sedierung mit volatilen anästhetika auf der intensivstation: technische umsetzung und aktuelle...
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Sedation concepts with volatile an-aesthetics in intensive care –Technical application and currentexperiences
Summary The routine use of volatileanesthetics in intensive care medicinehas been limited so far due to technicaldifficulties and the need for an an-aesthetic machine. The new AnestheticConserving Device (AnaConDas) is amodified heat and moisture exchangerwhich includes activated carbon fibres. Itworks as a miniaturized vapor withrecirculation facilitating the use of vol-atile anesthetic for long-term sedationwith any classical ventilator. The An-aesthetic Conserving Device (Ana-ConDas-System) replaces the common
ventilator circuit. The volatile anaestheticis continuously applied in liquid statusvia a syringe pump to the minivaporwhere the anesthetic is vaporized. Theexpired anaesthetic gas is stored in thecarbon filter and about 90% areresupplied into the breathing circle.Beside the active central hospitalscavenging system actual three passivescavenging systems with different mo-dified activated charcoal can be used foranaesthesia gas scavenging from theventilator.Current studies have experienced a safeapplication route, no development oftolerance as well as short wake-uptimes after long-term sedation withvolatile anaesthetics. There is still needfor studies on economical aspects.The current experiences suggest that vol-atile anaesthetics present an alternativefor long-term sedation on intensive careunits, providing optimized pathways froma medical as well as from an economicalviewpoint. According to current drug-approval-laws the use of volatile anaes-thetics for a longer period is an off-labeluse and should only be applied by medicalprofessionals at their own responsibility.
atile anaesthetics.
ORIGINALIAJens Soukup
Katharina ScharffMichael BomplitzMirja ZielonkaKristina KuboschSedierung mit volatilen Anas-thetika auf der Intensivstation:Technische Umsetzung und aktu-elle Moglichkeiten der Restgas-filterung
heat and moisture exchanger in theZusammenfassung. Die Anwendung von volatilen Anasthetika auf der In-tensivstation war aufgrund des fehlenden
’’alltagstauglichen
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technischenEquipments bisher nur unter hohen technischem Aufwand und unter Verwen-dung handelsublicher Narkosegerate moglich. Das neue Anasthesiegas-Rezir-kulierungs-System AnaConDas ermoglicht nunmehr auch aus technischer Sichtden routinemaßigen Einsatz volatiler Anasthetika im Rahmen der Langzeit-sedierung intensivmedizinischer Patienten.Die Applikation volatiler Anasthetika erfolgt hierbei kontinuierlich uber eineSpritzenpumpe in eine Art Miniaturverdampfer, der an Stelle des ublichenBeatmungsfilters in das Beatmungsschlauchsystem integriert wird. Wahrendder Exspiration gelangt das abgeatmete Anasthetikum vom Patienten in dasRezirkulationssystem, wird zum großten Teil im Aktivkohlefasergeflecht ge-speichert und danach der Inspirationsluft wieder zugefuhrt. Bei klinisch rele-vanten Konzentrationen werden so mehr als 90% des Gases rezirkuliert. Esbesteht die Notwendigkeit einer Restgasfilterung. Neben der Moglichkeit einerzentralen Narkosegasabsaugung erscheint vor allem der Einsatz von speziellenpassiven Restgasfiltern, die, am Exspirationsauslass des Beatmungsgeratesangeschlossen werden konnen, praktikabel.Aktuelle Studien beschreiben eine sichere Applikation, eine gute Steuerbarkeitsowie kurze Aufwachzeiten. Allerdings fehlen bisher genaue Analysen zurOkonomie des Verfahrens.Die Anwendung volatiler Anasthetika auf der Intensivstation konnte in Zukunfteine sinnvolle Bereicherung im Rahmen intensivmedizinischer Anal-gosedierungskonzepte darstellen, Moglicherweise kann dadurch eine Opti-mierung des Behandlungsprozesses sowohl aus medizinischer als auch okono-mischer Sicht erreicht werden. Es ist aber darauf zu verweisen, dass derzeitaufgrund der aktuellen Zulassungskriterien der langerfristige Einsatz volatilerAnasthetika als
’’Off-Label-Use
’’
in eigenarztlicher Verantwortung zu sehen ist.
Schlusselworter. Sedierung, Intensivmedizin, volatile Anasthetika.
Keywords. Sedation, intensive care, vol-Die Anwendung volatiler Anasthetika zurSedierung von Patienten war bislangaufgrund der vorhandenen technischenMoglichkeiten routinemaßig nur demoperativen Bereich vorbehalten. Die dortgesammelten Erfahrungen zeigen jedoch,insbesondere bei sog. Risikopatienten,
Vorteile gegenuber einer total intra-venosen Anasthesie.Dies fuhrte in den letzten Jahren zu in-tensiver Forschung auf diesem Gebiet undzur Entwicklung von Narkosesystemen,die eine Anwendung volatiler Anasthetikaauch im intensivmedizinischen Bereich
Krh.
erlauben. Das neue Anasthesiegas-Rezirkulationssystem AnaConDas (Fa.Sedana Medical) ermoglicht aus techni-scher Sicht den alltagstauglichen Einsatzvolatiler Anasthetika im Rahmen derLangzeitsedierung intensivmedizinischerPatienten.
-Hyg. + Inf.verh. 29 Heft 3 (2007): 95–99 95http://www.elsevier.de/khinf
Volatile Anasthetika bei Inten-sivpatienten – Technische Rea-lisierung
Die Applikation volatiler Anasthetika er-folgt kontinuierlich uber eine Spritzen-pumpe in ein spezielles Anasthesiegas-Rezirkulationssystem – dem sog. An-esthetic Conserving Device (AnaConDas,Sedana Medical, Schweden). Alternativsind die Bezeichnungen Anasthesiegas-Reflektorsystem oder Anasthesiegas-Kon-servierungsfilter gebrauchlich. Das Systemstellt eine Art Miniaturverdampfer darund wird an Stelle des ublichen Beat-mungsfilters zwischen Y-Stuck und Patientin das Beatmungsschlauchsystem inte-griert. Der Miniaturverdampfer bestehtneben einem Evaporator aus einem HME– Filteranteil mit zusatzlich eingewobenenlipophilen Aktivkohlefasern zur Aufnah-me, Speicherung und erneuten Freigabeder jeweils verwendeten volatilen Sub-stanz (Abb. 1). Der systemspezifische
’’Totraum
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betragt 100 ml.Aufgrund des niedrigen Dampfdruckeskonnen mit diesem System nur Isofluran
Abb. 1. Setup fur die Sedierung mit volatilen A(AnaConDas) im klinischen Einsatz b).
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oder Sevofluran eingesetzt werden, diemittels eines speziellen Adapters in eine50 ml Perfusorspritze aufgezogen werden.Fur das Vorfullen des Systems ist einGesamtvolumen von 1,2 ml erforderlich.Sobald nach dem Fullvorgang am Gas-monitor erste Anasthesiegaskonzentra-tionen angezeigt werden, ist eine An-passung der Infusionsrate an dasgewunschte Sedierungsniveau notwen-dig. Dabei wird die Effektivitat der Gas-zufuhr durch das Atemzugvolumen (Vt)bestimmt. Dieses sollte mindestens300 ml betragen, wohingegen bei sehrhohen Atemzugvolumina (Vt 4 1000 ml)das System vergleichsweise ineffizientwird.Wahrend der Inspiration wird dann dasvolatile Anasthetikum uber den Evapora-tor und dem Aktivkohlespeichermediumfreigegeben und zum Patienten transpor-tiert. Wahrend der Exspiration dagegengelangt der abgeatmete Anasthesiewirk-stoff vom Patienten aus zuruck in dasRezirkulationssystem, wird im Kohleanteilgespeichert und zum großten Teil der In-spirationsluft wieder zugefuhrt. Bei kli-
nasthetika a) sowie der miniaturisierte Vapor
nisch relevanten Konzentrationen werdenso mehr als 90% rezirkuliert.Die in- und exspiratorischen Anasthesie-gaskonzentrationen werden via externenGasmonitor (z.B. Vamos, Fa. Drager), pa-tientennah im sogenannten Nebenstrom-prinzip gemessen. Aufgrund der metho-denspezifischen zeitlichen Verzogerung inder Darstellung der endexspiratorischenCO2-Konzentration muss die endexspira-torische Anasthesie-gaskonzentration (Fet)als Zielgroße fur die Konzentration ange-sehen werden. Zur Restgasfiltration sindspezielle
’’passive
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Filter notwendig, diean den Exspirationsauslass des verwen-deten Beatmungsgerates angeschlossenwerden.
Arbeitsplatzbelastung
In Zusammenhang mit der Verwendungvolatiler Anasthetika wird immer wiederdie Frage einer moglichen Gesundheits-gefahrdung des Personals durch Expositi-on gegenuber diesen Substanzen gestellt.Die gesetzliche Grundlage im Umgangmit Gefahrstoffen bildet die Gefahrstoff-verordnung (GefStoffV). Diese wurde1986 erstmals erlassen und ist seitdemmehrmals geandert worden. Die jungsteNovellierung der [1] Gefahrstoffverord-nung trat 2005 in Kraft. Sie dient derUmsetzung der EG-Richtlinie 98/24/EG(Gefahrstoff-Richtlinie) in deutsches Recht(Bundesgesetzblatt 2005). Mit dem In-krafttreten der neuen Gefahrstoffverord-nung wurde ein neues gesundheitsba-siertes Grenzwertkonzept eingefuhrt. Diebisherige Bezeichnung der
’’Maximalen
Arbeitsplatzkonzentration
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(MAK) wird inZukunft begrifflich durch den Arbeits-platzgrenzwert (AGW) ersetzt. Der Ar-beitsplatzgrenzwert (AGW) beschreibt diezeitlich gewichtete durchschnittlicheKonzentration eines Stoffes in der Luft amArbeitsplatz, bei der eine akute oderchronische Schadigung der Gesundheitder Beschaftigten nicht zu erwarten ist.Bei der Festlegung wird von einer in derRegel achtstundigen Exposition an funfTagen in der Woche wahrend der Le-bensarbeitszeit ausgegangen. Der Ar-beitsplatzgrenzwert wird in mg/m3 undml/m3 (ppm) angegeben und betragt furIsofluran 80 mg/m3. Fur Sevofluran wurdebisher noch keine maximale Arbeitsplatz-konzentration bzw. kein Arbeitsplatz-grenzwert festgelegt.Wenngleich es im perioperativen Zusam-menhang in Bezug auf die Narkosegas-
exposition des OP- oder Anasthesieper-sonals ausreichend Erfahrung gibt, mussdiese Fragestellung bei Anwendung vonAnasthesiegasen in der Intensivbehand-lung neu diskutiert werden ([2] Byhahn1999; [5] Hobbhahn et al., 1998).Die Deutsche Interdisziplinare Vereini-gung fur Intensivmedizin und Notfallme-dizin (DIVI) fordert fur Bau, Einrichtungund Organisation von Intensivbehand-lungseinheiten eine Klimaanlage gemaßDIN 1946 mit einer Luftwechselzahl von22x/h ([4] DIVI, 1999). Es ist davon aus-zugehen, dass nicht alle Intensivstationendieses Kriterium erfullen oder uber eineentsprechende zentrale Narkosegasab-saugung verfugen. Aus diesem Grundsind Alternativen fur die Elimination desanfallenden Narkosegases erforderlich.Wie bereits erwahnt, handelt es sich beidem AnaConDas – System um einAnasthesiegas-Rezirkulationssystem. Diesbedeutet, dass 90% des Gases innerhalbdes Beatmungssystems verbleiben. EinRestanteil von 10% gelangt entwederuber den Gasmonitor oder direkt uber dasBeatmungsgerat in den Restgasfilter.Sakey et al. konnten wahrend der An-wendung von Isofluran aufzeigen, dassdie Arbeitsplatzbelastung durch das vol-atile Anasthetikum bei Vorhandenseineiner bettseitigen zentralen Narkosegas-absaugung als sehr gering anzusehenist und sich innerhalb des internationalenRichtwertes befindet (im Mittel0,1 ppm) ([13,14] Sackey et al.,2005).Praktikabel erscheint auch der Einsatz vonspeziellen passiven Restgasfiltern, die,wie bereits erwahnt, am Exspirationsaus-lass des Beatmungsgerates angeschlos-sen werden konnen. Aktuell sind 3 ver-schiedene Restgasfilter verfugbar
Abb. 2. Verfugbare Restgasfilter : a) Aktivkohlefilvon Kokusnußschale (Novasorbs) und c) Aktivkoh
(Abb. 2). Es handelt sich um einen reinenAktivkohlefilter (Aldasorbers, ShirleyAldred & Co Ltd), einem Aktivkohlefilterauf Basis von Kokusnußschale (Nova-sorbs, Fa. Novamed) sowie um einenkombinierten Aktivkohle-Zeolithfilter(Contraflurans, Fa. Zeosys, Berlin). DieseFilter unterscheiden sich neben den in-haltlichen Bestandteilen vor allem hin-sichtlich der Filterkapazitat und somit derAnwendungsdauer.Das dominierende physikalische Grund-prinzip der passiven Restgasfilter ist dieAdsorption. Viele feste Stoffe (Adsor-bentien) haben die Fahigkeit, an ihrerOberflache Molekule aus der umgeben-den fluiden Phase zu binden. Diese Adsor-bentien bestehen aus einem Gefuge vonvielen kanalformigen Hohlraumen (Po-ren), so dass eine im Vergleich zuraußeren Oberflache sehr große innereOberflache resultiert. Das Porensystem istin der Regel verzweigt; die Porenradienunterliegen meist einer Verteilung. Zu denhydrophoben Adsorbentien zahlt bei-spielsweise die Aktivkohle.Der
’’Cardiff Aldasorber Medical Filter
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(Aldasorber s) ist der klassische Aktiv-kohlefilter. Der ungenutzte Filter hat einPrimargewicht von ca. 1200 g und musswahrend der Anwendung regelmaßig ge-wogen werden. Die Aufnahmekapazitatist bei einem Endgewicht von 1400 g er-reicht ([3] Colemann et al, 1994).Der Novasorbs-Filter (Fa. NovaMedGmbH) ist mit einer maximalen Einsatz-dauer von max. 72 h langer verwendbarals der Aldasorbers-Kohlefilter mit einerdurchschnittliche Verwendungsdauer vonca. 24 h. Das Granulat des Aldasorbers
hat im Vergleich zu dem NovaSorbs-Filterlediglich ca. 10% der Leistung. Die ver-schieden Schichten dieses Filters konnen
ter (Aldasorbers), b) Aktivkohlefilter auf Basisle-Zeolithfilter (Contraflurans).
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das durchfließende Narkosegas wesent-lich effektiver aufnehmen und erhohentrotz des kleinen Volumens nicht signifi-kant den Widerstand im Beatmungs-kreislauf. Ein nationales Gutachten zurUberprufung der Effizienz des Nova-sorbs-Filters ergab fur Sevofluran keineUberschreitung des angenommenenMAK-Wertes von 80 mg/m3. So konntebeispielsweise nach 3 Tagen Standzeitdieses Restgasfilters in direkter Filterum-gebung uber den Diffusionssammler nach360 Minuten mit einem MAK-Wert von41 mg/m3 keine Uberschreitung desGrenzwertes festgestellt werden ([7]Inghausen, 2005).Uber die eigentliche Notwendigkeit hin-aus, Anasthesiegase effizient zu adsor-bieren, ermoglicht eine neue Generationvon Restgasfiltern, bestehend aus einemGemisch von Aktivkohle und Zeolithen,eine umweltfreundliche Handhabung(Contraflurans, Fa. Zeosys, Berlin). Zeo-lithe, das sind mikroporose Mineralien,zahlen zu den hydrophilen Adsorptions-mitteln. Daruber hinaus wirken Zeolithedurch das geordnete Porenkanalsystemmit definierten Porenoffnungen formse-lektiv und gewahrleisten sogenanntesterische Effekte. Der sterische Effekt istgleichbedeutend mit einer Siebwirkung,d.h. es werden nur die Molekule adsor-biert, deren Durchmesser kleiner sind alsder Porendurchmesser des Adsorbens.Gemeinsam mit der Aktivkohle wird sodie Speicherkapazitat und Reinheit desadsorbierten Gasgemisches erhoht. Diemittlere Anwendungsdauer wird je nachverwendetem Anasthesiegas und Appli-kationsmenge mit bis zu 5 Tagen ange-geben. Nach Rucknahme des gebrauchtenFilters kann dann das Anasthetikum imRahmen einer thermischen Ruckgewin-nung (Desorption), Reinigung und Auf-bereitung wieder als Reinsubstanz zurVerfugung gestellt werden. Des Weiterenbietet dieses System erstmalig dieMoglichkeit, die Filtereffizienz optischdarzustellen und bietet so einen weiterenSicherheitsaspekt.Dennoch ergeben sich in der taglichenRoutine Situationen mit kurzzeitiger Ex-position des Intensivpersonals, z.B. beimDurchfuhren der Bronchialtoilette ([6]Hoerauf et al., 1995). Als nutzlich erweistsich hierbei die Verwendung eines ge-schlossenen Absaugsystems sowie dieAktivierung der Voroxygenierung am Be-atmungsgerat, die je nach Gerat zu einerUnterbrechung der Beatmung ohne Ver-anderung der eingestellten Beatmungs-parameter fuhrt.
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Klinische Erfahrungen
Berichte uber den erfolgreichen Einsatzvolatiler Anasthetika existieren, insbe-sondere fur Isofluran, seit Ende der 80-erJahre. Hier konnte bereits gezeigt werden,dass der Einsatz von Isofluran im Rahmender intensivmedizinischen Behandlungbestimmter Patientengruppen (z.B.schwer sedierbare Patienten, Asthmabronchiale) deutliche Vorteile im Ver-gleich zu der intravenosen Anal-gosedierung bietet ([8] Korth und Opitz,1989).Die Applikation der Anasthesiegase er-folgte in vielen Studien zunachst uber denublichen Vapor in Verbindung mit einemBeatmungsgerat (Servo 900C) oder aberauch im Rahmen des Einsatzes von
’’ge-
schlossenen Anasthesiesystemen
’’
(Phy-sioflexs, Zeuss, Fa. Drager) ([9]Lehmann und Opitz, 1989; Meiser, 2003).Aufgrund der bisher kurzen System-verfugbarkeit gibt es derzeit nur be-grenzte klinische Erfahrungen mit demAnaConDas-System. Die meisten klini-schen Studien beschaftigten sich mit derAnwendung von Isofluran. So konnte ineiner Untersuchung, in welcher die post-operative Sedierung mit Isofluran im Ver-gleich zu Midazolam durchgefuhrt wurde,gezeigt werden, dass die Zeit bis zur Ex-tubation in der Isoflurangruppe 10 75 min versus 250 7 270 min in derMidazolamgruppe sowie die Zeit bis zurBefolgung verbaler Kommandos nachSedierung mit Isofluran mit 10 7 8 minund in der Midazolamgruppe mit 110 7132 min signifikant kurzer war. Es gabweder einen Unterschied in der Sedie-rungsqualitat noch unterschieden sich diehamodynamische Stabilitat ([12] Sackeyet al., 2004).In einer Studie von Spencer und Willats, inder chirurgische und internistische Pati-enten im Mittel 30 Stunden mit Isofluranoder Midazolam sediert wurden, konntenahnliche Ergebnisse verzeichnet werden.Auch sie stellten fest, dass sich die mitIsofluran sedierten Patienten wesentlichschneller erholten und rascher vom Be-atmungsgerat zu entwohnen waren alsdie mit Midazolam sedierten Patienten.Die Sedierungsqualitat, die Applikationvon vasoaktiven Substanzen und die Er-gebnisse renaler sowie hepatischerFunktionstests zeigten zu keinem Zeit-punkt zwischen den beiden Gruppen ei-nen Unterschied. In der Isoflurangruppereagierten die Patienten signifikantschneller auf verbale Kommandos (10 minversus 90 min) und konnten fruher ex-
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tubiert werden (1 h versus 15 h) ([15]Spencer et al., 1992).Interessant erscheinen auch Fallberichteuber die Anwendung im Rahmen derpadiatrischen Intensivmedizin. Im Gegen-satz zur oben beschriebenen Verfahrens-weise bei Erwachsenen wurde hier zurVerringerung des Totraumes der Mini-vapor im Inspirationsschenkel des Beat-mungsschlauchsystems plaziert, wobeisomit auf die Rezirkulation des Anasthe-siegases verzichtet wird ([13,14] Sackeyet al., 2005).Erste eigene Erfahrungen an insgesamt23 intensivmedizinischen Patienten imAlter von 54,2 7 19 Jahren ergaben imRahmen einer retrospektiven Analyse einedurchschnittliche Anwendungsdauer von94,9 7 55,9 h/Patient (max. 210,2 h/Pa-tient) bei einer bisherigen Gesamtan-wendungszeit von 2183 Stunden. Fur dasErreichen der angestrebten Sedierungs-tiefe waren 6,1 7 1,9 ml/h Sevofluran(min: 3,4 ml/h; max: 11,0 ml/h) notwen-dig. Darunter lag die endexspiratorischeSevoflurankonzentration zwischen 0,5-1,1Vol %. Nach Beendigung der Sevofluran-applikation konnten insgesamt 12 Patien-ten nach 13,3 7 6,4,1 (min: 6 min; max:28 min) je nach medizinischer Zielstellungentweder adaquat neurologisch beurteiltoder in die Spontanatmung uberfuhrt undextubiert werden. Bei zwei weiteren Pa-tienten gelang dies erst nach 50 min(Sedierungsdauer 130,8 h) bzw. 106 min(Sedierungsdauer 173 h). Bei 7 der ver-bleibenden 9 Patienten erfolgte eineAnderung der Sedierungskonzeptes infol-ge einer Anpassung an die vorliegendeklinische Situation, bei den verbleibenden2 Patienten konnte aufgrund einer uber-maßigen Sekretproduktion keine kon-stante Sedierungsqualitat erreicht wer-den. Ubelkeit, Erbrechen oder Shiveringwurden in keinem Fall beobachtet. La-borchemisch konnten klinisch relevanteVeranderungen wahrend der Sevofluran-applikation ebenso wenig beobachtetwerden wie relevante Veranderungen derhamodynamischen – bzw. Beatmungspa-rameter.Genaue Analysen zur Okonomie des Ver-fahrens unter Begutachtung des Behand-lungsprozesses (Prozesskostenanalyse)liegen gegenwartig noch nicht vor. ErsteKalkulationen der Medikamentenkostenaus dem Jahr 2003 zeigen beispielsweisefur Desfluran einen mit 95,00 h geringe-ren Kostenanteil im Vergleich zur Sedie-rung mit Propofol (171,00 h) ([10] Meiseret al., 2003). Eine eigene Kalkulation derTagestherapiekosten (Medikamenten-
und Materialkosten) ergab fur Sevofluran(6 ml/h) ca. 127,45 h und fur Isofluran(3 ml/h) von ca. 70,40 h (im VergleichPropofol 400 mg/h ca. 53,20 h).
Limitationen
Aus medizinischer Sicht stellt sich vor al-lem die Frage nach der Toxizitat der Ab-bauprodukte in der Langzeitanwendung(z.B. Fluorid). Studien konnten zeigen,dass es zwar bereits nach kurzer Zeit derAnwendung zu einer temporaren Erho-hung der gemessenen Fluoridkonzentra-tion kommt, die allerdings blieb auchnach langerer Applikation ohne klinischeRelevanz ([10] Osborne, Eddleston, andMcNicoll, 1996). Spencer et al. unter-suchten die Fluoridkonzentrationen wah-rend der Sedierung mit Isofluran o 24Stunden und Midazolam an insgesamt60 Patienten. In der Isoflurangruppe stie-gen zwar die Fluoridkonzentrationen von3,1 mmol/l auf 20,0 mmol/l wahrend derIsofluransedierung, das Maximum25,3 mmol/l wurde 16 h nach Beendigungder Isofluranzufuhr erreicht, und fiel in-nerhalb von 5 Tagen wieder auf die Aus-gangswerte ab ([16] Spencer et al., 1991).Vergleichbare Ergebnisse zeigten Osborneet al. nach 7 Tagen Sedierung mit Isoflu-ran an 5 Patienten ([11] Osborne et al,1996).Aus rechtlicher Sicht ist darauf zu ver-weisen, dass aufgrund der aktuellen Zu-lassungskriterien der langerfristige Ein-satz volatiler Anasthetika nur als
’’Off-Label-Use
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in eigenarztlicher Ver-antwortung oder im Rahmen klinischerStudien moglich ist. Gleiches gilt fur dieKompatibilitatskriterien der Einzelkompo-nenten. Hier wird auf die bereitsausfuhrliche Diskussion im Rahmen derIntegration von Narkosegasvaporen in dieHerz-Lungen-Maschine verwiesen ([17]Tassani-Prell et al., 2005).
Fazit fur die Praxis
Nach den bisherigen Erfahrungen lasstsich feststellen, dass mit der Verfugbar-keit des Anasthesiegas-Rezirkulationssys-tems AnaConDas eine alltagstauglicheMethode der Applikation der volatilenAnasthetika Isofluran und Sevofluran aufder Intensivstation zur Verfugung steht.Die aktuellen Methoden der Restgasfilte-rung scheinen effizient zu sein, allerdingsfehlt es insgesamt an wissenschaftlichen
Untersuchungen zu dieser Problematik.Auch findet die aktuelle Arbeitsschutz-und Umweltschutzproblematik durch dieMoglichkeit der Restgasruckgewinnungund potenziellen WiederverwertbarkeitBeachtung.Die Anwendung volatiler Anasthetika imRahmen intensivmedizinischer Anal-gosedierungskonzepte konnte aber inZukunft eine sinnvolle Bereicherung dar-stellen, mit der eine Optimierung desBehandlungsprozesses sowohl aus medi-zinischer als auch aus okonomischer Sichterreichbar ware. Allerdings ist ge-genwartig aufgrund der rechtlichen An-wendungsbeschrankungen sowie dernoch limitierten Studienverfugbarkeit dieuneingeschrankte Anwendung diesesSystems limitiert.Die positiven Aspekte der aktuellen Da-tenlage und auch die offenen Fragensollten sowohl Kliniker und Industrie er-mutigen, die Forschung zur
’’Inhalativen
Sedierung
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zu intensivieren, damit dieaktuellen Limitierungen bzw. die
’’Grau-
zone
’’
der Anwendung beseitigt werdenkonnen.
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Korrespondenzadresse
Dr. med. Jens SoukupUniversitatsklinik fur Anasthesiologie undOperative IntensivmedizinMartin-Luther-Universitat Halle-Witten-bergMedizinische Fakultat und Uni-versitatsklinikum (AoR)Ernst-Grube-Straße 4006120 HalleE-mail: [email protected]
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