 43 Stickstoff 118, 127, 128, 131,

138, 146, 176, 177, 180, 203, 204, 205, 260, 298, 306, 307

Stickstoffeintrag 132 Stickstofffixierung 176 Stipa grandis-Steppe 152 Stochastic niche theory 302 Strahlung 6, 65 Strahlungsbilanz 15, 16, 17,

30, 74 Strahlungsenergie 31 Strahlungsfluss 12 Strahlungsflussdichte 12 Strahlungsintensität 10, 59 Strahlungsparameter 12 Strahlungsverlust 19 Strauchschicht 66 Streifenböden 166 Streuzersetzung 176 subalpine Stufe 57, 60 subarktische Tundra 41 Sublimation 84 subpolare Tiefdruckrinne 22,

45 Substanzvolumen 119, 120 subtropische

Hochdruckgebiete 21, 22 subtropische Trockengürtel 32 subtropische Wüsten 46 Südostpassat 45 Sukkulente 214, 257 Sukkulentenbusch 60, 62 Sukkulenz 257 Sukzessionen 1, 213 Sulfat 92, 204, 205, 207 Sulfid 92 Suprakanarische Höhenstufe

60, 61, 62

supramediterran 60 Survival of the fittest 284 Symbiose 178, 185, 187, 193,

203, 224, 297, 298, 300 Synökologie 283 Syrosem 144, 145, 146 Tabaibal 60, 62 Tafoni 110, 112 Tageszeitenklima 57, 59 Talwinde 34, 70 Tangelhumus 143, 144 Tau 79, 82, 86, 90, 272 Taubildung 19, 74 Taupunkt 81, 83, 86 Teideginstergebüsch 61 Teideveilchen-Schuttflur 61 Temperaturamplituden 67 Temperaturdifferenz 74 Temperaturgradient 75 Temperaturklima 71 Temperaturleitfähigkeit 65, 78 Temperaturparameter 29 Temperatursprengung 106 Temperaturumkehr 69 Termiten 184, 187, 192 Termitensavanne 187 Terra fusca 153, 189 Terra rossa 102, 135, 153 terrestrische Ausstrahlung 17,

19 terrestrische Strahlung 15, 16 Tertiärdüne 229, 230, 301 Thallophyten 267 Thermik 80 thermische Exfoliation 109 thermische Inversionsschicht

34 thermische Leitfähigkeit 31 thermische Strahlung 12 thermischer Äquator 27 thermischer Ostküsteneffekt

27 Thermokanarische Höhenstufe

60, 61, 62 thermomediterran 60 thermophiler Buschwald 61,

62 Tieflandszone 60 Ton 77, 95, 97, 98, 99, 101,

104, 117, 157, 179, 195 Tonablagerungen 95 Tonminerale 107, 112, 116,

117, 134, 157, 167 Tonverlagerung 117, 157,

158, 167 Tonzerfall 115, 117, 141, 154,

155, 171

Page 342: Spezielle Geobotanik: Pflanze - Klima - Boden (Springer-Lehrbuch)

330 Sachverzeichnis

Topoklima 7, 8 Torf 162, 163, 167 Tornado 38 Tramontana 36 Transpiration 30, 31, 39, 40,

48, 86, 209, 210, 214, 222, 225, 237, 240, 241, 243, 246, 250, 251, 260, 262, 263, 270, 275

Treibhauseffekt 19 Treibhausgase 10 Treposol 163 rockenadiabatische

Erwärmung 34 Trockengebiete der Erde 19 Trockenklimate 43 Trockenzonen 31 Trollsche Rübe 55 tropische Regenklimate 43 tropische Regenwälder 46,

178 Troposphäre 20, 21, 81 Tschernitza 162 Tschernosem 135, 150, 153 Tundra 46, 56, 58, 89, 133,

135, 155, 178 Turionen 264, 266, 304 Übergangsmoor 163 Ultisols 137 ultraviolettes Licht 12 undifferenziertes

Hochlandklima 44 Unified neutral theory of

biodiversity 302 Uniformierung 306, 309 vapor pressure deficit 240 Vega 162 Vegetationsdynamik 213 Vegetationsklassen 2 Vegetationskunde 4, 295, 317 Vegetationsperiode 49 Vegetationsstufen 59 Vegetationszonen 5, 42, 44,

46, 47, 50, 55, 90, 132, 154 Velamen radicum 272, 273 Verarmung 306 Verbrackung 167 Verbreitungsursachen 290 Verdunstung 6, 66 Verdunstungskälte 77

Verdunstungswärme 74, 76, 77

Verlandung 308 Vermiculite 107 vertikale Luftströmungen 34 Vertikalgliederungen 56 Vertisol 134, 137 Verwitterung 10, 91, 94, 95,

102, 106, 108, 109, 110, 112, 113, 114, 115, 116, 133, 138, 146, 148, 149, 150, 153, 159, 164, 166, 169, 171, 206

Vierschichtminerale 107 Violeta del Teide 61 Vulkanausbrüche 9, 11 vulkanische Gase 9 Vulkanismus 6 Waldgrenze 59 Waldsteppe 51 Waldtundra 57, 58 Wärmeabgabe 8 Wärmeableitung 73 Wärmeäquator 25 Wärmeausstrahlung 74 Wärmeaustausch 74 Wärmeaustauscher 22 Wärmebilanzen 15, 16 Wärmeflüsse 15 Wärmekapazität 195 Wärmeleitfähigkeit 65 Wärmeleitung 7, 77, 78 Wärmereservoir 22 Wärmespeicherung 74, 76 Wärmestrahlen 87 Wärmestrahlung 14, 15, 30,

70 Wärmewirkung 26, 78 Wärmezonen der Erde 50 Warmzeiten 9, 11 Wasserdampf 10, 11, 19, 20,

31, 74, 79, 81, 83, 85, 120, 214, 240, 250

Wasserdampfsättigungsdefizit 80, 86

Wasserhaushalt 3, 237 Wasserleitfähigkeit 65 Wasserpflanzen 263, 265,

271, 293, 309 Wasserpotential 203, 239,

240, 278

Wasserpotentialgradient 241 Wasserspeicher 106, 271 Wasserspeicherung 125, 256,

269, 271, 273, 287 Weichholzauenwälder 100 Weißtorf 163 Westaustralstrom 26 Westwinddrift 22 Wettbewerb 285 Wiensches

Verschiebungsgesetz 13 Wind 6, 20, 33, 37, 81, 225 Winderosion 227 Windfahne 40 Windgeschwindigkeit 37, 38,

67 Window of Opportunity 305 Windrichtung 37, 67 Windschliff 40 Windschur 39, 40, 226 Windstärke 37, 38 Windsysteme 6, 46 Windwert 37 Windwurf 39 Winterregen 46, 50 Wintersteher 220 Wirbelwinde 38 Witterung 6 Wolf-Minimum 9 Wolkenkondensation 80 Wolkenzone 60 Wollsackverwitterung 108,

109 Wurzelatmung 120 Wurzeldruck 237, 265 Wurzelfraß 176, 186 Wurzelkanäle 118 Wüste 33, 41, 59, 113, 133,

166, 178, 293 Wüstenböden 146, 164, 169,

181 Wüstenklimate 43 Wüstenpflanzen 17 Wüstenstäube 41 Xeromorphie 242, 244 Xerophyllie 249 Xerophyten 248, 249, 251,

252, 253, 257, 259 Xylopodien 280