kurzlehrbuch chemie
TRANSCRIPT
Auf einen Blick
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht
3 Grundlagen der organischen Chemie
4 Stoffklassen der organischen Chemie
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen
6 Anhang
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1
85
123
163
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Aus Boeck, G..: Kurzlehrbuch Chemie (ISBN 9783131355225) © Georg Thieme Verlag KG 2008Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
Kurzlehrbuch
Chemie
Gisela Boeck
2., überarbeitete Auflage
146 Abbildungen67 Tabellen
Georg Thieme VerlagStuttgart · New York
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Dr. rer. nat Gisela BoeckInstitut für Chemie an derUniversität RostockAlbert-Einstein-Str. 3a18059 Rostock
Grafiken: Ruth Hammelehle, Kirchheim;Wolfgang Zettlmeier, Barbing
Klinische Fälle als Kapiteleinstieg:Lehrbuchredaktion Georg Thieme Verlag mitFachbeirat Dr. med. Johannes-Martin HahnLayout: Künkel u. Lopka, HeidelbergUmschlaggestaltung: Thieme VerlagsgruppeUmschlagfoto: Studio Nordbahnhof, Stuttgart
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2003
© 2003, 2008 Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 14D-70469 StuttgartUnsere Homepage: http://www.thieme.de
Printed in Germany
Satz: primustype Robert Hurler GmbH, Notzingengesetzt in UltraXML
Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe
ISBN 978-3-13-135522-5 1 2 3 4 5 6
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Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizinständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klini-sche Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesonderewas Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt.Soweit in diesemWerk eine Dosierung oder eine Applikationerwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dassAutoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf ver-wandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand beiFertigstellung des Werkes entspricht.Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applika-tionsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr über-nommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durchsorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Prä-parate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezia-listen festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung fürDosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationengegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solchePrüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Prä-paraten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht wor-den sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf ei-gene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellierenan jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeitendem Verlag mitzuteilen.
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Vorwort zur 2. AuflageViele angehende Medizinerinnen und Mediziner ha-ben sich erfolgreich mit dem Kurzlehrbuch durch dieChemie hindurchgearbeitet und die Hürde des erstenAbschnitts der Ärztlichen Prüfung genommen. In-zwischen ist die Zeit reif für eine neue Auflage. Dasich seit der ersten Auflage keine Änderungen imHinblick auf den Gegenstandskatalog Chemie/Bio-chemie ergeben haben, wurden in dieser Auflagedie inhaltliche Struktur und die didaktische Gestal-tung beibehalten. Hingegen wurden einige Stolper-steine und Fehler ausgemerzt. Für entsprechendekonstruktive Hinweise bin ich insbesondere meinenStudentinnen und Studenten, aber auch Kolleginnenund Kollegen zu Dank verpflichtet. Frau PD Dr. B.
Tiefenbach (Institut für Toxikologie und Pharmako-logie der Universität Rostock) hat mir zahlreiche In-formationen zu Überarbeitung der klinischen Bezügezur Verfügung gestellt, auch dafür mein herzlicherDank.Möge diese zweite Auflage, die in bewährter Zusam-menarbeit mit dem Georg Thieme Verlag entstand,die Chemie verständlich und begreifbar machen,denn zur Medizin gehört heute ein gutes naturwis-senschaftliches Fundament.
Gisela Boeck
Rostock, im Juli 2008
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Vorwort zur 1. AuflageDer Mensch – das ist komplexe, angewandte Chemie.Chemische Vorgänge laufen in jeder Zelle ab. Es gibtkeinen Bereich unseres Lebens, der ohne Chemiefunktioniert, auch wenn Ihnen das gar nicht bewusstist.Selbst zum Lernen brauchen Sie Chemie: So über-trägt z. B. Stickstoffmonoxid in den Spalten zwischenden Nervenzellen Signale, die wir für Lernprozessebenötigen.Mit der Umsetzung der neuen Approbationsordnungfür Ärzte wird sich der Stundenanteil der Chemie-ausbildung im vorklinischen Abschnitt deutlich re-duzieren. Das bedeutet aber nicht, dass das Niveauder Chemiefragen in der Ärztlichen Vorprüfung sin-ken wird. Auch die zu bestehenden Klausuren undTestate werden nicht leichter werden. Andererseitsist das aus der Schule mitgebrachte naturwissen-schaftliche Fundament angehender Medizinerinnenund Mediziner oft nicht ausreichend gefestigt. Etwa40% von Ihnen hatten in der 10. bzw. 11. Klasse letzt-malig Chemieunterricht. Dadurch sind zwar meistnoch Kenntnisse in der Allgemeinen Chemie vorhan-den, in der organischen Chemie ist das Vorwissenjedoch oft deutlich geringer. Wir wissen aber auch,dass die Mehrheit von Ihnen der Ansicht ist, dasschemische Kenntnisse für das Medizinstudium nütz-lich sind und diese in der ärztlichen Praxis benötigtwerden. Das bedeutet für Sie als Studierende, sich inkürzester Zeit in ein naturwissenschaftliches Fachhineinzudenken, sich umfangreiches chemischesWissen anzueignen, das man nicht auswendig lernenkann, sondern verstehen und sich im ChemischenPraktikum auch experimentell erschließen muss.Das vorliegende Buch kann und soll das exponenziellgewachsene Wissen zur Chemie nicht vollständigwiedergeben. Der Inhalt orientiert sich an der 4. Auf-
lage des Gegenstandskatalogs für den schriftlichenTeil der Ärztlichen Vorprüfung (2001).Mit dem vorliegenden Buch wollen wir Ihnen eineHilfe in die Hand geben, das in der Vorlesung Gehörtenachzulesen, zu festigen und anzuwenden. An eini-gen Stellen wurden didaktische Vereinfachungenvorgenommen, um Sachverhalte verständlich darzu-stellen. Die Lerncoaches und Check-ups am Anfangund Ende der Kapitel sollen Ihnen als roter Fadendurch die Stofffülle dienen. In den Kapiteln zur orga-nischen Chemie stellenwir Ihnen viele Verbindungenvor. Vielleicht wird Sie die große Anzahl von Formelnzu Beginn verunsichern, aber wir hoffen, dass kon-krete Beispiele Ihnen das Verständnis der zweifels-ohne komplizierten Zusammenhänge erleichtern.Schließlich sollen Ihnen die klinischen Bezüge zei-gen, dass wir die Chemie nicht zum Selbstzweck be-treiben, sondern Grundlagen für die Biochemie, Phy-siologie, Pharmakologie und die Klinische Chemieschaffen.Viele haben bei der Entstehung dieses Buches mitge-wirkt, ihnen allen sei für ihr Verständnis, für diehilfreichen Diskussionen und Anregungen gedankt.Besonders möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Chris-tian Vogel bedanken, der mir nicht nur ein sehr hilf-reicher Kritiker war, sondern mir auch die Möglich-keit schuf, selbst umfangreiche Erfahrungen in derLehre zu sammeln.Weiterhin bedanke ich mich bei Frau Dr. Eva-CathrinSchulz und Frau Dr. Christina Schöneborn vom GeorgThieme Verlag für die gute Zusammenarbeit, sie ha-ben mir stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
Gisela Boeck
Rostock, Juni 2003
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Inhalt
1 Allgemeine Grundlagen undchemische Bindung 3
1.1 Die Einteilung der Materie 31.1.1 Elemente, Verbindungen und Stoffe 3
1.2 Der Atombau 71.2.1 Die atomaren Dimensionen 71.2.2 Die Avogadro-Zahl und die Stoffmenge 71.2.3 Die Atombausteine 71.2.4 Die moderne Elementdefinition 81.2.5 Die Radioisotope 9
1.3 Die Elektronenhülle 111.3.1 Vorbemerkung 121.3.2 Das Bohr'sche Atommodell 121.3.3 Das wellenmechanische Atommodell 12
1.4 Das Periodensystem der Elemente(PSE) 16
1.4.1 Die Einteilung im Periodensystem 161.4.2 Die Periodizität der Eigenschaften 161.4.3 Kurzinformationen zu wichtigen Gruppen
mit ihren Elementen 17
1.5 Die chemische Bindung 231.5.1 Der Überblick 231.5.2 Die Oktettregel 231.5.3 Die metallische Bindung 231.5.4 Die Ionenbindung 231.5.5 Die kovalente Bindung (= Atombindung) 261.5.6 Die koordinative Bindung 311.5.7 Die Wasserstoffbrückenbindungen 311.5.8 Die Van-der-Waals-Wechselwirkungen 321.5.9 Die hydrophoben Wechselwirkungen 321.5.10 Zusammenfassung 32
2 Chemische Reaktionen undchemisches Gleichgewicht 37
2.1 Die Stöchiometrie chemischerReaktionen 37
2.1.1 Der Überblick 372.1.2 Die grundlegenden Gesetze für
chemische Reaktionen 372.1.3 Die chemische Gleichung 372.1.4 Die Gehalts- und Konzentrationsgrößen 39
2.2 Die Thermodynamik chemischerReaktionen 40
2.2.1 Der Überblick 402.2.2 Abgeschlossene, geschlossene und
offene Systeme 412.2.3 Die innere Energie und die Enthalpie 412.2.4 Der freiwillige Ablauf von Reaktionen 432.2.5 Das thermodynamische Gleichgewicht 44
2.3 Die Kinetik chemischer Reaktionen 482.3.1 Der Überblick 482.3.2 Die Reaktionsgeschwindigkeit 482.3.3 Die Katalyse 51
2.4 Die Lösungen und Elektrolyte 542.4.1 Der Überblick 542.4.2 Die Einteilung der Elektrolyte 542.4.3 Die Löslichkeit und das
Löslichkeitsprodukt 55
2.5 Die Säuren und Basen 572.5.1 Der Überblick 572.5.2 Die Einführung 572.5.3 Der pH-Wert 572.5.4 Die Säure-Base-Theorie von Brønsted 582.5.5 Die Säure-Base-Theorie von Lewis 592.5.6 Die Autoprotolyse des Wassers 592.5.7 Die Säuren- und Basenstärke 592.5.8 Die Neutralisation 612.5.9 Die Messung des pH-Wertes 622.5.10 Die Säure-Base-Titrationen 622.5.11 Die Puffer 64
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2.6 Die Komplexbildung 662.6.1 Der Überblick 662.6.2 Die Nomenklatur 672.6.3 Die Gleichgewichtskonstante von
Komplexbildungsreaktionen 67
2.7 Die Oxidation und die Reduktion 692.7.1 Der Überblick 692.7.2 Die Theorie von Oxidation und Reduktion 692.7.3 Die quantitative Beschreibung von
Redoxvorgängen 72
2.8 Die heterogenen Gleichgewichte 772.8.1 Der Überblick 772.8.2 Die Einteilung 772.8.3 Die Löslichkeit eines Feststoffes 782.8.4 Die Verteilung einer Substanz zwischen
zwei Flüssigkeiten 782.8.5 Die Löslichkeit eines Gases in einer
Flüssigkeit 792.8.6 Die Adsorption 792.8.7 Gleichgewichte an Membranen 80
3 Grundlagen derorganischen Chemie 87
3.1 Die Bindungsverhältnisse amKohlenstoffatom 87
3.1.1 Der Überblick 873.1.2 Die Eigenschaften des Elements
Kohlenstoff 873.1.3 Das Hybridisierungsmodell 873.1.4 Das Modell der s- und der π-Bindung 883.1.5 Die konjugierten Doppelbindungen 90
3.2 Die Einteilung und die Nomenklaturorganischer Verbindungen 92
3.2.1 Der Überblick 923.2.2 Die Klassifizierung organischer
Verbindungen 933.2.3 Die Strukturdarstellung 933.2.4 Die Nomenklatur 97
3.3 Die Stereochemie organischerVerbindungen 100
3.3.1 Der Überblick 1003.3.2 Die Isomerie 100
3.3.3 Die Konstitutionsisomerie 1003.3.4 Die Stereoisomerie 101
3.4 Die Strukturaufklärung organischerVerbindungen 112
3.4.1 Die Reindarstellung einer Substanz 1123.4.2 Die Charakterisierung der reinen
Substanz 114
3.5 Die Reaktionstypen organischerVerbindungen 116
3.5.1 Die Systematisierung organisch-chemischer Reaktionen 116
3.5.2 Die Reaktionstypen 118
4 Stoffklassen derorganischen Chemie 125
4.1 Die Kohlenwasserstoffe 1254.1.1 Der Überblick 1254.1.2 Die gesättigten Kohlenwasserstoffe 1254.1.3 Die ungesättigten Kohlenwasser-
stoffe 1274.1.4 Die aromatischen Kohlenwasserstoffe
(Arene) 1304.1.5 Die Halogenkohlenwasserstoffe 131
4.2 Die Alkohole, die Phenole unddie Ether 132
4.2.1 Der Überblick 1324.2.2 Die Alkohole 1324.2.3 Die Phenole 1364.2.4 Die Ether 137
4.3 Die Thiole und die Thioether 1384.3.1 Der Überblick 1384.3.2 Die Thiole 1384.3.3 Die Thioether 140
4.4 Die Amine 1414.4.1 Die Einteilung 1414.4.2 Die physikalischen Eigenschaften 1414.4.3 Die chemischen Reaktionen 141
4.5 Die Aldehyde und die Ketone 1444.5.1 Der Überblick 1444.5.2 Die Einteilung 144
VIII Inhalt
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4.5.3 Die physikalischen Eigenschaften 1444.5.4 Die chemischen Reaktionen 144
4.6 Die Carbonsäuren und derenDerivate 150
4.6.1 Der Überblick 1504.6.2 Die Eigenschaften der Carbonsäuren 1504.6.3 Die Carbonsäurederivate 154
4.7 Die Heterocyclen 1584.7.1 Der Überblick 1584.7.2 Die Einteilung 1584.7.3 Die 5-Ring-Heterocyclen 1584.7.4 Die 6-Ring-Heterocyclen 1594.7.5 Die mehrkernigen Heterocyclen 160
5 Chemie wichtigerNaturstoffklassen 165
5.1 Die Aminosäuren, die Peptide unddie Proteine 165
5.1.1 Der Überblick 1655.1.2 Die Aminosäuren 1655.1.3 Die Peptide 1695.1.4 Die Proteine 170
5.2 Die Kohlenhydrate 1745.2.1 Der Überblick 1745.2.2 Die Klassifizierung 1745.2.3 Die Monosaccharide 1745.2.4 Die Disaccharide 1815.2.5 Die Oligosaccharide 1825.2.6 Die Polysaccharide 183
5.3 Die Lipide 1855.3.1 Der Überblick 1855.3.2 Die Klassifizierung 1865.3.3 Die Fettsäuren und Fette 1865.3.4 Die Wachse 1885.3.5 Die Phospholipide und die Sphingolipide1885.3.6 Die Isoprenoide 190
5.4 Die Nukleinsäuren 1925.4.1 Der Überblick 1925.4.2 Der Aufbau der Nukleinsäuren 1925.4.3 DNA und RNA 194
6 Anhang 199
6.1 Lösungen 199
6.2 Wichtige Zahlen und Formeln 2036.2.1 Angabe von Zahlenwerten als
Zehnerpotenzen 2036.2.2 Einheiten und ihre Vielfachen 2036.2.3 Naturkonstanten und Basisgrößen 2046.2.4 Beispiele für abgeleitete SI-Einheiten 2046.2.5 Rechnen mit Potenzen und
Logarithmen 2056.2.6 Säure- und Basenkonstanten 206
6.3 Geschichte im Überblick 207
Quellenverzeichnis 217
Sachverzeichnis 218
IXInhalt
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Kapitel1
Allgemeine Grundlagen undchemische Bindung
1.1 Die Einteilung der Materie 3
1.2 Der Atombau 7
1.3 Die Elektronenhülle 11
1.4 Das Periodensystem der Elemente(PSE) 16
1.5 Die chemische Bindung 23
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Freibad statt Radtour
Sauerstoff ist vielleicht das wichtigste Element. Die
Elemente sind im Periodensystem zusammengestellt,
über das Sie im nächsten Kapitel mehr erfahren wer-
den. Ohne Sauerstoff hätten sich die heutigen Lebens-
formen auf der Erde nicht entwickeln können. Die
meisten Elemente des Periodensystems sind für den
Organismus wichtig oder sogar unersetzlich, bei-
spielsweise Phosphor gebunden als Phosphat als Be-
standteil der Knochen oder Iod als Baustein der
Schilddrüsenhormone. Doch viele Elemente, die in
niedriger Konzentration vom Körper benötigt wer-
den, sind in größeren Mengen giftig, beispielsweise
Arsen oder Quecksilber. O3, Ozon, kann in hoher Kon-
zentration die Atemwege schädigen. Die 16-jährige
Petra gehört zu den Menschen, die im Sommer unter
ozonbedingten Atemwegsproblemen leiden.
Brustschmerzen, Husten und KurzatmigkeitPetra kann nicht mehr. Sie hat Schmerzen in der Brust
und bekommt kaum noch Luft. Ständig muss sie husten.
Die 16-Jährige flucht innerlich darüber, dass sie mit ihren
beiden Brüdern diese Radtour macht. Bei dem tollen
Wetter hätte sie auch prima im Freibad faulenzen kön-
nen. Stattdessen tritt sie hier auf dem Feldweg in die
Pedale. Bei der nächsten Rast bemerken ihre Brüder, dass
es Petra nicht gut geht. Obwohl sie nun im Gras liegt, ist
sie kurzatmig. Wenn sie versucht, tiefer einzuatmen, tut
ihr der ganze Brustkorb weh. Erst am Abend geht es
Petra besser.
Viel Sonnenschein, viel OzonZwei Wochen später hilft Petra ihren Großeltern bei der
Gartenarbeit. Als sie wieder Atemprobleme bekommt,
bringt ihre Oma sie zum Arzt. Dieser untersucht das
Mädchen gründlich. Er kann nichts Auffälliges finden.
Dennoch hat er eine Vermutung, woher Petras Be-
schwerden kommen könnten: Möglicherweise ist sie be-
sonders ozonempfindlich. Bei schönem Wetter ist die
Ozonkonzentration besonders hoch: Die UV-Strahlung
wandelt das hauptsächlich aus Autoabgasen stammende
NO2 (Stickstoffdioxid) in NO (Stickstoffmonoxid) und
1 Sauerstoffatom um. Letzteres verbindet sich dann mit
O2 zu O3, dem Ozon. So kann die Ozonbelastung der Luft
auf bis zu 80ppb (ppb = parts pro billion) ansteigen.
Normalerweise liegt sie bei etwa 20 ppb. In der Nacht
wird das Ozon wieder abgebaut.
Obstruktion durch OzonManche Menschen sind gegenüber Ozon besonders
empfindlich und leiden an Thoraxschmerzen, Kurzatmig-
keit und Hustenreiz. Die Ursache der erhöhten Ozon-
empfindlichkeit ist nicht geklärt. Sicher ist jedoch, dass
es beim Einatmen von Ozon zu einer Entzündung der
Atemwege kommt. Dadurch steigt der Atemwegswider-
stand, d. h., die Betroffenen haben – ähnlich wie Asth-
matiker – Probleme, die eingeatmete Luft wieder aus-
zuatmen. Diese sog. Bronchialobstruktion kann man
auch in einer Lungenfunktionsprüfung ermitteln: Die Pa-
tienten müssen tief einatmen und dann die Luft so
schnell wiemöglich in ein Messgerät ausatmen. Je stärker
die Obstruktion, desto weniger Luft kann in einer Se-
kunde ausgeatmet werden. Bei manchen Menschen ist
diese sog. Einsekundenkapazität bei hohen Ozonwerten
verringert. Lässt die Ozonbelastung jedoch nach, sind die
Atemwege wieder voll funktionsfähig.
Welche Konsequenzen hat dies für Petra? An Tagen mit
hoher Ozonkonzentration sollte sie körperliche Anstren-
gung meiden. Denn die Menge des aufgenommenen
Ozons hängt nicht nur von der Konzentration in der
Luft, sondern auch vom Atemminutenvolumen ab, dem
Luftvolumen, das in einer Minute eingeatmet wird. Und
das ist bei Belastung natürlich höher. Petra hat also allen
Grund, im Freibad zu faulenzen, wenn ihre Brüder an-
strengende Fahrradtouren unternehmen.
2 Klinischer Fall
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1 Allgemeine Grundlagen undchemische Bindung
Was ist Chemie?Die Chemie ist eine Naturwissenschaft und befasstsich mit der Zusammensetzung, der Charakterisie-rung und der Umwandlung von stofflicher Materie.Der Ursprung desWortes „Chemie“ ist bis heute nichtzweifelsfrei geklärt. Es kann sowohl vom ägyptischenWort „chmi“ für schwarz als auch vom arabischenBegriff „chemi“ abgeleitet sein, der den schwarzen,fruchtbaren Humusboden des Nildeltas beschreibt.Auch ein Zusammenhang mit dem griechischen„chyma“ für Metallguss ist möglich.Diese verschiedenen Deutungen zeigen sehr an-schaulich den Einfluss der Chemie auf das Lebendes Menschen: Alles, was uns umgibt, jegliche Mate-rie, die unser Auge sehen oder die mithilfe von Ge-räten sichtbar gemacht werden kann, ist Chemie.Jeden Tag führenwir – größtenteils unbewusst – che-mische Reaktionen durch. Chemische Verbindungensind in Benzin ebenso vorhanden wie in Milch,Waschmittel oder Zahnpasta. Trotzdem ist die Che-mie eine eher unbeliebte Naturwissenschaft, über diein der Bevölkerung relativ wenig bekannt ist. Diesmag mit der ungeheuren Komplexität chemischerProzesse zusammenhängen: Chemische Reaktionenwie Milch Säuern, Bier Brauen oder die HerstellungvonMetall aus Erz sind schon seit der Urzeit bekannt,konnten aber nicht erklärt werden, da das entspre-chende Instrumentarium fehlte. Auch Heilpflanzenwerden seit der Antike eingesetzt, die Inhaltsstoffeund deren Wirkungen konnten jedoch erst in derheutigen Zeit analysiert werden.Erst Ende des 18. Jahrhunderts gelang es, ein wissen-schaftliches Fundament für die Chemie aufzubauenund so deren außerordentliche Entwicklung zu er-möglichen. Das Verständnis für Chemie hat sich je-doch nicht im erwünschten Maß entwickelt, wassicher auch damit zusammenhängt, dass die Erklä-rungen für chemische Vorgänge auf atomarer Ebeneerfolgen und dadurch sehr abstrakt sind.
1.1 Die Einteilung der Materie
LerncoachDieses erste Kapitel ist vielleicht etwas müh-sam zu lernen, denn es enthält viele Defini-tionen, die Sie verstehen und richtig anwen-den können sollten. Im Laufe des Lernenswerden Sie häufiger auf diese Definitionenzurückgreifen müssen – verschaffen Sie sichalso hier zumindest einen Überblick über denInhalt, damit Sie später wissen, wo Sie nach-lesen können.
1.1.1 Elemente, Verbindungen und Stoffe1.1.1.1 Die ElementeDie griechischen Naturphilosophen vermutetenschon im 6. Jh. v. Chr., dass die Materie aus unver-änderlichen, einfachsten Grundstoffen besteht. DieseGrundstoffe bezeichneten sie als Elemente. NachLavoisier ist ein Element ganz pragmatisch und an-wendungsorientiert ein Stoff, der durch chemischeMittel nicht weiter zerlegt werden kann.Dalton konkretisierte den Elementbegriff und bezogihn auf den atomaren Aufbau: Chemische Elementebestehen aus kleinen, elektrisch neutralen, mit che-mischen Mitteln nicht weiter zerlegbaren Teilchen,den Atomen (atomos griech. unteilbar). Alle Atomeeines Elementes sind einander gleich, besitzen alsogleiche Masse und gleiche Gestalt. Atome verschie-dener Elemente haben unterschiedliche Eigenschaf-ten. Heute sind mehr als 115 Elemente bekannt,88 kommen in fassbarer Menge in der Natur vor.Tab. 1.1 zeigt einige für den menschlichen Körperwichtige Elemente.Sowohl die Definition von Lavoisier als auch die vonDalton werden heute noch verwendet, obwohl mitbesseren Kenntnissen des Atombaus eine moderneElementdefinition eingeführt wurde. Dabei wird derBegriff Element synonym mit der durch die Proto-nenzahl gekennzeichneten Atomart benutzt (s. S. 3).Stoffe, die aus nur einer Atomart bestehen, nenntman auch Elementsubstanzen (z. B. H2, S8).
Die SymboleDie Elemente erhielten schon immer Symbole, dieheute gebräuchlichen gehen auf Berzelius zurück,
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die Einteilung der Materie 3
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der den Anfangsbuchstaben des lateinischen Ele-mentnamens verwendete. Bei gleichen Anfangs-buchstaben der Elementenamen fügte er bei einemder beiden Elemente den zweiten Buchstaben hinzu.Waren diese ebenfalls gleich, wurde der erste nichtgemeinsame Konsonant angefügt (Tab. 1.2). Oft gehendie Bezeichnungen auf mythologische Ausdrückeoder das Heimatland des Entdeckers zurück.Heute haben diese Symbole eine dreifache Bedeu-tung: Sie bezeichnen das einzelne Atom, eine defi-
nierte Anzahl dieser Atome und den Stoff. So stehtz. B. Fe nicht nur für das fassbare Metallstück Eisen(= Stoff), sondern auch für ein Atom Eisen und für6 · 1023 Eisenatome (s. S. 7).
1.1.1.2 Die VerbindungenChemische Verbindungen sind aus verschiedenenAtomarten aufgebaut und lassen sich chemisch inElementsubstanzen zerlegen. Man unterscheidetMolekül- und Ionenverbindungen.
Die kleinste Baueinheit der Molekül-verbindungen ist das Molekül, ein Teilchen, indem zwei oder mehrere Atome fest verknüpftsind (z. B. H2O, C2H5OH).Ionenverbindungen bestehen aus Ionen (iongriech. wandernd) (z. B. NaCl, KBr). Ionen entste-hen durch Elektronenaufnahme oder Elektronen-abgabe aus den Atomen. Positiv geladene Ionensind Kationen, weil sie zur Kathode (–) wandern(kathodos griech. Hinabweg, nach derVorstellung,dass Elektronen am Minuspol der Stromquelleaustreten). Negativ geladene Ionen werden alsAnionen bezeichnet, weil sie zur Anode (+) (ano-dos griech. Eingang) wandern.
MERKE
Der Begriff Element wird sowohl auf makroskopi-scher als auch atomarer Ebene verwendet. Der Be-griff Stoff bezieht sich immer auf die makroskopi-sche Ebene.
1.1.1.3 Die StoffeDer AggregatzustandMan unterscheidet zwischen dem festen, dem flüssi-
gen und dem gasförmigen Zustand der Materie.Im festen Aggregatzustand (f = fest oder s = solid)hat die Materie den höchsten Ordnungszustand.Feste Stoffe zeichnen sich durch eine stabile äu-ßere Form und ein definiertes Volumen aus.Flüssigkeiten besitzen keine stabile Form, aber eindefiniertes Volumen. Der flüssige Aggregatzu-stand von Stoffen wird häufig durch fl (flüssig)oder l (liquid) als Fußnote an der Formel ver-merkt.Gase (g) füllen den zur Verfügung stehendenRaum immer vollständig aus, sie haben also keinstabiles Volumen und keine stabile Form. Für dieAbleitung vieler Gesetzmäßigkeiten ist die An-nahme eines Idealzustandes wichtig. Unter ei-nem idealen Gas versteht man Gasmoleküle oderAtome, die sich völlig regellos bewegen und keineWechselwirkung aufeinander ausüben. Die Stößeder Teilchen sind völlig elastisch und das Eigen-volumen der Gasteilchen ist vernachlässigbarklein. Unter physiologischen Bedingungen han-delt es sich tatsächlich jedoch immer um reale
Gase, bei denen zwischen den Teilchen eine
Die Einteilung der Materie 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung4
Tabelle 1.1
Wichtige Elemente im menschlichen Körper
Element Symbol Massenanteil in %
Sauerstoff O 63
Kohlenstoff C 20
Wasserstoff H 10
Stickstoff N 3
Calcium Ca 1,5
Phosphor P 1,0
Schwefel S 0,2
Kalium K 0,25
Natrium Na 0,15
Chlor Cl 0,15
Magnesium Mg 0,04
weitere Spurenele-mente (z. B. Mangan,Zink)
0,71
Tabelle 1.2
Beispiele für Elementsymbole
deutscher Namedes Elements
lateinischer Namedes Elements
Symbol
Eisen Ferrum Fe
Schwefel Sulfur S
Kohlenstoff Carbon C
Kupfer Cuprum Cu
Zinn Stannum Sn
Antimon Stibium Sb
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Wechselwirkung auftritt. Bei realen Gasen mussauch das Eigenvolumen berücksichtigt werden.Durch Einfügen von Korrekturgliedern könnendie Gesetzmäßigkeiten idealer Gase jedoch auchauf reale angewendet werden.
Zwischen den einzelnen Aggregatzuständen sindÜbergänge (Phasenumwandlungen) in Abhängigkeitvon Temperatur und Druck möglich (Abb. 1.1). Wich-tige Charakteristika der Stoffe sind ihre Schmelz- undSiedepunkte.Neben den klassischen Aggregatzuständen gibt esweitere, die nur unter extremen Bedingungen auf-treten. So spielt Plasma, häufig als der vierte Aggre-gatzustand bezeichnet, in dem freie Elektronen undionisierte Atome vorkommen, bei Energiesparlam-pen eine Rolle. In der Biosphäre gibt es aber keinnatürliches Plasma, es muss – z. B. durch Gasentla-dungen – erzeugt werden. Niedertemperaturplas-men führen zu geringen thermischen Belastungenund sind deshalb auch auch für medizinische undbiotechnologische Anwendungen interessant: Be-schichtung von Knochenimplantaten zur Biologisie-rung und Verschleißminderung, zur Dekontaminie-rung oder Funktionalisierung von Oberflächen.
Die reinen Stoffe und die StoffgemischeSowohl Elemente (Elementsubstanzen) als auch Mo-lekül- und Ionenverbindungen sind reine Stoffe, d. h.sie besitzen eine definierte Zusammensetzung undkonstante physikalische Eigenschaften. Reine Stoffekönnen durch chemische Methoden in Element-substanzen überführt werden, aus Stoffgemischenkann man sie durch physikalische Methoden erhal-ten (zur quantitativen Angabe s. S. 37, zu Trennver-fahren s. S.112).Alle anderen Stoffe sind sog. Gemische, die aus meh-reren reinen Stoffen in unterschiedlichen Verhältnis-sen bestehen. Gemische werden unterteilt in
homogene Systeme (homogene Gemische) (ho-mos griech. gleichartig): Sie erscheinen einheit-lich. Homogene Systeme sind Stoffe in nur einemAggregatzustand, Gasmischungen, Lösungen undLegierungen. So ist die uns umgebende Luft ho-mogen, da wir die unterschiedlichen Luftbestand-teile nicht wahrnehmen. Bei Anwesenheit einesRauchers wird das uns umgebende System jedochheterogen, da wir die Rauchschwaden sehen.
heterogene Systeme (heterogene Gemische) (he-teros griech. verschiedenartig, genea griech. Ab-stammung): Sie bestehen erkennbar aus unter-schiedlichen Teilen. Heterogene Systeme sindentweder reine Stoffe, die in verschiedenen Ag-gregatzuständen nebeneinander bestehen odermehrere reine Stoffe, die sich nicht ineinanderlösen. Es handelt sich also bei stillem Wasser,das durch ein Stück Eis gekühlt wird, um einheterogenes System.
Eine Phase ist ein Stoffsystem, das nach außen ein-heitlich aussieht und in genau einem Aggregatzu-stand vorliegt. Ein homogenes System besteht auseiner, ein heterogenes System aus mehreren Phasen.Für einige heterogene Systeme haben sich spezielleBezeichnungen eingebürgert (Tab. 1.3).
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die Einteilung der Materie 5
Abb. 1.1 Die Änderungen des Aggregatzustands
Tab. 1.3
Einteilung der heterogenen Systeme
Aggregatzustände Name Beispiele
fest-fest Gemenge,Konglomerat
Terrazzo-Platten,Ostseesand1
fest-flüssig Aufschlämmung,Suspension
Penicillin-Suspensionen
flüssig-flüssig Emulsion Cremes
fest-gasförmig Aerosol Rauch, Inhalations-präparate
flüssig-gasförmig Aerosol Nebel, Inhalations-präparate
1Ostseesand enthält neben Siliciumdioxid noch andere anor-ganische und organische Bestandteile.
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MERKE
Ob ein System als homogen oder heterogen zucharakterisieren ist, hängt auch davon ab, ob manes mit dem bloßen Auge, dem Licht- oder demElektronenmikroskop betrachtet.
Klinischer Bezug
Aerosole werden zur Inhalationstherapie verwendet,z. B. bei Asthma bronchiale oder Angina pectoris. Unteranderem kommen Dosieraerosole (Medikament inTreibgas gelöst) oder Trockenaerosole (Medikamentin Pulverform) zur Anwendung. Diese besondere The-rapieform bezweckt eine direkte Deposition von Me-dikamenten am Zielorgan, d. h. in den tiefen Atem-wegen. Sie eignet sich daher in erster Linie zurBehandlung von Erkrankungen im Oropharynx, beiBronchialerkrankungen und von Erkrankungen der Al-veolen. Der Vorteil der Inhalation eines Medikamentesanstelle seiner Verabreichung als Tablette oder mittelseiner Spritze besteht darin, dass die Substanz rasch denWirkungsort erreicht und an anderen Organen keinenennenswerte Wirkung bzw. Nebenwirkung entfaltet.
Eine Lösung ist ein homogenes Gemisch ausmindes-tens zwei Komponenten gleichen oder ursprünglichverschiedenen Aggregatzustandes Man spricht auchvon echten Lösungen, wenn der gelöste Stoff nieder-molekular ist (d. h. Teilchengröße <3nm). In diesemFall liegt ein sogenanntes molekular-disperses
System vor (dispergere lat. zerstreuen, ausbreiten).Am häufigsten sind flüssige Lösungen. Die im Über-schuss vorhandene Komponente bezeichnet man alsLösungsmittel, die andere/n Komponente/n gelöste/r
Stoff/e. Makromoleküle in der Größenordnung3–200nm bilden kolloidale Lösungen (kollao griech.leim-artig), deren Zuordnung zum Begriff homogen
oder heterogen umstritten ist. Das Systemwird auchals kolloidal-dispers bezeichnet.Wenn die in einer Flüssigkeit verteilten Teilchen mitdem Lichtmikroskop zu erkennen sind, handelt essich um ein grobdisperses System, das selbstver-ständlich als heterogenes System eingestuft werdenmuss.Abb. 1.2 fasst die Einteilung der stofflichen Materiezusammen.
Check-up4 Verdeutlichen Sie sich noch einmal, was unter
dem Begriff Aggregatzustand zu verstehen istund welche Aggregatzustände vorliegenkönnen.
4 Wiederholen Sie Beispiele für Molekül- undIonenverbindungen sowie Elementsubstan-zen.
4 Machen Sie sich die Charakteristika für homo-gene und heterogene Stoffe bzw. Stoffgemi-sche und Reinstoffe nochmals klar! Sie könnenauch nach weiteren Beispielen aus Ihrem täg-lichen Umfeld suchen; die Entscheidung wirdaber nicht immer leicht sein.
Die Einteilung der Materie 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung6
Abb. 1.2 Einteilung der stofflichen Materie
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1.2 Der Atombau
LerncoachDie Kenntnis der nachfolgenden Fakten überdie atomaren Dimensionen, die Stoffmengeund die Bausteine der Atome sind wichtigeVoraussetzungen für das Verständnis allerweiteren Kapitel. So wird Ihnen z. B. die Avo-gadro-Zahl immer wieder bei verschiedenenBerechnungen begegnen.
1.2.1 Die atomaren DimensionenBestimmte Geräte erlauben Einblicke in die atoma-ren Dimensionen (z. B. Elektronenmikroskope inmanchen Fällen), eine Veranschaulichung ist jedochaußerordentlich schwer möglich, da die Größenan-gaben für uns nicht fassbar sind.So ist z. B. die Anzahl der Atome in einem Stecknadel-kopf nicht vorstellbar – tatsächlich handelt es sichum etwa 1020 Atome!Vielleicht hilft Ihnen bei der Vorstellung atomarerDimensionen auch der folgende Vergleich: Sie feiernIhren 20. Geburtstag. Bis zu diesem Tag haben Sie630720 000 Sekunden (Schaltjahre nicht berück-sichtigt) gelebt. Für jede Sekunde wünschen Siesich ein Goldatom. Das sind aber nur 2 · 10-13 g,was kein Juwelier abwiegen kann. Und selbst wennSie eine Milliarde Goldatome für jede Sekunde er-halten, haben Sie nur ein Stückchen Blattgold(0,2mg) in der Hand, aber vielleicht ein Gefühl dafürbekommen, in welchen Dimensionen wir uns bewe-gen, wenn wir uns um das atomare Verständnis be-mühen.
1.2.2 Die Avogadro-Zahl und die Stoffmenge12g des Kohlenstoff-Isotops 12
6C enthalten gerade6,02 · 1023 Atome. Diese Zahl wird auch als Avo-
gadro-Zahl N0; bezeichnet. Früher wurde sie auchoft Loschmidt-Zahl genannt. Um den Umgang mitdiesen großen Teilchenanzahlen zu vereinfachen,wurde eine Einheit eingeführt: Man fasst diese6,02 · 1023 Teilchen zu einer Zähleinheit zusammenund bezeichnet sie als Stoffmenge Mol mit der SI-Einheitmol (SI = Système International d'Unités). AlsTeilchen kommen infrage: Atome, Ionen, Moleküleoder sog. Formeleinheiten, die bei Ionenverbindun-gen verwendet werden und die kleinste, aber che-misch sinnvolle Kombinationsmöglichkeit von Ionenbeschreiben.Die Avogadro-Konstante NA ermöglicht die Berech-nung von absoluten Atommassen Ma. Mr ist die mo-lare Masse, also die Masse, die 6,02 · 1023 der be-trachteten Teilchen haben.NA = N0 mol-1
1.2.3 Die AtombausteineDie Existenz von Atomen ist heute gesichert. Endedes 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannteman, dass eine weitere, wenn auch physikalischeAufspaltung der Atome in Elementarteilchenmöglichist. Heute sind einige Hundert Elementarteilchen be-kannt, von denen uns aber nur die drei wichtigstenBestandteile des annähernd kugelförmigen Atomsinteressieren (Tab. 1.4):
Protonen und Neutronen als KernbausteineElektronen in der Atomhülle.
Das Neutron ist ein ungeladenes, also elektrischneutrales Teilchen, das Proton trägt die positive(+e), das Elektron die negative Elementarladung (–e).
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Der Atombau 7
Tabelle 1.4
Eigenschaften von Elementarteilchen
Elementarteilchen Elektron Proton Neutron
Symbol e p n
Ort Atomhülle Atomkern Atomkern
Masse (in kg) 0,91095 · 10–30 kg 1,67265 · 10–27 kg 1,67495 · 10–27 kg
(in u) 5,48577 · 10-4 u 1,00727 u 1,00866 u
Ladung –e +e keine
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Der Atombau 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung8
Diese bislang kleinste bekannte elektrische Ladungbeträgt:
e =1,6022 · 10-19 As
Protonen und Neutronen besitzen annähernd diegleiche Masse, das Elektron nur ca.1/1800 davon.Im atomaren Bereich gibt man Massen in atomarenMasseneinheiten an. Eine atomare Masseneinheit istals 1/12 der Masse eines Atoms des Kohlenstoff-nuklids 12
6C definiert (zum Begriff Nuklid s. u.) undbeträgt:
1u =1,66057 · 10-27 kg
Die Masse eines Atoms 126C muss also 12u betragen!
Das Atom hat einen ungefähren Durchmesser von10-10 m, der Atomkern von 10-15 m. Wenn also einStecknadelkopf (1mm Durchmesser) dem Atomkernentspricht, müsste er sich in einem dem Atom ent-sprechenden Ball von etwa 100m Durchmesser be-finden. Bedenken Sie dabei, dass die Masse desAtoms aber fast vollständig durch die Masse desKerns bestimmt wird.Die Summe der Protonen im Atomkern ergibt dieKernladungszahl (KLZ). Im Periodensystem der Ele-mente sind die Elemente nach dieser KLZ geordnet.Sie entspricht dort der Ordnungszahl (OZ) der Ele-mente (s. S.16).Da Atome nach außen hin neutral sind, muss dieLadung des Atomkerns durch die Ladung der Elektro-nen in der Atomhülle ausgeglichen werden, die Zahlder Protonen muss folglich mit der Zahl der Elektro-nen übereinstimmen. Wenn die Elektronenzahl vonder Protonenzahl abweicht, liegen Ionen vor.
MERKE
Für ein Atom gilt: Kernladungszahl = Ordnungszahl= Zahl der Protonen im Atomkern = Zahl der Elekt-ronen in der Atomhülle.
Protonen und Neutronen zusammen werden alsNukleonen (nucleus lat. Kern) bezeichnet. Die Masse
des Atoms ergibt sich aus der Masse der Nukleonen,
d. h. die Nukleonen- oder Massenzahl ist die Summeaus der Anzahl der Protonen und Neutronen. DieNukleonenzahl und die Ordnungszahl werden häufigvor dem Elementsymbol mit angegeben, denn einAtom ist erst durch diese vollständig charakterisiert(Abb. 1.3). Ein so eindeutig charakterisiertes Atomwird auch als Nuklid bezeichnet.
1.2.4 Die moderne ElementdefinitionDa sich Atome trotz gleicher Ordnungs- und Proto-nenzahl in ihrer Neutronenzahl unterscheiden kön-nen, hat man die Definition des Elements noch ein-mal konkretisiert: Ein chemisches Element bestehtaus Atomen mit gleicher Protonenzahl, die Neutro-nenzahl kann aber unterschiedlich sein.Damit ist der Begriff „Element“ auf atomarer undnicht mehr auf stofflicher Ebene definiert. Es wirdaber wie gesagt nicht streng zwischen diesen Auf-fassungen unterschieden. Nuklide des gleichen che-mischen Elements mit gleicher Kernladungszahl undunterschiedlicher Neutronenzahl bezeichnet man alsIsotope (isos griech. gleich, topos griech. Ort,Stelle). 1
1H, 21H (Deuterium) und 3
1H (Tritium) sindz. B. Isotope des Elements Wasserstoff. Die Isotopeeines Elements besitzen gleiche chemische Eigen-schaften.Die meisten Elemente sind Mischelemente, die ausmehreren Isotopen bestehen. Diese kommen in un-terschiedlicher Häufigkeit vor. Reinelemente beste-hen dagegen in ihrem natürlichen Vorkommen nuraus einer Nuklidsorte (Tab. 1.5).Die Atommasse eines Elements ergibt sich aus denAtommassen der Isotope unter Berücksichtigung dernatürlichen Isotopenhäufigkeit. Da es sich um sehrkleine Zahlen handelt, bezieht man sich wiederumauf 1/12 der Masse des Nuklids 12
6 C und spricht des-halb von der relativen Atommasse. Die Zahlenwertesind folglich identisch mit den in atomaren Massen-einheiten angegeben Massen.Für die Anzahl auftretender Isotope gibt es keineGesetzmäßigkeit. Jedoch wächst mit steigender Ord-nungszahl die Anzahl der Isotope und bei Elementenmit gerader Ordnungszahl treten mehr Isotope auf.Das Verhältnis Neutronenzahl zu Protonenzahlwächst mit steigender Ordnungszahl von 1 aufetwa 1,5 an.Isotope sind nicht nur natürlichen Ursprungs, siekönnen auch künstlich hergestellt werden. Sie sindentweder stabil oder instabil.
Abb. 1.3 Eindeutig charakterisiertes Atom (= Nuklid)
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1.2.5 Die RadioisotopeInstabile Atomkerne versuchen, sich durch die Ab-
gabe von Strahlung zu stabilisieren. Sie werden alsRadioisotope oder Radionuklide bezeichnet. 1896 be-obachtete Becquerel, dass Uranverbindungen spon-tan Strahlung aussenden, Marie Curie untersuchtedieses Phänomen bei Uranverbindungen. Die Eigen-schaft der Eigenstrahlung wurde als Radio-aktivität (radiare lat. strahlen) bezeichnet.
1.2.5.1 Die StrahlungsartenDer Atomkern von natürlichen radioaktiven Nukli-den kann drei Strahlungsarten emittieren:
α-Strahlen: positiv geladene 42He-Kerne
β-Strahlen: Elektronen, die im Atomkern durchden Zerfall eines Neutrons in ein Proton und einElektron entstehen (auch β--Strahlen)γ-Strahlen: energiereiche elektromagnetischeStrahlung mit kurzer Wellenlänge.
Inzwischen gewinnt auch der Einsatz von Positro-nenstrahlern in der Nuklearmedizin an Bedeutung(z. B. Positronenemissionstomographie [PET] zumNachweis von Stoffwechselstörungen des Gehirns).Positronen sind Teilchen mit der Masse eines Elekt-rons, die jedoch eine positive Elementarladung besit-zen (β+).
MERKE
Reichweite und Durchdringungsfähigkeit der Strah-lungen nehmen in der Reihenfolge α, β, γ stark zu.
Z. B. können α-Strahlen durch eine 0,05mm dickeAluminiumfolie oder durch ein Blatt Papier zurück-gehalten werden. Zum Schutz vor β-Strahlen ist eine0,5mm dicke Aluminiumfolie nötig. Vor γ-Strahlenschützen nur dicke Bleiplatten.α-Strahlen und β--Strahlen werden von Luft absor-biert. Deshalb beträgt ihre Reichweite auch nur 2,5bis 9 cm (α-Strahlen) bzw. 8,5m (β--Strahlen). γ-Strahlen werden hingegen von Luft nicht absorbiert.Kernprozesse können mithilfe von Kernreaktions-gleichungen formuliert werden:
α-Zerfall: 22688Ra † 222
86Rn + 42He
β-Zerfall: 4019K † 40
20Ca + 0–1e
Die Summe der Nukleonenzahlen und die Summeder Kernladungszahlen müssen auf beiden Seiten ei-ner Kernreaktionsgleichung gleich sein.
Kontrollieren Sie, ob Sie die exakte Kenn-zeichnung von Nukliden verstanden haben undmachen Sie sich klar, was die Zahlen vor den Ele-mentsymbolen bedeuten.
Die beim β--Zerfall emittierten Elektronen stammennicht aus der Elektronenhülle, sondern aus demKern. Im Kern wird ein Neutron in ein Proton undein Elektron umgewandelt, das Elektron wird ausdem Kern herausgeschleudert, während das Protonim Kern verbleibt. Dadurch erhöht sich die Kernla-dungszahl um 1.
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Der Atombau 9
Tabelle 1.5
Nuklide der ersten 5 Elemente
OZ1 = KLZ2 Element Nuklidsymbol Protonen-zahl
Neutro-nenzahl
Nukleo-nenzahl
Nuklidmassein u
natürlicheHäufigkeitin %
mittlereAtommassein u
1 Wasserstoff 11 H21 H31 H
111
012
123
1,0078252,01410
99,9850,015Spuren
1,0080
2 Helium 32 He42 He
22
12
34
3,016034,00260
0,0001399,99987
4,0026
3 Lithium 63 Li73 Li
33
34
67
6,015127,0160
7,4292,58
6,941
4 Beryllium 94 Be 4 5 9 9,01218 100 9,01218
5 Bor 105 B
115 B
55
56
1011
10,0129411,00931
19,7880,22
10,81
1OZ = Ordnungszahl; 2KLZ = Kernladungszahl
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1.2.5.2 Die HalbwertszeitRadioaktive Elemente haben eine begrenzte Lebens-dauer. Man definiert die Halbwertszeit (t1/2) als die-jenige Zeit, in der gerade die Hälfte einer bestimmtenZahl radioaktiver Isotope zerfallen ist. Das in derBalneologie eingesetzte natürliche Isotop 222
86Rn hatbeispielsweise eine Halbwertszeit von 3,8 Tagen.Von 1000 Atomen dieses Elements wären also nach3,8 Tagen noch 500, nach weiteren 3,8 Tagen noch250 Atome vorhanden. Die andere Hälfte zerfälltunter Abgabe von Strahlung letztlich in das stabile20682Pb. 222
86Rn wird ebenso wie 22688Ra (t1/2=1622 a)
durch den Zerfall des langlebigen 23892U (t1/2=
4,5 · 109 a) nachgebildet.
1.2.5.3 Die Messung der RadioaktivitätMenschliche Sinnesorgane können radioaktiveStrahlung nicht registrieren. Zum Feststellen oderMessen werden fotografische Techniken (Film-schwärzung) verwendet, die aber nicht sehr genausind und vor allem für die strahlenhygienische Do-kumentation (Dosimeter) eingesetzt werden. Szintil-lationszähler (scintilla lat. Funke) enthalten Stoffewie Zinksulfid oder Natriumiodid/Thallium, die dieradioaktive Strahlung in sichtbare Strahlung (Licht-blitze) umwandeln. Diese werden dann photoelekt-risch registriert, z. B. in der Nuklearmedizin mithilfe
von Gammakameras. Weitere Messgeräte sind dieWilson'sche Nebelkammer und das Geiger-Müller-Zählrohr, die Sie in der Physik kennen lernen.Für quantitative Angaben wird die Aktivität A oderdie Zerfallsrate, die die Zahl der Kernumwandlungenpro Sekunde in s-1 oder Becquerel (Bq) angibt, ver-wendet. Um die biologische Wirksamkeit, also dasIonisationsvermögen zu beschreiben, benutzt mandie Ionendosis I. Das ist der Quotient aus Ionenladungund Masse der Luft in einem festgelegten Messvolu-men, die Angabe erfolgt in C · kg-1. In der Strahlen-biologie wird die einwirkende Energiedosis in Gray
(Gy) gemessen. Darunter versteht man die Energie-menge, die pro Masseneinheit des Körpers absorbiertwird. Im Strahlenschutz ist die Äquivalentdosis D · qgebräuchlich, ein Faktor aus der Energiedosis D (Quo-tient aus Energie W und Masse m mit der EinheitJ · kg-1) und einem dimensionslosen Bewertungsfak-tor, als Einheit ergibt sich ebenfalls J · kg-1, hier wirdaber meist Sievert (Sv) benutzt.Natürliche und künstliche Isotope spielen in der bio-chemischen und medizinischen Forschung einegroße Rolle (Tab. 1.6). In der Tumordiagnostik wirddas kurzlebige 18
9F (Halbwertszeit 100min.) als Posit-ronstrahler verwendet.
Klinischer Bezug
In der Forschung werden Radionuklide vor allem ver-wendet, um den Abbau von Molekülen im Stoffwechselverfolgen zu können. Bei diesen so genannten Tracer-Methoden (tracer engl. Spur) ersetzt man in den zuuntersuchenden Molekülen stabile Isotope durch ra-dioaktive und kann so den Weg der Moleküle in denOrganen durch Messung der Radioaktivität verfolgen.In der medizinischen Diagnostik wird die Tatsacheausgenutzt, dass sich radioaktiv markierte Wirkstoffein bestimmten Organen und Geweben anreichern. Ausder von außen gemessenen Strahlung können so Rück-schlüsse auf Störungen der Morphologie und der Funk-tion von Organen gezogen werden. So können z. B.Stoffwechselstörungen der Schilddrüse festgestelltwerden. Abb. 1.4 zeigt ein Szintigramm der Schilddrüsenach Injektion von 80MBq 99m
43 Tc. Im linken Schild-drüsenlappen ist ein autonomes Adenom (knotige,gutartige Geschwulst der Schilddrüse, die autonomIod speichert und Schilddrüsenhormone synthetisiertund sezerniert) zu erkennen. In der Diagnostik wird das
Der Atombau 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung10
Tabelle 1.6
Beispiele für medizinisch relevante Isotope
Isotop Halbwertszeit Strahlung Anwendung146C 5730 a β Altersbestim-
mung3215P 14,4 d β Strahlentherapie
(metabolisch)6027Co 6,2 a β, γ Strahlentherapie
(extern)99m
43Tc 6 h γ Szintigraphie12353I 13 h γ Szintigraphie
13153I 8,4 d β, γ Diagnostik und
Therapie derSchilddrüse(metabolisch)
15362Sm 1,9d β, γ Strahlentherapie
(metabolisch)19277Ir 74 d β Strahlentherapie
22286Rn 3,8 d α Bade- und Trink-
kuren22688Ra 1660 a α Strahlentherapie
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metastabile Technetium 99m43 Tc am häufigsten einge-
setzt. Es geht in relativ kurzer Zeit durch γ-Strahlungin 99
43 Tc über, das als weicher β-Strahler nicht mehrgefährlich ist und eine längere Halbwertszeit hat.Strahlentherapie: Die Strahlentherapie wird haupt-sächlich zur Behandlung maligner Erkrankungen ein-gesetzt. Mit der externen Strahlentherapie wird vonaußen versucht, eine maximale Schädigung des Tu-morgewebes zu erreichen. Um jedoch das gesundeGewebe zu erhalten, müssen dabei Einstrahlwinkelund Eindringtiefe optimiert werden.Bei der interstitiellen Radiotherapie werden Radio-nuklide direkt in das Tumorgewebe eingebracht.Bei der metabolischen Strahlentherapie werden Ra-dionuklide wie z. B. 131
53 I meistens intravenös verab-reicht und so in den Metabolismus eingebracht. Siekonzentrieren sich dann im Tumorgewebe (also z. B.in der Schilddrüse, wo der Iod-Stoffwechsel stattfin-det).Strahlenbelastung: Der Mensch ist ständig einer ge-ringen natürlichen Radioaktivität durch kosmische undterrestrische Strahlung ausgesetzt. Auch der mensch-liche Körper selbst besitzt eine Eigenstrahlung. Durchden Einsatz von Radionukliden in der Medizin, kern-technische Anlagen, PC, TV, Flugverkehr und Tabak-rauch tritt eine radioaktive Belastung auf, an die sichder menschliche Organismus jedoch gewöhnt hat. Erststärkere Belastung wird kritisch.
Durch unkontrollierte Reaktionen in Atomreaktorenoder durch eine Atombombe können große Energie-mengen freigesetzt werden. Dadurch entstehen Ra-dioisotope, die wichtige Elemente im Körper ersetzen.So ersetzt 137
55Cs Kalium und 9038 Sr Calcium (beide Ra-
dioisotope haben eine sehr lange Halbwertszeit). DieseIsotope haben sich 1986 nach dem Unglück in Tscher-nobyl z. B. sehr stark in Maronen (Pilzsorte) angerei-chert, weshalb man auch heute noch von einem über-mäßigen Genuss absehen sollte.
Check-up4 Machen Sie sich nochmals klar, aus welchen
Elementarteilchen ein Atom besteht.4 Wiederholen Sie, welche wichtigen Eigen-
schaften die Elementarteilchen besitzen. Ler-nen Sie hierfür keine Zahlen auswendig, aberdenken Sie an die Verhältnisse von Masse undAusdehnung.
4 Rekapitulieren Sie nochmals die Definitionender Begriffe Kernladungszahl und Nukleo-nenzahl sowie die Symbolschreibweise.
4 Wiederholen Sie die natürlichen radioaktivenStrahlungsarten und deren Charakteristika.
1.3 Die Elektronenhülle
LerncoachIm folgenden Kapitel lernen Sie Vorstellungenvom Bau der Elektronenhülle kennen. Um z. B.das wellenmechanische Atommodell im Detailzu verstehen, muss man sich mit den mathe-matischen und physikalischen Zusammen-hängen beschäftigen. Für Sie ist es aus-reichend, wenn Sie sich die grundlegendenBegriffe wie Orbital und Quantenzahlen undderen Aussagen merken (s. u.).Für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel(z. B. die Anordnung der Elemente imPeriodensystem) ist es wichtig, dass Sie dieElektronenkonfiguration angeben können.
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die Elektronenhülle 11
Abb. 1.4 Szintigrammder Schilddrüse nach Injektion von 99m43Tc
(Adenom linksseitig)
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1.3.1 VorbemerkungFür das Verständnis chemischer Reaktionen interes-sieren uns weniger die Vorgänge im Kern als viel-mehr die Veränderungen in der Elektronenhülle. DieElektronen, die sich in der Atomhülle befinden, sindfür chemische Bindungen, chemische Reaktionenund Strahlungsabsorption maßgebend.
1.3.2 Das Bohr'sche AtommodellMit der Erkenntnis, dass Atome Elektronen enthal-ten, mussten Vorstellungen entwickelt werden, wiediese Elektronen angeordnet sind. Während Thom-son noch annahm, dass die Atome Masseteilchendarstellen, bei denen negativ geladene Elektronenin eine positiv geladene Grundmaterie eingebettetsind, schloss Rutherford aus seinen Versuchen zurStreuung von α-Teilchen an einer dünnen Goldfolie,dass ein Atom ein positives Massezentrum und einenegativ geladene Atomhülle besitzenmuss, in der dieElektronen auf Bahnen ähnlich den Planeten denKern umkreisen. Vom Standpunkt der klassischenPhysik aus ist diese Anordnung instabil, denn aufgekrümmten Bahnen kreisende Teilchen geben ihreEnergie als elektromagnetische Strahlung ab.Schließlich müssten sie in den Kern fallen.Dieses Modell wurde 1913 durch Bohr anhand vonErgebnissen aus der Analyse von Spektrallinien wei-terentwickelt. Er verwendete ebenfalls die Vorstel-lung von Kreisbahnen, vertrat aber dieMeinung, dasssich die Elektronen nicht auf beliebigen, sondern nurganz bestimmten, diskreten (discretus lat. abgeson-dert, getrennt) Bahnen strahlungsfrei bewegen. DerEnergieunterschied ΔE zwischen zwei solchen Bah-nen beträgt:
E2 – E1 = ΔE = h · ν.(h ist das Planck'sche Wirkungsquantum, ν die Fre-quenz).
Durch die Festlegung auf konkrete Bahnen, die manauch als „Quantelung“ bezeichnet, konnte das Auf-treten diskreter Atomspektren erklärt werden. Sieentstehen durch Anregung von Valenzelektronen,die dadurch auf höhere Bahnen gelangen. UnterEnergieabgabe erfolgt der Übergang in die ursprüng-lichen Bahnen. Mithilfe des Bohr'schen Modellswurde die Linienfolge des Wasserstoffspektrumsphysikalisch interpretiert. Auch die Entstehung der
kurzwelligen Röntgenstrahlung kann durch diesesModell als Folge von Elektronenübergängen in inne-ren Bahnen verstanden werden.Wie jedes Modell hat auch dieses seine Grenzen. Esversagte bei der Interpretation von Spektren derAtome, die mehr als ein Elektron haben.
1.3.3 Das wellenmechanische Atommodell1.3.3.1 Der Welle-Teilchen-DualismusElektronen weisen zum einen Welleneigenschaftenauf und zum anderen verhalten sie sich wie kleinePartikel. Damit erreichen wir die Grenze unseres andie Gesetze der klassischen Physik gewöhnten Vor-stellungsvermögens. Wenn nicht zwangsläufig erfor-derlich, werden wir daher auf der Vorstellung vomElektron als Teilchen, das sich auf einer Bahn bewegt,aufbauen. Aber an dieser Stellemüssenwir auch überdas Elektron als Welle sprechen: Das Elektron istdann stabil, wenn sich die Elektronenwelle nicht ver-ändert, d. h. wenn es sich also um eine stehendeWelle handelt.Solche stehenden Wellen kennen Sie aus der Musik.Wenn eine Saite auf beiden Seiten fest eingespanntist, können Sie für kurze Zeit stabile Schwingungenmit einer ortsfesten Schwingungsphase erzeugen. Siestellen nichts anderes dar als reine Töne. Stellen wiruns den Umlauf eines Elektrons auf einer ebenenBahn vor, muss der Wellenzug am Anfang wiederrichtig anschließen, da sonst keine zeitliche Stabilitäterreicht wird (Abb. 1.5).In der Quantentheorie verwendet man zur Beschrei-bung der Elektronenbewegungen daher auf Vor-schlag von Schrödinger bestimmte Differenzialglei-chungen und sucht als erlaubte Elektronenzuständediejenigen Lösungen heraus, die zu zeitlich unver-änderlichen Schwingungen führen, den so genann-
Die Elektronenhülle 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung12
Abb. 1.5 Die Eigenschwingungen einer Saite (a) und die sche-matisierte Eigenschwingung einer Elektronenwelle auf einerKreisbahn (b)
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ten Eigenwerten. Hierzu zählen ganz bestimmteFunktionen, die als Eigenfunktionen bezeichnet wer-den. Natürlich sind die tatsächlichen Verhältnisseund deren mathematische Beschreibung sehr vielkomplizierter, denn die Elektronen schwingen nichtlängs einer eindimensionalen Bahn, sondern in dendrei Dimensionen des Raumes.
1.3.3.2 Die UnbestimmtheitsbeziehungNach Heisenberg ist es überdies unmöglich, den Im-puls p = m · v (m = Masse, v = Geschwindigkeit) undden Ort eines Elektrons gleichzeitig zu bestimmen.Um ein Elektron zu orten, benötigt man sehr kurz-welliges Licht. Dieses hat jedoch eine hohe Frequenzund ist sehr energiereich. Wenn es das Elektron trifft,wird seine Geschwindigkeit verändert, und das wirktsich wegen der kleinen Masse atomarer Objekte so-fort auf den Impuls aus. Für gewöhnliche Objekte giltdiese Unbestimmtheitsbeziehung zwar auch, aberwegen der vergleichsweise großen Masse hat dieEinwirkung von energiereichem Licht auf den Impulsdieser Objekte keine Bedeutung.
MERKE
Für Elektronen können wir folglich nur mit einerbestimmten Wahrscheinlichkeit einen bestimmtenOrt angeben, an dem es im Atom anzutreffen ist.
1.3.3.3 Die OrbitaleDie wellenmechanische Beschreibung des Elektronsentspricht der Vorstellung einer über das Atom ver-teilten Elektronenwolke. Die Gestalt der Elektronen-wolke gibt den Raum an, in dem sich das Elektronmitgrößter Wahrscheinlichkeit aufhält. Abb. 1.6 zeigt dieElektronenwolke des Wasserstoffatoms im Grundzu-stand: Sie ist kugelsymmetrisch. An den Stellen mitgroßer Aufenthaltswahrscheinlichkeit hat die La-dungswolke eine größere Dichte, die Sie anhandder größeren Punktdichte erkennen können. Die La-dungswolke hat nach außen keine scharfen Grenzen.Man wählt willkürliche Grenzflächen (z. B. eine Ku-gel, die mit 90%iger Wahrscheinlichkeit die Ladungdes Elektrons enthält). Mit einer gewissen, wennauch geringen Wahrscheinlichkeit, kann sich dasElektron auch außerhalb der Kugel aufhalten.Stellen Sie sich einfach vor, dass die Verteilungswolkeeiner Fotografie des sich bewegenden Elekrons ent-
spricht, das mit großer Belichtungsdauer aufgenom-men wurde.Diese räumliche Ladungsverteilung kann natürlichauch rechnerisch ermittelt werden, es ist aber aus-reichend sich zu merken, dass das Elektron durcheine mathematische Funktion, die Wellenfunktion,beschrieben werden kann.Das Quadrat derWellenfunktion ist einMaß der obenbesprochenen Aufenthaltswahrscheinlichkeit einesElektrons in einem bestimmten Volumenelement.Anstelle von Wellenfunktion ist auch der Begriff Or-bital (orbis lat. Kreislinie, Kugel) üblich, der reinsprachlich die Verbindung zu den Bahnen der vor-hergehenden Modelle aufrechterhält.
MERKE
Orbitale sind Wellenfunktionen. Das Quadrat dieserWellenfunktionen gibt die Räume an, in denen sichdas Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit aufhält.
Bei der oben dargestellten kugelsymmetrischen La-dungsverteilung spricht man von s-Orbitalen (s =
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die Elektronenhülle 13
Abb. 1.6 Verschiedene Darstellungen des Elektrons eines Was-serstoffatoms im Grundzustand
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sharp). Es gibt auch andere Zustände des Elektronsim Wasserstoffatom, p-, d- und f-Orbitale (p = prin-cipal, d = diffus, f = fundamental; die Bezeichnungens, p, d, f stammen aus der Spektroskopie). Die räum-liche Darstellung der p-Orbitale, genauer gesagt, dieBereiche, in denen die Aufenthaltswahrscheinlich-keit größer als 90% ist, sehen Sie in Abb. 1.7.
1.3.3.4 Die QuantenzahlenEs sind also immer nur bestimmte Elektronenzu-stände erlaubt. Diese Quantelung ist an bestimmteZahlen gebunden, die Quantenzahlen.
Hauptquantenzahl: Die Hauptquantenzahl n be-stimmt die möglichen Energieniveaus. Dafür ver-wendet man auch den Begriff „Schale“, die mitden großen Buchstaben K, L, M, N bezeichnetwerden. Die Energiewerte nehmen in dieser Rei-henfolge zu. Durch die Hauptquantenzahl könnenimmer 2n2 Elektronen beschrieben werden.
Nebenquantenzahl: Die Nebenquantenzahl l
nimmt Werte zwischen (n–1) und 0 an, sie be-schreibt die Gestalt der Orbitale. Wenn l = 0 ist,handelt es sich um ein kugelsymmetrisches s-Or-
bital. p-Orbitale sind durch l = 1 charakterisiert.Man bezeichnet gelegentlich die energetischäquivalenten Sätze der s-, p- und d-Orbitale alsUnterschalen.Magnetquantenzahl: Auch die räumliche Orien-tierung der Orbitale ist gequantelt. Sie wird durchdie Magnetquantenzahl m beschrieben, die dieganzzahligen Werte von –l über 0 bis +l anneh-men kann.Spinquantenzahl: Die Spinquantenzahl (spin engl.drehen) kann die Werte + 1/2 und –1/2 anneh-men, sie beschreibt die Eigenrotation des Elekt-
rons.Zu den Beziehungen zwischen den Quantenzahlen s.Tab. 1.7.
Die Elektronenhülle 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung14
Abb. 1.7 Die räumliche Darstel-lung der p-Orbitale
Tabelle 1.7
Die Beziehung zwischen den Quantenzahlen
Hauptquanten-zahl n (Schale)
Neben-quantenzahl l
Magnet-quantenzahl m
Elektronen-konfiguration
Spin-quantenzahl
Elektronenpro Orbital
Elektronenpro Schale (2n2)
1 (K) 0 (s) 0 1 s ±1/2 2 2
2 (L) 0 (s) 0 2 s ±1/2 2 8
1 (p) + 1 2px ±1/2 2
0 2py ±1/2 2
-1 2pz ±1/2 2
3 (M) 0 (s) 0 3 s ±1/2 2 18
1 (p) + 1 3px ±1/2 2
0 3py ±1/2 2
-1 3pz ±1/2 2
2 (d) + 2 3dxy ±1/2 2
+1 3dxz ±1/2 2
0 3dyz ±1/2 2
-1 3dx2-y2 ±1/2 2
-2 3dz2 ±1/2 2
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1.3.3.5 Die ElektronenkonfigurationWir wollen nun versuchen, diesen Orbitalen Elektro-nen zuzuordnen. Dabei muss das Pauli-Prinzip be-achtet werden, nach dem Elektronen niemals in allenvier Quantenzahlen übereinstimmen dürfen. Ver-ständlicherweise beginnt man immer mit Zuständenniedrigster Energie. Diese Aufteilung gelingt leichterbei Verwendung einer schematischen Darstellungder erlaubten Elektronenzustände (Abb. 1.8).Für ein Atom mit 5 Elektronen (= Boratom) ergibt
sich folgende Verteilung: Durch das 1 s-Orbital kön-nen zwei Elektronen mit entgegengesetztem Spinbeschrieben werden, so auch durch das 2 s-Orbital.Für das fünfte Elektron müssen wir ein 2p-Orbitalzur Beschreibung heranziehen. Vereinfachend wirdoft gesagt, 2 Elektronen besetzen das 1 s-Orbital,2 Elektronen das 2 s- und 1 Elektron besetzt das2p x -Orbital.Kurz können wir diese Verteilung oder Elektronen-
konfiguration so darstellen:
1 s2 2 s2 2p1 oder genauer 1 s2 2 s2 2px1.
Die hochgestellten Zahlen geben an, wie viele Elekt-ronen jeweils das angegebene Orbital besetzen, wo-bei sie sich in ihrer Spinquantenzahl unterscheidenmüssen.Wennwir nun die 6 Elektronen des Kohlenstoffatomsverteilen möchten, zeigt Abb. 1.9, dass nicht klar ist,wo das 6. Elektron eingeordnet wird. Der Hund'schenRegel folgend müssen bei energetisch gleichen Orbi-talen diese zuerst mit je einem Elektron besetzt wer-den. Erst dann erfolgt die Auffüllung mit einem zwei-ten Elektron.
Die Elektronenkonfiguration ist also:
1 s2 2 s2 2p2 oder genauer 1 s2 2 s2 2px12py1.
Vergleichen Sie dies mit der schematischen Darstel-lung in Abb. 1.9. Die Pfeile symbolisieren Elektronenmit unterschiedlichem Spin.
Wie Sie sehen, ist es nicht so schwierig,Elektronenkonfigurationen bei gegebener Elektro-nenanzahl aufzuschreiben. Da solche Konfiguratio-nen weniger im Physikum, sondern eher in Klau-suren abgefragt werden, formulieren Sie am bestengleich noch die Elektronenverteilung für 16 und für20 Elektronen (Lösung s. S. 199). Seien Sie auf-merksam und schauen Sie die Darstellung derEnergieniveaus genau an. Sie werden feststellen,dass das 4 s-Orbital energetisch günstiger ist als die3d-Orbitale. Vergleichen Sie Ihr Ergebnis.
Die Elektronenkonfiguration lautet also für 20 Elekt-ronen (Calciumatom):
1 s2 2 s2 2p6 3 s2 3p6 4 s2.
Erst bei 21 Elektronen (Scandiumatom) werden die3d-Orbitale benötigt:
1 s2 2 s2 2p6 3 s2 3p6 4 s2 3d1 oder 1 s2 2 s2 2p6 3 s2
3p6 3d1 4 s2.
Die erste Darstellung beschreibt die Auffüllungsfolge,die zweite den nach dem Auffüllen erreichten Zu-
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die Elektronenhülle 15
Abb. 1.8 Die verschiedenen Energieniveaus Abb. 1.9 Energieniveauschema für ein System mit 6 Elektro-nen
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stand, bei dem dann das 4 s-Orbital sozusagen nachaußen „rutscht“. Als Außenelektronen werden in sol-chen Systemen, bei denen d-Orbitale aufgefüllt wer-den, gewöhnlich die äußeren s-Elektronen angese-hen.
Check-up4 Erklären Sie nochmals die Begriffe Orbital und
Quantenzahl und machen Sie sich die räum-liche Darstellung der Orbitale klar.
4 Wenn noch nicht geschehen, üben Sie die An-gabe der Elektronenkonfiguration anhand ei-niger Beispiele (s. o.).
1.4 Das Periodensystem der Elemente(PSE)
LerncoachDie Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten im Pe-riodensystem ist eine wichtige Vorausset-zung, um die Eigenschaften und Reaktionenvon Elementen bzw. Stoffen zu verstehen.Diese Gesetzmäßigkeiten erschließen sich Ih-nen am besten, wenn Sie die Elektronenkon-figuration gut beherrschen.
1.4.1 Die Einteilung im Periodensystem(Eine Abbildung des heute verwendeten Perioden-systems finden Sie auf der Umschlagseite.)Elemente, deren Atome analoge Elektronenkonfigu-rationen besitzen, haben auch ähnliche Eigenschaf-ten. Sie werden zu Gruppen zusammengefasst undbilden die senkrechten Spalten des PSE. Wegen dervergleichbaren Eigenschaften hat man den Gruppenauch Namen gegeben (Chalkogene, Halogene etc.).Die waagerechten Reihen nennt man Perioden, sieentsprechen den auf S.14 besprochenen Schalen.Zur Nummerierung der Gruppen sind mehrere Be-zeichnungen im Gebrauch. Die Durchnummerierungvon 1 bis 18 wird von der IUPAC (International Unionof Pure and Applied Chemistry) empfohlen, dabeigeht der Zusammenhang zwischen der mit römi-scher Ziffer gekennzeichneten Gruppennummer inder alten Kennzeichnung und der Anzahl der Valenz-elektronen allerdings verloren. Die alte Kennzeich-nung nummerierte von I bis VIII und trennte durch
die Buchstaben A und B die Haupt- von denNebengruppenelementen.
Die Nebengruppenelemente können wir aber an-hand der Elektronenkonfiguration gut einordnen.Wenn Sie nämlich beim Verteilen der Elektronen zu-letzt d-Orbitale benötigen, handelt es sich um einNebengruppen- oder Übergangselement (z. B. Scan-dium).Bei höheren Ordnungszahlen treten f-Orbitale auf.Wenn diese zuletzt besetzt werden, spricht manebenfalls von Nebengruppenelementen. Zu ihnen ge-hören die Lanthanoide und Actinoide. Da diese je-doch medizinisch von untergeordneter Bedeutungsind, sollen sie hier nicht weiter besprochen werden.
MERKE
Bei den Hauptgruppenelementen werden die s- undp-Orbitale besetzt. Die übrigen Orbitale sind leeroder vollständig gefüllt.Bei den Atomen von Nebengruppenelementen er-folgt die Auffüllung von d- und f-Orbitalen.
Die chemische Ähnlichkeit der Elemente einerHauptgruppe ist eine Folge der identischen Valenz-elektronenkonfiguration, d. h., die Anzahl der Elekt-ronen auf der äußersten Schale ist gleich.
1.4.2 Die Periodizität der EigenschaftenDer Atomradius innerhalb einer Periode (= waage-rechte Reihen) nimmt ab. Das hängt mit der Zu-nahme der positiven und negativen Ladungen zu-sammen, die zu einer stärkeren elektrostatischenWechselwirkung zwischen Elektronen und Protonenführt. Innerhalb einer Gruppe (= senkrechte Spalten)nimmt der Atomradius zu, denn mit jeder neuenPeriode muss eine neue „Schale“ berücksichtigt wer-den.Die Elektronenaffinität ist die Energie, die frei wird,wenn ein Elektron aus dem Unendlichen in das tiefs-te freie Orbital eingebaut wird. Dabei entsteht einAnion. Diese Energie ist bei Atomen auf der rechtenSeite des Periodensystems am größten. Deshalbnimmt die Elektronenaffinität von links nach rechtszu. Innerhalb einer Gruppe sinkt mit der Zunahmeder Größe der Atome die Elektronenaffinität. DieElektronenaffinität darf nicht mit der Elektro-
negativität verwechselt werden, die im Zusam-menhang mit Verschiebungen der Elektronendichte
Das Periodensystem der Elemente (PSE) 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung16
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(s. S. 29) in kovalenten Bindungen (s. S. 26) definiertwird. Diese Größe ist nicht elementspezifisch. Siehängt vom Bindungszustand und vom Bindungspart-ner ab. Die im PSE angegebenen Elektronegativitäts-werte beziehen sich auch auf bestimmte kovalenteBindungen. Auch für diese Werte gilt, dass sie inner-halb einer Periode von links nach rechts zunehmenund innerhalb einer Gruppe abnehmen.Die Ionisierungsenergie ist die Energie, die man be-nötigt, um ein Elektron aus dem höchsten besetztenOrbital eines Atoms zu entreißen. Dabei bildet sichein Kation. Die Ionisierungsenergie ist in der 1. und 2.Hauptgruppe sehr klein und nimmt innerhalb einerPeriode zu. Dies kann man sich anhand der Elektro-nenkonfiguration gut verdeutlichen: Atome der 1.und 2. Gruppe erreichen durch die Abgabe von einemElektron oder zwei Elektronen die Konfiguration desvorhergehenden Edelgases. Edelgase haben einevollständig besetzte äußere Schale, was energetisch
sehr günstig ist (s. S. 23). Analoge Überlegungen gel-ten für die Elektronenaffinität. Innerhalb einerGruppe nimmt die Ionisierungsenergie ab, da durchden zunehmenden Atomradius die Valenzelektronenimmer weiter vom Kern entfernt und damit wenigerstark gebunden sind.Aus diesen Zusammenhängen leitet man Aussagenzur höchstmöglichen Oxidationszahl (s. S. 69) undzum Metall- und Nichtmetallcharakter ab (Abb. 1.10).
1.4.3 Kurzinformationen zu wichtigenGruppen mit ihren Elementen
Nachfolgend sind in tabellarischer Form einige Infor-mationen zu den Hauptgruppenelementen, zu aus-gewählten Nebengruppenelementen und derenVerbindungen aufgeführt. Elemente, die in lebens-wichtigen Naturstoffen vorhanden sind und/odervon biochemischen, pharmakologischen oder toxiko-logischem Interesse sind, wurden hervorgehoben.
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Das Periodensystem der Elemente (PSE) 17
Abb. 1.10 Der Aufbau und die Gesetzmäßigkeiten im PSE
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Das Periodensystem der Elemente (PSE) 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung18
Bitte lernen Sie die folgenden Tabellen nichtauswendig. Sie sollen Ihnen lediglich die Bedeutungder Chemie für die Medizin verdeutlichen. Bei me-dizinisch bedeutsamen Elementen merken Sie sichbitte das entsprechende Symbol (= fett hervorge-hoben).
Beachten Sie bitte, dass sich die Angaben zum Vor-kommen immer auf die Atomart beziehen. Wenn dermenschliche Organismus also 1,4 g Silicium enthält,bedeutet das nicht etwa den reinen Stoff Silicium,sondern nur die Atomart Si, die in Verbindungenmit anderen Elementen vorliegt.
Name Symbol Vorkommen Bedeutung
Lithium Li kommt in Verbindungen zu 0,006% in der oberenErdkruste vor
Einige Verbindungen besitzen antidepressive Wirkung
Natrium Na kommt in gebundener Form zu 2,63% in der oberenErdkruste vor
Natriumionen sind die wichtigsten Kationen desExtrazellularraums. Sie sind wichtig für den Aufbaudes osmotischen Drucks, die Aktivierung von Enzy-men, Nervenleitung und Muskelerregung
Kalium K kommt in gebundener Form zu 2,41% in derErdkruste vor
Kaliumionen sind die wichtigsten Ionen des Intra-zellularraumes und die Antagonisten der Natriumio-nenBesondere Bedeutung haben Kaliumverbindungen alsDünger
Rubidium Rb kommt in gebundener Form zu 0,03% in derErdkruste vor
Der menschliche Organismus enthält ca. 0,32 g Ru-bidium, dessen physiologische Funktion nicht aus-reichend geklärt ist
Cäsium Cs kommt in gebundener Form zu 0,0007% in derErdkruste vor
13755Cs spielt in der Strahlentherapie eine Rolle
Francium Fr Vorkommen nur als radioaktive Isotope mit kurzerHalbwertszeit
1.4.3.1 Die Alkalimetalle
1.4.3.2 Die Erdalkalimetalle
Name Symbol Vorkommen Bedeutung
Beryllium Be nur in Verbindungen zu etwa 0,006% in derErdkruste
Beryllium und seine Verbindungen sind stark toxisch. Beider Berylliose kommt es durch chronische Inhalation vonBeryllium und seinen Verbindungen zu einer Lungenfibrose
Magnesium Mg nur in Verbindungen zu etwa 1,95% in derErdkruste, ein erwachsener Mensch hat etwa30g chemisch gebundenes Magnesium
Magnesium ist das zweitwichtigste intrazelluläre Kationund ein wichtiger Katalysator vieler Reaktionen. Es istaußerdem Bestandteil des ChlorophyllsMagnesiumverbindungen kommen u. a. bei bestimmtenHerzrhythmusstörungen, zur Wehenhemmung, bei Sod-brennen und Obstipation zum Einsatz
Calcium Ca nur in Verbindungen zu etwa 3,63% in derErdkruste
Calcium ist für die Pflanzen- und Tierwelt von großerBedeutung. Es wird für Knochen, Gehäuse und Schalengenauso benötigt wie für die Zellwandbildung, die Zelltei-lung, die Muskelkontraktion und die Blutgerinnung
Strontium Sr nur in Verbindungen zu etwa 0,03% in derErdkruste
Strontiumverbindungen sind ungiftig, sie reichern sich aberin Knochen und Zähnen an. Das radioaktive Isotop 90
38Srführt zu Knochensarkomen
Barium Ba nur in Verbindungen zu 0,04% in derErdkruste
Bariumsulfat dient als Röntgen-Kontrastmittel, da es sehrschwer löslich ist. Leichtlösliche Verbindungen sind sehrgiftig
Radium Ra Vorkommen nur als radioaktive Isotope,Anteil in der Erdkruste nur 7 · 10-12 %
Ra wird in der Strahlentherapie eingesetzt
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Name Symbol Vorkommen Bedeutung
Bor (Halbmetall) B nur in Sauerstoffverbindungen zu 0,001% in derErdkruste
Bor ist für Pflanzen ein wichtiges Spurenele-ment, für Tiere und Mikroorganismen scheint esentbehrlich zu sein
Aluminium (Metall) Al nur in Verbindungen zu 8,13% in der Erdkruste,der menschliche Körper enthält 50–150mggebundenes Aluminium
Wichtiges Gebrauchsmetall, hohe Aluminium-gehalte in der Nahrung können Arteriosklerosefördern und den Phosphatstoffwechsel stören.Eine Lösung von essigsaurer Tonerde (Alumi-numacetat) spielte früher eine Rolle für ad-stringierende, kühlende Umschläge, fürSpülungen und zum Gurgeln
Gallium (Metall) Ga nur in Verbindungen zu 0,0015% in derErdkruste
Gallium spielt in der Technik eine Rolle als Halb-und Supraleiter
Indium (Metall) In nur in Verbindungen zu etwa 0,00001% in derErdkruste
Indium wird für Dentallegierungen verwendet
Thallium (Metall) Tl nur in Verbindungen zu etwa 0,00001% in derErdkruste
Tl und Tl-Verbindungen sind stark toxisch(früher in Enthaarungspräparaten enthalten)
1.4.3.3 Die Borgruppe (Erdmetalle)
1.4.3.4 Die Kohlenstoffgruppe
Name Symbol Vorkommen Bedeutung
Kohlenstoff C ungebunden Vorkommen als Graphit,Diamant oder Kohle,zu 0,087% in der Erdkruste enthalten, dieAtmosphäre enthält in gebundener Form720 · 109 t, die lebende pflanzliche Biomasse830 · 109 t Kohlenstoff
Kohlenstoff und seine Verbindungen sind dieTräger aller Lebenserscheinungen auf der Erde
Silicium (Halbmetall) Si zu 25,8% in der Erdkruste enthalten, ist daszweithäufigste Element, der menschlicheOrganismus enthält ca. 1,4 g Silicium (Er-wachsener)
Silicium spielt wahrscheinlich als Spuren-element für die Bildung von Knochen undBindegewebe eine große Rolle. Siliciumorgani-sche Verbindungen werden als Pharmaka ein-gesetzt. In der Halbleitertechnik und fürSolarzellen ist es von großer Bedeutung
Germanium (Metall) Ge zu 0,00056% in der Erdkruste enthalten Germanium wird für die Produktion vonLeuchtdioden und Solarzellen benötigt
Zinn (Metall) Sn zu 0,0035% in der Erdkruste enthalten Metallisches Zinn gilt als ungiftig. Es scheint einessenzielles Spurenelement zu sein, denn beieinem Mangel werden u. a. Appetitlosigkeit,Haarausfall und Akne beobachtet. Einige zinn-organische Verbindungen werden als Fungizideund Desinfektions-mittel verwendet
Blei (Metall) Pb zu 0,0018% in der Erdkruste enthalten Blei und seine Verbindungen sind giftig. EineBleivergiftung äußert sich u. a. durch Müdigkeit,Appetitlosigkeit, Koliken, Ablagerungen vonBleisulfid am Zahnrand
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Das Periodensystem der Elemente (PSE) 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung20
Name Symbol Vorkommen Bedeutung
Stickstoff N Stickstoff ist zu 0,03% in der Erdkruste, derweitaus größte Teil jedoch in der Lufthülleenthalten.3% des Körpergewichts des Menschen sindgebundener Stickstoff.
Elementarer Stickstoff hat keine physiologischeWirkung. Das Ersticken in einer Stickstoffat-mosphäre beruht auf Sauerstoffmangel. Auf-grund seiner geringen Reaktivität wird es alsInert- und Schutzgas und als Treibmittel fürSprays eingesetzt. Es ist Bestandteil vonEiweißen, Nukleinsäuren und Coenzymen.Stickstoffverbindungen sind wichtige Dünge-mittel
Phosphor P zu 0,1% in der Erdkruste enthalten, dermenschliche Organismus enthält ca. 700g P(Erwachsener), wobei 600 g davon in derKnochensubstanz gebunden sind
Phosphor ist als Phosphat in Knochen, als Esterin der DNA und in den Phospholipiden ge-bunden. Weißer Phosphor führt aufgrundseiner hohen Reaktivität bei oraler Einnahme zuschweren Vergiftungserscheinungen. Er ent-zündet sich an der Luft selbst und kann zuschweren Verbrennungen führen
Arsen (Halbmetall) As zu 5,5 · 10-4 % gediegen und gebunden in derErdkruste enthalten
Arsen ist in allen organischen Geweben ent-halten, wobei seine Rolle als Spurenelementnicht bis ins letzte Detail geklärt ist. VieleArsenverbindungen sind giftig und spielten beiMordfällen eine große Rolle
Antimon (Metall) Sb zu 0,0001% in der Erdkruste enthalten, gele-gentlich gediegen
Antimonverbindungen sind giftig, rufen aberoft einen Brechreiz hervor. Zu diesem Zweckwurde früher Brechweinstein, eine Antimon-verbindung der Weinsäure, verwendet. Gele-gentlich werden Antimonpräparate zurTherapie von Protozoen-Erkrankungen einge-setzt, Nebenwirkungen begrenzen jedoch denEinsatz
Bismut (Metall) Bi zu 0,00002% in der Erdkruste gediegen undgebunden enthalten
Bismutverbindungen haben eine adstringie-rende, antiseptische und diuretische Wirkung,die seit dem Altertum bekannt ist. Nebenwir-kungen haben die Verwendung aber starkeingeschränkt
1.4.3.5 Die Stickstoffgruppe
Name Symbol Vorkommen Bedeutung
Sauerstoff O zu 49,5% in der Erdkruste gebunden enthalten,außerdem in der Erdatmosphäre und in derWasserhülle
Sauerstoff ist für die Mehrzahl der Organismenzur Aufrechterhaltung energieliefernder Um-sätze wie der Atmung lebensnotwendig. DerMensch kann sauerstoffarme Gemische mit 8%Sauerstoff gerade noch verwerten, bei nur 7%tritt Bewusstlosigkeit ein, bei 3% Ersticken.Reiner Sauerstoff kann nur bei Unterdruck ohneSchaden aufgenommen werden.Ozon, eine dreiatomige Sauerstoffverbindung,hat desinfizierende Wirkung, bei zu hohenKonzentrationen schädigt es die Atemwege
Schwefel S zu 0,05% in der Erdkruste elementar und ingebundener Form enthalten, der menschlicheOrganismus enthält ca. 175 g gebundenenSchwefel.
Schwefel ist ein wichtiges in Aminosäuren,Coenzymen und Vitaminen enthaltenes Ele-ment. Schwefelpulver und -salbe haben des-infizierende Wirkung
Selen Se zu 9 · 10-6 % in der Erdkruste enthalten Selen ist ein essenzielles Spurenelement, esschützt Proteine vor Oxidation. Mit Selenman-gel könnten Rheumatismus und grauer Star inVerbindung stehen
Tellur (Halbmetall) Te zu 10-7 % in der Erdkruste enthalten Tellur wird für Legierungen als Glas-Keramik-Farbstoff benötigt. Tellurpräparate spielen inder Homöopathie eine Rolle.
Polonium (Metall) Po kommt nur in Form radioaktiver Isotope vor
1.4.3.6 Die Chalkogene
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1.4.3.7 Die Halogene
Name Symbol Vorkommen Bedeutung
Fluor F zu 0,065% nur gebunden in der Erdkruste ent-halten, im menschlichen Organismus etwa 800mgin Zahnschmelz und Dentin, in Knochen, Blut,Magensaft, Schweiß
Die kontrollierte Fluorzufuhr ist ein wirksamerSchutz vor Karies. Die Knochenverfestigung durchFluor nutzt man in der Therapie von Osteoporoseaus, Überdosierungen führen aber zu Verdickungund Versteifung der Gelenke. FluororganischeVerbindungen können O2 und CO2 transportierenund spielen deshalb eine Rolle als Blutersatzmittel
Chlor Cl zu 0,03% chemisch gebunden in der Erdkrusteenthalten
Chlorgas zerstört tierisches und pflanzliches Ge-webe durch Oxidation, Substitution von Was-serstoff oder Chloraddition an Doppelbindungen.Darauf beruht auch die desinfizierende Wirkungvon Chlorwasser. Chloridionen sind lebensnot-wendig für die im Organismus bestehendenSäure-/Base-Gleichgewichte, den Wasserhaushaltund die Nieren- und Magensekretion. Salzsäure(die wässrige HCl-Lösung) ist zu 0,3 bis 0,5% imMagensekret enthalten
Brom Br zu 0,0003% chemisch gebunden in der Erdkrusteenthalten
Elementares Brom ist extrem ätzend. Bromprä-parate spielen als Sedativa eine Rolle. Silberbromidfindet als lichtempfindliche Substanz auf Filmenund Fotopapier Verwendung
Iod I kommt in der Natur nur in Spuren vor Iodtinktur ist eine alkoholisch-wässrige Lösungvon I2 und KI (Kaliumiodid) und wird als Desin-fektionsmittel eingesetzt. Das mit der Nahrungaufgenommene Iod wird in der Schilddrüsegespeichert und dort zur Synthese des Schilddrü-senhormons Thyroxin benutzt. Bei Iodmangelkommt es zu Störungen der Schilddrüsenfunktion(evtl. mit Kropfbildung)
Astat At kommt nur in Form radioaktiver Isotope vor Astatisotope werden zur lokalen Bestrahlung undin Form markierter Präparate als Radiopharmakabenutzt
1.4.3.8 Die EdelgaseEdelgase sind außerordentlich reaktionsträge. Edelgasverbindungen sind erst seit den 60-er Jahren des20. Jahrhunderts bekannt.
Name Symbol Vorkommen1 Bedeutung
Helium He kommt am häufigsten in Erdgasen vor Helium wird als Füllung für Luftschiffe und Ballons,aber auch als Taucherluft verwendet
Neon Ne zu 0,0012% in der Luft Füllgas für Leuchtstoffröhren
Argon Ar zu 1,286% in der Luft Füllgas für Glühlampen, Schutzgas bei Reaktionen,die unter Sauerstoffausschluss ablaufen
Krypton Kr zu 3 · 10-4% in der Luft Füllgas für Glühlampen
Xenon Xe zu 4 · 10-5% in der Luft wichtiges Narkosegas, Füllgas für Glühlampen
Radon Rn eines der seltensten Elemente der Erdrinde Bade- und Trinkkuren mit radonhaltigem Heil-wasser gegen Schmerzen und Entzündungen
1Die Prozentangaben sind Masseprozent.
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Das Periodensystem der Elemente (PSE) 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung22
1.4.3.9 Ausgewählte Nebengruppenelemente
Name Symbol Vorkommen Bedeutung
Chrom Cr zu 0,02% in der Erdkruste gebunden enthalten Chrom ist ein wichtiges Spurenelement für denGlucosestoffwechsel. Chrom in Verbindungen mitder Oxidationsstufe 6 ist ein starkes Oxidations-mittel und sehr giftig
Mangan Mn zu 0,1% in der Erdkruste gebunden enthalten, immenschlichen Organismus etwa 20mg in denMitochondrien, im Zellkern und in den Knochen
Mangan ist ein Spurenelement, das die Biosynthesevon Cholesterin stimuliert sowie für Blutgerinnungund Atmungskette von Bedeutung ist. Besondersmanganreich sind z. B. Vollkornprodukte
Eisen Fe zu 5% in der Erdkruste enthalten, im gesamtenErdball wahrscheinlich zu 37%, damit wäre es dashäufigste Element des Erdballs
Eisen ist nicht nur das wichtigste Gebrauchsmetall,es ist auch ein wichtiges Spurenelement. Es ist imroten Blut- und Muskelfarbstoff und in denRedoxsystemen der Enzymkomplexe der At-mungskette enthalten
Cobalt Co zu 0,002% in der Erdkruste enthalten Cobalt ist ein wichtiges Spurenelement. Es ist z. B.im Vitamin B12gebunden, das für die Bildung derroten Blutkörperchen von großer Bedeutung ist
Nickel Ni zu 0,015% in der Erdkruste enthalten Nickel hat wahrscheinlich als Spurenelement fürden Kohlenhydratstoffwechsel Bedeutung. Fürzahlreiche Nickelverbindungen ist ein toxisches,allergenes und/oder mutagenes Potenzial nachge-wiesen worden
Kupfer Cu zu 0,007% in der Erdkruste enthalten, gelegentlichauch gediegen
Kupfer ist ein Spurenelement. Lösliche Kupfersalzesind starke Emetika, die aber wegen des vermu-teten mutagenen und karzinogenen Potenzialsnicht mehr benutzt werden.
Zink Zn zu 0,012% in der Erdkruste nur gebunden ent-halten
Zink ist ein Spurenelement und spielt beimAlkoholabbau und bei der Genregulation eineRolle.
Silber Ag zu 10-6 % in der Erdkruste gebunden und gediegenenthalten
Silber und seine Verbindungen besitzen eine starkantiseptische und antimykotische Wirkung
Cadmium Cd zu 5 · 10-5 % in der Erdkruste enthalten Cadmium und seine Verbindungen sind vermutlichkanzerogen. Eine erhebliche Belastung tritt durchZigarettenrauch auf. Es kann eine entzündlicheSchleimhautdegeneration entstehen
Gold Au zu 4 · 10-7 % in der Erdkruste enthalten Goldlegierungen spielen in der zahnärztlichenPraxis eine Rolle
Quecksilber Hg zu 5·10-5 % in der Erdkruste enthalten Quecksilberdämpfe und viele Verbindungen sindstark toxisch. Aufgrund der bakteriziden undantiseptischen Wirkung wurden schwerlöslicheQuecksilberverbindungen gegen Hauterkrankun-gen und Syphilis eingesetzt
Vanadium V zu 0,014% in der Erdkruste enthalten Vanadium ist ein essenzielles Spurenelement fürPflanzen und Tiere, es stimuliert die Photosyntheseund das Wachstum von Jungtieren. Vanadiumver-bindungen sind als Zytostatika bei Leukämiewirksam
Technetium Tc Nur künstlich herstellbares Schwermetall, Einsatzals Radiopharmazeutikum, Korrosionsinhibitor fürEisen und Stahl, bemerkenswerter Katalysator
Platin Pt zu 5 · 10-7 % in der Erdkruste enthalten Metallisches Platin wird für medizinische Geräteund Dentalwerkstoffe verwendet. Die Platinver-bindung cis-Platin findet Einsatz als Zytostatikumz. B. bei bösartigen Hoden- oder Eierstocktumoren
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Check-upMachen Sie sich nochmals die Ordnungsprin-zipien des Periodensystems klar. Suchen Siez. B. verschiedene Elemente heraus und ver-gleichen Sie den Atomradius oder die Elekt-ronegativität anhand der Position im PSE.
1.5 Die chemische Bindung
LerncoachIn diesem Kapitel werden Sie lernen, mitwelchen Modellen man die Verknüpfung vonAtomen zu chemischen Verbindungen erklä-ren kann. Häufig kann man dieses Zusam-menhalten der Atome relativ einfach mit derOktettregel begründen, die Sie gleich kennenlernen werden. Für genauere Betrachtungenbenötigen wir aber, vor allem bei der Be-sprechung der Atombindung, quantenme-chanische Ansätze, inklusive der Vorstellungvon den Orbitalen (s. S. 13).
1.5.1 Der ÜberblickWechselwirkungen zwischen den Atomen können zuchemischen Bindungen führen. Die unterschiedli-chen Arten chemischer Bindung bedingen differie-rende Stoffeigenschaften. Es gibt folgende Bindungs-arten:
metallische Bindung.Ionenbindung.Atombindung.koordinative Bindung.Wasserstoffbrückenbindung.van-der-Waals-Wechselwirkung.hydrophobe Wechselwirkung.
1.5.2 Die OktettregelBesonders stabil ist die Konfiguration der Edelgase,die 2 (Helium) oder 8 Außenelektronen aufweisen.Deshalb bilden Edelgase nur in beschränktem Um-fang chemische Verbindungen. Unter der Oktettregel(Oktettprinzip) versteht man das Bestreben derAtome und Ionen, durch Aufnahme oder Abgabevon Elektronen bzw. durch Bindungsbildung dieseEdelgaskonfiguration zu erreichen. Dieses Prinzip
wird allerdings nur bei den Atomen der 2. Periodedes PSE einigermaßen streng befolgt.
1.5.3 Die metallische BindungMehr als 75% aller bekannten Elemente sind Metalle.Die Stufenlinie im Periodensystem (s. S.17) markiertdie Grenze zwischen Metallen und Nichtmetallen(Metalle stehen in der unteren linken Ecke desPSE). Die Grenze ist aber fließend, da in Grenznähedie Elemente weder typische Metalle noch typischeNichtmetalle sind. In der Medizin sind reine Metallevon eher geringer Bedeutung. Tantal (Ta) wird fürchirurgische Instrumente verwendet, Gold (Au) so-wie die aus Zinn (Sn), Silber (Ag) und Quecksilber(Hg) bestehenden Amalgame spielen als Zahnfüllun-gen eine Rolle.
1.5.3.1 Die Eigenschaften von MetallenMetalle haben eine hohe elektrische Leitfähigkeit
und eine ausgeprägteWärmeleitfähigkeit. Dermetal-lische Glanz ist für sie charakteristisch. Unter Kraft-einwirkung sind sie verformbar.
1.5.3.2 Das BindungsmodellBei Metallen handelt es sich um Elementsubstanzen(s. S. 3). Wie also halten gleiche Atome zusammenund machen so die Eigenschaften der Metalle aus?Für unsere Zwecke genügt ein sehr einfaches Modell,das Elektronengasmodell: DaMetallatome eine nied-rige Ionisierungsenergie (s. S.17) besitzen, geht mandavon aus, dass sich ein Gitter aus positiv geladenenIonen bildet. Diese Kationen bezeichnet man auch alsAtomrümpfe, zwischen diesen bewegen sich dieValenzelektronen wie eine Gaswolke frei hin undher (Abb. 1.11).Diese frei beweglichen Elektronen erklären die guteelektrische Leitfähigkeit der Metalle. Die gute Ver-formbarkeit hängt damit zusammen, dass die Metall-ionen bei mechanischer Belastung in der Elektronen-wolke eingebettet bleiben.
1.5.4 Die IonenbindungNatriumchlorid (NaCl, Kochsalz), Natriumcarbonat(Na2CO3, Soda) und Magnesiumsulfat (MgSO4, Bitter-salz) sind Stoffe, denen Sie auch in der Medizin be-gegnen werden. Sie werden als Ionenverbindungen
oder Salze bezeichnet (Tab. 1.8).
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die chemische Bindung 23
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Die Salze der Nahrung dissoziieren im Magen-Darm-Trakt in Ionen und erfüllen viele Aufgaben (z. B. Auf-rechterhaltung der Elektroneutralität und eines defi-nierten osmotischen Drucks, Potenzialbildung anMembranen, Nervenerregung). Beispiele für medizi-nisch relevante Salze sind in Tab. 1.9 zu finden.
1.5.4.1 Die Nomenklatur von IonenverbindungenGrundsätzlich wird zuerst der Name des Kations unddann der Name des Anions genannt.Die Namen der meisten einatomigen Kationen wer-den vom deutschen Namen des entsprechenden Me-talls abgeleitet. Falls mehrere Kationen eines Ele-mentes möglich sind, wird die Ladung durch einerömische Zahl angegeben. Bei mehratomigen Katio-nen sind die Regeln nicht so einfach: Wenn mindes-tens eines der kovalent verknüpften Atome Wasser-stoff ist, endet der Name des Kations auf -onium (vgl.Tab. 1.9).Die Namen der Anionen leiten sich von der latei-nischen Bezeichnung des Nichtmetalls ab, manchmalverkürzt sich der Name hierdurch. Bei einatomigenAnionen endet der Name auf –id. Bei mehratomigenAnionen, die Sauerstoffatome enthalten, sind dieEndungen –at und –it üblich (Tab. 1.9).
1.5.4.2 Die Eigenschaften vonIonenverbindungen
Diese Stoffe weisen völlig andere Eigenschaften alsdie Metalle auf. In festem Zustand leiten sie denelektrischen Strom nicht, aber in Schmelze und in
Die chemische Bindung 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung24
Tabelle 1.8
Formeln und Namen wichtiger Salze
Formel Name Bedeutung/Anwendung
NaF Natriumfluorid in Zahnputzmitteln
NH4F Ammoniumfluorid (Aminfluorid, Olaflur) Bestandteil von Zahnspülungen
NaHCO3 Natriumhydrogencarbonat (Natron,Natriumbikarbonat)
gegen Magenübersäuerung
FeSO4 Eisen(II)-sulfat zur Eisentherapie bei Anämie
KNO3 Kaliumnitrat (Salpeter, Kalisalpeter) für Kältemischungen, war für Schwarzpul-ver begehrt
NaNO2 Natriumnitrit neben NaCl Bestandteil des Pökelsalzes
Hg2Cl2 Quecksilber(I)-chlorid (Kalomel) früher als Diuretikum, Laxans, auch alsMittel bei Syphilis
HgCl2 Quecksilber(II)-chlorid (Sublimat) früher als Desinfektions- und Konservie-rungsmittel1
BaSO4 Bariumsulfat Röntgenkontrastmittel
(NH4)2SO4 Ammoniumsulfat Düngemittel
AgNO3 Silbernitrat (Höllenstein) Antiseptikum, Adstringens, Ätzmittel
FeCl3 Eisen(III)-chlorid Ätzmittel, zur Blutstillung
NaH2PO4 Natriumdihydrogenphosphat wichtiger Pufferbestandteil
CH3COONa Natriumacetat wichtiger Pufferbestandteil, früher als Diu-retikum verwendet
1hat eine sehr geringe elektrische Leitfähigkeit, die Bindungsverhältnisse sind eher kovalent (s. S. 26) als ionisch
Abb. 1.11 Das Elektronengasmodell
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Lösung. Wasserfreie Salze haben relativ hoheSchmelzpunkte und bilden spröde Kristalle.Kristalle sind einheitlich zusammengesetzte Festkör-per, deren Bausteine (Atome, Moleküle, Ionen) zueinem periodischen, dreidimensionalen Gitter ange-ordnet sind. Den Energiebetrag, der frei wird, wennsich Ionen aus unendlicher Entferung einander nä-hern und sich zu einem Ionenkristall anordnen, be-zeichnet man als Gitterenergie (s. S. 43).
1.5.4.3 Die Bildung von IonenverbindungenIonenverbindungen entstehen zwischen zwei Ele-menten, wenn sich deren Atome folgendermaßencharakterisieren lassen:Die Atome des einen Elements haben eine geringe
Ionisierungsenergie und geben leicht Elektronen ab.Dadurch erreichen sie eine Elektronenkonfiguration,bei der sich auf der äußersten Schale gerade 8 Elekt-ronen befinden. Da dies für Edelgasatome charakte-ristisch ist, spricht man auch von der Oktettregelbzw. Edelgaskonfiguration (s. S. 23). Solche Atomefinden Sie vor allem in der 1. und 2. Gruppe desPeriodensystems, aber auch bei Nebengruppenele-menten (3. bis 12. Gruppe).Die Atome des anderen Elements haben eine hoheElektronenaffinität, sie nehmen also leicht Elektro-nen auf. Dies gilt vor allem für Atome der 6. (16.) und7. (17.) Gruppe, die also 6 oder 7 Außenelektronenhaben. Durch die Aufnahme von zwei oder einemElektron(en) erreichen auch diese Atome das Elekt-
ronenoktett.
Als einfachstes Beispiel dient die Reaktion von Nat-rium mit Chlor (Abb. 1.12).
Die Ionen ordnen sich im festen Zustand als Ionen-
kristall an (Abb. 1.13). Jedes Natriumion ist von 6Chloridionen und jedes Chloridion von 6 Natriumio-nen umgeben. Die nächsten Nachbarionen haben im-mer die entgegengesetzte Ladung, deren Netto-An-ziehung den Kristall zusammenhält. DieelektrostatischeWechselwirkung erfolgt in alle Rich-tungen des Raumes, sie ist ungerichtet.In der Formelschreibweise der Ionenverbindungenwird die kleinste mögliche Kombination von Katio-nen und Anionen verwendet. Um einen elektrisch
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die chemische Bindung 25
Tabelle 1.9
Die Namen wichtiger Kationen und Anionen
Ion Name Ion Name Ion Name
Na+ Natrium- OH– -hydroxid PO43– -phosphat
Cu+ Kupfer(I)- CN– -cyanid CO32– -carbonat
Cu2+ Kupfer(II)- OCl– -hypochlorit HCO3– -hydrogencarbonat
NH4+ Ammonium- ClO3
– -chlorat CH3COO– -acetat
PH4+ Phosphonium- ClO4
– -perchlorat C2O42– -oxalat
OH3+ Oxonium- (Hydronium)- SO3
2– -sulfit CrO42– -chromat
Cl– -chlorid SO42– -sulfat Cr2O7
2– -dichromat
O2– -oxid NO2– -nitrit MnO4
2– -manganat
S2– -sulfid NO3– -nitrat MnO4
– -permanganat
Abb. 1.12 Reaktion von Natrium mit Chlor
Abb. 1.13 Schematische Darstellung des Natriumchlorid-gitters
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neutralen Stoff zu erhalten, kommt auf ein einfachpositiv geladenes Kation immer ein einfach negativgeladenes Anion. Also ist formal die kleinste EinheitNaCl, man spricht auch von Formeleinheit. Diesekleinsten Einheiten existieren natürlich nur gedank-lich. Im Fall von Calciumchlorid wäre CaCl2 diekleinste Einheit, da auf das zweifach positiv geladeneCalciumion Ca2+ aus Gründen der Elektroneutralitätimmer zwei einfach negativ geladene Chloridionenkommen müssen.
1.5.4.4 Die IonenradienDurch die Aufnahme bzw. Abgabe von Elektronenändert sich die Größe der Teilchen (Tab. 1.10). Katio-nen sind immer kleiner als die entsprechendenAtome, da formal die äußerste Schale nicht mehrbesetzt ist. Anionen sind immer größer als die jewei-ligen Atome, da zusätzliche Elektronen auch Raumbeanspruchen. Natürlich bleiben aber die Relationenhinsichtlich der Änderung der Radien innerhalb einerGruppe bestehen. Diese Aussage gilt nicht für Ionenin Lösung! Denn in Lösung lagern sich die polarenWassermoleküle an die Ionen an, man spricht auchvon einer Hydrathülle. Diese ist bei kleinen Kationensehr groß. Deshalb ist ein hydratisiertes Natriumiongrößer als ein hydratisiertes Kaliumion. Dies hat Aus-wirkungen auf die elektrische Leitfähigkeit.
1.5.5 Die kovalente Bindung (= Atombindung)Chlor, Sauerstoff, aber auch Wasser oder Ethanol be-stehen aus Molekülen. Die in diesen Stoffen vertrete-nen Atomarten (Elemente) besitzen oft eine großeElektronenaffinität, wobei gleich- und verschieden-artige Atome verknüpft sein können. Nachfolgend istaufgeführt, wie die an der Bindung beteiligten AtomeEdelgaskonfiguration erreichen.
1.5.5.1 Das Modell von LewisNach dem Modell von Lewis beruht die Bindungzwischen den Atomen auf gemeinsamen Elektronen-paaren (Elektronenpaarbindung).In den Formeln nach Lewis symbolisiert ein Punkt ein
Elektron und ein Strich ein Elektronenpaar. JederPartner stellt ein oder mehrere Valenzelektron(en)zur Paarbildung zur Verfügung. Die verbleibendenElektronen fasst man paarweise zusammen und be-zeichnet sie als nichtbindende oder freie Elektronen-
paare. „Ungepaarte“ Elektronen werden als Punktangegeben. Ein Atom darf immer nur über 4 ge-meinsame Elektronenpaare verfügen. Ausnahmensind lediglich ab der dritten Periode möglich. Atome,Ionen oder Moleküle mit mindestens einem„ungepaarten“ oder „einsamen“ Elektron werdenals Radikale bezeichnet.
Die chemische Bindung 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung26
Tabelle 1.10
Atomradien und Ionenradien
Periode HG-Nr. Symbol Atomradius in 10-12 m Ionenradius in 10-12 m(in Klammern die Ionenladung)
2 1 (I A) Li 152 60 (+ 1)
3 1 (I A) Na 186 95 (+ 1)
4 1 (I A) K 231 133 (+ 1)
2 2 (II A) Be 112 31 (+ 2)
3 2 (II A) Mg 160 65 (+ 2)
4 2 (II A) Ca 197 97 (+ 2)
2 16 (VI A) O 66 140 (–2)
3 16 (VI A) S 104 184 (–2)
2 17 (VII A) F 64 136 (–1)
3 17 (VII A) Cl 99 181 (–1)
4 17 (VII A) Br 114 195 (–1)
5 17 (VII A) I 133 216 (–1)
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MERKE
Die Bindigkeit oder Bindungswertigkeit eines Atomshängt davon ab, wie viele Elektronen ihm noch feh-len, um die Edelgaskonfiguration zu erreichen.
So ist Wasserstoff einbindig, Sauerstoff zweibindig,Stickstoff dreibindig und Kohlenstoff vierbindig(Tab. 1.11).
Wasserstoff verfügt über ein Valenzelektron, zwi-schen zwei Wasserstoffatomen kann sich also geradeein Elektronenpaar ausbilden. So erreicht jedes ein-zelne Atom die Konfiguration des Edelgases Helium,d. h. zwei Elektronen (Tab. 1.11).Chlor besitzt 7 Valenzelektronen. Jeweils 6 Valenz-elektronen können 3 freie Elektronenpaare bilden,das 7. Elektron steht für die Elektronenpaarbildungzur Verfügung. Da die Bindungselektronen immerbeiden Atomen zugerechnet werden, erreichen beideChloratome die nächste Edelgaskonfiguration, die ei-nem Elektronenoktett entspricht. Dieses Elektronen-oktett darf wie gesagt bei Elementen bis zur 3. Pe-riode keinesfalls überschritten werden. Deshalbkönnen auch nicht etwa zwei Bindungselektronen-paare zwischen den Chloratomen ausgebildet wer-den (Tab. 1.11).Die Lewisfomel für Kohlenstoffdioxid CO2 ergibt sichfolgendermaßen: C hat 4 Valenzelektronen, O hat 6Valenzelektronen. Also stehen im Molekül 2 · 6+4Valenzelektronen zur Verfügung, die 8 Elektronen-paare bilden können. Unter Berücksichtigung desElektronenoktetts ergibt sich die in Tab. 1.11 gezeigteLewisformel.
Problematisch ist die Tatsache, dass sich für einigeTeilchen verschiedene Lewisformeln aufstellen las-sen (z. B. für Distickstoffmonoxid N2O [Lachgas],Tab. 1.11). Keine dieser Grenzformeln beschreibt dieBindungsverhältnisse richtig. Die tatsächliche Elekt-ronenverteilung liegt zwischen den beiden Möglich-keiten. Man spricht in diesem Fall von Mesomerie
oder einem mesomeren System. Der Mesomerie-pfeil ↔ bringt zum Ausdruck, dass beide Formelnnur Grenzfälle darstellen. Beachten Sie, dass alle me-someren Grenzformeln die gleiche räumliche Anord-nung der Atomkerne aufweisen müssen. Unter-schiede dürfen nur in der Elektronenverteilungauftreten. Die in Tab. 1.11 angegebenen Ladungensind Formalladungen und haben nichts mit Ionen-ladungen zu tun. Man erhält die Formalladung einesAtoms, indem man von der Anzahl der Valenzelekt-ronen des freien Atoms die Zahl der freien Elektronenund die Hälfte der Zahl der Bindungselektronen desAtoms im Molekül abzieht. Zwei aneinander gebun-dene Atome sollten keine Formalladungen gleichenVorzeichens haben. Solche mesomeren Grenzstruk-turen werden nicht berücksichtigt. Am günstigstenist es, wenn keine Formalladungen auftreten.
MERKE
Mesomere Grenzstrukturen werden uns noch oftbegegnen. Es handelt sich immer um fiktive Grenz-fälle. Der mesomere Zustand liegt zwischen denmöglichen Grenzstrukturen, die einzeln nicht vor-liegen. Diesen Zwischenzustand kann man sich alsÜberlagerung mehrerer Grenzstrukturen vorstellen.
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die chemische Bindung 27
Tabelle 1.11
Lewisformeln
Molekül Valenzstrichformel der isolierten Atome Valenzstrichformel des Moleküls
Wasserstoff
Chlor
Kohlenstoffdioxid
Distickstoffmonoxid
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Üben Sie das Aufstellen von Lewis-Formelnanhand folgender Beispiele: Stickstoff, Chlorwas-serstoff, Wasser, Methan, Carbonation (Lösungs. S. 199).
1.5.5.2 Das ElektronenpaarabstoßungsmodellLewis-Formeln lassen sich zwar recht einfach auf-stellen, sind aber rein formal, da sie keine Aussageüber den räumlichen Bau der Moleküle zulassen.Deshalb wurde das Elektronenpaarabstoßungsmo-
dell (VSEPR = valence-shell electron-pair repulsion)entwickelt: Sich bindende und freie Elektronenpaarestoßen sich gegenseitig ab und nehmen deshalb eineAnordnung ein, bei der die Abstoßung möglichst ge-ring ist.In der Lewisformel für das Molekül CH4 (Methan)steht das C-Atom im Zentrum. Vier Bindungselektro-nenpaare verbinden es mit den vier Wasserstoffato-men. Durch gegenseitige Abstoßung ordnen sichdiese so an, dass sie einen möglichst großen Abstandvoneinander haben. Dadurch ergibt sich für das Mo-lekül die Raumstruktur eines Tetraeders, was expe-rimentell bestätigt wurde.Freie Elektronenpaare am zentralen Atom habenetwa den gleichen Einfluss auf den Bau des Molekülswie Bindungselektronenpaare, sie beanspruchenaber einen etwas größeren Raum. Als Folge verrin-gern sich die Winkel zwischen den Bindungselektro-
nenpaaren etwas. Das kann man an den Darstellun-gen für Wasser und Ammoniak im Vergleich zumMethan erkennen (Tab. 1.12).Dieses Modell hat sich in der Chemie sehr starkdurchgesetzt, weil es viele qualitative Aussagen er-laubt. Quantitative Abschätzungen sind hingegendeutlich schwieriger.
1.5.5.3 Die quantenchemischenBindungsmodelle
Im Gegensatz zur Ionenbindung kann die Atombin-dung nur quantenchemisch hinreichend erklärt wer-den. Es gibt zwei unterschiedliche Näherungsverfah-ren, die imWesentlichen zu den gleichen Ergebnissenkommen: die Valenzbindungstheorie (VB-Theorie)und die Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie).So wie man für einzelne Atome ein Energieniveau-schema der einzelnen Atomorbitale aufstellt, formu-liert man in der MO-Theorie für das Molekül alsGanzes ein Energieniveauschema der Molekülorbi-tale. Diese Molekülorbitale ergeben sich durch eineLinearkombination der Atomorbitale der an der Bin-dung beteiligten Atome. Zwei Atomorbitale kombi-nieren zu zwei Molekülorbitalen, von denen das eineals bindend, das andere als antibindend bezeichnetwird. Unter Berücksichtigung des Pauli-Verbots(s. S.15) und der Hund'schen Regel (s. S.15) werdendie Molekülorbitale mit den Elektronen desMolekülsbesetzt.
Die chemische Bindung 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung28
Tabelle 1.12
Die Lewis-Formeln und die Anwendung des VSEPR-Modells
Lewis-Formel
Bindende Elektronenpaaream zentralen Atom
4 3 2
freie Elektronenpaare amzentralen Atom
0 1 2
Struktur regelmäßiges TetraederBindungswinkel H-C-H =109,5 °
verzerrtes TetraederBindungswinkel H-N-H =107 °
verzerrtes TetraederBindungswinkel H-O-H=104,5 °
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In der VB-Theorie geht man hingegen von den ein-zelnen Atomen aus und betrachtet die Wechselwir-kung der Atome bei ihrer gegenseitigen Annäherung.
Die Überlappung von OrbitalenWir beschränken uns hier auf die Beschreibungder Atombindung als Überlappung von Orbitalen
(Abb. 1.14). Überlappung bedeutet, dass ein zu beidenAtomen gehörendes, gemeinsames Orbital entsteht,das aufgrund des Pauli-Verbots mit nur einem Elekt-ronenpaar besetzbar ist und dessen beide Elektroneneinen entgegengesetzten Spin aufweisen müssen.Die beiden Elektronen gehören nun nicht mehr zuden Atomen, von denen sie ursprünglich stammen,sondern sie sind ununterscheidbar, können gegen-seitig die Plätze wechseln und sich im gesamtenRaum der überlappenden Orbitale aufhalten. DasElektronenpaar gehört also beiden Atomen gleich-zeitig. Diese Aussage stimmt mit dem Lewis-Konzeptüberein.Durch die Bildung eines gemeinsamen Elektronen-
paares kommt es zu einer Konzentration der Elektro-nendichte im Gebiet zwischen den Kernen. Hingegenist außerhalb des Gebiets die Ladungsdichte im Mo-lekül geringer als die Summe der Ladungsdichten, dievon den einzelnen ungebundenen Atomen stammen(s.Abb. 1.14). Die Bindung kommt durch die Anzie-hung zwischen den positiv geladenen Kernen undder negativ geladenen Elektronenwolke zustande.Die Anziehung ist umso größer, je größer die Elekt-ronendichte zwischen den Kernen ist. Je stärker zweiAtomorbitale überlappen, umso stärker ist die Elekt-ronenpaarbindung. Es existieren verschiedene Kom-binationsmöglichkeiten von Atomorbitalen, wobeiwir uns hier auf bindende Wechselwirkungen be-schränken.Die Überlappung von zwei s-Orbitalen haben Sie inAbb. 1.14 bereits gesehen. Es können aber auch ein s-
und ein p-Orbital oder zwei p-Orbitale kombiniertwerden (Tab. 1.13). Das Ausmaß der Durchdringungist für die Stärke einer Bindung wichtig. Man unter-scheidet außerdem die Bindungen danach, ob bei derÜberlappung die Zone höchster Elektronendichtezwischen den Atomkernen auf der fiktiven Kern-verbindungslinie am größten ist oder nicht, ent-sprechend unterscheidet man σ- und π-Bindungen(s. S. 88).Vereinfacht können wir sagen: Da für eine Atombin-dung ein gemeinsames Elektronenpaar gebildet wer-den soll, müssen Orbitale überlappen, die jeweils miteinem Elektron besetzt sind. Es tritt also bei HCl eineWechselwirkung zwischen dem 1s-Orbital des Hund dem einfach besetzten p-Orbital von Cl, beiCl2 zwischen zwei einfach besetzten p-Orbitalen auf(Tab. 1.13).
Wiederholen Sie an dieser Stelle die Angabeder Elektronenkonfiguration von Cl und N (Lösungs. S.199).
Bei der Bildung des Stickstoffmoleküls können je dreider einfach besetzten p-Orbitale überlappen. Wie Siein Abb. 1.15 sehen, kommt es zur Ausbildung von σ-und π-Bindungen (s. S. 88).
Die polare AtombindungDie Bindungselektronen gehören beiden Atomen nurdann zu gleichen Teilen an bzw. die Elektronenwolkedes bindenden Elektronenpaares ist nur dann völliggleichmäßig zwischen den beiden Atomen verteilt,wenn die Bindung zwischen gleichen Atomen be-steht (z. B. H2 oder Cl2).
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die chemische Bindung 29
Abb. 1.14 Die Überlappung der s-Orbitale zweier Wasserstoffatome(a) und die Darstellung der Elektro-nendichte im Wasserstoffmolekül(b)
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Bei Molekülen mit verschiedenen Atomen (z. B. HCl)werden die bindenden Elektronen von den beidenAtomen unterschiedlich stark angezogen. Manspricht deshalb von einer polaren Atombindung.
Die Elektronendichte ist z. B. am Chloratom größerals am Wasserstoffatom. Es entstehen sog. Partial-ladungen, die im Gegensatz zu den Formalladungentatsächlich auftretende Ladungen sind. Moleküle, indenen die Ladungsschwerpunkte der positiven und
der negativen Ladung nicht zusammenfallen, stelleneinen Dipol dar (Abb. 1.16). Diese Ladungsauftren-nung kann man über das Dipolmoment messen.Symmetrische Moleküle wie z. B. CO2 sind trotz pola-rer Bindungen keine Dipole, da die Ladungsschwer-punkte zusammenfallen.
Die chemische Bindung 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung30
Tabelle 1.13
Die verschiedenen Überlappungsmöglichkeiten der Atomorbitale
überlappende Atomorbitale grafische Darstellung Bindungstyp Beispiel
s, s σ H2
p, s σ HCl
p, p σ Cl2
p, p π N2
Abb. 1.15 Die Elektronenkonfigura-tion des Stickstoffatoms und die Über-lappung der p-Orbitale des Stickstoff-moleküls
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Die ElektronegativitätDie Elektronegativität ist ein Maß für die Fähigkeiteines Atoms, in einer Atombindung das bindendeElektronenpaar an sich zu ziehen.Im PSE nimmt die Elektronegativität mit wachsenderOrdnungszahl in den Hauptgruppen (1, 2, 13–17) ab,in den Perioden zu. Das elektronegativste Element istFluor. Die am wenigsten elektronegativen Elementesind die Metalle in der linken unteren Ecke des PSE.Aus der Differenz der Elektronegativitäten der Bin-dungspartner kann man die Polarität einer Bindung
abschätzen.
MERKE
Die Elektronegativität ist nur im Zusammenhangmit Atombindungen definiert und darf nicht mitder Elektronenaffinität verwechselt werden, die ex-perimentell messbar ist und auf einer wirklichenElektronenübertragung beruht (s. S. 16). Die Elekt-ronegativitätswerte können aber aus der Elektro-nenaffinität und der Ionisierungsenergie berechnetwerden.
1.5.6 Die koordinative BindungZahlreiche Ionen bilden mit Molekülen oder Mole-kül-Ionen Verbindungen, die Atome mit freien Elekt-ronenpaaren besitzen. Sie unterscheiden sich dann inihren Eigenschaften deutlich von Salzen: Sie sindrelativ leicht löslich, häufig sehr farbig und es könnenaußerdem nicht alle in der Verbindung enthaltenenIonen nachgewiesen werden. Die in diesem Fall auf-tretende Bindungsart wird als koordinative oder da-tive Bindung bezeichnet und ist der Atombindungähnlich.
MERKE
Die Besonderheit dieses Bindungstyps bestehtdarin, dass im Vergleich zur Atombindung ein Bin-dungspartner dem anderen Partner beide Bin-dungselektronen in Form eines freien Elektronen-paares zur Verfügung stellt.
Den Elektronenlieferanten bezeichnet man als Ligan-den, den Empfänger als Zentralion oder Zentralatom.Die Zahl der Elektronenpaare, die vom Zentralion
aufgenommen werden können, hängt von dessenElektronenkonfiguration ab und wird als Koordina-
tionszahl bezeichnet. Die häufigsten Koordinations-zahlen sind 4 und 6. Die Bindungsstärke ist mit der-jenigen von ionischen Bindungen undAtombindungen vergleichbar. Die koordinative Bin-dung spielt in Komplexverbindungen eine großeRolle (s. S. 66). Beispiele für komplexe Teilchen sinddas Tetramminkupfer(II)-Ion [Cu(NH3)4]2+ oder dasHexacyanoferrat (II)-Anion [Fe(CN)6]4–. Neben diesengeladenen Komplexteilchen gibt es auch Neutral-komplexe. Um die Anlagerung von Liganden an dieZentral-Ionen zu verstehen, kannman sich in einigenFällen der Oktettregel bedienen. Betrachten wir z. B.das Hexacyanoferrat(II)-Anion:Das Zentral-Ion Fe2+ hat folgende Elektronenkonfi-guration: 1 s2 2 s2 2p6 3 s2 3p6 3d4 4 s2. Die nächsteEdelgaskonfiguration ist: 1 s2 2 s2 2p6 3 s2 3p6 3d10
4 s2 4p6. Dem Eisen(II)-Ion fehlen also noch 12 Elekt-ronen, um die Konfiguration des Kryptons zu errei-chen. Diese werden von den 6 Cyanid-Ionen geliefert.
MERKE
Als Liganden können neutrale und geladene Teil-chen dienen. Voraussetzung ist die Verfügbarkeitfreier Elektronenpaare!
1.5.7 Die WasserstoffbrückenbindungenWasserstoffbrückenbindungen treten innerhalb ei-nes Moleküls (intramolekulare Bindung) oder zwi-schen Molekülen auf (intermolekulare Bindung).Voraussetzung für die Ausbildung von Wasserstoff-brückenbindungen sind Wasserstoffatome, die kova-lent an ein elektronegatives Atom gebunden sind.
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die chemische Bindung 31
Abb. 1.16 Beispiele für Moleküle mit polaren Atombindungen
1
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Diese Bindung ist polarisiert. Das bindende Elektro-nenpaar wird vom elektronegativeren Atom angezo-gen. Dadurch erhält das Wasserstoffatom eine posi-tive Partialladung. Es tritt mit dem benachbarten,negativ polarisierten Partner in Wechselwirkung,der über freie Elektronenpaare verfügt (Abb. 1.17).DieWasserstoffbrückenbindung ist durch eine relativniedrige Bindungsenergie gekennzeichnet. Mit 4 bis40 kJ/mol beträgt sie etwa 1/10 der Bindungsenergiekovalenter oder ionischer Bindungen. Sie ist aber vongroßer Bedeutung für die räumliche Anordnung vie-ler Moleküle. Daher werden solche Anordnungen be-vorzugt, bei denen es zur Ausbildung von Wasser-stoffbrücken kommen kann (siehe z. B. Keto-Enol-Tautomerie, S.148).Intermolekulare Wasserstoffbrücken führen zu Mo-lekülassoziaten. So kommt es, dass z. B. der Siede-punkt von Wasser (Kp =100 °C) im Vergleich zumSchwefelwasserstoff (H2S) (Kp = -60 °C) sehr hoch ist.Im Eis werden die Wassermoleküle ebenfalls überWasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten.Jedes Sauerstoffatom ist tetraedrisch von vier Was-serstoffatomen umgeben, wodurch relativ großeHohlräume entstehen. Deshalb hat Eis eine kleinereDichte als flüssiges Wasser und schwimmt auf Was-ser. Beim Schmelzen fallen diese Hohlräume zusam-men, die Dichte nimmt zu.Wasserstoffbrücken sind von zentraler Bedeutungfür die Struktur vonMolekülen in der belebten Natur.Beispiele sind Proteine (s. S. 170) und Nukleinsäuren(s. S.192). Das Öffnen und Neuknüpfen von Wasser-stoffbrückenbindungen ist für die Zellteilung und fürdie Proteinsynthese wichtig.
1.5.8 Die Van-der-Waals-WechselwirkungenAuch zwischen Molekülen gibt es Wechselwirkun-gen. Es kann sich um Wechselwirkungen zwischenzwei permanenten Dipolen, also Molekülen mit po-larisierten Atombindungen, oder zwischen einempermanenten Dipol und einem induzierten Dipoloder zwischen einem fluktuierenden Dipol und ei-nem induzierten Dipol handeln. Ein fluktuierenderDipol ist durch die zeitweilige Ausbildung einesDipols charakterisiert. Es bilden sich Regionen erhöh-ter und erniedrigter Elektronendichte. Diese„momentanen“ Dipole werden durch die Elektronen-bewegungen in denMolekülen hervorgerufen. Befin-det sich in Nachbarschaft eines zeitweiligen Dipol-moleküls ein weiteres, so wird in ihm auch ein Dipolerzeugt oder induziert. Diese beidenMoleküle ziehensich nun gegenseitig an. Die Wechselwirkung ist al-lerdings sehr gering, hat keine große Reichweite undliegt unter 40 kJ/mol. Nur mithilfe dieser Wechsel-wirkung kann man z. B. die Unterschiede in denSchmelz- und Siedepunkten langkettiger und ver-zweigter Alkane verstehen.
1.5.9 Die hydrophoben WechselwirkungenHydrophobe Wechselwirkungen spielen eine Rolle,wenn unpolare Moleküle bzw. Molekülgruppen inWasser gelangen. Dabei wird die durch Wasserstoff-brückenbindungen gekennzeichnete Struktur desWassers gestört. Die verdrängten Wassermoleküleorientieren sich neu, um die maximal mögliche An-zahl an Wasserstoffbrücken aufzubauen. Wenn sichmehrere der unpolaren Moleküle oder Molekülgrup-pen sehr eng zusammenlagern, ist die Störung ver-gleichsweise gering. Diesen Effekt können Sie be-obachten, wenn sich in Wasser viele kleineÖltröpfchen zu einem Tropfen vereinigen. Die hydro-phoben Wechselwirkungen sind keine chemischeBindung im eigentlichen Sinn, sie haben aber einevergleichbare Funktion und sind am Zusammenhaltder Phospholipide und Proteine in biologischenMembranen beteiligt (s. S.189).
1.5.10 ZusammenfassungDie Typen chemischer Bindungen sind in Tab. 1.14
noch einmal zusammengefasst.Bei diesen Typen handelt es sich immer um Grenz-fälle, die tatsächlichen Bindungsverhältnisse sindhäufig kompliziert zu beschreiben. So ist auch in
Die chemische Bindung 1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung32
Abb. 1.17 Beispiele für das Auftreten vonWasserstoffbrücken-bindungen
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Abhängigkeit von der Polarität einer Bindung einÜbergang von der Atombindung über die polarisierteAtombindung zur Ionenbindung zu beobachten, d. h.,die ionischen Anteile nehmen zu.Die Stärke „echter“ chemischer Bindungen ist weit-aus größer als 40 kJ/mol.Zu den schwächerenWechselwirkungen, die man oftals zwischenmolekulare Wechselwirkungen zusam-menfasst, gehören u. a. die Wasserstoffbrückenbin-dungen zwischen Molekülen mit polaren H-X-Bin-dungen (z. B. H2O, C2H5OH) und die van-der-Waals-Kräfte, eine elektrostatische Wechselwirkung kurz-zeitig induzierter Dipole.
Hydrophobe Wechselwirkungen sind keine Bindun-gen im eigentlichen Sinne, es handelt sich um dieTendenz unpolarer Gruppen, in wässriger Lösung zuassoziieren.
Check-up4 Wiederholen Sie noch einmal die Charakte-
ristika der einzelnen Bindungsarten und ei-nige Stoffbeispiele.
4 Machen Sie sich klar, welche Stoffeigenschaf-ten Sie mit den jeweiligen Bindungsmodellenerklären können.
1 Allgemeine Grundlagen und chemische Bindung Die chemische Bindung 33
Tabelle 1.14
Typen chemischer Bindungen
Bindungstyp Metallbindung Ionenbindung Atombindung
Wodurch wird die chemischeBindung bewirkt?
elektrostatische Anziehungzwischen positiv geladenenAtomrümpfen und nahezufrei beweglichen Elektronen
elektrostatische Anziehungzwischen entgegengesetztgeladenen Ionen
gemeinsame Elektronenpaare/Überlappung vonAtomorbitalen
Welche Teilchen treten inWechselwirkung?
Ionen u. Elektronen Ionen Atome
Für welche Atomarten istdie Bindung charakteristisch?
Metallatome Atome stark unterschiedlicherElektronegativität
Nichtmetallatome
Ausrichtung im Raum ungerichtet ungerichtet gerichtet
Stoffbeispiel Eisen Natriumchlorid Stickstoff
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Kapitel2
Chemische Reaktionen undchemisches Gleichgewicht
2.1 Die Stöchiometrie chemischerReaktionen 37
2.2 Die Thermodynamik chemischerReaktionen 40
2.3 Die Kinetik chemischer Reaktionen 48
2.4 Die Lösungen und Elektrolyte 54
2.5 Die Säuren und Basen 57
2.6 Die Komplexbildung 66
2.7 Die Oxidation und die Reduktion 69
2.8 Die heterogenen Gleichgewichte 77
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Schwindelerregende Höhen
Georg taumelt, sein Atem geht immer schneller. Jeder
seiner Atemzüge ist Ausdruck chemischer Reaktio-
nen: Sauerstoff bindet sich an Hämoglobin, das
Trägermolekül im roten Blutkörperchen, und wird in
den Körper transportiert. CO2 (Kohlendioxid), das
„Abfallprodukt“ des Atemstoffwechsels, wird über
die Lunge abgeatmet. Kohlendioxid ist ein Bestandteil
des wichtigsten Puffersystems bei der Regulation des
pH-Wertes im Blut.
Im folgenden Kapitel werden Sie verschiedene Arten
von chemischen Reaktionen kennen lernen. Einige
davon helfen Ihnen zu verstehen, was in Georgs Kör-
per abläuft. Die Bindung von Sauerstoff an Hämoglo-
bin wird in der Chemie so dargestellt:
O2 + Hb HbO2. Und der Kohlensäure-Hydrogen-
carbonat-Puffer beruht auf der Gleichung CO2 +2H2O
HCO3- + H3O
+. Bei Georg wird dieses Puffer-
system schwer beansprucht. Durch Sauerstoffmangel
und den dadurch verstärkten Atemantrieb ist sein
Blut alkalisch geworden, und um wieder den norma-
len Blut-pH-Wert von 7,4 zu erreichen, muss der
Körper Hydrogencarbonat (HCO3-) ausscheiden.
Mit Kopfschmerzen und Atemnot zum GipfelDer Berg ruft! Da Sigrid und Georg vom Strand im Süden
Teneriffas ständig den Pico del Teide vor Augen haben,
beschließen sie, den mit 3715m höchsten Berg der Insel
zu erklimmen. Mit dem Auto fahren die beiden bis auf die
etwa 2500 Meter hoch gelegene Ebene Canadas del
Teide. Ab da geht es zu Fuß weiter. Ihr Tagesziel ist die
3270m hoch gelegene Refugio Altavista, eine Berghütte.
Sie übernachten – und am nächsten Morgen geht es
weiter.
Als sie aufbrechen, hat Georg dumpfe, klopfende
Schmerzen in seinem Hinterkopf. Er hat schon am Vor-
abend leichte Kopfschmerzen gehabt, nun ist es noch
schlimmer geworden. Er fühlt sich schwach, ihm ist ein
wenig übel und sein Herz klopft bis zum Hals. Die beiden
kommen nur langsam voran. Georg keucht immer mehr,
taumelt und hat Schwierigkeiten, geradeaus zu gehen.
Dennoch zwingt er sich, bis zum Gipfel weiterzugehen.
Dann schleppt er sich unter großen Strapazen wieder
hinunter. Am nächsten Tag geht es ihm wieder rundum
gut.
Sauerstoff sinkt, pH steigtWie kann das sein? Georg litt an der Höhenkrankheit,
einer Erkrankung, die schon ab Höhenlagen von 2500m
über dem Meeresspiegel auftreten kann. Ursache ist der
geringere Sauerstoffpartialdruck. In einer Höhe von
3000m ist er etwa 30% niedriger als auf Meeresniveau.
Die Chemorezeptoren des Gehirns reagieren auf den O2-
Mangel, indem sie die Atmung ankurbeln: Das Atem-
minutenvolumen steigt (sog. Hyperventilation). Dadurch
wird verstärkt CO2 abgeatmet und es entsteht eine re-
spiratorische Alkalose, d. h. der pH-Wert des Blutes steigt
an. Der Körper versucht, sich an die veränderten Bedin-
gungen anzupassen, z. B. scheidet die Niere vermehrt
Hydrogencarbonat (HCO3-) aus. Aber nicht immer ge-
lingt diese Anpassung.
Tod durch Hirn- und LungenödemWenn man zu schnell in hohe Lagen aufsteigt, kann es
innerhalb von wenigen Stunden zur Höhenkrankheit
kommen. Der Sauerstoffmangel im Gehirn führt zu Kopf-
schmerzen, Schwäche, Schwindel und anderen neurolo-
gischen Veränderungen bis hin zum Koma. Ursache ist
ein Hirnödem, d. h. es lagert sich Wasser im Gehirn ein.
Darüber hinaus kann sich ein Lungenödem entwickeln.
Die Betroffenen klagen über Luftnot (Dyspnoe), manche
husten blutigen Schaum. Die Höhenkrankheit kann in-
nerhalb von wenigen Stunden zum Tod führen, wenn
man nicht rasch in normale Höhen absteigt. Georg hat
also Glück gehabt, dass er rechtzeitig wieder vom Pico
del Teide heruntergekommen ist. Die restlichen Urlaubs-
tage verbringt er am Strand. Von Ausflügen in die Berge
hat er erst einmal genug.
36 Klinischer Fall
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2 Chemische Reaktionen undchemisches Gleichgewicht
2.1 Die Stöchiometrie chemischerReaktionen
LerncoachDie Stöchiometrie beschäftigt sich mit denquantitativen Beziehungen zwischen den anchemischen Reaktionen beteiligten Verbin-dungen oder Elementen. Sie müssen in diesemKapitel viel rechnen. Die dazu notwendigenAtommassen können Sie dem Periodensystementnehmen. Die Zahlenbeispiele wurden sogewählt, dass Sie meistens keinen Taschen-rechner benötigen.
2.1.1 Der ÜberblickChemische Reaktionen werden durch chemischeGleichungen beschrieben. Die Ausgangsstoffe wer-den als Reaktanten oder nicht ganz exakt als Eduktebezeichnet, als Ergebnis der Reaktion entstehen dieProdukte. Bei jeder chemischen Reaktion erfolgt nureine Umgruppierung der Atome, die Gesamtzahl derAtome jeder Atomsorte bleibt konstant. In einer che-mischen Gleichung muss daher die Zahl der Atomejeder Sorte auf beiden Seiten der Gleichung gleichgroß sein. Diese quantitativen Beziehungen zwischenden an chemischen Reaktionen beteiligten Verbin-dungen oder Elementen sowie die Mengenverhält-nisse der Elemente in Verbindungen sind Gegenstandder Stöchiometrie (stoicheon griech. Element, met-ron griech. messen).
2.1.2 Die grundlegenden Gesetze fürchemische Reaktionen
Gesetz von der Erhaltung der Masse: Bei allen chemi-schen Vorgängen bleibt die Gesamtmasse der an derReaktion beteiligten Stoffe konstant.Bsp.: 1 g Kohlenstoff reagiert mit 2,666g Sauerstoffzu 3,666g Kohlenstoffdioxid.Gesetz der konstanten Proportionen: Eine chemischeVerbindung bildet sich immer aus konstanten Mas-senverhältnissen der Elementsubstanzen.Bsp.: 1 g Kohlenstoff reagiert mit 2,666g Sauerstoffund nicht etwa mit 2,5 oder 2,7 g zu Kohlenstoff-dioxid.
Gesetz der multiplen Proportionen: Bilden zwei Ele-mente mehrere Verbindungen miteinander, dannstehen die Massen desselben Elements zueinanderim Verhältnis kleiner ganzer Zahlen.Bsp.: 1 g Kohlenstoff reagiertmit 1 · 1,333g Sauerstoffzu Kohlenstoffmonoxid, mit 2 · 1,333g Sauerstoff zuKohlenstoffdioxid.
2.1.3 Die chemische GleichungDie aufgeführten Gesetze müssen beim Aufstellenchemischer Gleichungen berücksichtigt werden. Oftwerden neben den Massen auch die Teilchenanzah-len verwendet. Üblich ist aber auch die Angabe derStoffmenge n inmol (1Mol = 6,02 · 1023 Teilchen). DieAngabe nco2
=3 mol bedeutet also: Die Stoffmengebeträgt 3 mol bzw. es liegen 18,06 · 1023 MoleküleKohlenstoffdioxid vor.Die folgende Reaktionsgleichung
2 Cu + O2 R 2 CuO
zeigt, dass die Stoffe Kupfer und Sauerstoff miteinan-der zu Kupfer(II)-oxid reagiert haben. Anhand derZahlen vor den Elementsymbolen bzw. den Sum-menformeln (sog. stöchiometrische Faktoren) lässtsich Folgendes ablesen:
2 Atome Kupfer und 1 Molekül Sauerstoff reagie-ren zu 2 Formeleinheiten Kupfer(II)-oxid.2 mol Kupfer und 1 mol Sauerstoff reagieren zu2 mol Kupfer(II)-oxid.
Also reagieren 12,04 · 1023 Kupferatome und6,02 · 1023 Sauerstoffmoleküle zu 12,04 · 1023 Formel-einheiten Kupfer(II)-oxid.
MERKE
Denken Sie daran, dass die Anzahl der Sauerstoff-atome im Sauerstoffmolekül 2 beträgt. Bei chemi-schen Reaktionen geht es nicht um eine simpleAddition der Teilchen, sondern um eine veränderteAnordnung der Bindungen nach der Reaktion!
2.1.3.1 Die molaren GrößenFür die im Labor notwendigen Berechnungen benö-tigt man jedoch weniger Stoffmengenangaben oderTeilchenanzahlen. Es wird mit Massen- und Volu-menangaben gearbeitet. Eine Verknüpfung zwischen
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Stöchiometrie chem. Reaktionen 37
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der Stoffmenge und der Masse bzw. dem Volumen istaber leicht möglich.
Die molare MasseUnter der molaren Masse M versteht man den Quo-tienten aus der Masse m und der Stoffmenge n (Ein-heit: g/mol).
Die molaren Massen sind leicht zugänglich, da dietabellierten relativen Atommassen und die relativenMolekülmassen eines Stoffes in Gramm (g) gerade1 mol sind. Die relative Molekülmasse ist gleich derSumme der relativen Atommassen der im Molekülenthaltenen Atome. Besteht die Verbindung nicht ausMolekülen, sondern aus Ionen, spricht man anstellevon relativer Molekülmasse auch von derFormelmasse.Durch Vergleich mit den Angaben im PSE können Siealso sofort feststellen, dass die molare Masse vonNatrium (Na) 22,99 g/mol, die molare Masse vonSauerstoff (molekular, d. h. O2) 31,998g/mol undvon Kohlenstoffdioxid (CO2) 44,01 g/mol betragenmuss.Durch Umstellen der o. g. Gleichung für die molareMasse M kann man auch bei gegebener Masse sehrschnell die Stoffmenge ermitteln:
73 g Chlorwasserstoff sind also gerade 2 mol oder12,04 · 1023 Teilchen, da die molare Masse von HCl36,5 g/mol beträgt.
MERKE
Bei der Bestimmung der molaren Masse muss exaktdarauf geachtet werden, ob es sich um 1mol Atomeoder 1mol Moleküle handelt. Die Masse von 1mol H(Wasserstoffatome) beträgt 1,008 g, die Masse von1 mol H2 (Wasserstoffmoleküle) 2,016 g.
Das molare VolumenDa Chlorwasserstoff (HCl) ein Gas ist (Salzsäure istdie wässrige Lösung des Chlorwasserstoffs), nützenoft Massenangaben weniger als Volumenangaben.Hier hilft die Annahme weiter, dass sich die Gase
ideal verhalten (s. S. 4). Unter diesen idealen Bedin-gungen haben alle Gase bei gleicher Temperatur undgleichem Druck in gleichen Volumina die gleiche An-zahl Teilchen. 6,02 · 1023 Gasteilchen, also 1 moleines Gases nehmen gerade 22,4 l ein. 73 g Chlorwas-serstoff, d. h. 2 mol, haben also ein Volumen von44,8 l. Die Definitionsgleichung für das molare Volu-men VM lautet:
(0 °C, 1,01325bar)
2.1.3.2 Das Aufstellen von ReaktionsgleichungenDas Aufstellen der Reaktionsgleichungen beginnt mitdem Aufschreiben der chemischen Formeln für dieReaktanten und die Produkte. Unter Berücksichti-gung des Gesetzes von der Erhaltung der Masse(s. o.) muss die Gleichung so ausgeglichen werden,dass die Anzahl der einzelnen Atome auf beiden Sei-ten der Gleichung übereinstimmt. Anschließendkönnen dann Berechnungen durchgeführt werden.Dies soll am Beispiel der Verbrennung von Glucose(C6H12O6) mit Sauerstoff (O2) gezeigt werden. Beidieser Reaktion entsteht Wasser (H2O) und Kohlen-stoffdioxid (CO2).
1. Angabe der Formeln:
Reaktanten: C6H12O6 und O2
Produkte: H2O und CO2
2. Aufstellen eines Ansatzes für die Gleichung:a C6H12O6 + b O2 R c H2O + d CO2
3. Ermitteln der stöchiometrischen Faktoren a, b, cund d:
Auf der linken Seite gibt es 6 Kohlenstoffatome,12 Wasserstoffatome und 8 Sauerstoffatome.Auf der rechten Seite 1 Kohlenstoffatom, 2 Was-serstoffatome und 3 Sauerstoffatome.
Deshalb muss für a = 1 dann c =6 und d =6 sein. DieBilanz stimmt aber nur, wenn b =6 ist.
Die Gleichung lautet also:C6H12O6 +6 O2 R 6H2O +6 CO2
Bei vielen Reaktionen ist das Ausgleichen der Bilanzjedoch nicht so leicht möglich. Besonders bei derBesprechung von Redoxreaktionen werden wir auf
Die Stöchiometrie chem. Reaktionen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht38
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2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Stöchiometrie chem. Reaktionen 39
das Aufstellen von Gleichungen zurückkommenmüssen (s. S. 70).
2.1.3.3 Die Berechnung von Massen oder Volu-mina der ReaktionsteilnehmerEs soll nun berechnet werden, welche Masse bzw.welches Volumen Sauerstoff zur vollständigen Ver-brennung von 18g Glucose benötigt wird. Die o. g.Reaktionsgleichung macht deutlich, dass das Molver-hältnis Glucose : Sauerstoff 1 : 6 beträgt. 1 mol Glu-cose entspricht 180 g. Für die Verbrennung werden6 mol Sauerstoff, also 6 mol · 32g/mol =192g benö-tigt. Wegen des Gesetzes der konstanten Proportio-nen (s. o.) muss dieses Verhältnis von 180 : 192 im-mer gelten. Wenn z. B. nur 18g Glucose vorliegen,werden 19,2 g Sauerstoff benötigt. Um das Volumenangeben zu können, berechnet man erst die Stoff-menge und kann dann unter Berücksichtigung desmolaren Volumens das Volumen angeben.
V = VM · n =22,4 l/mol · 0,6 mol = 13,4 l
Auf gleiche Weise ist die Berechnung der Massenbzw. Volumina der Produkte möglich. Die meistenReaktionen verlaufen aber stöchiometrisch nichtvollständig. Der Quotient aus tatsächlich erhaltenerund theoretisch erwarteter Masse an Reaktionspro-dukt wird als Ausbeute einer Reaktion bezeichnet.
2.1.4 Die Gehalts- und KonzentrationsgrößenSie werden es nur selten tatsächlich mit Reinstoffenzu tun haben. Schon auf den meisten Beipackzettelnvon Medikamenten fällt ins Auge, dass es sich umStoffgemische handelt, wobei in der Regel nur eineKomponente interessiert. Zur quantitativen Be-schreibung dienen Angaben zum Anteil und zur Kon-zentration dieser Komponente.
2.1.4.1 Der MassenanteilDer Massenanteil ω eines Stoffes x ist die Masse desStoffes in Bezug auf die Gesamtmasse des Stoffge-misches. Sie können diesen Anteil auch prozentual(d. h. pro Hundert), als Promille (pro Tausend), alsppm (parts pro million) oder ppb (parts pro billion)ausdrücken.
Der Massenanteil von 10g Natriumchlorid in 200gLösung beträgt ωNaCl =0,05 (oder 5%).
Seien Sie aufmerksam, wenn die Aufgabe z. B.lautet: Berechnen Sie den Massenanteil von 10gNatriumchlorid, die in 190g Wasser gelöst werden.Hier müssen Sie zuerst die Gesamtmasse berechnen(190g +10g =200g).
2.1.4.2 Der VolumenanteilAnalog berechnet sich der Volumenanteil Φ des Stof-fes x:
Achten Sie immer genau darauf, ob es sich um eineVolumenangabe oder um eine Massenangabe han-delt.
2.1.4.3 Die KonzentrationsangabenDie StoffmengenkonzentrationSehr häufig werden Ihnen im chemischen Praktikumdie Angaben cHCl =0,1 mol/l oder cH2SO4
=0,5 mol/lbegegnen. Es handelt sich um die Angabe der Stoff-mengenkonzentration c, d. h. den Quotienten aus derStoffmenge n des betrachteten Stoffes und dem Vo-lumen V der Lösung.
Konzentrationen können wie folgt symbolisiert wer-den: cHCl oder c (HCl) oder [HCl]. Wir bevorzugen dieerstgenannte Schreibweise. Die Bezeichnungen 0,1molare Lösung oder 0,1M HCl für cHCl =0,1 mol/lsind wie der Begriff Molarität in der Literatur anzu-treffen. Gelegentlich werden auch noch die BegriffeÄquivalentkonzentration oder Normalität benutzt.Darunter verstehtman die Stoffmenge fiktiver Bruch-teile eines Moleküls in einem bestimmten Volumen.Berechnungen von Stoffmengenkonzentrationenspielen in den Aufgaben der 1. ärztlichen Prüfung,in Klausuren und Testaten eine Rolle. Deshalb hierein ausführliches Rechenbeispiel:In 500ml Phosphorsäurelösung befinden sich 9,8 gPhosphorsäure. Berechnen Sie die Stoffmengenkon-zentration cH3PO4
.
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Nachfolgend ein möglicher Lösungsweg:1. Berechnung der Stoffmenge nH3PO4
:
(die molare Masse MH3PO4berechnen Sie aus den
relativen Atommassen: H 1, O 16, P 31)2. Berechnung der Stoffmengenkonzentration cH3PO4
:
MERKE
Vergessen Sie nicht, das Volumen von ml in l umzu-rechnen!
Die MassenkonzentrationGelegentlich wird auch die Massenkonzentration ρaufgeführt. Sie ist definiert als der Quotient aus derMasse m des Stoffes und dem Volumen der Lösung V(Einheit g/l).
Klinischer Bezug
Die Angabe von Anteils- und Konzentrationsgrößen istfür die Dosierung von Medikamenten wichtig und manmuss sehr genau darauf achten, was sich hinter denAngaben verbirgt. So ist die Angabe auf den Inhala-tionslösungen des Sekretolytikums Mucosolvan (Wirk-stoff: Ambroxol) 15mg/2ml eine Massenkonzentra-tion. Wenn das Antitussivum Tryasol (Wirkstoff:Codein) 24 Vol.-% Ethanol enthält, handelt es sichum einen Volumenanteil: 100ml Lösung beinhalten24ml Ethanol. Die Angabe auf dem Nasenspray Olynth0,1% (Wirkstoff: Xylometazolin) ist dagegen unklar.Aus dem Beipackzettel erfährt man, dass es sich beiden 0,1% nicht um einen Volumen- oder Massenanteilhandelt, sondern dass 1mgWirkstoff in 1ml enthaltensind. Es handelt sich also um eine Massenkonzentra-tion. Sie stimmt nur unter der Voraussetzung, dass dieDichte ρ=1g/ml ist, mit dem Massen- und Volumen-anteil überein.
Check-up4 Wiederholen Sie noch einmal die Formeln zur
Berechnung der Stoffmenge und der Stoff-mengenkonzentration.
4 Für den Massen- und Volumenanteil müssenSie keine Formeln wiederholen. Merken Siesich einfach, dass es nur darum geht, denAnteil der Masse (oder des Volumens) an derGesamtmasse (oder dem Gesamtvolumen) zuermitteln. Und damit haben Sie schon denRechenweg!
4 Sie können das Umrechnen von StoffmengeninMassen bzw. Volumina und umgekehrt trai-nieren, indem Sie folgende Aufgaben lösen:a) Geben Sie an, welcher Stoffmenge 60mgEthanol (C2H5OH) bzw. 24,5 g Schwefelsäure(H2SO4) entsprechen. b) Welche Masse haben2 mol Natriumchlorid (NaCl) bzw. 3mmolPhosphorsäure (H3PO4)? c) Welches Volumennehmen 1,7g Ammoniakgas (NH3) bzw. 24gOzon (O3) ein? (Lösung s. S. 199)
2.2 Die Thermodynamik chemischerReaktionen
LerncoachDie in diesem Kapitel aufgeführten Grundla-gen sind eine wichtige Voraussetzung, um zuverstehen, ob eine Reaktion ablaufen kannoder nicht.Sie finden im folgenden Abschnitt Grundbe-griffe zu den energetischen Änderungen beichemischen Reaktionen, auf die noch oft zu-rückgegriffen wird und die in Klausuren undim Physikum gern geprüft werden.
2.2.1 Der ÜberblickBei einer chemischen Reaktion findet eine Umver-teilung von Atomen statt. Neben der stofflichen Ver-änderung erfolgt auch ein Energieumsatz. Mit diesenenergetischen Effekten beschäftigt sich die chemi-sche Thermodynamik (thermos griech. warm, dyna-mis griech. Kraft).
Die Thermodynamik ch. Reaktionen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht40
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2.2.2 Abgeschlossene, geschlossene undoffene Systeme
Thermodynamische Angaben beziehen sich gewöhn-lich auf einen bestimmten Reaktionsraum, der vonder Umgebung durch reale oder gedachte Wändeabgegrenzt ist und über den eine Aussage zu denEinflüssen aus der Umgebung möglich ist. DiesenRaum bezeichnet man als System (Tab. 2.1).
2.2.3 Die innere Energie und die EnthalpieEin System hat eine bestimmte Energie, die man alsinnere Energie U bezeichnet und die die Summe allermöglichen Energieformen darstellt. Zur innerenEnergie tragen Anziehungs- und Abstoßungskräftezwischen den Atomen, Molekülen oder Ionen undderen kinetische Energie bei.
2.2.3.1 Der 1. Hauptsatz der ThermodynamikDie innere Energie ändert sich, wenn vom SystemWärme Q aufgenommen oder abgegeben wird undwenn vom System oder am System Arbeit W geleis-
tet wird. Diesen Zusammenhang beschreibt die fol-gende Gleichung, wobei U1 die innere Energie desAnfangszustandes und U2 die innere Energie desEndzustandes darstellt. ΔRU ist die während derReaktion aufgetretene Änderung der inneren Ener-gie.
ΔRU = U2 –U1 = Q + W
ΔRU >0 Energie wird aufgenommenΔRU <0 Energie wird abgegeben
Diese Gleichung entspricht dem 1. Hauptsatz der
Thermodynamik (Energieerhaltungssatz): Energiewird von einer Form in eine andere überführt, kannaber weder erzeugt noch vernichtet werden. Für einabgeschlossenes System muss ΔRU =0 sein.
2.2.3.2 Die ReaktionsenthalpieEin Prozess, der bei konstantem Volumen V abläuft,leistet keine mechanische Arbeit. Die Änderung derinneren Energie muss durch Aufnahme oder Abgabeanderer Energiearten erfolgen, bei chemischen Reak-tionen ist das meistens die Wärme.Bei konstantemDruck p kann nur ein Teil der innerenEnergie als Wärme abgegeben oder aufgenommenwerden, der Rest muss für die Volumenarbeit aufge-
bracht werden, die für die Veränderung des Volu-mens des Systems benötigt wird.Man führt deshalb eine neue Größe ein, die EnthalpieH (en griech. in, darin, thalpos griech. Wärme):
H = U + p · V .
Für die Enthalpieänderung einer Reaktion bei kon-stantem Druck gilt also:
ΔRH = ΔRU + p · ΔV = Q · p.
Die von einem System bei konstantem Druck abge-gebene Wärme entspricht der Enthalpieabnahmedes Systems.
Reaktionen, bei denen Wärmeenergie freigesetztwird, nennt man exotherm (ΔRH <0).Bei endothermen ReaktionenwirdWärmeenergiezugeführt (ΔRH >0).
Bei konstantem Druck (p) und bei konstantem Volu-men (V) erfolgt die Änderung der inneren Energiedurch Aufnahme oder Abgabe von Wärme, der Termder Volumenarbeit tritt folglich nicht auf:
ΔRH = ΔRU für p = const. und V = const.
MERKE
Wenn das System Energie abgibt, kennzeichnetman das mit einem negativen Vorzeichen. Energie-zufuhr erkennt man am positiven Vorzeichen.
Enthalpieänderungen werden in kJ/mol angegeben.Exakt müsstenwir also von einer molaren Reaktions-enthalpie sprechen. Häufig findet man auch noch dieAngabe kcal/mol (Joule = SI-Einheit für Arbeit,Wärme, Energie; 1 J =1 N · m =1kg · m2/s2).
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Thermodynamik ch. Reaktionen 41
Tabelle 2.1
Die verschiedenen Systemtypen
Systemtyp Charakteristik Beispiel
abgeschlossen weder Stoff- nochEnergieaustauschmit der Umgebung
verschlossene, idealeThermoskanne
geschlossen kein Stoff-, aberEnergieaustauschmit der Umgebung
Pflanze in einemgeschlossenen Glas-gefäß
offen Stoff- undEnergieaustauschmit der Umgebung
Menschen, Pflanzen,Tiere
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Es gilt folgender Zusammenhang:
1kcal = 4,187kJ.
Anhand von Enthalpiediagrammen lässt sich sehrschnell ablesen, ob eine Reaktion exo- oder endo-therm abläuft (Abb. 2.1).Die Enthalpie chemischer Substanzen hängt vonder Temperatur und dem Druck ab. Deshalb beziehtman sich meist auf Normbedingungen: 25 °C und101,3 kPa, was durch eine hochgestellte Null amSymbol deutlich gemacht wird: ΔRH0
298.
BrennwerteDer Mensch deckt seinen Energiebedarf durch Nah-rungsaufnahme. Der notwendige Energieumsatz be-trägt pro Tag etwa 10 000kJ und kann bei schwererkörperlicher Arbeit auf 17000kJ ansteigen. DerGrundumsatz (6650kJ pro Tag) ist der Anteil, derzur Erhaltung der Körperfunktionen bei völliger kör-
perlicher Ruhe benötigt wird. Der Energiegehalt vonNährstoffen kann durch Verbrennung experimentellbestimmt werden. Dieser physikalische Brennwertbeschreibt eine vollständige Verbrennung, die aberim Körper so nicht abläuft. Deshalb werden bei Nah-rungsmitteln auch physiologische Brennwerte ange-geben, die den Bedingungen im Körper entsprechen.
2.2.3.3 Der Satz von HessEine Verbindung kann auf verschiedenenWegen ent-stehen. Die Reaktionsenthalpie ist jedoch vom Reak-tionsweg unabhängig (Satz von Hess), sie ist kon-stant. So ergibt sich z. B. für die Verbrennung vonKohlenstoff unabhängig davon, ob man den direktenWeg (Weg 1) oder Zwischenstufen wählt (Weg 2),immer die Reaktionsenthalpie ΔRH0 = -393,8 kJ/mol.
Weg 1: C + O2 R CO2 ΔRH0 = -393,8 kJ/mol
Weg 2:
1. Schritt:
ΔRH0 = -110,6 kJ/mol
2. Schritt:
ΔRH0 = -283,2 kJ/mol
Die Reaktionsenthalpien kann man anhand tabellier-ter Standard-Bildungsenthalpien ΔfH0(f = formation)bequem nach der folgenden Gleichung berechnen:
ΔRH0 = Σ ΔfH0(Produkte) - Σ ΔfH0 (Edukte)
2.2.3.4 Die Standard-BildungsenthalpieDie Standard-Bildungsenthalpien ΔfH
0 erhält manaus der Reaktionswärme, die bei der Bildung der be-trachteten Verbindungen aus den Elementen auftritt.Für die stabilste Form der Elemente wird die Bil-dungsenthalpie gleich Null gesetzt. So hat Kohlen-stoff als Graphit zwar die Bildungsenthalpie Null, alsDiamant hingegen ΔfH0= +1,9 kJ/mol. Aus Standard-Bildungsenthalpien können auch Bindungsenergienbestimmt werden (s. S. 90).
Die Thermodynamik ch. Reaktionen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht42
Abb. 2.1 Die Enthalpieänderung bei einer exothermen (a) undeiner endothermen (b) Reaktion
2
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2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Thermodynamik ch. Reaktionen 43
2.2.3.5 Die LösungsenthalpieAuch das Lösen von Stoffen ist mit Energieänderun-gen verbunden. Vielleicht haben Sie schon einmalbemerkt, dass beim Lösen größerer Mengen von Cal-ciumchlorid (CaCl2) eine Erwärmung, und beim Lö-sen von Ammoniumnitrat (NH4NO3) eine Abkühlungeintritt. Deshalb wird es auch in Kühlkompressengenutzt. Diesemit dem Lösen verbundene Reaktions-wärme bezeichnet man als Lösungsenthalpie ΔLH
oder Lösungswärme. Sie kann aus der GitterenergieUG und der Hydratationsenthalpie ΔHH der Kationenund der Anionen, die das Gitter bilden, berechnetwerden.
ΔLH = ΔHH(Kation) + ΔHH(Anion) - UG
UG beschreibt die Energie, die bei der Zusammen-führung der Ionen aus unendlicher Entfernung zumKristall frei wird und liegt in der Größenordnung-600 bis -1000kJ/mol. Deshalb muss sie definitions-gemäß ein negatives Vorzeichen haben. Ionenverbin-dungen mit sehr stark negativen Gitterenergien wieMgO und Al2O3 sind in Wasser unlöslich, allgemeinist die Löslichkeit von Salzen aber schwer vorhersag-bar. ΔHH ist die Energie, die bei der Bildung einerHydrathülle um die Kationen und die Anionen frei-gesetzt wird.
MERKE
Wird durch die Hydratation der Ionen mehr Energiefrei, als für die Trennung des Gitters benötigt wird,ist der Lösevorgang exotherm. Wenn die Gitterener-gie jedoch sehr groß ist und die freiwerdende Hyd-ratationsenthalpie nicht ausreicht, ist der Lösevor-gang endotherm.
2.2.4 Der freiwillige Ablauf von ReaktionenIn der Chemie ist es eine wichtige Frage, ob eineReaktion freiwillig abläuft oder nicht. Zuerst nahmman an, dass die Reaktionsenthalpie hierüber Auf-schluss gibt. Aber das Lösen von Kaliumnitrat (KNO3)in Wasser läuft freiwillig ab, obwohl die Lösungsen-thalpie + 35kJ/mol beträgt. Was passiert beim Lösendes Kaliumnitrats? Aus einem wohlgeordneten Kris-tall gehen die hydratisierten Ionen in die wässrigePhase über, deren Ordnungszustand wesentlich ge-
ringer ist. Tatsächlich sind sowohl die Änderung derEnergie (Enthalpie) eines Systems als auch die Zu-nahme der Unordnung im System (Entropie) Fakto-ren, die über die Freiwilligkeit einer Reaktion (FreieEnthalpie) entscheiden.
2.2.4.1 Die EntropieZur Beschreibung des Ordnungszustandes bzw. derZustandswahrscheinlichkeit eines Systems verwen-det man den Begriff Entropie S (en griech. in, troposgriech. Wendung, Richtung).Folgendes System soll betrachtet werden: Ein eva-kuierter (luftleerer) Glaskolben und ein mit Luft ge-füllter Glaskolben werden miteinander verbunden.Es wird immer eine Expansion der Luft in den eva-kuierten Glaskolben erfolgen. Niemals wird in einemder jetzt verbundenen Kolben spontan ein Vakuumentstehen. Deshalb spricht man auch von einem irre-versiblen Prozess.Dieses Richtungsprinzip wurde im Hinblick aufWärme wie folgt formuliert: Wärme kann niemalsspontan von einem Körper niedriger Energie auf ei-nen Körper höherer Energie übergehen. Das ist der2. Hauptsatz der Thermodynamik. Er gilt streng fürabgeschlossene Systeme. Für ein offenes System wiedenMenschen sind die Verhältnisse wesentlich kom-plexer.
2.2.4.2 Die freie EnthalpieDie Enthalpie und die Entropie können durch dieGibbs-Helmholtz-Gleichung verknüpft werden. Da-durch ergibt sich eine neue Größe, die eine Aussageüber die Freiwilligkeit des Ablaufs von Reaktionenmacht.
ΔRG = ΔRH – TΔRS (T = Temperatur in Kelvin)
Die neue Größe G ist die freie Enthalpie (auch: Gibbs-Energie oder freie Energie). Die Änderung der freienEnthalpie ΔRG beschreibt die Fähigkeit eines Systems,bei Reaktionen Arbeit zu vollbringen.Die Kenntnis der ΔRG-Werte erlaubt eine Voraussageüber die Möglichkeit chemischer Reaktionen. Für ge-schlossene Systeme gilt:
Eine Reaktion, bei der ΔRG einen negativen Wertaufweist, läuft freiwillig ab. Sie ist exergon.
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Eine Reaktion, bei der ΔRG einen positiven Wertaufweist, läuft unter den gegebenen Bedingungennicht freiwillig ab. Sie ist endergon.Wenn ΔRG bei einer Reaktion den Wert 0 an-nimmt, liegt ein chemisches Gleichgewicht vor(s. S. 45).
Nun können wir erklären, warum endotherme Reak-tionen freiwillig ablaufen: Wenn die Entropieände-rung nämlich sehr groß ist, kann der Term TΔRS grö-ßer als ΔRH werden. ΔRG hat dann einen negativenWert, d. h. die Reaktion ist exergon. Auch Änderun-gen der freien Enthalpie werden in Diagrammen dar-gestellt.Anhand der Enthalpie- und Entropieänderungenkann also immer entschieden werden, ob eine Reak-tion freiwillig abläuft oder nicht.Biochemische Vorgänge sind mit geringen Entro-pieänderungen verbunden, deshalb können nähe-rungsweise ΔG und ΔH gleichgesetzt werden. In derBiochemie ist es zudem üblich, die freie Enthalpie aufpH =7 zu beziehen. Dann wird die freie Enthalpiefolgendermaßen symbolisiert: ΔRG0'. Es ist zu beach-ten, dass die Thermodynamik immer vorhersagenkann, ob eine Reaktion ablaufen kann. Aussagenzum zeitlichen Verlauf einer Reaktion sind jedochnicht möglich. Das ist Gegenstand der Kinetik(s. S. 48). Zum Beispiel ist die Zerfallsreaktion vonWasserstoffperoxid (H2O2) eine exergone Reaktion:
2H2O2 R 2H2O + O2 ΔG0 = - 109kJ/mol
Diese Reaktion verläuft aber sehr langsam. Man be-zeichnet sie deshalb als thermodynamisch instabil,Wasserstoffperoxid als metastabil. Alsmetastabil be-zeichnet man also eine Verbindung, die aus energe-
tischen Gesichtspunkten reagieren müsste. Die Reak-tion verläuft aber langsam.
2.2.4.3 Die gekoppelten ReaktionenEs gibt viele Beispiele für Reaktionen, bei denenReaktionsfolgen auftreten: Aus A entsteht B, diesesreagiert dann gleich weiter zu C. Solche Reaktionensind miteinander gekoppelt.
Teilreaktion 1: A R B ΔRG01
Teilreaktion 2: B R C ΔRG02
Gesamtreaktion: A R C ΔRG0 = ΔRG01 + ΔRG0
2
Die freie Enthalpie der Gesamtreaktion erhält manals Summe der ΔG-Werte der Teilreaktionen. Wennalso eine Teilreaktion endergon, die andere aber starkexergon verläuft, kann ΔRG0 der Gesamtreaktionkleiner als Null, also exergon, werden. Das bezeich-net man als Kopplung von Reaktionen, die für denStoffwechsel der Zelle von großer Bedeutung ist, z. B.bei der Übertragung von Phosphatgruppen. So über-trägt Acetylphosphat die Phosphatgruppe auf ADP(Adenosindiphosphat) in zwei Teilschritten:
Teilreaktion 1:Acetylphosphat R Acetat + PhosphatΔRG0
1' = - 42kJ/mol
Teilreaktion 2:ADP + Phosphat R ATPΔRG0
2' = +30kJ/mol
Gesamtreaktion:Acetylphosphat + ADP R Acetat + ATP
ΔRG0'
= –12kJ/mol
Eine Addition der ΔG0'-Werte liefert einen negativenWert für die Gesamtreaktion. Man sagt auch, dass dieEnergie, die im Acetylphosphat gesteckt hat, nun imATP gespeichert ist.
2.2.5 Das thermodynamische GleichgewichtBei vielen Reaktionen werden die Reaktanten nichtvollständig umgesetzt, obwohl das Stoffmengenver-hältnis genau der Reaktionsgleichung entspricht. Bei-spiel: Bei der Reaktion von Essigsäure mit Ethanol zuEssigsäureethylester und Wasser bei 25 °C stellt manfest, dass trotz des korrekten Einsatzes von 1 molEssigsäure und 1 mol Ethanol nur 0,667 mol Esterund 0,667 mol Wasser entstehen. 0,333 mol Essig-säureund0,333molEthanol reagierennicht (Abb. 2.2).Auch die Rückreaktion (Hydrolyse) ist möglich(Abb. 2.3). Die Spaltung einer Atombindung mit Was-ser bezeichnet man als Hydrolyse.
Die Thermodynamik ch. Reaktionen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht44
Abb. 2.2 Bildung des Essigsäureethylesters aus Essigsäure undEthanol
Abb. 2.3 Hydrolyse des Essigsäureethylesters)
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1 mol Essigsäureethylester hydrolysiert mit 1 molWasser nicht vollständig, man erhält das gleiche Ge-misch: 0,333 mol Essigsäure, 0,333 mol Ethanol,0,667 mol Ester und 0,667 mol Wasser. Es erfolgtkeine weitere Änderung der Zusammensetzung desReaktionsgemisches. Ein chemisches Gleichgewicht
hat sich eingestellt.Dieser Gleichgewichtszustand ist kein Ruhezustand,denn es bilden sich ständig Ester- und Wassermole-küle, wie sie auch ständig zu Ethanol und Essigsäurewieder zurück reagieren.Der Zerfall und die Bildung verlaufen gleich schnell.Dieses Gleichgewicht wird in der Reaktionsgleichungdurch einen Doppelpfeil markiert (Abb. 2.4). ImGleichgewicht überwiegt oft eine Komponente(Reaktanten oder Produkte). Dies wird durch einenetwas dickeren Pfeil in der Reaktionsgleichung cha-rakterisiert.
MERKE
Im Hinblick auf die freie Enthalpie kann mansich merken, dass eine Reaktion abläuft, so langeΔRG <0gilt. Wenn ΔRG =0 ist, hat die Reaktionkeine Triebkraft mehr: der Gleichgewichtszustandhat sich eingestellt.
2.2.5.1 Das MassenwirkungsgesetzEine quantitative Beschreibung des Gleichgewichtsist durch das Massenwirkungsgesetz (MWG) mög-lich. Es lautet für die eben besprochene Reaktionvon Essigsäure mit Ethanol:
Die Stoffmengenkonzentrationen sind die für denGleichgewichtszustand gültigen. Kc wird Gleichge-
wichts- oder Massenwirkungskonstante genannt.Für eine allgemein geschriebene Reaktion:
a A + b B c C + d D
lautet das Massenwirkungsgesetz:
Die stöchiometrischen Faktoren a, b, c und d tretenals Exponenten der Konzentrationen auf. Kc deutet
an, dassmandie imGleichgewicht vorhandenenKon-zentrationen (c) nutzt. Diese Konzentrationen bezie-hen sich natürlich auf das Volumen des sich imGleichgewicht befindenden Reaktionsgemisches. FürGasreaktionen verwendet man bei der AufstellungdesMassenwirkungsgesetzes gewöhnlich die Partial-drücke und kennzeichnet die Gleichgewichtskon-stantemitKp. Ganz allgemein schreibt man einfach K.
Ist K wesentlich größer als 1, läuft die Reaktionnahezu vollständig in Richtung der Endprodukteab.Ist K annähernd 1, liegen im Gleichgewichtszu-stand alle Reaktionsteilnehmer in ähnlichen Kon-zentrationen vor.Wenn K sehr viel kleiner als 1 ist, läuft die Reak-tion praktisch nicht ab.
Wenn keine Standardbedingungen vorliegen, kannman die freie Reaktionsenthalpie mithilfe folgenderGleichung berechnen:
(R = Gaskonstante [8,3145 J mol–1 K–1]; T = Tempera-tur in Kelvin)Wenn sich das Gleichgewicht eingestellt hat, gilt:ΔG =0. Dadurch vereinfacht sich die Gleichung so,dass man die freie Standardreaktionsenthalpie ausder Gleichgewichtskonstanten ermitteln kann:
ΔG0 = -RT lnK
Je nachdem, ob alle Partner in der gleichen Phaseoder in mehreren Phasen vorliegen, unterscheidetman homogene und heterogene Gleichgewichte.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Thermodynamik ch. Reaktionen 45
Abb. 2.4 Bildung und Zerfall des Essigsäureethylesters – einchemisches Gleichgewicht
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Vielleicht verstehen Sie die Problematik deschemischen Gleichgewichts anhand einer Aufgabebesser: Wie viel mol Essigsäure müssen zu 9molEthanol gegeben werden, damit im Gleichge-wichtszustand 6 mol Essigsäureethylester vor-liegen? Die Gleichgewichtskonstante K beträgt 4,5.Zu Beginn liegen weder Ester noch Wasser vor(Tab. 2.2).
Schreiben Sie zuerst die Reaktionsgleichung auf! Siesteht übrigens auf S. 45. Dann überlegen Sie sich,welche Stoffmengen vor der Reaktion vorhandensind und was im Gleichgewicht erreicht werdensoll. Da sich alle Konzentrationen auf das Volumendes Reaktionsgemisches beziehen, dürfen Sie mitStoffmengen arbeiten.Es ist besonders schwierig zu verstehen, warum auch6 mol Wasser im Gleichgewicht vorliegen und wa-rum man die Gleichgewichtsstoffmengen an Essig-säure und Ethanol aus der Differenz der Ausgangs-stoffmenge und der Gleichgewichtsstoffmenge Estererhält. Aber der Ester entsteht aus Ethanol und Essig-säure,1mol Ester kann nur aus 1mol Säure und 1molEthanol entstehen, 6 mol Ester eben entsprechendaus 6 mol Säure und 6 mol Ethanol. Das Problem desGleichgewichts besteht aber eben darin, dass 9 molEthanol nicht auch 9mol Ester liefern, sondern einTeil des eingesetzten Ethanols auch imGleichgewichtvorliegt, nämlich 3 mol!Die im Gleichgewicht vorliegenden Stoffmengenkönnen Sie in das Massenwirkungsgesetz einsetzenund dann nach x auflösen.
Es müssen also 8,67 mol Essigsäure eingesetzt wer-den, damit im Gleichgewicht 6 mol Ester vorliegen.
Im Gleichgewicht liegen dann noch 2,67 mol Essig-säure nicht umgesetzt vor.
2.2.5.2 Das Prinzip des kleinsten ZwangsEs ist natürlich nicht sehr effektiv, Reaktionen durch-zuführen, wenn die Gleichgewichtslage sehr ungüns-tig ist, also die Konzentration der gesuchten Reak-tionsprodukte im Gleichgewicht sehr niedrig ist. DieGleichgewichtslage und damit die Ausbeute an er-wünschtem Produkt kann aber beeinflusst werdendurch
Änderungen der Konzentrationen bzw. der Par-tialdrücke der ReaktionsteilnehmerTemperaturänderungenDruckänderungen bei Reaktionen, in denen sichdie Stoffmenge der gasförmigen Reaktionspartnerändert.
Das Gleichgewicht verschiebt sich immer derart, dasssich ein neues Gleichgewicht einstellt. So wird deräußere Zwang vermindert.Durch Konzentrationserhöhung eines Ausgangsstof-fes erhöht sich die Konzentration des Endproduktes.Das Gleichgewicht verschiebt sich auch auf die Seiteder Endprodukte, wenn ein Endprodukt ständig ausdem Gleichgewicht entfernt wird.Temperaturveränderungen beeinflussen den Wertder temperaturabhängigen Gleichgewichtskonstan-ten. Eine Erhöhung führt bei exothermen chemi-schen Reaktionen zu einer Verschiebung des Gleich-gewichts in Richtung der Ausgangsstoffe, beiendothermen Reaktionen in Richtung der Endpro-dukte. Bei Reaktionen mit Stoffmengenänderungder gasförmigen Komponente verschiebt sich durchDruckerhöhung das Gleichgewicht in Richtung derSeite mit der kleineren Stoffmenge.
Medizinische Bedeutung des Massenwirkungs-gesetzesDas Massenwirkungsgesetz spielt in der Medizineine große Rolle bei der Besetzung von Rezeptoren
Die Thermodynamik ch. Reaktionen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht46
Tabelle 2.2
Übungsaufgabe: Chemisches Gleichgewicht
Stoffmenge Essigsäure Stoffmenge Ethanol Stoffmenge Ester Stoffmenge Wasser
vor der Reaktion x mol 9 mol 0 mol 0 mol
im Gleichgewicht (x–6) mol (9–6) mol 6 mol 6 mol
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durch Substanzen. Bei der Konkurrenz um dieselbenBindungsstellen wird die Substanz mit der höchstenKonzentration wirksam werden, sofern sich die Affi-nitäten nicht drastisch unterscheiden. Das muss beider Dosierung von Medikamenten bedacht werden.Es kann aber auch als Schutzmechanismus dienen:bei Havarien in Kernkraftwerken besteht durch ra-dioaktive Strahlung die Gefahr der Aufnahme vonradioaktivem Iod in der Schilddrüse. Als Gegenmaß-nahme kann die Bereitstellung und Einnahme vonKaliumiodidtabletten angeordnet werden, die in derangegebenen Dosierung zu einer Sättigung derSchilddrüse führen und dadurch die Aufnahme desradioaktiven Iods verhindern.
Klinischer Bezug
Auch die Höhenkrankheit hängt mit dem Massenwir-kungsgesetz zusammen. In Höhen ab 2500m machtsich diese durch Kopfschmerzen, Herzklopfen, Übel-keit und Atemnot bemerkbar. Ursache ist eine mangel-hafte Versorgung des Körpers mit Sauerstoff infolgeeiner nicht ausreichenden Bindung des Sauerstoffs anHämoglobin (Hb). Das Gleichgewicht
O2 + Hb HbO2
hat sich aufgrund des geringen Sauerstoffpartialdrucksauf die linke Seite verschoben, d. h. es wird wenigerHbO2 gebildet (vgl. klinischer Fall am Kapitelbeginn).Als Folge ist der Organismus schlechter mit Sauerstoffversorgt. Der Körper stellt sich jedoch nach einiger Zeitauf das geringe Sauerstoffangebot ein, der Hämoglo-bingehalt im Blut steigt dann an. Auch zu hohe Sauer-stoffpartialdrücke, die z. B. beim Tauchen auftretenkönnen, sind gefährlich und können u. a. zu Lungen-schädigungen führen.
2.2.5.3 Das FließgleichgewichtDas Massenwirkungsgesetz und der damit verbun-dene ΔG0-Wert gelten nur für geschlossene Systemeund bei eingestelltem Gleichgewicht. Diese Voraus-setzungen liegen aber bei Lebewesen nicht vor, dadie Systeme des Stoffwechsels offen sind.Zum Beispiel wird Stoff A aufgenommen und zu Bumgesetzt. Dann reagiert B zu C und wird als solchesausgeschieden. Die Konzentration von B ist konstant,
wenn die Teilreaktionen gleich schnell ablaufen. Eshandelt sich hierbei auch um ein dynamischesGleichgewicht. Es hat aber nichts mit dem eben be-sprochenen thermodynamischen Gleichgewicht imgeschlossenen System zu tun! Es findet ständigeine Reaktion von A nach C statt, es „fließt“ alsoSubstanz durch das System. Deshalb spricht manvon einem Fließgleichgewicht. Da die Konzentrationvon B konstant ist, hat es einen stationären Zustand(steady state).
MERKE
Ein stationärer Zustand kann sich nur in einem offe-nen System ausbilden.
Das Fließgleichgewicht können Sie sich besser an-hand eines Waschbeckens vorstellen. Der Wasser-stand im Becken ist immer dann gleich, wenn dieZufluss- und die Abflussgeschwindigkeit desWassersgleich sind.So darf auch die Glucose-Konzentration im Blut nurin ganz geringen Grenzen schwanken, wenn Auf-nahme- und Abbaugeschwindigkeit nicht überein-stimmen, der konstante Pegel nicht geregelt werdenkann, kommt es zu Stoffwechselstörungen (Diabetesmellitus).
Check-up4 Die allgemeine Formulierung des Massenwir-
kungsgesetzes sollten Sie nochmals wieder-holen, um dieses bei vorgegebenen Reaktio-nen richtig aufstellen zu können.
4 Sie sollten auch die Möglichkeiten zur Beein-flussung der Gleichgewichtslage angebenkönnen.
4 Rekapitulieren Sie die Begriffe exotherm,endotherm, exergon sowie endergon undden Zusammenhang von Enthalpie undEntropie.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Thermodynamik ch. Reaktionen 47
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2.3 Die Kinetik chemischer Reaktionen
LerncoachDie chemische Kinetik beschäftigt sich mit derGeschwindigkeit chemischer Reaktionen. FallsIhnen die Begriffe Geschwindigkeit, Durch-schnitts- und Momentangeschwindigkeitnicht mehr bekannt sind, lesen Sie in einemPhysikbuch nach, denn in variierter Formwerden sie hier verwendet.
2.3.1 Der ÜberblickBis jetzt standen der Ausgangs- und der Endzustandeiner Reaktion im Mittelpunkt. In diesem Kapitel istder zeitliche Ablauf der Reaktion das Thema. Sie be-kommen Informationen darüber, von welchen Para-metern die Geschwindigkeit des Ablaufs einer Reak-tion abhängt und wie man sie beeinflussen kann.
2.3.2 Die Reaktionsgeschwindigkeit2.3.2.1 Definition der ReaktionsgeschwindigkeitIn der Reaktion A R B wird A verbraucht, seineKonzentration nimmt also ab. Es entsteht B, dessenKonzentration zunimmt (Abb. 2.5).Ein Maß für diese Konzentrationsänderungen ist dieReaktionsgeschwindigkeit v. Man definiert sie alsKonzentrationsänderung Δc der Ausgangsstoffeoder Produkte in einem bestimmten Zeitintervall Δt:
Da die Konzentration des Ausgangsstoffes abnimmt,muss man mit (-1) multiplizieren, um einen positi-ven Wert für die Reaktionsgeschwindigkeit zu erhal-ten. Mit Hilfe der o. g. Gleichung wird die Durch-
schnittsgeschwindigkeit für das Zeitintervall Δtberechnet. Sie entspricht dem Anstieg der Sekantenin Abb. 2.6. Da sich die Geschwindigkeit aber ständigändert, muss dieses Zeitintervall möglichst klein ge-wählt werden. Man bildet den Grenzwert:
und berechnet die Momentangeschwindigkeit ausden differenziellen Änderungen:
Die Momentangeschwindigkeit entspricht dem An-stieg der Tangenten in Abb. 2.6. Die Anfangs-
geschwindigkeit erhält man aus dem Anstieg derTangente zur Zeit t = 0.
2.3.2.2 Geschwindigkeitsgleichung undReaktionsordnung
In welcher Weise die Reaktionsgeschwindigkeit vonder Konzentration der reagierenden Stoffe abhängt,kann man nur experimentell bestimmen.Der Verlauf von heterogenen Reaktionen (also Reak-tionen zwischen zwei (oder mehr) Phasen), beidenen Gase entstehen, lässt sich im Experimentrecht gut verfolgen. Bei homogenen Reaktionen
Die Kinetik chemischer Reaktionen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht48
Abb. 2.5 Die Veränderung der Konzentration von Ausgangs-(cA) und Endprodukt (cB) in Abhängigkeit von der Zeit (t)
Abb. 2.6 Die Momentan- und die Durchschnittsgeschwindig-keit
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(die in einer Phase ablaufen) helfen z. B. Photometer(s. S.114) bei der Ermittlung der Konzentrationsände-rungen.Oft nutzt man aber auch die Tatsache aus, dass sichzu Beginn der Reaktion die Konzentration annäherndlinear ändert. Dann stimmen Tangenten- und Sekan-tenanstieg überein, und der DifferenzenquotientΔc/Δt liefert die Momentangeschwindigkeit für t = 0.Man lässt die Reaktion bis zu einem bestimmtenZeitpunkt ablaufen und ermittelt diese Zeitspanne.Werden diese Reaktionen mit verschiedenen Kon-zentrationen der Ausgangsstoffe durchgeführt, stelltman fest, dass sich die Reaktionsgeschwindigkeitproportional zur Konzentration eines oder mehrererReaktanten ändert.Zum Beispiel hat man für die Reaktion des Zerfallsvon Distickstoffoxid in Sauerstoff und Stickstoff fol-genden Zusammenhang zwischen Reaktionsge-schwindigkeit und der Konzentration des Reaktantenerhalten, den man auch als Geschwindigkeitsglei-
chung bezeichnet:
Reaktionsgleichung: 2N2O R O2 +2N2
Geschwindigkeitsgleichung: v = k · cN2O
Für den Zerfall von Iodwasserstoff zu Iod und zuWasserstoff ermittelte man folgende Beziehung:
Reaktionsgleichung: 2HI R H2 + IGeschwindigkeitsgleichung: v = k · c2HI
Hier muss also die Konzentration des zerfallendenStoffes sogar in zweiter Potenz berücksichtigt wer-den.Das kann man der Brutto-Reaktionsgleichung nichtansehen, es ist eine experimentelle Bestimmung un-abdingbar.Allgemein lautet die Geschwindigkeitsgleichung:
v = k · cmA · cnB
Diese Beziehung wird auch als Zeitgesetz bezeichnet.Den Proportionalitätsfaktor k nennt man Geschwin-digkeitskonstante. k ist u. a. von der Temperatur ab-hängig. Es handelt sich um eine für jede Reaktioncharakteristische Größe, durch die im Wesentlichendie Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt wird.Die Summe der Exponenten m und n gibt die Reak-
tionsordnung an. Es sei nochmals betont, dass siesich grundsätzlich nicht aus der Reaktionsgleichungermitteln lässt und nur experimentell bestimmt wer-den kann. Welche Konzentrationen mit welchen Ex-ponenten in die Geschwindigkeitsgleichung einge-hen, hängt von den einzelnen nacheinanderablaufenden Reaktionsschritten oder Elementarreak-tionen ab. Die langsamste Elementarreaktion be-stimmt die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion.Bei den Elementarreaktionen interessiert man sichauch dafür, ob diese durch den Zerfall eines Teilchensoder durch den Zusammenstoß zweier oder sehrselten dreier Teilchen zustande kommt. Zur Charak-terisierung hat man dieMolekularität eingeführt undverwendet die Bezeichnung mono- bzw. bi- odertrimolekulare Elementarreaktion.Man unterscheidet bei der Konzentrationsabhängig-keit der Reaktionsgeschwindigkeit folgende Typen:Reaktionen 1. Ordnung sind nur von der Konzentra-tion des Ausgangsstoffes A abhängig. Die Halbwerts-zeit dieser Reaktionen, also die Zeitspanne bis zurVerminderung der Konzentration des Ausgangstoffesauf die Hälfte, ist konstant und berechnet sich aus derGeschwindigkeitskonstanten wie in der folgendenGleichung angegeben (z. B. radioaktiver Zerfall,s. S. 9).
t1/2 = ln2/k =0,693/k
Reaktionen 2. Ordnung können von der Konzentra-tion eines Stoffes in der zweiten Potenz oder von derKonzentration der Stoffe A und B in der 1. Potenzabhängen.Reaktionen 0. Ordnung sind unabhängig von derKonzentration. Sie spielen bei Gasreaktionen an Fest-körperoberflächen eine Rolle, die Geschwindigkeitwird zeitlich durch nicht chemische Prozesse be-stimmt. Der Abbau des Ethanols durch die Alkohol-dehydrogenase folgt einer Enzymkinetik 0. Ordnung,er ist also konzentrationsunabhängig, als Geschwin-digkeit werden 0,15 0/00 in der Stunde angegeben.Wenn bei einer Reaktion eine Komponente in sogroßem Überschuss vorliegt, dass sich deren Kon-zentration nur unmerklich ändert, spricht man häu-fig von Pseudo-Ordnungen. Dies ist aber etwas irre-führend, da aus der Brutto-Reaktionsgleichung ohneexperimentelles Hinterland keine Aussage zum mo-lekularen Ablauf möglich ist.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Kinetik chemischer Reaktionen 49
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MERKE
– Reaktion 0. Ordnung: v = k– Reaktion 1. Ordnung: v = k · cA– Reaktion 2. Ordnung: v = k · c2A
oder v = k · cA · cB(k = Geschwindigkeitskonstante, v = Reaktionsge-schwindigkeit, c = Konzentration)
2.3.2.3 Die Kinetik und das chemischeGleichgewicht
Chemische Reaktionen verlaufen nicht vollständig, eskommt zur Einstellung eines chemischen Gleichge-wichts. In diesem Stadium verlaufen Hin- und Rück-reaktion gleich schnell, am Konzentrationsverhältnisändert sich aber nichts mehr.Für eine Reaktion von A nach B sollen die Geschwin-digkeitsgleichungen für die Hin- und für die Rück-reaktion 1. Ordnung sein:
vhin = k1 · cA(k1 Geschwindigkeitskonstante der Hinreaktion)
vrück = k-1 · cB(k-1 Geschwindigkeitskonstante der Rückreaktion)
Da die Geschwindigkeiten gleich sind, können diebeiden Zahlenwerte gleichgesetzt werden:
k1 · cA = k-1 · cB
Durch Umstellen erhält man dann die folgende Glei-chung:
Sie zeigt, dass nicht nur das Verhältnis der Kon-zentrationen, sondern auch das Verhältnis der Ge-schwindigkeitskonstanten für die Hin- und für dieRückreaktion eine Berechnung der Gleichgewichts-konstanten K zulassen.
2.3.2.4 Die Parallel- und FolgereaktionenHäufig geht ein Reaktantmehrere Reaktionen ein, dieparallel zueinander ablaufen und zu verschiedenenEndprodukten führen. Die schnellste Reaktion ist amUmsatz am stärksten beteiligt. Folgereaktionen sinddadurch gekennzeichnet, dass aus den Reaktantenein Produkt entsteht, welches dann in einer sich an-schließenden Reaktion gleich weiter umgesetzt wird.Für solch eine Reaktionsfolge gilt, dass die lang-samste Reaktion die Geschwindigkeit der Gesamt-reaktion bestimmt (geschwindigkeitsbestimmenderSchritt).
2.3.2.5 Die Temperaturabhängigkeit derReaktionsgeschwindigkeit
Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt auch von derTemperatur ab. Das ist auch medizinisch relevant.Denn bei Fieber laufen Stoffwechselprozesse schnel-ler ab, Herz- und Kreislaufparameter ändern sich.
MERKE
Für viele Reaktionen gilt die Faustregel: Die Reak-tionsgeschwindigkeit verdoppelt sich bei einer Tem-peraturerhöhung um 10 K (K = Grad Kelvin).
Um diese sogenannte RGT-Regel (Reaktionsge-schwindigkeits-Temperatur-Regel) zu verstehen,muss man die Energie der reagierenden Teilchen be-rücksichtigen. Gleiche Teilchen verfügen auch beigleicher Temperatur über sehr verschiedene Ge-schwindigkeiten, haben also auch unterschiedlicheWerte für die kinetische Energie. Die Häufigkeitsver-teilung der Energie von Gasmolekülen für verschie-dene Temperaturen zeigt die Boltzmann-Verteilung(Abb. 2.7).Die Energieverteilungskurven steigen vom Null-punkt aus stark an und fallen dannmit zunehmender
Die Kinetik chemischer Reaktionen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht50
Abb. 2.7 Die Energieverteilung der Teilchen nach Boltzmannfür verschiedene Temperaturen (T = absolute Temperatur)
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Temperatur umso langsamer ab. Bei niedrigen Tem-peraturen haben also nur wenige Teilchen eine hohekinetische Energie.
2.3.2.6 Die AktivierungsenergieWenn Teilchen zusammenstoßen, kommt es erstdann zu einer Bindungsumverteilung, wenn sie einebestimmte Mindestenergie besitzen. Über diese ver-fügt üblicherweise nur ein sehr kleiner Anteil derTeilchen. Dieser Teilchenanteil wächst jedoch expo-nentiell mit der Temperatur. Die notwendige Min-destenergie ist die Aktivierungsenergie EA einerReaktion und stellt eine reaktionsspezifische Größedar.Den Zusammenhang zwischen Aktivierungsenergieund Reaktionsgeschwindigkeitskonstante beschreibtdie von Arrhenius aufgestellte Beziehung:
R ist die allgemeine Gaskonstante (8,314 J mol-1 K-1).Der Proportionalitätsfaktor A berücksichtigt dieräumliche Orientierung der zusammenstoßendenTeilchen.
Die Aktivierungsenergie kann man sich alseinen Berg vorstellen, den die Teilchen vor der ei-gentlichen Reaktion erklimmen müssen, bevor siein das Energietal „stürzen“. Dabei wird Energie frei(Reaktionsenthalpie ΔRH, Abb. 2.8).
MERKE
Das Zuführen von Aktivierungsenergie sagt nichtsdarüber aus, ob eine Reaktion exergon oder ender-gon, exotherm oder endotherm verläuft. Hierbeihandelt es sich um thermodynamische Aussagen!Die Aktivierungsenergie führt einer ausreichendenAnzahl Teilchen die notwendige Mindestenergie zu,damit die Reaktion überhaupt erst ablaufen kann.
Diese Energiebarriere kann also nur von genügendenergiereichen Teilchen überwunden werden. Reak-tionen mit hoher Aktivierungsenergie laufen norma-lerweise sehr langsam ab. Schnell ablaufende Reak-tionen benötigen eine niedrige Aktivierungsenergie.Den Punkt höchster Energie im Reaktionsverlauf be-
zeichnet man als Übergangszustand oder aktiviertenKomplex. Im Übergangszustand haben sich die rea-gierenden Teilchen, die die notwendige Mindest-energie besitzen, optimal genähert. Auf diese Weisetritt eineWechselwirkung zwischen ihnen ein, die zuneuen Bindungen führt.Kinetische Betrachtungen spielen auch in der Phar-makologie eine große Rolle, so beschäftigt sich diePharmakokinetik beispielsweise speziell mit demVerhalten von Arzneimitteln und Giften im Organis-mus und trägt so u. a. zur Entwicklung von Retard-und Depotarzneimitteln bei. Bei diesen Arzneifor-men wird der Wirkstoff möglichst konstant über ei-nen längeren Zeitabschnitt freigesetzt. Die Depotwir-kung wird erzielt durch zunächst unwirksame, erstim Körper aktivierte Vorstufen des Mittels oderdurch bestimmte Bindungsformen der Wirkstoffeoder – bei oral verabreichten Präparaten – z. B. durchverschieden lösliche Überzüge.
2.3.3 Die KatalyseDurch den Zusatz bestimmter Stoffe nimmt die Reak-tionsgeschwindigkeit vieler chemischer Reaktionendeutlich zu (z. B. Verwendung von Sauerteig beimBrotbacken, Wirkung von Hefe für die Zubereitungalkoholischer Getränke). Berzelius prägte für solcheStoffe den Begriff Katalysator (kata griech. gänzlich,völlig; lysis griech. Auflösung, Trennung, Erlösung).Die Katalysatoren greifen in das Reaktionsgeschehenein, wodurch die Aktivierungsenergie erniedrigtwird (Abb. 2.9). Der Katalysator wird während derReaktion nicht verbraucht.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Kinetik chemischer Reaktionen 51
Abb. 2.8 Die Aktivierungsenergie und die Änderung der Reak-tionsenthalpie im Reaktionsverlauf
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MERKE
Der Katalysator beeinflusst die Reaktionsgeschwin-digkeit, aber nicht die Lage des chemischen Gleich-gewichts, denn die Aktivierungsenergie der Hin-und der Rückreaktion werden beeinflusst. Dadurchändern sich beide Geschwindigkeiten, nicht aber ihrVerhältnis zueinander.
2.3.3.1 Die homogene und die heterogeneKatalyse
Bei der heterogenen Katalyse hat der Katalysatoreinen anderen Aggregatzustand als die Reaktante.Die Katalysatorwirkung beruht auf der Adsorptionder Reaktante an der Katalysatoroberfläche. Hetero-gene Katalysatoren spielen in der technischen Che-mie eine ganz erhebliche Rolle (z. B. Hydrierungen[s. S.118] an Nickel-Katalysatoren für die Fetthär-tung). Von besonderem Interesse sind natürlich sol-che Katalysatoren, die den Ablauf chemischer Reak-tionen selektiv beeinflussen und so die Ausbeute angewünschtem Produkt erhöhen sowie die Bildungvon Nebenprodukten möglichst gering halten.Liegen Katalysator und Reaktant in gleicher Phasevor, handelt es sich um eine homogene Katalyse.
2.3.3.2 Die EnzymeDie erstaunlichsten Katalysatoren sind die an allenLebensvorgängen beteiligten Enzyme (enzymegriech. im Sauerteig). Enzyme können die Geschwin-digkeit biochemischer Prozesse spezifisch z. T. bis auf
das Millionenfache erhöhen. Da enzymatisch kataly-sierte Reaktionen in mehreren Einzelschritten ab-laufen, kann jeder Teilschritt kinetisch beschriebenwerden. Der langsamste Teilschritt bestimmt dieReaktionsgeschwindigkeit.Die Theorie von Michaelis und Menten besagt, dassdas Substrat S und das Enzym E einen Komplex bil-den, der dann in das oder die Produkt(e) zerfällt.Dabei wird das Enzym regeneriert.
S + E ES R P + E
Die Kinetik dieser Enzym-Reaktion kann im Fall ein-facher Systeme nach der Michaelis-Menten-Glei-
chung beschrieben werden:
vmax steht für die maximal mögliche Geschwindig-keit, die dann erreicht ist, wenn alle Enzymmolekülemit Substrat beladen sind. KM ist die Michaelis-Kon-stante und setzt sich aus den Geschwindigkeitskons-tanten der Reaktionen für die Bildung und den Zerfalldes Enzym-Substrat-Komplexes zusammen. Bei Er-mittlung und grafischer Darstellung der Reaktions-geschwindigkeit für verschiedene Substratkonzent-rationen bei konstanter Enzymkonzentration erhältman einen Hyperbelbogen, der sich asymptotischdem Grenzwert vmax nähert (Abb. 2.10).Die halbe Maximalgeschwindigkeit ist dann erreicht,wenn die Hälfte des Enzyms als Enzym-Substrat-
Komplex ES vorliegt. An diesem Punkt entsprichtdie Substratkonzentration gerade der Michaelis-
Die Kinetik chemischer Reaktionen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht52
Abb. 2.9 Vergleich der Energiediagramme einer Reaktion mitund einer Reaktion ohne Katalysator
Abb. 2.10 Die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit veiner enzymkatalysierten Reaktion von der Substratkonzentra-tion cS
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konstanten KM. Die Werte für KM liegen im Bereich10-2 bis 10-5 mol/l.
MERKE
Ein großer Wert der Michaeliskonstanten bedeutet,dass eine hohe Substratkonzentration erforderlichist, um die halbe Sättigung des Enzyms zu erreichen.Das Enzym hat zu dem betreffenden Substrat keinehohe Affinität. Es wird sich bevorzugt an ein anderesSubstrat mit einem kleineren KM-Wert binden.
KM ist für jedes Enzym eine charakteristische Kon-stante. vmax hängt von der jeweiligen Enzymkon-zentration ab.Enzyme ermöglichen durch das Herabsetzen der Ak-tivierungsenergie den Ablauf biochemisch wichtigerReaktionen bei Körpertemperatur. Die außerordent-lich hohe Substratspezifität der Enzyme versuchteman durch verschiedene Modelle zu erklären. Mannahm an, dass ein bestimmter Bezirk im Enzym alsaktives Zentrum oder als katalytisches Zentrumwirkt. Enzym und Substrat seien konfigurativ-struk-turell aufeinander abgestimmt. Dieses Schlüssel-Schloss-Prinzip (Abb. 2.11 oben) geht von einer star-ren räumlich präformierten Matrix des Enzyms aus,in die nur ganz bestimmte Substrate hineinpassen.Gemäß der Anpassungstheorie (Abb. 2.11 unten) be-einflussen sich Enzym und Substrat gegenseitig starkund können ihre Konformationen verändern, sodasssie zueinander passen.Die Aktivität der Enzyme kann durch äußere Fakto-ren beeinflusst werden. So kann ein Molekül ver-gleichbarer Struktur (Inhibitor) mit dem Substratmo-lekül um die Bindung am aktiven Zentrum desEnzyms konkurrieren (kompetitive Hemmung). DerHemmstoff kann bei genügend hoher Konzentrationdas Substrat praktisch verdrängen und so die Reak-tion blockieren. Umgekehrt kann durch Erhöhungder Substratkonzentration die Wirkung des Hemm-stoffs erniedrigt werden. Bei der kompetitiven Hem-mung wird der KM-Wert des Enzyms herabgesetzt,vmax der Reaktion bleibt gleich.Das spielt bei Antihistaminika eine Rolle, die mitHistamin um das aktive Zentrum konkurrieren.Auch die bakteriostatische Wirkung der Sulfonamidekann man so verstehen. Sie hemmen die Synthesevon Folsäure in Mikroorganismen, indem sie am ak-tiven Zentrum des Enzyms mit dem natürlichen Sub-
strat p-Aminobenzoesäure um die Bindungsstellekonkurrieren. Dadurch wird weniger funktionelleFolsäure gebildet. Der Mensch bleibt davon unbeein-flusst, da er kein Enzym zur Folsäuresynthese hat.Bei einer nicht kompetitiven Hemmung werden ein-zelne Enzymmoleküle durch einen Inhibitor inakti-viert, so dass weniger funktionsfähige Enzymmole-küle zur Verfügung stehen. Zum Beispiel hemmt ASSdie Arachidonsäuresynthese, indem es die Zyklooxy-genase durch spezifische Acetylierung inaktiviert.Die verbleibenden noch funktionsfähigen Zyklooxy-genase-Moleküle haben immer noch ihren charakte-ristischen KM-Wert, allerdings wird vmax der Reak-tion herabgesetzt, da weniger Enzymmoleküle zurVerfügung stehen.Bei einer unkompetitiven Hemmung reagiert der In-hibitor nicht mit dem Enzym alleine, sondern spezi-fisch mit dem Enzym-Substrat-Komplex.Bei einer irreversiblen Hemmung verändert ein In-hibitor das Enzym derart, dass es seine Funktionirrreversibel verliert. Dies kann z. B. dadurch gesche-hen, dass für die Funktion wichtige Sulfhydrylgrup-pen im aktiven Zentrum irreversibel oxidiert werden.Auch die oben genannte Acetylierung der Zyklooxy-genase ist eine irreversible Reaktion.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Kinetik chemischer Reaktionen 53
Abb. 2.11 Schlüssel-Schloss-Prinzip (oben) und Anpassungs-theorie (unten) zur Spezifität der Enzyme
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Check-up4 Ganz wichtig ist es, zwischen den Aussagen
der (chemischen) Thermodynamik und der(chemischen) Kinetik zu unterscheiden. Wie-derholen Sie, was man unter Reaktionsge-schwindigkeit versteht und wie man sie be-einflussen kann.
4 Rekapitulieren Sie die Definitionen anhandfolgender Fragen: Wie ist die Reaktionsord-nung definiert? Was versteht man unterHalbwertszeit? Wie lautet das Zeitgesetz ei-ner Reaktion 1. Ordnung? Was versteht manunter Aktivierungsenergie?
4 Das Prinzip der Wirkung von Enzymen ist vongroßer Bedeutung, v. a. für das Verständnisbiochemischer Prozesse. Wiederholen Sie da-her die in diesem Kapitel aufgeführten Grund-lagen zur Enzymkinetik (z. B. Michaelis-Men-ten-Gleichung, Schlüssel-Schloss-Prinzip).
2.4 Die Lösungen und Elektrolyte
LerncoachIn diesem Kapitel wird auf folgende Grund-lagen bzw. vorher besprochenene Inhaltezurückgegriffen: Lösung, Massenwirkungsge-setz, polare Atombindung, Wasserstoff-brückenbindung, Ionenbindung und Ionen-gitter. Wenn Sie unsicher sind, wiederholenSie bitte, was man unter einer Lösung verstehtund welche die wichtigsten Charakteristikader genannten Bindungen sind.
2.4.1 Der ÜberblickViele Reaktionen laufen im wässrigen Milieu ab, d. h.die Stoffe liegen gelöst vor. Wir werden uns dahermit Lösungen und sog. Elektrolyten genauer beschäf-tigen.
2.4.2 Die Einteilung der ElektrolyteLösungen hatten wir auf S. 5 als homogene Stoffge-mische kennen gelernt. Der Stoff, der im Überschussvorliegt, wird als Lösungsmittel bezeichnet. Uns in-teressieren im Folgenden ausschließlich Lösungen,bei denen Wasser das Lösungsmittel darstellt (wäss-
rige Lösungen). Da die Wassermoleküle stark polari-siert sind, handelt es sich um ein polares Lösungs-mittel mit einem großen Dipolmoment. Wegen derAssoziation der Wassermoleküle durch Wasser-stoffbrücken ist Wasser bei Raumtemperatur flüssig.Es hat bei 4 °C seine größte Dichte, was für das Lebenauf der Erde von elementarer Bedeutung ist.Häufig charakterisiert man die in Wasser gelöstenStoffe im Hinblick auf die elektrische Leitfähigkeitder entstandenen Lösung und klassifiziert danach inNichtelektrolyte und Elektrolyte.
Verbindungen, deren wässrige Lösungen denelektrischen Strom nicht leiten, werden als Nicht-elektrolyte bezeichnet (z. B. Zucker oder Ethanol).
Eine minimale Leitfähigkeit dieser Lösungen ist aufdie durch Autoprotolyse des Wassers entstehendenHydronium- und Hydroxidionen zurückzuführen.Die gelösten Teilchen sind Moleküle, die von einerWasserhülle umgeben sind.
Elektrolyte sind Verbindungen, die in wässrigerLösung in frei bewegliche Ionen dissoziieren(z. B. Natriumchlorid, Chlorwasserstoff, Ammo-niak). Diese Lösungen leiten den elektrischenStrom. Ladungsträger sind aber im Gegensatz zuden metallischen Leitern die Ionen.
In Ionenverbindungen liegen die Ionen im festen Zu-stand bereits vor, beim Lösen erfolgt dann nur eineIonendissoziation (echte Elektrolyte).Bei Stoffen mit polarisierten kovalenten Bindungen(z. B. HCl, NH3) werden die Ionen erst durch eineReaktion mit dem Lösungsmittel gebildet (poten-zielle Elektrolyte):
NaCl RWasser Na+ + Cl-
HCl + H2O R H3O+ + OH-
NH3 + H2O R NH4+ + OH-
In der wässrigen Lösung sind alle Ionen von einerHülle aus Wassermolekülen umgeben, sie sind hyd-ratisiert. Der Begriff Solvatation ist etwas allgemei-ner und wird verwendet, wenn man sich nicht nurauf Wasser als Lösungsmittel beschränkt.
Die Lösungen und Elektrolyte 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht54
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MERKE
Starke Elektrolyte sind in wässriger Lösung nahezuvollständig dissoziiert. Die Leitfähigkeit der Lösungnimmt mit abnehmender Konzentration zu, da beihohen Konzentrationen interionische Wechselwir-kungen auftreten und die Wanderung im elektri-schen Feld behindern.
Eine besonders hohe Leitfähigkeit haben die Hydro-
niumionen (H3O+) und die Hydroxidionen (OH–). Diesist dadurch zu erklären, dass nicht die hydratisiertenIonen selbst wandern, sondern nur ein Platzwechselder Protonen in denWasserstoffbrücken desWasserserfolgt.Schwache Elektrolyte enthalten neben den Ionen un-dissoziierte Moleküle. Zwischen beiden liegt einGleichgewicht vor. Der Dissoziationsgrad α gibt denAnteil dissoziierter Moleküle an.
MERKE
Mit abnehmender Konzentration nimmt die Disso-ziation zu, bei unendlicher Verdünnung ist sie voll-ständig. Deshalb kommt es zu einer starken Zu-nahme der Leitfähigkeit mit abnehmenderKonzentration.
Aufgrund der interionischen Wechselwirkungen istdie wirksame Konzentration der Lösung immer klei-ner als die tatsächliche Konzentration. Diese wirk-same Konzentration bezeichnet man als Aktivität. ImFolgenden vernachlässigen wir die interionischenWechselwirkungen und arbeiten grundsätzlich nurmit Konzentrationen. Alle genannten Beziehungengelten dann auch nur für ideale Bedingungen, d. h.wenn keine weiteren Wechselwirkungen auftreten.
2.4.3 Die Löslichkeit und dasLöslichkeitsproduktAls Löslichkeit bezeichnet man die Höchstmenge ei-nes Stoffes, die bei einer gegebenen Temperatur ineinem bestimmten Volumen Wasser gelöst werdenkann. Es handelt sich hierbei um eine charakteristi-sche Stoffeigenschaft. Wenn eine Lösung die höchst-mögliche Stoffmenge enthält, ist sie gesättigt. Lö-
sungen eines Feststoffes sind dann gesättigt, wennein fester Bodenkörper mit der Lösung im Gleichge-wicht steht. Das Gleichgewicht zwischen Bodenkör-per und dem festen Stoff kann im Fall eines Salzesfolgendermaßen formuliert und dargestellt werden(Abb. 2.12).
Bodenkörper Ionen in Lösung
AB A+ + B–
Da der Bodenkörper und die Lösung elektrisch neu-tral sein müssen, geht immer die gleiche AnzahlKationen und Anionen in die Lösung. Im Gleichge-wicht werden ebenso viele Ionen aus der Lösungpaarweise im Gitter eingebaut wie aus dem GitterIonen in Lösung gehen. Durch Anwendung des Mas-senwirkungsgesetzes erhält man unter der Voraus-setzung, dass der feste Bodenkörper keinen Einflussauf das Gleichgewicht hat, folgende Beziehung fürdas Salz AB:
cA+ · cB– = KL
KL ist das Löslichkeitsprodukt des Stoffes AB und wiejede Gleichgewichtskonstante temperaturabhängig.Im Gleichgewicht ist also bei gegebener Temperaturdas Produkt der Ionenkonzentrationen konstant. Da-bei ist es gleichgültig, ob 0,1 g oder 100g Bodenkör-per vorliegen. Die Werte des Löslichkeitsproduktessind tabelliert, die Löslichkeitsprodukte verschiede-ner Salze sind in Tab. 2.3 aufgeführt.Für eine gesättigte Lösung lässt sich die Ionen-konzentration und die Masse des gelösten Stoffesfolgendermaßen ausrechnen: BaSO4 hat das Löslich-keitsprodukt KL=10-10 mol2/l2 (25 °C). Die Ionenkon-
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Lösungen und Elektrolyte 55
Abb. 2.12 Schematische Darstellung des Gleichgewichts ineiner gesättigten Salzlösung
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Die Lösungen und Elektrolyte 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht56
zentrationen der Barium- und der Sulfationen müs-senwegen der Elektroneutralität 10-5mol/l betragen.
Wenn je 10–5 mol Barium- und Sulfationen in einemLiter gelöst sind, folgt stöchiometrisch zwangsläufigdaraus, dass 10-5 mol Bariumsulfat in Lösung gegan-gen sein müssen. Nach den Angaben zur Berechnungvon Massen oder Volumina der Reaktionsteilnehmer(s. S. 37) lässt sich nun auch die gelöste Masse Ba-riumsulfat ermitteln:
n = c · V =10–5 mol/l · 1 l =10–5 molm = n · MBaSO4
=10–5 mol · 233g / mol =2,33 · 10–3 g=2,33mg
In einem Liter „Bariumsulfatlösung“ sind also nur2,33mg BaSO4 gelöst.Für Salze der Zusammensetzung AB2 oder A2B3 istdas Massenwirkungsgesetz analog anwendbar, wo-bei darauf zu achten ist, dass die Koeffizienten derReaktionsgleichungen im MWG als Exponenten derKonzentrationen auftreten. Das ist auch bei der Ein-heit von KL zu berücksichtigen.
AB2 A2+ +2B-
A2B3 2A3+ +3B2-
Allgemein gilt:AmBn m An+ + n Bm-
Die Löslichkeit eines Salzes kann nicht über das Lös-lichkeitsprodukt KL verglichenwerden, da die Einheitvon der Zusammensetzung des Salzes abhängt. Siemüssen die in einem bestimmten Volumen gelöstenStoffmengen oder die Massen vergleichen.Schwer lösliche Salze spielen in der analytischenChemie eine Rolle, da viele Ionen durch Bildungschwer löslicher, oft typisch gefärbter Salze nachge-wiesen werden können.Beispiele für solche Fällungsreaktionen zum Nach-weis von Ionen sind:
Ag+ + Cl- R AgCl Q weißCa2+ + C2O4
2– R CaC2O4 Q weißCu2+ + S2– R CuS Q schwarzDer Pfeil Q zeigt an, dass das schwer lösliche Salzausfällt.
Das Ausfällen von Silberchlorid wird zumNachweis von Chloridionen genutzt. Die Fällung istaber nie vollständig, da ein ganz geringer Teil we-gen des Löslichkeitsprodukts in Lösung bleibt.Berechnen Sie die Masse AgCl, die sich in 100mlWasser lösen! (Lösung s. S. 200)KL =2 · 10-10 mol2/l2 (bei 25 °C)
Klinischer Bezug
Schwer lösliche Salze spielen auch im menschlichenOrganismus eine Rolle.Sehr wichtig für die Knochenbildung ist der Einbau vonHydroxylapatit Ca5[(PO4)3(OH)] (Mineralisation). Ne-gativ wirkt sich hingegen die Entstehung von Calcium-oxalat CaC2O4, Calciumphosphat Ca3(PO4)2 oder Mag-nesiumammoniumphosphat MgNH4PO4 in der Niereaus. Diese Salze sind vorwiegend in der Niere enthal-ten. Ursache ist nicht nur die vermehrte Bildung kon-krementbildender Stoffe (Calciumionen, aber auchHarnsäure), sondern auch der Säure-Base-Status desUrins.
Tabelle 2.3
Löslichkeitsprodukte bei 25 °C
Name desStoffes
Formel Löslichkeits-produkt
Zahlenwert Einheit
Aluminium-hydroxid
Al(OH)3 1,0 · 10-33 mol4 · l-4
Bariumsulfat BaSO4 1,0 · 10-10 mol2 · l-2
Calciumcarbonat CaCO3 4,8 · 10-9 mol2 · l-2
Calciumhydroxid Ca(OH)2 5,5 · 10-6 mol3 · l-3
Calciumoxalat CaC2O4 2,6 · 10-9 mol2 · l-2
Calciumphosphat Ca3(PO4)2 1,0 · 10-25 mol5 · l-5
Calciumsulfat CaSO4 6,1 · 10-5 mol2 · l-2
Eisen(II)-hydroxid Fe(OH)2 4,8 · 10-16 mol3 · l-3
Kupfer(II)-sulfid CuS 8,0 · 10-45 mol2 · l-2
Silberbromid AgBr 6,3 · 10-13 mol2 · l-2
Silbercarbonat Ag2CO3 6,2 · 10-12 mol3 · l-3
Silberchlorid AgCl 1,6 · 10-10 mol2 · l-2
Silberiodid AgI 1,5 · 10-16 mol2 · l-2
Silberphosphat Ag3PO4 1,8 · 10-18 mol4 · l-4
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Die Unterschiede in der Löslichkeit verschiedenerSalze sind über die Lösungswärme nicht zu verste-hen, sondern nur über die freie Reaktionsenthalpie(s. S. 41). Das Entropieglied muss berücksichtigt wer-den.Für ein bestimmtes Salz ergibt sich aber aus demPrinzip des kleinsten Zwanges (s. S. 46), dass die Lös-lichkeit durch die Temperatur beeinflusst werdenkann. Die Löslichkeit nimmt bei exothermen Lö-sungsvorgängen mit steigender Temperatur ab, beiendothermen Lösungsvorgängen nimmt sie zu.
Check-up4 Wiederholen Sie die Definition eines Elektro-
lyten und eines Nichtelektrolyten. Prägen Siesich jeweils einige Beispiele ein.
4 Machen Sie sich klar, wann man von einergesättigten Lösung spricht und wie das Lös-lichkeitsprodukt definiert ist.
2.5 Die Säuren und Basen
LerncoachUm die Eigenschaften von Säuren und Basenzu verstehen, sollten Sie das Massenwir-kungsgesetz sicher beherrschen (s. S. 45).In diesem Kapitel wird viel mit Logarithmengerechnet. Falls Sie damit nicht vertraut sind,können Sie im Anhang nachlesen (s. S. 205).
2.5.1 Der ÜberblickSäuren und Basen bzw. pH-Werte spielen für eineReihe von Körperfunktionen eine große Rolle. DaEiweiße aus Aminosäuren aufgebaut sind und dieseZwitterionen darstellen, verändern pH-Verschiebun-gen die Ladungen und die Möglichkeit zur Ausbil-dung von Wasserstoffbrücken. So werden wiederumdie Löslichkeit und die Wechselwirkung mit anderenStoffen beeinflusst.Die Konstanthaltung des Blut-pH-Wertes im Bereich7,39±0,05 ist eine der wichtigsten Lebensvorausset-zungen, Schwankungen über 0,3 pH-Einheiten sindmit dem Leben nicht mehr vereinbar. Deshalb wer-den wir uns im Folgenden vergleichsweise ausführ-lich mit den Säuren und Basen beschäftigen.
2.5.2 Die EinführungDer Begriff „Säuren“ ist seit 5000 Jahren bekannt undbezeichnete eine Geschmackseigenschaft von Natur-produkten. Dass Säuren aus Mineralien gewonnenwerden können, weiß man mindestens seit 800 Jah-ren. Besonders den Alchemisten verdanken wir Me-thoden zur Darstellung von Mineralsäuren, den Säu-ren, die in Form ihrer Salze in Mineralien auftreten(z. B. Schwefel- und Salpetersäure). Lösungen, dieden sauren Geschmack abschwächten, wurden alka-lisch genannt, weil sie besonders aus Pflanzenaschegewonnenwurden (al-kali arab. Pflanzenasche). Spä-ter wurde der Begriff Base (basis lat. Sockel, Grund-linie) geprägt, weil Metalloxide und -hydroxide alsnichtflüchtige Grundlage der Fixierung flüchtigerSäuren unter Salzbildung dienten.Lavoisier erkannte, dass Kohlenstoff, Phosphor undSchwefel in Luft zu Oxiden verbrennen, die mit Was-ser eine Säure bilden. Den dafür notwendigenBestandteil der Luft bezeichnete er als „Oxy-genum“ (lat. Säurebildner). Von Liebig definierteeine Säure als eine Verbindung, die Wasserstoff ent-hält, der durch Metalle ersetzt werden kann.Arrhenius stellte fest, dass sich aus Salzen, Säurenund Basen in wässriger Lösung Ionen bilden. Er defi-nierte eine Säure als eine Verbindung, die in Wasserin Wasserstoffionen und negativ geladene Säurerest-ionen zerfällt. Eine Base zerfällt in Hydroxidionenund positiv geladene Basenrestionen. Wenn Säurenund Basen miteinander reagieren, bilden dieWasser-stoffionen und die Hydroxidionen Wasser. Die Säu-ren- und Basenreste verbleiben unverändert in derLösung. Die Eigenschaften sauer und basisch hängenalso mit den Wasserstoffionen und den Hydroxidio-nen zusammen.
2.5.3 Der pH-WertDie Wasserstoffionen oder genauer gesagt ihre Kon-zentration bilden die Grundlage für die Charakteri-sierung saurer Lösungen. Als quantitatives Maßführte Sørensen 1909 dafür den pH-Wert ein, derals negativer dekadischer Logarithmus der Wasser-stoffionenkonzentration definiert ist (pH = pondushydrogenii lat. Masse, Bedeutung, Wert des Wasser-stoffs). Heute weißman, dass Wasserstoffionen nichtfrei vorkommen und deshalb besser von der Hydro-niumionenkonzentration zu sprechen ist.
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Früher: pH = -lg cH+ heute: pH = -lg cH3O+
Analog gibt es einen pOH-Wert, der die Konzentra-tion der Hydroxidionen angibt:
pOH = -lg cOH–
pH- und pOH-Wert sind vereinbarungsgemäß di-mensionslose Größen, d. h., sie haben keine Einheit.
2.5.4 Die Säure-Base-Theorie von BrønstedBrønsted erweiterte die Säure-Base-Theorie, weilman z. B. nach der Definition von Arrhenius nichterklären kann, warum Ammoniak (NH3) eine Baseist. Nach Brønsted sind
Säuren Protonendonatoren, d. h. Teilchen, dieWasserstoffionen (Protonen) abgeben könnenBasen Protonenakzeptoren, d. h. Teilchen, dieWasserstoffionen (Protonen) aufnehmen können.
HCl ist also eine Säure, da HCl ein Proton abspaltenkann. Das dabei entstehende Chlorid-Ion kann aberformal in der Rückreaktion auch ein Proton aufneh-men und ist deshalb eine Base. Die durch die Ab-spaltung eines Protons entstehende Base bezeichnetman als korrespondierende oder konjugierte Base.
korrespondierendes Säure-Base-Paar 1
HCl H+ + Cl–
Säure 1 Proton korrespondierende Base 1
So kann man auch erklären, warum Ammoniak eineBase ist: Ammoniak kann wegen seines freien Elekt-ronenpaars ein Proton aufnehmen und dadurch dasAmmoniumion als korrespondierende Säure bilden.
korrespondierendes Säure-Base-Paar 2
NH3 + H+ NH4+
Base 2 Proton korrespondierende Säure 2
MERKE
Säuren und korrespondierende Basen bilden immerkorrespondierende oder konjugierte Säure-Base-Paare, Säure und Base unterscheiden sich in diesemFall durch ein Proton.
Die Abspaltung eines Protons kann jedoch nicht alsisolierte Reaktion ablaufen. Siemuss immermit einerzweiten Reaktion gekoppelt sein, da freie Protonen
nicht existieren können. In wässrigen Lösungen la-gern sich die Protonen an Wassermoleküle an. Was-ser dient also als Base. Als korrespondierende Säurebildet sich das Hydroniumion (korrespondierendesSäure-Base-Paar 3).
korrespondierendes Säure-Base-Paar 3
H2O + H+ H3O+
Base 3 Proton korrespondierende Säure 3
Auch die Protonen für die Reaktion des Ammoniaksstammen vom Wasser. In diesem Fall ist aber Wasserdie Säure und wird zur korrespondierenden Base,dem Hydroxidion (korrespondierendes Säure-Base-Paar 4).
korrespondierendes Säure-Base-Paar 4
H2O H+ + OH-
Säure 4 Proton korrespondierende Base 4
Die Zusammenfassung der Teilreaktionen von Paar 1und 3 bzw. 2 und 4 ergibt folgende Gesamtgleichun-gen:
Paar 1 und 3:
HCl + H2O Cl- + H3O+
Säure 1 Base 3 korrespon-dierendeBase 1
korresopon-dierendeSäure 3
Paar 2 und 4:
NH3 + H2O NH4+ + OH–
Base 2 Säure 4 korrespon-dierendeSäure 2
korresopon-dierendeBase 4
Im ersten Fall wird ein Proton von HCl auf Wasserübertragen, im zweiten Fall von Wasser auf Am-moniak. Diese Protonenübertragungsreaktionen
bezeichnet man auch als Protolysereaktionen. AnProtolysereaktionensind immer zwei korrespondie-rende Säure-Base-Paare beteiligt. Zwischen diesenbeiden besteht ein chemisches Gleichgewicht.Wenn sowohl die Anlagerung als auch die Abspal-tung eines Protons möglich ist, handelt es sich umeinen amphoteren Elektrolyt oder einfach um einenAmpholyten. Sie haben schon anhand der Säure-Base-Paare 3 und 4 gesehen, dass Wasser ein Am-
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pholyt ist. Auch Aminosäuren (s. S.165), Hydrogen-sulfationen (HSO4
–), Dihydrogenphosphat- (H2PO4–)
und Hydrogenphosphationen (HPO42–) besitzen am-
photere Eigenschaften, d. h., sie können Protonenaufnehmen und abgeben.
2.5.5 Die Säure-Base-Theorie von LewisNach Lewis verfügen Säuren über Elektronenlücken,sie sind Elektronenpaarakzeptoren. Basen sind Mole-küle, Atome oder Ionen mit einem freien Elektronen-paar, das für eine koordinative Bindung genutzt wer-den kann. Basen sind Elektronenpaardonatoren. Indiesem Sinn ist die Reaktion von Bortrifluorid (BF3)mit Ammoniak (NH3) eine Säure-Base-Reaktion(Abb. 2.13).
BF3 weist eine Elektronenlücke auf und ist deshalbdie Säure. Das Ammoniak-Molekül hat ein freiesElektronenpaar und ist die Base. Die Theorie vonLewis ist hilfreich für das Verständnis der Reaktionenvon Komplexverbindungen (s. S. 66) und zur Erklä-rung der Reaktionsmechanismen in der organischenChemie. Für das wässrige Milieu reicht die Anwen-dung der Theorie von Brønsted aus, mit der wir unsnun weiter befassen wollen.
2.5.6 Die Autoprotolyse des WassersIm Wasser besteht folgendes Protolysegleichge-wicht:H2O + H2O H3O+ + OH–
Darauf können wir das Massenwirkungsgesetz an-wenden (s. S. 45):
Das Gleichgewicht liegt weit auf der linken Seite,d. h., es reagieren sehr wenige Wassermoleküle mit-einander. Außerdem ist die Wasserkonzentrationsehr groß, wie die folgende Rechnung zeigt:
Berechnung der Konzentration cH2O:1 l H2O ≈ 1kg H2O
Deshalb kann man die Konzentration derWassermo-leküle (55,56 mol/l) als konstant betrachten und siein die Gleichgewichtskonstante einbeziehen, da-durch erhält man die neue Konstante KW (Ionen-
produkt des Wassers).
MERKE
Das Ionenprodukt des Wassers beträgt (bei 25 °C)1,0 · 10-14 mol2/l2. In wässrigen Lösungen ist alsodas Produkt der Konzentrationen der H3O
+- und derOH--Ionen konstant.
Wenn man die o. g. Gleichung zum Ionenproduktlogarithmiert, erhält man unter Berücksichtigungder Gleichungen zum pH- und pOH-Wert (s. S. 57):
pH + pOH =14
Für reines Wasser gilt: pH = pOH =7. Hat eine wäss-rige Lösung den pH =3, muss der pOH-Wert 11 be-tragen. Die Konzentration der Hydroniumionen be-trägt cH3O+ =10–3 mol/l und ist somit größer als dieKonzentration der Hydoxidionen cOH- = 10–11 mol/l,d. h. die Lösung ist sauer. Bei basischen Lösungenüberwiegt die Konzentration der Hydroxidionen.
MERKE
> 10–7 mol / l > pH <7 sauer= 10–7 mol / l = pH =7 neutral< 10–7 mol / l < pH >7 basisch
Auch verschiedene Körperflüssigkeiten besitzen un-terschiedliche pH-Werte (Tab. 2.4).
2.5.7 Die Säuren- und BasenstärkeDas Maß für die Stärke einer Säure bzw. Base ist dieGleichgewichtskonstante der Protonenübertra-gungsreaktion. Um vergleichbare Werte zu erhalten,muss immer das gleiche zweite korrespondierendeSäure-Base-Paar vorhanden sein. In den uns inte-ressierenden Fällen ist dies immer H2O/H3O+ bzw.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Säuren und Basen 59
Abb. 2.13 Reaktion von Bortrifluorid mit Ammoniak
2
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H2O/OH-. Wir können also Säure- und Basereaktio-nen allgemein formulieren (Gl.1 und 2 in Tab. 2.5) unddann auf beide Reaktionen das MWG anwenden (Gl.3 und 4).Die Gleichgewichtskonzentration von Wasser wirdals konstant angesehen und deshalb in die neueGleichgewichtskonstante einbezogen (Gl. 5 und 6).Die neuenKonstanten heißen Säurekonstante KSbzw.Basenkonstante KB. Je weiter sich das Gleichgewichtauf der rechten Seite befindet, umso stärker ist dieSäure bzw. Base.Häufig werden auch die Konstanten in logarithmier-ter Form als pKS und pKB angegeben (Gl. 7 und 8, s.auch Werte der Säure- und Basestärke im Anhang,Tab. 7).pKS- und pKB-Wert eines korrespondierenden Säure-Base-Paares müssen sich immer gerade zu 14 ergän-zen.
Die Säuren und Basen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht60
Tabelle 2.5
Gleichgewichtskonstanten für die Reaktion einer Säure bzw. einer Base mit Wasser
Reaktion einer Säure HA mit Wasser Reaktion einer Base B mit Wasser(1) HA + H2O A- + H3O
+ (2) B + H2O HB+ + OH-
(3) (4)
(5) (6)
(7) –lgKS = pKS (8) –lgKb = pKB
Die Exponenten eq. sollen hier noch einmal ganz deutlich darauf hinweisen, dass es sich um die im Gleichgewicht vorliegendenKonzentrationen handelt. Später wird dies als bekannt vorausgesetzt.
MERKE
– Starke Säuren protolysieren fast vollständig. Siehaben große KS-Werte bzw. kleine pKS-Werte.
– Starke Basen protolysieren fast vollständig. Sie ha-ben große KB-Werte bzw. kleine pKB-Werte.
– Schwache Säuren protolysieren kaum. Sie habenkleine KS-Werte bzw. große pKS-Werte.
– Schwache Basen protolysieren kaum. Sie habenkleine KB-Werte bzw. große pKB-Werte.
Aus Überlegungen zur Lage des Gleichgewichts sindauch die Formeln zur Berechnung des pH-Wertes
ableitbar: Da für starke Säuren und Basen eine voll-ständige Protolyse angenommen wird, kann man dieAusgangskonzentration der Säure und der Base mitder im Gleichgewicht vorhandenen Hydronium-bzw. Hydroxidionenkonzentration gleichsetzen. Nurwenn pH-Werte von starken Säuren und Basen be-rechnet werden sollen, die mehr als ein Proton ab-spalten bzw. aufnehmen können, müssen Sie dies inder Rechnung beachten und die Konzentration mitder Anzahl abspaltbarer Protonen z multiplizieren(entspricht der Äquivalentkonzentration) (Gl. 9 und10) (Tab. 2.6). Bei der Protolyse von HCl entsteht promol HCl auch 1 mol H3O+. Bei der vollständigenProtolyse von 1mol H2SO4, wie sie inWasser tatsäch-lich stattfindet, bilden sich hingegen 2 mol H3O+.
Berechnen Sie den pH-Wert von:Salzsäure der Konzentration cHCl =0,01 mol/lSchwefelsäure der Konzentration CH2SO4
=0,01mol/l. (Lösung s. S. 200)
Tabelle 2.4
Beispiele für pH-Werte von Körperflüssigkeiten
Körperflüssigkeit pH-Wert
Magensaft 1,0–2,0
Vaginalsekret 3,2–4,2
Speichel 5,0–6,8
Gallenflüssigkeit 5,8–8,5
Urin 5,5–7,5
Blut 7,34–7,44
Samenflüssigkeit 7,1–7,5
Liquor cerebrospinalis 7,35±0,10
Pankreassekret 7,5–8,3
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Da bei schwachen Säuren und Basen die Protolysenicht vollständig ist, muss der pH-Wert anders be-rechnet werden (Tab. 2.7):
2.5.8 Die NeutralisationNach Arrhenius entstehen Salze durch die Neutrali-sation äquivalenter Mengen von Säure und Base, alsosolcher Mengen, die genau der Stöchiometrie ent-sprechen.
Wenn 10ml Natronlauge, cNaOH =0,1 mol/l,und 100ml Salzsäure, cHCl =0,01 mol/l zur Reaktiongebracht werden, sind das äquivalente Stoffmen-gen. Überprüfen Sie diese Aussage, indem Sie dieStoffmengen nNaOH und nHCl berechnen (Lösungs. S. 200).
Wasserstoffionen und Hydroxidionen reagieren zuWasser. Dieser Vorgang ist exotherm. Die Neutralisa-tionsenthalpie beträgt ΔH = -57,4 kJ/mol.Bei Verdampfen des Lösungsmittels fügen sich dieBaserest-Kationen und die Säurerest-Anionen zu Sal-zen zusammen. Im Falle des o. g. Lerntipps würdealso NaCl auskristallisieren.Nach dieser Vorstellung müssten eigentlich alle Salz-lösungen neutral reagieren, was bei einer Kochsalz-lösung auch der Fall ist. Doch wässrige Lösungen vonAmmoniumchlorid (NH4Cl) und Eisen(III)-chlorid
(FeCl3) reagieren sauer, die von Natriumcarbonat(Na2CO3) und Natriumacetat (NaCH3COO) basisch.Dies ist mit Hilfe der Theorie von Brønsted folgen-dermaßen zu erklären: Die Ionen, aus denen dieSalze bestehen, sind selbst Brønsted-Säuren oderBrønsted-Basen, die mit Wasser reagieren. In einerAmmoniumchlorid-Lösung reagiert das Ammonium-ion als schwache Säure (pKS =9,25). Man spricht auchvon einer Kationensäure. Die dabei entstehendenHydroniumionen verschieben den pH-Wert in densauren Bereich:
NH4+ + H2O NH3 + H3O
+
Das Chloridion ist eine so schwache Base (eine Anio-
nenbase), dass es kein Proton aufnimmt und den pH-Wert der Lösung nicht beeinflusst.Den pH-Wert einer schwach sauer reagierendenSalzlösung berechnet man mit der für eine schwacheSäure geltenden Beziehung (Gl. 13, Tab. 2.7).In einer Natriumacetat-Lösung spielen die Natrium-ionen keine Rolle für den pH-Wert. Sie sind zwarhydratisiert, aber die Hydrathülle ist so stabil, dasses zu keiner Protonenübertragung kommt (s. S. 67).Das Acetation reagiert als schwache Anionenbase(pKB =9,25) und nimmt ein Proton aus dem Wasserauf. Dadurch entstehen Hydroxidionen, die den pH-Wert in den basischen Bereich verschieben:
CH3COO– + H2O CH3COOH + OH–
Mit der Gleichung zur Berechnung des pH-Wertesschwacher Basen (s. Gl. 14 in Tab. 2.7) kann der pH-Wert dieser basisch reagierenden Salzlösung berech-net werden.Abschließend betrachten wir noch den Fall einesSalzes, das als Anion ein als Ampholyt reagierendesTeilchen enthält (z. B. NaHCO3). In diesem Fall kann
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Säuren und Basen 61
Tabelle 2.6
pH-Wertberechnung für starke Säuren bzw. Basen
Säure Base
(9) cH3O+ = z · cHAz = Anzahl der Protonen,die abgegeben werden
(10) cOH– = z · cBz = Anzahl der Protonen,die aufgenommenwerden
(11) pH = –lg(z · cHA) (12) pOH = –lg(z · cB)pH =14 – pOHpH =14+ lg(z · cB)
Tabelle 2.7
pH-Wertberechnung für schwache Säuren und Basen
schwache Säure HA schwache Base B
(13) (14)
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der pH-Wert der Lösung nach folgender Beziehungberechnet werden:
Der pKs(1)-Wert ist die Säurekonstante des Am-pholyten (z. B. HCO3
–), der pKs(2)-Wert bezieht sichauf die konjugierte Säure des Ampholyten (hierH2CO3).
Berechnen Sie den pH-Wert einer wässrigenAmmoniumchloridlösung. Es sollen 0,535gNH4Cl in 50ml Lösung sein.Berechnen Sie den pH-Wert der wässrigenLösung von Kaliumdihydrogenphosphat,cKH2PO4
=0,1 mol/l. (Lösung s. S. 200)
2.5.9 Die Messung des pH-WertesDie experimentelle Bestimmung von pH-Werten istmit elektrochemischen Methoden (s. S. 76) und Farb-indikatoren möglich. Die Indikatoren sind organischeSäuren, die sich in ihrer Farbe von ihren korrespon-dierenden Basen unterscheiden. Bezeichnet man dieIndikatorsäure mit HInd, lässt sich folgendes Proto-lysegleichgewicht formulieren:
HInd + H2O Ind– + H3O+
Das Verhältnis von cHInd und cInd– bestimmt die Farbedes Indikators. Unter Berücksichtigung des Prinzipsvom kleinsten Zwang (s. S. 46) folgt für das Gleich-gewicht, dass bei Erniedrigung des pH-Werts (d. h.
Erhöhung der Hydroniumionen-Konzentration) dieKonzentration an Indikatorsäure zunimmt. Die Lö-sung nimmt die Farbe der Indikatorsäure (HInd) an.Eine Erhöhung des pH-Wertes begünstigt die Bildungder Indikatorbase (Ind–). Man sieht die Farbe vonInd–.Die Anwendung des Massenwirkungsgesetzes aufdas Protolysegleichgewicht des Indikators führt zufolgender Gleichung:
Ks(HInd) =cH3O+ · cInd–
cHInd
Für cInd– = cHInd gilt also:
Ks(HInd) = cH3O+ bzw. pKs (HInd) = pH.
Diesen pH-Wert bezeichnetman als Umschlagspunktdes Indikators, beobachtbar ist aber nur der Um-schlagsbereich.
MERKE
Ein Wechsel zwischen zwei Farben erscheint demAuge erst dann vollständig, wenn eine Komponentein zehnfachem Überschuss vorliegt. Für Indikatorenwerden deshalb Umschlagsbereiche angegeben, die2 pH-Einheiten umfassen:pH = pKs(HInd) ±1
Indikatoren können einen oder zwei Umschlagsbe-reiche besitzen (Tab. 2.8).Universalindikatoren enthalten ein Gemisch mehre-rer Indikatoren mit unterschiedlichen Umschlagsbe-reichen. Sie decken meist die gesamte pH-Skala ab.
2.5.10 Die Säure-Base-TitrationenDer Ablauf von Reaktionen zwischen Säuren undBasen kann durch weitestgehend kontinuierlicheMessung des pH-Wertes mit einem pH-Meter gutverfolgt werden. Eine Komponente mit genau be-kanntem Volumen wird vorgegeben. Schrittweisewird dann ein ganz exakt gemessenes Volumen deranderen Komponente hinzugegeben. Das vorgege-bene Volumen wird mit einer geeichten Pipette ab-gemessen. Die Zugabe erfolgt aus einer geeichtenBürette. Diesen Vorgang bezeichnet man als Titra-
tion. Man erhält auf diese Weise Diagramme, diedie Abhängigkeit des pH-Wertes vom zugegebenen
Die Säuren und Basen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht62
Tabelle 2.8
Farbindikatoren und deren Umschlagspunkte
Indikator Umschlags-bereich pH
Farbe
HInd (Indi-katorsäure)
Ind- (Indi-katorbase)
Phenolphtalein 8,0–9,8 farblos rot
Lackmus 5,0–8,0 rot blau
Methylrot 4,4–6,2 rot gelb
Methylorange 3,1–4,4 rot gelb-orange
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Volumen der zweiten Komponente bzw. von ihrerKonzentration zeigen (Titrationskurven, Abb. 2.14).Bei der Titration von Salzsäure mit Natronlauge(Abb. 2.14a) ändert sich der pH-Wert der Lösung an-fangs nur sehr geringfügig. Dann kommt es aber zueinem merklichen Sprung über einen großen pH-Be-reich. Im Anschluss verläuft die Kurve wieder flach.
2.5.10.1 Der ÄquivalenzpunktWenn gerade äquivalente Mengen von Salzsäurebzw. Essigsäure und Natronlauge vorliegen, weistdie Kurve einen Wendepunkt auf (Äquivalenzpunkt).Der Äquivalenzpunkt stimmt mit dem NeutralpunktpH =7 überein, wenn eine starke Säure mit einerstarken Base titriert wird. Ansonsten liegt er in Ab-hängigkeit von der Stärke der Säure und der Baseüber oder unter pH=7, wie am Beispiel der Titrations-kurve von Essigsäure mit Natronlauge zu sehen ist(Abb. 2.14b).
MERKE
Neutralpunkt (= pH 7) und Äquivalenzpunkt müssennicht übereinstimmen.Überlegen Sie sich nun, welche Ionen an den jewei-ligen Äquivalenzpunkten der zwei soeben bespro-chenen Titrationen vorliegen und welche Säure-Base-Reaktionen dieser Ionen möglich sind (Lösungs. S. 200).
2.5.10.2 Die Bestimmung der Konzentration ei-ner Säure oder BaseDie starke Änderung des pH-Werts in der Nähe desÄquivalenzpunktes wird bei quantitativen Bestim-mungen ausgenutzt. Um die genaue Konzentrationeiner Säure oder Base zu ermitteln, setzt man eindefiniertes Volumen der zu untersuchenden Lösungmit einer Maßlösung um. Es handelt sich hierbei umdie Lösung einer Säure oder Base mit einer ganz be-stimmten Konzentration. Diese Konzentration wirdauch als Titer bezeichnet. Der Endpunkt der Titrationist der Äquivalenzpunkt, also der Punkt, an demäquivalente Mengen Säure und Base vorliegen. Esgilt am Äquivalenzpunkt:
nHA = nB oder cHA · VHA = cB ·VB.
Da die Stoffmenge in der Maßlösung bekannt ist,kann auf diesem Wege die unbekannte Konzentra-tion oder Stoffmenge ermittelt werden. Den Äquiva-lenzpunkt kann man mithilfe eines Indikators erken-nen. Dieser muss natürlich so gewählt werden, dasssein Umschlagbereich auf dem Abschnitt des steils-ten Anstiegs der Titrationskurve (also dort, wo auch
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Säuren und Basen 63
Abb. 2.14 Titrationskurven für die Titration verschiedener Säu-ren mit Natronlauge; (a) Titration von Salzsäure (HCl) mit NaOH;(b) Titration von Essigsäure (CH3COOH) mit NaOH; (c) Titrationvon Phosphorsäure (H3PO4) mit NaOH
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der Äquivalenzpunkt zu finden ist) liegt. Wenn SieAbb. 2.14 anschauen, wäre das also in Abb. 2.14a und b
Phenolphthalein. Methylrot ist nur für die Titrationder Salzsäure (Abb. 2.14a) geeignet.Bei der Titration von Essigsäure (Abb. 2.14b) steigt derpH-Wert gleich zu Beginn allmählich an, der Sprungist nicht ganz so deutlich wie in Abb. 2.14a. Der Äqui-valenzpunkt befindet sich im basischen Bereich, daeine Natriumacetat-Lösung basisch reagiert. In derKurve (Abb. 2.14b) ist der Punkt markiert, an demder pH-Wert mit dem pKS-Wert der Essigsäure über-einstimmt. Dieser Punkt wird manchmal auch alsHalbäquivalenzpunkt bezeichnet, da hier genau dieHälfte der Säure mit NaOH zu Wasser und dem Salzder korrespondierenden Base reagiert hat. Die Stoff-mengen der noch vorliegenden Säure und ihrer kon-jugierten Base sind gleich.Bei der Titration mehrprotoniger Säuren kommenmehrere Sprünge vor (Abb. 2.14c). Experimentell las-sen sich bei der dreiprotonigen Phosphorsäure abernur 2 Sprünge in den Titrationskurven nachweisen,da der dritte Äquivalenzpunkt im stark basischenBereich liegt. Am 1. Äquivalenzpunkt ist folgenderUmsatz vollständig erfolgt:
H3PO4 + NaOH R H2PO4– + Na+ + H2O
Es liegt also der Ampholyt H2PO4– vor.
Am 2. Äquivalenzpunkt hat sich aufgrund der folgen-den Reaktion der Ampholyt HPO4
2– gebildet:
H2PO4– + NaOH R HPO4
2– + Na+ + H2O
2.5.11 Die PufferDer erste Abschnitt der Titrationskurve von Essig-säure (Abb. 2.14b) zeigt im Bereich um pH =4,75 nureine geringe Änderung des pH-Wertes. Welche Teil-chen liegen also in diesem Bereich vor? Die Reaktionzwischen Essigsäure und Natronlauge ist noch nichtvollständig abgelaufen, da noch keine Äquivalenz inden Stoffmengen erreicht wurde. Wir nehmen an,dass 10ml Säure mit c = 0,1 mol/l vorgelegt wurden,das entspricht der Stoffmenge nCH3COOH =10–3mol. Essollen 3ml NaOH mit c = 0,1 mol/l zugegeben wer-den, das sind 0,3 · 10–3 mol NaOH. Von denvorgelegten 10–3 mol Essigsäure sind dann nurnoch 0,7 · 10–3 mol vorhanden, 0,3 · 10–3 mol Essig-säure haben mit 0,3 · 10–3 mol der konjugierten BaseAcetationen gebildet.
10–3 mol CH3COOH +0,3 · 10–3 mol NaOH R
0,3 · 10–3 mol NaCH3COO +0,3 · 10–3 mol H2O +0,7 · 10–3 mol CH3COOH
Also liegen eine schwache Säure und ihre konjugierteBase gleichzeitig vor. Solche Lösungen bezeichnetman als Pufferlösungen. Analog kann ein Pufferauch aus einer schwachen Base und der konjugiertenSäure bestehen (z. B. Ammoniak und Ammoniumio-nen). Weitere Beispiele sind in Tab. 2.9 aufgeführt.Charakteristisch für diese Puffer ist, dass bei äquiva-lenten Stoffmengen von Säure und konjugierter Baseder pH-Wert mit dem pKs-Wert der Säure überein-stimmt. Wenn sich das Verhältnis cA-/cHA auf 10 oderauf 0,1 ändert, dann ändert sich der pH-Wert geradeum eine Einheit. Erst danach ändert sich der pH-Wertdrastisch.Dies wird verständlich, wenn man das Massen-wirkungsgesetz auf das in der Pufferlösung vorhan-dene Gleichgewicht anwendet:
1. Reaktionsgleichung:HA + H2O A– + H3O+
2. Anwenden des MWG:
(1)
Die Säuren und Basen 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht64
Tabelle 2.9
Beispiele für Puffersysteme und ihre optimalenPufferbereiche
Säure korrespondierendeBase
pH-Optimum
CH3COOH CH3COO– 4,75±1
NH4+ NH3 9,25±1
H2CO3 HCO3– 6,52±1
H2PO4– HPO42– 7,12±1
Glycin deprotoniertesGlycin (s. S. 166)
2,4±1
protoniertes Glycin(s. S. 166)
Glycin 9,60±1
Citronensäure Citrat 2,34±1
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2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Säuren und Basen 65
3. Umstellen nach der Hydroniumionen-Konzentra-tion:
(2)
4. Logarithmieren:
(3)
Diese Gleichung zur Berechnung des pH-Wertes ei-ner Pufferlösung heißt Henderson-Hasselbalch-Glei-chung.Die in der Gleichung auftretenden Konzentrationenbeziehen sich auf das Volumen der Pufferlösung. Dadieses im Zähler und Nenner selbstverständlichgleich ist, kann man es kürzen und nur mit Stoff-mengen arbeiten:
(4)
Wird also eine Pufferlösung mit Hydroniumionenversetzt, dann müssen die zugeführten Hydronium-ionen mit den A–-Ionen zu HA reagieren. Nur sobleibt die Gleichgewichtskonstante Ks (Gl. 1) wirklicheine Konstante. Das Protolysegleichgewicht ver-schiebt sich nach links, die Hydroniumionen werdendurch A– „abgepuffert“. Dies ist so lange möglich, bisdas Verhältnis nA– / nHA gerade 0,1 beträgt. Im An-schluss daran ändert sich der pH-Wert drastisch.FügtmanderPufferlösungOH–-Ionen zu, so reagierendiese mit HA zu A– und H2O, d. h., das Gleichgewichtverschiebt sich nach rechts. Erst wenn das VerhältnisnA– / nHA größer als 10 wird, ist der Puffer „erschla-gen“, d. h. seine Kapazität ist ausgeschöpft. Je kon-zentrierter eine Pufferlösung ist, umso höher ist ihreKapazität. Der pH-Wert ändert sich aber nicht.
MERKE
Die Pufferkapazität ist definiert als die Menge einerSäure oder Base, die für eine pH-Änderung um ±1benötigt wird.
Dies wollen wir anhand zweier Rechenbeispieleüberprüfen:Beispiel 1: Es wird ein Puffergemisch aus Ammo-niumchlorid und Ammoniak hergestellt (500ml bei-der Stoffe mit der Konzentration c =0,01 mol/l).Zuerst berechnet man die Stoffmengen für Säure(NH4
+) und korrespondierende Base (NH3). Sie be-
tragen für die Lösungen der Konzentration c =0,01mol/l:
n = c · V =0,01 mol/l · 0,5 l = 0,005 mol (5)
Für den pH-Wert erhält man mit Gl. 4 folgendes Er-gebnis:
(6)
Verständlicherweise wird auch bei Verwendung vonLösungen der Konzentration c =0,1 mol/l das gleicheErgebnis herauskommen. Die beiden absoluten Stoff-mengen verändern sich auf 0,05 mol, aber nicht ihrVerhältnis.Wie verändert sich der pH-Wert aber bei Zugabe von10ml einer Salzsäure mit der KonzentrationcHCl =0,05 mol? Die Stoffmenge zugefügter HCl be-trägt:
n = c · V =0,05 mol/l · 0,01 l = 0,0005 mol (7)
Es werden also 5 · 10–4 mol HCl zugegeben. Die imPuffer enthaltenen Ammoniakmoleküle dienen alsProtonenakzeptor. Dadurch verringert sich ihre Stoff-menge, die Stoffmenge der korrespondierendenSäure erhöht sich.
(8)
Der pH-Wert ändert sich von 9,25 auf 9,16.Wenn Sie die 10ml Salzsäure cHCl =0,05 mol zu990ml Wasser gegeben hätten, wäre eine pH-Ände-rung von 7 auf 3,3 eingetreten!Beispiel 2:Welche Veränderung ergibt sich bei einemPuffer aus höher konzentrierten Lösungen von Am-moniak und Ammoniumchlorid?Die Stoffmengen von Ammoniak und Ammonium-chlorid beliefen sich in der höher konzentriertenPufferlösung auf 0,05 mol:
(9)
Da die konzentriertere Pufferlösung über eine grö-ßere Pufferkapazität verfügt, ist ihre Veränderung
2
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Die Komplexbildung 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht66
des pH-Werts geringer. Gleichermaßen gehen Sie beider Zugabe einer Base vor. Es ist darauf zu achten,dass nun die Säurekomponente mit der Base reagiertund deshalb deren Stoffmenge kleiner wird, wäh-rend die Stoffmenge der Base entsprechend zu-nimmt.
Klinischer Bezug
Für die Konstanthaltung des Blut-pH-Wertes sorgendrei Puffersysteme:– Kohlensäure/Hydrogencarbonat-Puffer
(pKs = 6,1)
– Dihydrogenphosphat/Hydrogenphosphat-Puffer(pKs = 6,8)
– Protein/Proteinanion-Puffer (pKs = 8,25)
(pK-Werte beziehen sich auf Körpertemperatur).Auch alle Enzyme reagieren empfindlich auf pH-Wert-Änderungen. Sie haben ein Wirkungsoptimum bei ei-nem bestimmten pH-Wert. Die pH-Werte der ver-schiedenen Verdauungsflüssigkeiten und die pH-Op-tima der Enzyme stimmen beim gesunden Menschenüberein. Von Bedeutung für die klinische Praxis ist dieBestimmung der Magensaftazidität. Die Protonen desMagensaftes stammen zu 1/3 aus Salzsäure und zu 2/3aus organischen Säuren. Abweichungen von dieser Zu-sammensetzung liefern wichtige Aufschlüsse über Er-krankungen.Viele Pharmaka (Opiate oder Lokalanästhetika) sindBasen mit einem pKB-Wert um 9. Das muss man beideren Verwendung berücksichtigen, z. B. können Lo-kalänesthetika nicht wie gewünscht wirken, da im ent-zündeten Gewebe das Milieu sauer ist und so die Wir-kung der Base aufgehoben wird.
Nutzen Sie die eben erworbenen Kenntnisse zur Lö-sung der folgenden Aufgaben.
100ml Essigsäure der KonzentrationcCH3COOH =0,01 mol/l werden mit 5ml NaOHder Konzentration cNaOH =0,1 mol/l versetzt.Berechnen Sie den pH-Wert der Lösung (Lö-sung s. S. 201).100ml Essigsäure der KonzentrationcCH3COOH =0,01 mol/l werden mit 50ml Nat-ronlauge der Konzentration cNaOH =0,02 mol/lversetzt. Berechnen Sie den pH-Wert der Lö-sung (Lösung s. S. 201).
Check-up4 Wiederholen Sie noch einmal die Definitionen
für Säure und Base nach Brønsted sowie dieBegriffe konjugierte Säure-Base-Paare undAmpholyt.
4 Machen Sie sich die Einteilung in starke undschwache Säuren und Basen klar. Mit Hilfe dertabellierten Werte (s. S. 206) können Sie an-hand der pK- bzw. K-Werte eine richtige Zu-ordnung vornehmen. Hilfreich ist es auch, sicheinige typische Vertreter für starke undschwache Säuren und Basen zu merken.
4 Prägen Sie sich einige Beispiele für Puffersys-teme gut ein. Denken Sie daran, dass ein Puf-fer aus 2 Komponenten besteht, nämlichschwacher Säure (pKS zwischen 2,5 und 10,5)und korrespondierender Base. Sie haben jetztalle Formeln gelernt, um wichtige Punkte derTitrationskurven theoretisch zu berechnen.Überlegen Sie sich, welche Stoffe an den je-weiligen Punkten der Titrationskurve vorlie-gen und verwenden Sie dann die jeweils not-wendigen pH-Gleichungen.
2.6 Die Komplexbildung
LerncoachIn Komplexen ist das Metallion koordinativgebunden. Falls Sie unsicher sind, wiederholenSie noch einmal die Charakteristika der koor-dinativen Bindung (s. S. 31).Da es sich auch bei der Bildung von Komple-xen um eine Gleichgewichtsreaktion handelt,ist es wichtig, dass Sie auch hier das Massen-wirkungsgesetz anwenden können (s. S. 45).
2.6.1 Der ÜberblickDie Komplexbildung spielt im Alltag eine große Rolle(z. B. Fotografie, Verfahren zur Wasserenthärtung).Biochemisch interessant ist, dass die Spurenele-mente (z. B. Zink, Kupfer) als Metallionen in Kom-plexen gebunden und diese wiederum Bestandteilvon Enzymen und Hormonen sind. Nachfolgend wer-den die Gleichgewichtsverhältnisse bei Komplexenund die besondere Stabilität von Chelatkomplexenbesprochen. Außerdem wird die Nomenklatur derKomplexe erläutert.
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2.6.2 Die NomenklaturKomplexverbindungen oder Koordinationsverbin-
dungen wie [Ag(NH3)2]Cl erinnern auf den erstenBlick an Salze. Die Kationen oder die Anionen sindhier aber komplizierter, nämlich komplex aufgebaut.Die Komplexionen werden in eckige Klammern ge-setzt. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sich anein Metallion (Zentralatom, Zentralteilchen) weitereIonen oder Neutralteilchen (Liganden) anlagern.Diese weisen Atome mit freien Elektronenpaarenauf (sog. Haftatome), dadurch kann es zur Ausbil-dung koordinativer Bindungen zwischen Ligandenund Zentralion kommen. Die den Komplex bildendenTeilchen können analytisch schwer nachgewiesenwerden.Die Namensgebung lehnt sich an die der Salze an(s. S. 24): es wird immer zuerst das Kation und danndas Anion genannt.Für komplexe Ionen gelten folgende Regeln: MerkenSie sich, dass der Name von Komplexionen immermit der Anzahl (griech. Bezeichnung!) und dem oderden Namen des/r Liganden beginnt. Bei komplexenKationen folgt der deutsche Name des Zentralatoms
(s. S. 31). Bei komplexen Anionenwird der lateinischeName des Zentralteilchens mit der Endung -at ange-fügt. Für Liganden gelten die in Tab. 2.10 angegebenenBezeichnungen.
MERKE
Liganden, die nur eine koordinative Bindung auf-bauen, nennt man einzähnig. Wenn Liganden meh-rere Atome mit freien Elektronenpaaren aufweisenund unter Ausbildung energetisch günstiger Ring-systeme mehrere koordinative Bindungen pro Li-gand ausbilden, spricht man von mehrzähnigen Li-ganden (Abb. 2.15).
2.6.3 Die Gleichgewichtskonstante vonKomplexbildungsreaktionen
Für die Bildung des Diamminsilber(I)-KationsAg+ +2 NH3 [Ag(NH3)2]+
gilt folgende Gleichgewichtskonstante:
MERKE
Je größer diese Gleichgewichtskonstante ist, umsostabiler ist der Komplex. Sie heißt Komplexbildungs-konstante.
Bereits eine geringe Konzentration von Silberionenist für die Komplexbildung ausreichend. Deshalbkann das relativ schwer lösliche Salz AgCl durchKomplexbildung mit Ammoniak gelöst werden. Beimehrzähnigen Liganden ist die Gleichgewichtskon-stante besonders groß. So beträgt die Komplex-bildungskonstante für das Hexamminnickel(II)-Kat-ion 109. Wenn aber ein Komplex mit 3 MolekülenEthylendiamin H2N–CH2–CH2–NH2 entsteht, beträgtsie 1018! Diese stabilen Komplexe mehrzähniger Li-
ganden werden als Chelatkomplexe bezeichnet. Ge-wöhnlich entstehen bei der Bildung von Chelatkom-plexen Ringemit 5 oder 6 Gliedern (zur Stabilität vonRingen s. S. 91).Auch für den Austausch von Liganden kann manGleichgewichtskonstanten angeben. Ein Liganden-
austausch ist häufig mit einer Farbvertiefung ver-knüpft:Ligandenaustauschreaktionen sind auch der Grundfür die saure Reaktion zahlreicher Metallsalzlösun-gen. Eine Eisen(III)-chloridlösung reagiert sauer, weildie am Fe3+-Ion komplex gebundenen Wassermole-küle durch die hohe positive Ladung des Kationsnoch stärker polarisiert sind. Dadurch kann leichtein Proton aus der Hydrathülle abgespalten werden:Die einfach oder zweifach geladenen Ionen der Al-kali- und Erdalkalimetalle polarisieren die Wasser-moleküle wesentlich weniger, deshalb werden ausderen Hydrathüllen keine Protonen abgegeben.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Komplexbildung 67
Tabelle 2.10
Namen von Liganden
Formel Name als Ligand im Komplex
NH3 ammin
H2O aqua (o)
CO carbonyl
Cl– chloro
OH– hydroxo
SCN– thiocyanato
CN– cyano
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Klinischer Bezug
Die Mehrzahl biologisch wichtiger Komplexe sind Che-latkomplexe. So sehen Sie in Abb. 2.15 den für dasHämoglobin wichtigen Porphin-Chelat-Komplex. ZurHemmung der Blutgerinnung wird EDTA (Ethylen-diamintetraacetat) verwendet, da es mit Ca2+ einenstabilen Komplex bildet (s. Abb. 2.15). Auch in derSchwermetallanalytik und zur Bestimmung der Was-serhärte wird es benötigt. Platinkomplexe spielen fürdie Chemotherapie bösartiger Tumoren, Goldkom-plexe in der Rheumatologie eine Rolle. Bei der Be-handlung des Morbus Wilson, einer Kupferspeicher-krankheit, verwendet man D-Penicillamin als
Komplexbildner. Auch bei Schwermetallvergiftungengibt man Komplexbildner (z. B. Penicillamin bei Blei-vergiftung).
Check-up4 Machen Sie sich nochmals die grundlegenden
Begriffe der Komplexchemie klar: Ligand,Zentralatom, Koordinationszahl, Zähnigkeit,Chelatkomplex, Komplexbildungskonstanteund Ligandenaustauschreaktion.
4 Wiederholen Sie einige Beispiele für ein- undmehrzähnige Liganden.
Die Komplexbildung 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht68
Abb. 2.15 Beispiele für ein- und mehrzäh-nige Liganden (die Haftatome sind jeweils far-big unterlegt)
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2.7 Die Oxidation und die Reduktion
LerncoachDas Periodensystem bietet Ihnen wichtigeInformationen zum Oxidations- und Reduk-tionsverhalten der Elemente. Man kann da-raus ablesen, welche Elemente leicht Elektro-nen aufnehmen (= Reduktion) und welcheleicht Elektronen abgeben (= Oxidation).
2.7.1 Der ÜberblickRedoxreaktionen, also Oxidationen und Reduktio-nen, laufen ständig in unserer Umwelt und unseremKörper ab. Sie sind ein wichtiger Bestandteil lebens-erhaltender Prozesse (z. B. Atmung, Energiege-winnung durch Verbrennen fossiler Materialien,Photosynthese). Neben der Definition von Redoxvor-gängen sind im folgenden Kapitel die Spannungs-reihe und die Nernst-Gleichung erläutert.
2.7.2 Die Theorie von Oxidation und Reduktion2.7.2.1 Die DefinitionenRedoxvorgänge sind Elektronenübertragungs- oderElektronentransferreaktionen. Früher betrachteteman sie ausschließlich als Prozesse der Sauerstoff-aufnahme und -abgabe. Eine Oxidation ist eine Reak-tion, die durch Elektronenabgabe charakterisiert ist.Unter Reduktion versteht man eine Reaktion, die mitElektronenaufnahme verbunden ist. Das Teilchen, dasElektronen abgibt, bezeichnet man als Reduktions-mittel (RM). Das Oxidationsmittel (OM) nimmt Elekt-ronen auf.Wie man anhand der beiden nachfolgend aufgeführ-ten Reaktionen sehen kann, bildet sich aus einemReduktionsmittel immer ein Oxidationsmittel bzw.umgekehrt. Diese Paare bezeichnet man als korres-
pondierende Redoxpaare. Eine Oxidation ist immermit einer Reduktion verbunden, da es sonst zu einer„Elektronenproduktion“ käme. Die beiden Teilreak-tionen fasst man zu einer Gesamtreaktion zusammen(Redoxreaktion). An ihr sind immer zwei Redoxpaarebeteiligt.
Oxidation: RM1 OM1 + e
Reduktion: OM2 + e RM2
Redoxreaktion: RM1 + OM2 OM1 + RM2
2.7.2.2 Die OxidationszahlDie Oxidationszahl (OZ) ist ein Hilfsmittel zur Be-schreibung der Elektronenabgabe bzw. -aufnahmeund ersetzt die alten, mehrdeutigen Begriffe Wertig-keit oder Valenz eines Elements. Es handelt sich beider Oxidationszahl um gedankliche Ladungszahlen,d. h., sie geben die Ladung an, die das einzelne Atomals Ion in einer entsprechenden Verbindung hätte.Beim Festlegen der Oxidationszahl gelten folgendeRegeln:1. Ein einzelnes Atom oder ein Atom in einer Ele-
mentsubstanz hat die OZ 0.2. In einem einatomigen Ion ist die OZ gleich der
Ladungszahl des Ions.3. In mehratomigen Ionen und in Verbindungen gilt:
Die Bindungselektronenwerden entsprechend ih-rer Elektronegativität den beteiligten Atomen zu-geordnet. Daraus folgt:a. Metalle erhalten stets eine positive OZ.b. Fluor hat immer die OZ -1.c. Wasserstoff erhält in der Regel die OZ +1 (Aus-
nahme: Hydride. Hydride sind Element-Was-serstoff-Verbindungen [z. B. NaH]. Wasserstoffhat hier die OZ -1).
d. Sauerstoff erhält in der Regel die OZ -2 (Aus-nahme ist z. B. Wasserstoffperoxid H2O2).
e. Halogene erhalten die OZ -1, wenn sie nichtmit O-Atomen verbunden sind.
4. In Molekülen und Formeleinheiten muss dieSumme aller OZ Null sein.
5. In mehratomigen Ionen ist die Summe der OZgleich der Ionenladung.
6. Einem Element können in verschiedenen Verbin-dungen unterschiedliche Oxidationszahlen zu-kommen. Die höchstmögliche Oxidationszahleines Elements darf nicht größer als die Gruppen-nummer im Periodensystem (alte Zählweise) sein(s. S.17).
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Oxydation und die Reduktion 69
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Die Oxydation und die Reduktion 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht70
Beispiel: Bei der vollständigen Verbrennung von Koh-lenstoff reagieren Kohlenstoff und Sauerstoff zu Koh-lendioxid.
1. Aufschreiben der Formeln:C + O2 R CO2
2. Festlegen der OZ:
±0 ±0 +4 –2C + O2 R CO2
3. Kennzeichnen der Oxidation und der Reduktionund Angabe der aufgenommenen bzw. abgegebenenElektronen (Abb. 2.16):
4. Ausgleichen der Elektronenbilanz:Das Kohlenstoffatom liefert 4 Elektronen. JedesSauerstoffatom nimmt 2 Elektronen auf. Die Bilanzsieht folgendermaßen aus:Abgabe: 4 Elektronen Aufnahme: 2 ×2 ElektronenDie Bilanz ist bereits ausgeglichen.
5. Prüfen, ob auf der linken und rechten Seite derGleichung die Anzahl der einzelnen Atome überein-stimmt:
links rechts1 C 1 C2 O 2 O
6. Prüfen, ob die Anzahl der Ladungen auf beidenSeiten der Gleichung identisch ist:
links rechtsLadungssumme: 0 Ladungssumme: 0
Meistens ist die Lösung aber nicht so einfach, da dieElektronenbilanz nicht sofort ausgeglichen ist (siehenächstes Beispiel). Außerdem muss man berücksich-tigen, dass viele Reaktionen auch vom pH-Wert ab-hängen, dann treten Protonen in der Reaktionsglei-
MERKE
Oxidationszahlen sind nicht mit Formalladungenidentisch. Bei der Zuweisung von Formalladungenwerden die Bindungselektronen zu gleichen Teilenzwischen den beteiligten Atomen aufgeteilt. Bei derBestimmung der Oxidationszahl werden die Bin-dungselektronen dem elektronegativeren Partnerzugewiesen.
Die Oxidationszahl ermöglicht die folgende Defini-tion von Oxidation und Reduktion:
Die Oxidation ist ein Vorgang, der durch eine Er-höhung der Oxidationszahl eines Elements cha-rakterisiert ist.Die Reduktion ist mit einer Erniedrigung der Oxi-dationszahl verbunden.
Nachfolgend sind einige Beispiele zum Bestimmender Oxidationszahl aufgeführt (Tab. 2.11).
Das Bestimmen von Oxidationszahlen ist einewichtige Voraussetzung für das erfolgreiche Auf-stellen von Redoxgleichungen. Um dies zu üben,können Sie die in Tab. 2.11 aufgeführten Beispielenachvollziehen.
2.7.2.3 Das Aufstellen von RedoxgleichungenReaktionsgleichungen zur Beschreibung von Redox-vorgängen sind meist schwierig zu formulieren. Eskommt darauf an, die Zahl der abgegebenen und deraufgenommenen Elektronen auszugleichen und na-türlich auch dafür zu sorgen, dass die Anzahl und dieArt der Atome sowie die Summe der Ionenladungenauf beiden Seiten der Reaktionsgleichung gleich großsind. Für das Aufstellen der Redoxgleichungen gibt esverschiedene Möglichkeiten, eine davon wird hiervorgestellt:
Tabelle 2.11
Beispiele zur Bestimmung der Oxidationszahl (OZ)
OZ Begründung
N2 N: 0 Regel 1
PO43- O: -2, P: 5 Regel 3 d und 5
KClO4 K: + 1, O: -2, Cl: + 7 Regel 3 a, 3 d, 4, 6
H2O2 H: + 1, O: -1 Regel 3 c, 3 d, 4
Abb. 2.16 Kennzeichnen derOxidation und Reduktion
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chung auf. Dass Protonen in Lösung nicht frei vor-kommen, wissen Sie bereits. Um das Aufstellen derRedoxgleichungen zu vereinfachen, wird hier nurmitH+ gearbeitet. Protonen treten z. B. bei folgenderReaktion in der Gleichung auf. Im Labor kann manChlor darstellen, indem man Salzsäure zu Kalium-permanganat gibt. Es entstehen neben Chlor Mn2+-Ionen.
1. Aufschreiben der Formeln:Da man in wässrigem Milieu arbeitet, kann mangleich die Ionenschreibweise benutzen.
K+ + MnO4– + H+ + Cl– R K+ + Mn2+ + Cl2
2. Festlegen der OZ:
+1 +7 –2 +1 –1 +1 +2 0K+ + MnO4
– + H+ + Cl– R K+ + Mn2+ + Cl2
Beachten Sie, dass sich die Oxidationszahl immer aufdas einzelne Atom bezieht. Vielleicht wollten Sieüber Sauerstoff im Permanganation MnO4
– ja -8schreiben. Das ist falsch! Es ist aber die Schreibweise4 · (-2) möglich.
3. Kennzeichnen der Oxidation und der Reduktion(Abb. 2.17) und Angabe der aufgenommenen bzw. ab-gegebenen Elektronen(Abb. 2.18):Bevor wir die Teilschritte der Oxidation und der Re-duktion kennzeichnen, sollten wir bereits hier be-
rücksichtigen, dass molekulares Chlor nur dann ent-stehen kann, wennwir auch zwei Chloridionen in derReaktionsgleichung berücksichtigen.
4. Ausgleichen der Elektronenbilanz:
Abgabe: 2 Elektronen Aufnahme: 5 Elektronen
Die Bilanz ist nicht ausgeglichen! Deshalb bildet mandas kleinste gemeinsame Vielfache aus den Elektro-nenanzahlen. Die Teilgleichung der Oxidation ist mit5, die Teilgleichung der Reduktion mit 2 zu multi-
plizieren (Abb. 2.19).Es werden jetzt insgesamt 10 Elektronen aufgenom-men und abgegeben.
5. Prüfen, ob auf der linken und rechten Seite derGleichung die Anzahl der einzelnen Atome überein-stimmt:
links rechts1 K 1 K2 Mn 2 Mn8 O kein O1H kein H10 Cl 10 Cl
Sie sehen, dass bei den o. g. Redoxpaaren (Mn[+7]/Mn[+2] und 2 Cl[–1]/Cl2[0]) die Bilanz stimmt. Hierdürfen Sie jetzt keine Änderungenmehr vornehmen!Auf der rechten Seite der in Abb. 2.19 aufgeführtenGleichung müssen Sie acht Sauerstoffatome mit derOZ -2 ergänzen. Deshalb ergänzen Sie 8 MoleküleWasser (damit stimmtdieSauerstoffbilanz). Anschlie-ßend werden auf der linken Seite 16H+ hinzugefügt(dann stimmt auch die Protonenbilanz).
K+ +2 MnO4–+16H+ +10 Cl–
R K+ +2 Mn2+ +5 Cl2 +8H2O
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Oxydation und die Reduktion 71
Abb. 2.19 Ausgleich der Elektronenbilanz
Abb. 2.17 Kennzeichnen der Oxidation und der Reduktion
Abb. 2.18 Angabe der aufgenommenen und abgegebenenElektronen.
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6. Prüfen, ob die Anzahl der Ladungen auf beidenSeiten der Gleichung identisch ist.
links rechtsLadungssumme: +5 Ladungssumme: +5
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass das Kaliumiongar keine Rolle in der Redoxreaktion spielte. Ionen,die nicht am Redoxgeschehen beteiligt sind, mussman beim Aufstellen der Gleichung nicht unbedingtberücksichtigen. Sie können also schreiben:
2 MnO4– +16H+ +10 Cl– R 2 Mn2+ +5 Cl2 +8H2O
Die größte Schwierigkeit bereitet gewöhnlichdie Formulierung der Ausgangs- und Endprodukteeiner Redoxreaktion. Diese werden Ihnen in denmeisten Fällen vorgegeben. Wenn Sie dann dieOxidationszahlen richtig festlegen und die Elekt-ronen richtig bilanzieren, sollte Ihnen das Aufstellenvon Redoxgleichungen keine Probleme bereiten.
2.7.2.4 Die RedoxamphoterieEinige Verbindungen können als Oxidationsmittelund als Reduktionsmittel reagieren. So kannWasser-stoffperoxid (H2O2) Kaliumpermanganat (KMnO4)reduzieren, es kann aber auch Kaliumiodid KI zuIod I2 oxidieren.
5H2O2 +2 MnO4– +6H+ R 5O2 +2 Mn2+ +8H2O
H2O2 +2 I– +2H+ R 2H2O + l2
Beide Reaktionen können experimentell gut verfolgtwerden, da Farbveränderungen auftreten und bei derersten Reaktion der entstehende Sauerstoff durch dieSpanprobe nachgewiesen werden kann. Bei derSpanprobe wird ein glühender Span benutzt. Bei An-wesenheit von Sauerstoff flammt er auf.Wasserstoffperoxid ist also sowohl Reduktionsmittelals auch Oxidationsmittel, es ist redoxamphoter.Wasserstoffperoxid kann sogar in einer Reaktion Re-duktions- und Oxidationsmittel sein.
H2O2 + H2O2 R 2H2O + O2
Wenn man die Oxidationszahlen von Sauerstoff inWasserstoffperoxid und in Wasser sowie immoleku-laren Sauerstoff vergleicht, stellt man fest, dass die
Sauerstoffatome von einer mittleren Oxidationszahl(-1 in H2O2) in eine höhere (±0 in molekularemSauerstoff) und eine tiefere (-2 in Wasser) überge-hen. Einen solchen Redoxvorgang bezeichnetman alsDisproportionierung.
2.7.2.5 Die KnallgasreaktionRedoxreaktionen begegnen Ihnen ständig. Sie sindauch die Ursache für Korrosionsvorgänge, die großeSchäden anrichten. Die nach externer Zündung ex-plosionsartig ablaufende Reaktion zwischen gasför-migem Wasserstoff und Sauerstoff im Volumenver-hältnis 2:1 ist als Knallgasreaktion bekannt:
2H2 + O2 R 2H2O ΔH = -285,83 kJ/mol
Die Reaktion ist stark exotherm. In Gegenwart vonKatalysatoren (z. B. in Brennstoffzellen) kann aucheine langsame Verbrennung zu Wasser erfolgen.Auch bei allen Lebewesen, die zur EnergieerzeugungSauerstoff benötigen, wird die Energie formal aus derKnallgasreaktion gewonnen. Es handelt sich um eineals Atmungskette bezeichnete Folge von gekoppel-ten, durch spezifische Enzyme katalysierte Redox-reaktionen, in deren Verlauf unter Mitwirkung vonNADHWasserstoff zuWasser oxidiert wird Die Elekt-ronen durchlaufen ein Potenzialdifferenz von 1,14 V,wir werden sehen, dass das einer freien (biochemi-sche) Standardreaktionsenergie von -220kJ/mol ent-spricht. Ein Teil dieser Energie wird in Form von ATPgespeichert; für die Synthese von 1mol ATPmuss dieEnergie ΔG0 = +30,5 kJ mol aufgebracht werden.
2.7.3 Die quantitative Beschreibung vonRedoxvorgängen2.7.3.1 Die Potenziale an HalbzellenOb eine Elektronenübertragung stattfinden kann,hängt von der Stärke der jeweils beteiligten Redox-paare ab (vgl. die Reaktionen „Oxidation“ und„Reduktion“ auf S. 69).
MERKE
Ein sehr starkes Oxidationsmittel korrespondiert im-mer mit einem sehr schwachen Reduktionsmittelund umgekehrt.
Um die Stärke des Oxidationsmittels bzw. Reduk-tionsmittels zu beschreiben, verwendenwir folgende
Die Oxydation und die Reduktion 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht72
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Anordnung (Abb. 2.20, rechter Teil): ein Kupferstab(das Metall ist das Reduktionsmittel und wird alsElektrode bezeichnet [electro + hodos griech. Weg])taucht in eine CuSO4-Lösung. Die Cu2+-Ionen sind daskorrespondierende Oxidationsmittel. Es stellt sichein Gleichgewicht zwischen Cu und Cu2+ ein. DieseAnordnung bezeichnet man als Halbzelle, in der eszur Ausbildung eines elektrischen Potenzials kommt.Dieses Potenzial kann aber nicht direkt, sondern nurdurch Kopplung mit einer zweiten Halbzelle gemes-sen werden, mit der die erste Halbzelle elektrischleitend verbunden wird. So ist eine Kopplung miteinem Zinkstab möglich, der in eine ZnSO4-Lösungtaucht (Abb. 2.20 links). Auch zwischen Zn und Zn2+
stellt sich ein Gleichgewicht und damit ein elektri-sches Potenzial ein. Wenn beide Halbzellen elekt-risch leitend verbunden werden, fließen Elektronenvon einer Halbzelle zur anderen. Die Fließrichtunghängt von den Potenzialen ab.In unserem Beispiel erfolgt der Elektronenfluss vomZink zum Kupfer. Diese Anordnung wird als Daniell-Element bezeichnet. Wird diese Kombination alsStromquelle verwendet, spricht man auch von einergalvanischen Zelle oder einem galvanischen Element.Das elektrische Potenzial einer solchen Zelle nenntman elektromotorische Kraft (EMK). Sie ist ein Aus-druck für das Arbeitsvermögen. Die Standard-EMK E
0
bezieht sich auf die elektromotorische Kraft einerZelle, in der alle Reaktanten und Produkte in ihrenStandardzuständen vorliegen.Man kann die Spannung (= Potenzialdifferenz) eineseinzelnen Redoxpaares nicht experimentell bestim-men. Exakt messbar ist nur die Potenzialdifferenzzweier Redoxpaare. Um allgemein verwendbareDaten zu erhalten, muss man sich auf eine stan-
dardisierte Vergleichsgröße beziehen. Zu diesemZweck wurde das korrespondierende RedoxpaarH2/2H3O+ unter Standardbedingungen ausgewählt.Experimentell handelt es sich um eine Salzsäurelö-sung, cHCI =1mol/l, in die eine Platinelektrode taucht,die vonWasserstoff mit dem Druck pH2
=1013 hPa beiT = 298 K umspült wird (Abb. 2.21).Folgender potenzialbildender Vorgang findet statt:
2H2O + H2 2H3O+ +2e-,
den man vereinfacht auch oft so schreibt:
H2 2H+ +2e-
Das sich in dieser Halbzelle aufbauende Potenzialwird gleich Null gesetzt.Nun können alle beliebigen Redoxpaare gegen dieseStandardwasserstoffelektrode geschaltet und dieStandardpotenziale gemessen werden.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Oxydation und die Reduktion 73
Abb. 2.20 Der schematische Aufbau des Daniell-Elements
Abb. 2.21 Der Aufbau der Standardwasserstoffelektrode
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Die Standardpotenziale beziehen sich auf die Halb-zellen. Die elektromotorische Kraft beschreibt dieKopplung zweier Halbzellen.
2.7.3.2 Die elektrochemische SpannungsreiheDie Standardpotenziale werden als elektrochemischeSpannungsreihe (Tab. 2.12) angeordnet. Die redu-
zierte Form (also das Reduktionsmittel) steht dabeiimmer auf der linken Seite, die oxidierte Form (alsodas Oxidationsmittel) auf der rechten Seite. Die Ten-denz der Elektronenabgabe und damit auch die re-duzierende Wirkung nimmt auf der linken Seite (re-duzierte Form) von unten nach oben zu. Die Tendenzder Elektronenaufnahme und die oxidierende Wir-kung nehmen auf der rechten Seite (oxidierte Form)von oben nach unten zu.Metalle, die in der Spannungsreihe oberhalb desWasserstoffs stehen, können Elektronen an H+ ab-geben. Das bedeutet, dass sie sich in Säuren unterWasserstoffentwicklung lösen. Sie haben eine großeReduktionskraft, man bezeichnet sie als unedle Me-talle.
Metalle, die unterhalb des Wasserstoffs stehen, ha-ben eine geringe Reduktionskraft, ihre Kationen sindgute Oxidationsmittel. Sie werden als Halbedel- oderals Edelmetalle bezeichnet (Tab. 2.13). Diese Metallekommen in der Natur auch gediegen vor, d. h. siekommen als Elementsubstanzen vor (z. B. Gold).Aber Eisen findet man nicht gediegen, Eisenerz ent-hält oxidierte Formen von Eisen. Für die Eisenher-stellung muss man das Oxid also reduzieren (Hoch-ofenprozess).Mit Hilfe der Spannungsreihe können Sie bereitsqualitativ abschätzen, ob eine Reaktion ablaufenkann oder nicht. Wenn Sie die Redoxpaare immerso anordnen wie in der Spannungsreihe, dann wirdeine Reaktion ablaufen, wenn ein Elektronenfluss„von links oben nach rechts unten“ erfolgt.
Die Oxydation und die Reduktion 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht74
Tabelle 2.12
Die elektrochemische Spannungsreihe (25 °C, 101,3 kPa)
Tabelle 2.13
Verhalten von Metallen gegenüber Säuren
Unedle Metalle Halbedelmetalle Edel-metalle
Na Mg Zn Fe H Cu Ag Hg Au Pt
Oxidation des Metallsunter H2-Entwicklung
keine Oxidation des Metallsdurch Protonen
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Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Wirwollen überlegen, ob man einen Eisennagel verkup-fern kann. Es muss also entschieden werden, ob zwi-schen Eisen und Kupferionen eine Redoxreaktion ab-laufen kann. Die Redoxpaare Fe/Fe2+ und Cu/Cu2+
müssen hierzu entsprechend ihres Standardpoten-zials angeordnet werden. Tab. 2.12 zeigt, dass das Po-tenzial von Fe/Fe2+ kleiner als das von Cu/Cu2+ ist(Abb. 2.22). Die Elektronen können also vom Eisenzum Kupferion „fließen“, wodurch dieses reduziertund das Eisen oxidiert wird. Wenn Sie dieses Experi-ment durchführen, werden Sie bald einen kupferfar-benen Belag auf dem Eisennagel feststellen. In derLösung können Sie Fe2+-Ionen nachweisen.
Klinischer Bezug
Berührt man mit einem Aluminiumlöffel versehentlichein Goldinlay, führen die unterschiedlichen Potenzialezu einem Stromfluss, der von empfindlichen Menschenwahrgenommen werden kann. Auch eine elektrischleitende Verbindung zwischen Gold- und Amalgamfül-lungen kann zum Problem werden. Amalgame sindLegierungen, die neben Quecksilber Silber, Kupferund Zinn enthalten. Nach Legen der Füllung wird derunedelste Bestandteil oxidiert. Die dabei entstehendeZinnoxid-Schicht isoliert nach einigen Tagen die Fül-lung vollständig. Wenn es aber zum Kontakt zwischenGold und Amalgam kommt, wird die Oxidation derunedlen Metalle Zinn und Quecksilber beschleunigt.Die Elektronen wandern zum Gold und reagieren dortan der (feuchten) Oberfläche mit Sauerstoff zu Hydro-xidionen. Es besteht die Gefahr, dass Quecksilberebenfalls oxidiert wird, da es ein geringeres Potenzialals Gold besitzt. So können Quecksilberionen in sehrgeringen Mengen in den Organismus gelangen.
Quantitativ gehtman folgendermaßen vor: Die Diffe-renz der Potenziale beider Redoxpaare ΔE0 (EMK)steht in folgender Beziehung mit der Freien Reak-tionsenthalpie ΔG:
ΔG = -z · F · ΔE0
(z = Zahl der übertragenen Elektronen,F =96485 C/mol = 96485 J/V · mol [Faraday-Kon-stante])
Auf S. 43 hatten wir besprochen, dass eine Reaktionnur freiwillig abläuft, wenn ΔG kleiner als Null ist.Folglich muss die Potenzialdifferenz ΔE0 immer grö-ßer als Null sein. Beachten Sie bitte, dass diese Diffe-renz wie folgt gebildet werden muss:Standardpotenzial der Halbzelle mit dem Oxidations-mittel minus Standardpotenzial der Halbzelle des Re-duktionsmittels.Zwei Beispiele sollen dies vertiefen:Beispiel 1: Kann zwischen Chlor und Iodidionen eineReaktion zu Chloridionen und Iod ablaufen?Chlor wird zu Chlorid reduziert, es ist das Oxidations-mittel. Sein Potenzial beträgt E0 = +1,36 V. Iodid wirdzu Iod oxidiert, es ist das Reduktionsmittel mit einemPotenzial E0 = +0,58 V.Die Potenzialdifferenz ΔE0 beträgt also
ΔE0 = E0 (OM) - E0 (RM) =1,36 V - 0,58 V =0,78 V.
Wenn wir diesen Wert in o. g. Gleichung einsetzen,erhalten wir für ΔG einen negativen Wert. Auf eineexakte Berechnung können wir verzichten, da mananhand der Vorzeichen sofort sieht, dass ein positiverWert von ΔE0 auf eine exergone Reaktion hinweist.
Beispiel 2: Löst sich Silber in Säure unterWasserstoff-entwicklung auf?Formal müsste Silber also oxidiert werden, es wäredas Reduktionsmittel. Die Protonen wären das Oxi-dationsmittel. Anhand von Tab. 2.12 können wir dieWerte für die Standardpotenziale ablesen und diePotenzialdifferenz berechnen:ΔE0 = E0 (OM) - E0 (RM) =0 V - 0,80 V = -0,80 V. Ausdem negativen Wert von ΔE0 folgt sofort, dass ΔGpositiv ist. Diese Reaktion kann also nicht freiwilligablaufen.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die Oxydation und die Reduktion 75
Abb. 2.22 Elektronenfluss von Eisen zu Kupfer (II)-Ionen
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2.7.3.3 Die Nernst-GleichungHäufig liegen keine Standardbedingungen vor, soweicht z. B. unter physiologischen Bedingungen dieTemperatur vom Standardwert 298 K ab und dieKonzentration vom Standardwert c = 1 mol/l. DieVeränderung des Potenzials bei Abweichen von die-sen Bedingungen kann mit der Nernst-Gleichungberechnet werden:
(cox = Konzentration der oxidierten Form, cred =Konzentration der reduzierten Form, z = Anzahl derüberführten Elektronen, F = Faraday-Konstante,R = Gaskonstante)
Die Nernst-Gleichung kann vereinfacht werden,wenn man die Werte für R und F einsetzt, für dieTemperatur 298 K annimmt und den natürlichen inden dekadischen Logarithmus (s. S. 205) umwandelt.
Das ist dann sinnvoll, wenn die Konzentration vonden Standardbedingungen abweicht. Wenn aber derEinfluss der Temperatur untersucht wird, muss mandie ursprüngliche Form der Nernst-Gleichung nut-zen.Die Konzentration einer reinen Phase (Gas oder Fest-körper) beträgt 1. Eigentlich müssten anstelle der
Konzentrationen die Aktivitäten berücksichtigt wer-den, für unsere Zwecke sind jedoch auch hier Kon-zentrationsangaben ausreichend.Auch das Potenzial an der Wasserstoffelektrode än-dert sich beim Abweichen von den Standardbedin-gungen. Dazu schreibenwir die Nernst-Gleichung fürden an der Wasserstoffelektrode ablaufenden Vor-gang auf. Stöchiometrische Faktoren sind hierbei zubeachten.
Das Standardpotenzial ist vereinbarungsgemäß 0. BeiStandarddruck ist die Konzentration von Wasserstoff1. Die Anzahl der überführten Elektronen beträgt 2.Unter Berücksichtigung der Regeln logarithmischenRechnens und der Definition des pH-Wertes (s. S. 57)können wir diese Gleichung vereinfachen:
Die pH-Abhängigkeit der Redoxpotenziale kann manzur Messung von pH-Werten nutzen. Im einfachstenFall wird eine Standardwasserstoffelektrode gegeneine Halbzelle gleicher Anordnung, jedoch unbe-kannter Konzentration gemessen, was aber nichtsehr praktikabel ist. Denken Sie an den Aufbau derStandardwasserstoffelektrode (s. S. 73).Heute werden überwiegend Glaselektroden zur pH-
Messung eingesetzt. Hier nutzt man nicht ein pH-abhängiges Redoxpaar aus, sondern die Tatsache,dass an dünnen Membranen spezieller Glassortenebenfalls Potenziale entstehen, wenn die Membraninnen und außen von Lösungen mit unterschied-lichem pH-Wert benetzt wird. Wenn der pH-Wertinnen konstant ist und eine Ableitelektrode in Mem-brannähe gebracht wird, kann man mit Hilfe eineräußeren Bezugselektrode, die in die Messlösung ein-taucht und deren Potenzial nicht pH-abhängig ist,das Potenzial an der Glasmembran ermitteln. Dieinnere Ableitelektrode reagiert also auf die pH-Än-derung an der äußeren Membranseite und leitet dasPotenzial weiter. Nach Eichung ist das Potenzial dempH-Wert der Lösung proportional (Abb. 2.23). Dieheute verwendeten Einstabmessketten enthaltendie Glas- und die Bezugselektrode in einem Element.Mit der Nernst-Gleichung kann man z. B. auch dieÄnderung des Potenzials einer MnO4
–/Mn2+-Lösung
Die Oxydation und die Reduktion 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht76
Abb. 2.23 Die schematische Anordnung zur Messung des pH-Wertes mit einer Glaselektrode
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berechnen. Denken Sie daran, in der Nernst-Glei-chung die Konzentration der Hydroniumionen zuberücksichtigen, denn der potenzialbildende Vor-gang ist:
Mn2+ +12H2O MnO4– +8H3O+ +5e-
Die Nernst-Gleichung lautet:
Wenn wir annehmen, dass die Konzentration derPermanganat- und der Mangan(2 +)ionen jeweils1mol/l beträgt, ändert sich das Potenzial nur in Ab-hängigkeit von der Hydroniumionenkonzentration.Für cH3O+ =1mol / l (pH =0) liegen natürlich Standard-bedingungen vor, das Potenzial beträgt 1,51 V. DiePermanganationen haben ein großes Oxidationsver-mögen. Mit Verringerung der Hydroniumionenkon-zentration auf cH3O+ =0,1mol/l (pH =1) lautet dieGleichung:
Das Oxidationsvermögen verringert sich. Bei einempH-Wert von pH =2 beträgt es nur noch 1,32 V.
2.7.3.4 Die ElektrolyseIn galvanischen Elementen laufen Redoxprozessefreiwillig ab, deshalb können galvanische ElementeArbeit leisten. Redoxprozesse, die nicht freiwillig ab-laufen, können jedoch durch Zuführung elektrischerArbeit erzwungen werden. Dies geschieht bei derElektrolyse. So kann man z. B. durch das Anlegeneiner Gleichspannung die Umkehrung der im Da-niell-Element freiwillig ablaufenden Reaktion er-
zwingen. Damit eine Elektrolyse stattfinden kann,muss die angelegte Gleichspannung mindestens sogroß sein wie die Spannung, die das galvanische Ele-ment liefert (Abb. 2.24).
Check-up4 Wiederholen Sie die Definitionen der Begriffe
Oxidation, Reduktion, Oxidationsmittel undReduktionsmittel sowie die Regeln zum Auf-stellen von Oxidationszahlen.
4 Rekapitulieren Sie, wie man Redoxgleichun-gen aufstellt und ausgleicht (Beispiele s. o.).
4 Verdeutlichen Sie sich nochmal, wie anhandvorgegebener Standardpotenziale Aussagenüber den Ablauf einer Redoxreaktion gemachtund wie Potenzialdifferenzen mit Hilfe derNernst-Gleichung berechnet werden können.
2.8 Die heterogenen Gleichgewichte
LerncoachFür das Verständnis dieses Kapitels ist es er-forderlich zu wissen, was man unter einemheterogenen bzw. einem homogenen Systemund einer Phase versteht. Lesen Sie ggf. nocheinmal auf S. 5 nach.
2.8.1 Der ÜberblickHeterogene Gleichgewichte sind von biochemischerund physiologischer Bedeutung. Sie sind die Ursachefür den osmotischen Druck und das Donnan-Gleich-gewicht (s. u.) und werden auch zur Stofftrennunggenutzt (s. S.112).
2.8.2 Die EinteilungFolgende Möglichkeiten heterogener Gleichgewichtewerden unterschieden:Es liegt nur eine Komponente vor:
Stoff A selbst liegt in 2 Aggregatzuständen (Phasen)vor. Es stellt sich ein heterogenes Gleichgewicht zwi-schen der festen und der flüssigen Phase, der flüssi-gen und der gasförmigen Phase oder auch der festenund der gasförmigen Phase des Stoffes A ein.Es liegen zwei oder mehr Komponenten vor:
Stoff A kann zwischen 2 Phasen verteilt werden, dienicht immer mit dem Stoff A identisch sein müssen.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die heterogenen Gleichgewichte 77
Abb. 2.24 Der galvanische Prozess und die Elektrolyse im Da-niell-Element
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So kann A in einem Lösungsmittel gelöst, auf zweiverschiedene Stoffe verteilt oder an einer Oberflächeadsorbiert werden.
2.8.3 Die Löslichkeit eines Feststoffes2.8.3.1 Die Löslichkeit von IonenkristallenDie Löslichkeit von Ionenkristallen wurde bereits aufS. 55 besprochen. Der Auflösungsprozesswird grund-sätzlich durch Lösungsmittel begünstigt, die sich gutzwischen die geladenen Teilchen des Ionenkristalls„schieben“ können. Dadurch wird die Trennung derKationen und Anionen erleichtert. Gut geeignet fürdiesen Zweck sind Lösungsmittel, die selbst sehr po-lar sind. Die Polarität wird oft über das Dipolmomentμ der Verbindungen angegeben. Es zeigt an, dass dieLadungsschwerpunkte nicht zusammenfallen. Auchaus der Dielektrizitätskonstanten ε erhält man Hin-weise auf die Polarität. Die Dielektrizitätskonstanteist eine stoffspezifische Größe, die einen Indikator fürdie Polarisation der Moleküle darstellt.Polare Lösungsmittel besitzen hohe Dielektrizitäts-konstanten (z. B. Wasser, Ethanol, Ammoniak, Blau-säure). Uns interessiert vor allem das Wasser.Die Löslichkeit von Ionenkristallen ist eine sehr kom-plexe Eigenschaft. Sie hängt von der Gitterstruktur,der Gitterenergie des Ionenkristalls, der Dielektri-zitätskonstanten des Lösungsmittels, dem Solvata-tionsvermögen des Lösungsmittels (bei Wasser:Hydratationsvermögen) und von möglichen Folge-reaktionen ab.Wir konnten feststellen, dass die Löslichkeit vonanorganischen Salzen relativ gut untersucht ist.Durch die tabellierten Werte der Löslichkeitspro-dukte (s. Tab. 2.3, S. 56) erhält man quantitative Aus-sagen über die Löslichkeit.
2.8.3.2 Die Löslichkeit von MolekülkristallenIm Gegensatz zu Ionenkristallen sind die Wechsel-wirkungen zwischen den Gitterbausteinen des Mo-lekülgitters klein. Stoffe, deren Moleküle ein solchesGitter aufbauen, haben relativ niedrige Schmelz-punkte. Bei der Auflösung des Kristalls muss sichdas Lösungsmittel wiederum zwischen die Gitter-komponenten schieben. Dies funktioniert umsoleichter, je ähnlicher das Lösungsmittel und die Git-terkomponenten sind.
MERKE
Ähnliches löst sich in Ähnlichem.
Ist der zu lösende Stoff polar, verwendet man einpolares Lösungsmittel, ist er unpolar, ein unpolaresLösungsmittel. Polare Stoffe lösen sich gut in Wasser,sie werden deshalb auch als hydrophile (hydorgriech. Wasser, phileo griech. ich liebe) Substanzen
bezeichnet. Unpolare Stoffe sind hydrophob (phobeogriech. ich vertreibe, ich jage in die Flucht), sie lösensich schlecht in Wasser.
2.8.4 Die Verteilung einer Substanz zwischenzwei Flüssigkeiten
Voraussetzung für die Entstehung eines heterogenenGleichgewichts ist, dass sich die beiden Flüssigkeitenwenig oder gar nicht ineinander lösen. Gießen Siezum Beispiel Öl und Wasser in ein Gefäß, dann er-halten Sie zwei Phasen: eine Wasser- und eine Öl-phase. Wenn jetzt ein Stoff in dieses heterogene Ge-misch gegeben wird, der in beiden Komponentenunterschiedlich gut löslich ist, wandern die Molekülezwischen beiden Phasen hin und her, bis in beidenPhasen die durch die jeweilige Löslichkeit bedingteKonzentration erreicht ist: Es herrscht ein Gleichge-wicht. Dieses Gleichgewicht ist nicht statisch, daständig Phasenübergänge mit gleicher Geschwindig-keit erfolgen. Es handelt sich also um ein dynami-sches Verteilungsgleichgewicht, für das folgende Be-ziehung gilt (Nernst-Verteilungssatz).
Ein hoherWert von K bedeutet eine hohe Konzentra-tion von A in der Oberphase nach Einstellung desVerteilungsgleichgewichts. Der zu verteilende Stoffhat also eine höhere Löslichkeit in der oberen Phase.Bei K =1 verteilt sich der Stoff in beiden Phasengleich gut.Wenn wir bei unserem Beispiel eines Wasser-Öl-Sys-tems bleiben, dann wird das Öl mit der geringerenDichte die Oberphase bilden. Wenn wir dann in dasSystem eine Substanz geben, die gut fettlöslich oderlipophil ist (z. B. den Farbstoff Sudanrot), reichert sichdiese in der Oberphase an. Diese Tatsache nutzt manfür den Fettnachweis in der Histologie aus, dennSudanrot löst sich bevorzugt in der Fettphase der
Die heterogenen Gleichgewichte 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht78
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Zelle. Diese Bestandteile färben sich dann intensivrot, die fettfreien Bestandteile bleiben hingegen farb-los.
Klinischer Bezug
Narkotika: Verteilungsgleichgewichte von Stoffenzwischen zwei Flüssigkeiten spielen beim Transportvon Substanzen im Organismus eine große Rolle.Wenn Medikamente z. B. erst im Nervengewebe wirk-sam werden sollen, müssen sie eine gute Löslichkeit inlipophilen Phasen aufweisen, damit sie aus der wässri-gen Phase (Blut) in das fettreiche Nervengewebe über-treten können. Je höher die Fettlöslichkeit eines An-ästhetikums ist, desto höher ist seine narkotischeWirkung und umso geringer ist die benötigte Dosis.
2.8.5 Die Löslichkeit eines Gases in einerFlüssigkeit
Das Verteilungsgleichgewicht einer gasförmigenSubstanz zwischen der Gasphase und einer Flüssig-keit beschreibt das Henry-Dalton-Gesetz: Die Lös-lichkeit eines Gases in einer Flüssigkeit hängt vonder Konzentration oder besser dem Druck des Gasesab. Das Verhältnis der Konzentrationen bzw. des Par-tialdrucks des Gases und der Konzentration des Ga-ses in der Flüssigkeit ist wieder konstant.
Wenn der Druck des Gases erhöht wird, löst sich demPrinzip des kleinsten Zwangs (s. S. 46) folgend mehrGas in der Flüssigkeit, denn K muss konstant bleiben.Die Verteilungskonstante ist wie alle Gleichgewichts-konstanten von der Temperatur abhängig. Mit zu-nehmender Temperatur sinkt die Löslichkeit des Ga-ses in einer Flüssigkeit.
Diese Zusammenhänge kann man sich gut aneiner Flasche mit kohlensäurehaltigem Mineral-wasser klar machen. Beim Öffnen der Flasche ist einSprudeln zu beobachten, da der Druck im Innernabnimmt, die Löslichkeit des Kohlendioxids da-durch herabgesetzt wird und das Gas sofort in Formvon kleinen Blasen entweicht. Je höher die Tempe-ratur und je abrupter eine Flasche geöffnet wird,
desto heftiger entweicht das Gas und bringt damitz. B. auch Sektkorken zum Knallen. Wenn die Sonneauf die bereits geöffnete Flasche scheint, nimmt dieLöslichkeit des Gases in der Flüssigkeit zunehmendab. Warmes Mineralwasser schmeckt deshalb ab-gestanden.
Klinischer Bezug
Atmung: Das Henry-Dalton-Gesetz hat für alle atem-physiologischen Vorgänge Bedeutung. Wenn derSauerstoff-Partialdruck in der Einatmungsluft größerwird, steigt in der flüssigen Phase, also dem Blut, derSauerstoffgehalt. Diese Tatsache wird bei einer Sauer-stoff-Überdrucktherapie ausgenutzt.Der Partialdruck des Sauerstoffs sinkt mit steigenderHöhe (z. B. Aufenthalt im Hochgebirge), d. h., dieSauerstoffkonzentration im Blut und die körperlicheLeistungsfähigkeit nehmen ebenfalls ab. Der Organis-mus passt sich den veränderten Bedingungen nurlangsam an.Stickstoff löst sich unter hohem Druck sehr gut in Blut.Wenn dieser Druck plötzlich nachlässt, sinkt die Lös-lichkeit schlagartig. Der Stickstoff bildet Gasblasen(wie Sie es beim Öffnen einer Mineralwasserflaschebeobachten), diese Gasblasen verlegen kleine Blutge-fäße (Gasembolie). Deshalb müssen Taucher nach demAufenthalt in größeren Tiefen einen allmählichenDruckausgleich vornehmen, oder die Luft in den mit-geführten Flaschen darf keinen Stickstoff enthalten.Dieser wird durch Helium ersetzt, das sich in Blutpraktisch nicht löst und dadurch keine Blasen bildenkann.
2.8.6 Die AdsorptionViele Festkörper können Moleküle an ihrer Oberflä-che binden (Adsorption). Es kommt zu einer Gleich-gewichtskonzentration adsorbierter Teilchen. WenndieWechselwirkungsenergie kleiner als 40 kJ/mol ist,spricht man von einer physikalischen Adsorption. Istsie deutlich größer, handelt es sich um eine Chemi-sorption. Physikalisch adsorbierte Stoffe werden beihöherer Temperatur wieder abgegeben (Desorption).Bei kleinem Partialdruck steigt die adsorbierteMenge fast linear an. Dann nähert sie sich einemSättigungswert. Dieser entspricht einer zusammen-
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hängenden, monomolekularen Schicht des zu adsor-bierenden Stoffes (Adsorptiv). Außerdem ist die Ad-sorption abhängig von
der Art des Substratsseiner Konzentrationvom Lösungsmittelder Art und Größe der Oberflächeder Temperatur.
Die Adsorption von Gasen an Oberflächen von Fest-körpern nutzt man z. B. in Atemfiltern. Adsorptions-vorgänge spielen neben Verteilungsgleichgewichtenin der Chromatographie eine große Rolle (s. S.112).Aktivkohle benutzt man als Adsorbens zur Aufnahmevon Giften aus dem Darm.
2.8.7 Gleichgewichte an MembranenAlle Teilchen sind in ständiger Bewegung. Sind dieTeilchen nicht gleichmäßig verteilt, dann wandernsie, um diesen Konzentrationsunterschied auszuglei-chen. Die Unordnung wird so erhöht. Den Ausgleichdes Konzentrationsgefälles bezeichnet man als Diffu-sion (diffundere lat. ausbreiten, sich zerstreuen). Erist durch eine Zunahme der Entropie (s. S. 43) ge-kennzeichnet und läuft spontan ab. Membranen kön-nen die Diffusion beeinflussen (membrana lat. Haut,Pergament).Die Diffusion ermöglicht z. B. den Gasaustausch inder Lunge und in den Geweben. Die sauerstoffhaltigeLuft gelangt in den Alveolarraum der Lungenbläs-chen, die aus einer hauchdünnen Gewebeschicht be-stehen, durch die der Sauerstoff in das Blut diffun-diert. Dort erfolgt eine Bindung an die Erythrozyten
des Hämoglobins. In den Gewebekapillaren diffun-diert der Sauerstoff in die Zellen und in die Mito-chondrien, wo er in der Atmungskette verbrauchtwird.
2.8.7.1 Die OsmoseStellen Sie sich folgende Versuchsanordnung vor:Eine Kammer enthält ein Lösungsmittel, eine zweitedie Lösung eines Stoffes in dem gleichen Lösungs-mittel. Beide Kammern sind durch eine Membrangetrennt, die das Lösungsmittel, aber nicht den ge-lösten Stoff hindurchlässt. Man spricht von einerhalbdurchlässigen oder semipermeablen Membran.Der vorhandene Konzentrationsunterschied soll aus-geglichen werden. Da die gelösten Teilchen nichtdurch die Membran passen, kann nur das Lösungs-mittel diffundieren. Nach einiger Zeit kann in derKammer mit der Lösung eine Volumenvergrößerungbeobachtet werden. Das Volumen steigt so lange, bisder hydrostatische Druck p den weiteren Eintritt vonLösungsmittelmolekülen verhindert. Es herrschtGleichgewicht, die Lösungsmittelmoleküle wanderngleich schnell in beide Richtungen durch die Mem-bran. Diesen Vorgang bezeichnet man als Osmose(osmos griech. Schieben, Stoßen) (Abb. 2.25). Der hyd-rostatische Druck entspricht dem osmotischen Druck
posm, unter dem man sich die Kraft vorstellen kann,mit der die Lösungsmittelmoleküle pro Flächenein-heit in die Lösung eindringen wollen.Der Zusammenhang zwischen dem osmotischenDruck posm und der Stoffmenge gelöster Teilchen nin einem bestimmten Volumen V wird durch dasvan't-Hoffsche Gesetz beschrieben. Der osmotischeDruck steigt mit der Temperatur, bei konstanter Tem-peratur nimmt er mit Zunahme der Teilchenkonzent-ration zu. Deshalb nahm van't Hoff an, dass sich ge-löste Teilchen in hochverdünnten Lösungen wieideale Gase verhalten und verwendete die allge-meine Gasgleichung zur Beschreibung des osmoti-schen Drucks (posm):
Allgemeine Gasgleichung: p · V = n · R · T
van't-Hoff'sches Gesetz:
(R = Gaskonstante, T = Temperatur in K)
Die heterogenen Gleichgewichte 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht80
Abb. 2.25 Die schematische Versuchsanordnung zur Osmose
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Dieses Gesetz gilt für stark verdünnte Lösungen, beihohen Konzentrationen muss mit Aktivitäten(s. S. 55) gearbeitet werden.
MERKE
Der osmotische Druck ist von der Natur des ge-lösten Stoffes völlig unabhängig. Er wird durch dieStoffmenge n bzw. die Konzentration gelöster Teil-chen c bestimmt.
Wenn 1 mol eines Nichtelektrolyten (z. B. Glucose) in24,8 lWasser gelöst ist, beträgt der osmotische Druckder Lösung bei 25 °C100 kPa. Wenn jedoch 1 molNatriumchlorid gelöst wird, liegen in der Lösung1 mol Natriumionen und 1 mol Chloridionen vor.Die Stoffmenge und die Konzentration gelöster Teil-chen ist doppelt so groß. Deshalb ist auch der osmo-tische Druck doppelt so groß (posm =200kPa). DieDissoziation muss unbedingt berücksichtigt werden.In der Physiologie wird anstelle des Mols manchmalmit dem Osmol gearbeitet. 1 Osmol ist die Stoff-menge, in der 6,02 · 1023 osmotisch wirksame Teil-chen enthalten sind.Die Osmolarität ist die Konzentration, die sich ausdem Quotienten der Stoffmenge osmotisch wirk-samer Teilchen und dem Volumen der Lösung ergibt.Die Osmolalität ist das Verhältnis aus der Stoff-menge osmotisch wirksamer Teilchen und derMasse
an reinem Lösungsmittel. Eine Glucoselösung
c =0,1 mol/l (0,1 molar) ist auch 0,1 osmolar, eine
Natriumchloridlosung c =0,1mol/l ist aber 0,2 osmo-
lar.
Lösungen mit gleichem osmotischen Druck sindisotonisch oder isoosmotisch.Ist der osmotische Druck einer Lösung größer alsder einer Vergleichslösung, ist sie hypertonisch
(hyper griech. oberhalb, mehr als; tonos griech.Saite, Spannung).Eine hypotonische Lösung hat einen geringerenosmotischen Druck (hypo griech. unterhalb, un-ter).Da der osmotische Druck nur von der Anzahl dergelösten Teilchen abhängt, spricht man von einerkolligativen Eigenschaft (colligare lat. zusammen-binden, sammeln).
Auch die Dampfdruck-, die Gefrierpunktserniedri-gung und Siedepunktserhöhung einer Lösung imVer-gleich zum reinen Lösungsmittel sind kolligative Ei-
genschaften. Sie spielen physiologisch eine eheruntergeordnete Rolle. Meist wird aber bei Lösungennicht der osmotische Druck, sondern die Gefrier-punktserniedrigung gemessen, aus der dannposm berechnet werden kann. So sinkt der Gefrier-punkt von normalem Blutserum im Vergleich zuWasser auf –0,558 °C, von verdünntem Urin auf–0,372 °C und von konzentriertem Urin auf –2,6 °C.Durch osmotische Vorgänge wird der Wasserhaus-halt der Pflanze reguliert, denn der Zelldruck inPflanzen wird durch einen bestimmten, osmotischgeregelten intrazellulären Wassergehalt hervorgeru-fen. Legt man Pflanzenzellen in eine hypertonischeLösung, wird den Zellen Wasser entzogen, es kommtzur Schrumpfung. Ist die umgebende Lösung hypo-tonisch, blähen sich die Zellen auf.Auf diese Weise lässt sich auch erklären, warum Kir-schen im Regen platzen und beim Zuckern vonFrüchten sehr viel Saft freigesetzt wird. Die gleicheBeobachtung gilt für menschliche Zellen. Erythrozy-ten behalten ihre Gestalt in physiologischer Koch-salzlösung (0,9% NaCl). In konzentrierten Lösungenschrumpfen sie, in verdünnten Lösungen quellen undplatzen sie.
Klinischer Bezug
Diabetes mellitus: Die osmotische Diurese ist ein cha-rakteristisches Merkmal beim Diabetes mellitus. Nor-malerweise wird Glucose in der Niere vollständig resor-biert, sodass praktisch keine Glucose im Harnnachweisbar ist. Beim Diabetes mellitus ist die Gluco-semenge jedoch so groß, dass die Resorptionskapazi-tät der Nierentubuli überfordert wird. Die Restglucosebehindert die Resorption von Wasser, das folglich aus-geschieden werden muss.
2.8.7.2 Die DialyseUnter dem Begriff Dialyse versteht man die Stoff-trennung an einer Membran nach der Teilchen-größe (Abb. 2.26). Diese Membran ist für kleine Mo-leküle und Ionen, aber nicht für Makromoleküle oderKolloide durchlässig.Das Dialyse-Verfahren kommt vor allem in der Neph-rologie zur Blutreinigung zum Einsatz. Damit sichkein Gleichgewicht einstellt, wird dieMembran stän-dig von frischem Lösungsmittel umspült. So können
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die heterogenen Gleichgewichte 81
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niedermolekulare Schlackenstoffe des Organismus(z. B. Harnstoff) laufend entfernt werden.
2.8.7.3 Die Gibbs-Donnan-GleichgewichteGibbs und Donnan untersuchten Gleichgewichte anMembranen, die für große Ionen eine Barriere dar-stellen, kleine Ionen aber passieren lassen.Stellen Sie sich ein Gefäß vor, das links eine Natrium-chloridlösung (Raum 1 in Abb. 2.27) und rechts eineNatriumproteinatlösung (Raum 2 in Abb. 2.27) enthält(physiologisch liegen Proteine als Anionen vor).Beide Bereiche sind durch eine semipermeableMembran getrennt, die die Natrium- und Chloridio-nen, aber nicht die Proteinanionen hindurchlässt.Die Chloridionen wandern entsprechend des Kon-zentrationsgefälles in Raum 2 und nehmen wegender Elektroneutralität Natriumionen mit. In zuneh-mendem Maß setzt eine Rückdiffusion ein, bis sichein Gleichgewicht (Abb. 2.28) einstellt. Für dieses gilt:
cNa+ (1) · cCl– (1) = cNa+ (2) · cCl– (2)
Der Gleichgewichtszustand ist auch dadurch charak-terisiert, dass in beiden Räumen Elektroneutralitätherrscht, die Ionenarten sind aber ungleich verteiltund auch die Teilchenkonzentration ist unterschied-lich. Deshalb ist der osmotische Druck in Raum 2höher. Das ist eine physiologisch eindrucksvolle Si-tuation, denn Raum 1 ist nichts anderes als der Extra-zellular-, Raum 2 der Intrazellularraum. Wasserwürde also ständig in das Zellinnere drängen. Des-halb besitzt jede Zelle des menschlichen Organismusein Ionentransportsystem, die Natrium-Kalium-Pumpe, die unter Umwandlung von Stoffwechsel-energie Natriumionen zurück in den Extrazellular-raum transportiert und Kaliumionen in die Zelle hi-neinschafft. Die Kaliumionen folgen dann aberwieder dem Konzentrationsgefälle und diffundierenaus der Zelle heraus. Es entsteht ein Membranpoten-zial. Im Inneren der Zelle überwiegt die negativeLadung, als Folge treten auch Chloridionen aus. Letzt-endlich wird so der Eintritt von Wasser in die Zelleverhindert.Die Potenzialdifferenz an einer Zellmembran beträgtim Ruhezustand etwa –87 mV, wobei die Kalium-ionenkonzentration im Intrazellularraum 30-mal hö-her als im Extrazellularraum ist.
Die heterogenen Gleichgewichte 2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht82
Abb. 2.26 Die schematische Darstellung einer Dialyse
Abb. 2.27 Vor der Ausbildung des Gibbs-Donnan-Gleichge-wichts (Pr– = Proteinat)
Abb. 2.28 Das Gibbs-Donnan-Gleichgewicht hat sich einge-stellt
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Check-up4 Machen Sie sich anhand einiger Beispiele den
Zusammenhang zwischen der Polarität einerVerbindung und der Polarität eines geeigne-ten Lösungsmittels noch einmal klar. BeachtenSie auch, wie sich eine Substanz zwischenzwei Flüssigkeiten verteilt und wie sich einGas in einer Flüssigkeit löst.
4 Wiederholen Sie die Begriffe Osmose, Dialyseund Donnan-Gleichgewicht.
2 Chemische Reaktionen und chemisches Gleichgewicht Die heterogenen Gleichgewichte 83
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Kapitel3
Grundlagen derorganischen Chemie
3.1 Die Bindungsverhältnisse amKohlenstoffatom 87
3.2 Die Einteilung und die Nomenklaturorganischer Verbindungen 92
3.3 Die Stereochemie organischerVerbindungen 100
3.4 Die Strukturaufklärung organischerVerbindungen 112
3.5 Die Reaktionstypen organischerVerbindungen 116
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Diagnose mit der Nase
Jens P. liegt bewusstlos auf dem Schulhof. Aus seinem
Mund kommt ein eigenartiger Geruch: Es riecht wie
Nagellackentferner. Jens atmet Aceton aus, einen
Stoff aus der Gruppe der Ketone. Die Ketone gehören
zu den Carbonylverbindungen, die Sie in der organi-
schen Chemie kennen lernen werden. Ketone werden
Ihnen auch später wieder begegnen: Ketonkörper
werden gebildet, wenn der Fettstoffwechsel des Kör-
pers erhöht ist. Dies ist z. B. bei Hunger oder bei
Diabetes mellitus der Fall. Insulin hält die Fette in
ihren Depots zurück, der Körper verstoffwechselt
hauptsächlich Kohlenhydrate. Fehlt, wie bei Diabetes
mellitus, das Insulin, werden die Fette zu den Keton-
körpern Acetoacetat, β-Hydroxybuttersäure und
Aceton abgebaut. Die sauren Ketonkörper bewirken,
dass der pH-Wert des Blutes sinkt, es kommt zu einer
sog. Ketoazidose. Und diese wiederum kann zur Be-
wusstseinstrübung bis hin zum Koma führen. Wie bei
Jens P.
Tiefe Atmung und AcetongeruchMit Blaulicht und Martinshorn bahnt sich der Rettungs-
wagen seinen Weg auf den Schulhof. Auf einer Bank liegt
der 16-jährige Jens P. Er ist bewusstlos und atmet tief ein
und aus. Herr Berger, der Klassenlehrer, berichtet, der
Junge habe sich heute nicht wohl gefühlt, über Bauch-
schmerzen geklagt und sei in der Pause auf dem Schulhof
zusammengebrochen.
Dr. Holzner, der Notarzt, hat schon eine Verdachtsdiag-
nose: Es riecht deutlich nach Aceton, die tiefen Atem-
züge deutet er als die sog. Kussmaul-Atmung – mögli-
cherweise handelt es sich also um ein diabetisches Koma.
Er bestimmt den Blutzucker. 480mg/dl! Normalerweise
liegt der Blutzucker bei 80–120mg/dl, allenfalls bei
200mg/dl. Noch im Rettungswagen beginnt Dr. Holzner
mit der Therapie: Er spritzt dem Jungen Insulin und gibt
ihm außerdem Flüssigkeits- und Elektrolyt-Infusionen. In
der Klinik wird Jens auf die Intensivstation gebracht. Dort
wird die Diagnose Coma diabeticum bestätigt. Die Ärzte
führen Jens weiter Insulin zu, bis sich sein Blutzucker
stabilisiert hat. Dabei gehen sie vorsichtig vor und achten
besonders auf die Elektrolyte im Blut. Die Elektrolyte
können nämlich bei zu schneller Normalisierung des Blut-
zuckerspiegels gefährlich entgleisen.
Als Jens aus dem Koma erwacht, ist er überrascht. Er soll
Diabetiker sein? Sehr viel hatte er davon nicht bemerkt:
Er war „nur“ oft durstig gewesen, hatte viel getrunken
und musste häufig zur Toilette gehen. Dass dies bereits
Zeichen der Zuckerkrankheit waren, wusste er nicht.
Kein Insulin, keine GlucoseverwertungWas ist Diabetes mellitus eigentlich? Jens leidet an einem
Typ-1-Diabetes. Bei ihm sind die Langerhans-Inseln der
Bauchspeicheldrüse zerstört. Dort wird normalerweise
das Hormon Insulin produziert, das dafür sorgt, dass
die Glucose aus dem Blut in die Körperzellen aufgenom-
men wird. Fehlt Insulin, ist der Blutzuckerspiegel erhöht.
Glucose kann nicht verwertet werden; daher wird der
Fettstoffwechel angekurbelt; es werden Ketonkörper ge-
bildet. Der hohe Blutzuckerspiegel kann im Lauf der Zeit
zu einer Reihe von Organschäden führen, z. B. an Augen,
Nieren, Gefäßen oder Nerven.
Insulin per Spritze vor jeder MahlzeitDamit Jens nicht an diesen Folgeschäden erkrankt, lernt
er in einer Diabetiker-Schulung im Krankenhaus, sich
selbst Insulin zu spritzen. Morgens und abends muss er
künftig ein lange wirkendes Insulin-Präparat spritzen, vor
den Mahlzeiten zusätzlich ein sofort wirkendes Insulin.
Außerdem lernt er, dass es neben dem diabetischen
Koma (zu hoher Blutzuckerspiegel) bei Diabetikern
auch ein hypoglykämisches Koma (zu niedriger Blutzu-
ckerspiegel) gibt. Deshalb wird Jens nun immer ein Päck-
chen Traubenzucker bei sich haben. Denn einen zu nied-
rigen Blutzuckerspiegel behandelt man am besten,
indem man so schnell wie möglich Glucose zu sich
nimmt.
86 Klinischer Fall
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3 Grundlagen derorganischen Chemie
Der Begriff organische Chemie bezeichnet die Che-mie der Kohlenstoffverbindungen. Einige Kohlen-stoffverbindungenwerden jedoch der anorganischenChemie zugeordnet (z. B. Kohlenstoffoxide, Kohlen-säure und ihre Salze, Cyanwasserstoff und seineSalze). Heute sind etwa 15 Millionen Kohlenstoffver-bindungen bekannt. Produkte der organischen Che-mie, wie Kunststoffe, synthetische Fasern, Kaut-schukprodukte und Kraftstoffe, spielen eine großeRolle im Alltag. Reaktionen organischer Verbindun-gen bilden die Grundlage aller Lebensvorgänge undsind deshalb für den angehendenMediziner von gro-ßer Bedeutung.
3.1 Die Bindungsverhältnisse amKohlenstoffatom
LerncoachFür dieses Kapitel benötigen Sie Ihre Kennt-nisse der aus dem Periodensystem der Ele-mente ableitbaren Gesetzmäßigkeiten. Über-legen Sie sich vorab, welche Eigenschaftenman für das Kohlenstoffatom erwarten kann.Es kann hilfreich sein, wenn Sie sich dazu dieElektronenkonfiguration des Kohlenstoff-atoms aufschreiben.
3.1.1 Der ÜberblickWir wollen nun anhand eines Modells die Vierbin-digkeit des Kohlenstoffatoms sowie das Auftretenvon Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen erklä-ren. Auch die besondere Stabilität einiger Systememit mehreren Doppelbindungen wird besprochen.
3.1.2 Die Eigenschaften des ElementsKohlenstoff
Kohlenstoff ist vierbindig, hat die Ordnungszahl 6und steht in der 14. Gruppe (4. Hauptgruppe) desPeriodensystems (s. S.17). Es zeigt keine Tendenzzur Ionenbildung. Für die Chemie des Kohlenstoffssind Atombindungen charakteristisch, wobei diesenicht nur mit Atomen anderer Elemente, sondernauch mit weiteren C-Atomen ausgebildet werden.
MERKE
Kohlenstoff hat die größte Tendenz unter allen Ele-menten, mit sich selbst Bindungen einzugehen.
Dabei können kettenförmige unverzweigte oder ver-zweigte, aber auch ringförmige Strukturen entste-hen. Die Bindungsstärke zwischen den Kohlenstoff-atomen ist außerdem verschieden. Es können sichsog. Einfach-, Doppel- oder Dreifachbindungen aus-bilden.
3.1.3 Das HybridisierungsmodellDie Elektronenkonfiguration des Kohlenstoffatomslautet:
1 s2 2 s2 2p2 oder ausführlich 1 s2 2 s2 2px1 2py1
Kohlenstoff verfügt also über 4 Valenzelektronen. Ge-mäß den quantenchemischen Bindungsmodellen istes energetisch sinnvoll, wenn Orbitale überlappen,die mit einem Elektron besetzt sind. (s. S. 29). Dassind in diesem Fall die beiden p-Orbitale (px- undpy-Orbital).Dieses Modell erklärt die Vierbindigkeit des Kohlen-stoffatoms jedoch nicht, denn so könnten nur zweiAtombindungen und eventuell noch eine koordina-tive Bindung ausgebildet werden. Die experimentel-len Befunde belegen aber vier völlig gleichwertigeBindungen! Deshalb wurde das Hybridisierungsmo-
dell entwickelt, das ebenfalls auf quantenchemischenGrundlagen basiert. Auf die genaue Herleitung wirdhier verzichtet, es sei nur daran erinnert, dass einOrbital nichts anderes als eine mathematische Funk-tion ist, die man zur Beschreibung des Elektronsnutzt, das sowohl Wellen- als auch Teilcheneigen-schaften aufweist (s. S.12). Mathematische Funk-tionen kann man unter bestimmten Bedingungentransformieren – das gleiche gilt also auch für dieOrbitale.
3.1.3.1 Die sp3-HybridisierungDas Modell beinhaltet eine Transformation des ku-gelsymmetrischen s- und der drei hantelförmigen,zueinander rechtwinklig stehenden p-Orbitale desKohlenstoffatoms. Aus den vier Orbitalen des Koh-lenstoffatoms (kugelsymmetrisches s- und drei han-telförmige, zueinander rechtwinklig stehende p-Or-
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Bindungsverhältnisse am Kohlenstoffatom 87
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bitale) werden vier neue, energetisch gleichwertigeOrbitale erzeugt. Man bezeichnet sie als sp3-Hybri-
dorbitale (hibrida lat. Mischling). Die Form der Hyb-ridorbitale stellt eine Kombination aus s- und p-Or-bitalen dar in Form einer asymmetrischen Hantel(Abb. 3.1).Da die vier Orbitale mit je einem Elektron „besetzt“werden, orientieren sie sich so, dass der Abstand derOrbitale zueinander so groß wie möglich ist. Das istdann der Fall, wenn sie in die Ecken eines regelmä-ßigen Tetraeders zeigen. Im Schwerpunkt befindetsich der Atomkern. Der Winkel zwischen den Achsender Orbitale beträgt 109,5° (Abb. 3.2) und wird alsTetraederwinkel bezeichnet. Jedes der vier Orbitalekann jetzt mit einem anderen Orbital überlappenund eine Atombindung bilden.
3.1.3.2 Die sp2- und sp-HybridisierungMan kann bei der mathematischen Transformationauch weniger Orbitale berücksichtigen.Werden nur das s-Orbital und zwei p-Orbitale trans-formiert, erhält man drei sp2-Hybridorbitale. Ein p-Orbital bleibt unverändert. Die drei energetischgleichwertigen sp2-Hybridorbitale liegen in einerEbene und bilden einenWinkel von 120 ° zueinander.Dann ist die Abstoßung der Orbitale am geringsten.Das nicht hybridisierte p-Orbital steht senkrecht zudieser Ebene (Abb. 3.3).Zwei sp-Hybridorbitale entstehen aus einem s- undeinem p-Orbital, zwei p-Orbitale werden nicht hyb-ridisiert. Die sp-Hybridorbitale bilden einen Winkelvon 180° zueinander. Die beiden p-Orbitale stehensenkrecht zueinander und zu den sp-Orbitalen(Abb. 3.3).
MERKE
Die Anzahl der Hybridorbitale muss mit der Anzahlder transformierten Orbitale übereinstimmen.
3.1.4 Das Modell der σ- und der π-BindungDie aufgeführten Hybridisierungsmodelle ermögli-chen das Verständnis der Bindungen, die das Kohlen-stoffatom eingehen kann.Die einfachste organische Verbindung ist dasMethan
(CH4). Vier Wasserstoffatome gehen mit einem sp3-hybridisierten Kohlenstoffatom eine Bindung ein. Dieräumliche Darstellung ergibt sich aus der tetraedri-
Die Bindungsverhältnisse am Kohlenstoffatom 3 Grundlagen der Organischen Chemie88
Abb. 3.1 Die Elektronenkonfiguration des Kohlenstoffatomsvor und nach der Hybridisierung und die räumliche Darstellungder Orbitale
Abb. 3.2 Optimale Anordnung der sp3-Hybridorbitale
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schen Anordnung der sp3-Hybridorbitale. Diese„überlappen“ jeweils mit dem s-Orbital von einemder vier Wasserstoffatome (Abb. 3.4).Auch die Bindung zwischen zwei sp3-hybridisierten
C-Atomen lässt sich so verstehen. Es kommt zu einerÜberlappung zwischen je einem sp3-Orbital beiderKohlenstoffatome. Die einfachste Verbindung dieserArt wäre das Ethan C2H6. Die verbleibenden Hybrid-orbitale überlappen mit den s-Orbitalen der sechsWasserstoffatome (Abb. 3.5).Der Winkel zwischen einer CH- und der CC-Bindungbeträgt 109,5 °. Die von uns im Folgenden häufigverwendete vereinfachte Darstellung für das Ethan
ist also nur die Projektion in die Papierebene. Eshandelt sich dabei um nichts anderes als die aufS. 26 besprochenen Lewis-Formeln. Zur richtigenräumlichen Wiedergabe kann z. B. die Keilstrichpro-jektion (s. S. 96) benutzt werden.
Sie haben sicher gemerkt, dass Ihr räumlichesVorstellungsvermögen gefordert ist. Zum besserenVerständnis können Sie sich auch Modelle ausKnetmasse und Streichhölzern selbst herstellen.
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Bindungsverhältnisse am Kohlenstoffatom 89
Abb. 3.3 Die Elektronenkonfiguration für die sp2- und sp-Hybridisierung sowie die räumliche Darstellung der Orbitale
Abb. 3.4 Das Energieniveauschema und die Orbitaldarstellung für Methan
3
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Wenn man sich die Überlappung der s-Orbitale desWasserstoffatoms und der Hybridorbitale der Koh-lenstoffatome oder auch die Überlappung zwischenden sp3-Hybridorbitalen anschaut, stellt man fest,dass die Wechselwirkung auf der Kernverbindungs-linie am größten ist. Diese starke Wechselwirkungerkennt man an einer hohen Elektronendichte zwi-schen den Kohlenstoffatomen, sie ist rotationssym-metrisch. In diesem Fall spricht man von einer σ-Bindung. Da die Elektronegativität von Kohlenstoffund Wasserstoff annähernd gleich ist, befindet sichder Bereich höchster Elektronendichte etwa in derMitte zwischen beiden Kernen.
MERKE
Die σ-Bindung ist rotationssymmetrisch, die stärks-te Überlappung erfolgt zwischen den Atomkernen,dort ist die Elektronendichte am größten.
Das Modell der sp2-Hybridisierung muss man heran-ziehen, um die Verhältnisse im Ethen (C2H4) zu ver-stehen. Es kommt zu einerÜberlappung von je einemHybridorbital beider Kohlenstoffatome. Außerdemüberlappen je zwei Hybridorbitale mit den s-Orbita-len der Wasserstoffatome. Es treten alle Merkmaleeiner σ-Bindung auf. Deshalb spricht man auch voneinem σ-Bindungsgerüst, das eine Ebene aufspannt(Abb. 3.6).Die nicht in die Hybridisierung einbezogenen p-Or-
bitale der Kohlenstoffatome stehen senkrecht zu die-
ser Ebene. Bei der Wechselwirkung der sp2-Orbitaleder Kohlenstoffatome kommt es zwangsläufig auchzu einer Wechselwirkung der p-Orbitale ober- und
unterhalb der Ebene, die aber schwächer ausfällt. DasAusmaß der Überlappung ist geringer, folglich auchdie Stärke dieser Bindung (π-Bindung). Tritt nebeneiner σ-Bindung eine π-Bindung auf, spricht man voneiner Doppelbindung.
MERKE
Eine π-Bindung entsteht durch die Überlappungzweier p-Orbitale und ist nicht frei drehbar. Siekann gewöhnlich nicht allein, sondern nur in Kom-bination mit einer δ-Bindung auftreten!
Bei sp-hybridisierten Kohlenstoffatomen überlappenje zwei der nicht hybridisierten p-Orbitale, und zwardie räumlich zueinander passenden. Dann kommt esneben der σ-Bindung zur Ausbildung von zwei π-Bindungen (Dreifachbindung).Die Elektronendichte zwischen den Kohlenstoffato-men nimmt also von der Einfach- über die Doppel-zur Dreifachbindung zu. Damit verbunden ist eineSteigerung der Reaktivität. Die Bindungsenergienimmt in dieser Reihenfolge selbstverständlich zu,wobei der Anteil der σ-Bindung an der Bindungs-energie prozentual am größten ist. Aufgrund derstärkeren Wechselwirkung nimmt in dieser Reihen-folge die Bindungslänge ab (Tab. 3.1).
3.1.5 Die konjugierten DoppelbindungenBei Verbindungen mit mehreren Doppelbindungenist folgendes zu beachten:
Sobald mehr als eine Einfachbindung und somitein sp3-hybridisiertes C-Atom zwischen den sp2-hybridisierten C-Atomen liegt, die für die Ausbil-
Die Bindungsverhältnisse am Kohlenstoffatom 3 Grundlagen der Organischen Chemie90
Abb. 3.5 Darstellung der Orbitale im Ethan im Vergleich mitder Struktur in einfacher und Keilstrich-Darstellung (s. S. 96)
Abb. 3.6 Orbitaldarstellung im Ethen3
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dung der Doppelbindung verantwortlich sind,spricht man von isolierten Doppelbindungen.Wenn von einem C-Atom zwei Doppelbindungenausgehen, werden diese als kumuliert (cumularelat. anhäufen) bezeichnet (Abb. 3.7). Das Kohlen-stoffatom ist also in diesem Fall sp-hybridisiert.Treten Doppel- und Einfachbindungen alternie-rend auf, handelt es sich um konjugierte (coniu-gare lat. verbinden) Doppelbindungen (s. Abb. 3.7).Bei konjugierten Doppelbindungen treten quali-tativ neue Eigenschaften auf, die man aber mitdem Hybridisierungsmodell verstehen kann.
Im Buta-1,3-dien sind alle C-Atome sp2-hybridisiert.Es kommt zu einer Überlappung der sp2-Orbitalezwischen den C-Atomen und zu einer Überlappungder sp2- und der s-Orbitale der Wasserstoffatome inForm von σ-Bindungen. Das bedeutet, dass die Kern-verbindungslinien zwischen den 4 C-Atomen undzwischen den C-Atomen und den jeweiligen H-Ato-men in einer Ebene liegen (Abb. 3.8).Alle vier nicht hybridisierten p-Orbitale stehen senk-recht zu dieser Ebene und treten im Sinn einer π-Bindung in Wechselwirkung. Diese Wechselwirkungerfolgt nun nicht nur zwischen den p-Orbitalen des 1.und 2. C-Atoms und des 3. und 4. C-Atoms. Auchzwischen dem p-Orbital des 2. und 3. C-Atoms findeteine Überlappung statt. Die π-Bindung ist also nichtgenau zwischen dem 1. und 2. sowie dem 3. und 4. C-Atom lokalisiert, die Doppelbindungen sind delokali-
siert. Die C2-C3-Bindung ist mit 146 pm etwas kür-zer als eine Einfach-, aber doch länger als eine Dop-pelbindung (vgl. Tab. 3.1).Das fiktive Buta-1,3-dien mit lokalisierten, also zwi-schen C1 und C2 bzw. C3 und C4genau fixiertenDoppelbindungen ist instabiler als das real vorhan-dene.
MERKE
Die Delokalisierung bedeutet einen Energiegewinnim Vergleich zur hypothetischen Struktur mit loka-lisierten Doppelbindungen. Man spricht von Delo-kalisierungs- oder Resonanzenergie.
Die Delokalisation der Doppelbindung kann mandurchmesomere Grenzstrukturen (s. S. 27) darstellen(Abb. 3.9).
3.1.5.1 Die Bindungsverhältnisse im BenzenAuch im Benzen (C6H6) sind alle Kohlenstoffatomesp2-hybridisiert (der noch häufig benutzte Trivial-name „Benzol“wird hier nicht mehr verwendet, son-dern der in der IUPAC-Nomenklatur festgelegte sys-tematische Name). Bei Überlappung der sp2-Orbitaleder C-Atome ergibt sich ein regelmäßiges Sechseck.Senkrecht zu dieser Ebene stehen sechs nicht hybri-
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Bindungsverhältnisse am Kohlenstoffatom 91
Tabelle 3.1
Bindungsenergie und Bindungslänge zwischen C-Atomen
Bindungstyp Bindungs-energie kJ/mol
Bindungs-länge pm
C–C: σ-Bindung 346 153
C=C: σ-Bindung +π-Bindung
602 134
C≡C: σ-Bindung+2 π-Bindungen
836 121
Abb. 3.7 Isolierte, konjugierte und kumulierte Doppelbindun-gen
Abb. 3.8 Darstellung der nicht hybridisierten p-Orbitale undderen Wechselwirkung im Buta-1,3-dien
Abb. 3.9 Mesomere Grenzstrukturen von Buta-1,3-dien
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disierte p-Orbitale, deren Wechselwirkung eineElektronenwolke ergibt. Diese Wolke ist völliggleichmäßig oberhalb und unterhalb der Ebene ver-teilt. Dieser Zustand ist energetisch wiederum güns-tiger als der fiktive mit drei lokalisierten Doppelbin-dungen. Die Differenz zwischen der Energie desfiktiven Benzens mit drei lokalisierten Bindungenund der Energie des Benzens mit delokalisierten Bin-dungen (Delokalisierungsenergie) ist deutlich größerals im Butadien, da in denmesomeren Strukturen desBenzens (Abb. 3.10) keine Formalladungen auftreten,wie es aber bei Butadien (Abb. 3.9) der Fall ist. WederFormel 1 noch Formel 2 in Abb. 3.10 beschreiben dieStruktur des Benzens richtig. Dazu sind beide For-meln nötig, die durch den Mesomeriepfeil verknüpftwerden müssen. Man kann aber auch Formel 3 ver-wenden. Die Bindung zu den Wasserstoffatomenwird oft nicht mit angegeben, aus der Vierbindigkeitdes C-Atoms geht aber zwangsläufig hervor, dass beidieser vereinfachten Darstellung die Wasserstoff-atome gedanklich zu ergänzen sind.Auch experimentell wurde bestätigt, dass alle Bin-dungen im Benzen gleich sind, ihre Bindungslängeliegt mit 139 pm zwischen der Einfach- und derDoppelbindung. Die Bindungsverhältnisse im Benzenwerden oft als aromatischer Zustand bezeichnet. Die-ser tritt in planaren cyclischen konjugierten Syste-
menmit (4n+2) π-Elektronen auf und führt zu einemeigenständigen Reaktionsverhalten (s. S.130).
Check-up4 Wiederholen Sie den Zusammenhang zwi-
schen den einzelnen Hybridisierungsmodellenund den jeweils zwischen den Hybridorbitalenauftretenden Winkeln. Beachten Sie dabei,dass diese Winkel häufig bei der Darstellungder Verbindungen nicht berücksichtigt wer-
den – für das räumliche Verständnis sind dieseWinkel aber Voraussetzung.
4 Verdeutlichen Sie sich noch einmal den Un-terschied zwischen einer δ- und einer π-Bin-dung.
4 Zum Üben können Sie die Hybridisierung allerC-Atome in folgenden Verbindungen angeben(Abb. 3.11) (Lösung s. S. 202):
3.2 Die Einteilung und dieNomenklatur organischerVerbindungen
LerncoachIn diesem Kapitel begegnen Sie einer Vielzahlverschiedener Stoffklassen und Formeln.Konzentrieren Sie sich beim Lernen auf dasErkennen der wichtigsten Stoffklassen anhandfunktioneller Gruppen. Lernen Sie keinesfallsSummenformeln, da diese keine Hinweise aufdie charakteristischen Gruppen der Verbin-dung zulassen.Chemie versteht man nur über die Strukturen.Einige einfache Strukturfomeln sollten Sie fürdie jeweilige Stoffklasse parat haben. LegenSie sich beispielsweise einen Zettel nebendas Buch und notieren Sie die Strukturformelund den Namen. Später können Sie sich damitkontrollieren.
3.2.1 Der ÜberblickDie Vielfalt organischer Verbindungen zwingt förm-lich dazu, ein Einteilungssystem zu finden. Meistreicht es aus, eine Zusammenfassung nach den Ei-genschaften vorzunehmen (z. B. zu Farbstoffen, ober-flächenaktiven Stoffen, makromolekularen Verbin-dungen). Aber um tiefer in die organische Chemieeinzudringen, muss man die Struktur der Verbin-dung – also die Anordnung der Atome – als Klassifi-zierungsmerkmal berücksichtigen. Außerdem müs-
Die Einteilung und die Nomenklatur org. Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie92
Abb. 3.10 Die nicht hybridisierten p-Orbitale und derenWech-selwirkung sowie die verschiedenen Formelschreibweisen fürBenzen
Abb. 3.11 Beispiele zur Hybridisierung
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sen die Verbindungen eindeutig durch einen Namencharakterisiert werden.
3.2.2 Die Klassifizierung organischerVerbindungen
3.2.2.1 Die Kohlenwasserstoffe (vgl. S. 125)Zur Gruppe der Kohlenwasserstoffe gehören alle Ver-bindungen, die ausschließlich aus Kohlenstoff- und
Wasserstoffatomen bestehen. Dabei kann es sich umkettenförmige oder ringförmige Strukturen handeln,folglich unterscheidet man:
kettenförmige oder aliphatische VerbindungenO verzweigte undO unverzweigte Verbindungenringförmige oder cyclische VerbindungenO aromatische undO alicyclische Verbindungen.
Die kettenförmigen und die alicyclischen Kohlenwas-serstoffe unterteilt man außerdem in gesättigte (estreten nur Einfachbindungen auf) und ungesättigte
Verbindungen. (Abb. 3.12, Tab. 3.2).Eine Klassifizierung kann nur bei einfachen Verbin-dungen leicht vorgenommen werden, bei großenMolekülen, die gerade für die Biochemie wichtigsind, werden häufig Teilstrukturen klassifiziert.
3.2.2.2 Die Kohlenwasserstoffe mitHeteroatomen
Viele organische Verbindungen enthalten nebenKohlenstoff und Wasserstoff weitere Elemente (sog.Heteroatome). Die wichtigsten Heteroatome sind die
Halogene, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor undSchwefel.Diese von den Kohlenwasserstoffen abgeleiteten De-rivate werden durch die allgemeine Formel R–X, ge-legentlich auch R–X–R beschrieben.
X ist die das Heteroatom enthaltende funktionelle
Gruppe (die funktionellen Gruppen führen zu spe-ziellen physikalischen und chemischen Eigen-schaften, die für die ganze Verbindungsklassecharakteristisch sind).R beschreibt den nur aus C und H bestehendenorganischen Rest, den man als Alkylrest bezeich-net. Wenn dieser Rest von einem Benzenring ab-geleitet ist, heißt er Arylrest. Gelegentlich werdenSie auch die Bezeichnung „Acylrest“ finden. Dabeihandelt es sich um eine Sammelbezeichnung fürdie Gruppe R-C=O, wobei R ein Alkyl- oder Aryl-rest ist.
Tab. 3.3 zeigt die wichtigsten Stoffklassen mit dercharakteristischen funktionellen Gruppe.
Es ist wichtig, dass Sie in komplexen Mole-külen einzelne funktionelle Gruppen erkennenkönnen. Das gehört zu den Topthemen desPhysikums. Ein Beispiel ist in Abb. 3.19 aufS. 99 dargestellt.
Neben kettenförmigen und ringförmigen Kohlen-wasserstoffen und deren Derivaten bilden die hete-
rocyclischen Verbindungen die dritte große Gruppeorganischer Substanzen. Es handelt sich auch hier umcyclische Verbindungen, die aber neben den Kohlen-stoffatomen Heteroatome wie z. B. Sauerstoff, Stick-stoff oder Schwefel enthalten (Tab. 3.4).
3.2.3 Die StrukturdarstellungIn der organischen Chemie ist es üblich, die Struk-
turformel der Verbindung anzugeben. Die Summen-
formeln sind nur im Zusammenhang mit analyti-schen Untersuchungen interessant, sie erlaubenkeine automatischen Rückschlüsse auf möglicheReaktionen und sind außerdem nicht eindeutig.Die Verwendung der Summenformel C2H6O gibt alsonur einen Hinweis auf die elementare Zusammen-setzung. Ob es sich um Ethanol C2H5OH oder umDimethylether CH3OCH3 handelt, erfährt man aus-
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Einteilung und die Nomenklatur org. Verbindungen 93
Abb. 3.12 Klassifizierung der Kohlenwasserstoffe
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Die Einteilung und die Nomenklatur org. Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie94
Tabelle 3.2
Beispiele für Kohlenwasserstoffe
Stoffklasse Strukturbeispiel Name und Vorkommen bzw. Bedeutung
unverzweigter gesättigter Kohlenwasserstoff Butanwird aus Erdöl gewonnen, ist wichtigesHeizgas
verzweigter gesättigter Kohlenwasserstoff 2,2-Dimethyl-propan/Neopentan, in geringen Mengen im Erdölvorhanden
unverzweigter ungesättigter Kohlenwasserstoffmit einer Doppelbindung
Ethen/Ethylengrößtes organisches Massenprodukt derchemischen Industrie, natürliches Vorkom-men in Pflanzen als Hormon
verzweigter ungesättigter Kohlenwasserstoffmit Doppelbindungen
2-Methyl-buta-1,3-dien/IsoprenBaustein des Naturkautschuks
unverzweigter ungesättigter Kohlenwasserstoffmit einer Dreifachbindung
Ethin/Acetylentritt bei der trockenen Destillation vonSteinkohle auf, wichtiger Ausgangsstoff fürdie Synthese
alicyclische gesättigteVerbindung
CyclohexanGrundkörper für viele Naturstoffe, aber auchGrundlage für die Produktion von Nylon undPerlon
alicyclische ungesättigte Verbindungmit einer Doppelbindung
CyclohexenGrundkörper der in Pflanzen einer japani-schen Anisart vorkommenden Shikimisäure
aromatische Verbindung Benzenwichtiges Ausgangsprodukt für die Herstel-lung von Farbstoffen, Insektiziden oder Phar-maka
Tabelle 3.3
Beispiele für funktionelle Gruppen
Stoffklasse allgemeine Formel Bezeichnung derfunktionellen Gruppe
Beispiel
Halogenkohlenwasserstoffe R-X mit X = F, Cl, Br oder I Halogengruppe 1-Brom-1-chlor-2,2,2-trifluor-ethan/Halothan (Inhalationsnarkotikum)
Alkohole Hydroxygruppe Ethan-1,2-diol/Ethylenglykol(Frostschutzmittel)
Phenole
(R = aromatischer Ring/Arylrest)
Hydroxygruppe Phenol (wichtiges Synthese-ausgangsprodukt)
Ether Alkoxygruppe Ethoxyethan/Diethylether(Lösungsmittel, Narkotikum)
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3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Einteilung und die Nomenklatur org. Verbindungen 95
Tabelle 3.3 (Fortsetzung)
Beispiele für funktionelle Gruppen
Stoffklasse allgemeine Formel Bezeichnung derfunktionellen Gruppe
Beispiel
Aldehyde Carbonyl- (Formyl-)gruppe Ethanal/Acetaldehyd (wichtiges Zwi-schenprodukt beim biochemischenZuckerabbau)
Ketone Carbonyl- (oxo-)gruppe Propanon/Aceton (tritt bei Diabetesmellitus als anomales Stoffwechselpro-dukt auf)
Carbonsäuren Carboxylgruppe Ethansäure/Essigsäure (wichtigste,schon seit dem Altertum bekannteCarbonsäure)
Carbonsäureester Estergruppe Ethansäure-/ Essigsäureethylester/Ethylacetat (Lösungsmittel)
Carbonsäurethioester Thioestergruppe Ethanthiosäuremethylester/Thioessig-säuremethylester (Verwendung in deranalytischen Chemie)
Carbonsäureamide Amidgruppe Ethansäureamid/Acetamid (Lösungs-mittelzusatz)
Thiole Mercapto-/Sulfanylgruppe Methanthiol/Sulfanylmethan/Methyl-mercaptan (verursacht den Geruch vongekochtem Kohl)
Sulfane/Thioether(Sulfide)
Alkylthiogruppe Bis(2-chlorethyl)-sulfid/sulfan(Lostoder Senfgas, stark kanzerogen wir-kender Kampfstoff)
Sulfonsäuren Sulfogruppe Methansulfonsäure (Alkylsulfonsäurensind gute Netzmittel, deshalb in Spül-und Reinigungsmitteln)
Amine Aminogruppe 1,4-Diaminobutan/Tetramethylendia-min/Putrescin (Duftbestandteil derBlüten einiger Aronstabgewächse)
Nitroverbindungen Nitrogruppe Nitromethan (wichtiger Ausgangsstofffür Synthesen)
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schließlich aus der Strukturformel, für die wiederverschiedene Varianten gebräuchlich sind (Abb. 3.13):Die Struktur kann vereinfacht als Projektion in diePapierebene angegebenwerden. In Abhängigkeit vonder Fragestellung werden die einzelnen Bindungengenau aufgezeichnet oder man fasst Gruppen zu Teil-formeln zusammen. Entweder werden alle Atomeangegeben oder man verzichtet weitestgehend aufdie Angabe der Wasserstoffatome. Wegen der Vier-bindigkeit des C-Atoms kann man wieder die fehlen-den H-Atome gedanklich ergänzen. Sie sehen inAbb. 3.13 (Variante über Keil-Strich-Darstellung),dass man mit Strichen arbeitet und nur die funktio-nelle Gruppe deutlich angibt. In dieser Darstellung
bedeutet eine Ecke eine CH2-Gruppe, das Ende einesStrichs eine CH3-Gruppe. Dieses Vorgehen ist vorallem bei größeren Molekülen angebracht.Soll die räumliche Struktur erkennbar sein, hilft dieKeil-Strich-Projektion. In einigen Fällen ist es außer-dem notwendig zu zeigen, wie z. B. im Ethanol dieC2–H-Bindung zur C1–OH-Bindung steht, d. h. wiegroß also der Torsions- oder Diederwinkel ist(s. S.102). Dazu bedient man sich der Newman-Pro-
jektion, bei der man im vorliegenden Beispiel auf dieC2-C1-Bindung schaut. Das C2-Atom liegt imSchnittpunkt der C2-H-Bindungen und wird nichtweiter angedeutet. Das C1-Atom liegt hinten undwird durch einen Kreis symbolisiert.
MERKE
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine chemischeStruktur darzustellen. Die Art der Darstellung mussim Zusammenhang mit der Fragestellung gewähltwerden. Wenn sterische Verhältnisse wichtig sind,sollte man eine räumliche Darstellung bevorzugen.
Die Einteilung und die Nomenklatur org. Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie96
Tabelle 3.4
Beispiele für Heterocyclen (s. a. S. 158)
Heterocyclus Name Naturstoff, derdiese Strukturenthält
Imidazol Histidin
Pyridin NAD, Nicotin
Pyrimidin Pyrimidinbasen derNukleinsäuren
Indol Tryptophan
Purin Purinbasen derNukleinsäuren
Tetrahydropyran Pyranosen
Tetrahydrofuran Furanosen
Furan als hydrierte Form inden Furanosen
Pyrrol Porphin
Thiophen in hydrierter Form inBiotin
Abb. 3.13 Verschiedene Darstellungsmöglichkeiten für Etha-nol
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3.2.4 Die NomenklaturDie Vielzahl organischer Verbindungen wird nachdem Regelsystem der International Union of Pureand Applied Chemistry (IUPAC) eingeteilt.
3.2.4.1 Die substitutive NomenklaturDie substitutive Nomenklatur führt die Verbindungauf den sog. Verbindungsstamm zurück, bei dem essich um unverzweigte Kohlenwasserstoffe oder He-terocyclen handelt.
MERKE
Der Stamm muss die größtmögliche AnzahlC-Atome enthalten.
Falls keine Entscheidungmöglich ist, richtet man sichnach der größtmöglichen Anzahl Mehrfachbindun-gen, dann nach der Anzahl der Doppelbindungen,schließlich nach der Anzahl der Substituenten.Am Suffix erkennt man, ob es sich um einen
gesättigten Kohlenwasserstoff (Suffix „an“),Kohlenwasserstoff mit Doppelbindungen (Suffix„en“) oderKohlenwasserstoff mit Dreifachbindungen (Suffix„in“) handelt.
Dreifachbindungen haben vor Doppelbindungen unddiese wiederum vor Einfachbindungen die höherePriorität. In dieser Reihenfolge wird also der Nameder Verbindungsklasse festgelegt, wenn keine funk-tionellen Gruppen enthalten sind. Die Lage dieserMehrfachbindungen wird genauer durch die Nen-nung des Kohlenstoffatoms, von dem die Bindungausgeht, charakterisiert. Dazu beziffert man dasStammsystem so, dass Mehrfachbindungen bzw.Substituenten möglichst niedrige Zahlen (Lokanten)erhalten.Die Bezeichnung des Stammes richtet sich nach derAnzahl der Kohlenstoffatome (Tab. 3.5)Liegt ein verzweigter Kohlenwasserstoff vor, mussman auch die Verzweigungen charakterisieren. Dabeibezieht man sich wiederum auf die Länge des Restesund benutzt die in Tab. 3.6 angegebenen Stammna-men, nun aber ergänzt durch das Suffix „yl“. DieSubstituenten werden in alphabetischer Reihenfolge
angeordnet. Für einige Reste sind auch Trivialnamenzugelassen.
Für die beiden folgenden Strukturen wurdeder systematische Name angegeben. Vollziehen Siedie Namensgebung sorgfältig nach (Abb. 3.14).
MERKE
Die funktionellen Gruppen finden im Namen als Prä-oder Suffixe Berücksichtigung. Die Gruppe mit derhöchsten Priorität wird als Suffix benutzt, damitwird auch die Klassenbezeichnung festgelegt.
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Einteilung und die Nomenklatur org. Verbindungen 97
Tabelle 3.5
Die Stammnamen
AnzahlC-Atome
Stammname AnzahlC-Atome
Stammname
1 Meth 7 Hept
2 Eth 8 Oct
3 Prop 9 Non
4 But 10 Dec
5 Pent 12 Dodec
6 Hex 15 Pentadec
Tabelle 3.6
Die Trivialnamen für einige Alkylreste
Substituent systematischeBezeichnung
Trivialname
1-Methyl-ethyl Isopropyl
2-Methyl-propyl Isobutyl
1-Methyl-propyl sec-Butyl
1,1-Dimethyl-ethyl tert-Butyl
Ethenyl Vinyl
Abb. 3.14 (a) Pent-4-en-1-in, (b) 3-Ethyl-2-methyl-hexan
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Verbindungen, die eine Hydroxy- und eine Amino-gruppe enthalten, werden als Aminoalkohole undnicht als Hydroxyamine bezeichnet. Das Suffix derHauptgruppe wird mit dem Stammnamen verbun-den, alle übrigen Substituentenwerden durch Präfixecharakterisiert und in alphabetischer Reihenfolge vordem Stammnamen angeordnet (Tab. 3.7). Bei mehre-ren gleichen einfachen Substituenten sind die Multi-plikativzahlwörter Di-, Tri-, Tetra- usw., bei komple-xen Substituenten Bis-, Tris-, Tetrakis- hinzuzufügen.Die Multiplikativwörter ändern die alphabetischeReihenfolge der Substituenten nicht! Die jeweiligePosition der Substituenten wird durch die Lokantenangegeben (s. o.), wobei die Hauptgruppe eine mög-lichst niedrige Ziffer erhalten muss.
Lernen Sie die Informationen zur Nomenkla-tur bitte nicht auswendig, sondern versuchen Sie,die Namensgebung anhand der systematischenNomenklatur zu verstehen.
Beispiel 1: 3-Hydroxy-butansäure (Abb. 3.15)Stamm mit 4 C-Atomen, nur C–C-Einfachbindun-gen R -butan
funktionelle Gruppe höchster Priorität-(C)OOHR -säure
weitere funktionelle Gruppe am 3. C-Atom: –OHR 3-Hydroxy-
Beispiel 2: 5-Methyl-hex-1-en-3-on (Abb. 3.16)Stammmit 6 C-Atomen, eine Doppelbindung zwi-schen dem 1. und 2. C-Atom R -hex-1-en
funktionelle Gruppe am 3. C-Atom –(C)=O als Suf-fix (da automatisch Hauptgruppe wegen Abwe-senheit weiterer funktioneller Gruppen) R-3-on
Alkylrest am 5. C-Atom R 5-Methyl-
Auch für cyclische Kohlenwasserstoffe gibt es ganzgenaue Nomenklaturregeln. Bei monocyclischen Sys-temen beginnt der Name mit dem Präfix cyclo. DerNamensstamm informiert über die Anzahl der C-Atome und am Suffix -an, -en, -in erkennt man Ein-fach-, Doppel- und Dreifachbindung. Auch für dieNummerierung der Kohlenstoffatome gelten genaueRegeln. Wir wollen uns auf die Stellenangabe in Ben-zenderivaten beschränken. Die Nummerierung ist sozu wählen, dass die Substituenten die niedrigstmög-liche Stellenangabe erhalten. Bei gleichartigen Di-substitutionsprodukten ist auch folgende Bezeich-nung erlaubt (Abb. 3.17):
Die Einteilung und die Nomenklatur org. Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie98
Abb. 3.15 3-Hydroxy-butansäure
Tabelle 3.7
Substitutive Nomenklatur einiger wichtiger funktionellerGruppen (Anordnung der Gruppen nach fallender Priorität)
funktionelleGruppe
Präfix Suffix
-COOH Carboxy- -carbonsäure
-(C)OOH1 - -säure
-CN Cyan- -carbonitril
-(C)N1 - -nitril
-SO3H Sulfo- -sulfonsäure
-CHO Formyl- -carbaldehyd
-(C )HO1 Oxo- -al
>(C)=O1 Oxo- -on
-OH Hydroxy- -ol
-SH Mercapto-/Sulfanyl -thiol
-NH2 Amino- -amin
-OR Alkyloxy- keine Bezeichnungdurch Suffixe
-SR Alkylthio-
-NO2 Nitro-
-Cl Chlor-
1 Das C wird zum Stamm und nicht zum Substituentengezählt.
Abb. 3.16 5-Methyl-hex-1-en-3-on
Abb. 3.17 Stellung derSubstituenten beicyclischen Kohlen-wasserstoffen
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3.2.4.2 Die TrivialnamenTrivialnamen werden immer noch verwendet undwerden Ihnen in der Biochemie, aber auch im Alltagbegegnen. Da ihnen keinerlei Systematik zugrundeliegt, muss man sie auswendig lernen. Die Namenbeziehen sich auf die Herkunft der Verbindungen(z. B. Milchsäure R aus saurer Milch isoliert; Harn-stoff R aus Harn isoliert; Guanin R aus Guano iso-liert), auf charakteristische Eigenschaften der Verbin-dungen (z. B. Glycin und Glycerin R glykys griech.süß; Pikrinsäure R pikros griech. bitter) sowie aufihre Darstellung (z. B. Phosgen phos griech. Licht,genan griech. erzeugen).Ein Teil dieser Namen wurde fester Bestandteil dersystematischen Nomenklatur wie Methan (methyeingriech. ich bin berauscht), Ethan (aither griech. Äther,Himmel, obere Luftschicht), Propan (pro lat. Vorstufe,pios griech. Fett) oder Butan (butyron griech. Butter),ohne dass ein systematischer Name gebildet wurde.Andere Trivialnamenwie Phenol (phaeino griech. ichleuchte, ol von oleum) sind ebenfalls noch zugelas-sen, obwohl systematische Bezeichnungen existie-ren. In Trivialnamen werden die Kohlenstoffatome,an denen sich Substituenten befinden, oft mit grie-chischen Buchstaben bezeichnet. Das α-C-Atom trägt
die funktionelle Gruppe höchster Priorität. Das un-mittelbar benachbarte ist das β-C-Atom, dann folgtdas g-C-Atom (Abb. 3.18).
3.2.4.3 Die primären, sekundären und tertiärenC-Atome
Häufig charakterisiert man Kohlenstoffatome nachder Anzahl der mit ihnen verknüpften C-Atome:
Ein primäres C-Atom steht am Ende der Kette undist folglich nur mit einem weiteren C-Atom ver-knüpft (z. B. C-Atom 1 in allen Isomeren des He-xans, s. S.100).Ein sekundäres C-Atom ist mit zwei weiteren C-Atomen verbunden (z. B. C-Atom 2 in Hexan).Ein tertiäres C-Atom ist mit drei weiteren C-Ato-men verbunden (z. B. C-Atom 2 in 2,3-Dimethyl-butan).Wenn ein C-Atom vier C-Atome zum unmittelba-ren Nachbarn aufweist, spricht man von quartä-
ren C-Atomen (z. B. C-Atom 2 in 2,2-Dimethylbu-tan).
Klinischer Bezug
Die Abb. 3.19 zeigt die Struktur des Salbutamols unddarin vorhandene funktionelle Gruppen.Salbutamol ist ein Medikament, das vor allem beiAsthma bronchiale zur Anwendung kommt. Es bindetüberwiegend an die β2-Rezeptoren des sympathischenNervensystems und bewirkt dadurch eine Erschlaffungder Bronchialmuskulatur und als Folge eine Erweite-rung der Atemwege. Ferner kommt es durch Salbuta-mol im Bereich der Atemwege zu einer gesteigertenBewegung des Flimmerepithels und damit zu einerverbesserten Reinigung der Atemwege durch einengesteigerten Abtransport von zähem Sekret. Die Sub-stanz kann inhaliert werden oder systemisch, also imgesamten Körper, zur Anwendung kommen.
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Einteilung und die Nomenklatur org. Verbindungen 99
Abb. 3.18 Nummerierung der Kohlenstoffatome mit griechi-schen Buchstaben
Abb. 3.19 Struktur von Salbutamol (Broncholytikum) und Zu-ordnung der vier funktionellen Gruppen
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Check-upÜben Sie das Erkennen von funktionellenGruppen und Ringsystemen, denn nur durchdie charakteristischen Strukturelemente istdas Verhalten von Verbindungen richtig zuverstehen. Suchen Sie also entsprechendeGruppen im Nicotinamid-adenin-dinucleotid(NAD+, Abb. 3.20) (Lösung s. S. 203).
3.3 Die Stereochemie organischerVerbindungen
LerncoachFür dieses Kapitel benötigen Sie ein gutesräumliches Vorstellungsvermögen. Wenn Siedamit jedoch Probleme haben, können Sie miteinem Molekülbaukasten oder mit aus Stroh-halmen und Knetmasse selbstgebautenModellen die einzelnen Schritte gedanklichnachvollziehen. Benutzen Sie dabei am bestenkonkrete Beispiele (z. B. D-Glucose,L-Glucose).
3.3.1 Der ÜberblickNur durch die detaillierte Kenntnis der Struktur derMoleküle und ihrer Raumgestaltung lassen sich ihrebiologischen Funktionen und der oft überraschendgroße Einfluss kleiner Veränderungen im Molekülauf die biologische und pharmakologische Wirkungverstehen. Deshalb werden nun Fragen des steri-schen (steros griech. fest, starr) Baus der Molekülegenauer besprochen und anhand von Beispielen dieBegriffe Isomerie, Konstitutionsisomerie und Stereo-isomerie eingeführt.
3.3.2 Die IsomerieDie vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten für dieVerknüpfung der Atome und deren räumliche An-ordnung in einem Molekül werden als Isomerie
(isos griech. gleich, meros griech. Teilchen) bezeich-net. Dieser Begriff dient der Charakterisierung vonVerbindungen mit gleicher Summenformel, aber un-terschiedlicher Verknüpfung oder von Verbindungenmit gleicher Summenformel, gleicher Verknüpfung,aber unterschiedlicher räumlicher Anordnung vonAtomen und Atomgruppen. Die entsprechenden Ver-bindungen werden als Isomere bezeichnet und wei-sen Unterschiede in physikalischen und chemischenEigenschaften auf.
3.3.3 Die KonstitutionsisomerieVon Konstitutionsisomeren spricht man, wenn derStrukturunterschied zwischen zwei oder mehrerenVerbindungen in einer geänderten Aufeinanderfolge
der Atome innerhalb des Moleküls besteht (consti-tuere lat. aufstellen). Ein entsprechendes Beispielwurde auf S. 96 (Summenformel C2H6O) erwähnt.Diese Summenformel kann sowohl für Ethanol alsauch für Dimethylether stehen. Die beiden Isomeregehören jedoch zu völlig unterschiedlichen Stoffklas-sen.Bereits in der Reihe der Kohlenwasserstoffe ist Kon-stitutionsisomerie möglich. So können für C6H14 fünfunterschiedliche Strukturen formuliert werden. DieAnzahl der Isomere nimmt mit der Anzahl der C-Atome weiter zu (Abb. 3.21).
Die Stereochemie organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie100
Abb. 3.20 Nicotinamid-adenin-dinucleotid (NAD+)
Abb. 3.21 Isomere mit der Summenformel C6H14
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Die Nummerierung erfolgt immer so, dass Substi-tuenten eine möglichst kleine Ziffer erhalten. Des-halb gibt es kein 4-Methyl-pentan, denn es muss als2-Methyl-pentan bezeichnet werden. Viele Studie-rende denken, dass die in Abb. 3.22 unten aufgeführteStruktur auch ein Isomeres ist. Sie sagen, dass dieuntere Verbindung 1,3-Dimethylbutan heißt. Dabeiwird übersehen, dass die (markierte) längste Kohlen-stoffkette 5 C-Atome enthält. Und wenn sie auch ge-winkelt geschrieben ist, bleibt es die längste Kette.Die wirklichen Bindungswinkel betragen ohnehinnicht 90 °, sondern 109,5 °!
3.3.4 Die Stereoisomerie
Von Stereoisomerie spricht man, wenn zwei Mole-küle in Summenformel und Verknüpfung überein-stimmen, die Moleküle sich aber in der räumlichenAnordnung der Atome oder Atomgruppen unter-scheiden.Stereoisomere können folgendermaßen eingeteiltwerden:
Vergleichtman beide Isomere imHinblick auf ihreSymmetrie, kann man darüber entscheiden, ob essich um Enantiomere oder Diastereomere han-delt.Steht jedoch beim Vergleich der Isomeren dieFrage im Mittelpunkt, wie die Stereoisomeren in-einander umgewandelt werden können, kommtman zur Unterteilung in Konfigurations- und
Konformationsisomere.
3.3.4.1 Die KonfigurationsisomerieDie Konfiguration (configurare lat. gleichgestalten,anpassen) eines Moleküls ist die räumliche Anord-nung der Atome oder Atomgruppen ohne Berück-sichtigung von Anordnungen, die durch Rotationum Einfachbindungen entstehen.
Konfigurationsisomere sind somit Stereoisomere mitunterschiedlicher Konfiguration, sie können nicht
durch Rotation ineinander überführt werden. ZurÜberführung eines Konfigurationsisomers in ein an-deres müssen Bindungen aufgespalten und neu ge-knüpft werden. Das erfordert einen hohen Energie-betrag, der den Teilchen normalerweise nicht zurVerfügung steht. Deshalb sind Konfigurationsiso-mere bei Raumtemperatur stabil. Konfigurationsiso-mere treten im Bereich der Enantiomerie und Dias-tereomerie auf (s. S. 110).Beim Vorliegen von π-Bindungen (s. S. 88) sind dieDoppelbindungen nicht mehr frei drehbar. Tragennun die beiden an der Doppelbindung beteiligtenC-Atome verschiedene Substituenten, können zweiStoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften vorlie-gen.Für das Auftreten der Konfigurationsisomerie beiDoppelbindungen (π-Diastereomerie) muss also fol-gende Voraussetzung erfüllt sein (Abb. 3.23).a kann aber mit c oder b mit d identisch sein!
Diese Bedingung erfüllt 1,2-Dichlorethen, es existie-ren also zwei mögliche Verbindungen (Abb. 3.24). Ver-bindung I hat kein Dipolmoment, II hat ein Dipolmo-ment von µ=1,89D.Diese unterschiedlichen Strukturen werden häufignoch als cis-trans-Isomere bezeichnet. Struktur I inAbb. 3.24 zeigt das trans-Isomer, d. h., die Chloratomestehen auf verschiedenen Seiten der Doppelbindung.Struktur II (s. Abb. 3.24) weist das cis-Isomer auf, die
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Stereochemie organischer Verbindungen 101
Abb. 3.22 2-Methyl-pentan (nicht 1,3-Dimethylbutan)
Abb. 3.23 Voraussetzung für das Auftreten von Konfigura-tionsisomeren bei Doppelbindungen
Abb. 3.24 Isomere des 1,2-Dichlorethens
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Chloratome stehen auf der gleichen Seite der Doppel-bindung.Die Unterteilung in cis-trans-Isomere ist eigentlichnicht ganz geschickt, da sie auch zur Beschreibungder relativen Stellung von Substituenten am Cyclo-hexanring benutzt wird. Außerdem versagt sie, wennnicht zumindest ein Substituent an jedem C-Atomgleich ist. Da diese Nomenklatur aber historisch vonBedeutung und sie auch heute noch in der Biochemieweit verbreitet ist, wird hier nicht auf sie verzichtet.Aus den genannten Gründen wird vorwiegend dieE/Z-Nomenklatur verwendet. Diese Nomenklaturverlangt eine Festlegung der Priorität der Substituen-ten, die sich nach der Ordnungszahl richtet. Je höherdie Ordnungszahl ist, umso höher ist auch die Prio-rität.
MERKE
Liegen die Substituenten höherer Priorität zusam-men auf einer Seite der Doppelbindung, handelt essich um das Z-Isomer, liegen sie auf entgegengesetz-ten Seiten, liegt das E-Isomer vor.
Abb. 3.25 zeigt die Anwendung die E/Z-Nomenklaturan einem Beispiel. Mit der cis-trans-Nomenklaturwäre hier keine eindeutige Festlegung möglich ge-wesen. Bei komplexeren Substituenten verwendetman die CIP-Regeln (s. S.107) zur Bestimmung derPriorität.
3.3.4.2 Die KonformationsisomerieUnter Konformation (conformare lat. bilden, formen,gestalten) eines Moleküls versteht man – bei festge-legter Konstitution und Konfiguration – die verschie-denenMöglichkeiten der räumlichen Anordnung sei-ner Atome oder Atomgruppen, die schon durchRotation um Einfachbindungen ineinander überführtwerden können. Die dazu notwendige Energie habendie Moleküle gewöhnlich schon bei Raumtempera-tur, deshalb können Konformationsisomere (Konfor-
mere, Rotamere) bei Raumtemperatur nicht getrenntwerden. Nur bei niedrigen Temperaturen oder Ener-gieunterschieden von 70kJ/mol wird eine Trennungmöglich.
Konformere bei kettenförmigen KohlenwasserstoffenDie Drehung um eine Einfachbindung kann man amBeispiel des Butan-Moleküls demonstrieren. Die Dre-hung soll um die C2-C3-Bindung erfolgen. Für dieDarstellung wird bevorzugt die Newman-Projektionverwendet.Ausgangspunkt ist die Anordnung, bei der sich dieC1-C2-Bindung und die C3-C4-Bindung verdecken.DannerfolgtdieDrehungumdieC2-C3-Bindung.Derdabei in der Newman-Projektion auftretendeWinkelzwischen der C1-C2- und der C3-C4-Bindung ist derTorsions- oder Diederwinkel. Natürlich könnten wirnun für jeden beliebigen Winkel ein Konformer dar-stellen, wir beschränken uns hier aber auf 6 verschie-dene Anordnungen (Abb. 3.26), für die die potenzielleEnergie Extremwerte aufweist. Die potenzielle Ener-gie hat mit der Lage der Teilchen zu tun, Temperatur-einflüsse werden nicht berücksichtigt. Sie hängt vonder Kern-Kern-, der Kern-Elektron- und der Elektron-Elektron-Wechselwirkung ab.Abb. 3.26 zeigt neben den Möglichkeiten zur Benen-nung der Konformeren, dass geringe Energieunter-schiede zwischen den verschiedenen Konformerenauftreten. Bei 25 °C nehmen etwa 75% der Butan-Moleküle die günstigste, die antiperiplanare (antigriech. gegenüber; peri griech. ungefähr; planus lat.eben) Konformation ein, bei der der Torsionswinkel180 ° beträgt. Die verbleibenden 25% haben einesynclinale (syn griech. zusammen; klinein griech.neigen) Konformation.
Konformere in alicyclischen KohlenwasserstoffenKonformere spielen auch in Ringsystemen eine großeRolle (s. S.126). Wir wollen uns mit den Konformerendes Cyclohexans C6H12 beschäftigen. Alle C-Atomeweisen Einfachbindungen auf, sie sind also sp3-hyb-ridisiert. Die H–C–C- bzw. H–C–H-Bindungswinkelmüssen 109,5 ° betragen. Deshalb gibt Darstellung Iin Abb. 3.27 nur die Projektion in der Papierebenewieder. Die tatsächlichen räumlichen Verhältnissezeigt annähernd Darstellung IIa. Im Cyclohexan sindnun Drehungen um Einfachbindungen möglich (pro-bieren Sie das an einem Molekülmodell aus!). Dabei
Die Stereochemie organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie102
Abb. 3.25 Festlegung der E/Z-Nomenklatur am Beispiel des 2-Brom-1-chlor-propens
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interessieren uns besonders die Konformeren IIb, IIIund IV (aus Gründen der Übersichtlichkeit wurdendie Wasserstoffatome weggelassen).Mit etwas Phantasie erinnern die energieärmerenStrukturen II und IV tatsächlich an einen Sessel, dieenergiereichere Struktur III an eine Wanne oder einBoot. Dazwischen gibt es zahlreiche Übergänge. Inder Sesselform liegen alle benachbarten C-H-Bindun-gen in der gestaffelten Konformation vor. In derWan-nenform tritt jedoch auch die energetisch ungünstigeekleptische Konformation auf (s. S.102).Struktur IIa zeigt, dass die Wasserstoffatome entwe-der senkrecht oder fast waagerecht angeordnet seinkönnen, sie sind also axial (a) oder äquatorial (e)
(equatorial engl. äquatorial). Wenn die eine Sessel-form in die andere Sesselform übergeht, ändern alleWasserstoffatome ihre Anordnung. Alle äquatorialen
H-Atome werden zu axialen bzw. alle axialen zuäquatorialen H-Atomen. Diese Ringinversion hat fürdas Cyclohexan keine Konsequenzen. Wenn abereine OH-Gruppe am C-Atom substituiert ist, kann
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Stereochemie organischer Verbindungen 103
Abb. 3.26 Newman-Projektionen einiger Konformere des Butans und Veränderung der potenziellen Energie in Abhängigkeit von derDrehung um die C2-C3-Bindung
Abb. 3.27 Die Konformeren des Cyclohexans
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sie einmal axial und ein anderes Mal äquatorial ste-hen. Dabei kommt es zu Energieunterschieden, wo-bei die äquatoriale Anordnung der OH-Gruppe ener-getisch bevorzugt ist. Dieser Trend setzt sich bei sehrgroßen Substituenten fort, die den Cyclohexanringpraktisch sterisch „verankern“, weil ihre äquatorialeAnordnung energetisch viel günstiger ist. So wird einUmklappen in die andere Sesselkonformation wenigwahrscheinlich (Abb. 3.28).
Noch komplizierter wird die Situation bei Zweifach-substitution. Hier gibt es drei Konstitutionsisomere:das Cyclohexan-1,2-diol, das Cyclohexan-1,3-diolund das Cyclohexan-1,4-diol (Abb. 3.29).
Zu jedem Konstitutionsisomer existieren zwei Paarevon Konformationsisomeren (Abb. 3.30):
1. Paar: bei beiden Sesselformen steht eine OH-Gruppe axial, die andere äquatorial2. Paar: beide OH-Gruppen stehen axial, in deralternativen Sesselform stehen beide äquatorial.
Innerhalb dieser Paare ist eine Drehung um Einfach-bindungen ausreichend, um von einer Struktur in dieandere überzugehen. Vom 1. Paar zum 2. Paar ist abernur ein Übergang unter Aufbrechung von Bindungenmöglich. Es handelt sich also um Konfigurationsiso-mere.Für die Bezeichnung dieser Konfigurationsisomere istauch die cis/trans-Nomenklatur gebräuchlich. Wirwollen sie anhand der Konfigurationsisomere desCyclohexan-1,2-diols besprechen. Liegen die OH-Gruppen auf der gleichen Seite der von C1, C2 unddem Schwerpunkt aufgespannten Fläche, sprichtman von cis-Isomeren (1. Paar: ae und ea), liegensie auf verschiedenen Seiten, handelt es sich umtrans-Isomere (2. Paar: aa und ee). Diese Zuordnunggilt nur für die 1,2-Substitution.
LerncoachSie können anhand der folgenden Aufgabe über-prüfen, ob Sie das eben Gelesene verstanden haben:Stellen Sie fest, wann bei der 1,3- bzw. 1,4-Sub-stitution am Cyclohexan cis- bzw. trans-Isomerieauftritt (Lösung s. S. 201).
3.3.4.3 Die EnantiomerieDie Enantiomerie beschäftigt sich mit der Frage nachder Symmetrie der Moleküle. Pasteur untersuchteals Student die Salze der Weinsäure (Tartrate)und stellte dabei fest, dass sie in zwei unterschied-lichen, spiegelbildlichen Formen auskristallisieren(Abb. 3.31). Diese Form der Isomerie bezeichnet man
Die Stereochemie organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie104
Abb. 3.28 Die alternativen Sesselformen des Cyclohexanols
Abb. 3.30 Konformations- und Konfigurationsisomere desCyclohexan-1,2-diols (a = axial, e = äquatorial)
Abb. 3.31 Spiegelbildliche Kristalle der Natrium-Ammonium-Tartrate
Abb. 3.29 Die konstitutionsisomeren Cyclohexandiole
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als Spiegelbildisomerie‚ optische Isomerie oder En-
antiomerie (enantio griech. gegenüber stehend, ent-gegengesetzt).Für manche Moleküle kann man ein Spiegelbildkonstruieren, das mit dem Original nicht zur De-ckung gebracht werden kann. Diese Eigenschaftwird als Chiralität bezeichnet (chiral griech. cheirSeite, Hand). Das Molekül ist also chiral, Bild undSpiegelbild stellen Enantiomere dar (Abb. 3.32).Ein Molekül ist immer dann chiral, wenn es keineSymmetrieebene, kein Symmetriezentrum und keineDrehspiegelachse besitzt (Abb. 3.33). Eine durch dasMolekül gelegte Ebene ist eine Symmetrieebene,wenn sie das Molekül in zwei spiegelbildliche Hälf-ten teilt. Wenn jedem Atom bezüglich eines Punktesim Zentrum des Moleküls ein äquivalentes Atom sozugeordnet werden kann, dass beide Atome die End-punkte einer Strecke bilden, die durch den Bezugs-punkt halbiert wird, so ist dieser das Symmetrie-
oder Inversionszentrum.
Führt die Drehung um eine durch das Molekül ge-legte Achse und die anschließende Spiegelung aneiner Ebene senkrecht zur Drehachse zu einer identi-schen Anordnung, handelt es sich um eine Drehspie-
gelachse.Die Projektionen (Abb. 3.32) können Sie in der Papier-ebene drehen, Sie werden feststellen, dass sie beichiralen Molekülen nicht zur Deckung gebracht wer-den können. Chiralität ist nicht auf Moleküle be-schränkt. In der Natur gibt es viele Beispiele für nichtüberlagerbare Spiegelbilder, wobei Hände und Füße
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Stereochemie organischer Verbindungen 105
Abb. 3.33 Symmetrieebene, Symmetriezentrum und Dreh-spiegelachse
Abb. 3.32 Achirale undchirale Moleküle
Abb. 3.34 Hände und Schlingpflanzenals chirale Objekte
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das naheliegendste Beispiel sind (Abb. 3.34). Aberauch ein Korkenzieher oder eine Wendeltreppe,Schneckenhäuser oder Schlingpflanzen sind chiraleObjekte, denn die jeweiligen Spiegelbilder sind nichtdeckungsgleich mit dem Originalbild.Anhand einfacher Moleküle, wie in Abb. 3.32, kannman sehen, dass im chiralen Molekül das zentraleKohlenstoffatom vier verschiedene Substituententrägt. Dieses Kohlenstoffatom wird als stereogenes
Zentrum, Chiralitätszentrum oder asymmetrisch
substituiertes C-Atom bezeichnet und mit einemStern gekennzeichnet (Abb. 3.35).
MERKE
Bei der Suche nach stereogenen Zentren muss im-mer der jeweilige Substituent als „Einheit“ betrach-tet und nicht nur das unmittelbar verknüpfte Atomberücksichtigt werden!
Wenn achirale Moleküle durch einen chemischenReaktionsschritt in chirale überführt werden können,werden diese als prochiral bezeichnet. Im Citronen-säurezyklus entsteht z. B. in einer enzymatischenReaktion aus dem prochiralen Citrat (deprotonierteCitronensäure) das chirale Isocitrat (Abb. 3.36). EinMolekül kann aber auch ohne asymmetrisch substi-tuierte C-Atome chiral sein. Das trifft z. B. auf helikaleStrukturen zu (z. B. DNA, s. S.194).
Optische AktivitätEnantiomere besitzen gleiche physikalische und che-mischen Eigenschaften, nur in ihrenWechselwirkun-
gen mit linear polarisiertem Licht und anderen chira-len Reagenzien unterscheiden sie sich. Der Begriffoptische Aktivität beschreibt also die Tatsache, dassLösungen der entsprechenden Stoffe die Schwin-gungsebene eines durchfallenden linear polarisiertenLichtstrahls um einen Winkel α drehen. Die Dreh-
winkel eines Enatiomerenpaares stimmen im Betragüberein, sie unterscheiden sich nur im Vorzeichen.Ein Enantiomer, das die Polarisationsebene nachrechts dreht, wird mit (+) bezeichnet, das andereEnantiomer dreht die Ebene um den gleichen Wertnach links und erhält das Vorzeichen (–).Deshalb bezeichnet man Enantiomere auch als opti-sche Antipoden. Diese Drehung des Lichtstrahls wirdin einem Polarimeter in einer Küvette gemessen, sieist abhängig von der Temperatur und dem Lösungs-mittel.
Fischer-ProjektionUm den so wichtigen räumlichen Bau der Moleküleeindeutig in der Papierebene darzustellen undsprachlich klar beschreiben zu können, benutztman die Fischer-Projektion (Abb. 3.37):
Die Hauptkette des Moleküls wird von oben nachunten geschrieben.Das C-Atom mit der kleinsten Ziffer, das meistensdie funktionelle Gruppe höchster Priorität trägt,steht oben.Die in der Vertikalen stehenden Substituentenzeigen nach hinten in die Papierebene hinein.
Die Stereochemie organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie106
Abb. 3.35 Moleküle mit stereogenenZentren (asymmetrisch substituiertenC-Atomen), diese sind mit * markiert
Abb. 3.36 Prochiralität von Citrat
Abb. 3.37 Vergleich der Keil-Strich-Projektion mit der Fischer-Projektion am Beispiel der L-Milchsäure (2-(R)-2-Hydroxy-pro-pansäure)
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Die in der Horizontalen stehenden Substituentenzeigen nach vorn aus der Papierebene auf denBetrachter hin.
Aufgrund dieser Festlegung darf man Strukturen inFischer-Projektion nicht um 90 ° drehen, denn da-durch erzeugt man das Spiegelbild.
D/L-NomenklaturAuch zur Namensgebung der Enantiomeren hatteFischer Vorschläge, die als D/L-Nomenklatur im Be-reich der Kohlenhydratchemie und der Aminosäurennoch weit verbreitet sind. Diese Nomenklatur wirdals relative Nomenklatur bezeichnet, weil man sichimmer auf die Anordnung im Glycerinaldehyd be-zieht (also „in Relation zum Glycerinaldehyd“).Wenn in der Fischer-Projektion des Glycerinaldehyds(Abb. 3.38) die OH-Gruppe auf der rechten Seite derHauptkette steht, handelt es sich um das D-Enantio-mer (dexter lat. rechts). Das L-Enantiomer (laevus lat.links) trägt die OH-Gruppe auf der linken Seite. Beiden Aminosäuren bezieht man sich auf die Stellungder NH2-Gruppe.Enthält das Molekül mehrere stereogene Zentren,bereitet die D/L-Nomenklatur bereits Probleme(z. B. bei den Kohlenhydraten). Man hat vereinbart,die Festlegung der relativen Nomenklatur dann an-
hand der OH-Gruppe vorzunehmen, die sich an dem
asymmetrisch substituierten C-Atom befindet, das
am weitesten von der am höchsten oxidierten
Gruppe entfernt ist. Das spielt bei der Nomenklaturder Monosaccharide eine große Rolle (s. S. 175). DieD/L-Nomenklatur ist jedoch ungeeignet, wenn keineOH- oder NH2-Gruppen vorhanden sind (wie z. B. beiEnfluran, Abb. 3.38), oder bei komplizierten chiralenNaturstoffmolekülen.
R/S-NomenklaturFür die Angabe der absoluten Konfiguration bedientman sich der R/S-Nomenklatur, die von Robert Sid-ney Cahn, Sir Christopher Kelk Ingold und VladimirPrelog entwickelt wurde (CIP-System). Dazu wird diePriorität der Substituenten folgendermaßen festge-legt:
Die Substituenten sind in der Reihenfolge ab-nehmender Ordnungszahlen der direkt an dasChiralitätszentrum gebundenen Atome zu ord-nen. Die höchste Priorität hat also das Atom mitder höchsten Ordnungszahl.Sind zwei oder mehrere der direkt an das Chira-litätszentrum gebundenen Atome identisch, dannwerden die Ordnungszahlen der mit ihnen ver-bundenen „zweiten“ Atome, notfalls noch die der„dritten“ Atome usw. der Substituenten herange-zogen. Dabei folgt man demjenigen Ast, der dieAtome höchster Ordnungszahl enthält.Ist dabei ein Atom mit einem anderen durch eineDoppel- oder Dreifachbindung verknüpft, werdenbeide Atome quasi verdoppelt bzw. verdreifacht.
Zum Ermitteln der R/S-Konfiguration wird dann dasMolekül im Raum so orientiert, dass der Substituentniedrigster Priorität vom Betrachter weg zeigt. Ist dieVerbindung in Fischer-Projektion dargestellt, machtman sich zunächst die perspektivische Formel klar.Diese klappt man dann so um, dass der Substituentniedrigster Priorität und zwei weitere Substituentenauf einer Ebene liegen. Jetzt hält man gedanklich denüber der Ebene liegenden Substituenten fest unddreht so lange um die Achse, die durch diesen Sub-stituenten und den Schwerpunkt verläuft, bis derSubstituent niedrigster Priorität tatsächlich nachhinten zeigt (Abb. 3.39 1. Beispiel). Wenn dann dieSubstituenten 1., 2. und 3. Priorität verbunden wer-den und man dabei in Richtung des Uhrzeigersinns
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Stereochemie organischer Verbindungen 107
Abb. 3.38 Beispiele für dieD/L-Nomenklatur
3
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wandert, handelt es sich um die R-Konfiguration
(rectus lat. richtig, auch rechts), muss man gegen
den Uhrzeigersinn wandern, liegt S-Konfiguration
(sinister lat. links) vor.Man kann aber auch anders vorgehen: Sie tauschenin der Fischer-Projektion zwei Substituenten so mit-einander, dass der Substituent mit der Priorität 4nach unten zeigt. In Abb. 3.39 (2. Beispiel) wurden 3und 4getauscht. 4 zeigt nun nicht mehr wie im Ori-ginal in der Horizontalen aus der Ebene heraus aufSie zu, sondern weist in der Senkrechten in die Pa-pierebene hinein. Sie haben so erreicht, dass derSubstituent niedrigster Priorität von Ihnenweg zeigt.Durch den Substituententausch haben Sie jedoch dasSpiegelbild erzeugt! Daran müssen Sie zum Schlussdenken. Nun entscheiden Sie erst einmal, ob Sie indiesem Spiegelbild im Uhrzeigersinn oder gegen denUhrzeigersinn die Substituenten 1, 2 und 3 verbin-den. In Abb. 3.39 (2. Beispiel) hat das Spiegelbild S-Konfiguration, da man die Substituenten in der Prio-ritätsfolge 1–2-3 gegen den Uhrzeigersinn verbindet.Sie müssen aber auch die Folgen des Substituenten-tauschs bedenken – also ist das Original R-konfigu-riert. Wenn Sie immer noch Schwierigkeiten haben,dann betrachten Sie das Original von der Papierrück-seite. Dann zeigt 4 wirklich nach hinten. 1, 2, 3 ver-binden Sie im Uhrzeigersinn, also handelt es sich umeine R-Konfiguration.
MERKE
– Die Festlegung der R/S-Konfiguration anhand derWanderungsrichtung von Substituent zu Substitu-ent hat nichts mit dem Drehwinkel des linear po-larisierten Lichts zu tun. Der Drehwinkel wird im-mer experimentell ermittelt, sein Betrag ist vonden Versuchsbedingungen (z. B. Lösungsmittel)abhängig.
– Die Bezeichnung mit D und L lässt keinen direktenSchluss auf die R- und S-Nomenklatur zu.
Auch für helikale Strukturen gibt es einen Nomen-klaturvorschlag: Wenn man auf die Spirale schautund die Wendelung im Uhrzeigersinn erfolgt, han-delt es sich um das rechtsgängige Enantiomer (P-Helix), im anderen Fall ist die Spirale linksgängig(M-Helix). Achten Sie einmal darauf: Wendeltreppensind meist linksgängig, die Stangenbohne schlingtsich rechtsgängig, Hopfen linksgängig um die Stan-gen.Ein 1:1-Gemisch von Enantiomeren bezeichnet manals Racemat (acidum racemicum lat. Traubensäure,s. u.). Diese Gemische sind optisch inaktiv, da die En-antiomerenpaare die Drehung des linear polarisier-ten Lichts gerade aufheben. Bei der Synthese entste-hen gewöhnlich nicht reine Enantiomere, sondernhäufig racemische Gemische, die dann enzymatisch,chemisch oder in seltenen Fällen mechanisch ge-trennt werden müssen. Das ist natürlich ökonomischund ökologisch wenig attraktiv. Deshalb ist die Ent-
Die Stereochemie organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie108
Abb. 3.39 Festlegung der Priorität der Substituenten und Bestimmung der absoluten Konfiguration
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wicklung von Synthesemethoden wichtig, die zu rei-nen Enantiomeren führen (enantioselektive Kataly-satoren, Abb. 3.40). Enantioselektive Katalysatorenbinden prochirale Moleküle so auf ihrer Oberfläche,dass z. B. die Addition von H2 nur von einer Seiteerfolgen kann.
3.3.4.4 Die DiastereomerieIn großen Molekülen gibt es häufig mehrere stereo-gene Zentren. Für aliphatische Moleküle mit n ste-reogenen Zentren, die sich untereinander in mindes-tens zwei Substituenten unterscheiden, gilt, dass es2n chirale Stereoisomere gibt. Abb. 3.41 zeigt ein Bei-spiel für 2 stereogene Zentren, die zu 4 Stereoisome-ren führen. Am C4-Atom ist natürlich kein stereoge-nes Zentrum vorhanden.Es fällt sofort ins Auge, dass sich zwei Bild-Spiegel-bild-Kombinationen ergeben. Die anderen Kombina-tionen verhalten sich nicht wie Bild und Spiegelbild.Solche Stereoisomere bezeichnet man als Diastereo-mere (dia griech. auseinander, entzwei). Sie unter-scheiden sich in ihren physikalischen und chemi-schen Eigenschaften. Die vier Stereoisomerenbilden zwei Paare von Enantiomeren, diese Paareverhalten sich wiederumwie Diastereomer zueinan-der.
MERKE
Bei 2n Stereoisomeren existieren 2n–1 diastereomereEnantiomerenpaare.
Ändert sich die Konfiguration an genau einem Chira-litätszentrum, dann wird die Umwandlung eines Di-astereomers in ein anderes als Epimerisierung be-zeichnet.
Auch hier können Sie wieder überprüfen, obSie die Begriffe Enantiomere und Diastereomereverstanden haben. Kennzeichnen Sie dazu in derFormel von Glucose (Abb. 3.42) alle asymmetrischsubstituierten C-Atome und überlegen Sie sich, wieviele Stereoisomere es mit der Konstitution derGlucose geben muss. Sortieren Sie diese jeweils inenantiomere Paare und markieren Sie die Struktu-ren, die sich jeweils diastereomer zueinander ver-halten (s. S. 175).
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Stereochemie organischer Verbindungen 109
Abb. 3.40 EnantioselektiveHydrierung
Abb. 3.41 Stereoisomere von 2,3,4-Trihydroxybutanal
Abb. 3.42 Glucose
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Auch Weinsäure (Abb. 3.43) besitzt zwei stereogeneZentren. Formal müsste man vier verschiedene chi-rale Strukturen erwarten. Die beiden rechts darge-stellten Strukturen haben aber bei genauer Betrach-tung eine innere Symmetrieebene. Damit könnenbeide Strukturen zur Deckung gebracht werden. Eshandelt sich um ein „inneres“ Racemat, das alsmeso-
Weinsäure (mesos griech. Mittelpunkt, Zentrum) be-zeichnet wird, und optisch inaktiv ist, da formal dieeine Hälfte des Moleküls den Lichtstrahl nach links,die andere um den gleichen Betrag nach rechts aus-lenkt. Stereogene Zentren bedingen also nichtzwangsläufig Chiralität! Meso-Weinsäure ist diaste-romer sowohl zu D-, als auch zu L-Weinsäure. Einechtes Racemat enthält zu gleichen Teilen D- und L-Weinsäure. Diese Mischung bildet sich als Trauben-säure in geringen Spuren bei der Weinherstellungund hat die Bezeichnung „Racemat“ bedingt.Diastereomerie ist aber nicht an das Vorhandenseinasymmetrisch substituierter C-Atome gebunden.Auch die oben besprochene E/Z-Isomerie bei Doppel-bindungen ist eine Form der Diastereomerie. Deshalbunterscheidet man
σ-diastereomere Konfigurationsisomere, diedurch Lösen und Knüpfen von σ-Bindungen ent-stehenπ-diastereomere Konfigurationsisomere (π-Dias-tereomere), die durch Lösen und Knüpfen von π-Bindungen entstehen
Die verschiedenen Möglichkeiten der Stereoisome-ren sind in Tab. 3.8 noch einmal zusammengefasst.
Klinischer Bezug
Die Stereochemie der Moleküle spielt eine große Rollein der Arzneimittelforschung. Wie der rechte Hand-schuh nur zur rechten Hand passt, verhalten sich En-antiomere gegenüber chiralen Reagenzien, wie z. B.körpereigenen Proteinen und Nukleinsäuren, unter-schiedlich. Es ist deshalb zu erwarten, dass ein Enan-tiomer mit einem biologischen Rezeptor anders rea-
giert als der entsprechende Antipode, da dieRezeptoren gewöhnlich nur für ein Enantiomer passen.Diese Unterschiede können sich beispielsweise im Ge-schmack oder in der Duftnote auswirken. So schmecktdas aus L-Asparagin und L-Phenylalanin gebildete Di-peptid süß und ist als Süßstoff Aspartam im Handel.Das synthetisch erzeugte Spiegelbild schmeckt hinge-gen bitter. Im Kümmel kommt Carvon als Bestandteilätherischer Öle vor. Ein Enantiomer schmeckt nachKaramel, das andere nach Pfefferminze.
Seit den schwerwiegenden Folgen durch die Verab-reichung des Schlafmittels Contergan (WirkstoffThalidomid) (Abb. 3.44a), dessen S-Enantiomer nichtnur schlafanstoßend, sondern auch teratogen wirkt,ist jedoch klar, dass bei der Zulassung eines neuenchiralen Wirkstoffs beide Enantiomere möglichst gutuntersucht werden müssen, und zwar auch dann,wenn später ein Racemat eingesetzt wird. Das phar-makologisch wirksamere Enantiomer wird als Euto-mer‚ das weniger wirksame als Distomer bezeichnet.Ein Großteil chiraler Wirkstoffe kommt noch als Ra-cemat zum Einsatz. Mit der Untersuchung der phar-makologischen Wirkung der Antipoden und der Be-herrschung enantioselektiver Synthesen werdenaber verstärkt reine Enantiomere angeboten. Dieerste stereoselektive industrielle Anwendung in Eu-ropa lieferte übrigens L-Dopa (Levodopa = L-3,4-Di-hydroxyphenylalanin) (Abb. 3.44b), ein Medikament,das bei Morbus Parkinson verabreicht wird. BeimMorbus Parkinson kommt es zu einer Degenerationdopaminerger Neurone in der Substantia nigra mitder typischen Symptomtrias Rigor, Tremor und Aki-nese.
Die Stereochemie organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie110
Abb. 3.43 Stereoisomere der Weinsäure
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Check-upWiederholen Sie noch einmal einige der be-sprochenen Beispiele, denn anhand konkreterMoleküle können Sie sich viele Prinzipien derStereochemie leichter merken. Fertigen Siesich am besten eine Tabelle an, in der Sie fürjede Isomerieart ein Beispiel notieren. MachenSie sich dabei immer auch klar, warum es sichgerade um die jeweilige Isomerieart handelt.Bis jetzt haben Sie nur wenige Beispiele fürisomere Verbindungen kennen gelernt, dieaber für das Verständnis der Grundbegriffeausreichen. Bei der Besprechung der Stoff-klassen werden wir auf die Stereochemiewieder zurückkommen (z. B. s. S. 175).
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Stereochemie organischer Verbindungen 111
Tabelle 3.8
Stereoisomerie
Enantiomerie(stereoisomere Strukturen,bei denen Bild und Spiegelbildnicht zur Deckung gebrachtwerden können)
Diastereomerie(stereoisomere Strukturen, die sich nicht wie Bild undSpiegelbild verhalten)
Konfigurationsisomerie π-Diastereomerie(Konfigurations-isomerie)
σ-Diastereomerie(Konfigurations-isomerie)
(Konformations-isomerie)
Abb. 3.44 Thalidomid und L-Dopa
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3.4 Die Strukturaufklärungorganischer Verbindungen
LerncoachDie in diesem Kapitel vorgestellten Verfahrensind für Sie sicher manchmal etwas abstrakt.Einige Methoden lernen Sie aber im chemi-schen Praktikum kennen.Die Darstellung der spektroskopischenMethoden ist rein informativ, d. h. Sie brau-chen diese Informationen nicht zu lernen.
3.4.1 Die Reindarstellung einer SubstanzBei chemischen Reaktionen fallen meistens Stoffge-mische an, sodass der eigentlich gewünschte Stoffaus diesem Gemisch abgetrennt werden muss. Hier-für geeignete Methoden sind in Tab. 3.9 zusammen-gefasst.
3.4.1.1 Die ChromatografieBei der Chromatografie werden Stoffgemische auf-grund unterschiedlicher Wechselwirkungen der Ein-zelkomponentenmit einer nicht beweglichen, statio-
nären Phase und einer beweglichen, mobilen Phasegetrennt. Die stationäre Phase kann fest oder flüssigsein. Die mobile Phase, die das zu trennende Gemischenthält, ist entweder flüssig (Flüssigkeitschromato-grafie) oder gasförmig (Gaschromatografie).
Die Adsorptions- und VerteilungschromatografieDie Bindung der Komponenten eines Stoffgemischesan der stationären Phase kann auf unterschiedlichenEffekten beruhen:
Adsorptionschromatografie: Die stationäre Phaseist fest und die Substanzen werden an der Ober-fläche adsorbiert. Zwischen fester stationärer undflüssiger mobiler Phase stellt sich für jede Verbin-dung ein Adsorptionsgleichgewicht ein.Verteilungschromatografie: Die stationäre Phaseist ein Flüssigkeitsfilm, der auf der Oberfläche ei-nes festen Trägermaterials haftet. Zwischen flüs-siger stationärer und flüssiger mobiler Phase stelltsich für jede Komponente ein Verteilungsgleich-gewicht ein. Adsorption und Verteilung könnenauch gleichzeitig an der Trennung beteiligt sein.
Nach der Art der Chromatografieapparatur unter-scheidet man weiterhin Papier-, Dünnschicht- und
Die Strukturaufklärung organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie112
Tabelle 3.9
Verfahren zur Stofftrennung
Verfahren Erklärung Anwendungsbeispiel
Dekantieren Trennung flüssiger von festen Bestandteilen (einesBodenkörpers) durch Abgießen
Abgießen von Tee oder Kaffee ohne Hilfsmittel
Filtrieren Trennung von Feststoffteilchen aus Flüssigkeitenoder Gasen mittels eines porösen Mediums (Filteroder Sieb)
Anwendung eines Kaffeefilters
Kristallisieren Ausnutzung von Löslichkeitsunterschieden, unterErwärmung wird der Stoff in einem Lösungsmittelgelöst, die am schwersten lösliche Substanzkristallisiert bei Abkühlung aus
Reinigung der aus Zuckerrohr oder Zuckerrübengewonnenen Saccharose
Destillieren Gemische flüchtiger Stoffe werden entsprechendihres Siedepunktes getrennt, wobei sich derjenigemit dem niedrigeren Siedepunkt leichterverdampfen und abtrennen lässt.Das Verdampfen erfolgt im Destillierkolben, dasKondensat wird aufgefangen
Herstellung von destilliertem Wasser oder Brennenvon Schnaps
Extrahieren Herauslösen bestimmter Bestandteile aus flüssigenund festen Gemischen mit Hilfe geeigneterLösungsmittel
Gewinnung von Extrakten aus Heilpflanzen
Sublimieren sublimierbare Feststoffe werden in der Hitzeselektiv aus einem Stoffgemisch getrennt
Gewinnung von Koffein aus Kaffeepulver, schnellesTrocknen von Wäsche an kalten Wintertagen
Zentrifugieren Trennung durch Ausnutzung der Fliehkraft Trennung von Molekülen nach der Molmasse ausder Zellflüssigkeit
Gefriertrocknen schonende (Struktur u. Eigenschaften erhaltende)Konservierung durch Einfrieren u. Entfernen desWassers durch Sublimation im Vakuum
Entwässerung von Blutplasma
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Säulenchromatografie. Bei der Papierchromatografiewird das gelöste Substanzgemisch auf Filterpapieraufgetragen und dann in ein geschlossenes, das Lauf-mittel enthaltende Gefäß gestellt. Die Trennung er-folgt überwiegend durch unterschiedliche Vertei-lung, aber auch Adsorptionsvorgänge spielen eineRolle. Als stationäre Phase dient Wasser oder einanderes Lösungsmittel, das am Filterpapier haftet.Bei der Dünnschichtchromatografie werden Glas-oder Aluminiumplatten verwendet, die mit einerdünnen Schicht von z. B. Kieselgel oder Aluminium-oxid überzogen sind. Bei der Säulenchromatografiebefinden sich diese zur Adsorption geeigneten Mate-rialien in senkrecht stehenden langen, schmalenGlasrohren. Die Dünnschichtchromatogramme wer-den wie die Papierchromatogramme in geschlosse-nen Gefäßen entwickelt, die Säulen werden mit dermobilen Phase durchgespült (Abb. 3.45). Die Lage derAdsorptions- und Verteilungsgleichgewichte ist ent-scheidend für den Verlauf chromatografischer Tren-nungen.
MERKE
Durch die Wahl der stationären Phase und die Artdes Laufmittels lassen sich die Trennungen beein-flussen.
Unter konstanten Bedingungen (gleiche stationärePhase, gleiches Fließmittel, gleiche Temperatur)sind die Trennungen reproduzierbar. Wie weit eineKomponente relativ zur mobilen Phase wandert, istdamit eine Stoffkonstante. Der Quotient aus der Ent-fernung der Substanz vom Startpunkt und der Ent-
fernung der Laufmittelfront vom Startpunkt wird alsRF-Wert bezeichnet (retention factor).Da die Chromatografie heute nicht mehr wie frühernur bei farbigen Substanzen angewendet wird, müs-sen die Substanzflecken auf Papier- oder Dünn-schichtchromatogrammen noch sichtbar gemachtwerden. Dies geschieht durch Erwärmung, Bestrah-lung mit UV-Licht oder Besprühen mit speziellenReagenzien. Bei automatisierten Verfahren stehenDetektoren zur Verfügung, die den Durchlauf dereinzelnen Substanzen signalisieren und aufzeichnen.Hier wird die Zeit bestimmt, die eine Substanz fürden Durchlauf benötigt, diese Retentionszeit wirdgemessen. Die Signale lassen auch Rückschlüsse aufdie Konzentration der Komponenten zu.
Weitere chromatografische VerfahrenIonenaustauscher- und Affinitätschromatografie un-terscheiden sich von den besprochenen Verfahreninsofern, als die Trennung der Substanzen auf derAusbildung von Bindungen basiert. Ionenaustauschersind organische Polymere (s. S.128). Sie tragen lockergebunden OH–, H+-Ionen oder andere Ionen, die ge-gen Ionen gleicher Ladung reversibel ausgetauschtwerden können. Bei der Affinitätschromatografieenthält die polymere stationäre Phase spezifischeLiganden, um die gesuchten Stoffe zu binden. An-schließend werden diese Komponenten aus der sta-tionären Phase herausgewaschen.Die Gelchromatografie ist eine Sonderform, da eskeine Wechselwirkung zwischen fester und mobilerPhase gibt. Die Trennung erfolgt durch die imTräger-material zur Verfügung stehende Porengröße und
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Strukturaufklärung organischer Verbindungen 113
Abb. 3.45 Dünnschicht- undSäulenchromatografie
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findet vor allem Anwendung bei der Proteinreini-gung und -trennung sowie bei der DNA- und RNA-Isolierung.Da auch unterschiedliche Drücke zur Anwendungkommen, unterscheidet man Niederdruck-, Normal-druck- und Hochdruckchromatografie. Letzterezeichnet sich durch kurze Trennzeiten und hoheTrennleistung aus und kann vom ng- bis zum kg-Bereich erfolgreich eingesetzt werden.
3.4.2 Die Charakterisierung der reinenSubstanz
Die reine Substanz kann durch eine Reihe physikali-scher Eigenschaften charakterisiert werden. Dazuzählen
der Schmelz- oder Zersetzungspunktder Siedepunktder Brechungsindexdie Dichteder RF-Wertdie spezifische Drehung (bei optisch aktiven Ver-bindungen).
Durch chemische Reaktionen können die in der Sub-stanz enthaltenen Elemente qualitativ und quantita-tiv analysiert werden. Häufig stehen dafür moderneAnalyseautomaten zur Verfügung. ZahlreicheMetho-den erlauben die Bestimmung der molaren Masseund den Nachweis funktioneller Gruppen. Vor allemwerden zur Charakterisierung aber spektroskopischeVerfahren genutzt.
3.4.2.1 Die spektroskopischen VerfahrenGrundlage für alle spektroskopischen Verfahren istdie Wechselwirkung der Moleküle mit elektromag-netischer Strahlung.Durch elektromagnetische Strahlung werden Elekt-ronen angeregt, Schwingungen und Rotationen vonAtomen oder Atomgruppen im Molekül ausgelöstoder der Spin geändert. Diese Wechselwirkung iststoffspezifisch. Einige spektroskopische Verfahrenwerden nachfolgend kurz vorgestellt.
Die UV/VIS-SpektroskopieMoleküle absorbieren ultraviolettes oder sichtbares(visuelles) Licht, indem Elektronen angeregt werdenund in energetisch höher liegende Orbitale überge-hen. Bei der Rückkehr in den Grundzustand wirdLicht ausgestrahlt (Emission).
Die zur Anregung der Elektronen notwendige Ener-gie ist substanzspezifisch und hängt von den Bin-dungsverhältnissen im Molekül ab. Liegt ein Teil derAbsorption zwischen 400 und 800nm (sichtbarerBereich), erscheint die Verbindung farbig, man be-obachtet die zur absorbierten Strahlung komplemen-täre Farbe.Besonders leicht können delokalisierte π-Elektronenangeregt werden. Mit der Anzahl konjugierter Dop-pelbindungen vertieft sich die Farbe einer Verbin-dung. In vielen Fällen ist aber eine Anregung durchenergiereichere UV-Strahlung erforderlich.Wenn ein UV-Strahl definierter Wellenlänge durcheine Messlösung fällt, wird er durch Absorption ab-geschwächt. Um Reflexions- und Streuverluste zueliminieren, vergleicht man mit der Absorption desreinen Lösungsmittels. Die Lichtintensität I nach demDurchtritt durch die Lösung wird dann mit der Licht-intensität I0 nach dem Durchtritt durch das reineLösungsmittel verglichen (Lambert-Beer-Gesetz).Man kann die Extinktion E folgendermaßen berech-nen:
(c = Konzentration in mol/l; d = Schichtdicke derMesslösung im Strahlengang in cm; ε = molarer Ex-tinktionskoeffizient [Stoffkonstante])
Zur Charakterisierung einer Verbindung wird ein UV-Spektrum aufgenommen, indem man die Wellen-länge kontinuierlich variiert. So können Absorptions-maxima und molare Extinktionskoeffizienten ermit-telt werden.Man kann aber auch bei fester Wellenlänge, bei derein Absorptionsmaximum vorliegt, und bekannten ε-Werten Konzentrationsbestimmungen vornehmen.Dieses analytische Verfahren bezeichnet man alsPhotometrie, die in der klinischen Chemie sehr viel-fältig eingesetzt wird. So kann z. B. enzymatisch dieKonzentration einer Alkohol-Lösung bestimmt wer-den. Man lässt Ethanol mit dem Redoxsystem NAD+/NADH (s. S. 72) reagieren. Es entsteht Acetaldehyd(Ethanal) als Oxidationsprodukt des Ethanols undals Reduktionsprodukt NADH. Je ein Molekül Alkoholbildet ein Molekül NADH. Die Änderung der NADH-Konzentration kann bei 340nm photometrisch gut
Die Strukturaufklärung organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie114
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verfolgt werden, da bei dieser WellenlängeNAD+ keine nennenswerte Absorption zeigt.
Die IR-SpektroskopieDurch Infrarot-Strahlung werden in den MolekülenSchwingungen und Rotationen angeregt. BestimmteAtomgruppierungen des Kohlenstoffgerüsts absor-bieren weitgehend unabhängig von benachbartenAtomen immer Infrarot-Strahlung im gleichen Wel-lenlängenbereich. Auch funktionelle Gruppen habencharakteristische Absorptionsbanden. So kann ausder Lage der Absorptionsbanden auf die Strukturdes Moleküls geschlossen werden.
Die NMR-SpektroskopieEinige Atomkerne (z. B. 1H, 2H, 13C und 15N) verhaltensich in einem homogenen Magnetfeld wie kleineStabmagnete, d. h. sie orientieren sich in Feldrich-tung bzw. bei Energiezufuhr von außen in die entge-gengesetzte Richtung. Die zugeführte Energie wirdabsorbiert, diese Erscheinung bezeichnet man alskernmagnetische Resonanz = nuclear magneticresonance (Resonanzfrequenz zwischen 20 und1000MHz).Die benötigte Resonanzenergie für die genanntenNuklide ist bei konstantem Magnetfeld sehr unter-schiedlich. Bei gleichem Nuklid treten Unterschiedeauf, die durch die unterschiedliche chemische Um-gebung jedes einzelnen Atomkerns im Molekül ver-ursacht sind. Diese Unterschiede misst man in ppm(parts per million) der eingestrahlten Frequenz undbezeichnet sie als chemische Verschiebung. Für eintiefer gehendes Verständnis sollte auf entsprechendeFachliteratur zurückgegriffen werden.
Die MassenspektrometrieDas Prinzip eines Massenspektrometers beruht aufder unterschiedlichen Bewegung geladener Teilchenin elektrischen und magnetischen Feldern. Bei die-sem Verfahren kommt es zu keiner Absorption elekt-romagnetischer Strahlung, sondern eine Verbindungwird im Hochvakuum verdampft (z. B. durch Elektro-nenbeschuss ionisiert und in Bruchstücke zerschla-gen). Die Molekül- und Fragmentionen werden ineinem elektrischen Feld beschleunigt und in einemMagnetfeld in Abhängigkeit von ihrer Ladung undihrer Masse abgelenkt. Der Empfänger registriertein den optischen Spektren vergleichbares „Massen-
spektrum“, das Informationen zur Molekülmasseund zur Summenformel liefert.
Klinischer Bezug
Die besprochenen Methoden finden heute breite An-wendung in den klinischen Laboratorien zur Diagnostikund für die Grundlagenforschung. Die als MRT-Spekt-roskopie (Magnetresonanztomographie) bezeichnetemedizinische Anwendung der NMR-Spektroskopiewird inzwischen auch am Menschen angewendet,z. B. zur Verlaufskontrolle bei bestimmten neurologi-schen Erkrankungen.Man untersucht das Verhalten von Protonen, die auf-grund ihrer Eigenbewegung ein magnetisches Felderzeugen. Normalerweise sind diese Magnetfelder un-geordnet. Beim Anlegen eines äußeren Magnetfeldeskommt es wie oben beschrieben zu einer parallelenoder antiparallelen Ausrichtung entlang der Feldlinien.Die Mehrzahl der Protonen nimmt die energetischetwas günstigere Parallelposition ein. Da sich die Ge-webe in ihrem Wasserstoffanteil unterscheiden, kön-nen verschiedene Gewebearten sehr gut dargestelltwerden (Abb. 3.46).
Check-up4 Wiederholen Sie noch einmal, wie die Stoff-
trennung bei der Chromatografie erfolgt.4 Machen Sie sich den Unterschied zwischen der
Gas- und der Flüssigchromatografie klar.
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3.5 Die Reaktionstypen organischerVerbindungen
LerncoachIm folgenden Kapitel lernen Sie verschiedeneReaktionstypen organischer Verbindungenkennen. Um diese typischen Reaktionen zuverstehen, ist es wichtig, dass Sie zunächst dienachfolgend aufgeführte Systematisierungder organisch-chemischen Reaktionen be-herrschen.Die Inhalte dieses Kapitels bauen auf denGrundbegriffen der Reaktionskinetik auf (z. B.Reaktionsordnung, geschwindigkeitsbestim-mender Schritt). Schlagen Sie diese Informa-tionen ggf. nochmal auf S. 48 nach.Eine weitere wichtige Grundlage für das Ver-ständnis ist die Elektronegativität der Ele-mente in Atombindungen sowie die Unter-scheidung von Ionen und Radikalen (s. S. 31).
3.5.1 Die Systematisierung organisch-chemischer Reaktionen
3.5.1.1 Die komplexen und die Elementar-reaktionen
Auch in der organischen Chemie ist –makroskopischbetrachtet – eine chemische Reaktion eine Stoffum-wandlung, die mit Energie- und Entropieänderungenverbunden ist. Auf molekularer Ebene interessierendie Änderung von Bindungen und Strukturen. Dabeiunterscheidet man zwischen Elementarreaktionen,
die aus einem Elementarprozess bestehen, und kom-
plexen Reaktionen, die aus zwei oder mehr Elemen-tarreaktionen zusammengesetzt sind. Elementarpro-zesse werden eingeteilt in monomolekulare (Zerfalleines Teilchens), bimolekulare (Zusammenstoßzweier Teilchen) und trimolekulare (Zusammenstoßdreier Teilchen) Vorgänge.
3.5.1.2 Die radikalischen und die polarenReaktionen
Wenn eine Atombindung gespalten wird, könnenentweder zwei Radikale als elektrisch neutraleBruchstücke mit einem ungepaarten Elektron oderje ein Kation und ein Anion entstehen. Für die Bil-dung von Radikalen sind relativ hohe Energien not-wendig. Radikale sind sehr energiereich, reaktions-freudig und die Voraussetzung für radikalische
Reaktionen (Symbol: tiefgestelltes R).Wenn Bindungselektronenpaare zu Radikalen ent-koppelt werden, spricht man von Homolyse. Bei derHeterolyse wird das Bindungselektronenpaar voll-ständig auf einen Bindungspartner übertragen. AlsFolge entstehen Ionenmit entgegengesetzten Ladun-gen (Abb. 3.47). Wie groß der Energieaufwand für dieHeterolyse tatsächlich ist, hängt von der Struktur derMolekülteile und einer evtl. vorhandenen Polarisie-rung ab. Besonders günstig ist natürlich auch eineStabilisierung der entstehenden Ionen durch Solva-tation (s. S. 54). Bei polaren Reaktionen muss nichtzwangsläufig eine vollständige Spaltung in Ionen er-folgen, es ist auch ein synchroner Ablauf möglich.
Die Reaktionstypen organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie116
Abb. 3.46 MRT-Bilder eines Hypophysenadenoms (Pfeil)
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3.5.1.3 Die nucleophilen und die elektrophilenTeilchen
Bei polaren Reaktionen unterscheidet man die reak-tiven Teilchen nach folgenden Kriterien (Tab. 3.10):
Verfügen die reaktiven Teilchen über eine Stellemit hoher Elektronendichte, tragen eine negativeLadung oder verfügen über freie Elektronenpaare,dann „suchen“ sie eine positive Ladung bzw. einepositivierte Stelle. Man bezeichnet sie als Nucleo-phile‚ weil der „nucleus“ ja eine positive Ladungträgt.Teilchenmit niedriger Elektronendichte, mit einerpositiven Ladung oder einer Elektronenlücke„suchen“ nach elektrisch negativer Ladung, essind Elektrophile.
Je nachdem, ob man polare Reaktionen aus der Sichtdes Nucleophils oder Elektrophils betrachtet, sprichtman von nucleophilen Reaktionen (Symbol: tiefge-stelltes N) oder elektrophilen Reaktionen (Symbol:tiefgestelltes E).
3.5.1.4 Die SubstituenteneffekteDie elektronische Struktur der Verbindungen spieltalso eine große Rolle beim Verlauf chemischer Reak-tionen.Wenndiese durchEinführungvonSubstituen-ten verändert wird, hat das natürlich Folgen für denReaktionsverlauf (sog. Substituenteneffekte). Substi-tuenteneffekte beschreiben die elektronenschie-bende und -ziehende Wirkung der Substituenten.Natürlich spielt auch die Größe der Substituentenim Reaktionsverlauf eine Rolle. Dieser sterischeEffekt ergibt sich aus dem Raumbedarf der Substi-tuenten. Er kann zur Abschirmung des Reaktions-zentrums führen oder die Lage anderer Substituen-ten im Molekül verändern.
Der induktive EffektDer induktive Effekt tritt bei allen Substituenten aufund beschreibt die Veränderung der elektronischenStruktur durch unterschiedliche Partialladungen.Elektronenziehende Substituenten, die sich durcheine hohe Elektronegativität auszeichnen, haben ei-nen -I-Effekt, elektronenschiebende Substituenten
haben einen +I-Effekt. Beide Effekte bewirken einePolarisierung des Moleküls (Abb. 3.48). Die unter-schiedlichen Elektronegativitäten wirken sich alsoüber Einfachbindungen im Molekül aus.
MERKE
Das Vorzeichen bezieht sich dabei immer auf dieentstehende Partialladung des Substituenten.
Einen -I-Effekt weisen u. a. folgende Substituentenauf: -F, -Cl, -Br, -I, -NH2, -NO2, -OH, -OR, >C=O,-COOH. Einen +I-Effekt haben z. B. die Alkylgruppenund anionische Substituenten wie -O– und -S–.
Der mesomere EffektMesomere Effekte sind an die Wechselwirkung desSubstituenten mit einem p-Orbital eines sp2- odersp-hybridisierten C-Atoms gebunden. Substituentenmit einer Elektronenlücke, die einen Elektronenzug
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Reaktionstypen organischer Verbindungen 117
Abb. 3.47 Die Möglichkeiten der Bindungsspaltung
Tabelle 3.10
Nucleophile und elektrophile Teilchen
Nucleophile Elektrophile
Anionen: CarbanionenR3C
–,HO–, RO–, HS–, RS–, CN–,I–, Br–, Cl–
Kationen: CarbeniumionenR3C
+, H+, Al3+
neutrale Moleküle mit freienElektronenpaaren:NH3, RNH2, H2O
neutrale Moleküle mitElektronenlücke: BF3, AlCl3
neutrale Moleküle mit π-Bindungen, die eine erhöhteElektronendichte aufweisen
neutrale Moleküle, die sichleicht heterolytisch spaltenlassen: Br2, I2
Abb. 3.48 Der induktive Effekt
3
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bewirken, haben einen -M-Effekt (z. B. Aldehyd-gruppe, Carbonylgruppe, Carboxylgruppe). Ein +M-
Effekt tritt bei Substituenten auf, die über ein freiesElektronenpaar verfügen, das inWechselwirkungmitπ-Elektronen treten kann (z. B. NH2-, OH-, SH-Grup-pen, Halogenatome). In Abb. 3.49 wird die Wechsel-wirkung der OH-Gruppe im Phenol bzw. der Nitro-gruppe im Nitrobenzol mit der π-Elektronenwolkedes aromatischen Rings beschrieben. Zur Beschrei-bung verwendet man wieder mesomere Grenzstruk-turen, wobei nur deren Gesamtheit den echten Bin-dungszustand richtig beschreibt.Die Auswirkungen dieser Effekte auf das Reaktions-verhalten besprechen wir bei den einzelnen Stoff-klassen.
3.5.2 Die Reaktionstypen3.5.2.1 Die AdditionsreaktionenDas Reagens lagert sich an ein Substrat mit Doppel-oder Dreifachbindungen oder freien Elektronenpaa-ren an.
Beispiel für eine Additionsreaktion (Addition vonWasserstoff an Ethen):
H2C=CH2 + H2 R H3C–CH3
Hydrierung einer Doppelbindung
Übrigens ist die Einteilung Reagens und Substrat et-was willkürlich, gewöhnlich ist das Reagens das klei-nere Molekül. Die Bildung der Additionsproduktekann nach einem elektrophilen (Symbol AE), einemradikalischen (Symbol AR) oder einem nucleophilen(Symbol AN) Mechanismus ablaufen. Elektrophile
Additionen sind charakteristisch für ungesättigteKohlenwasserstoffe (s. S.127), nucleophile Additio-nen für Carbonylverbindungen (s. S.174). Radikali-sche Additionen erfolgen auch an ungesättigten Koh-lenwasserstoffen.Die Addition von Wasserstoff bezeichnet man übri-gens auch als Hydrierung, die von Wasser als Hydra-tisierung.
3.5.2.2 Die EliminierungsreaktionenDie Eliminierung ist das Gegenteil der Addition. Eshandelt sich um die intramolekulare Abspaltung vonAtomen oder Atomgruppen.
Beispiel für eine Eliminierungsreaktion:
H3C–CH3 R H2C=CH2 + H2
Dehydrierung einer Einfachbindung
Es können u. a. Halogenwasserstoffe (Dehydrohalo-genierung), Wasserstoff (Dehydrierung) und Wasser(Dehydratisierung) eliminiert werden. Häufig findetman im Namen des Reaktionstyps schon einen Hin-weis darauf, an welchen C-Atomen eine Abspaltungerfolgt. In der Biochemie kommen β-Eliminierungenhäufig vor, d. h., die Abspaltung erfolgt an den be-nachbarten C-Atomen α und β (Abb. 3.50). Dabei wirddie OH-Gruppe im Molekül durch eine Säure proto-
Die Reaktionstypen organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie118
Abb. 3.49 Der mesomere Effekt
Abb. 3.50 Die sauer katalysierte β-Eliminierung (vereinfachteDarstellung)
3
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niert, das zieht eine Polarisierung im Molekül nachsich. In Gegenwart eines nucleophilen Reagens (Le-wis-Base, s. S. 59) kann die protonierte OH-Gruppeabgespalten werden. Dem folgt die Abspaltung einesProtons und die Ausbildung einer Doppelbindung.
3.5.2.3 Die SubstitutionsreaktionenSubstitutionen sind mit einem Ersatz von Atomenoder Atomgruppen verbunden. Diese können radika-lisch (SR), elektrophil (SE) und nucleophil (SN) ablau-fen. In Abb. 3.51 ist eine nucleophile Substitution dar-gestellt.
Die radikalischen SubstitutionenRadikalische Substitutionen (SR) sind dadurch ge-kennzeichnet, dass das Reagens ein Radikal ist(s. S. 26). Es entsteht durch homolytische Bindungs-spaltung, z. B. durch Einwirkung von UV-Strahlung(Abb. 3.52, Startreaktion). Die Radikale greifen danndas Substrat (Abb. 3.52, Methan) an. Dabei entstehtwiederum ein Radikal. Es sind immer wieder Radi-kale vorhanden, die in die Reaktionen eintreten kön-nen (Kettenwachstum). Wenn die Radikale jedochmiteinander rekombinieren, kommt es zum Ketten-abbruch. Radikalische Substitutionen sind für gesät-tigte Kohlenwasserstoffe charakteristisch (Abb. 3.52).
Die elektrophilen SubstitutionenDie elektrophile Substitution (SE) ist die wichtigsteReaktion der Aromaten (s. S. 92). Die Aromaten sinddurch die delokalisierten π-Elektronen nucleophil
und reagieren deshalb bevorzugt mit Elektrophilen.Unter Abspaltung eines Protons entsteht ein substi-tuierter Aromat (Abb. 3.53).
Die nucleophilen SubstitutionenBei einer nucleophilen Substitution (SN) wird eine anein sp3-hybridisiertes C-Atom gebundene Gruppe(Abgangsgruppe) mit ihren Bindungselektronendurch ein nucleophiles Reagens ersetzt (Abb. 3.54).Bei nucleophilen Substitutionen muss auch unter-schieden werden, ob die Geschwindigkeit der Ge-samtreaktion durch den monomolekularen Zerfalldes Substrats oder durch die bimolekulare Reaktionzwischen Substrat und nucleophilem Reagens be-stimmt wird.
Einemonomolekulare Reaktion (SN1) läuft folgender-maßen ab (Abb. 3.55). Es erfolgt die Dissoziation in einplanares Carbeniumion und ein Bromidion, im zwei-ten Schritt erfolgt der Angriff des Hydroxidions.
Beim bimolekularen Verlauf (SN2) greift das Nucleo-phil von der dem Bromatom entgegengesetzten Seitean. Parallel hierzu wird die Bindung zumBr– schwächer (Abb. 3.56). Im Übergangszustand ha-
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Reaktionstypen organischer Verbindungen 119
Abb. 3.51 Beispiel für eine Substitutionsreaktion
Abb. 3.52 Der radikalische Kettenmechanismus
Abb. 3.53 Elektrophile Substitution am Benzen (vereinfacht)
Abb. 3.54 Der allgemeine Mechanismus der nucleophilen Sub-stitution
Abb. 3.55 Die nucleophile Substitution nach einem SN1-Me-
chanismus
3
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ben sowohl das Br–-Ion als auch das OH–-Ion Kontaktzum C-Atom, die drei anderen Substituenten span-nen dann eine Ebene auf. Wenn sich das Br–-Ionendgültig gelöst hat, klappen die anderen Substi-tuenten wie ein Regenschirm um. Liegt das Substrateiner SN-Reaktion als chirale Verbindung vor, sohängt die Struktur des Reaktionsproduktes entschei-dend vom Mechanismus der Reaktion ab. Da bei ei-ner SN2-Reaktion der Angriff der nucleophilenGruppe von der „Rückseite“ (der Abgangsgruppe ge-genüberliegenden Seite) erfolgt, ist siemit einer Kon-figurationsumkehr verbunden (Walden-Umkehr).Bei einer SN1-Reaktion kann das gebildete Car-beniumion mit gleicher Wahrscheinlichkeit von bei-den Seiten angegriffen werden. Es entsteht das Ra-
cemat.Nach welchem Mechanismus die nucleophile Substi-tution tatsächlich abläuft, hängt von der Struktur desSubstrats, der Basizität des nucleophilen Reagensund den Reaktionsbedingungen (besonders vom Lö-sungsmittel) ab. Tertiäre Alkylhalogenide reagierenfast ausschließlich nach einem SN1 -Mechanismus, dadie Alkylgruppen wegen ihres +I-Effektes die Carbe-niumionen gut stabilisieren können, während pri-märe Alkylhalogenide fast immer einen SN2-Mecha-nismus bei der Substitution zeigen.
3.5.2.4 Die IsomerisierungenIsomerisierungen sind Umlagerungsreaktionen, beidenen das Reaktionsprodukt ein Konstitutionsisomeroder ein Stereoisomer des Ausgangsstoffes ist(s. a. S.100). Eine wichtige Isomerisierungsreaktionfür biochemische Prozesse ist die Tautomerie
(s. S.148). Dabei stehen zwei Konstitutionsisomereim Gleichgewicht, die sich durch Protonenwande-rung und gleichzeitige Verlagerung einer Doppelbin-dung ineinander umwandeln können (Abb. 3.57).
Klinischer Bezug
Diese Tautomerie findet man auch bei Barbitursäure(Abb. 3.58). Von dieser Verbindung leiten sich eineReihe von Stoffen ab, die als Sedativa, Antiepileptika,Narkotika und als Schlafmittel eine große Rolle gespielthaben. Barbitursäure (pKs=4,0) ist eine stärkere Säureals die Essigsäure und wirkt nicht sedativ-hypnotisch.Die Tautomeriemöglichkeiten und damit die Möglich-keit zur Protonenabgabe werden durch Substitutionam Kohlenstoffatom C5 und am Stickstoffatom N1oder N3 eingeschränkt.Die Barbitursäurederivate sind schwächere Säuren.Auch unter physiologischen Bedingungen ist der Anteilder nicht dissoziierten Form relativ groß. Damit ist diezum Passieren lipophiler Membranen notwendige Li-pophilie gegeben.Die Lipidlöslichkeit kann noch durch die Einführungaromatischer Reste an C 5 oder durch die Verlängerungund Verzweigung aliphatischer Reste erhöht werden.
Die Reaktionstypen organischer Verbindungen 3 Grundlagen der Organischen Chemie120
Abb. 3.56 Nucleophile Substitutionnach einem SN
2-Mechanismus
Abb. 3.57 Keto-Enol-Tautomerie bei Brenztraubensäure (a),Lactam-Lactim-Tautomerie bei einem ringförmigen Amid (b)
Abb. 3.58 Lactam-Lactim-Tautomerie bei der Barbitursäure
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Die hier besprochenen Reaktionstypen wurden nachdem Bruttoumsatz klassifiziert. Das Ordnungsprinzipist die Art des Gesamtumsatzes vom Edukt zum Pro-dukt.Weiterhin kann auch in der Organischen Chemie eineEinteilung in Säure-Base-Reaktionen oder in Redox-reaktionen vorgenommen werden (vgl. S. 57, 69), soist beispielsweise eine Dehydrierung eine Oxidation,eine Hydrierung eine Reduktion.
Check-upWiederholen Sie einige Beispiele für Addition,Substitution, Eliminierung und Isomerisie-rung. Zu jedem Beispiel sollten Sie eineReaktionsgleichung aufschreiben können, wiez. B. in Abb. 3.51.
3 Grundlagen der Organischen Chemie Die Reaktionstypen organischer Verbindungen 121
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Kapitel4
Stoffklassen derorganischen Chemie
4.1 Die Kohlenwasserstoffe 125
4.2 Die Alkohole, die Phenole und dieEther 132
4.3 Die Thiole und die Thioether 138
4.4 Die Amine 141
4.5 Die Aldehyde und die Ketone 144
4.6 Die Carbonsäuren und deren Derivate 150
4.7 Die Heterocyclen 158
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Eine schwierige Patientin
Gudrun R. trinkt ab und zu ein Schlückchen Alkohol.
Gemeint ist damit Ethanol (C2H5OH), der zu der Stoff-
klasse der Alkohole gehört, die Sie im folgenden Ka-
pitel kennen lernen werden. Ethanol ist klar, farblos,
löst sich im Blut und wirkt hauptsächlich im Gehirn.
Dort kann er bei regelmäßigem Genuss zu neurologi-
schen Erkrankungen und Psychosen führen. Herz-,
Leber- oder Krebserkrankungen können ebenfalls
auf Alkoholkonsum zurückgehen. Besonders schlimm
ist die körperliche Abhängigkeit vom Alkohol. Frau R.
bekommt dies zu spüren, als sie nach einem Unfall
plötzlich keinen Alkohol mehr trinken kann.
Frühjahrsputz mit bösem EndeGudrun R. ist mit dem Frühjahrsputz fast fertig. Nur noch
das Küchenfenster. Die 56-jährige Hausfrau steigt auf die
Leiter, um letzte Fenster zu putzen. Dabei stolpert sie,
der Eimer fällt ihr aus der Hand und sie schlägt hart auf
den Boden auf. Ein stechender Schmerz durchfährt ihr
linkes Bein. Dann verliert sie für kurze Zeit das Bewusst-
sein. Ihre Tochter findet sie und ruft sofort den Rettungs-
wagen.
In der chirurgischen Ambulanz der städtischen Klinik
stellt sich heraus, dass der Oberschenkelhals gebrochen
ist. Noch am selben Tag wird Gudrun R. operiert. Die OP
verläuft komplikationslos. Am nächsten Tag ist Frau R. zu
den Schwestern auffallend unfreundlich. Abends möchte
Stationsarzt Dr. Möller nach der schwierigen Patientin
sehen.
Diagnose: AlkoholentzugssyndromEr findet Gudrun R. in aufgelöstem Zustand. Sie bewegt
die Hände ununterbrochen auf der Bettdecke hin und
her. Ihr Nachthemd ist verschwitzt, die Pupillen weit und
die Pulsfrequenz ist erhöht. Auf die Fragen von Dr. Möller
antwortet sie in zusammenhanglosen Sätzen. Als sie
zwischendurch zum Wasserglas greift, fällt dem Arzt
auf, dass ihre Hand zittert. Ihm kommt ein Verdacht . . .
Als Herr R. wenig später zu Besuch kommt, erfährt er,
dass seine Frau auf die Intensivstation verlegt wurde.
Diagnose: Alkoholentzugssyndrom. Herr R. gibt zu,
dass seine Frau seit einigen Jahren regelmäßig Alkohol
trinkt. Während er selbst bei der Arbeit sei, genehmige
sie sich zu Hause immer wieder ein Gläschen Likör oder
Wein. Nun, im Krankenhaus, hat sie seit mehr als zwei
Tagen keinen Alkohol mehr getrunken. Frau R. ist also
keine „schwierige Patientin“, sondern sie leidet an den
Folgen des Alkoholentzugs.
Weiße MäuseEin Alkoholentzugssyndrom ist eine lebensbedrohliche
Erkrankung. Erste Symptome können leichte Erregbar-
keit, Schlafstörungen und innere Unruhe sein. Erst am
zweiten oder dritten Tag ohne Alkohol erreicht das Ent-
zugssyndrom seinen Höhepunkt mit Zittern (Tremor),
Artikulationsstörungen, erhöhtem Blutdruck (Hyperto-
nie) und gesteigerter Herzfrequenz (Tachykardie).
Schwerste Form des Entzugssyndroms ist das Alkoholde-
lir. Die Patienten sind örtlich und zeitlich nicht mehr
orientiert und leiden unter Halluzinationen (z. B. den
sprichwörtlichen „weißen Mäusen“). Unbehandelt ster-
ben 20% der Erkrankten. Deshalb müssen Patienten mit
Alkoholentzugssyndrom auf der Intensivstation behan-
delt werden.
Medikamente und EntzugstherapieSo auch Gudrun R. Sie erhält sofort das Medikament
Clomethiazol, das bei Alkoholabhängigen Entzugssymp-
tome verringert. Puls, Blutdruck, Atmung, Blutzucker
und Flüssigkeitsbilanz werden regelmäßig überwacht.
Eine Mitarbeiterin des sozialmedizinischen Dienstes
kümmert sich um einen Therapieplatz in einer Sucht-
klinik. Gudrun R. kommt erst einige Monate später wie-
der nach Hause – nun ist nicht nur der Schenkelhalsbruch
verheilt, sondern auch die Sucht überwunden.
124 Klinischer Fall
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4 Stoffklassen der organischenChemie
4.1 Die Kohlenwasserstoffe
LerncoachDieses Kapitel baut auf den Modellen zur Be-schreibung der Bindungsverhältnisse vonKohlenstoffatomen mit Einfach-, Doppel- undDreifachbindungen auf. Auch zwischenmole-kulare Wechselwirkungen spielen eine Rolle,schlagen Sie bei Bedarf ggf. nochmals nach.
4.1.1 Der ÜberblickKohlenwasserstoffe sind Verbindungen, die nur ausKohlenstoff- und Wasserstoffatomen aufgebaut sind.Sie bilden quasi das Rückgrat der organischen Che-mie, da durch Substitution der Wasserstoffatomedurch funktionelle Gruppen bzw. durch Austauschder Kohlenstoffatome gegen andere Atome die großeVielfalt der organischen Verbindungen entsteht. Manunterscheidet Kohlenwasserstoffe danach, ob sie ket-ten- oder ringförmig sind, ob sie neben Einfachbin-dungen auch Doppel- oder Dreifachbindungen ent-halten. Diese Klassen bilden homologe Reihen. Dassind Reihen von Verbindungen, die einem gesetzmä-ßigen Aufbau folgen, die sich durch eine allgemeineFormel beschreiben lassen und deren Eigenschaftensich relativ kontinuierlich ändern.
4.1.2 Die gesättigten Kohlenwasserstoffe4.1.2.1 Die AlkaneAlkane (oder Paraffine) sind Kohlenwasserstoffe, dienur Einfachbindungen aufweisen, alle C-Atome sindsp3-hybridisiert. Sie können allgemein durch die For-mel CnH2n+2 beschrieben werden.
Die physikalischen EigenschaftenDie ersten vier Vertreter in der homologen Reihe derAlkane sind gasförmig, dann folgen flüssige und ab 17Kohlenstoffatomen feste Alkane. Neben den gerad-kettigen Kohlenwasserstoffen gibt es verzweigte Ket-ten, bei denen die Anzahl der Konstitutionsisomerenmit der Anzahl der Kohlenstoffatome lawinenartigansteigt.Kohlenwasserstoffe sind unpolar und lösen sich des-halb nicht in Wasser, hingegen aber gut in Chloro-form, Ether oder Benzen, d. h. sie sind hydrophobbzw. lipophil. Alle Alkane sind brennbar, die niederenVertreter entflammen leicht. Sie haben eine gerin-gere Dichte als Wasser (Tab. 4.1). Die Schmelzpunkteverändern sich nicht kontinuierlich, sondern stufen-weise. Die Schmelzpunkte der Alkane mit gerader C-Zahl liegen relativ höher als die der Alkane mit un-gerader C-Zahl.Offensichtlich können diese Ketten durch van-der-Waals-Kräfte (s. S. 32) festere Aggregate bilden. DieSiedepunkte sind umso niedriger, je stärker die Ver-zweigung der Kohlenwasserstoffkette ist.
Die chemischen ReaktionenGesättigte Kohlenwasserstoffe sind relativ reaktions-träge, daher sind zur Auslösung von Reaktionen derAngriff sehr reaktiver Teilchen und drastische Reak-tionsbedingungen notwendig. Durch radikalischeSubstitution können die Halogenatome F, Cl und Breingeführt werden, so entsteht die Stoffklasse derHalogenkohlenwasserstoffe (s. S. 94).
R–H + X2 R R–X + H–X(X – Halogenatom)
Radikalisch verläuft auch die Reaktion zwischenKohlenwasserstoffen, Schwefeldioxid SO2 und Sauer-stoff O2, die zu den Alkansulfonsäuren führt.
2R–H +2 SO2 + O2 R 2 RSO3H
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Kohlenwasserstoffe 125
Tabelle 4.1
Ausgewählte Eigenschaften von Alkanen
Name Formel Siede-punkt [°C]
Dichte[g·cm–3]
Zahl derKonstitutions-isomeren
Methan CH4 -161 0,42 1
Ethan C2H6 -89 0,55 1
Propan C3H8 -42 0,58 1
Butan C4H10 -0,5 0,60 2
Pentan C5H12 36 0,63 3
Hexan C6 H14 69 0,66 5
Heptan C7 H16 98 0,68 9
Octan C8 H18 126 0,70 18
Nonan C9 H20 151 0,72 35
Decan C10 H22 174 0,73 75
Dodecan C12 H26 216 0,75 355
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Ionische Reaktionen sind an Kohlenwasserstoffenmit tertiären C-Atomen möglich.
Einige wichtige VertreterKettenförmige gesättigte Kohlenwasserstoffe sind– neben Cycloalkanen, Benzen und organischenSchwefelverbindungen – im Erdöl enthalten undwerden aus diesem gewonnen. Viele Alkane werdenauch zu Heizzwecken verwendet.Flüssige verzweigte Alkane kommen als Vergaser-kraftstoff zum Einsatz, wobei deren vollständige Ver-brennung ohne verfrühte Zündungen (sog. Klopfen)wesentlich ist. Als Maß für die Güte eines Benzinswurde die Octanzahl eingeführt, indemman willkür-lich dem n-Heptan, das ganz besonders zum Klopfenneigt, die Octanzahl 0 und dem Isooctan (=2,2,4-Trimethylpentan), das sich erst bei höherer Kom-pression entzündet, die Zahl 100 zuteilte. Die Octan-zahl eines Benzins entspricht dem Isooctangehalt derVergleichsmischung aus Isooctan und n-Heptan mitder gleichen Klopffestigkeit.Methan ist geruchlos, brennt mit blauer Flamme undentsteht z. B. beim anaeroben, bakteriellen Abbauvon Zellulose in den Faulbehältern der Kläranlagenund in Sümpfen auf natürlichem Weg. Es ist auchBestandteil der Darmgase und der Atemluft vonWie-derkäuern, außerdem werden beträchtliche Mengendurch Termiten erzeugt. Etwa 90% des Erdgases be-steht aus Methan. Methan und Luft bilden explosiveGemische und sind im Bergbau als sog. „schlagendeWetter“ sehr gefürchtet.Auch Propan und Butan sind farb- und geruchlos, siespielen als Heizgas, meist in verflüssigter Form, einegroße Rolle und werden auch als Kältemittel sowiezunehmend als Treibgas in Spraydosen verwendet.Höhere Alkane findet man im medizinischen Bereichals Vaseline, Weich- oder Hartparaffin, als Salben-grundlage, aber auch als Mikroskopierhilfe. Paraffi-num liquidum spielt als Laxans eine große Rolle. Beijahrelanger Einwirkung von Rohparaffin kann es zurEntwicklung von Spinaliomen oder Plattenepithel-karzinomen kommen.Mineralöle sind Gemische von gesättigten Kohlen-wasserstoffen, die durch Destillation aus minerali-schen Rohstoffen (Erdöl, Kohle, Holz, Torf) gewonnenwerden.
4.1.2.2 Die CycloalkaneGesättigte Kohlenwasserstoffe bilden nicht nur Ket-ten, sondern auch „Ringe“ mit der allgemeinen For-mel CnH2n (Abb. 4.1).
Da es sich um gesättigte Verbindungen handelt, lie-gen sp3-hybridisierte Kohlenstoffatome vor, die ei-nen Bindungswinkel von 109,5 ° zur Folge haben. Ausdem Geometrieunterricht ist aber bekannt, dass dieWinkel in gleichseitigen Vielecken folgende Wertehaben müssen (Tab. 4.2):
Unter der Annahme, dass alle sp3-hybridisiertenKohlenstoffatome in einer Ebene liegen, müssen da-her erhebliche Spannungen auftreten. Diese wird alsBaeyer-Spannung bezeichnet (Ringspannung bei ali-cyclischen Verbindungen).Die Spannungsenergie kann man aus den bei derVerbrennung der Cycloalkane auftretenden Reak-tionsenthalpien ermitteln. Für Cyclohexan wird sieNull gesetzt. Durch das Abweichen vom Tetraeder-winkel beträgt die Spannungsenergie pro CH2-Gruppe beim Cyclopentan 5,4 kJ/mol, beim Cyclobu-tan 27,2 kJ/mol und beim Cyclopropan 38,5 kJ/mol.Je stärker die Winkel im Ringsystem vom Tetraeder-winkel abweichen, umso größer muss also auch dieReaktivität sein. Das stimmt mit den Beobachtungenüberein: Cyclopropan und Cyclobutan sind äußerstreaktionsfreudig. Neuere Modelle gehen im Fall desCyclopropans von einer anderen Hybridisierung desKohlenstoffatoms und von einem gewinkelten Baudes Cyclobutans aus. Dass auch Cyclohexan nichteben gebaut ist, wurde auf S.103 besprochen. Cyclo-
Die Kohlenwasserstoffe 4 Stoffklassen der organischen Chemie126
Abb. 4.1 Einfache Cycloalkane
Tabelle 4.2
Winkel in regelmäßigen Vielecken
Vieleck Winkel in
Dreieck 60 °
Viereck 90 °
Fünfeck 108 °
Sechseck 120 °
Siebeneck 128°34'
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pentan sollte aufgrund seiner geringen Spannungeigentlich eben sein, doch neuere Untersuchungenzeigten, dass ein C-Atom etwas aus der Ebene he-rauszeigt.Die Stabilität der Ringsysteme wird überdies durchdie Anordnung der Wasserstoffatome beeinflusst.Die CH-Bindungen stehen häufig nicht in der ener-getisch günstigeren gestaffelten Anordnung. Da-durch entstehen konformative Spannungen, dieman als Pitzer-Spannung bezeichnet: Bei ekliptischerAnordnung stoßen sich die H-Atome ab, die Ring-spannung nimmt zu (Abb. 4.2).
Cyclopentane und -hexane kommen im Erdöl vorund bilden den Grundkörper vieler Naturstoffe.Drei- und Vierringsysteme findet man vor allem inder Gruppe der Isoprenoide (s. S.190). Aber auch
Fettsäuren mit Ringstrukturen sind bekannt, sowurde z. B. in den Lipoidanteilen von Lactobacillusarabinosus und Lactobacillus casei die Lactobacillin-säure gefunden. In gesäuerten Milchprodukten liegtdie Lactobacillinsäure gemeinsammit der hydriertenForm der Sterculinsäure vor. Die Sterculinsäureselbst ist giftig (Abb. 4.3).Es gibt auch Verbindungen, in denen die Ringe überein gemeinsames Kohlenstoffatom verknüpft sind.Diese bezeichnet man als Spirane (spira griech. Win-dung).Kondensierte oder annellierte Ringe besitzen zweigemeinsame Kohlenstoffatome.Brückenringsysteme haben mehr als zwei gemein-same Ringatome (Tab. 4.3).
4.1.3 Die ungesättigten KohlenwasserstoffeAuch Alkene und Alkine bilden homologe Reihen.
4.1.3.1 Die AlkeneAlkene sind Kohlenwasserstoffe mit einer C=C-Dop-pelbindung und können allgemein durch die FormelCnH2n beschrieben werden. Für Alkene ist häufignoch die Bezeichnung Olefine gebräuchlich, wasmit dem öligen Charakter der Produkte zusammen-hängt, die man bei einer Halogenaddition an gasför-
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Kohlenwasserstoffe 127
Abb. 4.2 Räumliche Darstellung von einfachen Cycloalkanen
Tabelle 4.3
Einfache Ringsysteme
Ringsystem Beispiel Name Verwendung
Spirane Griseofulvin fungistatisches Antibiotikum(orale Behandlung vonPilzerkrankungen)
Kondensierte Ringe Decalin Herstellung von Schuhpflege-mitteln und Bohnerwachs
Brückenringsystem Pinan oder 2,6-Trimethyl-bicyclo[3.1.1]heptan
kommt frei in der Natur nichtvorhanden, ist Grundkörper der„Pinane“, die im Holz und inden Blättern vieler Pflanzenvorkommen
Abb. 4.3 Lactobacillinsäure und Sterculinsäure
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mige Alkene erhält (gaz oléfiant frz. ölbildendes Gas).Das Suffix -en zeigt die Doppelbindung an. Bei meh-reren Doppelbindungen steht die Anzahl der Doppel-bindungen vor dem Suffix. Dien bedeutet also 2, trien3 Doppelbindungen.
Die physikalischen EigenschaftenDie physikalischen Eigenschaften der Alkene sindmit denen der Alkane vergleichbar. Die Vertretermit bis zu 4 C-Atomen sind gasförmig, die mit 5 bis15 C-Atomen flüssig und die höheren Vertreter fest.Sie sind brennbar und mit Wasser nicht mischbar.
Die chemischen ReaktionenDie chemischen Reaktionen der Alkene werden vor-wiegend durch die π-Bindung bestimmt. Sie gehenleicht Additionsreaktionen ein, wobei gesättigte Ver-bindungen entstehen. Da die C = C-Doppelbindungnucleophilen Charakter hat, ist das angreifende Rea-gens elektrophil. Diese elektrophile Addition läuft inmehreren Stufen ab, zuerst tritt der elektrophilePartner mit den π-Elektronen in Wechselwirkung,es bildet sich ein π-Komplex, der sich in ein Carbe-niumion umwandelt, das ein dreibindiges positiv ge-ladenes Kohlenstoffatom aufweist. Das ist nun selbstein elektrophiles Reagenz und reagiert mit einemnucleophilen Teilchen (Abb. 4.4).
Bitte lernen Sie solche Mechanismen nichtauswendig. Die Darstellung der Mechanismen solles Ihnen einfacher machen zu verstehen, warumwelcher Stoff wie reagiert. Versuchen Sie, den Me-chanismus nachzuvollziehen. (Abb. 4.4).
Der in Abb. 4.4 dargestellte Mechanismus ist auch aufdie Addition von Wasser (Hydratisierung), Wasser-
stoff (Hydrierung) und Halogenen (Halogenierung)übertragbar. Hydratisierung und Hydrierung sindvon großer Bedeutung für die Biochemie.
MERKE
Ein Kation ist umso stabiler, je besser seine positiveLadung durch Substituenten mit einem +I-Effektausgeglichen wird (s. S. 117)!
Das sekundäre Carbenium-Ion ist stabiler als dasprimäre Carbenium-Ion. Das Proton greift also im-mer das wasserstoffreichere Kohlenstoffatom an(Markovnikov-Regel). Diesen ganz gezielten Angriffbezeichnet man als regioselektiven Angriff. Deshalbentsteht nur das in Abb. 4.4 dargestellte Carbenium-ion.
Einige wichtige VertreterKohlenwasserstoffe mit Doppelbindungen spielen inder chemischen Industrie eine große Rolle, sie sindaber auch in der Natur weit verbreitet. Besondersvom 2-Methyl-buta-1,3-dien(Isopren) leitet sich diegroße Gruppe der Isoprenoide ab (s. S.190).Ethen (Ethylen) ist ein brennbares Gas mit leichtsüßlichem Geruch, in höheren Dosen wirkt es narko-tisch. Ethen wird auch in reifenden Früchten gebildetund beschleunigt den Reifungsprozess. Es wird ausErdöl gewonnen. Die Hälfte des hergestellten Ethenswird für die Polymerisation verwendet.Alkene besitzen eine große industrielle Bedeutung,weil sie mit sich selbst zu Polymeren reagieren kön-nen (polys griech. viel, meros griech. Teil, Stück).
Die PolymerisationDie Polymerisation ist ein Spezialfall der Addition. Sielässt sich allgemein wie folgt formulieren (Abb. 4.5):
Die Kohlenwasserstoffe 4 Stoffklassen der organischen Chemie128
Abb. 4.4 Elektrophile Additionvon Chlorwasserstoff an Alkene
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Der entscheidende Schritt ist die Aktivierung derDoppelbindung z. B. durch UV-Licht oder Ionen.Dann addieren sich schrittweise weitere Moleküle.Es entstehen langkettige Additionsprodukte wie z. B.Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyvinylchlorid(Polychlorethen, PVC) oder Polystyrol (Styropor, PS),die in Tab. 4.4 gemeinsam mit den Grundbausteinen(Monomeren) gezeigt werden.
4.1.3.2 Die AlkineEinteilungAlkine sind Kohlenwasserstoffe mit einer C≡C-Drei-fachbindung und können allgemein durch die FormelCnH2n–2 beschrieben werden. Das Suffix -in zeigt dieDreifachbindung an. Tritt mehr als eine Dreifachbin-dung auf, wird dies durch -di, -tri angegeben.
Die physikalischen Eigenschaften und die chemischenReaktionenAlkine sind hinsichtlich der Schmelz- und Siede-punkte wieder gut mit den analogen Alkenen bzw.Alkanen vergleichbar.Alkine sind aber weniger reaktiv als die Alkene, dieReaktivität steigt also nicht von der Einfach- über dieDoppel- zur Dreifachbindung. Das am sp-hybridisier-ten Kohlenstoffatom noch vorhandene Wasserstoff-
atom wird relativ leicht abgespalten. Man sagt des-halb, dass die Alkine C–H-acid sind und drückt damitaus, dass die C–H-Bindung im Sinne einer Säure-Base-Reaktion gespalten werden kann. Es könnenalso z. B. mit Silberlösungen Salze entstehen (im tro-ckenen Zustand häufig explosiv).Additionsreaktionen sind typisch für Alkine, im ers-ten Schritt entstehen Alkene, diese können dannweiter zu Alkanen reagieren.
Ein wichtiger VertreterDas wichtigstes Alkin ist Ethin (Acetylen), das mithoher Temperatur im Sauerstoffstrom verbrenntund deshalb zum Schweißen benutzt wird. Ethin be-sitzt auch eine leicht narkotisierende Wirkung. Es istneben Ethen eines der wichtigsten Ausgangspro-dukte für die Herstellung organischer Verbindungen.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Kohlenwasserstoffe 129
Abb. 4.5 Polymerisation
Tabelle 4.4
Übersicht wichtiger Polymere
Monomer Formel Polymer Beispiele für den Einsatz
Ethen (Ethylen) Polyethylen PE Rohre, Folien, Apparaturen, Isoliermaterial,Spielzeugohne Umweltbelastung verbrennbar
Propen (Propylen) Polypropylen PP stark beanspruchte technische Teile, Koffer,Schuhabsätze, Taue
Styrol Polystyrol PS Maschinen- und Apparatebau, Elektrotech-nik, Gehäuse für Küchengeräte, Geschirrphysiologisch unbedenklich
Buta-1,3-dien Polybutadien Reifen, Förderbänder, Schuhsohlen
2-Methyl-buta-1,3-dien(Isopren)
Polyisopren Reifen, Schuhsohlen, Verpackungsmaterial
Chlorethen (Vinylchlorid) Polyvinylchlorid PVC Isoliermaterial, Rohrleitungen, Fensterprofile,Schallplatten, Vorhängeökologisch umstritten
Acrylnitril Polyacrylnitril PAN Faserstoff
Tetrafluorethen Polytetrafluorethylen (PTFE) Oberflächenbeschichtung,für extreme Bedingungen geeignet
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4.1.3.3 Die Cycloalkene und -alkineCycloalkene sind noch reaktionsfreudiger als die ana-logen offenkettigen Verbindungen. AlkylsubstituierteRinge kommen in ätherischen Ölen und in Algen vor.Cycloalkine haben keine praktische Bedeutung. EinBeispiel für ein Cycloalken ist in Abb. 4.3 aufgeführt(s. S.127).
4.1.4 Die aromatischenKohlenwasserstoffe (Arene)
Die Bindungsverhältnisse im Benzen sindwichtig, um die aromatischen Kohlenwasserstoffeverstehen zu können. Schlagen Sie ggf. noch einmalnach (s. S. 91).
Ursprünglich geht die Bezeichnung „aromatisch“ tat-sächlich auf den angenehmen Geruch der Stoffe zu-rück, die aus Balsamen, Harzen u. a. Naturstoffen ge-wonnen wurden. Später verstand man darunter alleKohlenstoffverbindungen, die die besonders stabileElektronenanordnung des Benzens aufwiesen. Dochauch viele heterocyclische Verbindungen haben diefür Aromaten typischen Eigenschaften. Deshalb cha-rakterisiert man heute die Aromaten anhand derBindungsverhältnisse – es sind ebene Ringsystememit (4n +2) π-Elektronen. In diesem Abschnitt gehtes um das Benzen und seine Derivate.
4.1.4.1 Die physikalischen Eigenschaften und diechemischen ReaktionenDa es eine Vielzahl von Arenen gibt, ist eine Zusam-menfassung der Eigenschaften problematisch. Wich-tig ist aber, dass sie über eine gute Lipidlöslichkeitverfügen und sich daher in Nervensystem, Leber undKnochenmark anreichern können.Das chemische Verhalten der Arene wird durch daskonjugierte π-System bestimmt. Es finden bevorzugt(elektrophile) Substitutionsreaktionen statt, d. h. dieArene reagieren regenerativ unter Erhaltung derKonjugation. Dadurch können Hydroxy-, Nitro-,
Amino-, Alkyl- u. a. Gruppen in den Ring eingeführtwerden.In Analogie zu der Reaktion an Alkenen mit elektro-philen Reagenzien bildet sich auch bei den aromati-schen Kohlenwasserstoffen zuerst ein π-Komplex,der dann in das durch Mesomerie stabilisierte Are-niumion übergeht. Dann erfolgt aber eine Protonen-abspaltung, weil dadurch das aromatische Systemwieder hergestellt wird. Die Substitution hat alsoVorrang vor der Addition (Abb. 4.6).
4.1.4.2 Einige wichtige VertreterDie Abb. 4.7 stellt einige aromatische Kohlenwasser-stoffe vor. Diese können ein oder mehrere Ringsys-teme enthalten.Das im Steinkohlenteer, Tabakteer oder Automobil-abgasen vorkommende Benzo[a]pyren ist krebser-zeugend (Abb. 4.7). Es ist aber nicht voll aromatisch,denn es hat 20 und nicht (4n+2) π-Elektronen.Das Benzen gehört zu den wichtigsten Grundstoffender chemischen Industrie. Es ist eine Flüssigkeit mitcharakteristischem Geruch, die mit stark rußenderFlamme verbrennt. Es ist mit Wasser nicht mischbar,aber ein gutes Lösungsmittel für viele hydrophobeorganische Verbindungen. Der Einsatz wird mög-lichst beschränkt, da Einwirkung auch kleinererKonzentrationen über einen längeren Zeitraum zuschweren Schäden im blutbildenden System desKnochenmarks führt.Durch Einführung von Alkylgruppen entstehen To-
luen und die Xylene, die wichtige Syntheseausgangs-stoffe sind. Diese Verbindungen sind weniger toxischals das Benzen.
4.1.4.3 Die kondensierten aromatischen RingeDie Delokalisierung der π-Elektronen ist in konden-sierten Ringen nicht so ideal wie im Benzen. Deshalbsind diese Verbindungen auch reaktiver und dienenals Ausgangsstoffe vor allem für Farbstoffsynthesen.Kondensierte Ringkohlenwasserstoffe sind oft giftig.Naphthalen fand aufgrund seiner antiseptischen und
Die Kohlenwasserstoffe 4 Stoffklassen der organischen Chemie130
Abb. 4.6 Mechanismus der elektrophilen Substitution anBenzen
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anthelmintischen Wirkung Eingang in die Medizin,ist aber heute nicht mehr im Gebrauch.
4.1.5 Die HalogenkohlenwasserstoffeHalogenkohlenwasserstoffe oder Alkylhalogenide
sind Kohlenwasserstoffe, in denen Wasserstoffatomedurch Halogenatome substituiert wurden. Auch hierkönnen homologe Reihen formuliert werden.
4.1.5.1 Die physikalischen EigenschaftenDie meisten Halogenkohlenwasserstoffe liegen alsFlüssigkeiten vor, nur einige sind bei Raumtempera-tur gasförmig und relativ wenige Verbindungen sindfest. Allgemein gilt, dass die Siede- und Schmelz-punkte von Monohalogenverbindungen des gleichenKohlenwasserstoffs mit der Atommasse der Halo-gene und mit zunehmender Anzahl der Halogen-atome ansteigen. In Wasser sind Halogenkohlen-wasserstoffe fast unlöslich, gut löslich sind sie inAlkoholen oder Ether.
4.1.5.2 Die chemischen ReaktionenAufgrund der Elektronegativität der C–X-Bindungsind die Verbindungen nicht mehr unpolar. Dies er-möglicht nucleophile Substitutionsreaktionen
(s. S.119). Halogenatome können relativ leicht ersetztwerden. Die Bindungsstärke der C–X-Bindung nimmtvom Fluor zum Iod hin ab, deshalb ist Iod auch einewesentlich bessere Abgangsgruppe als Fluor. Daswird noch durch die bessere Polarisierbarkeit desdeutlich größeren Iodid-Ions unterstützt. Auch Elimi-
nierungen sind als Konkurrenzreaktionen von Be-deutung, dabei entstehen Alkene.
4.1.5.3 Einige wichtige VertreterHalogenkohlenwasserstoffe sind wichtige Zwischen-produkte bei organischen Synthesevorgängen, siewerden aber auch als Lösungsmittel, Anästhetika,Feuerlösch-, Kälte- und Treibmittel verwendet.Chlormethan (Methylchlorid) CH3Cl ist sowohl einMethylierungs- als auch Kältemittel. Es wird in be-trächtlicher Menge von Meeresalgen erzeugt bzw.fällt bei der Brandrodung in den Tropen an.Dichlormethan (Methylenchlorid) CH2Cl2 ist lipid-löslich und reichert sich im Nervensystem an. Des-halb wirkt es narkotisch. Es wird als Lösungsmittelund für die Extraktion von beispielsweise Koffeinund Hopfeninhaltsstoffen verwendet.Trichlormethan (Chloroform) CHCl3 ist eine nichtbrennbare, süßlich riechende Flüssigkeit, die unterLichteinwirkung in Gegenwart von Sauerstoff sehrleicht in das extrem giftige Phosgen zerfällt.
Deshalb und aufgrund seiner atemlähmenden Wir-kung wird es nicht mehr als Narkotikum verwendet.Tetrachlormethan (Tetra) CCl4 ist ein Zellgift, dasnarkotisch wirkt und Leber und Nieren schädigt. Beihohen Temperaturen bildet es ebenfalls Phosgen,deshalb ist sein Einsatz als Lösungs- und Feuerlösch-mittel stark rückläufig.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Kohlenwasserstoffe 131
Abb. 4.7 Aromatische Kohlenwasser-stoffe und Benzo[a]pyren
CHCl3 + 12 O2 ASonnenenergie COCl2 + HCl
Phosgen
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Klinischer Bezug
Fluorierte Kohlenwasserstoffe wie Trichlorfluormethan(CCl3F), Dichlordifluormethan (CCl2F2) oder Chlordi-fluormethan (CHClF2) sind thermisch und chemischsehr beständige Halogenkohlenwasserstoffe. Sie sindungiftig, wirken aber narkotisierend und werden des-halb als sog. Schnüffelstoffe missbraucht (Inhalationleicht flüchtiger Substanzen zur Rauscherzeugung).Die genannten Halogenkohlenwasserstoffe wurden ingroßem Maßstab als Treibmittel in Spraydosen, zumVerschäumen von Kunststoffen, als Kältemittel und alsFeuerlöscher eingesetzt. Ihr Einsatz ist aber ökologischbedenklich, da in der Stratosphäre aus den Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen (FCKW) durch Ozon Chlor ent-steht. Durch diese Reaktion verringert sich die Kon-zentration des Ozons und die Schutzwirkung der Ozon-schicht im Hinblick auf die UV-Strahlungverschlechtert sich.
Check-up4 Wiederholen Sie einige einfache Beispiele für
Alkane, Alkene, Alkine und cyclische Kohlen-wasserstoffe sowie die charakteristischenReaktionen dieser Stoffklassen.
4 Machen Sie sich nochmals einige Begriffe klar:anhand der Alkane die Konstitutionsisomerieund Konformationsisomerie, anhand derCycloalkane die cis-trans-Isomerie und an-hand der Alkene die E/Z-Isomerie.
4 Am Beispiel der Kohlenwasserstoffe kannmangut verstehen, was mit dem Begriff homologeReihe gemeint ist. Es bietet sich daher an, andieser Stelle die Definition und die Änderungder physikalischen Eigenschaften innerhalbeiner homologen Reihe zu wiederholen(s. S. 125).
4.2 Die Alkohole, die Phenole und dieEther
LerncoachFür das Verständnis der Eigenschaften undReaktionen von Alkoholen, Phenolen undEthern sind die Definitionen von Brønsted-Säure, Brønsted-Base, amphoterer Verbin-dung und Säurestärke wichtig (s. S. 58).
4.2.1 Der ÜberblickAlkohole R–O–H kann man als Monoalkylderivate,Ether R–O–R als Dialkyl- oder Diarylderivate desWassers H–O–H auffassen.Phenole können zwar auch durch die allgemeineStrukturformel R–O–H beschrieben werden, für R
steht aber immer ein aromatischer Rest (Arylrest),der zu einem anderen Reaktionsverhalten führt. Inder Natur kommen viele Alkohole sowohl frei alsauch verestert vor (z. B. in Fetten oder Wachsen).Ein wichtiger Bestandteil der Nervensubstanz istz. B. Sphingosin, ein langkettiger Aminoalkohol. Ste-roide sind in der Mehrzahl Alkohole, wobei auchZucker prinzipiell als Alkohole aufgefasst werdenkönnen. Phenole findet man als Bestandteile vonPflanzenfarb- und -gerbstoffen, etherischen Ölen,Pflanzenwuchsstoffen, Riech- und Geschmacksstof-fen, Steroiden, Alkaloiden und Antibiotika. Etherspielen vor allem als Lösungsmittel eine große Rolleim Labor.
4.2.2 Die AlkoholeDurch eine nucleophile Substitution kann man ausHalogenkohlenwasserstoffen leicht Alkohole herstel-len. Nach der Anzahl der OH-Gruppen unterscheidetman ein-, zwei-, drei- oder allgemein mehrwertige
(auch Poly-) Alkohole (Tab. 4.5).
Ist die OH-Gruppe (bei aliphatischen Kohlenwasser-stoffen) an einem endständigen (d. h. primären) C-Atom fixiert, spricht man von einem primären Alko-
hol. Bei sekundären Alkoholen befindet sich die OH-Gruppe an einem sekundären C-Atom, bei tertiärenan einem tertiären C-Atom (Tab. 4.6).
Die Alkohole, die Phenole und die Ether 4 Stoffklassen der organischen Chemie132
CCl2F2 ASonnenenergie CClF2 + Cl·
Cl· + O3 A ClO· + O2
ClO· + O2 A 2 O2 + Cl·
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4.2.2.1 Die physikalischen EigenschaftenNiedere Alkohole sind flüssig und mit Wasser belie-big mischbar. Sie haben einen charakteristischen Ge-ruch. Bei mehr als 4 Kohlenstoffatomen überwiegtjedoch bei einwertigen Alkoholen der hydrophobeCharakter, diese Alkohole sind dann schlecht odergar nicht in Wasser löslich.Mehrwertige Alkohole lösen sich in Wasser generellbesser als einwertige Alkohole. Auch der süße Ge-schmack nimmt mit der Anzahl der OH-Gruppen zu.Die Siedepunkte der Alkohole sind im Vergleich zuKohlenwasserstoffen mit annähernd gleichen Mol-
massen deutlich höher (Tab. 4.7). Das hängt mit derAusbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zu-sammen (s. S. 31), infolgedessen liegen die Molekülewie Wasser assoziiert vor (Abb. 4.8).Auch innerhalb der konstitutionsisomeren Alkoholeändert sich der Siedepunkt. Je mehr das Alkoholmo-lekül einer Kugelgestalt nahe kommt, wie man es bei
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Alkohole, die Phenole und die Ether 133
Tabelle 4.5
Einige Beispiele für ein- und mehrwertige Alkohole
Formel Wertigkeit Name Anwendung
einwertig Ethanol alkoholische Getränke
zweiwertig Ethan-1,2-diol/Ethylenglykol Gefrierschutzmittel
dreiwertig Propan-1,2,3-triol/Glycerol/Glycerin Fettbaustein, Vorstufe desSprengstoffs Nitroglycerin
vierwertig 2,2-Bis(hydroxymethyl)-1,3-propandiol/Pentaerythrit
als Salpetersäureester pharma-zeutischer Einsatz alsgefäßerweiterndes Mittel
Tabelle 4.6
Die Konstitutionsisomeren des Butanols als primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole
primärer Alkohol sekundärer Alkohol tertiärer Alkohol
Butan-1-ol Butan-2-ol 2-Methyl-propan-2-ol
n-Butanol sek-Butylalkohol tert-Butylalkohol
Tabelle 4.7
Vergleich der Siedepunkte von Alkoholen und Kohlenwasserstoffen
Verbindung Molmasse Siedepunkt (°C)
Methanol CH3–OH 32 +65
Ethan CH3–CH3 30 –89
Ethanol CH3–CH2–OH 46 +78
Propan CH3–CH2–CH3 44 –42
Abb. 4.8 Die Ausbildung von Wasserstoffbrücken bei Alkoho-len
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den in Tab. 4.6 dargestellten Formeln der Butanolesehr schön sehen kann, um so niedriger liegen dieSiedepunkte, denn die Ausbildung von Wasserstoff-brückenbindungen und die van-der-Waals-Wechsel-wirkung sind dann weniger effektiv.
4.2.2.2 Die chemischen ReaktionenBildung von Ethern, Estern und AlkenenDa die Bindungspolarisierung nicht nur in der OH-Bindung, sondern auch in der CO-Bindung auftritt,existiert eine Vielfalt von Reaktionsmöglichkeiten.Alkohole können prinzipiell sowohl als Säure alsauch als Base reagieren. In Gegenwart sehr starkerSäuren ist die Anlagerung eines Protons möglich.Dabei entstehen Oxoniumionen (Abb. 4.9).
Es kann aber auch ein Proton abgespalten werden.Die Abspaltung des Protons erzwingen aber nurstarke Reduktionsmittel, durch die das Proton sofortzu Wasserstoff reduziert wird. In wässriger Lösungerfolgt keine Protonenübertragung, da die Azidität inder Größenordung der Azidität von Wasser liegt.Mit der Bildung des Oxoniumions in Gegenwart star-ker Säuren beginnt die Dehydratisierung der Alko-hole zu Alkenen (Abb. 4.10a). Diese Reaktion steht inKonkurrenz zur Etherbildung (Abb. 4.10b).
Es kann bei einem Überschuss an Säure auch eineEsterbildung stattfinden (Abb. 4.10c). Mit mehrproto-nigen Säuren erfolgt eine sukzessive Veresterung.Das Ethylhydrogensulfat ist ein saurer Ester, danoch ein Proton abgespalten werden kann.Die Substitutionsreaktion der Alkohole mit Halogen-wasserstoffsäuren kann auch als Veresterung aufge-fasst werden (Abb. 4.10d). Das tatsächliche Reaktions-verhalten kann z. B. durch die Konzentration derReaktionspartner beeinflusst werden. Ein Säure-überschuss begünstigt die Esterbildung. Bei hohenTemperaturen tritt die Veresterung zugunsten derEtherbildung zurück. Mit dieser konkurriert dannzunehmend die Eliminierung zu Alkenen (s. S. 118).Die Eliminierung von Wasser gelingt bei sekundärenoder tertiären Alkoholen leichter als bei primärenAlkoholen.Aus Alkoholen und Carbonsäuren, also organischenSäuren, entstehen ebenfalls Ester (s. S.156).
Klinischer Bezug
Ein Ester aus dem dreiwertigen Alkohol Glycerin (Gly-cerol oder Propan-1,2,3-triol) und Salpetersäure istdas Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin), der Hauptbe-standteil von Dynamit (Abb. 4.11). In kleinen Dosenspielt es als Vasodilatator der Koronargefäße bei An-gina pectoris eine Rolle.Die Grundwirkung ist die Relaxation der glatten Mus-kulatur. Alle Wirkungen am Gesamtorganismus beru-hen darauf.
Die Alkohole, die Phenole und die Ether 4 Stoffklassen der organischen Chemie134
Abb. 4.9 Die Reaktion von Ethanol als Säure bzw. als Base
Abb. 4.10 Die Reaktionen von Ethanol mitSchwefelsäure (a–c) und mit Halogenwas-serstoffsäuren (d)
Abb. 4.11 Glycerolnitrat
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Redoxreaktionen der AlkoholeVon besonderer Bedeutung in der Biochemie ist dasRedoxverhalten der Alkohole (Abb. 4.12).
Primäre Alkohole lassen sich über Aldehyde zuCarbonsäuren oxidieren.Sekundäre Alkohole bilden bei der Oxidation Ke-
tone.Tertiäre Alkohole können unter Erhalt des C–C-Bindungsgerüsts nicht oxidiert werden.
Natürlich ist in allen Fällen unter drastischen Bedin-gungen, wie z. B. einer Verbrennung, die Oxidation zuCO2 und H2O möglich. Dabei wird aber das C–C-Bin-dungsgerüst zerstört!Die Oxidation von Ethanol mit Kaliumchromat alsOxidationsmittel wird in den „Pusteröhrchen“ zumNachweis von Alkoholkonsum benutzt. Bei positivemBefund erfolgt ein Farbumschlag von Gelb nach Grün,da das Kaliumchromat reduziert wird und Cr3+ ent-steht (Cr3+ ist für die Grünfärbung verantwortlich).
4.2.2.3 Einige wichtige VertreterMethanol (CH3OH) ist ein farbloser, brennbarer,leicht beweglicher Alkohol, der erstmals bei der Des-tillation von Holz entdeckt wurde und deshalb gele-gentlich auch als Holzgeist bezeichnet wird. Er ist mitWasser unbegrenzt mischbar und löst sogar vieleanorganische Salze. Methanol ist toxisch und führtneben Herzinsuffizienz und Muskelschwäche zu ei-ner Abnahme des Sehvermögens bis hin zur Erblin-dung. Die Toxizität beruht auf der Oxidation desMethanol zu Methanal und Ameisensäure. Ameisen-
säure kann schlecht ausgeschiedenwerden und führtdeshalb zu einer schweren Azidose.Ethanol (C2H5OH) ist eine klare, farblose, würzig rie-chende und brennend schmeckende, leicht entzünd-liche Flüssigkeit. Ethanol ist mit Wasser ebenfallsmischbar, dabei tritt eine Volumenkontraktion undWärmeentwicklung auf. Der physiologische Gehaltdes menschlichen Bluts beträgt 0,002–0,003%, also0,02–0,03 0⁄00.In der Natur kommt Ethanol überall dort vor, wozucker- oder stärkehaltige Substanzen durch Hefe-zellen vergoren werden (sog. alkoholische Gärung):
Bei der alkoholischen Gärung entstehen noch zahl-reiche Nebenprodukte, die als Fuselöle bezeichnetwerden. Das sind vor allem die aus Aminosäurender Hefe entstehenden Alkohole 3-Methyl-butan-1-ol und 2-Methyl-butan-1-ol. Sie spielen für das Bu-kett eines Weines eine Rolle.Bereits durch 70%iges Ethanol werden Bakterien ab-getötet oder in ihrer Entwicklung gehemmt. Deshalbkannman Ethanol als Konservierungsmittel imHaus-halt und für anatomische Präparate nutzen. DieHauptmenge des produzierten Ethanols wird für Ge-nusszwecke eingesetzt. In der Technik ist Ethanol einwichtiges Lösungsmittel u. a. für Duftstoffe und Kos-metika. Aufgrund seines hohen Heizwertes wird esvergällt als Brennspiritus eingesetzt. Unter Vergällenversteht man die geringe Zugabe von Stoffen, dieschlecht wieder abgetrennt werden können, dieaber dazu führen, dass eine Verwendung als Lebens-oder Genussmittel nicht mehr möglich ist. Die tech-nische Anwendung wird nicht beeinflusst.
Klinischer Bezug
Auf den Menschen wirken geringe Mengen Ethanolanregend, größere Mengen berauschend. Mit zuneh-mendem Ethanolgenuss tritt zuerst Bewegungsdrang,später Ermüdung und Muskelerschlaffung bis zur Nar-kose mit Atemstillstand auf. Durch die Erweiterung derHautgefäße wird vermehrt Wärme abgegeben, des-halb erfrieren stark alkoholisierte Menschen bereits beigeringen Kältegraden.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Alkohole, die Phenole und die Ether 135
Abb. 4.12 Die Oxidation der Alkohole (OM = Oxidationsmittel)
Kohlenhydrat Ethanol Kohlendioxid
C6H12O6 3335Enzym 2 C2H5OH + 2 CO2
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Ethanolgenuss in der Schwangerschaft kann aufgrunddes leichten Übertritts in den Kreislauf des Embryoszum embryofetalen Alkoholsyndrom mit Wachstums-störungen, Intelligenzdefekten, engen Lidspalten etc.führen.Der Ethanol-Abbau erfolgt in der Leber durch dasEnzym Alkoholdehydrogenase. Dabei entsteht Ethanal,das dann durch die Aldehyddehydrogenase zu Essig-säure oxidiert wird. Für diese Oxidationsprozesse wirdNAD benötigt, wodurch andere NAD-abhängige Pro-zesse wie der Fettabbau beeinträchtigt werden. Dieneurophysiologische Wirkung des Ethanols beruhtvor allem darauf, dass das beim Abbau entstehendeEthanal biogene Amine in ihrer Funktion als Neuro-transmitter beeinträchtigt.
4.2.3 Die PhenolePhenole werden ebenfalls nach der Anzahl der OH-Gruppen in ein- und mehrwertige Formen unterteilt(Abb. 4.13).
4.2.3.1 Die physikalischen EigenschaftenPhenole sind kristallin, der Siedepunkt steigt mit derAnzahl eingeführter OH-Gruppen. Auch die Löslich-keit nimmt mit der Anzahl der OH-Gruppen zu. VielePhenole sind licht-, luft- und schwermetallempfind-lich und wirken bakterizid.
4.2.3.2 Die chemischen ReaktionenDie Säureeigenschaft der Phenole wird durch dieWechselwirkung der freien Elektronenpaare amSauerstoffatom und der π-Elektronenwolke des aro-matischen Rings bestimmt. Die Spaltung der OH-Bin-dung ist so relativ einfach. Bei Zugabe von NaOHentsteht das wasserlösliche Salz Natriumphenolat(Abb. 4.14).Wenn am aromatischen Ring weitere funktionelleGruppen stehen, die elektronenziehend auf das Sys-tem wirken (z. B. Pikrinsäure, s. Abb. 4.13), dannschwächt das die OH-Bindung noch stärker. Als Folgenimmt die Säurestärke zu und der pKs-Wert kannfast die Größenordnung der pKs-Werte von Mineral-säuren erreichen. Aufgrund ihrer Azidität könnenPhenole im Vergleich zu Alkoholen leichter verestertund verethert werden.Phenole bilden mit Fe3+-Ionen intensiv gefärbteKomplexe, die man zu kolorimetrischen Bestimmun-gen (z. B. des Adrenalins), nutzen kann.Zweiwertige Phenole mit OH-Gruppen in 1,2- und1,4-Stellung (Brenzcatechin und Hydrochinon inAbb. 4.13) werden leicht oxidiert. Es entstehen Chi-
none (Abb. 4.15).Das Chinon-Hydrochinon-Redoxsystem dient alsGrundlage für die sog. Chinhydron-Elektrode, die in
Die Alkohole, die Phenole und die Ether 4 Stoffklassen der organischen Chemie136
Abb. 4.13 Einige Beispiele für Phenole
Abb. 4.14 Phenol als Protonendonator
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der pH-Messtechnik als Arbeitselektrode verwendetwurde.Die Eigenschaft der Chinone, leicht Elektronen rever-sibel abgeben zu können, macht sich auch die Naturbei biochemischen Redoxvorgängen zunutze. Diewegen ihrer weiten Verbreitung in der Natur Ubichi-none genannten Biochinone sind als Coenzym Q alsElektronenüberträger in der Atmungskette in denMitochondrien beteiligt.Auch Vitamin E (oder α-Tocopherol) ist ein in Pflan-zen weit verbreitetes Phenol. Im menschlichen Kör-per erfüllt es offenbar verschiedene Funktionen. Be-sonders wichtig scheint seine Aufgabe als Fänger fürPeroxid-Radikale zu sein, um so Membranen undandere oxidationsempfindlicheMoleküle vor Schädi-gungen zu schützen.Der Grundkörper Phenol hat der ganzen Stoffklasseseinen Namen gegeben. Gelegentlich wird auchheute noch von Carbolsäure gesprochen, da es beider Leuchtgasgewinnung aus Steinkohle erhaltenwurde und saure Eigenschaften aufwies. Phenol bil-det farblose Kristalle mit einem typischen Geruch. Eswirkt hautätzend und ist oral eingenommen stark
toxisch. Die 5%ige Lösung kommt als Desinfektions-mittel zum Einsatz. Mitte des 19. Jahrhunderts war esdas einzige bekannte Antiseptikum. Im 1. Weltkriegkam es in den Lazaretten zum Einsatz. So entstanddie Bezeichnung „Karbolmäuschen“ für die im Laza-rett tätigen Schwestern. Auch andere Phenole wiemeta-Kresol, Thymol, Guajacol oder Eugenol habenantiseptische Eigenschaften, weswegen sie in Gur-gelmitteln oder Hustensaft zu finden sind.
4.2.4 Die Ether4.2.4.1 Die physikalischen EigenschaftenEther sind nicht so hydrophil wie Alkohole undmischen sich vielfach nicht mit Wasser. Da sie keineWasserstoffbrückenbindungen ausbilden, liegen ihreSiedepunkte deutlich unter denen der isomeren Al-kohole (Tab. 4.8).Da viele Ether eine größere Dichte als Luft haben,sammeln sie sich bei unkontrolliertem Ausströmenam Boden und können sich unbemerkt ausbreiten.Bei der Arbeit mit Ether ist deshalb größte Vorsichtgeboten.Ether können sowohl symmetrisch als auch unsym-
metrisch gebaut sein, auch cyclische Ether sind be-kannt (Tab. 4.9), als Reste R treten Alkyl- und Aryl-gruppen auf.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Alkohole, die Phenole und die Ether 137
Abb. 4.15 Oxidation von Hydrochinon
Tabelle 4.8
Siedepunkte und Molmassen im Vergleich
Formel Name Mol-masse
Sdp. °C
CH3–CH2–CH2–CH2–OH Butan-1-ol 74 118
CH3–CH2–O–CH2–CH3 Diethylether 74 35
CH3–CH2–CH2–CH2–CH3 Pentan 72 36
Tabelle 4.9
Einige Beispiele für symmetrische, unsymmetrische und cyclische Ether
Formel Name Vorkommen/Anwendung
symmetrischer Ether Dimethylether, Methoxymethan synthetische Zwecke, als Treibgasvon Aerosolen
unsymmetrischer Ether Vanillaldehyd, 4-Hydroxy-3-methoxy-benzaldehyd,Vanillin
Duftstoff der Vanilleschote
cyclischer Ether Dioxan sehr gutes Lösungsmittel
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4.2.4.2 Die chemischen ReaktionenAufgrund der freien Elektronenpaare am Sauerstoffkann in Gegenwart starker Säuren ein Proton an-gelagert werden. Ether sind also sehr schwache
Brønsted-Basen, in Wasser reagieren sie neutral.Man kann auch zeigen, dass am Sauerstoff nucleo-phile Eigenschaften auftreten (Abb. 4.16). Ether bildenin Gegenwart von Luftsauerstoff und bei Lichteinwir-kung Peroxide, die zu ungewünschten Reaktionenführen und explosiv sind. Peroxide sind instabile,radikalisch zerfallende Verbindungen der allgemei-nen Formel R–O–OH oder R–O–OR. Deshalb müssenEther in dunklen Flaschen aufbewahrt werden.
Klinischer Bezug
Ether spielen vor allem als Lösungsmittel eine großeRolle im Labor. CH3–CH2–O–CH2–CH3 ist der bekann-teste Ether und wird häufig auch einfach als„Ether“ und nicht als Diethylether oder Ethoxyethanbezeichnet. Diethylether diente lange Zeit als Narkose-mittel, wird aber aufgrund seiner starken Nebenwir-kungen (z. B. Erbrechen) nicht mehr verwendet.
Check-up4 Rekapitulieren Sie die Einteilung der Alkohole
und ihre wichtigsten Reaktionen. Verdeutli-chen Sie sich z. B. die Produkte der Oxidationvon primären, sekundären und tertiären Al-koholen.
4 Machen Sie sich nochmal den Zusammenhangzwischen chemischer Struktur und physikali-schen Eigenschaften klar (z. B. Änderung desSiedepunktes).
4.3 Die Thiole und die Thioether
LerncoachIn diesem Kapitel spielt das Element Schwefeleine wichtige Rolle. Wiederholen Sie dahernoch einmal, welche Eigenschaften Sie aus derStellung des Schwefels im Periodensystem imHinblick auf den Atomradius, die Elektro-negativität und die Oxidationsstufen ableitenkönnen.
4.3.1 Der ÜberblickDie Thiole (oder Thioalkohole) R–S–H sind dieSchwefelanaloga der Alkohole R–O–H, die Thioether
R–S–R die Analoga der Ether R–O–R (theion griech.Schwefel).Formal können beide Stoffgruppen auch als Derivatedes Schwefelwasserstoffs H–S–H aufgefasst werden(Tab. 4.10). Da der Atomradius von Schwefel größerals der von Sauerstoff und die Elektronegativität we-sentlich geringer als beim Sauerstoff ist, ergeben sichdeutliche Unterschiede in den Eigenschaften und imReaktionsverhalten.
4.3.2 Die Thiole4.3.2.1 Die physikalischen EigenschaftenThiole bilden keine Wasserstoffbrückenbindungenaus. Folglich haben sie niedrigere Siedepunkte alsdie entsprechenden Alkohole (Ethanol Sdp. 78 °C,Ethanthiol Sdp. 35 °C). Niedere Thioalkohole sindstark übelriechend und zudem toxisch.
4.3.2.2 Die chemischen ReaktionenThiole reagieren wie Schwefelwasserstoff schwach
sauer. Die Säurestärke liegt über der der analogenAlkohole, da die S–H-Bindung mit einer Bin-dungsenergie von 348kJ/mol schwächer als dieO–H-Bindung (Bindungsenergie 463kJ/mol) ist. DerpKS-Wert von Ethanol beträgt pKS =16, von Ethan-thiol pKS =10,5. In Gegenwart von Basen bildenThiole Salze. Die Quecksilbersalze sind schwer lös-lich.Damit hängt auch die heute zum Teil noch gebräuch-liche Bezeichnung Mercaptan zusammen (corpusmercurium captans lat. Quecksilber fällender Kör-per).
Die Thiole und die Thioether 4 Stoffklassen der organischen Chemie138
Abb. 4.16 Ether als Nucleophil
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Die Bildung von DisulfidenDas Oxidationsverhalten der Thiole ist dadurch cha-rakterisiert, dass zuerst die SH-Bindung reagiert (an-ders als bei den Alkoholen, wo unter dem Einfluss derOH-Gruppe bei der Oxidation eine CH-Bindung ge-spalten wird). In Gegenwart von milden Oxidations-mitteln bilden sich Disulfide (Abb. 4.17) bzw. nach derneuen Nomenklatur Disulfane. Zu den milden Oxida-tionsmitteln gehören Luftsauerstoff und Halogene,ein starkes Oxidationsmittel ist z. B. SalpetersäureHNO3. Ein Maß für die Stärke des Oxidationsmittelsist das Redoxpotenzial (s. S. 72).Die durch die Oxidation der Thioalkohole entstande-nen Disulfidbrücken sorgen in Proteinen für die Er-haltung einer definierten Raumstruktur. Auch dieStruktur der Haare wird vor allem durch Disulfid-brücken bestimmt. Durch Reduktionsmittel wie Am-moniumthioglycolat (HS–CH2–COO–NH4
+) könnenetwa 50% der Disulfidbrücken aufgespalten werden.Anschließend kann man den Haaren eine andereStruktur aufzwingen (Lockenwickler), die durch Oxi-dation der Thiole zu Disulfiden eine gewisse Zeit er-halten bleibt. Das ist der chemische Hintergrund derDauerwelle. Eine temporäre Wasserwelle greift nurdie Wasserstoffbrückenbindungen an.
Die Bildung von SulfonsäurenIn Gegenwart starker Oxidationsmittel entstehen ausThioalkoholen Sulfonsäuren (s. Abb. 4.17). Es handeltsich hierbei um starke Säuren, die im Organismusjedoch nicht frei vorkommen. Einzige Ausnahme istoffenbar das Taurin, denn es wurde im Stierharn alsfreie Sulfonsäure nachgewiesen. Es entsteht aus derCysteinsulfonsäure (Oxidationsprodukt des Cysteins)durch Decarboxylierung. Die Cysteinsulfonsäure istebenfalls das Zwischenprodukt bei der Bildung von„Sulfopyruvat“ durch Transaminierung (Abb. 4.18).Diese sehr reaktionsfreudige Verbindung wird zumAufbau von PAPS (3'Phosphoadenosyl-5'-phospho-sulfat) benötigt, das wiederum das Übertragen vonSulfatgruppen übernimmt.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Thiole und die Thioether 139
Tabelle 4.10
Einige Beispiele für Thiole und Thioether (*= stereogenes Zentrum)
Formel Name
Ethanthiol in geringsten Spuren Aromakomponente
Cysteamin beteiligt an der enzymatischen Übertragung vonFettsäureresten, Bestandteil von Coenzym A
L-Cystein proteinogene Aminosäure, zentrale Verbindung desSchwefel-Stoffwechsels
D-PenicillaminD-2-Amino-3-methyl-3-sulfanyl-buttersäure
Chelatkomplexbildner mit Cu2 +, Einsatz bei MorbusWilson (s. u.) und Schwermetallvergiftungen
L-Methionin proteinogene Aminosäure, die als Methylgruppen-donator fungiert
Abb. 4.17 Milde (a) und kräftige (b) Oxidation von Thiolen(OM = Oxidationsmittel)
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Ersetzt man die OH-Gruppe in den Sulfonsäurendurch eine NH2-Gruppe, entstehen Sulfonsäure-amide, die als Sulfonamide eine große Rolle in derPharmakologie spielen. Sie werden u. a. als Antibio-tika und Antidiabetika eingesetzt.
Klinischer Bezug
Die Thiole sind auch gute Komplexbildner, z. B. fürCu2+. Deshalb werden sie beim Morbus Wilson, einererblichen Krankheit, bei der es zu einer erheblichenKupferanreicherung im Gewebe kommt eingesetzt.Bei Schwermetallvergiftung ist Dithioglycerin (BAL) be-sonders gut als Gegenmittel geeignet. Ursprünglichwurde es als Gegenmittel für arsenhaltige Kampfstoffeentwickelt (Abb. 4.19).Die Komplexbildung hat auch physiologische Bedeu-tung für katalytische Mechanismen, z. B. bei den Eisen-Schwefel-Proteinen. In Transkriptionsfaktoren wie denZink-Finger-Proteinen werden durch Chelatisierungvon Metallionen bestimmte Strukturmerkmale auf-recht erhalten.
4.3.3 Die ThioetherThioether sind in der Biochemie als Methylgruppen-
überträger bedeutsam. Sie sind schwach basisch,aber stark nucleophil und können also Sulfonium-salze bilden (Abb. 4.20). S-Adenosylmethionin, einSulfoniumion, wird im Körper als Zwischenproduktaus der essenziellen Aminosäure Methionin gebildet.Es kommt in praktisch allen Körpergeweben und-flüssigkeiten vor und ist als Überträger von Methyl-gruppen an zahlreichen Stoffwechselreaktionen be-teiligt (z. B. Synthese, Aktivierung und/oder Abbauvon Hormonen und Neurotransmittern, Abb. 4.21).
Das Schwefelatom kann im Gegensatz zum Sauer-stoffatom in Ethern stufenweise zu Sulfoxiden undzu Sulfonen oxidiert werden (Abb. 4.22), die als Lö-sungsmittel verwendet werden. Auch Bis(2-chlor-ethyl)-sulfid (Cl–CH2–CH2–S–CH2–CH2–Cl) ist einstarkes Alkylierungsmittel mit zerstörenderWirkungauf Haut, Schleimhäute und Augen. Es wurde alsKampfstoff im 1. Weltkrieg eingesetzt. Thioethersind aber auch Geruchsstoffe vieler natürlicher Aro-men (z. B. Kaffee, Spargel, Knoblauch, Zwiebel).
Die Thiole und die Thioether 4 Stoffklassen der organischen Chemie140
Abb. 4.18 Die kräftige Oxidation von Cystein und Folgereak-tionen (OM = Oxidationsmittel)
Abb. 4.19 Dithioglycerin
Abb. 4.20 Die Bildung von „aktivem Methyl“
Abb. 4.21 S-Adenosylmethionin als Methylgruppenüberträger(Nu = Nucleophil)
Abb. 4.22 Sulfoxide (a) und Sulfone (b)
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Check-up4 Wiederholen Sie die allgemeine Strukturfor-
mel von Thiolen und Thioethern und einigeeinfache Beispiele (s. Tab. 4.10).
4 Machen Sie sich nochmals das Oxidationsver-halten der Thiole klar.
4.4 Die Amine
LerncoachAmine und Aminosäuren (s. Kap. 5) sind sich inihrer Struktur sehr ähnlich. Das Verständnisder Eigenschaften und Reaktionen der Amineist daher eines Ihrer Fundamente für das Ver-ständnis der Aminosäuren und damit auch derBiochemie.
4.4.1 Die EinteilungAmine kann man als die organischen Derivate desAmmoniaks auffassen, so erklärt sich auch ihre Be-zeichnung. Die Einteilung in primäre, sekundäre undtertiäre Amine ist anders als bei den bisher bespro-chenen Stoffklassen. Man richtet sich nicht nach demKohlenstoffatom, an dem die funktionelle Gruppesteht, sondern nach dem Substitutionsgrad der Was-serstoffatome im Ammoniak (Abb. 4.23, Tab. 4.12. DieBezeichnung quartär wird für vollständig substitu-
ierte Ammonium-Ionen verwendet. Für R könnenAlkyl- oder Arylreste stehen.
4.4.2 Die physikalischen EigenschaftenDie primären aliphatischen Amine sind Gase (1 oder2 C), Flüssigkeiten (3 bis 11 C) oder Feststoffe. Daintermolekular Wasserstoffbrücken ausgebildet wer-den, sind die Siedepunkte höher als nach der Mol-masse zu erwarten wäre. Mit steigender Molmasseändert sich der Geruch von ammoniakartig über
fischartig zu geruchlos. Die Löslichkeit der aliphati-schen Amine nimmt mit steigender Molmasse undsteigendem Substitutionsgrad ab.
4.4.3 Die chemischen Reaktionen4.4.3.1 Säure-Base-ReaktionenWässrige Lösungen von Aminen reagieren basisch
(Tab. 4.11), d. h., sie lagern ein Proton an das freieElektronenpaar des Stickstoffs an:
R–NH2 + H–OH R–NH3+ + OH-
Alkylamine sind aufgrund des +I-Effektes (s. S.117)der Alkylgruppen sogar stärkere Basen als Ammo-niak. Dieser Trend setzt sich bei Dialkylaminen fort.Die Basizität tertiärer Amine ist mit der von Ammo-niak vergleichbar. Das hängt damit zusammen, dassdie Basizität nicht nur durch die Elektronendichte amN-Atom, sondern auch durch die Solvatation des ent-stehenden Ions bestimmt wird.Aromatische Amine haben eine geringere Basizität,da das freie Elektronenpaar der Aminogruppe in Kon-jugation mit der π-Elektronenwolke des aromati-schen Rings tritt (s. S. 92).Mit Säuren bilden die Amine Salze (Abb. 4.24). DieseAmmoniumsalze sind gut wasserlöslich. Durchstarke Basen lässt sich das Amin aus dem Salz wiederfreisetzen.Aufgrund des freien Elektronenpaars sind Aminenucleophil bzw. Lewis-Basen. So kann Methylamin
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Amine 141
Abb. 4.23 Die Einteilung in primäre, sekundäre, tertiäre Amineund quartäre Ammonium-Ionen Tabelle 4.11
pKB -Werte einiger Amine
Name pKB-Wert
Dimethylamin 3,29
Ethylamin 3,33
Methylamin 3,36
Trimethylamin 4,26
Ammoniak 4,75
Anilin 9,42
Je kleiner der pKB-Wert desto größer ist die Basizität desAmins!
Abb. 4.24 Die Salzbildung der Amine
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mit geeigneten Alkylierungsmitteln wie Methyliodidvollständig alkyliert werden (Abb. 4.25).Darauf beruht auch die Giftigkeit der Alkylhaloge-nide. Sie reagieren mit nucleophilen Gruppen imOrganismus, wie z. B. NH2-, aber auch SH-Gruppen,die in vielen biochemisch bedeutsamen Molekülenvorhanden sind.
4.4.3.2 Reaktionen mit salpetriger SäureSalpetrige Säure HNO2 reagiert in stark saurer Lösungmit Aminen (Abb. 4.26). Bei der Umsetzung primäreraliphatischer Amine entstehen unter Abspaltung vonStickstoff und Wasser Alkohole. Diese Reaktion hattefür die quantitative Bestimmung von Aminosäureneine Bedeutung, da man aus der gasvolumetrischen
Die Amine 4 Stoffklassen der organischen Chemie142
Tabelle 4.12
Beispiele für verschiedene Amine
Formel Name Vorkommen/Verwendung
primäre Amine Methylamin in kleinen Mengen im Urin, wasserlöslicheSalze des Methylamins z. B. in Algen
Ethylamin synthesechemisch bedeutsam
Ethanolamin/2-Amino-ethan-1-ol(Colamin)
Bestandteil des Phosphatids Kephalin
Putrescin/1,4-Diamino-butan
Bestandteile der sog. Leichengifte (Ptomaine),Decarboxylierungsprodukte von Ornithin undLysin
Cadaverin/1,5-Diamino-pentan
Anilin Vorstufe von Farbstoffen und Pharmaka
Histamin biogenes Amin, das durch die Decarboxylierungvon Histidin entsteht, kommt in den Granula v. a.der Mastzellen vor, außerdem z. B. im Bienengiftund Nesselgift der Brennnessel, Mitauslöserallergischer Reaktionen
Tryptamin biogenes Amin, das durch die Decarboxylierungvon Tryptophan entsteht, stimuliert die Kontrak-tion der glatten Muskulatur, bei Pflanzen wachs-tumsfördernd
sekundäresAmin
Dimethylamin breite synthesechemische Anwendung, Zerset-zungsprodukt von Eiweißen
tertiäres Amin Trimethylamin widerwärtig fisch- oder tranartig riechendes Gas,bestimmt den Geruch von Heringslake
quartäreAmmonium-Verbindung
R = H: CholinR = H3C-CO-:Acetylcholin
Cholin – Bestandteil des Phosphatids LecithinAcetylcholin ist ein wichtiger Neurotransmitter,wirkt außerdem blutdrucksenkend und gefäßer-weiternd
Abb. 4.25 Die vollständige Alkylierungvon Methylamin (HI = Iodwasserstoff,CH3-I = Methyliodid)
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Messung des entstehenden Stickstoffs auf die Massean Aminosäure schließen konnte (van-Slyke-Reak-tion).Sekundäre Amine bilden mit salpetriger Säure aus-gesprochen kanzerogene Nitrosamine. Dies sollteman beim Genuss großer Mengen gepökelten Flei-sches bedenken. Diese Einführung einer NO-Gruppebezeichnet man als Nitrosierung. Die mit aromati-schen Aminen entstehenden Diazoniumverbindun-gen sind wichtige Zwischenprodukte bei der Herstel-lung von Azofarbstoffen, die auch als IndikatorenVerwendung finden.Aliphatische tertiäre Amine setzen sich nicht mitsalpetriger Säure um.
Hier können Sie Ihre Stöchiometriekenntnisseauffrischen: 1 Gramm einer glycinhaltigen Probewird mit salpetriger Säure umgesetzt. Es werden11,2ml Stickstoff aufgefangen (Normbedingungenwerden angenommen). Wie viel Glycin befand sichin der Probe? Geben Sie auch den Massenanteil vonGlycin an (Lösung s. S. 202)!
Klinischer Bezug
Bei der Decarboxylierung von Aminosäuren entstehenbiogene Amine (Abb. 4.27 und Tab. 4.12), sie spielen alsHormone und in der Neurochemie eine große Rolle. Siekommen als natürliche Inhaltsstoffe in vielen Lebens-mitteln wie Käse, Sauerkraut oder Wein vor. Tyraminbewirkt u. a. eine Blutdruckerhöhung durch Kontrak-tion der glatten Muskulatur von Blutgefäßen.Aus Tyrosin werden die Hormone Adrenalin und Nor-adrenalin gebildet. In Stresssituationen wird vermehrtAdrenalin ausgeschüttet, um die Leistungsfähigkeitdes Organismus zu steigern.Amphetamine wirken ebenfalls sympathomimetisch.Sie bewirken Euphorie, überhöhtes Selbstvertrauen so-wie gesteigerte Aktivität und werden deshalb auch alsDopingmittel verwendet. Bei wiederholter Anwendungtritt sehr schnell Abhängigkeit ein. DOM – auch als STP(Serenity-Tranquility-Peace) bekannt – war ursprüng-lich zur Behandlung psychisch Kranker bestimmt. Diestarke halluzinogene Wirkung führte jedoch zu Psy-chosen und längeren Phasen völliger Verwirrung. Am-phetamin hat neben der halluzinogenen auch aufput-schende Wirkung.Nach der Einnahme von Ecstasy steigen der systolischeBlutdruck und die Herzfrequenz an, der Pupillendurch-messer erweitert sich, es kann auch zu einer akutenHepatitis kommen.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Amine 143
Abb. 4.26 Die Reaktion von HNO2 (salpetriger Säure) mit Ami-nen
Abb. 4.27 Einige klinisch interes-santen Amine
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Check-up4 Rekapitulieren Sie die Einteilung in primäre,
sekundäre und tertiäre Amine.4 Machen Sie sich auch nochmal die Abstufung
der Basizität von Aminen an einfachen Bei-spielen klar.
4.5 Die Aldehyde und die Ketone
LerncoachViele Aldehyde und Ketone haben biochemi-sche Relevanz. Deshalb ist das Verständnis derEigenschaften und Reaktionen von Carbonyl-verbindungen wichtig.Um die Reaktionen an der Carbonylgruppezu verstehen, sollten Sie die Begriffe nucleo-phil und elektrophil sowie die Addition unddie Eliminierung als wichtige Reaktions-mechanismen kennen. Schlagen Sie ggf. abS. 116 nach.
4.5.1 Der ÜberblickAldehyde und Ketone (Abb. 4.28) werden häufig auchals Carbonylverbindungen im engeren Sinn bezeich-net. Sie tragen als funktionelle Gruppe die Carbonyl-
gruppe >C=O, die auch für Carbonsäuren charakte-ristisch ist. Carbonsäuren unterscheiden sich inihrem chemischen Verhalten von Aldehyden und Ke-tonen, da unmittelbar an der >C=O-Gruppe eine OH-Gruppe gebunden ist. Sie werden deshalb in einemseparaten Kapitel besprochen (s. S.150).
4.5.2 Die EinteilungDer Name Aldehyd leitet sich von Alcohol dehydro-genatus ab und erinnert daran, dass Aldehyde durchOxidation (Dehydrierung) primärer Alkohole entste-hen. Die Bezeichnung Keton geht auf Aceton als einenwichtigen Vertreter dieser Stoffgruppe zurück. Dieorganischen Reste R können sowohl Alkyl- als auchArylgruppen sein, nur beim Formaldehyd ist R = H.Auch für Aldehyde und Ketone existieren Trivialna-men und systematische Bezeichnungen nebeneinan-der (Tab. 4.14).
4.5.3 Die physikalischen EigenschaftenAldehyde und Ketone bilden keine Wasserstoffbrü-ckenbindungen aus und haben deshalb einen deut-lich niedrigeren Siedepunkt als ihre Reduktionspro-dukte, die entsprechenden Alkohole. Aufgrund derElektronegativitätsdifferenz haben sie ein Dipolmo-ment, das für eine gewisse Aggregation sorgt. Folg-lich sind die Siedepunkte wiederum höher als die dervergleichbaren Kohlenwasserstoffe (Tab. 4.13). Nie-dere Aldehyde und Ketone lösen sich aufgrund desDipolmoments gut in Wasser. Bei großen organi-schen Resten überwiegt jedoch ihr hydrophoberCharakter.
4.5.4 Die chemischen Reaktionen4.5.4.1 Die CarbonylgruppeZum Verständnis der chemischen Reaktionen derCarbonylverbindungen müssen wir uns genauer mitihrer funktionellen >C=O-Gruppe beschäftigen. DasC-Atom der Gruppe ist wegen der Doppelbindungsp2-hybridisiert. Das bedeutet, dass alle mit dem C-Atom verknüpften Atome in einer Ebene liegen. Zwi-schen den Bindungen spannt sich ein Winkel vonca.120 ° auf. Während eine C=C-Doppelbindung al-lein keine Polarisierung aufweist, ist die C=O-Bin-
dung wegen der unterschiedlichen Elektronegativi-
Die Aldehyde und die Ketone 4 Stoffklassen der organischen Chemie144
Abb. 4.28 Aldehyde (a) und Ketone (b)
Tabelle 4.13
Vergleich der Siedepunkte
Verbindung Stoffklasse Molmasse Sdp. [°C] Verbindung Stoffklasse Molmasse Sdp. [°C]
CH3–CHO Aldehyd 44 20 (CH3)2C=O Keton 58 56
CH3–CH2–CH3 gesättigterKohlenwasserstoff
44 -42 (CH3)2CH–CH3 gesättigterKohlenwasserstoff
58 –10
CH3–CH=CH2 ungesättigterKohlenwasserstoff
42 -48 (CH3)2C=CH2 ungesättigterKohlenwasserstoff
56 –7
CH3–CH2–OH Alkohol (primär) 48 78 (CH3)2CH–OH Alkohol (sekundär) 60 82
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tät des Sauerstoff- und Kohlenstoffatoms stark polar.Diese Polarisierung wirkt sich auf die π-Bindung stär-ker als auf die σ-Bindung aus.Das elektronegativere Sauerstoffatom trägt also einenegative Partialladung, das Kohlenstoffatom einepositive Partialladung (Abb. 4.29). Durch diese Polari-sierung kann das Kohlenstoffatom als elektrophilesZentrum von nucleophilen Partnern, das Sauerstoff-atom als nucleophiles Zentrum von elektrophilenPartnern angegriffen werden. Durch elektronenzie-hende Substituenten an der Carbonylgruppe, die alsoeinen -I- oder -M-Effekt haben, wird die Positivie-rung des Kohlenstoffatoms vergrößert, damit steigtauch die Reaktivität gegenüber Nucleophilen. Elekt-ronenschiebende Substituenten verringern die Akti-vität. Deshalb sind Ketone weniger reaktiv als Alde-hyde, da durch den +I-Effekt der Alkylgruppen diepositive Partialladung abgeschwächt wird. Die Reak-tivität der Carbonylverbindungen gegenüber nucleo-
philen Reagenzien wird häufig einfach als Carbonyl-aktivität bezeichnet.
4.5.4.2 Der Reaktionsmechanismus eines nucleo-philen Angriffs
Der erste Schritt eines nucleophilen Angriffs ist im-mer eine Addition und läuft immer nach dem glei-chen Schema ab. Verfügt das angreifende Nucleophil
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Aldehyde und die Ketone 145
Tabelle 4.14
Einige Beispiele für Aldehyde und Ketone
Formel Bezeichnung Vorkommen/Verwendung
Methanal/Formaldehyd Einsatz zur Desinfizierung und Konservierung stark ein-geschränkt wegen des Verdachts kanzerogener Wirkung
Ethanal/Acetaldehyd nachweisbares Zwischenprodukt im Stoffwechsel
Propenal/Acrolein entsteht bei starkem Erhitzen von Fett
Benzaldehyd künstliches Bittermandelöl
Salicylaldehyd wichtiges Zwischenprodukt in der Arzneimittelindustrie
Propanon/Aceton pathologisches Vorkommen im Urin bei Diabetes mellitus
Methyl-phenyl-keton/Acetophenon
aufgrund des süßen Geruchs z. B. zur Parfümierung
Cyclohexanon wichtiges Lösungsmittel
Abb. 4.29 Die Polarisierung der Carbonylgruppe und die reak-tiven Zentren
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H–X über nur ein bewegliches H-Atom, bleibt dieReaktion auf dieser Stufe stehen oder die OH-Gruppewird durch den Angriff eines zweiten Moleküls H–Xsubstituiert. Hat das Nucleophil jedoch mindestenszwei H-Atome, kann aus dem Additionsprodukt häu-fig noch Wasser eliminiert werden (Abb. 4.30).Bei geringer Carbonylaktivität (also bei geringer Po-larisierung der >C=O-Gruppe) kann durch Säurekata-lyse eine Reaktion in Gang gebracht werden. Dabeireagiert das elektrophile Proton zuerst mit dem Car-bonyl-Sauerstoffatom (I in Abb. 4.31). Durch die Elekt-ronegativität des Sauerstoffatoms verschiebt sich dieElektronenwolke der Doppelbindung bis zum Sauer-stoff, sodass man auch von der Struktur eines Carbo-kations (II in Abb. 4.31) ausgehen kann.
4.5.4.3 Die biochemisch wichtigenCarbonylreaktionen
Reaktion mit O-NucleophilenDie Reaktion mit Wasser und Alkoholen, die aufGrund der freien Elektronenpaare am Sauerstoffatomnucleophilen Charakter haben, läuft nach demSchema des Typs I ab. (Abb. 4.32).Es entstehen aus Aldehyden bzw. Ketonen mit Was-ser Hydrate, die gewöhnlich instabil sind. UnterEliminierung von Wasser bildet sich das Ausgangs-
produkt zurück. Stark elektronenziehende Substi-tuenten sorgen in speziellen Fällen für eine Stabilitätder Hydrate (Abb. 4.32).
Die Addition von Alkohol führt zu Halbacetalen, beiKetonen zu Halbketalen. In saurer Lösung ist eineWeiterreaktion möglich, es erfolgt eine Substitutionder OH-Gruppe zu Vollacetalen (Vollketalen)(Abb. 4.33).
Die Aldehyde und die Ketone 4 Stoffklassen der organischen Chemie146
Abb. 4.30 Schema des Angriffseines Nucleophils
Abb. 4.31 Die Erhöhung der Carbonylaktivität durch Säure-katalyse
Abb. 4.32 Die Addition von Wasser an einem Aldehyd undBeispiele für stabile Hydrate
Abb. 4.33 Die Bildung von Halb-und Vollacetalen
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Die Bildung der Halb- und Vollacetale spielt bei denKohlenhydraten eine große Rolle.
MERKE
Die Bindung in den Halb- und Vollacetalen erinnertsehr an eine Etherbindung. Sie unterscheidet sichvon dieser aber grundsätzlich durch ihre leichteSpaltbarkeit in Gegenwart von Säuren.
Die Carbonylreaktionen werden gern geprüft.Für die wichtigsten Reaktionen sollten Sie deshalbdie Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte (auchdie entsprechenden Formeln) wiedergeben können.Das gilt ganz besonders für die Halb- und die Voll-acetalbildung sowie die Aldolreaktion und dieTransaminierung. Schreiben Sie sich diese Reaktio-nen entweder allgemein oder mit einfachen Ver-bindungsbeispielen auf.Nach Mechanismen wird meist nicht direkt gefragt,aber vielleicht fällt es Ihnen leichter, die Reak-tionsprodukte anzugeben, wenn Sie sie aus demMechanismus ableiten.
Reaktion mit N-NucleophilenDer Reaktionstyp II, bei dem sich der Addition eineEliminierung anschließt, wird vor allem bei der Reak-tion der Aldehyde und Ketone mit N-nucleophilenTeilchen beobachtet. So reagieren Aldehyde und Ke-tone mit primären Aminen nicht nur zu einem Addi-tionsprodukt, sondern unter Wasserabspaltung ent-stehen Azomethine. Sie werden auch als SchiffscheBasen bezeichnet und gehören wegen der >C=N-Gruppe zu den Iminen (Abb. 4.34).
Auch sekundäre Amine addieren sich nucleophil andas Carbonylkohlenstoffatom. Das entstehende Addi-tionsprodukt hat jedoch am Stickstoffatom kein ab-spaltbares Proton mehr. So kann eine Weiterreaktionnur dann erfolgen, wenn am α-C-Atom der Carbonyl-verbindung ein Proton vorhanden ist. Dann kann esunter Wasserabspaltung zur Bildung eines Enamins(Dialkylaminoalkens) kommen (Abb. 4.35).
TransaminierungDie Reaktion primärer Amine mit Carbonylverbin-dungen hat bei der Übertragung der Aminogruppeauf Ketocarbonsäuren in der Biochemie eine großeBedeutung. Ein entsprechendes Beispiel für die Reak-tionmit der Aminosäure Alanin, dieman als primäresAmin auffassen kann, finden Sie in Abb. 4.36.Alanin reagiert mit dem enzymgebundenen Pyrid-oxalphosphat über die Aldehydgruppe zum Azome-
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Aldehyde und die Ketone 147
Abb. 4.34 Die Bildung von Azomethin
Abb. 4.35 Die Bildung eines Enamins
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thin I, das in die tautomere Form II übergeht. DurchHydrolyse entstehen das Anion der Brenztrauben-säure, das Pyruvat, und das Pyridoxaminphosphat,das am Enzym gebunden bleibt. Dieses reagiert mitdem 2-Oxoglutarat, dem Anion der 2-Oxoglutarsäurewiederum zu einem Azomethin III, aus dessen tauto-merer Form IV durch Hydrolyse das Anion der Glu-taminsäure freigesetzt wird. Der Zyklus kann dannvon vorn beginnen.
Reaktion mit C-NucleophilenAuch C-Nucleophile können an Carbonylverbindun-gen addiert werden. Diese C-Nucleophile zeichnensich dadurch aus, dass die Abspaltung eines Protonsvon einem C-Atom möglich ist. Dazu müssen in un-mittelbarer Nachbarschaft zu dieser C-H-Bindungelektronenziehende Substituenten stehen. Dannsind die Verbindungen C-H-acid.Die Azidität von Aceton ist äußerst gering (pKs=24),im Acetylaceton ist die Abspaltung eines Protonsschon leichter möglich (pKs=9) (Abb. 4.37).In Gegenwart von Basen gelingt die Abspaltung einesProtons auch aus einfachen Aldehyden oder Ketonen.Dann kann eine Additions-Eliminierungsreaktion ab-laufen. Da das Additionsprodukt sowohl ein Aldehydals auch ein Alkohol ist, wird es als Aldol bezeichnet.(Abb. 4.38).
Die Aldolreaktion bildet die Grundlage für den bio-chemischen Aufbau von C–C-Ketten. Wegen der ty-pischen Gleichgewichtssituation kann sie auch inumgekehrter Richtung verlaufen. Dadurch könnenZuckermoleküle wie Fructose in kleinere Bruchstü-cke wie Glycerinaldehyd und Dihydroxyaceton auf-gespalten werden. Der Aufbau von Fructose aus die-sen Bruchstücken ist aber selbstverständlich auchmöglich.
4.5.4.4 Die Keto-Enol-TautomerieFür das bei der Deprotonierung von Acetylacetonentstehende Carbanion (s. Abb. 4.37) sind mesomereGrenzstrukturen möglich, die nicht nur die erhöhteAzidität, sondern auch die Entstehung unterschiedli-cher Protonierungsprodukte erklären (Abb. 4.39). Esentstehen zwei Konstitutionsisomere, ein Ketonund ein Enol (die Hydroxygruppe steht an einer
Die Aldehyde und die Ketone 4 Stoffklassen der organischen Chemie148
Abb. 4.36 Transaminierung
Abb. 4.37 C-H-Azidität von Aceton und Acetylaceton
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C=C-Doppelbindung). Beide isomeren Strukturenstehenmiteinander im Gleichgewicht, die Strukturenunterscheiden sich durch die Lage der Doppelbin-dung und die Stellung eines Protons. Diese spezielleForm der Isomerie bezeichnete man als Tautomerie,im vorliegenden Fall als Keto-Enol-Tautomerie.Einfache Aldehyde und Ketone haben einen ver-schwindend geringen Enol-Anteil. Wenn sich aberkonjugierte Doppelbindungssysteme herausbildenkönnen oder durch Wasserstoffbrücken eine zusätz-liche Stabilisierung eintritt, steigt der Enolanteil. DasTautomeriegleichgewicht ist in jedem Fall vom Lö-
sungsmittel und von der Temperatur abhängig. Rei-nes, flüssiges Acetylaceton liegt zu etwa 24% in derKeto-Form, zu 76% in der Enol-Form vor.
4.5.4.5 Die RedoxreaktionenAldehyde unterscheiden sich in ihrem Redoxverhal-ten von den Ketonen.
MERKE
Aldehyde können zu Carbonsäuren oxidiert werden.Bei Ketonen ist eine Oxidation unter Erhalt des Koh-lenstoffgerüsts nicht möglich.
So kann sehr leicht durch Reaktion mit Oxidations-mitteln zwischen Aldehyden und Ketonen unter-schieden werden. Geeignete Oxidationsmittel sind
Fehlingsche Lösung: Es handelt sich um eineCuSO4-Lösung und eine alkalische Lösung vonKaliumnatriumtartrat, dem Kalium-, Natriumsalzder Weinsäure. Die Tartrationen bilden mit Cu2+
einen Komplex und verhindern den Ausfall vonCu(OH)2.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Aldehyde und die Ketone 149
Abb. 4.38 Die Bildung einesAldols und die anschließendeEliminierung von Wasser
Abb. 4.39 Mesomere undtautomer Formen bei Dicarbo-nylverbindungen
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Tollens-Reagens ist eine ammoniakalische Silber-nitratlösung. Durch Reduktionsmittel wie dieCu2+- oder die Ag+-Ionen zu Kupfer(I)-oxid bzw.Silber reduziert werden (Abb. 4.40).
Klinischer Bezug
Beim Fasten, Hungern, im Rahmen eines Diabetesmellitus, bei acetonämischem Erbrechen und beimhypochlorämischen Syndrom kommt es zur verstärk-ten Bildung von Ketonkörpern (Sammelbegriff für Ace-ton, Acetessigsäure und b-Hydroxybuttersäure). Dererhöhte Acetongehalt kann im Urin, im Blut und inder Atemluft (Obstgeruch!) festgestellt werden.
Check-up4 Machen Sie sich nochmals klar, warum Car-
bonylverbindungen verhältnismäßig reaktivsind.
4 Verdeutlichen Sie sich die Begriffe nucleophi-ler Angriff und nucleophiles Teilchen.
4.6 Die Carbonsäuren und derenDerivate
LerncoachCarbonsäuren und deren Derivate gehören zuden Topthemen der Physikumsfragen im TeilChemie und Biochemie. Lernen Sie daher diewichtigsten Carbonsäuren und deren Derivateauswendig. Merken Sie sich auch die in derBiochemie üblichen Namen der Anionen.
4.6.1 Der ÜberblickCarbonsäuren und ihre Derivate spielen eine großeRolle im Stoffwechsel und sind in der Natur weitverbreitet (Abb. 4.41).
4.6.2 Die Eigenschaften der Carbonsäuren
Carbonsäuren R–COOH enthalten die Carboxyl-
gruppe -COOH als funktionelle Gruppe. Der Restkann aliphatisch, aromatisch oder heterocyclischsein. Da auch mehrere Carboxylgruppen vorhandensein können, unterteilt man in Mono-, Di-, Tricar-
bonsäuren etc. (Tab. 4.15, Tab. 4.16). In Abhängigkeitvon weiteren funktionellen Gruppen spricht manauch von Hydroxy-, Keto- (Tab. 4.17) oder Aminocar-
bonsäuren. Aufgrund der Bedeutung der letztge-nannten Carbonsäuren für den Aufbau der Proteinewerden sie auch erst in diesem Zusammenhangbesprochen. Längerkettige Carbonsäuren sind Bau-steine der Fette (s. S.186) und Wachse (s. S.188). Des-halb werden die Carbonsäuren mit 4 und mehrC-Atomen oft als Fettsäuren bezeichnet. Weitere In-formationen zu den Fettsäuren finden Sie auf S.186.In den Tab. 4.15 und Tab. 4.16 werden einige kurzket-tige Carbonsäuren vorgestellt. Da bei physiologi-schen Bedingungen viele dieser Säuren als Anionenvorliegen, wird in der Biochemie häufig nur die Be-zeichnung der Salze benutzt. Deshalb ist diese mitaufgenommen worden.
Die Carbonsäuren und deren Derivate 4 Stoffklassen der organischen Chemie150
Abb. 4.40 Reaktion eines Aldehyds mit Fehling-Lösung (a) undTollens-Reagens (b)
Abb. 4.41 Carbonsäuren (a) und Carbonsäurederivate (b)
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4.6.2.1 Die physikalischen EigenschaftenDas azide H-Atom an der Carboxylgruppe ermöglichtdie Ausbildung intermolekularer Wasserstoffbrü-cken. Deshalb liegen die niederen Glieder im festenund flüssigen Zustand sowie in unpolaren Lösungs-mitteln als Dimere vor (Dimer = durch formale Addi-tion entstandene Verbindung aus zwei identischenMolekülen). Aliphatische Carbonsäuren mit bis zu 9Kohlenstoffatomen sind flüssig, die höheren fest.Niedere gesättigte aliphatische Carbonsäuren habeneinen unangenehmen, stechenden Geruch, höheresind geruchlos. Carbonsäuren mit einem, mit zwei,drei oder vier Kohlenstoffatomen sind unbegrenzt
mit Wasser mischbar. Mit steigender C-Zahl be-stimmt der hydrophobe Rest die Löslichkeit.
4.6.2.2 Die chemischen ReaktionenDie Azidität der CarbonsäurenCarbonsäuren sind wesentlich stärkere Säuren alsAlkohole oder Phenole (Tab. 4.18 S.153).Der –I-Effekt des zweiten Sauerstoffatoms der Car-boxylgruppe schwächt die OH-Bindung, dadurchkann das Proton relativ leicht abgespalten werden.Außerdem sind die entstehenden Carboxylat-Ionenmesomeriestabilisiert (Abb. 4.42), was zusätzlich dieProtonenabgabe begünstigt.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Carbonsäuren und deren Derivate 151
Tabelle 4.15
Einige Beispiele für Monocarbonsäuren
Formel Name der Säure und Name desSalzes
Vorkommen/Verwendung
gesättigte aliphatische Monocarbonsäuren
Ameisensäure/MethansäureFormiat
in Giftsekreten von Ameisen, in Brennnesseln undTannennadeln
Essigsäure/EthansäureAcetat
Herstellung ist seit der Antike bekannt, breiteAnwendung im Haushalt, in der Industrie undMedizin
Propionsäure/PropansäurePropionat
für synthetische Zwecke, Einsatz als Konservie-rungsmittel nicht mehr erlaubt
Buttersäure/ButansäureButyrat
entsteht bei der Autoxidation des Milchfetts,extrem unangenehmer Geruch
ungesättigte aliphatische Monocarbonsäuren
Acrylsäure/Prop-2-ensäureAcrylat
antibiotischer Wirkstoff in Grün- und Rotalgen
Sorbinsäure/(E),(E)-Hexa-2,4-diensäureSorbat
in Vogelbeeren, als Konservierungsmittel zuge-lassen
aromatische und heterocyclische Monocarbonsäuren
BenzoesäureBenzoat
in Heidel- und Preiselbeeren, als Konservierungs-mittel zugelassen
Zimtsäure Metabolit von Phenylalanin
Nicotinsäure/Pyridin-3-carbonsäure
in Hefen, Früchten, Muskelfleisch, Milch, als AmidBestandteil von Coenzymen (s. S. 160)
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Die Azidität wird durch weitere funktionelle Grup-pen beeinflusst. Elektronenakzeptoren erhöhen dieAzidität, Elektronendonatoren verringern sie. Schondie Einführung einer Alkylgruppe wirkt sich auf dieAzidität aus. So verringert die Alkylgruppe der Essig-säure die Azidität im Vergleich zur Ameisensäure(s. Tab. 4.18). Die Trichloressigsäure erreicht hinge-gen eine mit Mineralsäuren vergleichbare Säurestär-ke. Bei Carbonsäurenmitmehreren Carboxylgruppen(-I-Effekt) steigt in der ersten Dissoziationsstufe dieAzidität im Vergleich zu Carbonsäuren mit wenigerCarboxylgruppen.
Das RedoxverhaltenCarbonsäuren können unter Erhalt des Kohlenstoff-gerüsts nicht weiter oxidiert werden. Einzige Aus-nahme ist die Ameisensäure (HCOOH), die durchOxidationsmittel zu CO2 und H2O umgesetzt wird.
Die ReaktivitätDasMolekül einer Carbonsäure verfügt übermehrere
reaktive Positionen:die O–H-Bindung,die C–O-Bindung,die C=O-Bindung unddie freien Elektronenpaare an den Sauerstoffato-men.
Die Carbonsäuren und deren Derivate 4 Stoffklassen der organischen Chemie152
Tabelle 4.16
Einige Beispiele für Di- und Tricarbonsäuren
Formel Name der Säure und Name des Salzes Verwendung/Vorkommen
Oxalsäure/EthandisäureOxalat
als Salz in Sauerklee und Rhabarber
Malonsäure/Propan-1,3-disäureMalonat
im Zuckerrübensaft, Nachweis erstmals durch Oxida-tion von Äpfelsäure (malum lat. Apfel)
Bernsteinsäure/Butan-1,4-disäureSuccinat
Stoffwechselprodukt im Zitronensäurezyklus, inFrüchten, Gemüse und fossilen Harzen (z. B. Bernstein)
Maleinsäure/(Z)-But-2-en-1,4-disäureMaleinat
nicht natürlich vorkommend, Verwendung z. B. zurHerstellung von Polymeren
Fumarsäure/(E)-But-2-en-1,4-disäureFumarat
tritt im Zitronensäurezyklus auf, kommt im Erdrauch-gewächs (Fumaria officinalis), im Isländischen Moos,Pilzen und Flechten vor
Abb. 4.42 Die Schwächung der O-H-Bindung in derCarbonsäure und die Mesomeriestabilisierung des Anions
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Außerdem kann CO2 eliminiert werden. Gewöhnlichbeginnt die meist sauer katalysierte Umsetzung miteinem nucleophilen Angriff am Carbonyl-Kohlen-stoffatom, dem sich eine Eliminierung anschließt(Abb. 4.43, s. a. S.146). Dabei ist die Elektrophilie desCarbonyl-Kohlenstoffatoms entscheidend für die Re-aktivität der Carbonsäure. Ergebnis dieser Reaktionist die Substitution der OH-Gruppe.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Carbonsäuren und deren Derivate 153
Tabelle 4.17
Einige Beispiele für Hydroxy- und Ketocarbonsäuren
Formel Name der Säure und Name des Salzes Verwendung/Vorkommen
Milchsäure/2-Hydroxy-propansäureLactat
L(+) kommt im Blut, Muskeln, Niere u. a.Organen vor(±) in Sauermilchprodukten
Äpfelsäure/2-Hydroxy-butan-1,4-disäureMalat
in Äpfeln, Stachelbeeren und Quitten,Einsatz als Säuerungsmittel, Stoffwechsel-zwischenprodukt
Weinsäure/2,3-Dihydroxy-butan-1,4-disäureTartrat
L-Form in vielen Pflanzen und Früchten,D-Form in der Natur sehr selten
Citronensäure/2-Hydroxy-1,2,3-propan-tricarbonsäureCitrat
im Zitronensäurezyklus werden tgl. 2000gals Zwischenprodukt umgesetzt, relativhoher Gehalt in den Knochen, eine derverbreitetsten Pflanzensäuren
Brenztraubensäure/2-OxopropansäurePyruvat
zentrale Rolle im Energiestoffwechsel, be-deutsam auch bei Gärungsvorgängen
Acetessigsäure/3-Oxo-butansäureAcetoacetat
im Urin von Patienten mit Diabetes mellitus
Oxalessigsäure/Oxo-butan-disäure/OxobernsteinsäureOxalacetat
wichtiges Zwischenglied im Zitronensäure-zyklus
2-Oxoglutarsäure/a-Ketoglutarsäure2-Oxoglutarat, α-Ketoglutarat
wichtiges Zwischenglied im Zitronensäure-zyklus
Tabelle 4.18
Der Vergleich der Aziditäten
Verbindung pKs-Wert
Methanol 15,5
Phenol 9,89
Essigsäure 4,75
Ameisensäure 3,75
Chloressigsäure 2,85
Trichloressigsäure 0,66
Oxalsäure 1,25 (1. Dissoziationsstufe)
Malonsäure 2,86 (1. Dissoziationsstufe)
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4.6.3 Die Carbonsäurederivate
Der in Abb. 4.43 dargestellte allgemeine Reaktionsme-chanismus ermöglicht den formalen Zugang zu denCarbonsäurederivaten. In der Praxis werden ge-wöhnlich aufgrund der geringen Aktivität der Car-bonsäuren andere Reaktionswege eingeschlagen.Folgende Carbonsäurederivate sind von Interesse(Tab. 4.19):
Die Substitution der OH-Gruppe führt zu einer Än-
derung der Elektrophilie des Carbonylkohlenstoff-atoms.Wenn die OH-Gruppe durch einen stark elekt-ronenziehenden Substituenten wie das Chloratomersetzt wird, erhöht sich die Elektrophilie, da diePolarisierung der Carbonylgruppe >C=O verstärktwird. Dem induktiven Effekt der Halogen-, Sauer-stoff-, Schwefel- und Stickstoffatome wirkt jedochder mesomere Donatoreffekt dieser Heteroatomeentgegen.
MERKE
Insgesamt ergibt sich folgende Abstufung der Car-bonylaktivität:Carbonsäurehalogenide > Carbonsäureanhydride> Carbonsäurethioester > Carbonsäureester > Car-bonsäuren > Carbonsäureamide > Carboxylate.
Die Anionen der Carbonsäuren haben keine Carbo-nylaktivität mehr. Die Abstufung ist natürlich nur alsgrobes Schema zu betrachten, denn durch zusätz-liche funktionelle Gruppen in den Resten (R) könnennatürlich Veränderungen ausgelöst werden.
4.6.3.1 Carbonsäurehalogenide undCarbonsäureanhydride
Carbonsäurehalogenide, speziell die Chloride, sindäußerst reaktiv und spielen in der Synthesechemieeine große Rolle. Carbonsäureanhydride können ausCarbonsäurechloriden dargestellt werden, sie entste-hen aber auch durch intermolekulare oder intramo-lekulare Dehydratisierung. Die zweite Reaktion istbesonders für Dicarbonsäuren charakteristisch, beidenen 2 oder 3 C-Atome zwischen den Carboxyl-gruppen vorhanden sind. Entsprechend bilden sich5- oder 6-Ringsysteme (Abb. 4.44).Ein wichtiges Anhydrid ist das Acetanhydrid (Anhyd-rid der Essigsäure). Es wird auch für die Synthese derpharmazeutischenWirkstoffe Acetylsalicylsäure (As-pirin) und p-Hydroxyacetanilid (Paracetamol) ver-wendet, um eine Acetylgruppe auf die jeweils stär-kere nucleophile Gruppe zu übertragen (Abb. 4.45).
4.6.3.2 Carbonsäureester undCarbonsäurethioester
Carbonsäurethioester interessieren uns hier im Zu-sammenhang mit dem Acetyl-Coenzym A, das als einsubstituierter Essigsäurethioester aufgefasst werdenkann. Die C–S-Bindung ist schwächer als die C–O-Bindung. Deshalb sind Thioester reaktiver als nor-male Ester und natürlich auch als die Carbonsäuren.
Die Carbonsäuren und deren Derivate 4 Stoffklassen der organischen Chemie154
Abb. 4.43 Die Additions-Eliminierungs-Reaktion an Carbonsäuren
Tabelle 4.19
Wichtige Carbonsäurederivate
Derivat Formel
Carbonsäurehalogenide
Carbonsäureanhydride
Carbonsäurethioester
Carbonsäureester
Carbonsäureamide
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Vergleichen Sie noch einmal mit der aufS. 154 angegebenen Abstufung der Carbonylaktivi-tät!
MERKE
Energiereiche Bindungen werden oft durch eineSchlängellinie angedeutet: CoA–S~CO–CH3.
Acetyl-Coenzym A („aktivierte Essigsäure“) ist einreaktiver Acetylgruppendonator und ein zentralesStoffwechselprodukt, das den Eiweiß-, Kohlenhyd-rat- und Fettstoffwechsel miteinander verbindet.Das Prinzip der Übertragung der Acetylgruppe zeigtdas Beispiel des Cholins (Abb. 4.46). Dabei greift dieOH-Gruppe des Cholins nucleophil am Carbonyl-C-Atom der Acetylgruppe des Acetyl-Coenzyms A an.Eine wichtige chemische Reaktion, die Carbonsäureneingehen, ist die mit einem Alkohol zu einem Car-bonsäureester. Es handelt sich dabei um eine typi-
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Carbonsäuren und deren Derivate 155
Abb. 4.44 Die intermolekulare und int-ramolekulare Dehydratisierung
Abb. 4.45 Die Synthese von Acetylsali-cylsäure und p-Hydroxyacetanilid
Abb. 4.46 Acetyl-Coenzym A als Acetylgruppenüberträger
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sche Gleichgewichtsreaktion. Die Ausbeute an Esterkann man erhöhen, wenn man die Lage des Gleich-gewichts zugunsten des Reaktionsproduktes verän-dert (z. B. durch Erhöhung der Konzentration einesAusgangsproduktes). Es ist auch möglich, ein Reak-tionsprodukt kontinuierlich zu entfernen. Das ent-stehende Wasser kann chemisch gebunden oder ab-destilliert werden. Dazu dient die Zugabe von Säure,die aber zusätzlich noch katalytisch wirkt und dieReaktionsgeschwindigkeit erhöht (zum chemischenGleichgewicht s. S. 45).Die Carbonsäureester niederer Carbonsäuren besit-zen häufig ein sehr angenehmes Aroma und sindtatsächlich Bestandteil der Aromen vieler Früchte.Zum Beispiel enthält Ananas als AromakomponenteButtersäureethylester. Das ist ein sehr schönes Bei-spiel dafür, wie sich Eigenschaften durch Variationder Struktur erheblich ändern. Vielleicht haben Sieschon den unangenehmen Geruch der Buttersäurekennengelernt (ranzige Butter).Ester höherer Carbonsäuren sindWachse. Sie werdenwie auch die Ester des dreiwertigen Alkohols Glyce-rin auf S.188 behandelt.
Die Esterspaltung kann im sauren (Abb. 4.47) und imalkalischen Milieu erfolgen. Das alkalische Milieuwird bevorzugt, da die Umsetzung bei pH >7 prak-tisch vollständig verläuft (Hydroxidionen sindnucleophiler als Wasser). Unter alkalischen Bedin-gungen entsteht anstelle der Carbonsäure das meso-meriestabilisierte Carboxylat-Anion, das keine Car-bonylaktivität mehr hat.In Carbonsäureestern ist es – wie bei Aldehyden– möglich, am α-C-Atom vorhandenen Wasserstoffdurch starke Basen abzuspalten. Dadurch könnenEster im Sinne einer Kondensationsreaktion mit-einander reagieren (Abb. 4.48). Nach diesem Prinziperfolgt auch der natürliche Fettsäureaufbau.Wenn eine Hydroxycarbonsäure vorliegt, bei der sichdie OH-Gruppe am 4. (γ) oder am 5. δ) C-Atom be-findet, ist auch eine intramolekulare Esterbildung
möglich (Abb. 4.49). Diese „inneren Ester“ werdenals Lactone bezeichnet und sind Bestandteil vielerNaturstoffe.
Die Carbonsäuren und deren Derivate 4 Stoffklassen der organischen Chemie156
Abb. 4.47 Schema der Versterung(„Hinreaktion“) und der Esterhydrolyse(„Rüchreaktion“)
Abb. 4.48 Die Esterkondensation
Abb. 4.49 Die intramolekulare Esterbil-dung
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4.6.3.3 Die CarbonsäureamideCarbonsäureamide unterscheiden sich signifikantvon Aminen (s. S.141). Sie reagieren aufgrund der inAbb. 4.50 angegebenen Mesomeriemöglichkeit nichtmehr basisch, sondern neutral.
Auch die Bildung cyclischer Amide ist möglich(Abb. 4.51). Sie werden als Lactame bezeichnet undunterliegen einer Lactam-Lactim-Tautomerie(Abb. 4.52). Es gibt auch Vierringsysteme bei den Lac-tamen, diese b-Lactame sind Bestandteil vieler Anti-biotika.
Klinischer Bezug
Harnstoff (Abb. 4.53) kann man als Kohlensäurediamidauffassen. Er wird durch das Enzym Urease leicht inKohlendioxid und Ammoniak gespalten.
Urease kommt im gesunden menschlichen Organis-mus nicht vor, dafür aber in bestimmten Bakterien,so z. B. auch in Helicobacter pylori. Dieses Bakteriumkolonisiert und infiziert die Magenschleimhaut undkann so Ursache für ein Ulcus ventriculi sein. Die Spal-tung von Harnstoff durch Urease kann man zum Nach-weis von Helicobacter pylori nutzen. Der Patientnimmt 13C-markierten Harnstoff oral auf. Bei Anwe-senheit von Helicobacter kann in der Ausatem-luft 13CO2 massenspektrometrisch nachgewiesen wer-den.Bei langsamen Erhitzen geht Harnstoff unter Eliminie-rung von Ammoniak in Biuret über, das mit Cu2+-Ionenin alkalischem Milieu einen violetten Komplex bildetund als Harnstoff-Nachweis (Biuret-Bildung, Abb. 4.53)dient.Eine ähnliche Komplexbildung erfolgt bei der Biuret-reaktion. Das ist eine Nachweisreaktion für Proteineund deren Abbaustufen. Eine alkalische Probelösungwird mit einer wässrigen Lösung aus CuSO4 und NaOHversetzt. Durch Komplexbildung entsteht bei Anwe-senheit von Albuminen eine blauviolett, bei Peptoneneine rosarot gefärbte Lösung.
Check-up4 Wiederholen Sie noch einmal die Abstufung
der Reaktivität der Carbonsäurederivate so-wie die Azidität bei unterschiedlich substi-tuierten Carbonsäuren.
4 Anhand des Lactam-Lactim-Gleichgewichtskönnen Sie noch einmal die Tautomerie wie-derholen (s. S. 148). Prägen Sie sich Beispielefür tautomere Strukturen ein.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Carbonsäuren und deren Derivate 157
Abb. 4.50 Mesomerie bei Carbonsäureamiden
Abb. 4.51 Cyclische Carbonsäureamide
Abb. 4.52 Lactam-Lactim-Tautomerie
Abb. 4.53 Die enzymatische Spaltung von Harnstoffund die Biuretbildung
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4.7 Die Heterocyclen
LerncoachFür das Verständnis des folgenden Kapitels istes wichtig, dass Sie die Grundlagen überRingsysteme beherrschen. Wiederholen Siedaher ggf. noch einmal die Klassifizierung undStruktur von Ringsystemen (s. S. 126) sowiedie Bindungsverhältnisse im Benzen (s. S. 91).
4.7.1 Der ÜberblickHeterocyclische Verbindungen oder einfach Hetero-cyclen sind cyclische organische Verbindungen, de-ren Ringe außer Kohlenstoff noch andere Atome(meist Stickstoff-, Sauerstoff- und Schwefelatome)enthalten. Diese Heteroatome bestimmen die Eigen-schaften der Ringsysteme ganz entscheidend. Siespielen eine große Rolle im Bereich biochemischund biologisch wichtiger Naturstoffe und als Be-standteil vieler Pharmaka.
4.7.2 Die EinteilungDie genauere Klassifizierung der Heterocyclen kannnach der Art der Heteroatome, deren Anzahl und der
Ringgröße erfolgen. Als besonders vorteilhaft erwiessich die folgende Einteilung:
Heterocycloalkane sind gesättigte heterocyclischeVerbindungen, die sich von ihren offenkettigenAnaloga wenig unterscheiden. Deshalb wurdenLactone bereits in den vorherigen Kapiteln als(innere) Ester und Lactame als (innere) Amidebesprochen.Heterocycloalkene sind partiell ungesättigte Ver-bindungen, sie stehen in ihren Eigenschaften zwi-schen den Heterocycloalkanen und den Hetero-aromaten, als deren teilweise hydrierte Derivatesie aufgefasst werden können.Heteroaromaten enthalten ein π-Elektronensex-tett und stellen die größte Gruppe der Heterocyc-len dar. Es handelt sich um 5- und 6-Ring-Sys-teme. Sie haben ähnliche Eigenschaften wieandere aromatische Verbindungen, wenn auch inEinzelfällen ein anderes Reaktionsverhaltendurch die Heteroatome bewirkt wird. Die Hetero-aromaten werden in π-elektronenreiche und π-elektronenarme Vertreter unterteilt.
4.7.3 Die 5-Ring-HeterocyclenEinige Beispiele für 5-Ring-Heterocyclen sind inTab. 4.20 zusammengefasst.Zum π-Elektronensextett tragen die beiden Doppel-bindungen und ein freies Elektronenpaar des Hetero-atoms bei. Die π-Elektronen sind aber nicht – wie imBenzen – völlig symmetrisch über den Ring verteilt.Diese Polarisierung können Sie gut an den Mesome-rieformeln des Pyrrols erkennen (Abb. 4.54). Die 6 π-Elektronen verteilen sich auf 5 Ringatome. Dadurchwird die Elektronendichte an den Kohlenstoffatomenerhöht. Man bezeichnet diese Heterocyclen deshalbals π-elektronenreich oder als π-Elektronenüber-schuss-Aromaten.
Die Struktur von Pyrrol tritt im Grundkörper des Por-phins auf. Dieses System hat 22 konjugierte π-Elekt-ronen und ist tiefrot. Porphin erkennen Sie in derStruktur von Chlorophyll und Hämwieder (Abb. 4.55).
Die Heterocyclen 4 Stoffklassen der organischen Chemie158
Tabelle 4.20
5-Ring-Heterocyclen
Typ Beispiel
Heterocycloalkan
Heterocycloalken
Heteroaromaten(1 Heteroatom)
Heteroaromaten(2 Heteroatome)
Abb. 4.54 Die Mesomerie des Pyrrols
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Pyrrol kann sowohl als schwache Säure als auch alsschwache Base reagieren. Bei Deprotonierung bleibtdie Aromatizität erhalten, bei Protonierung nicht.Auch die 5-Ringheterocyclen, die ein zweites N-Atom im Ring enthalten (z. B. Pyrazol, Imidazol)sind Ampholyte. Hier bleibt die Aromatizität in je-dem Fall erhalten (Abb. 4.56).
Die 5-Ring-Heterocyclen Pyrrol, Furan und Thiophensind partiell und vollständig hydrierbar. Diese gesät-tigten Heterocyclen findet man als Baustein in vielenNaturstoffen wieder.
4.7.4 Die 6-Ring-HeterocyclenEinige 6-Ring-Heterocyclen sind in Abb. 4.57 darge-stellt. Sind Sauerstoff- oder Schwefelatome im Ringenthalten, tritt keine Aromatizität auf, denn es istkeine vollständige Konjugation der Doppelbindun-gen möglich.
Die Stickstoffheterocyclen verfügen über ein freiesElektronenpaar, deshalb können sie als Brønsted-und Lewis-Basen reagieren (s. S. 58). Wie am Beispielder Mesomerie des Pyridins gezeigt (Abb. 4.58), habendie Stickstoffheterocyclen – wiederum im Gegensatzzum Benzen – polaren Charakter.Die Elektronendichte wird zum Stickstoffatom hinverlagert, deshalb ist die Elektronendichte an denKohlenstoffatomen geringer. Man spricht von π-Mangelaromaten. Im Vergleich zum Benzen sindnucleophile Substitutionsreaktionen leicht möglich.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Heterocyclen 159
Abb. 4.55 Die Struktur vonPorphin, Chlorophyll und Häm
Abb. 4.56 Mesomerie-stabilisiertes Kation und Aniondes Imidazols
Abb. 4.57 6-Ring-Heterocyclen
Abb. 4.58 Die Mesomerie bei Pyridin
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4.7.5 Die mehrkernigen HeterocyclenMehrkernige Heterocyclen sind kondensierte hetero-cyclische Grundkörper (Tab. 4.21).
Wiederholen Sie die Lactam-Lactim-Tauto-merie, indem Sie die tautomeren Formen derHarnsäure aufschreiben (Lösung s. S. 202). BeachtenSie: Die in der Lactimform auftretenden Hydroxyl-gruppen können ein Proton abgeben; das erklärtdie Bezeichnung „Säure“.
Heterocyclische Verbindungen werden Ihnen in denfolgenden Abschnitten immer wieder begegnen. Siesind in den Nukleinsäuren und in einigen Aminosäu-ren als Bausteine präsent. Dass sie für die Porphyrinewichtig sind, hatten wir schon erwähnt, aber auchAlkaloide, Vitamine und Coenzyme enthalten Hete-rocyclen.
4.7.5.1 Die AlkaloideAlkaloide sind organische Naturstoffe mit ausgepräg-ten pharmakologischen Wirkungen, deren Kohlen-stoffgerüst aus unterschiedlichen Biosynthesewegenstammen kann. Sie enthalten immer Stickstoffatome,die ihren Ursprung in Aminosäuren haben. Diese sind
direkt oder durch Transaminierungsreaktionen anKetosäuren in das Alkaloidsystem eingebaut. Meis-tens handelt es sich um heterocyclische Systeme. DieTatsache, dass alkalischen Eigenschaften beobachtetwerden können, war für die Namensgebung verant-wortlich, trifft aber gar nicht auf alle Alkaloide zu. Zudieser Naturstoffklasse gehören die bereits erwähn-ten Verbindungen Coffein, Theophyllin und Theobro-min, aber auch Nicotin, Atropin, Cocain, Chinin undMorphin.
4.7.5.2 Die VitamineAls Vitamine definiert man organische Verbindun-gen, die der Organismus für lebenswichtige Aufga-ben benötigt. Die Bezeichnung „Vitamin“ leitet sichvon dem als „lebensnotwendiges Amin“ erkanntenThiamin (Vit. B1) ab.Die Vitamine können vom Organismus nicht oder inunzureichendem Maße synthetisiert werden. Dietäglich benötigten Mengen sind äußerst gering. Eshandelt sich also nicht um Nahrungsstoffe im her-kömmlichen Sinn, sondern eher um Katalysatoren.Diese biokatalytische Funktion besteht darin, dassdie Vitamine Bestandteil eines Coenzyms sind. Da-runter versteht man im Gegensatz zu den Enzymen
Die Heterocyclen 4 Stoffklassen der organischen Chemie160
Tabelle 4.21
Einige mehrkernige Heterocyclen
Fomel Name Vorkommen
Purin (im tautomerenGleichgewicht)
kommt frei nicht in der Natur vor, ist aberGrundkörper der Nucleobasen Adenin undGuanin (s. S. 192)
Harnsäure Endprodukt des Purinstoffwechsels, wirktals natürliches Antioxidans, bei erhöhtenWerten kristalline Ausscheidungen in Ge-lenke (Gicht) und als Nieren- und Blasen-steine
Coffein: R1=R2=CH3
Theophyllin: R1=CH3 R2=HTheobromin: R1=H R2=CH3
in Kaffee, Tee und Kakao, Coffein wirkterregend auf das ZNS, regt mäßig genossenHerztätigkeit, Atmung und Stoffwechsel anTheophyllin hat eine vergleichbare Wirkungund wird wegen seiner relaxierenden Wir-kung auf die glatte Muskulatur bei chron-isch-obstruktiven AtemwegserkrankungeneingesetztTheobromin hat eine geringere anregendeWirkung
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verhältnismäßig niedermolekulare Verbindungen,die in enzymatisch katalysierten Reaktionen eineÜbertragungsrolle spielen. Tab. 4.22 zeigt einige Bei-spiele für Vitamine und die wirksamen Coenzyme.
Klinischer Bezug
Bei einem Folsäuremangel, z. B. durch unzureichendeZufuhr oder gestörte Resorption im Gastrointestinal-trakt, ist primär die Synthese der Nukleotide gestört.Dies wirkt sich vor allem auf die Stammzellen des Blutsim Knochenmark aus, daher macht sich ein Folsäure-mangel primär am Blutsystem bemerkbar. Von derTeilungsstörung sind neben den Erythrozyten auchdie Leukozyten und Thrombozyten betroffen (nach-weisbar am Absinken ihrer Anzahl im Blut). Die weni-gen vorhandenen Erythrozyten sind auffallend groß(megaloblastäre Anämie).Folsäure spielt auch eine Rolle bei Entgiftungsreaktio-nen, so beschleunigt sie die Ausscheidung der bei einerMethanolvergiftung entstehenden Ameisensäure.
Check-up4 Es fällt Ihnen vermutlich nicht ganz leicht,
diese vielen Strukturen im Kopf zu behalten.Wiederholen Sie aber einige Strukturen, umsie in komplexen Strukturen erkennen zukönnen: Pyrrol, Imidazol, Pyridin, Pyrimidin,Purin, Thiazol, Furan, Pyran.
4 Üben Sie das Erkennen der Formeln der Vita-mine (auswendig zeichnen könnenmüssen Siesie nicht).
4 Rekapitulieren Sie den Zusammenhang zwi-schen Vitamin und Coenzym.
4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Heterocyclen 161
Tabelle 4.22
Vitamine mit heterocyclischen Elementen und das Vitamin Pantothensäure
Name desVitamins
Formel wirksameForm/Coenzym
Vorkommen Wichtige Funktionen
Thiamin(Vit. B1)
ThPP(Thiamin-diphosphat)
in der Natur weit verbrei-tet (z. B. in Hefe, Getrei-dekeimlingen, Leber)bei Mangel treten Funk-tionsstörungen des zen-tralen und peripherenNervensystems, des Reiz-leitungssystems des Her-zens und Störungen derMagen-Darm-Funktionauf
Coenzym im Pentose-phosphatweg und beidehydrierenden De-carboxylierungenÜbertragene Gruppe:Aldehydgruppen
Riboflavin(Vit. B2)
FMN(Flavin-mono-nucleotid)
in der Natur weit verbrei-tet (z. B. Hefe, Leber, Eier)Mangel führt z. B. zu Ent-zündungen der Mund-und Rachenschleimhäute,zu verminderterSehschärfe
Elektronentransport inder Atmungskette undPartner von Wasser-stoff-übertragendenEnzymenÜbertragene Gruppe:Wasserstoff
4
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Die Heterocyclen 4 Stoffklassen der organischen Chemie162
Tabelle 4.22
Vitamine mit heterocyclischen Elementen und das Vitamin Pantothensäure (Fortsetzung)
Name desVitamins
Formel wirksameForm/Coenzym
Vorkommen Wichtige Funktionen
Pyridoxin(Vit. B6)
PLP(Pyridoxyl-phosphat)
in Vollkornprodukten,Nüssen, Gemüse, LeberMangelerscheinungenführen zu Funktions-störungen des zentralenund peripheren Nerven-systems
Coenzym im Amino-säurestoffwechselÜbertragene Gruppe:Aminogruppe
L-Ascorbin-säure(Vit. C)
Ascorbin-säure
v. a. in frischem Obst undGemüseMangel führt zu Infekt-anfälligkeit, früher vorallem bei Seefahrern zuSkorbut.
Redoxsubstanz allerKörperzellen, Gefäß-schutzstoff (Endothel-schutz für dieKapillarenabdichtung)
Folsäure H4-Folat(Tetra-hydrofol-säure)
in Leber, Nieren, Muskel-fleisch, frischem Blatt-gemüse, Vollkorn-produktenMangel führt zur Ausbil-dung einer hyperchromenAnämie (Gefahr einesMangels besteht v. a. inder Schwangerschaft)
Coenzym bei derÜbertragung von C1-KohlenstoffrestenÜbertragene Gruppe:Formylgruppe
Biotin Biotin kommt in der Nahrungausreichend vor und wirdin größeren, ausreichen-den Mengen von derDarmflora gebildetMangelerscheinungen(Dermatitis, Appetitlosig-keit, Muskelschmerzen)sind selten
Coenzym vonCarboxylasenÜbertragene Gruppe:Carboxylgruppe
Nicotin-säureamid(Niacin)
NAD+/NADP+
Vorkommen v. a. in Leberund NierenMangelerscheinungensind selten, da Nicotin-säureamid im Organismusaus L-Trytophan gebildetwerden kann
Coenzym bei H-über-tragenden Enzymen,Partner bei Redox-reaktionenÜbertragene Gruppe:Wasserstoff
Pantothen-säure
CoenzymA (CoA)
kommt reichlich in derNahrung vor (z. B.Gemüse, Eigelb, Milch)Mangelernährung kannein Burning-feet-Syndromauslösen (Kribbeln in denZehen, stechende, bren-nende Schmerzen)
Übertragene Gruppe:Carboxygruppen
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Kapitel5
Chemie wichtigerNaturstoffklassen
5.1 Die Aminosäuren, die Peptide und dieProteine 165
5.2 Die Kohlenhydrate 174
5.3 Die Lipide 185
5.4 Die Nukleinsäuren 192
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Macht studieren krank?
Egal ob Fette, Kohlenhydrate oder Proteine – der
Körper muss die Nahrung erst zerlegen, bevor er sie
verwerten kann. An der Verdauung sind die Salzsäure
des Magens, zahlreiche Enzyme und die Bakterien des
Dickdarms beteiligt. Kohlenhydrate werden bereits
im Mund durch das Enzym Amylase im Speichel ge-
spalten. Im Dünndarm werden sie in Monosaccharide
zerlegt und absorbiert. Bei Melina K. gelangt jedoch
Zucker unverdaut bis in den Dickdarm. Ihr fehlt ein
Enzym, das Milchzucker (Lactose) im Dünndarm spal-
tet. Lactose gehört zu den Kohlehydraten, die Sie im
nächsten Kapitel kennen lernen werden. Es ist in
Milch und Milchprodukten enthalten. Wenn Melina
diese Nahrungsmittel zu sich nimmt, leidet sie an
Bauchkrämpfen und Durchfall.
Durchfall und BauchkrämpfeSchon wieder Durchfall! Seit Melina K. mit dem Studium
begonnen hat, sind die Beschwerden da: Blähungen,
Durchfall und heftige Bauchschmerzen. Zunächst hatte
sie an eine Infektion gedacht und ein paar Tage nur
Knäckebrot gegessen. Da war es auch besser gewesen.
Aber seit sie wieder normal isst, sind auch die Beschwer-
den wieder da. Dabei isst sie dasselbe wie alle anderen:
Morgens ein Müsli mit ihren WG-Mitbewohnern, mittags
in der Mensa und nach den Vorlesungen geht sie oft auf
eine Latte macchiato zum Italiener. Als sie in den Semes-
terferien nach Hause kommt, ist ihre Mutter entsetzt, wie
dünn Melina geworden ist. Sie kocht die leckeren Speisen
aus ihrer griechischen Heimat – und siehe da, Melinas
Beschwerden verschwinden. Im April kehrt sie an die Uni
zurück, und nach zwei Tagen beginnen die Bauch-
krämpfe und der Durchfall sie wieder zu plagen. Ist es
etwa ihr Studium, das sie krank macht? Melina geht zum
Arzt.
Kein Vogelfutter zum FrühstückDr. Weber lässt sich genau schildern, was Melina isst.
„Essen Sie bei Ihren Eltern auch Müsli zum Frühstück?“
fragt er. „Nein, meine Eltern sagen, das sei Vogelfutter“,
lacht Melina. „Und trinken Sie Milch?“ „Nur Buttermilch.
Meine Mutter mag keine Milch und wir haben fast nie
welche zu Hause.“ „Dann gibt es vielleicht einen ein-
fachen Weg, wie Sie Ihre Beschwerden loswerden“, ant-
wortet der Arzt.
Die Diagnose von Dr. Weber lautet Lactoseintoleranz.
Melina leidet an einem angeborenen Mangel an Lactase.
Das Enzym fehlt bei rund 10% aller Erwachsenen in
Europa, in einigen Ländern, z. B. in Griechenland, vor
allem aber in Asien, sind deutlich mehr Menschen von
dem Syndrom betroffen. Der Körper braucht Lactase, um
das Disaccharid Lactose in Glucose und Galactose zu
spalten. Fehlt das Enzym, gelangt Lactose in den Dick-
darm und wird dort von den Darmbakterien zerlegt. Die
Folge sind Darmkrämpfe und Durchfall. Typisch ist, dass
die Beschwerden nach Milchgenuss auftreten. Yoghurt
und Buttermilch werden übrigens vom Körper toleriert,
da die darin enthaltenen Bakterien die Lactose abbauen.
H2 in der AtemluftUm die Diagnose zu bestätigen, überweist Dr. Weber
Melina zu einem Gastroenterologen. Dort macht Melina
einen H2-Atemtest. Dabei muss sie Lactose einnehmen
und anschließend jede halbe Stunde in ein Gerät atmen,
das H2 in der Ausatemluft bestimmt. Im Körper wird kein
H2 gebildet. Fehlt jedoch Lactase, wird die eingenom-
mene Lactose von den Darmbakterien gespalten und es
entsteht H2, das über die Lunge ausgeatmet wird. Bei
Melina ist der Test positiv – sie leidet an Lactoseintole-
ranz.
Seitdem isst Melina wieder Brot zum Frühstück. Und
wenn beim Italiener alle eine Latte macchiato bestellen,
nimmt Melina einen Espresso.
164 Klinischer Fall
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5 Chemie wichtigerNaturstoffklassen
5.1 Die Aminosäuren, die Peptide unddie Proteine
LerncoachDas Kapitel Aminosäuren gehört zu den Top-themen des Physikums. Um die folgendenAusführungen zu verstehen, machen Sie sichvorab noch einmal klar, was Sie über die Ei-genschaften von Aminen und Carbonsäurengelernt haben (s. S. 141, 150). Es wird aberauch vorausgesetzt, dass Sie die im KapitelSäuren und Basen vermittelten Kenntnisserichtig anwenden können (s. S. 57).
5.1.1 Der ÜberblickDie Proteine oder Eiweiße gehören zu den wichtigs-ten hochmolekularen Verbindungen jeder Zelle. DerName kommt vom griechischen Wort proteos, dassoviel wie Erster oder Wichtigster bedeutet. Als En-zyme katalysieren sie z. B. den Ablauf biochemischerReaktionen, bilden das Zytoskelett, stellen kontrak-tile Elemente dar, steuern als Signalstoffe wichtigeFunktionen und haben im Blut Transport- und Ab-wehrfunktionen. Proteine sind außerdem ein unent-behrlicher Bestandteil der menschlichen und tie-rischen Nahrung, da sie den Stickstoffbedarf desOrganismus sichern.
5.1.2 Die AminosäurenAminosäuren sind die Grundbausteine der Peptideund Proteine. Charakteristisch für Aminosäurensind zwei funktionelle Gruppen, die Carboxyl- unddie Aminogruppe. Bei den meisten der natürlich vor-kommenden Aminosäuren befindet sich die Amino-gruppe am zweiten oder α-C-Atom.Deshalb spricht man auch von α-Aminosäuren. Fürden Aufbau von Proteinen spielen nur 20 Aminosäu-ren eine Rolle. Diese Aminosäuren werden als pro-
teinogene Aminosäuren bezeichnet. Die anderenAminosäuren werden als nichtproteinogen bezeich-net, da sie nicht für die Proteinsynthese verwendetwerden. Sie spielen vor allem eine Rolle bei der Bio-synthese von Harnstoff, als Zwischenprodukte imStoffwechsel der proteinogenen Aminosäuren undals Vorstufen niedermolekularer Verbindungen.
Acht proteinogene Aminosäuren sind essenziell,d. h. sie müssen ausreichend mit der Nahrung zuge-führt werden, da sie nicht durch körpereigene Syn-these ersetzbar sind.Die Klassifikation der Aminosäuren erfolgt nach ver-schiedenen Gesichtspunkten, z. B. danach ob es sichum unverzweigte oder verzweigte Kohlenstoffkettenhandelt, ob Hydroxygruppen enthalten sind, ob dieAminosäure Schwefel enthält, ob es sich um eineDiaminomonocarbonsäure oder um eine Monoami-nodicarbonsäure handelt. Üblich ist die Unterschei-dung in neutrale Aminosäuren mit einem hydropho-ben oder apolaren Rest und neutrale, saure oderbasische Aminosäuren mit einem hydrophilen oderpolaren Rest. (Abb. 5.1). Diese Klassifizierung ist leidernicht ganz eindeutig, einzelne Aminosäuren wie Gly-cin, Alanin, Prolin und Tyrosin könnten auch als Am-phiphile aufgefasst werden. Auch die Daten zumHydrophobizitätsgrad schwanken. Betrachten Siedie Einteilung also als ein grobes Mittel zur Orientie-rung.
Die Struktur der Aminosäuren wird häufiggeprüft, deshalb lohnt es sich, sie auswendig zulernen.
Das α-C-Atom der proteinogenen Aminosäuren trägtimmer vier verschiedene Substituenten (Ausnahme:Glycin), es ist also ein stereogenes Zentrum (s. S.106).Es handelt sich bei diesen immer um L-Aminosäuren.Deshalb wird häufig auf diese Nomenklaturangabeverzichtet. Wenn wir die absolute Konfiguration be-stimmen, stellen wir fest, dass bis auf das Cystein alleproteinogenen α-Aminosäuren S-konfiguriert sind.Nur im Cystein liegt R-Konfiguration vor. In der Naturgibt es aber auch D-Aminosäuren, sie kommen z. B. ineiner Reihe Peptiden mikrobiellen Ursprungs vor.
Prüfen Sie die Aussagen zur absoluten Konfi-guration am Beispiel von Methionin, Threonin undCystein. Schlagen Sie ggf. nach, was Sie über dieR/S-Nomenklatur gelernt haben (s. S. 107).
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 165
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5.1.2.1 Die physikalischen EigenschaftenAlle Aminosäuren sind farblose, kristalline Substan-zen. Mit Ausnahme des Glycins sind die Lösungenaller anderen proteinogenen Aminosäuren optischaktiv. Die spezifische Drehung des linear polarisier-ten Lichts hängt stark vom pH-Wert der Lösung ab.Die Löslichkeit der Aminosäuren in Wasser ist sehrunterschiedlich. Sehr gut lösen sich Prolin, Glycinund Alanin, sehr schlecht Cystin und Tyrosin. Auchdie Anwesenheit anderer Aminosäuren beeinflusstdie Löslichkeit. In organischen Lösungsmitteln sindAminosäuren allgemein schlecht löslich.Das Aminosäuremolekül liegt im festen Zustand undinwässriger Lösung als Zwitterion vor (Abb. 5.2). Es isteine intramolekulare Protonenübertragung von derCarboxyl- zur Aminogruppe erfolgt. Die Carboxyl-
gruppe ist also deprotoniert, die Aminogruppe pro-toniert. Im selben Molekül tritt eine kationische undeine anionische Gruppe auf.Diese Zwitterionen werden auch als innere Salze be-zeichnet und ihre unerwartet hohen Schmelz- oderZersetzungspunkte bestätigen den salzartigen Cha-rakter. Glycin (Mr: 75 g/mol) schmilzt z. B. bei 292 °C,die vergleichbare Hydroxyessigsäure (Mr: 76 g/mol)bei 80 °C.
Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen166
Abb. 5.1 Proteinogene Aminosäuren einschl. pH-Werte der isoelektrischen Punkte (1= essenzielle Aminosäuren)
Abb. 5.2 Die Aminosäuren als Zwitterionen
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5.1.2.2 Die chemischen ReaktionenSäure-Base-Reaktionen und isoelektrischer PunktAminosäuren können als Säure und als Base reagie-ren, d. h. sie sind Ampholyte (Abb. 5.3).
Den pH-Wert der wässrigen Lösung einer sog. neut-ralen Aminosäure ermittelt man aus dem arithmeti-schen Mittel der pKs-Werte der Ammonium- und derCarboxylgruppe (s. S. 62).
Beispiel: AlaninpKS1 =2,35 (Carboxylgruppe)pkS2 =9,69 (Ammoniumgruppe)pHIP =6,02
Da bei diesempH-Wert die elektrischen Ladungen imZwitterion gerade gleich sind, spricht man vom pH-Wert des isoelektrischen Punkts (IP).Der IP ist der pH-Wert, an dem sich die intramoleku-laren Ladungen einer Aminosäure ausgleichen, d. h.genauso viele positive (Ammoniumgruppen) wie ne-gative (Carboxylatgruppen) Ladungen vorhandensind. Die Aminosäure erscheint bei diesem pH-Wertnach außen elektrisch neutral.
Wenn ein elektrisches Feld an die Lösung angelegtwird, wandert die Aminosäure daher nicht zu einemder beiden Pole, da ihre Nettoladung Null ist. Wennjedoch der pH-Wert der Aminosäurelösung unterdem pHIP liegt, hat die Aminosäure ihre kationischeForm (positiv geladen) und wandert dann zur Ka-thode (Minuspol). Ist der pH-Wert der Lösung höherals der pHIP, liegt die anionische Form der Amino-säure vor (negativ geladen). Im elektrischen Felderfolgt eine Wanderung zur Anode (Pluspol). Dasich die isoelektrischen Punkte der einzelnen Ami-nosäuren unterscheiden und jede Aminosäure, aberauch alle Peptide und Proteine genau einen isoelekt-rischen Punkt besitzen, kann man diese durch dasAnlegen eines elektrischen Feldes an eine Lösung derSäuren trennen, denn bei allen anderen pH-Wertenals den isoelektrischen Punkten erfolgt eine Wande-rung (Tab. 5.1). Dieses Verfahren nennt man Elektro-
phorese. Wenn Sie sich in Abb. 5.1 die isoelektrischenPunkte der „neutralen“ Aminosäuren anschauen,stellen Sie fest, dass diese nur annähernd neutralsind. Sie sind nicht exakt pH =7, sondern sie liegenzwischen 5 und 6,5. Da Tyrosin auch an der phenoli-schen OH-Gruppe als Protonendonator fungierenkann, wird es zum Teil zu den sauren Aminosäurengerechnet. Wegen seines isoelektrischen Punktesfassen wir es aber als neutrale Aminosäure auf.Auch saure und basische Aminosäuren besitzen iso-elektrische Punkte. In diesem Fall liegen mehrere zurDissoziation fähige Gruppen vor (Abb. 5.4). Wir müs-sen den Punkt finden, bei dem die Nettoladung dersauren Aminosäure Null beträgt. Das ist dann der Fall,wenn eine Carboxylgruppe und die Aminogruppeprotoniert sind und die zweite Carboxylgruppe de-protoniert ist. Dieser Punkt ist das arithmetischeMit-tel der pKs-Werte beider Carboxylgruppen. Für einebasische Aminosäure wie Lysin müssen entspre-chend die pKs-Werte der Ammoniumgruppen gemit-
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 167
Abb. 5.3 Die Aminosäuren als Ampholyte
Tabelle 5.1
Das Verhalten der Aminosäuren im elektrischen Feld in Abhängigkeit vom pH-Wert (IP = isoelektrischer Punkt)
pH < IP pH = IP pH > IP
vorliegende Form derAminosäure
Kation Zwitterion Anion
im elektrischen Feld erfolgt Wanderung zur Kathode/(-)-Pol keine Wanderung Wanderung zur Anode/(+)-Pol
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telt werden. An diesem Punkt ist die Nettoladung derbasischen Aminosäure ebenfalls Null.
TitrationskurvenWenn eine „neutrale“ Aminosäure in ihrer katio-nischen Form vorliegt, mit Natronlauge titriert undder pH-Wert gemessen wird, ergibt sich die typischeTitrationskurve einer zweiprotonigen Säure (Abb. 5.5,
s. a. S. 62). Am ersten Äquivalenzpunkt liegt das Zwit-terion vor, am zweiten Äquivalenzpunkt das Anion.Der pH-Wert am ersten Halbäquivalenzpunkt (A) be-trägt für die Titration von Alanin-Hydrochlorid pH=2,35 und entspricht also dem pKS1-Wert des Alanin.Am zweiten Halbäquivalenzpunkt (B) beträgt derpH-Wert pH =9,69. Das ist der pKS2-Wert des Alanin.Außerdem lässt die Titrationskurve erkennen, dass es
Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen168
Abb. 5.4 Die Strukturvon Alanin, Asparagin-säure und Lysin beiverschiedenen pH-Werten und ihre jewei-ligen Nettoladungen
Abb. 5.5 Die Titrationskurve von Alanin-Hydro-chlorid mit NaOH
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für Alanin und seine konjugierte Säure bzw. Basezwei Pufferbereiche gibt.
Weitere Reaktionen der AminosäurenDie Anionen der Aminosäuren stellen zweizähnigeLiganden dar und können Chelatkomplexe bilden(s. S. 67). So können Cu2+, aber auch Mn2+ oder Zn2+
komplex gebunden werden (Abb. 5.6). Sowohl vomSauerstoffatom der Carboxylgruppe als auch vomStickstoffatom der Aminogruppe aus werden koordi-native Bindungen zum Metallatom hin ausgebildet,die Aminosäure ist also ein zweizähniger Ligand oderChelator.Außerdem ist biochemisch bedeutsam, dass durchenzymatische Decarboxylierung (Abb. 5.7) biogeneAmine entstehen.
Auch wenn wir uns hier nur auf biochemisch wich-tige Punkte konzentriert haben, sei abschließend er-wähnt, dass einige Aminosäuren auch von industri-ellem Interesse sind. Glutaminsäure findet in Formihres Natriumsalzes Verwendung als Kochsalzersatzund als Geschmacksverstärker in Lebensmitteln, Me-thionin und Lysin werden zur Aufwertung von Fut-termitteln produziert.
5.1.3 Die PeptideAminosäuren können formal unter Abspaltung vonWasser miteinander reagieren, indem die Amino-gruppe der einen Aminosäure mit der Carboxyl-gruppe der anderen Aminosäure reagiert. Dabei ent-steht eine amidartige Verknüpfung, die man alsPeptidbindung bezeichnet (Abb. 5.8). Die Verbindungvon zwei Aminosäuren wird als Dipeptid bezeichnet,dieses enthält wiederum eine freie Aminogruppeund eine freie Carboxylgruppe für eine weitere Ver-knüpfung. Die Seite, die eine freie Aminogruppeträgt, wird als N-terminales Ende bezeichnet undsteht gewöhnlich in der Strukturdarstellung links.Das C-terminale Ende trägt die freie Carboxylgruppeund steht gewöhnlich in der Strukturdarstellungrechts. Die C-terminale Aminosäure bildet denStammnamen, alle anderen Aminosäuren werdender Reihenfolge entsprechend als Präfixe davor ge-schrieben. Auch bei der Namensgebung durch Abkür-zungen wird die Reihenfolge der Aminosäuren ein-gehalten, auf der linken (N-terminalen Seite) wirdein H, auf der rechten (C-terminalen Seite) ein OHergänzt.Oligopeptide haben 3–10 Aminosäurebausteine, Po-lypeptide bis zu 100. Wenn mehr als 100 Aminosäu-ren verknüpft wurden, spricht man vonMakropepti-
den oder Proteinen. Bei 20 proteinogenenAminosäuren und einer Verknüpfung von 100 Ami-nosäuren existieren 20100 Kombinationsmöglichkei-ten (etwa 10130)! Nur ein Bruchteil dieser riesigenAnzahl wird in den Proteinen realisiert.
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 169
Abb. 5.6 Die Aminosäuren als zwei-zähnige Liganden
Abb. 5.7 Die Bildung biogener Amine
Abb. 5.8 Die formale Kondensation von Aminosäuren
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Es ist wichtig, dass Sie die formale Bildungeiner Peptidbindung selbst formulieren können.Üben Sie also, einige Aminosäuren miteinander zuverknüpfen sowie Peptidbindungen zu erkennen.
Die formale Kondensation von Aminosäuren läuftzwischen zwei Aminosäuren in vivo nicht so ab. ImOrganismus sind Enzyme und Nukleinsäuren amAufbau der Peptide beteiligt. In vitro handelt es sichebenfalls um eine komplizierte Reaktionsabfolge, diemit dem Schutz der für die Reaktion nicht vorge-sehenen Amino- und Carboxylgruppen beginnt.Dann muss die für die Reaktion vorgesehene Carbo-xylgruppe aktiviert werden, bevor der eigentlicheKondensationsschritt erfolgen kann. Zum Schlussmüssen die Schutzgruppen wieder abgespalten wer-den. Zunehmend gewinnen hier auch biotechnologi-sche Verfahren an Bedeutung. Die Peptide werdendabei durch Bakterien erzeugt, denen die genetischeInformation zur Synthese eines bestimmten Peptidsübertragen wurde.Viele Oligo- und Polypeptide haben Hormonfunktio-nen. Das erste Polypeptid, dessen Struktur vollstän-dig aufgeklärt werden konnte, war das von derBauchspeicheldrüse produzierte Insulin. Dieses Mo-lekül besteht aus einer 21 Aminosäuren langen sogenannten A-Kette, die über zwei Disulfidbrückenmit der 30 Aminosäuren langen B-Kette verknüpftist. Eine dritte Disulfidbrücke befindet sich in der A-Kette selbst.
5.1.3.1 Die PeptidbindungDie Peptidbindung kann man nur mit mesomerenGrenzstrukturen beschreiben, anhand deren man se-hen kann (Abb. 5.9), dass
die C–N-Bindung einen partiellen Doppelbin-dungscharakter hatdas N-Atom der Säureamidstruktur kein Protonmehr anlagern kann, Peptide also an der Peptid-bindung neutral reagieren.
Der partielleDoppelbindungscharakter ist für die Ein-schränkung der freien Drehbarkeit um die C–N- Bin-dung und die E/Z-Isomerie verantwortlich. Abb. 5.9
zeigt, dass die E-Konfiguration (auch als cis-Konfigu-ration in Bezug auf die organischen Reste bezeichnet)energetisch ungünstig ist, da sich die Reste (R) ge-genseitig behindern. Die natürlichen Peptidbindun-gen sind überwiegend Z-konfiguriert (auch als trans-Konfiguration in Bezug auf die organischen Restebezeichnet). Aus der Mesomerie ergibt sich auch,dass immer 6 Atome in einer Ebene liegen müssen:die Atome der –CO–NH-Bindung und die jeweils be-nachbarten sp3-hybridisierten α-C-Atome. Die–CO–NH-Bindung kann zusätzlich Wasserstoffbrü-ckenbindungen aufbauen, die NH-Gruppe dient alsWasserstoffdonator, die –CO- Gruppe als Wasser-stoffakzeptor.
5.1.4 Die Proteine5.1.4.1 Die Klassifizierung der ProteineProteine bestehen aus Aminosäuren, die über Pep-tidbindungen amidartig miteinander verbundensind. Einfache Proteine bestehen nur aus Aminosäu-ren. Zusammengesetzte Proteine (auch: Proteinkom-plexe oder komplexe Proteine) bestehen aus einemProtein- und einemNichtproteinanteil (prosthetischeGruppe, Tab. 5.2). Proteine können aber auch nachihrer Molekülgestalt eingeteilt werden:
In Skleroproteinen oder fibrillären Proteinen sinddie polymeren Peptidketten fast parallel ausge-richtet. Sie sind in Wasser unlöslich, besitzen Fa-serstruktur und dienen als Stütz- und Gerüstsub-stanz.Die Sphäroproteine oder globulären Proteine sindin Wasser oder verdünnter Salzsäure löslich, dieMoleküle sind fast kugelförmig. Zu dieser Gruppegehören die meisten Proteine (z. B. Enzyme).
Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen170
Abb. 5.9 Die Mesomerie und E/Z-Isomerie der Peptidbindung
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5.1.4.2 Die Struktur der ProteineDie biologische Funktion eines Proteins wird durchseine Struktur bestimmt, dazu gehört zum einen dieAminosäuresequenz, zum anderen die räumliche An-ordnung, die man als Konformation bezeichnet.
PrimärstrukturDie Primärstruktur beschreibt die Aminosäurese-quenz, d. h. die Abfolge der einzelnen Aminosäuren
innerhalb der Kette. Man erhält sie durch enzymati-sche Spaltung der Peptidketten, wobei einzelne En-zyme ganz bestimmte Aminosäuren angreifen. Mitverschiedenen Enzymen erhält man auch unter-schiedliche Spaltprodukte, die dann weiter vom N-terminalen Ende aus aufgetrennt werden.
SekundärstrukturDie Sekundärstruktur ist die lokale räumliche Struk-tur der Hauptkette des Proteins. Es treten ganz be-stimmte Torsionswinkel periodisch auf. Die Ausbil-dung von Wasserstoffbrückenbindungen zwischenden Carbonylgruppen und den Amidgruppen derHauptkette ist optimal. Ganz typische Sekundär-strukturen sind die α-Helix und das β-Faltblatt(Abb. 5.10).α-Helix: Eine Peptidkette wickelt sich schraubenför-mig um einen gedachten Zylinder, sodass sich dieC=O- und die N-H-Gruppen von Windung zu Win-dung impassendenAbstand gegenüberstehen. So fin-detmanwährendeinerWindungum360 °3,6Amino-säurereste. Der Abstand zwischen den beidenWindungen beträgt 540 pm.Es können sich sehr gut Wasserstoffbrücken zwi-schen dem Wasserstoffatom einer Amidgruppe unddem Sauerstoffatom der Carbonylgruppen der vier-ten darauf folgenden Aminosäure herausbilden. DieWasserstoffbrückenbindungen sind fast parallel zurAchse der α-Helix angeordnet.
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 171
Tabelle 5.2
Die Proteinkomplexe
Proteinkomplex prosthetischeGruppe
Beispiel
Nucleoprotein Nucleinsäure Chromatin in leben-den Zellen, Nucleo-protamine imFischsperma
Glykoprotein Kohlenhydrat fast alle Serumpro-teine, viele Plasma-proteine, Blutgrup-pensubstanzen
Lipoprotein Lipid sind am Aufbau derZellmembran betei-ligt, wirken als Trans-portmittel fürunlösliche Lipide
Phosphoprotein Phosphorsäure Casein, Ovalbumin,Pepsin
Chromoprotein Farbstoff Hämoglobin, Cyto-chrom, Rhodopsin
Metallprotein Metallion oder-komplex
Hämoglobin, Eisen-Schwefel-Proteine
Abb. 5.10 Die antiparallele Falt-blatt- und die Helixstruktur
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Die Reste der Aminosäuren zeigen in diesem Modellnach außen von der Schraubenachse weg. Eine He-lixstruktur hat das α-Keratin der Haare oder derWolle.β-Faltblatt: Aus der Mesomerie der Peptidbindungfolgt zwangsläufig die ebene Anordnung von 6 Ato-men der Peptidbindung. Die Ebenen verschiedenerPeptidgruppen bilden an ihren Verknüpfungsstellen,den tetraedrischen α-C-Atomen, einen Winkel zu-einander. Dadurch entsteht die Struktur eines immerwieder gefalteten Blattes. Sind mehrere Ketten ne-beneinander angeordnet, dann ist die Ausbildungvon Wasserstoffbrückenbindungen zwischen denC=O- und den N–H-Bindungen energetisch günstig.Das funktioniert besonders gut durch die Faltung dereinzelnen Stränge. Die Ketten können so angeordnetsein, dass in allen Ketten links das N-terminale Endesteht (parallele Anordnung), ansonsten ist die An-ordnung antiparallel (Abb. 5.10). Die β-Faltblattstruk-
tur ist das Strukturprinzip der fibrillären Proteine derSeide (β-Keratin).
TertiärstrukturDie Tertiärstruktur beschreibt die dreidimensionaleStruktur des gesamten Proteins. Neben den Wasser-stoffbrückenbindungen, die wir schon kennen unddie sich auch zwischen geeigneten Gruppen der Sei-tenketten ausbilden können, sind Disulfidbrücken ander Herausbildung der Tertiärstruktur beteiligt, diedurch Dehydrierung zweier Cysteinreste entstehen.Außerdem gibt es Ionenbeziehungen zwischen posi-tiv und negativ geladenen Gruppen der Seitenketten.Im Innern der Proteine können hydrophobe Bindun-gen wirksam werden (Abb. 5.11).DasMyoglobin, ein Protein desMuskels mit der pros-thetischen Gruppe Häm (s. S.159) mit 153 Aminosäu-ren, weist acht Helixabschnitte auf, die zu einemglobulären Protein gefaltet sind (Abb. 5.12).
Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen172
Abb. 5.11 Die Bindungen zwischen verschiedenen Abschnitten der Peptidkette (1 = Wasserstoffbrückenbindung;2 = Disulfidbrücke;3 = Ionenbeziehung; 4 = hydrophobe Wechselwirkung, d. h. aus dem roten Bereich wird Wasser herausgedrängt)
Abb. 5.12 Schema der Tertiärstrukturdes Myoglobins (a) und der Quartär-struktur des Hämoglobins (b)
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QuartärstrukturGlobuläre Proteine schließen sich häufig zu nochhöheren Aggregaten zusammen. Die Quartärstruk-
tur beschreibt die wechselseitige räumliche Anord-nung verschiedener Polypeptidketten. Die einzelnenPeptidketten bezeichnet man als Untereinheiten. DieAnzahl der Untereinheiten kann ganz unterschied-lich sein (z. B. zwei Untereinheiten beim β-Lactoglo-bulin, 20 Untereinheiten beim Apoferritin). Sehr gutuntersucht ist die Struktur des Hämoglobins (roterBlutfarbstoff, Abb. 5.12b). Es ist ein Tetramer, weil esaus 2 sog. α- und 2 sog. β-Untereinheiten besteht. DieTertiärstruktur ähnelt sehr der des Myoglobins.Man unterscheidet zwei α-Peptidketten aus 141 Ami-nosäuren und zwei β-Peptidketten aus 146 Amino-säuren. Das Häm (s. Abb. 4.55, S. 159) ist die prosthe-tische Gruppe, dessen zweiwertiges Eisen-Atom fürdie Sauerstoffbindung zuständig ist. Jedes Häm kannein O2 binden, folglich transportiert ein Molekül Hä-moglobin vier Moleküle O2.
5.1.4.3 Die chemischen ReaktionenDurch Denaturierung können die eben besprochenendreidimensionalen Strukturen zerstört werden, z. B.werden Wasserstoffbrückenbindungen gespaltenoder Disulfidbrücken reduziert. Es entsteht ein zufäl-liges Knäuel, das in Wasser unlöslich ist und ausfällt.
MERKE
Die Primärstruktur bleibt bei der Denaturierung er-halten, die biologische Funktionsfähigkeit des Pro-teins geht jedoch verloren.
Denaturierend wirken Hitze, extreme pH-Werte, or-ganische Lösungsmittel, konzentrierte Harnstofflö-sungen, aber auch oberflächenaktive Substanzen.Proteine sind also nur in einem bestimmten pH-und Temperaturintervall aktiv.Proteinlösungen besitzen Ampholytcharakter, da siefreie Carboxyl- und Aminogruppen tragen. Deshalbstellen sie auch wichtige Puffersysteme für den Orga-nismus dar.Über komplexbildende Gruppen wie -NH2, >C=O,-COO-, -SH oder -SCH3 können Übergangsmetall-ionen komplex gebunden werden. An den -SH-Grup-pen können auch Redoxreaktionen ablaufen. DieWechselwirkung mit Elektrolytlösungen ist konzen-
trationsabhängig, geringe Mengen eines Elektrolytenverbessern häufig die Löslichkeit der Proteine. Durchgroße Mengen wird die Hydrathülle der Proteineabgebaut und das Protein fällt aus (Aussalzen).
Klinischer Bezug
In der biochemischen Forschung und in der medizini-schen Diagnostik spielt die Trennung und Identifizie-rung spezifischer Proteine eine wichtige Rolle. 1847entdeckte Henry Bence Jones bei der Untersuchungvon Urin ein Paraprotein, das aus Leichtketten derImmunglobuline besteht (sog. Bence-Jones-Proteine).Diese Paraproteine sind typisch für das Plasmozytom,eine maligne Erkrankung, bei der von einem Plasma-zellklon im Knochenmark pathologische Immunglobu-line produziert werden. Diese Immunglobuline besit-zen keine Abwehrfunktion.Auch verschiedenen erblichen Erkrankungen liegenStörungen in der Struktur der Proteine zugrunde. Sokann z. B. im Hämoglobin in einer der Ketten Glu (Glu-taminsäure) durch Val (Valin) ersetzt sein. Durch diehydrophobe Gruppe des Valin kommt es zur Defor-mierung der Erythrozyten, sie nehmen eine sichelzell-artige Gestalt an (Sichelzellanämie). Die Sichelzellenverursachen eine Erhöhung der Blutviskosität mit derGefahr der Kapillarverstopfung und Infarzierung ver-schiedener Organe. Typische Symptome sind u. a. in-termittierende Bauchschmerzen, Knochen- und Ge-lenkschmerzen sowie neurologische Ausfälle.Geringste Veränderungen in der Proteinstruktur der fürden Ethanol-Abbau im Organismus notwendigen Al-dehyd-Dehydrogenase haben erhebliche Auswirkun-gen. Es wurde festgestellt, dass bei einem Großteilder asiatischen Bevölkerung eine Glutaminsäure anPosition 487 durch Lysin ausgetauscht ist, in dieserForm ist das Enzym katalytisch wirkungslos, Acetalde-hyd kann nur mit anderen, weniger wirkungsvollenEnzymen abgebaut werden, so wurden anstelle der„normalen“ 2μmol/l bis zu 35μmol/l Acetaldehyd beiJapanern nachgewiesen. Die Ursache für diese geneti-sche Veränderung ist bis jetzt unbekannt.
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Aminosäuren, die Peptide und die Proteine 173
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Check-up4 Wiederholen Sie die Einteilung der Amino-
säuren und versuchen Sie, alle 20 proteino-genen Aminosäuren zu nennen und ihreStruktur aufzuschreiben.
4 Machen Sie sich nochmals klar, welchen Ver-lauf die Titrationskurve von Aminosäuren hat.
4 Ohne das Verständnis der Peptidbindung istauch die Struktur der Proteine nicht zu ver-stehen. Zum Üben können Sie z. B. aus zweiverschiedenen Aminosäuren alle möglichenDipeptide bilden und die Peptidbindung mar-kieren.
5.2 Die Kohlenhydrate
LerncoachDas folgende Kapitel baut auf den Reaktionenvon Carbonylverbindungen und von Alkoho-len auf, z. B. Bildung von Halb- und Vollace-talen sowie Redoxverhalten (s. S. 146, 149).Die hier besprochenen Verbindungen undderen Reaktionen sind wichtig, damit Sieentscheidende Stoffwechselprozesse verste-hen können, z. B. Glykolyse, Gluconeogeneseoder Glykogen-Stoffwechsel (diese werden imRahmen der Biochemie ausführlich bespro-chen). Merken Sie sich an dieser Stelle einigeMonosaccharidbausteine, deren Fischer-Pro-jektion und Halbacetalbildung. Übrigens ge-hören Monosaccharide zu den Topthemen desPhysikums.Achten Sie auf die Angabe asymmetrisch sub-stituierter C-Atome (Kennzeichnung*).
5.2.1 Der ÜberblickDie Kohlenhydrate stellen mengenmäßig den größ-ten Anteil der auf der Erde vorkommenden organi-schen Substanz dar. Sie sind vorwiegend pflanzlichenUrsprungs und bilden einen Hauptbestandteil derNahrung vieler Tiere und des Menschen. Sie dienendem Körper als universeller Energielieferant, habenaber auch ganz spezifische Funktionen als Bestand-teile der Nucleinsäuren oder als Stütz- und Gerüst-substanz. Sie bilden überdies die spezifischen Grup-
pen der Glykoproteine und Glykolipide derZellmembran.
5.2.2 Die KlassifizierungDie Kohlenhydrate unterscheidet man nach der Zahlder beteiligten Bausteine in
MonosaccharideDisaccharide (zwei Monosaccharidbausteine)Oligosaccharide (drei bis zehn Monosaccharid-bausteine)Polysaccharide (>10 Monosaccharidbausteine).
Die Abgrenzung zwischen Oligo- und Polysaccharidist allerdings nicht ganz scharf. Monosaccharide undDisaccharide werden häufig auch einfach als„Zucker“ bezeichnet. Das, was Sie als Haushaltszu-cker (Rüben- oder Rohrzucker) verwenden, ist einDisaccharid, Trauben- und Fruchtzucker sind Mono-saccharide.Monosaccharide sind die Grundbausteine, sie enthal-ten meistens 3 bis 6 Kohlenstoffatome. Als funktio-nelle Gruppen enthalten sie entweder eine Aldehyd-oder Ketogruppe (Aldosen bzw. Ketosen) und meh-rere Hydroxygruppen. Die Benennung erfolgt bevor-zugt immer noch durch Trivialnamen, die sich durchdie Endung -ose (bei Aldosen) und -ulose (bei Keto-sen außer Fructose) auszeichnen. Die systematischenNamen, wie z. B. für die D-Glucose (2R,3S,4 R,5R)-2,3,4,5,6-Pentahydroxyhexanal, sind nicht sehr ein-gängig. Eine Klassifizierung erfolgt nach der Anzahlder Kohlenstoffatome in Triosen (3 C-Atome), Tetro-sen (4 C-Atome), Pentosen (5 C-Atome) oder Hexosen(6 C-Atome) oder nach der Aldehyd- bzw. Keto-gruppe in Aldosen und Ketosen.
5.2.3 Die Monosaccharide5.2.3.1 Der D-Aldosen-StammbaumWenn man vom D-Glycerinaldehyd ausgeht undschrittweise die Kette um ein C-Atom verlängert(durch formale Addition von Formaldehyd), erhältman die Familie der D-Aldosen (zur D,L-Nomenklaturbei Kohlenhydraten s. S.107). Analog hätten wir na-türlich auch vom L-Glycerinaldehyd ausgehen kön-nen. Die Zahl der möglichen Aldosen wächst mitjedem C-Atom um den Faktor 2. Es muss also 16Aldohexosen geben, das entspricht 8 diastereomerenEnantiomerenpaaren (Abb. 5.13). Die diastereomerenMonosaccharide, die sich gerade in der Konfigurationan einem C-Atom unterscheiden, bezeichnet man
Die Kohlenhydrate 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen174
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auch als epimere Verbindungen (z. B. Glucose undGalactose). Die meisten natürlich vorkommendeneinfachen Zucker gehören der D-Reihe an, aber inOligo- und Polysacchariden sind auch L-Isomere an-zutreffen.
Lassen Sie sich von den vielen Formeln inAbb. 5.13 nicht „erschlagen“! Merken Sie sich vorallem die eingerahmten Strukturen. Die anderenFormeln benötigen Sie zum Verständnis desStammbaums. Außerdem können Sie anhand deraufgeführten Beispiele die Begriffe Stereoisomere,Konfigurationsisomere, Enantiomere und Diaste-reomere gut festigen. Lassen Sie sich nicht verwir-
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Kohlenhydrate 175
Abb. 5.13 Der Stammbaum der D-Aldosen und die L-Aldohexosen (* = stereogenes Zentrum)
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ren! Die Anordnung der Substituenten am erstenund am letzten C-Atom ist völlig egal. Hier spielt dieStereochemie keine Rolle, denn es liegt entwedersp2-Hybridisierung vor oder zwei Substituentensind gleich, es handelt sich nicht um stereogeneZentren.
Für den Aufbau biochemischer Verbindungen sindnoch die 2-Desoxy-ribose und die zu den Aldohexo-sen konstitutionsisomere Ketohexose D-Fructosewichtig (Abb. 5.14).
5.2.3.2 Die Ringform der ZuckerDie intramolekulare HalbacetalbildungDie offenkettige Form der Monosaccharide, die meistals Fischer-Projektion (s. S.106) dargestellt wird, istpraktisch nicht existent. Es kommt zu einer nucleo-philen Addition der Hydroxygruppe am fünften Koh-lenstoffatom an die Aldehydgruppe. Diese führt zueinem Sechsring. Diese Reaktion ist eine intramole-kulare Halbacetalbildung (Abb. 5.15). Zucker mit die-ser Struktur eines Sechsrings bezeichnet man in Ana-logie zum Pyran (s. Tab. 3.4, S. 96) als Pyranosen.Neben der OH-Gruppe des fünften C-Atoms kannauch die am vierten C-Atom reagieren, dann entste-hen Furanosen (Fünfringe). Die Reaktion anderer OH-Gruppen ist energetisch nicht sinnvoll, da sonst starkgespannte Ringsysteme entstehen. Aus demselbenMonosaccharid können sowohl Furanosen als auchPyranosen entstehen. So liegt z. B. Fructose imFruchtzucker als Pyranose, im Disaccharid Saccha-rose jedoch als Furanose vor.Bei der Ringbildung entsteht ein neues, asymmet-
risch substituiertes C-Atom, das man auch als ano-meres C-Atom bezeichnet. Daher sind zwei stereo-isomere Formenmöglich, die so genannten α- und β-Formen, die in diesem Fall als Anomere bezeichnet
werden. Die Bezeichnung α und β bezieht sich immerauf die in der relativen Nomenklatur konfigurations-bestimmende OH-Gruppe.
MERKE
Bei Kohlenhydraten bestimmt diejenige OH-Gruppedie Konfiguration, die sich am asymmetrisch sub-stituierten C-Atom befindet, das am weitesten vonder am höchsten oxidierten Gruppe entfernt ist.
In der α-Form steht die neue oder glykosidische OH-Gruppe auf der gleichen Seite wie die konfigurations-bestimmende OH-Gruppe, in der β-Form steht sie aufder entgegengesetzten Seite. Folglich steht bei allenD-Zuckern in der α-Form diese neue OH-Gruppe wiedie OH-Gruppe am C5 auf der rechten Seite, bei derβ-Form auf der linken Seite. Es ist leicht zu erkennen,dass sich die stereoisomeren α- und β-Formen nichtwie Bild und Spiegelbild verhalten. Es handelt sichalso um diastereomere Verbindungen (s. a. S.109). Beider D-Glucose sind die beiden Formen in unter-schiedlichem Maß rechtsdrehend (19,2 bzw. 111 °).Der vollständige Name der halbacetalischen Ring-form muss die stereochemischen Verhältnisse amersten C- (α oder β) und am fünften C-Atom (Doder L) enthalten. Den Ringtyp kann man aus derBezeichnung Pyranose (6-Ring) bzw. Furanose (5-Ring) ableiten. Schließlich muss noch klar sein, wiedie OH-Gruppen an den anderen asymmetrisch sub-stituierten C-Atomen stehen. Dazu benutzt man dieAbkürzungen gluco für Glucose, manno für Mannose,galacto für Galactose, ribo für Ribose usw.
Die MutarotationWenn Sie die Haworth-Darstellung (s. u.) der Gluco-pyranose genau betrachten, erkennen Sie, dass in derβ-Form alle OH-Gruppen trans-ständig, in der α-Form aber die OH-Gruppen an den C-Atomen 1 und2 cis-ständig sind (s. Abb. 5.15). In wässrigen Lösun-gen stellt sich ein Gleichgewicht zwischen beidenFormen ein, das im Falle der D-Glucopyranose zu-gunsten der energetisch günstigeren β- Form ausfällt(62% β, 38% α). Die Umwandlung erfolgt über dieoffenkettige Struktur. Deshalb können Sie auch be-obachten, dass bei einer Lösung reiner α-D-Glucopy-ranose eine Änderung des Drehwerts von linear po-larisiertem Licht von 111 ° auf 52,5 ° eintritt. Wirdhingegen eine wässrige Lösung von reiner β-D-Glu-
Die Kohlenhydrate 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen176
Abb. 5.14 Die Fi-scher-Projektion der2-Desoxy-D-Riboseund der D-Fructose
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copyranose untersucht, steigt der Drehwinkel vonanfänglich 19,2 ° auf 52,5 °. Diese Änderung der spe-zifischen Drehung bezeichnet man als Mutarotation.
Bei anderen Monosacchariden ist häufig aufgrundkomplizierter stereoelektronischer Effekte das α-Anomere bevorzugt. Formal kann es neben der lang-kettigen Form immer vier halbacetalische Ringfor-men geben, die im Gleichgewicht meist mit sehrunterschiedlichen Anteilen vorliegen. Bei der D-Idose wurde bei 60 °C eine annähernde Gleichvertei-lung der α-D-Idopyranose und der β-D-Idopyranose
mit etwa 35% sowie der α-D-Idofuranose und der β-D-Idofuranose mit etwa 15% gefunden.
Die Darstellung der räumlichen StrukturDie Ringform kann auf verschiedene Arten darge-stellt werden. Bei der Haworth-Darstellung werdendie Ringe eben dargestellt. Die in der Fischer-Projek-tion nach rechts zeigenden Substituenten weisennach unten, die links stehenden Substituenten nachoben. Die Haworth-Darstellung beschreibt die räum-liche Anordnung jedoch nicht vollständig. 6-Ring-
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Kohlenhydrate 177
Abb. 5.15 Die Bildung der Pyranosenam Beispiel der D-Glucose und der Fu-ranosen am Beispiel der D-Fructose
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Systeme mit sp3-hybridisierten C-Atomen könnenz. B. nicht eben gebaut sein, wie es in der Haworth-Darstellung vereinfachend angenommenwird. Dahermuss ggf. die Sesselschreibweise zur räumlichen Dar-stellung von 6-Ring-Systemen verwendet werden(bei 5-Ring-Systemen spielen Konformere aufgrundder eingeschränkten Drehbarkeit keine bedeutendeRolle).Wird α-D-Glucopyranose in Sesselschreibweise dar-gestellt, ergeben sich zwei Möglichkeiten (Abb. 5.16):
Das 4. C-Atom kann oberhalb der von den C-Atomen2, 3 und 5 sowie dem Sauerstoffatom aufgespanntenEbene liegen, es kann sich aber auch unterhalbdieser Ebene befinden. Das 1. C-Atom kann analogentweder unterhalb oder oberhalb der Ebene liegen.Deshalb benutzt man auch den Ausdruck 4C1-
bzw. 1C4-Konformation. Da in der 4C1-Konformationder D-Glucose alle Substituenten (C1 ausgenommen)äquatorial stehen, wird sie energetisch bevorzugt.Für L-Glucopyranose ist die 1C4-Konformation ener-getisch vorteilhaft.
5.2.3.3 Die physikalischen EigenschaftenMonosaccharide sind farb- und geruchlose kristallineVerbindungen, die meist süß schmecken. In Wasser
sind sie leicht löslich. Beim Erhitzen tritt oft Bräu-nung, dann Zersetzung und Verkohlung ein.
5.2.3.4 Die chemischen ReaktionenDas RedoxverhaltenAldehyde entstehen durch Oxidation aus primärenAlkoholen und Ketone durch Oxidation aus sekundä-ren Alkoholen (s. S.135). Man kann daher leicht ver-stehen, dass die Aldehydgruppe von Aldosen und dieKetogruppe der Ketosenmit einem geeignetenMittelreduziert werden können.So entstehen Zuckeralkohole, die zwar noch süßschmecken, aber im chemischen Sinne Alkoholeund keine Zucker mehr sind (Abb. 5.17). Bei der Re-duktion von C1 der D-Glucose oder C2 der D-Fruc-tose entsteht der Zuckeralkohol D-Sorbit. Aus D-Fructose kann aber auch D-Mannit entstehen.Auch eine Oxidation ist bei Aldosen möglich, denneine Aldehydgruppe kann zur Carboxylgruppe oxi-diert werden. So entstehen die On-Säuren. Mecha-nistisch läuft die Reaktion über ein δ-Lacton(s. S.156), das mit einem γ-Lacton und der freienSäure, die bei pH >3 überwiegt, im Gleichgewichtvorliegt. Ebenso sind eine Oxidation der Aldehyd-gruppe und der primären OH-Gruppe am 6. C-Atomoder eine ausschließliche Oxidation der primärenOH-Gruppe möglich (Abb. 5.18). Man erhält die Ar-
Säuren (früher Zuckersäuren) und Uronsäuren‚ wo-bei die letzteren in der Biochemie eine große Rollespielen (z. B. Glucuronsäure für Entgiftungsvorgängein der Leber). Man findet sie aber auch in Lebens-mitteln, wo sie als Bausteine von Polysacchariden,die als Gelbildner eingesetzt werden, bedeutsamsind.Die Oxidierbarkeit nutzte man früher auch zumNachweis von Glucose im Urin aus. Als Oxidations-
Die Kohlenhydrate 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen178
Abb. 5.16 Die Sesselkonformationen der a-D-Glucopyranose
Abb. 5.17 Die Reduktion von D-Glucose und D-Fruc-tose zu D-Sorbit
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mittel wurde Fehlingsche Lösung oder Tollens-Rea-gens eingesetzt (s. S.150). Die Reaktionsgleichungzeigt, dass diese Reaktionen im alkalischen Milieuablaufen (Abb. 5.19). Heute erfolgt der Glucosenach-weis enzymatisch.Wird Fructose mit einer dieser Reagenzien umge-setzt, erwartet man eigentlich keine Reaktion, daKetone nicht weiter oxidiert werden können. Trotz-dem entsteht Kupfer(I)-oxid bzw. Silber als Reak-tionsprodukt. Aber was wurde oxidiert? In schwachalkalischer Lösung entstehen aus Fructose Glucoseund Mannose. Durch Protonenwanderung unterVerlagerung einer Doppelbindung bildet sich ein E-oder Z-Endiol, das in einem zweiten tautomerenGleichgewicht Mannose bzw. Glucose bilden kann(Abb. 5.20).Es liegt also ein Gemisch aus drei Zuckern vor, wobeidie zur Fructose konstitutionsisomeren Monosaccha-ride Mannose und Glucose Aldosen sind und daheroxidiert werden können.Ein weiteres Oxidationsprodukt von Monosacchari-den ist die L-Ascorbinsäure (s. S.162) (Abb. 5.21).Wenn die Aldehydgruppe am C1 reduziert und diealkoholischen OH-Gruppen am fünften und sechsten
C-Atom oxidiert werden, erhält man 2-Oxo-L-gulon-säure, bei der durch eine intramolekulare Ver-esterung ein Ringsystem entsteht (γ-Lacton). Dietautomere Endiol-Form, die auch tatsächlich weitest-gehend vorliegt, bezeichnetman als L-Ascorbinsäure.Es handelt sich um eine Säure, da die OH-Gruppen ander Doppelbindung ihre Protonen relativ leicht ab-geben. In fester Form ist L-Ascorbinsäure hinsichtlichdes Redoxverhaltens stabil. Besonders in Gegenwartvon Cu2+- und Fe3+-Ionen haben die Lösungen eingroßes Oxidationsbestreben, deshalb sollte ange-schnittenes Obst niemals lange der oxidierenden
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Kohlenhydrate 179
Abb. 5.18 Oxidationsprodukte der D-Glucose (OM=Oxida-tionsmittel)
Abb. 5.19 Oxidation eines Monosaccharids (R –Zuckerrest)durch Fehlingsche Lösung (a) und Tollens-Reagens (b)
Abb. 5.20 Die Tautomerie bei Fructose
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Wirkung des Luftsauerstoffs ausgesetzt werden. DieDehydroascorbinsäure, das Oxidationsprodukt, kannirreversibel zerfallen.Auch an der L-Ascorbinsäure sind zwei stereogeneZentren zu erkennen. Nur das hier gezeigte Stereo-isomer mit R-Konfiguration am asymmetrisch sub-stituierten Kohlenstoffatom im Ring und S-Konfi-guration in der Dihydroxy-ethyl-Seitenkette istbiologisch als Vitamin wirksam und wird entspre-chend der relativen Nomenklatur als L-Ascorbin-säure bezeichnet.
5.2.3.5 Weitere wichtige MonosaccharideMonosaccharide können auch Stickstoff enthalten.Das ist z. B. bei den Aminozuckern D-Glucosaminund D-Galactosamin der Fall, die als Bausteine inPolysacchariden vorkommen. Auch Acylneuramin-säuren sind Zuckerderivate, sie spielen als Bestand-
teile von Glykolipiden und Glykoproteinen eine Rolle(Abb. 5.22).
5.2.3.6 Die GlykosideDie Ringstruktur der Monosaccharide ist durch eineHalbacetalbildung zu verstehen (analog zu den Car-bonylreaktionen, s. S.146). Daher sollte auch bei denMonosacchariden eine Vollacetalbildung möglichsein. Tatsächlich unterscheidet sich die am C-Atomder ehemaligen Carbonylgruppe (also am anomerenC-Atom) neu entstandene glykosidische (oder auchhalbacetalische) OH-Gruppe von den anderen OH-Gruppen in ihrer Reaktivität. In Gegenwart von Säu-ren kann sie nämlich mit Alkoholen zum Acetalreagieren. Diese Acetale bezeichnet man in der Koh-lenhydratchemie als Glykoside (Abb. 5.23). Die alko-holische Komponente wird als Aglykon bezeichnet.Der Name des Aglykons wird dem Namen des Sac-
Die Kohlenhydrate 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen180
Abb. 5.21 Die vereinfacht formulierteBildung von L-Ascorbinsäure
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charidbausteins (gluco, galacto usw.) vorangestellt.Der Name des Glykosids endet auf -osid. Es existierenzwei anomere Formen von Glykosiden. Da eineGleichgewichtseinstellung über eine offenkettigeForm nicht erfolgen kann, zeigen sie aber keine Mu-tarotation.Die zwischen dem Zuckerbaustein und dem Aglykonentstandene Bindung ist nicht das Strukturelementeines Ethers, sondern eines Glykosids oder auch Ace-tals. Sie wird häufig als glykosidische Bindung be-zeichnet, sie ist leicht hydrolisierbar (z. B. durch ver-dünnte Säure). Aber auch Enzyme können dasAglykon abspalten, dabei reagieren die Enzyme spe-zifisch auf eine α- bzw. β-glykosidische Verknüpfung.Da eine glykosidische Verknüpfung auch zuThioalko-holen und Aminen erfolgen kann, charakterisiertman die glykosidische Verbindung genauer, d. h.,man gibt auch das verknüpfende Atom an. Dahergibt es neben O-Glykosiden (Aglykon: Alkohol, Phe-nol) auch N-Glykoside (Aglykon: Amin) und S-Gly-koside (Aglykon: Thiol). Zu den N-Glykosiden zählen
vor allem die Nucleoside, die Bausteine der Nuclein-säuren (s. S.193).
5.2.4 Die DisaccharideDisaccharide sind Kohlenhydrate aus zwei glykosi-disch gebundenen Monosacchariden. Es handelt sichalso um O,O- Acetale. Wenn die glykosidische OH-Gruppe des einen Monosaccharids und eine alkoho-lische OH-Gruppe des anderen Monosaccharids ander Glykosidbindung beteiligt sind, hat das Disaccha-rid aufgrund der noch vorhandenen glykosidischenOH-Gruppe des zweiten Bausteins reduzierende Ei-genschaften. Wurde aber anstelle der alkoholischendiese glykosidische OH-Gruppe des zweiten Bau-steins für die Bindung verwendet, besitzt das Disac-charid keine reduzierenden Eigenschaften mehr(nicht-reduzierende Disaccharide).
5.2.4.1 Die nicht-reduzierenden DisaccharideWichtigster nicht-reduzierender Zucker ist die Sac-
charose, die im Pflanzenreich weit verbreitet ist und
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Kohlenhydrate 181
Abb. 5.22 Weitere biochemisch wichtigeMonosaccharide
Abb. 5.23 Ver-gleich der Vollacetal-bildung mit der Bil-dung eines Glucopy-ranosids
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aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben gewonnen wird.Sie enthält die Bausteine α-D-Glucopyranose und β-D-Fructofuranose, wobei die glykosidischen OH-Gruppen am ersten C-Atom der Glucose und amzweiten C-Atom der Fructose an der Vollacetalbil-dung beteiligt sind (Tab. 5.3). Um diese Verknüpfungzu veranschaulichen, musste das Fructosemolekül sogedreht werden, dass das zweite C-Atom auf derlinken Seite steht.
Das Glykosid Saccharose kann durch saure Hydrolyseoder enzymatisch gespalten werden. Dabei entstehtein Gemisch aus D-Glucose und D-Fructose. Es wirdals Invertzucker bezeichnet, da die starke Linksdre-hung der Fructose dominiert.Zu den nicht-reduzierenden Disacchariden gehörtauch die Trehalose, die aus zwei Glucosebausteinenbesteht und in Algen, Pilzen u. a. niederen Pflanzenverbreitet ist. Sie dient bei Insekten als Blutzucker.
5.2.4.2 Die reduzierenden DisaccharideZu dieser Gruppe gehört die Lactose (Milchzucker),aber auch Maltose und Cellobiose besitzen eine gly-kosidische OH-Gruppe, die nicht gebunden ist. Mankann deshalb auch eine Mutarotation (s. S.176) be-obachten. Die im Malz vorkommende Maltose, diedurch α-glykosidische (1R4)-Verknüpfung von zweiMolekülen D-Glucose entsteht, wird beim Abbau vonStärke durch das Enzym Diastase gebildet. Das En-zym Maltase baut die Maltose bis zur Glucose ab.Cellobiose wird ebenfalls zu zwei Molekülen D-Glu-
cose hydrolysiert. Die Moleküle sind aber im Disac-charid β-glykosidisch verknüpft. Cellobiose entstehtbeim Abbau von Cellulose (Tab. 5.4).
Lactose bildet sich unter Austritt der glykosidischenOH-Gruppe der D-Galactose und β-glykosidischerVerknüpfung mit der alkoholischen OH-Gruppe am4. C-Atom der D-Glucose. Lactose kann hydrolytischund enzymatisch gespalten werden (durch das En-zym Lactase). Bei Lactasemangel kann die Lactose imDarm nicht in ihre Bestandteile Glucose und Galac-tose gespalten werden. Die Patienten leiden unterBlähungen, Bauchkrämpfen und wässrigen Durchfäl-len nach dem Konsum von Milchprodukten.
Merken Sie sich die Einteilung in reduzierendeund nicht-reduzierende Zucker und lernen Sie dieBausteine der Disaccharide auswendig.
5.2.5 Die OligosaccharideOligosaccharide enthalten drei bis zehnMonosaccha-ridbausteine. Sie entstehen durch fortlaufende Ver-knüpfung eines Disaccharids mit weiteren Monosac-charidbausteinen, wobei die gleichen Regeln wie fürdie Disaccharide gelten. Wenn noch glykosidischeOH-Gruppen verfügbar sind, hat das Oligosaccharidreduzierende Eigenschaften. Höhere Oligosaccharidesind im Pflanzenreich verbreitet. Im menschlichenOrganismus findet man freie Oligosaccharide nur in
Die Kohlenhydrate 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen182
Tabelle 5.3
Struktur von Saccharose und Trehalose
Trivialname systematischer Name Kurzschreibweise Formel
Saccharose a-D-Glucopyranosyl-b-D-fructofuranosid
[a-D-Glc(1R2)b-D-Fru]
Trehalose a-D-Glucopyranosyl-a-D-glucopyranosid
[a-D-Glc(1R1)a-D-Glc ]
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geringen Konzentrationen, so z. B. in der Frauenmilchdie N-Acetyl-neuraminosyl(2R3)lactose. Dagegenhaben Oligosaccharide in gebundener Form als Be-standteile der Glykoproteine, der Blutgruppensub-stanzen und auch der Glykolipide eine große Bedeu-tung.
5.2.6 Die PolysaccharideBei fortschreitender Verknüpfung von Monosaccha-ridbausteinen entstehen Polysaccharide. Sie werdenauch als Glykane bezeichnet. Die relative Molekül-masse kann zwischen 1000 und 100 000 000 liegen.Homoglykane bestehen aus dem gleichen Monosac-charid, Heteroglykane aus unterschiedlichen Mono-sacchariden. Polysaccharide besitzen keine reduzie-rendeWirkung mehr, da ein endständiges Halbacetalnun keine nennenswerte Rolle mehr spielt. Bei einerHydrolyse durch Behandlung mit verdünnten Säurenerhält man Monosaccharide.
5.2.6.1 Die CelluloseDie Cellulose ist eine wichtige Gerüstsubstanz fürPflanzen und das häufigste Kohlenhydrat überhaupt.Sie besteht aus β(1R4)-glykosidisch verknüpftenGlucosemolekülen (Abb. 5.24). Die unverzweigtenKetten können enzymatisch zur Cellobiose abgebautwerden. Wasserstoffbrücken zwischen dem Ring-Sauerstoffatom und der OH-Gruppe am dritten C-Atom behindern die freie Drehbarkeit der glykosidi-schen Bindung, dadurch kommt es zu Versteifungen.Die einzelnen Strängewerden durch intermolekulareWasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten.Cellulose ist für den Menschen unverdaulich, da fürdie Spaltung der β-Verknüpfung kein Enzym zur Ver-fügung steht.
5.2.6.2 Die StärkeStärke besteht zu 80% aus Amylopektin und zu 20%aus Amylose, deren Struktur und Eigenschaften sich
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Kohlenhydrate 183
Tabelle 5.4
Die Struktur von Maltose, Cellobiose und Lactose
Trivialname systematischer Name Kurzschreibweise Formel
Maltose 4-O-α-D-Glucopyranosyl-D-glucopyranose
[α-D-Glc(1R4)-D-Glc]
Isomaltose 6-O-α-D-Glucopyranosyl-D-glucopyranose
[α-D- Glc(1R6)-D-Glc]
Cellobiose 4-O-β-D-Glucopyranosyl-D-glucopyranose
[β-D-Glc(1R4)-D-Glc]
Lactose 4-O-β-D-Galactopyranosyl-D-glucopyranose
[β-D-Gal(1R4)-D-Glc]
Die mit Wellenlinie dargestellte Bindung bringt zum Ausdruck, dass α- und β-Form im Gleichgewicht vorliegen.
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unterscheiden (Abb. 5.25). Beim enzymatischen Ab-bau von Stärke zu Disacchariden entstehen Maltoseund Isomaltose. Amylose besteht aus α(1R4)-glyko-sidisch verknüpften unverzweigten Ketten aus Glu-cosemolekülen, die sich kolloidal in Wasser lösen.Dadurch kann sie vom unlöslichem Amylopektin ge-trennt werden. Die Ketten sind helixförmig angeord-net. 6 Glucosemoleküle bilden eine Windung. Iodkann in dem inneren Hohlraum der Helix einge-schlossen werden, dadurch entsteht eine charakte-ristische Blaufärbung (Iod-Stärke-Reaktion). DieMol-masse beträgt 17000 bis 200 000.Amylopektin besteht ebenfalls aus α(1R4)-glykosi-disch verknüpften Glucosemolekülen. Zusätzlichkommt es aber etwa beim 20. bis 25. Molekül zueiner α(1R6)-glykosidischen Verknüpfung. Die Mol-masse beträgt etwa 400 000.
5.2.6.3 Das GlykogenGlykogen ist das Reservekohlenhydrat des tierischenOrganismus. Es entspricht vom Aufbau dem Amylo-
pektin, ist aber noch stärker verzweigt. Dadurch hatdas Gesamtmolekül eine kugelige Gestalt. Die Mol-massen betragen 1000 000 bis 5 000 000.
5.2.6.4 Weitere PolysaccharideDextrane enthalten vorwiegend α(1R6)-glykosi-disch verknüpfte Glucoseeinheiten. Sie werden vonMikroorganismen erzeugt. Dextrane mit der Mol-masse 75000 dienen als Blutplasmaersatz. Inulin fin-detman in den Knollen von Topinambur, Dahlien undArtischocken. Es ist aus β(1R2)-glykosidisch ver-knüpften D-Fructofuranose-Einheiten aufgebaut.Chitin bildet die Gerüstsubstanz der Außenskelettevon Insekten und Spinnen. Es ist unverzweigt undbesteht aus β(1R4)-glykosidisch verknüpften N-Ace-tyl-D-glucosaminen.Hemicellulosen stellen Gemische aus Homo- und He-teroglykanen dar. Sie bestehen aus D-Xylose, D-Ga-lactose oder D-Mannose und D-Glucuronsäure.Auch pflanzliche Geliermittel wie Pektine‚ Agar-Agar
oder Carageene sind Polysaccharide. Sie besitzen ein
Die Kohlenhydrate 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen184
Abb. 5.24 Formel-ausschnitt Cellulose
Abb. 5.25 Formelausschnitte Amyloseund Amylopektin
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hohes Wasserbindungsvermögen und stellen als Bal-laststoffe von Verdauungsenzymen nicht verwert-bare, sondern als Füll- oder Quellstoff fungierendeNahrungsbestandteile dar. So spielen sie auch alsLaxantien und Appetitzügler in Medikamenten eineRolle. Dextrane und Stärke finden bei hohen Blutver-lusten als Blutersatzmittel Anwendung. Die Größeder Moleküle liegt über der so genannten „Nieren-schwelle“, d. h., sie werden nicht oder nur teilweiseausgeschieden, sodass sie über längere Zeit in derBlutbahn bleiben und den Kreislauf stabil halten kön-nen.
Klinischer Bezug
Hereditäre Fructose-Intoleranz: Bei dieser Erkran-kung führt ein Enzymdefekt dazu, dass Fructose undSorbit nicht verstoffwechselt werden können. In denZellen staut sich deshalb Fructose-1-Phosphat an, dasGlykolyse und Gluconeogenese hemmt. Symptometreten z. B. nach Fütterung saccharosehaltiger Milchauf (Schwitzen, Zittern, Erbrechen, Unruhe). Bei weite-rer Fructosezufuhr kommt es zu Leberfunktionsstörun-gen. Die Therapie besteht in einer fructosefreien Diät.Galactosämie: Galactosämie ist eine Sammelbezeich-nung für verschiedene erbliche Störungen des Galac-tosestoffwechsels. Durch unterschiedliche Enzymde-fekte kann die Galactose nicht verwertet werden undhäuft sich im Blut und Gewebe an. Es gibt foudroyanteVerlaufsformen, die sich bereits in den ersten Lebens-tagen mit Erbrechen, Milz- und Lebervergrößerung,Hypoglykämie und Krämpfen manifestieren, aberauch protrahierte Verläufe mit langsamer Symptom-entwicklung. Die Therapie besteht in einer lactose-freien Diät.Karies: Durch Bakterien der Art Streptococcus mu-tans, die zur normalen Flora der Mundhöhle gehören,wird eine Dextran-Transglucosylase ausgeschieden, dieden Glucose-Anteil des Rohrzuckers zu einem Dextranpolymerisiert. Dieses Polysaccharid bildet Beläge aufden Zähnen, die die Bakterien vom Speichel abschir-men. Das Dextran kann wegen der (1R 6)-Verknüp-fung von der Amylase des Speichels nicht abgebautwerden. Die Fructose als zweites Spaltprodukt desRohrzuckers dient den Bakterien als Energielieferant.Sie wird zu Milchsäure abgebaut und greift den Zahn-schmelz und das Dentin an. Als Folge entsteht Karies.
Die Bausteine der Oligo- und Polysaccharidesollten Sie kennen, wobei es aber sicher wenigsinnvoll ist, sich ganze Formelausschnitte einzu-prägen. Viel einfacher ist es, die Struktur der ein-zelnen Monosaccharidbausteine und deren Ver-knüpfung zu lernen. So sind Sie notfalls immer inder Lage, auch einen Formelausschnitt selbst richtigwiederzugeben; das wird Ihnen in der Biochemieweiterhelfen.
Check-up4 Rekapitulieren Sie das Redoxverhalten der
Monosaccharide. Es ist wichtig, dass Sie er-klären können, warum Fructose als Ketoseeine reduzierende Wirkung hat.
4 Machen Sie sich nochmals klar, was eine gly-kosidische OH-Gruppe, ein Glykosid und einAglykon sind.
5.3 Die Lipide
LerncoachFür das Verständnis dieses Kapitels sind einigeGrundbegriffe wichtig, die in anderen Kapitelnbesprochen wurden und die Sie dort ggf.auffrischen können, wie z. B. Hydrolyse (s. S.44), Protolyse (s. S. 58), stereogene Zentren(s. S. 106), Ester organischer und anorgani-scher Säuren (s. S. 134).Die Lipide prägen Sie sich am besten ein,indem Sie sich die Grundbausteine merken,z. B.: „Ein Fett besteht aus den BausteinenGlycerol und langkettigen Carbonsäuren, dieals Ester verknüpft sind.“
5.3.1 Der ÜberblickDer Begriff Lipid (lipos griech. Fett, Öl) ist eine vorallem in der Biochemie gebräuchliche Sammelbe-zeichnung für chemisch sehr verschiedene, in allenZellen vorkommende Stoffe (z. B. Fettsäuren, Fette,Steroide). Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dasssie in polaren Lösungsmitteln unlöslich, in unpolarenhingegen löslich sind. Lipide dienen u. a. der Energie-speicherung und sind für den Aufbau der Zellmem-
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Lipide 185
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bran notwendig. Lipide sind außerdemAusgangsstofffür viele Hormone.
5.3.2 Die KlassifizierungDa die Lipide chemisch sehr uneinheitlich sind, gibtes viele Möglichkeiten der Einteilung. Eine in derBiochemie verbreitete Klassifizierung richtet sich da-nach, ob es sich um einfache Verbindungen handelt,die bei der Behandlung mit alkalischen Lösungennicht hydrolisieren, oder ob zusammengesetzteLipide mit Ester-, Amid- oder Glykosidbindungenvorliegen. Zu den nicht hydrolisierbaren Lipidengehören die Fettsäuren und die Isoprenderivate, zuden zusammengesetzten z. B. die Wachse, die Acyl-glyceride, die Phospholipide und die Sphingolipide(Tab. 5.5).
5.3.3 Die Fettsäuren und FetteFettsäuren sind einfache und Fette zusammenge-setzte Lipide.
5.3.3.1 Fettsäuren – Struktur und EigenschaftenFettsäuren bestehen aus einer hydrophilen Carboxyl-gruppe und einem langkettigen, hydrophoben Koh-lenwasserstoffrest, sie sind also amphiphil (Abb. 5.26).
Sind die Kohlenstoffatome in der Kette durch jeweilseine Einfachbindung verknüpft, handelt es sich umeine gesättigte Fettsäure. Treten neben den Einfach-auch Doppelbindungen auf, spricht man von einerungesättigten Fettsäure. Alle natürlich vorkommen-den ungesättigten Fettsäuren besitzen an der Dop-pelbindung eine Z- (cis-) Konfiguration.Die Struktur der Fettsäure-Komponenten steht in en-gem Zusammenhang mit der Konsistenz der Fette. Jemehr Doppelbindungen die Fettsäuren enthalten,umso flüssiger wird das Fett. Für flüssige Fette istauch die Bezeichnung „Öl“ üblich, diese beschreibtaber nur die Konsistenz und nicht die chemischeStruktur (Mineralöle sind z. B. Kohlenwasserstoffe,etherische Öle sind meistens Terpenabkömmlinge).Wie alle Doppelbindungen können auch die der Fettehydriert werden, dadurch härtet man Fett. Das nutztman bei der Herstellung von Margarine. Tab. 5.6 zeigt
die wichtigsten natürlichen Fettsäuren. Fettsäurenprotolysieren nur in geringem Umfang, sie sindwie Carbonsäuren allgemein schwache Säuren. Des-halb reagieren Salze der Fettsäuren auch alkalisch(Abb. 5.27).
Die essenziellen FettsäurenEssenzielle Fettsäuren können nicht vom tierischenoder menschlichen Organismus synthetisiert wer-den. Es handelt sich hierbei um mehrfach ungesät-tigte Fettsäuren, die Doppelbindungen enthalten, diemehr als 9 C-Atome von der Carboxylgruppe entferntsind. Für Linolsäure und Linolensäure werden auchdie Bezeichnungen ω-6-Fettsäure und ω-3-Fettsäureverwendet. Der Name sagt aus, dass sich eine Dop-pelbindung 6 bzw. 3 C-Atome vor dem endständigenω-C-Atom befindet.
5.3.3.2 Die FetteFette sind Ester des Glycerol (Glycerin, Propan-1,2,3-triol) und langkettiger Carbonsäuren (Fettsäuren). Jenachdem, wie viele OH-Gruppen des Glycerols ver-estert sind, spricht man von Mono-, Di- und Trigly-
ceriden (Triglyceride = Triacylglyceride oder Neu-tralfette).Am Aufbau der Fette sind meistens unterschiedlicheCarbonsäuren beteiligt, deshalb ist das sekundäre C-Atom des Glycerols ein stereogenes Zentrum. Die inden natürlichen Fetten vorkommenden Carbonsäu-ren haben überwiegend eine gerade Anzahl von C-
Die Lipide 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen186
Abb. 5.26 Amphiphiler Charakter der Fettsäuren
Tabelle 5.5
Lipide
Lipide Beispiele
nicht hydrolysierbare Lipide – Fettsäuren– IsoprenderivateO TerpeneO Steroide
hydrolisierbare Lipide – Wachse– Fette (Acylglyceride)– Phospholipide– Sphingolipide– Glykolipide
Abb. 5.27 Salze der Fettsäuren reagieren alkalisch
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Atomen, da sie aus „aktivierter Essigsäure“, also ausC2-Bausteinen, synthetisiert werden (Acetyl-Coen-zym A, s. S.155). Abb. 5.28 zeigt die Struktur einesTriglycerids. In der Mitte steht der Glycerolbaustein,der mit drei verschiedene Carbonsäuren verestert ist.
5.3.3.3 Die Hydrolyse der Fette und dieSeifenbildung (Verseifung)
Wie alle Ester können die Fette hydrolytisch gespal-tenwerden. Besonders leicht gelingt die Hydrolyse inGegenwart von Natron- (NaOH) oder Kalilauge (KOH)(Abb. 5.29, s. a. S.156). Dabei entstehen neben Glyceroldie Alkalisalze der Fettsäuren (Seifen).Um die Wirkung von Seife zu verstehen, muss mansich die Struktur der Fettsäuren nochmals vor Augen
führen. Im Wasser lagern sich die Fettsäuremolekülezu tröpfchenförmigen Gebilden zusammen (Micel-
len). Der hydrophile Teil passt sich in die Dipolstruk-tur des Wassers ein, die hydrophoben Reste zeigennach innen. In diesen kugelförmigen Gebilden kön-nen hydrophobe Teilchen wie z. B. Schmutzteilcheneingeschlossenwerden. An derWasseroberfläche bil-det sich zusätzlich eine Monoschicht aus: Die hydro-philen Reste bilden Wasserstoffbrückenbindungenmit dem Wasser aus, die hydrophoben Reste zeigenvom Wasser weg. Dadurch wird die Oberflächen-spannung des Wassers herabgesetzt. Der großeNachteil von Seife liegt in der alkalischen Reaktionder wässrigen Lösung. Dadurch wird nicht nur dieHaut angegriffen, sondern auch das Waschgut.
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Lipide 187
Tabelle 5.6
Die Struktur einiger Fettsäuren und ihr Vorkommen in Fetten
Fettsäure Struktur Vorkommen
Palmitinsäure(Hexadecansäure)
Palmöl, Tierfett
Stearinsäure(Octadecansäure)
Palmöl, Tierfett
Ölsäure(Z-Octadec-9-ensäure)
Maisöl, Olivenöl
Linolsäure(9(Z),12(Z)-Octadeca-9,12-diensäure)
Leinöl, Maisöl
Linolensäure(9(Z),12(Z),15(Z)-Octadeca-9,12,15-triensäure)
Leinöl
Arachidonsäure(5(Z),8(Z),11(Z),14(Z)-Eicosa-5,8,11,14-tetraensäure)
Sardinenöl,Tierfette
Abb. 5.28 Struktur eines Triglycerids
Abb. 5.29 Die alkalische Hydrolyse eines Fettes
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Außerdem bilden die Fettsäurereste mit Ca2+-Ionenund Mg2+-Ionen schwer lösliche Salze, die bei har-tem Wasser die Waschwirkung negativ beeinflussen.
Klinischer Bezug
HDL (high density lipoproteins) und LDL (low density
lipoproteins): Der Transport von Triacylgylceriden imBlut ist nur möglich durch die Anlagerung an be-stimmte Proteine. Diese Lipoproteine setzen sichdann aus zwei Komponenten zusammen: den zu trans-portierenden Lipiden und einem Proteinanteil, der denKomplex zusammenhält, ihn wasserlöslich macht undan seinen Bestimmungsort transportiert. Die verschie-denen Lipoproteine benennt man nach ihrer Dichte.Zwei wichtige Lipoproteingruppen sind das HDL unddas LDL. Da LDL vorwiegend Cholesterinester enthält,ist es für den Organismus problematisch. Cholesterinwird nämlich von Zellen des Immunsystems, den sog.Makrophagen, aufgenommen und kann so zu Plaque-ablagerungen in den Blutgefäßen und damit zur Athe-rosklerose führen. HDL ist hingegen in der Lage, Cho-lesterin aus der Peripherie zurück in die Leber zutransportieren. Es wirkt daher einer Atheroskleroseentgegen.
5.3.4 Die WachseWachse sind Ester aus langkettigen einwertigenAlkoholen und aus Fettsäuren. Sie sind außer-ordentlich hydrophob, haben aber einen niedrigenSchmelzpunkt. Natürlich vorkommende Wachsesind Gemische verschiedener Ester, so enthältz. B. Bienenwachs zu 75% MyricylpalmitatC15H31COOC30H61 (Abb. 5.30).
5.3.5 Die Phospholipide und dieSphingolipide
5.3.5.1 Phospho- und einige Sphingolipide alsEster der Phosphorsäure
Phospholipide (Phosphatide) sind ebenfalls Ester,nämlich Diester der Phosphorsäure (Abb. 5.31). Beiphysiologischen Bedingungen liegt der Diester disso-ziiert vor.
Die Veresterung erfolgt zum einen bei den Phospho-lipiden mit Glycerolderivaten, vor allem Diacylglyce-riden, oder bei den Sphingolipiden mit dem Sphin-gosinderivat Ceramid (in Tab. 5.7 ist dies diealkoholische Komponente R1). Zum anderen erfolgtdie Veresterung mit Ethanolamin (Colamin), Cholin,Serin, myo-Inosit oder nochmals Glycerol (in Tab. 5.7
ist das die alkoholische Komponente R2).
5.3.5.2 Die GlykolipideGlykolipide sind keine Phosphorsäureester, eshandelt sich um Glykoside (s. S.180). Als Aglykontritt vorwiegend das Sphingosinderivat Ceramid(s. Tab. 5.7) auf. Ceramid entsteht aus Sphingosin (inAbb. 5.32 farbig unterlegt) durch Amidbildung miteiner langkettigen Carbonsäure. Diese Glykolipidewerden deshalb auch zu den Sphingolipiden gerech-net. Zuckerbestandteil sind Mono- oder Oligosaccha-ride und deren Derivate. Abb. 5.32 zeigt die allge-meine Struktur.
Die Lipide 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen188
Abb. 5.30 Myricylpalmitat, Hauptbestandteil des Bienenwachses
Abb. 5.31 Ester der Phosphorsäure
Abb. 5.32 Struktur von Sphingolipiden (Sphingosin – farbigunterlegt)
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5.3.5.3 Biomembranen und LipiddoppelschichtenBiomembranen und Lipiddoppelschichten sind ausamphiphilen Phospho- und Glykolipiden aufgebaut.Phospho- und Glykolipide können nicht nur Micellenausbilden, sondern auch andere „zweidimensionale“und sphärische Gebilde (z. B. Doppelschichten, Vesi-kel, vesicula lat. Bläschen). Die verschiedenen Mög-
lichkeiten der Zusammenlagerung von Lipidmolekü-len sind in Abb. 5.33 dargestellt.Doppelschichten sind das entscheidende Struktur-element von Biomembranen. Diese sind aus den be-sprochenen Lipiden sowie Proteinen und Kohlenhyd-raten aufgebaut. Die Proteine sind vor allem für denStoff-, Elektronen- und Ionentransport verantwort-
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Lipide 189
Tabelle 5.7
Struktur einiger Phospholipide als Dieester der Phosphorsäure
alkoholische Komponente R1 alkoholische Komponente R2 Phospholipid
Diacylglycerol Ethanolamin (Colamin) Phosphatidylethanolamin (α–Kephalin)
Cholin Phosphatidylcholin
Serin PhospatidylserinSerinkephalin
myo-Inosit PhosphatidylinositInositphosphatid
Ceramid (N-Acylsphingosin) Cholin Sphingosin-phosphatidSphingomyelin
Abb. 5.33 Die Zusammenlagerungvon Lipidmolekülen
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lich. Die hydrophilen Kohlenhydrate befinden sichbevorzugt an der Oberfläche und dienen als Signal-substanzen.
Klinischer Bezug
Sphingolipidosen: Sphingolipidosen sind erblicheStoffwechselkrankheiten, bei denen es zu Störungenim Auf-, Um- und Abbau von Sphingolipiden kommt.Als Folge werden diese Makromoleküle z. B. im Ner-vensystem, in der Leber oder in der Milz gespeichertund verursachen schwere geistige und/oder körper-liche Behinderungen. Die häufigste Form dieser Er-krankungen ist der Morbus Gaucher, bei dem sichGanglioside in der grauen Substanz des Gehirns undverschiedenen anderen Organen ablagern. Eine kau-sale Therapie gibt es nicht.
5.3.6 Die IsoprenoideDie Isoprenoide sind Grundkörper vieler pflanzlicherund tierischer Naturstoffe. Allen Isoprenoiden ge-meinsam ist der Aufbau aus Isopren-Molekülen(Abb. 5.34). Vom Isopren leiten sich zwei wichtigeLipidgruppen ab: Die Terpene und die Steroide. Fürden menschlichen Organismus sind vor allem dieVitamine A, E und K als Terpene bedeutsam. Auchdas β-Carotin, Vorstufe des Vitamin A, wird zu denTerpenen gerechnet. Sie haben zudem einen ausge-prägten, oft angenehmen Geruch und werden alsDuft- und Aromastoffe verwendet. Ein wichtiges Ste-roid ist z. B. das Cholesterol, das als Baustein fürBiomembranenwichtig ist. Zu den Isoprenoiden zäh-len auch die Sexualhormone.
5.3.6.1 Die TerpeneTerpene erhält man durch Polymerisation mehrererIsoprenmoleküle. Es gilt folgende Nomenklatur:
Monoterpene (10 C-Atome) zwei Isopreneinhei-tenDiterpene (20 C-Atome) vierfache TerpeneTriterpene (30 C-Atome) sechsfache TerpeneTetraterpene (40 C-Atome) achtfache Terpene.
Nach der Verknüpfung werden die Moleküle nochvielfältig verändert, sodass die Einordnung als Iso-prenabkömmling mitunter schwierig ist (Tab. 5.8). Einsehr wichtiges Triterpen ist das Squalen, da es dieVorstufe der Steroide in der Biosynthese darstellt.Von einigen Terpenen existieren infolge asymmet-risch substituierter C-Atome Stereoisomere. Tretenim Terpenmolekül sehr viele konjugierte Doppelbin-dungen auf, ist dieses häufig farbig (z. B. Carotinoidein Karotten, Milch und Eigelb). β-Carotin nennt manauch Provitamin A, denn bei Spaltung entstehen zweiMoleküle Retinol (Vitamin A). Werden Tausende vonIsopren-Einheiten in die Polymerisation einbezogen,entsteht Kautschuk, der Milchsaft der Kautschuk-bäume. Durch die Polymerisation der Isopren-Ein-heiten entsteht auch die Seitenkette von Ubichino-nen, die in den Mitochondrien aller Pflanzen- undTierzellen vorkommen und in der Atmungskette alsElektronenüberträger von großer Bedeutung sind.
5.3.6.2 Die SteroideAus dem Triterpen Squalen (s. o.) entstehen durchZyklisierungen letztlich über viele enzymatischeReaktionen Steroide. Sie haben als gemeinsamesStrukturelement das Gonan (Steran), ein System mitvier annellierten Ringen (s. S.127).Die vier Ringe werden gewöhnlich mit A, B, C und Dbezeichnet (Abb. 5.35). Da auch an Ringen cis-trans-Isomerie möglich ist, muss hier die Verknüpfung ge-nauer angegeben werden. In fast allen natürlich vor-kommenden Steroiden sind die Ringe B und C trans-verknüpft. Die Verknüpfung der Ringe A und B sowieC und D kann cis- oder trans-ständig erfolgen.Vom Cholestan, einem Gonanderivat mit all-trans-verknüpften Ringen, leiten sich die Sterole oder Ste-rine ab, zu denen auch das Cholesterol gehört. Cho-lesterol ist wichtig für biologische Membranen. Eslagert sich dort zwischen den Phospholipidmolekü-len an der Oberfläche der Membran ein und sorgt fürderen Zusammenhalt und die Beweglichkeit der Koh-lenwasserstoffketten im Innern der Membran. ImCholesterol gibt es keine Isomerie bei der Verknüp-fung der Ringe A und B, da am fünften Kohlenstoff-atom eine Doppelbindung auftritt. Die Stereochemieist aber trotzdem bemerkenswert, denn Cholesterolenthält acht asymmetrisch substituierte C-Atome(Abb. 5.36).
Die Lipide 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen190
Abb. 5.34 Formel des Isopren(2-Methyl-but-1,3-dien)
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Check-up4 Wiederholen Sie die allgemeine Struktur eines
Fettes, z. B. indem Sie sie aufzeichnen. For-mulieren Sie die Reaktionsgleichung für diealkalische Esterhydrolyse.
4 Rekapitulieren Sie einige Beispiele für gesät-tigte und ungesättigte Fettsäuren sowie dieGrundbausteine der Phospho-, Sphingo- undGlykolipide.
4 Machen Sie sich am Beispiel des Gonan noch-mals die cis-trans-Isomerie klar.
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Lipide 191
Tabelle 5.8
Übersicht über die wichtigsten Terpene (* = stereogenes Zentrum)
Name/Klassifizierung Formel Bedeutung/Vorkommen
Menthol/Monoterpen im Pfefferminzöl
Phytol/Diterpen Bestandteil von Chlorophyll
Squalen/Triterpen wichtige Vorstufe für die Steroide,in Haifischleber, Hefe, Weizen-keimöl
β-Carotin/Tetraterpen/Carotinoid
Provitamin A, in vielen Früchten,besonders in der Karotte
Cis-1,4-Polyisopren Naturkautschuk
Abb. 5.35 Gonan mit Nummerierungund Bezeichnung der Ringe sowie all-trans und cis-trans-Verknüpfung derRinge A und B
Abb. 5.36 Struktur des Cholesterols
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5.4 Die Nukleinsäuren
LerncoachDas folgende Kapitel baut auf dem Wissenüber Glykoside, Ester und Anhydride auf.Schlagen Sie daher ggf. noch einmal auf denSeiten 134, 150, 180 die wichtigsten Grund-lagen nach.Viele der jetzt folgenden Informationen sindfür die Biochemie von großer Bedeutung. Ver-suchen Sie daher, sich bereits in diesemKapitel einen Überblick über den Aufbau unddie Funktion der Nukleinsäuren zu ver-schaffen.
5.4.1 Der ÜberblickNukleinsäuren kommen in allen lebenden Zellen vorund sind Träger der genetischen Informationen. Eshandelt sich um Ketten von Nukleotidbausteinen, dieaus Phosphorsäure, einem basisch reagierenden He-terocyclus und einer Pentose aufgebaut sind.
Man unterscheidet die doppelsträngig vorliegendeDesoxyribonukleinsäure (DNA) und die meist ein-strängige Ribonukleinsäure (RNA).
5.4.2 Der Aufbau der NukleinsäurenNukleinsäuren enthalten folgende Bausteine: Purin-oder Pyrimidinbasen, Ribose oder Desoxyribose so-wie Phosphorsäure.Die N-glycosidische Verknüpfung einer Base mit ei-nem Zuckermolekül führt zu den Nukleosiden. Wenneine Veresterung der Nukleoside mit Phosphorsäureerfolgt, erhält man die Nukleotide. Die Nukleinsäu-reketten entstehen durch vielfach wiederholte Kon-densation von Nukleotiden, also unter Ausbildungeines Phosphordiesters und Wasserabspaltung. Dasallgemeine Bauprinzip ist in Abb. 5.37 dargestellt.
5.4.2.1 Die Purin- und die PyrimidinbasenDie fünf wichtigsten Basen der Nukleinsäuren leitensich vom Grundkörper des Pyrimidins bzw. Purins ab(Abb. 5.38). Diese Verbindungen können tautomere
Die Nukleinsäuren 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen192
Abb. 5.38 Purin- und Pyrimidinbasen
Abb. 5.37 Der schematische Auf-bau der Nukleinsäuren
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Formen bilden (Abb. 5.39, s. a. S.120). In den Nuklein-säuren liegt mit Ausnahme von Adenin immer dieAmidform der Basen vor.
5.4.2.2 Die NukleosideNukleoside entstehen, wenn am Stickstoffatom 1 derPyrimidinbasen bzw. am Stickstoffatom 9 der Purin-basen eine N-glykosidische Verknüpfung zu Mono-saccharidbausteinen erfolgt. In den Nukleinsäurenkommen die Pentosen D-Ribose und 2-Desoxy-D-Ri-bose vor. Nukleoside aus Purinbasen haben im Na-men die Endung -osin, Pyrimidinbasen die Endung-idin. Wenn das Nukleosid an Stelle der D-Ribose 2-Desoxy-D-ribose enthält, wird das Suffix Desoxy-ergänzt. Tab. 5.9 fasst die Namen der wichtigsten Nuk-leoside zusammen.Einwichtiges Nukleosid ist das Adenosin (s. Abb. 5.40).Es handelt sich hierbei um ein N-Glykosid, das durchVollacetalbildung aus Adenin und der cyclischenForm der D-Ribose (β-D-Ribofuranosid) aufgebautwird. Aus Adeninnukleosiden entstehen durch Phos-phorylierung Adenosinphosphate (s. u.). Den Adeno-
sinbaustein findet man auch in S-Adenosylmethionin(s. S.140) oder in NAD+ (s. S.100).
Klinischer Bezug
Nukleoside, besonders das Adenosin, spielen auch einewichtige Rolle als extrazelluläre Signalmoleküle. Sieführen u. a. zu einer Relaxation der glatten Gefäßmus-kulatur und steigern die Durchblutung in vielen Ge-weben. Modifizierte Nukleoside können z. B. in dieentstehende Nukleinsäure von Viren eingebaut wer-den. Da dann kein weiterer Baustein gebildet werdenkann, wird die Synthese abgebrochen. Auf diese Weisefunktioniert z. B. Aciclovir (ACV, Zovirax), ein Medika-ment gegen das Herpes-simplex-Virus. Aciclovir ist einNukleosidanalog des Guanosins und wird durch die nurin infizierten Zellen vorhandene virusspezifische Thy-midinkinase zu ACV-Monophosphat und dann durchzelleigene Kinasen zum ACV-Triphosphat – der eigent-lich wirksamen Substanz – umgeformt. ACV-Triphos-phat hemmt die Virusvermehrung durch Blockade derviralen DNS-Replikation.
5.4.2.3 Die NukleotideDie Nukleotidstruktur kann man sich am Beispiel derAdenosinphophate deutlich machen (Abb. 5.40):Wenn an der primären alkoholischen OH-Gruppeam C-Atom 5' der Ribose eine Veresterung mit Phos-phorsäure erfolgt, entsteht ein Nukleotid. Bei unse-rem Beispiel mit Adenosin entsteht so Adenosin-5'-phosphat, das üblicherweise als Adenosinmonophos-phat (AMP) bezeichnet wird. Mit weiterenMolekülen
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Nukleinsäuren 193
Abb. 5.39 Die Tautomerie am Beispiel des Uracils
Tabelle 5.9
Nomenklatur der Nukleoside
Base Abkürzung Pentose Nukleosid Abkürzung
Adenin Ade Ribose Adenosin A
Desoxyribose Desoxyadenosin dA
Guanin Gua Ribose Guanosin G
Desoxyribose Desoxyguanosin dG
Cytosin Cyt Ribose Cytidin C
Desoxyribose Desoxycytidin dC
Thymin Thy Ribose Thyminribosid –
Desoxyribose Desoxythymidin dT
Uracil Ura Ribose Uridin U
Desoxyribose Desoxyuridin dU
5
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Phosphorsäure kommt man durch Bildung einer An-hydridbindung zum Adenosindi- bzw. Adenosintri-phosphat (ADP, ATP). Beide spielen im Energiestoff-wechsel eine große Rolle (Säureanhydridbindungengehören zu den energiereichen Bindungen).Eine Veresterung mit Phosphorsäure kann überdiesauch an der OH-Gruppe des dritten C-Atoms derRibose erfolgen. Adenosinmonophosphat kann aucheine Anhydridbindung mit Schwefelsäure eingehen.So entsteht „aktives Sulfat“ (s. S.139), das exakt als 3'-Phosphoadenosyl-5'-phosphosulfat (PAPS) bezeich-net werden muss. Es ist zur Einführung von Sulfat-gruppen z. B. in Glucosaminglykane notwendig. Nuk-leotide sind auch Bausteine gruppenübertragenderEnzyme wie FAD, FMN, NAD+, NADP+ sowie vom Co-enzym A.
5.4.3 DNA und RNANukleinsäuren sind Polynukleotide. Die einzelnenNukleotide enthalten verestert ein Molekül Phos-phorsäure und nicht wie im ADP oder ATP mehrereMoleküle Phosphorsäure.
An diesem Phosphorsäurebaustein ist eine weitereVeresterung möglich, es können sich Diester derPhosphorsäure bilden (s. S.189). Die OH-Gruppe amdritten C-Atom des Monosaccharidbausteins einesanderen Nukleotids bildet dabei die alkoholischeKomponente (Abb. 5.41). So entstehen die Nuklein-säurestränge. Desoxyribonukleinsäure (DNA) enthältals Zuckerkomponente Desoxyribose und die BasenAdenin, Guanin, Thymin und Cytosin. In der Ribonuk-leinsäure (RNA) ist Ribose enthalten, sie enthält Ura-cil anstelle von Thymin.Auch Nukleinsäuren besitzen eine Primär- und Se-kundärstruktur. Die Primärstruktur wird durch dieReihenfolge der Nukleotidbausteine festgelegt undist völlig variabel. Die Sekundärstruktur der DNA istdas Ergebnis der Paarung komplementärer Basen. Sieentsteht durch die Verdrillung von zwei Nukleotid-strängen, die durch Wasserstoffbrückenbindungenzwischen den Basenbestandteilen und andere zwi-schenmolekulare Wechselwirkungen (v. a. zwischenden Ringebenen der Basen) stabilisiert wird. Manspricht von einer Doppelhelix. Im Kapitel zur Stereo-chemie hatten wir bereits erwähnt, dass auch heli-
Die Nukleinsäuren 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen194
Abb. 5.40 Die Bildung vonAdenosin, Adenosinmono- undAdenosindiphosphat
5
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kale Strukturen chiral sind (s. S.105). Bei denNukleinsäuren handelt es sich vorwiegend umrechtsgängige Helices. Neben der doppelsträngigen
DNA gibt es auch noch die einzelsträngige RNA, diefür die Biosynthese der Proteine verantwortlich ist.Die Verknüpfung der zwei Nukleotidstränge ist nichtbeliebig, sondern genau festgelegt. Die Paarung er-folgt immer so, dass Adenin- und Thyminreste sowieGuanin- und Cytosinreste gepaart sind. Man sprichtvon komplementären Basenpaaren (Abb. 5.42).Der Durchmesser der in vivo vorliegenden Form derDoppelhelix beträgt etwa 2nm, für eine Windungder Doppelhelix werden 10 Basenpaare benötigt.Sie hat eine Höhe von 3,4nm. Die Basen befinden
sich im Innern des Stranges, während die Phosphor-säurediestergruppen nach außen zeigen. Da die Ba-senpaarung genau festgelegt ist, befinden sich immergenauso viel Purin- wie Pyrimidinbasen in einemDoppelstrang. Da die Kette lang ist, enthält sie sehrviele Basen. Deshalb fasst man zur Vereinfachungimmer 1000 Basen zu einer Kilobase zusammen.Der DNA-Gehalt von Säugetierzellen beträgt 4–8 pgpro Zelle. Setzt man den DNA-Gehalt des BakteriumsEscherichia coli gleich Eins, dann beträgt er im Ver-hältnis dazu beim Menschen103. Wenn man die ge-samte DNA einer Zelle als lineares Molekül annimmt,beläuft sich die Kettenlänge bei Escherichia coli auf1,36μm. Die humane DNA hat hingegen eine Länge
5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen Die Nukleinsäuren 195
Abb. 5.41 Der Ausschnitt aus einem Strang einer Desoxyribonukleinsäure (DNA) (a) und einer Ribonukleinsäure (RNA) (b)
Abb. 5.42 Die Ausbildung von Was-serstoffbrückenbindungen zwischenkomplementären Basenpaaren
5
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von 1,8m! Bei Eukaryonten ist die DNA mit Hilfe vonProteinen im Kern kondensiert. Sie bildet eine kom-plexe Struktur, die man Chromatin nennt.Die DNA ist durch eine festgelegte Sequenz der vierBasen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin gekenn-zeichnet. Wie viel Basen benötigt man zur Kodierungder 20 proteinogenen Aminosäuren? Zwei Basen rei-chen nicht aus, da sie nur 42 Kombinationsmöglich-keiten zulassen. Mit drei Basen gibt es schon 43 =64Kombinationsmöglichkeiten. Die kleinste Informa-tionseinheit muss also immer eine Gruppe aus dreiBasen sein, die man als Triplett oder Codon bezeich-net. Das Codon CAG verschlüsselt z. B. Glutamin. 64Kombinationsmöglichkeiten sind eigentlich schon zuviel, aber es gibt eine Reihe von Aminosäuren, diedurch mehrere Codons kodiert sind.
Check-up4 Wiederholen Sie nochmals den Aufbau der
Nukleinsäuren. Es ist wichtig, dass Sie dieStruktur der jeweiligen Bausteine erkennenkönnen.
4 Üben Sie auch noch einmal die korrekte Mar-kierung der Strukturelemente N-glykosid undder Phosphorsäureester bzw. -diester.
Die Nukleinsäuren 5 Chemie wichtiger Naturstoffklassen196
5
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Kapitel6
Anhang
6.1 Lösungen 199
6.2 Wichtige Zahlen und Formeln 203
6.3 Geschichte im Überblick 207
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6 Anhang
6.1 Lösungen
Kapitel Das wellenmechanische Atommodell,s. S. 15Die Elektronenkonfiguration für 16 Elektronen(Schwefelatom) ist 1 s22 s22p63 s23p4.
Kapitel Kovalente Bindung, s. S. 26Stickstoff N2
|N ≡ N|N –N ist nicht richtig, weil die N-Atome kein Elektro-nenoktett erreichen.
Chlorwasserstoff HClH – Cl |
Wasser
Methan
Carbonation
Kapitel Kovalente Bindung, s. S. 29Cl 17 Elektronen
1 s2 2 s2 2p6 3 s2 3px2 3py2 3pz1
oder: 1 s2 2 s2 2px2 2py2 2pz2 3 s2 3px2 3py2 3pz1
N 7 Elektronen1 s2 2 s2 2px1 2py1 2pz
1
Kapitel Gehalts- und Konzentrationsgrößen,s. S. 15a) Stoffmenge von 60mg Ethanol
m =60mg =60 · 10–3gM (C2H5OH): 46g/mol
= 1,3 · 10–3 mol =1,3mmol
Stoffmenge von 24,5 g Schwefelsäure
m =24,5 gM (H2SO4): 98 g/mol
= 0,25 mol
b) Masse von 2 mol NaClm=n · M n=2 mol
M (NaCl): 58,5 g/molm=2 mol · 58,5 g/mol =117g
Masse von 3mmol H3 PO4
m=n · M n=3mmol =3 · 10–3 molM (H3PO4): 98 g/mol
m=3 · 10–3 mol · 98g/mol = 294 · 10–3 g =294mg
c) Volumen von 1,7 g Ammoniakgas1. Berechnen der Stoffmenge
m=1,7 g M (NH3) = 17 g/mol
= 0,1 mol
2. Berechnen des Volumens
V=VM · n=22,4 l/mol · 0,1 mol = 2,24 l
Volumen von 24g O3
1. Berechnen der Stoffmenge
m=24gM (O3) = 48 g/mol
mol
2. Berechnen des Volumens
V=VM · n =22,4 l/mol · 0,5 mol =11,2 l
6 Anhang Lösungen 199
6
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Kapitel Löslichkeit und Löslichkeitsprodukt,s. S. 56Ag+ + Cl- R AgCl QKL = CAg
+ · CCl–
Es sind pro Liter 1,414 · 10–5 mol AgCl dissoziiert.In 100ml sind 1/10, also 1,414 · 10–6 mol dissoziiert.Berechnen der Masse:m=n · M M (AgCl) =143g/molm =1,414 · 10–6 mol · 143g/mol = 202,2 · 10–6 g=0,2022mg.
Kapitel Säuren und Basenstärke, s. S. 60Salzsäure c (HCl) = 0,01 mol/l= starke Säure, deshalb vollständige Protolyse
z =1pH = – lg(z · cHCl) = – lg 0,01 = – lg 10–2 =2
Schwefelsäure c (H2SO4) = 0,01 mol/l= starke Säure, ebenfalls vollständige Protolyse
z =2 (es können 2 Protonen abgegeben werden)pH = – lg (2 · 0,01) = – lg 0,02 =1,7
(hier handelt es sich um einen vereinfachten Rechen-ansatz)
Kapitel Neutralisation, s. S. 6110ml NaOH c =0,1 mol/l
n = c · V
· 0,01 l =
0,001 mol =10–3 mol
Die Stoffmenge NaOH beträgt 10–3 mol.
100ml HCl c =0,01 mol/ln = c · Vn =0,01 mol/l · 0,1 l =
0,001 mol = 10–3 molDie Stoffmenge HCl beträgt 10–3 mol.
Kapitel Neutralisation, s. S. 62Lösung a:1. NH4Cl ist ein Salz, dessen wässrige Lösung sauerreagiert.
2. Berechnung der Konzentration von NH4Cl
3. Berechnung des pH-Wertes
pKS =9,25
Lösung b:1. Es handelt sich um das Salz eines amphoterenAnions.
2.
pKS2 =2,12 pKS1 =7,20(Angaben für 22 °C)
Kapitel Säure – Base – Titrationen, s. S. 63a) Starke Säure – Starke Basez. B. HCl und NaOHam ÄP (Äquivalenzpunkt) liegen vor: Cl–, Na+, H2O
b) Schwache Säure – Starke Basez. B. CH3COOH und NaOHam ÄP liegen vor: Na+ sowie CH3COO– und H2O, diez. T. weiter reagieren.CH3COO– + H2O CH3COOH + OH–
c) Starke Säure – Schwache Basez. B. HCl und NH3
am ÄP liegen formal vor: NH4+ und Cl–
Da es sich um eine wässrige Lösung handelt, reagiertNH4
+ z. T. weiter:NH4
+ + H2O NH3 + H3O+
Lösungen 6 Anhang200
6
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6 Anhang Lösungen 201
Kapitel Puffer, s. S. 66Lösung a:1. Berechnung der Stoffmengen
Essigsäure liegt im Überschuss vor.
2. Aufstellen der Reaktionsgleichung
0,001 mol CH3COOH +0,0005 mol NaOHR 0,0005 mol Na+ +0,0005 mol CH3COO–
+0,0005 mol H2O +0,0005 mol CH3COOHEs hat nur die Hälfte der Essigsäure reagiert. Esentstand ein Puffersystem:
CH3COOH / CH3COO–
3. Berechnungmit der Henderson-Hasselbalch-Glei-chung
Der pH-Wert beträgt 4,75.
Lösung b:1. Berechnung der Stoffmengen
Es liegen äquivalente Stoffmengen vor, der Äqui-valenzpunkt wurde erreicht, an dem also formalnur NaCH3COO und H2O vorliegt.
2. Berechnung des pH-Wertes am ÄPDas Salz NaCH3COO reagiert alkalisch!Es liegen 0,001mol dieses Salzes in 150ml Lösungvor.
pKB =9,25pKB (CH3COO–)
Der pH-Wert beträgt 8,29.
Kapitel cis-trans-Isomerie, s. S. 104
6
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Kapitel Amine, s. S. 1431. Aufstellen der Reaktionsgleichung
2. Berechnen der Stoffmenge von Stickstoff:
4. Wegen des Gesetzes der konstanten Proportionenmüssen auch 0,5 · 10-3 mol Glycin vorgelegenhaben (vollständige Umsetzung vorausgesetzt).Berechnung der Masse Glycin:mGlycin = nGlycin · MGlycin MGlycin: 75 g/mol
=0,5 · 10–3 mol · 75g/molmGlycin =37,5 · 10–3 g =37,5mg
5. Berechnung des Massenanteilsmges =1g mGlycin =37,5 · 10–3 g
Der Massenanteil Glycin beträgt 0,0375 oder3,75%.
Kapitel Die Heterocyclen, s. S. 160
Lösungen 6 Anhang202
Kapitel Bindungsverhältnisse am Kohlenstoff-atom, s. S. 92
6
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Kapitel Einleitung und Nomenklatur organi-scher Verbindungen, s. S. 100Im Diphosphat ist die mittlere Bindung eine Anhy-drid-, die beiden äußeren sind eine Esterbindung.
Außerdem erkennt man alkoholische Hydroxygrup-pen (rot), eine Aminogruppe (grau) und eine Säure-amidgruppe (grau hinterlegt).
6 Anhang Wichtige Zahlen und Formeln 203
6.2 Wichtige Zahlen und Formeln
6.2.1 Angabe von Zahlenwerten als Zehner-potenzen
Zahlenwerte können immer als Dezimalzahlen ange-geben werden:a) 2,38mb) 0,00000000000012mc) 300 000 000m.Durch die vielen Nullenwerden die Angaben unüber-sichtlich. Es ist deshalb ratsam, mit Zehnerpotenzenzu arbeiten. Wir stellen die Zahl also als Produkt auseiner übersichtlichen Zahl und einer Potenz von 10(wiederholte Multiplikation oder Division von 10)dar.1000 =10 · 10 · 10 =103
100 =10 · 10 =102
10 =10 =101
0,1 =1/10 =10-1
0,01 =1/10 · 1/10 =10-2
0,001 =1/10 · 1/10 · 1/10 =10-3
Nun können wir (b) und (c) vereinfachen.(b) 1,2 · 10-13 m(c) 3 · 108 m
6.2.2 Einheiten und ihre VielfachenZahlen mit Einheiten können vereinfacht werden,indem man folgende Vorsätze bei den Einheiten ver-wendet:Für (c) können wir also 3 · 105 km schreiben.
Tabelle 1
Einheiten und ihre Vielfachen
Vorsatz Kurzzeichen Faktor, mit dem dieEinheit multipliziertwerden kann
Exa E 1018
Peta P 1015
Tera T 1012
Giga G 109
Mega M 106
Kilo k 103
Hekto h 102
Deka da 101
Dezi d 10–1
Zenti c 10–2
Milli m 10–3
Mikro µ 10–6
Nano n 10–9
Pico p 10–12
Femto f 10–15
Atto a 10–18
6
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Kapitel Einleitung und Nomenklatur organi-scher Verbindungen, s. S. 100Im Diphosphat ist die mittlere Bindung eine Anhy-drid-, die beiden äußeren sind eine Esterbindung.
Außerdem erkennt man alkoholische Hydroxygrup-pen (rot), eine Aminogruppe (grau) und eine Säure-amidgruppe (grau hinterlegt).
6 Anhang Wichtige Zahlen und Formeln 203
6.2 Wichtige Zahlen und Formeln
6.2.1 Angabe von Zahlenwerten als Zehner-potenzen
Zahlenwerte können immer als Dezimalzahlen ange-geben werden:a) 2,38mb) 0,00000000000012mc) 300 000 000m.Durch die vielen Nullenwerden die Angaben unüber-sichtlich. Es ist deshalb ratsam, mit Zehnerpotenzenzu arbeiten. Wir stellen die Zahl also als Produkt auseiner übersichtlichen Zahl und einer Potenz von 10(wiederholte Multiplikation oder Division von 10)dar.1000 =10 · 10 · 10 =103
100 =10 · 10 =102
10 =10 =101
0,1 =1/10 =10-1
0,01 =1/10 · 1/10 =10-2
0,001 =1/10 · 1/10 · 1/10 =10-3
Nun können wir (b) und (c) vereinfachen.(b) 1,2 · 10-13 m(c) 3 · 108 m
6.2.2 Einheiten und ihre VielfachenZahlen mit Einheiten können vereinfacht werden,indem man folgende Vorsätze bei den Einheiten ver-wendet:Für (c) können wir also 3 · 105 km schreiben.
Tabelle 1
Einheiten und ihre Vielfachen
Vorsatz Kurzzeichen Faktor, mit dem dieEinheit multipliziertwerden kann
Exa E 1018
Peta P 1015
Tera T 1012
Giga G 109
Mega M 106
Kilo k 103
Hekto h 102
Deka da 101
Dezi d 10–1
Zenti c 10–2
Milli m 10–3
Mikro µ 10–6
Nano n 10–9
Pico p 10–12
Femto f 10–15
Atto a 10–18
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6.2.3 Naturkonstanten und Basisgrößen
Die benutzten Einheiten müssen in Übereinstim-mung mit dem Internationalen Einheitensystem (SI)stehen.
Folgende Basisgrößen und Basiseinheiten sind in derMedizin wichtig:
Wichtige Zahlen und Formeln 6 Anhang204
Tabelle 2
Naturkonstanten
Bezeichnung Formelzeichen Betrag
Elementarladung e 1,60219 · 10-19 A · s
Ruhemasse des Elektrons m0,e 0,91095 · 10-30 kg
Ruhemasse des Protons m0,p 1,67265 · 10-27 kg
Ruhemasse des Neutrons m0,n 1,67495 · 10-27 kg
atomare Masseneinheit u 1,66057 · 10-27 kg
Avogadro-Konstante NA 6,02204 · 1023
Faraday-Konstante F 9,64853 · 104 A · s · mol-1
universelle Gaskonstante R 8,3145 J · K-1 · mol-1
absoluter Nullpunkt T 0 K; -273,15 °C
Normdruck pn 101325Pa; 1,01325bar
Tabelle 3
Basisgrößen und Basiseinheiten
Basisgröße Basiseinheit Einheitenzeichen Definition
Länge Meter m Das Meter ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuumwährend der Dauer von 1/299792458 Sekunden durchläuft.
Masse Kilogramm kg Das Kilogramm ist die Masse des internationalen Kilo-grammprototyps.
Stoffmenge Mol mol Das Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebensovielen Einzelteilchen besteht, wie Atome in 0,012 kg desKohlenstoffnuklids 12C enthalten sind.
Temperatur Kelvin K Das Kelvin ist der 273,16. Teil der thermodynamischenTemperatur des Tripelpunktes von Wasser.
Zeit Sekunde s Die Sekunde ist die Dauer von 9192631770 Perioden derStrahlung, die dem Übergang zwischen den beiden Hyper-feinstrukturniveaus des Grundzustands des Atoms Caesium133 entspricht.
6.2.4 Beispiele für abgeleitete SI-Einheiten
Tabelle 4
Abgeleitete SI-Einheiten
Größe Formelzeichen Name der Einheit Einheitenzeichen Beziehungen zwischen denEinheiten
Kraft F Newton N
Geschwindigkeit v Meter je Sekunde oderKilometer je Stunde
m/skm/h
Energie E,W Joule
Newtonmeter
J
Nm 1 J = 1W · s
Fläche A QuadratmeterHektar
m2
ha1m2=1m · 1m1ha=104m4
Volumen V KubikmeterLiter
m3
l1m3=1m · 1m · 1m1 l = 0,001m3 =1dm3
Druck p Pascal Pa
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6.2.5 Rechnen mit Potenzen und Logarithmen
Heute wird fast alles mit dem Taschenrechnergerechnet. Dabei besteht die Gefahr, dass dieEingabe und damit das Ergebnis fehlerhaftsein können. Bitte prüfen Sie daher immer miteiner Überschlagsrechnung, ob Ihr Ergebnisüberhaupt richtig sein kann.
Da wir im Kapitel über Gleichgewichte (s. S. 37) mitZehnerpotenzen und Logarithmen arbeiten, sollenhier die wichtigsten Regeln zusammengefasst wer-den.
Addieren bzw. Subtrahieren von Zahlen in Zehner-potenzangabeAddition und Subtraktion ist nur bei gleichen Zeh-nerpotenzen möglich:z. B.: a · 103 + b · 103 = (a + b) · 103
Wenn die Zehnerpotenzen nicht übereinstimmen,müssen Sie diese entsprechend umwandeln:a · 103 + b · 102 = a · 10 · 102 + b · 102 = (10 · a + b) · 102
Multiplikation von Zahlen in ZehnerpotenzenDie Exponenten werden addiert.a · 103 · b · 105 = a · b · 103+5= a · b · 108
Division von Zahlen in ZehnerpotenzenDie Exponenten werden subtrahiert.
LogarithmenJede Zahl a >0 kann man in einer beliebigen Potenz-schreibweise darstellen:a =bc
b ist die Basis und c der Logarithmus von a. Für cschreibt man:c = logb aUns interessiert vor allem das dekadische Systemmit10 als Basis.a =100100 =102
2 = log10 100= lg 100Es ist also ohne Taschenrechner sofort möglich, dendekadischen Logarithmus von 0,01 anzugeben. Siegeben diese Zahl als Zehnerpotenz an:0,01 =10–2
Der Exponent (-2) ist der Logarithmus von 0,01 zurBasis 10!Uns wird aber auch der natürliche Logarithmus be-gegnen. In diesem System ist die Zahl e (=2,718. . .)die Basis, deren Potenz ex zum Beschreiben natür-licher Vorgänge (Anwachsen eines Waldbestandesoder der Bevölkerungszahl der Erde) geeignet ist.
6 Anhang Wichtige Zahlen und Formeln 205
Tabelle 5
Umrechnung von Energieeinheiten (unter Berücksichtigung SI-fremder Einheiten)
J kW · h cal eV
1 J 1 2,7778 · 10-7 0,23885 6,2414 · 1018
1 kW · h 3,6 · 106 1 8,5985 · 105 2,2471 · 1025
1 cal 4,1868 1,1630 · 10-6 1 2,6131 · 1019
1 eV 1,6022 · 10-19 4,4502 · 10-26 3,8268 · 10-20 1
Tabelle 6
Umrechnung von Druckeinheiten (unter Berücksichtigung SI-fremder Einheiten)
Pa bar atm Torr
1Pa 1 1 · 10-5 9,86923 · 10-6 7,50064 · 10-3
1bar 1 · 105 1 0,986923 750,064
1 atm 1,01325 · 105 1,01325 1 760
1 Torr 133,322 1,33322 · 10-3 1,31579 · 10-3 1
6
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a =100100 = e4,605
4,605 = loge 100= ln 100Der dekadische und der natürliche Logarithmus las-sen sich leicht ineinander umwandeln:ln x =2,302 · lg xlg x =0,434 · ln xFür das Rechnen mit Logarithmen gelten folgendeRegeln, die hier für die dekadischen dargestellt wer-den:Addition von Logarithmen:lga + lgb = lg(a · b)
Subtraktion von Logarithmen
Potenzieren und Wurzelziehen:lg an = n · lg a
Beachten Sie folgende Grenzfälle:lg1 = ln1=0100 =1lg10 = ln e =1
Wichtige Zahlen und Formeln 6 Anhang206
Tabelle 7
Säure- und Basenkonstante bei 22 °C
Säurestärke KS in mol · l-1 pKs Formel der Säure Formel der korrespon-dierenden Base
pKB KB in mol · l-1 Basenstärke
extrem stark 1,1 · 1011 -11 HI I- 25 1,0 · 10-25 extremschwach
1,1 · 1010 -10 HClO4 ClO4– 24 1,0 · 10-24
1,0 · 109 -9 HBr Br– 23 1,0 · 10-23
1,0 · 107 -7 HCl Cl– 21 1,0 · 10-21
1,0 · 103 -3 H2SO4 HSO4– 17 1,0 · 10-17
55,5 -1,74 H3O+ H2O 15,74 1,8 · 10-16
2,1 · 101 -1,32 HNO3 NO3- 15,32 4,8 · 10-16
sehr stark 5,6 · 10-2 1,25 HOOC–COOH HOOC–COO- 12,75 1,77 · 10-13 sehr schwach
1,5 · 10-2 1,81 H2SO3 HSO3- 12,19 6,5 · 10-13
1,2 · 10-2 1,92 HSO4- SO4
2- 12,08 8,3 · 10-13
7,5 · 10-3 2,12 H3PO4 H2PO4- 11,88 1,3 · 10-12
6,0 · 10-3 2,22 [Fe(H2O)6]3+ [Fe(OH)(H2O)5]
2+ 11,78 1,7 · 10-12
schwach 7,2 · 10-4 3,14 HF F- 10,86 1,4 · 10-11 schwach
1,8 · 10-4 3,75 HCOOH HCOO- 10,25 5,6 · 10-11
2,6 · 10-5 4,58 C6H5NH3+ C6H5NH2 9,42 3,8 · 10-10
1,8 · 10-5 4,75 CH3COOH CH3COO- 9,25 5,6 · 10-10
1,4 · 10-5 4,85 [Al(H2O)6]3+ [Al(OH)(H2O)5]
2+ 9,15 7,1 · 10-10
3,0 · 10-7 6,52 H2CO3 HCO3- 7,48 3,3 · 10-8
1,2 · 10-7 6,92 H2S HS- 7,08 8,3 · 10-8
9,1 · 10-8 7,04 HSO3- SO3
2- 6,96 1,1 · 10-7
6,2 · 10-8 7,20 H2PO4- HPO4
2- 6,80 1,6 · 10-7
5,6 · 10-10 9,25 NH4+ NH3 4,75 1,8 · 10-5
4,0 · 10-10 9,40 HCN CN- 4,60 2,5 · 10-5
1,3 · 10-10 9,89 C6H5OH C6H5O- 4,11 7,8 · 10-5
4,0 · 10-11 10,40 HCO3- CO3
2- 3,60 2,5 · 10-4
sehr schwach 4,4 · 10-13 12,36 HPO42- PO4
3- 1,64 2,3 · 10-2 sehr stark
1,0 · 10-13 13,00 HS- S2- 1,00 1,0 · 10-1
extrem schwach 1,8 · 10-16 15,74 H2O OH- -1,74 55,5 extrem stark
1,0 · 10-23 23 NH3 NH2- -9 1,0 · 10-9
1,0 · 10-24 24 OH- O2- -10 1,0 · 10-10
6.2.6 Säure- und Basenkonstanten6
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6.3 Geschichte im Überblick
Chemie und Medizin – ein historischer Abriss‚,Ich betrachte das Krankenhaus nur als die Vorhalleder wissenschaftlichen Medizin, es ist ihr erstes Be-obachtungsfeld, in das der Arzt eintreten muss, aberdas Laboratorium ist das wahre Heiligtum der medi-zinischen Wissenschaft.“Claude Bernard
Diese Worte provozierten schon 1865, als sie vonBernard formuliert wurden, zahlreiche Diskussionendarüber, in welchem Verhältnis Medizin und Chemiestehen, welche Bedeutung Laborversuche haben.Chemische Vorgänge werden schon seit der Urzeitbeherrscht, sie konnten aber nicht erklärt werden,sondern wurden philosophisch oder mythologischgedeutet. Vorstellungen über den atomaren Aufbauder Materie, über Wasser, Luft, Feuer und Erde alsElemente und über Stoffumwandlungen findet manschon bei den griechischen Naturphilosophen wieDemokritos, Leukippos oder Aristoteles. Auch diepharmazeutische Wirkung von Pflanzen war be-kannt. So beschrieb Hippokrates schon 400 v. Chr.den Saft der Weidenrinde als Mittel gegen Schmer-zen. Dass es sich dabei um denWirkstoff Salicylsäurehandelt, wusste er genauso wenig, wie er den Wirk-mechanismus nicht erklären konnte. Neben pflanz-lichen und tierischen Stoffen benutzte dieser antikeArzt aber auch Schwefel, Natron, Kalk, Alaun oderVerbindungen der Metalle Blei, Eisen und Kupfer.Kupfervitriol, also eine Kupfersulfatlösung, war alsBrechmittel bekannt, Alaunlösungen wurden fürUmschläge und zum Gurgeln genutzt.Den Alchemisten, die nicht nur auf der Suche nachdem Stein der Weisen waren, sondern dabei selbsteinen höheren Seinszustand erreichen wollten, ver-danken wir sowohl Verfahren zur Herstellung vonMineralsäuren als auch verbesserte Destillationsver-fahren und Analysentechniken zur Reinheitsprüfungvon Metallen.Im 16. Jahrhundert kam durch Paracelsus der Anstoß,mineralische, insbesondere metallische Verbindun-gen vermehrt in den Arzneischatz aufzunehmen.Die Herstellung und therapeutische Anwendung die-ser chemischen Verbindungen war Gegenstand der
Iatrochemie (iatros gr. Arzt), der Chemie in der Handdes Arztes.Das langlebigste aller iatrochemischen Arzneimittelist übrigens das Glaubersalz (Na2SO4), das ‚,sal mira-bile“, dem man eine universelle Heilwirkung zuord-nete. Später wurde dem Salz nur noch eine laxie-rende Wirkung zugestanden, die man heute beiNa2SO4-haltigen Mineralwässern immer nochschätzt.Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde inMarburg derfür Deutschland erste Lehrstuhl für Iatrochemie ge-schaffen. Der Inhaber, Johannes Hartmann, bildete inseinem ‚,Laboratorium chymicum publicum“ Medi-zinstudenten vieler Nationen aus und gab der Iatro-chemie innovative Impulse. Das ‚,Laboratoriumchymicum“war für denMediziner so selbstverständ-lich wie der ‚,Hortus medicus“ oder das ‚,Theatrumanatomicum“. Im 18. Jahrhundert nahm das wechsel-seitige Interesse an Chemie bzw. Medizin ab, obwohlgerade zu dieser Zeit – dank so manchem Medizin-studenten, denn Chemiestudenten findet man in denMatrikelbüchern gewöhnlich erst im 19. Jahrhundert– in der Chemie ungeheure Fortschritte zu verzeich-nen waren. Der Sauerstoff wurde von Scheele undPriestley entdeckt, der Verbrennungsvorgang konntevon Lavoisier erklärt werden, quantitatives Vorgehenwurde selbstverständlich.Lavoisier, Berzelius und viele andere Gelehrte began-nen, sich mit der Untersuchung organischer, spezielltierischer Materialien zu beschäftigen. Sie entwickel-ten neue analytische Methoden, die organische Ele-mentaranalyse brachte Liebig zur Vollendung.Von der Chemie erhofften sich die Mediziner sowohlWege zur Gewinnung von Arzneimitteln, aber auchUnterstützung in der Diagnostik und eine Basis fürihre theoretischen Konzepte.Parallel dazu änderte sich die Ausbildung in der Me-dizin. Der medizinische Unterricht wurde zuneh-mend an das Krankenbett verlagert, es erfolgte einesorgfältige Beobachtung des Kranken und seinerSymptome. In dieser Situation entstand ein völligneuer Typ von Labor, das klinische Labor, das derKrankenversorgung und der klinischen Lehre dienensollte. Weder die klinischen noch die reinen For-schungslaboratorien konnten aber die in sie gesetz-ten Hoffnungen erfüllen, da z. B. die Chemie der Na-turstoffe noch nicht ausreichend erforscht war und
6 Anhang Geschichte im Überblick 207
6
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biochemische und physiologische Kenntnisse fehl-ten.Diese Situation änderte sich zu Beginn des 20. Jahr-hunderts schlagartig. Es lagen nun nicht nur die nö-tigen Kenntnisse über Kohlenhydrate, Purine undProteine vor, auch Hormone und Vitamine wurdenisoliert, Enzyme untersucht. Das Prinzip der Nerven-leitung als Freisetzung chemischer Stoffe und dieDNA als Trägerin der Erbinformationen wurden er-kannt. Der Kohlenhydrat-, Protein- und Fettstoff-wechsel konnte weitgehend erklärt werden. Paralleldazu kam es zu großen Fortschritten bei der Bereit-stellung synthetischer Arzneimittel. Fast alle Firmen
der chemisch-pharmazeutischen Industrie gründe-ten eigene chemotherapeutische Forschungsinsti-tute.Mediziner, Chemiker, Biologen und Physiker arbeitenheute Hand in Hand, gemeinsam gelang es, den ge-netischen Code des Menschen aufzuklären und da-mit ‚,Mensch“ auf molekularer Ebene zu verstehen.Mit dieser Information jedoch human umzugehen,liegt in der Verantwortung eines jeden.Die folgende Tabelle fasst einige der Gelehrten zu-sammen, deren Erkenntnisse in das chemische Wis-sen eingeflossen sind, das Ihnen in diesem Buch ver-mittelt werden sollte.
Geschichte im Überblick 6 Anhang208
6
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6 Anhang Geschichte im Überblick 209
NameVorname
Geb.datumund -ort
Sterbedatumund -ort
Studium und einige wichtige Leistungen
Arrhenius, SvanteAugust
19.02. 1859Vik bei Uppsala
02.10. 1927Stockholm
Studium der Naturwissenschaften, umfassende Formulierung derDissoziationstheorie, exakte Bestimmung der Neutralisationswärme,Untersuchung der Reaktionsgeschwindigkeit bei der Rohrzuckerin-version, Nobelpreis 1903 (Chemie)
Avogadro (Contede Quaregna),Amadeo
09.08. 1776Turin
09.07. 1856Turin
Jurastudium, autodidaktische Aneignung der Naturwissenschaften,Feststellung, dass alle Gase in einem definierten Volumen die gleicheAnzahl Moleküle enthalten, wenn Druck und Temperatur gleichsind; Hypothese, dass die kleinsten Teilchen der Gase Chlor,Wasserstoff und Stickstoff zweiatomige Moleküle sind
Baeyer, von Adolf 31.10. 1835Berlin
20.08. 1917Starnberg
Studium der Mathematik, der Physik und der Chemie, Konstitu-tionsaufklärung und Synthese des Indigo, Untersuchung der Stabilitätvon Ringsystemen, Engagement für die Verbesserung der Ausbildungfür Chemiker, Nobelpreis 1905 (Chemie)
Becquerel, Henri 15.12. 1852Paris
25.08. 1908Le Croisic
Studium der Physik, Untersuchungen zum Verhalten von Gasen undDämpfen im Magnetfeld, zur Lichtabsorption in Kristallen, zurEinwirkung phosphoreszierender und lumineszierender Substanzenauf Fotoplatten, Nobelpreis 1903 (Physik)
Beer, August 31.07. 1825Trier
18.11. 1863Bonn
Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften, Zusam-menfassung der Theorie über das Licht, Untersuchungen zuBrechungsindizes wässriger Salzlösungen
Bernard, Claude 12.07. 1813St. Julien (Rhône)
10.02. 1878Paris
Apothekerlehrling, Schriftsteller, Medizinstudium, Begründung derPhysiologie als selbständige Wissenschaft, Untersuchung der che-mischen Vorgänge bei der Verdauung, Isolation von Glycogen,Untersuchung der alkoholischen Gärung, Studien über den Blut-kreislauf
Berthelot, Pierre 25.10. 1827Paris
18.03. 1907Paris
Studium der Medizin und der Chemie, Arbeit auf dem Gebiet derZucker, Terpene und Glyceride, erstmals Durchführung einerFettsynthese, Prägung der Namen Acetylen für Ethin, Entdeckungdes Enzym Invertin
Berzelius, JönsJacob
20.08. 1779Väversunda
07.08. 1848Stockholm
Studium der Medizin und Chemie, Aufstellung einer Tabelle derAtom- und Verbindungsmassen, hervorragende analytische Fähig-keiten, Verbesserung der Laboratoriumstechnik (Lötrohrprobe,Reagenzgläser, Spritzflaschen, Bechergläser etc.), Entwicklung derchemischen Zeichensprache, Isolation von Fleisch-Milchsäure,Casein, Stärke, Aconitsäure, Brenztraubensäure, Ausbildung vielerausländischer Chemiker
Biot, Jean-Baptiste 21.04. 1774Paris
03.02. 1862Paris
Naturwissenschaftliche Ausbildung, Beobachtung der optischenAktivität der Glucose u. a. organischer Stoffe, Entwicklung einesPolarimeters
Boerhaave,Hermann
31.12. 1668Voorhout
23.09. 1738Leiden
Studium der Naturphilosophie und der Medizin, bedeutendsterKliniker und medizinischer Lehrer seiner Zeit, führte den klinischenUnterricht ein, Isolation von Harnstoff aus Harn
Bohr, Niels 07.10. 1885Kopenhagen
18.12. 1962Kopenhagen
Studium der Physik und Mathematik, aber auch der Astronomie undChemie, Weiterentwicklung des Atommodells, theoretische Erklä-rung des PSE, Nobelpreis 1922 (Physik)
Boltzmann, LudwigErhard
20.02. 1844Wien
05.09. 1906Duino bei Triest
Physikstudium, wesentliche Beiträge zur kinetischen Gastheorie,Entdeckung des Zusammenhangs zwischen Entropie und Wahr-scheinlichkeit
Boyle, Sir Robert 25.01. 1627Lismore Castle(Irland)
30.12. 1691London
Studium der Rechtswissenschaften, der Philosophie und der Mathe-matik, Definition der Elemente als einfache ungemischte Körper, indie zusammengesetzte Körper zerlegt werden können, Vertretereiner atomistischen Korpuskulartheorie, Anwendung von Pflanzen-farbstoffen als Indikatoren, Bestimmung der Neutralisationswärme,Beobachtung der Anomalie des Wassers
Braun, KarlFerdinand
06.06. 1850Fulda
20.04. 1918New York
Physikstudium, Untersuchungen zum thermodynamischen Gleich-gewicht, Erfindung einer Elektronenstrahlröhre und der drahtlosenTelegrafie, Nobelpreis 1909 (Physik)
Broglie, Prinz LouisVictor de
15.08. 1892Dieppe
19.03. 1987Louveciennes(bei Paris)
Studium der Geschichte und Physik, Arbeiten zur Theorie derMateriewellen, Nobelpreis 1929 (Physik)
6
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Geschichte im Überblick 6 Anhang210
NameVorname
Geb.datumund -ort
Sterbedatumund -ort
Studium und einige wichtige Leistungen
Brønsted, JohannesNicolaus
22.02. 1879Varde
17.12. 1947Kopenhagen
Studium des Chemie-Ingenieurwesens und der Chemie, Messungender EMK galvanischer Zellen, experimentelle Bestimmung vonAktivitätskoeffizienten, Definition der Säuren als Protonendonatorenund der Basen als Protonenakzeptoren
Bunsen, RobertWilhelm
31.03. 1811Göttingen
16.08. 1899Heidelberg
Studium der Chemie, der Mineralogie, der Physik und der Mathe-matik, Entwicklung gasanalytischer Methoden und Apparate (Bun-senbrenner), Entwicklung der Iodometrie, Verbesserung derSpektralanalyse
Butenandt, Adolf 24.03. 1903Bremerhaven
18.01. 1995München
Studium der Naturwissenschaften, Untersuchung von Steroidhor-monen (Isolation von Östron, Androsteron, Progesteron, Testosteronund Konstitutionsaufklärung), Untersuchungen zum Ab- und Umbaudes Tryptophans bei Insekten, Nobelpreis 1939 (Chemie)
Butlerow,Alexander M.
25.08. 1828Tschistopol
05.08. 1886Butlerowka
Studium der Chemie, Prägung der Begriffe „Struktur“ und „Struk-turformel“, systematische Studien der Polymerisationsreaktionen,Durchführung von Zuckersynthesen, Beobachtung der Tautomerie
Cahn, RobertSidney
09.06. 1899 15.09. 1981 Chemiestudium, Beiträge zur Stereochemie, Tätigkeit bei der RoyalSociety of London
Cavendish, Henry 10.10. 1731Nizza
24.02. 1810London
Universitätsstudien ohne Abschluss, herausragende Leistungen aufdem Gebiet der Gase, Entdeckung von Wasserstoff und Kohlendioxid,Nachweis, dass Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff entsteht,Konstruktion genauer Thermometer, Arbeiten über die elektrischeLeitfähigkeit von Salzlösungen
Chevreul,Michel Eugène
31.08. 1786Angers
09.04. 1889Paris
Chemiestudium, Begründer der Fett- und Seifenchemie, syste-matische Bearbeitung der Färbereichemie, Isolation von Cholesterinaus Gallensteinen
Claisen, Ludwig 14.01. 1851Köln
05.01. 1930Godesberg
Studium der Naturwissenschaften, Beobachtung der KondensationCH-acider Verbindungen mit einem Ester, Beschäftigung mitTautomerieproblemen, Entwicklung der fraktionierten Destillationunter vermindertem Druck
Crick, Francis H.C. 08.07. 1916Northampton
Physikstudium, Entwicklung des Doppel-Helix-Modells der DNA,Nobel-Preis 1962
Curie, Marie 07.11. 1867Warschau
04.07. 1934Sancellemoz
Studium der Physik und Chemie, Untersuchungen zur Radioaktivität,Nachweis von Polonium und Radium, Nobelpreis 1903 (Physik) und1911 (Chemie)
Dalton, John 06.09. 1766Eaglesfield
27.07. 1844Manchester
Autodidakt, bereits mit 12 Jahren Tätigkeit als Lehrer, Untersuchun-gen zum Partialdruck und zur Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten,Aufstellung einer Atommassentabelle, Feststellung des Gesetzes dermultiplen Proportionen, Weiterentwicklung der Atomtheorie,Einführung einer neuen Symbolik, Entdeckung der Farbblindheit ansich selbst
Daniell, JohnFrederic
12.03. 1790London
13.03. 1845London
Privatausbildung, Bearbeitung von Problemen der Kristallbildung undihrer Auflösung, Entwicklung eines Hygrometers zur Bestimmung derLuftfeuchtigkeit, Erfindung des Zink-Kupfer-Elements
Davy, Sir Humphry 17.12. 1778Penzance(Cornwall)
29.05. 1829Genf
Lehre bei einem Chirurgen, Untersuchung der Einwirkung von Gasenauf den menschlichen Körper, Entdeckung der berauschendenWirkung des Lachgases, Begründer der Elektrochemie, Arbeiten zurElektrolyse, Entdeckung von Kalium und Natrium, Wasserstoff ist dercharakteristische Bestandteil einer Säure
Demokritos ausAbdera
um 460 v. Chr. um 371 v. Chr. Gilt neben Leukippos als Hauptvertreter der griechischen Atomistik,Prägung des Begriffs „atomos“ , die Welt besteht aus Atomen, diesich im leeren Raum ständig bewegen
Döbereiner,Johann Wolfgang
13.12. 1780Bug
24.03. 1849Jena
Apothekerlehre, Errichtung der ersten Stärkezuckerfabrik, Herstel-lung von Farbstoffextrakten aus Pflanzen, Untersuchung katalytischerVorgänge, Untersuchung der Oxidation von Ethanol, Ausarbeitungder Triadenlehre als Vorläufer des PSE
Donnan, FrederickGeorge
06.09. 1870Colombo
16.12. 1956Canterbury
Studium der Physik und Chemie, Arbeiten zur Kolloidchemie,Messung des osmotischen Drucks, Trennung von Ionen unter-schiedlicher Größe an Membranen
Ehrlich, Paul 14.03. 1854Strehlen
20.08. 1915Bad Homburg
Medizinstudium, Verwendung synthetischer Farbstoffe zum Anfärbenvon Zellen und Geweben, Entwicklung von Salvarsan alsChemotherapeutikum,Nobelpreis 1908 (Medizin)
6
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6 Anhang Geschichte im Überblick 211
NameVorname
Geb.datumund -ort
Sterbedatumund -ort
Studium und einige wichtige Leistungen
Erlenmeyer, Emil 28.06. 1825Wehen
22.01. 1909Aschaffenburg
Medizin- und Chemiestudium, Postulat der Doppelbindung für Ethenund der Dreifachbindung für Ethin, Bildung des Begriff derWertigkeit, Beschäftigung mit der Frage, wie viel OH-Gruppen einC-Atom tragen kann, Erfindung des Erlenmeyer-Kolbens
Faraday, Michael 22.09. 1791NewingtonButts
25.08. 1867Hampton Court
Einer der bedeutendsten Naturforscher aller Zeiten, Autodidakt,Entdeckung des Elektromagnetismus, Isolation von Benzen undButen, Isomerie des Butens, Entdeckung der elektrolytischenGrundgesetze, Erfindung des Elektromotors, Entwicklung von rost-freiem Stahl
Fehling,von Hermann
09.06. 1812Lübeck
01.07. 1885Stuttgart
Studium der Naturwissenschaften, besonders der Chemie, Ent-wicklung analytischer Methoden für technische Zwecke (Bestim-mung der Wasserhärte, Zuckernachweis)
Fischer,Emil Hermann
09.10. 1852Euskirchen
15.07. 1919Berlin
Chemiestudium, Arbeit über Purine und Zucker, später Amino-säureforschung, Entwicklung von Veronal als Schlafmittel, Nobelpreis1902 (Chemie)
Galenos, Claudius 129Pergamon
um 199Rom
Ausbildung in Mathematik, Philosophie und Medizin, Repräsentantder antiken Medizin, Bestimmung der Dichte von Salzsole
Galvani, Luigi 09.09. 1737Bologna
04.12. 1798Bologna
Studium der Literatur, der Philosophie und der Medizin, Annahmeeiner tierischen Elektrizität, vergleichende Untersuchungen zurAnatomie
Geiger, Hans 30.09. 1882Neustadt/Weinstr.
24.09. 1945Potsdam
Physikstudium, Versuche zur Ablenkung von a-Strahlen beimDurchgang von Materie, Feststellung der Identität von Ordnungs-und Kernladungszahl
Gerhardt, Charles 21.08. 1816Strasbourg
19.08. 1856Strasbourg
Chemiestudium, Beiträge zur Klärung der Begriffe Atom undMolekül, Prägung des Begriffs „homologe Reihe“, Entdeckung vonPhenol
Gibbs, Josiah W. 11.02. 1839New Haven
28.04. 1903New Haven
Mathematik- und Physikstudium, bedeutende Ergebnisse zur statis-tischen Mechanik, Thermodynamik und chemischenGleichgewichtslehre
Glauber,Johann Rudolph
1604Karlstadt
10.03. 1670Amsterdam
Apothekerlehre, Entdeckung zahlreicher Stoffklassen und einzelnerStoffe, Ordnung der Metalle nach dem Grad ihrer Auflösbarkeit inMineralsäuren, Gewinnung organischer Naturstoffe, breite Anwen-dung chemischer Substanzen für medizinische Zwecke
Guldberg,Cato Maximilian
11.08. 1836Kristiania
14.01. 1902Kristiania
Naturwissenschaftliches Studium, Untersuchung von Problemen derchemischen Affinität, Entdeckung des Massenwirkungsgesetzes
Hartmann,Johannes
15.01. 1568Amberg
17.12. 1631Kassel
Studium der Mathematik, Inhaber des ersten Lehrstuhls fürIatrochemie in Deutschland, Gründung eines chemischen Univer-sitätslaboratoriums
Hasselbalch,Karl Albert
1874Jutland
1962 Medizinstudium, Beschreibung einer geeigneten Methode, um denBlut-pH mit einer Wasserstoffelektrode zu messen, später Landwirt,Einführung der Bestimmung des Boden-pH
Haworth, Sir WalterNorman
19.03. 1883White Coppice
18.03. 1950Barnt Greenbei Birmingham
Chemiestudium, Forschungen zum Vitamin C, Konstitutionsbestim-mung von Kohlenhydraten, Ermittlung der Struktur von Celluloseund Amylopektin, Nobelpreis 1937 (Chemie)
Heisenberg,Werner Karl
05.12. 1901Würzburg
01.02. 1976München
Mathematik- und Physikstudium, Begründung der Quantenmecha-nik, Formulierung der Unbestimmtheitsrelation
Helmholtz, vonHermann Ludwig
31.08. 1821Potsdam
08.09. 1894Berlin
Studium der Medizin und Chirurgie, Begründung des Gesetzes vonder Erhaltung der Energie, Beweis, dass Gärung und Fäulnischemische Vorgänge sind, Versuche bei Stoffwechselvorgängen,Untersuchungen zum Sehvorgang, Arbeiten über reversible Prozesse
Henderson, Lau-rence Joseph
03.06. 1878Lynn(Massachusetts)
10.02. 1942Boston
Chemiestudium, eingehende Untersuchung der Säure-Base-Gleich-gewichte im Körper, Einführung von Nomogrammen in die Bio-chemie
Henry, Thomas 28.09. 1734Wrexham (Wales)
18.06. 1816Manchester
Apothekerlehre, Untersuchung des Fäulnisprozesses bei Fleisch,Milch und Früchten, besonders das Stoppen durch Kohlendioxid,Herstellung von Sodawasser durch Einleiten von CO2 in Wasser
Henry, William 12.12. 1774Manchester
02.09. 1836Pendlebury
Medizinstudium, stellte fest, dass die Menge des in einer Flüssigkeitgelösten Gases dem Druck des über der Flüssigkeit befindlichenGases proportional ist, Identifizierung des Methans als Bestandteildes Leuchtgases
6
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Geschichte im Überblick 6 Anhang212
NameVorname
Geb.datumund -ort
Sterbedatumund -ort
Studium und einige wichtige Leistungen
Hess, HermannHeinrich
07.08. 1802Genf
12.12. 1850St. Petersburg
Studium der Medizin und Chemie, Untersuchung der bei chemischenReaktionen freiwerdenden Wärmemengen
Hippokrates vonKos
um 460 v. Chr.Kos
um 370wahrscheinlichLarisa
Einer der bedeutendsten Ärzte der Antike, Beschreibung von 236Pflanzendrogen und der Metalle Kupfer, Silber, Gold, Zinn, Blei undEisen, Gesundheit ist die richtige Mischung der Körpersäfte: Blut,Schleim, gelbe und schwarze Galle
Hoppe-Seyler, Felix 26.12. 1825Freyburg(Unstrut)
10.08. 1895Wasserburg(Bodensee)
Medizinstudium, belegte auch chemische und physiologische Vorle-sungen, Einführung neuer physikalisch-chemischer Analysenmetho-den bei der Untersuchung von Körperflüssigkeiten, Untersuchungenzum Sauerstofftransport im Blut
Hund, Friedrich 04.02 .1896Karlsruhe
31.03. 1997Göttingen
Mathematik-, Physik- und Geographiestudium, bedeutende Arbeitenzum Atombau und zur Quantentheorie, Entwicklung der MO-Theorie
Ingold, SirChristopher Kelk
28.10. 1893Ilford
08.12. 1970London
Chemiestudium, exzellenter Chemiker, Physiker und Mathematiker,bearbeitete alle Teile der theoretischen Chemie, Prägung der BegriffeMesomerie, elektrophil, nucleophil, induktiver Effekt
Joule, JamesPrescott
24.12. 1818Salford(bei Manchester)
11.10. 1889Sale (bei London)
Privatstudium der Chemie, Physik und Mathematik bei Dalton,Untersuchung elektromagnetischer Kräfte, Bestimmung des me-chanischen Wärmeäquivalents
Jungius, Joachim 22.10. 1587Lübeck
23.09. 1657Hamburg
Studium der Mathematik und der Logik, später der Medizin,Weiterentwicklung der Atomistik, Forderung nach Anwendung derWaage bei chemischen Experimenten, Erklärung der Rotfärbungeines Eisenstabes beim Eintauchen in eine Kupfersulfatlösung
Kekulé von Strado-nitz, August
07.09. 1829Darmstadt
13.07. 1896Bonn
Architektur-, später Chemiestudium, Formulierung der Vierwertig-keit des Kohlenstoffatoms, Lehre von der direkten Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung, Entwicklung des Benzenmodells und derOszillationshypothese
Kirchhoff,Gustav Robert
12.03. 1824Königsberg
17.10. 1887Berlin
Studium der Mathematik und Physik, entscheidender Anteil an derEntdeckung der Grundgesetze der elektromagnetischen Strahlung,Methode der Spektralanalyse als neues analytisches Verfahren,Entdeckung von Caesium und Rubidium
Kjeldahl,Johann Gustav
16.08. 1849Jaegerspris(Dänemark)
18.07. 1900Tisvildeleje(Dänemark)
Chemiestudium, Beschäftigung mit zuckerbildenden Enzymen, Ent-wicklung einer neuen Methode zur Stickstoffbestimmung in organ-ischen Substanzen
Knoevenagel, Emil 18.06. 1865Linden(bei Hannover)
11.08. 1921Berlin
Chemiestudium, Untersuchung der Kondensation der Malonsäuremit Aldehyden oder Ketonen und andere Arbeiten auf anorgani-schem, organischem und physiko-chemischem Gebiet
Kossel, Albrecht 16.09. 1853Rostock
05.07. 1927Heidelberg
Medizinstudium, Untersuchung der Chemie des Zellkerns, Entde-ckung von Adenin, Thymin, Cytosin, Uracil, Nobelpreis 1910(Medizin)
Lambert, JohannHeinrich
26.08. 1728Mülhausen (Elsass)
25.09. 1777Berlin
Autodidakt, Mathematiker, Astronom, Philosoph, Vorstellungen vomabsoluten Nullpunkt, Entwicklung von Messmethoden für dieLichtstärke und Lichtabsorption
Lavoisier, AntoineLaurent
26.08. 1743Paris
08.05. 1794Paris
Jurastudium, später intensive Beschäftigung mit Chemie, wissen-schaftliche Aufklärung des Verbrennungsvorgangs unter Benutzungder Waage, Untersuchung des Atmungsvorgangs, wesentlicheElemente der heutigen anorganischen Nomenklatur, neues Symbol-system, Neudefinition von Element, Säure, Base, Salz
Le Chatelier, HenryLouis
08.10. 1850Paris
17.09. 1936Miribel-les-chelles
Studiumder Chemie, Physik und des Ingenieurwesens, Formulierungdes Prinzips des kleinsten Zwangs, Erfindung eines Thermoelements,Ermittlung der spezifischen Wärme von Gasen
Leukippos aus Milet um 490 v. Chr. um 420 v. Chr. mit Demokrit Begründung der spekulativen Atomtheorie
Lewis,Gilbert Newton
23.10. 1875Weymouth(Massachusetts)
23.03. 1946Berkeley(Kalifornien)
Chemie- und Ökonomiestudium, Verbreitung der Thermodynamik inAmerika, Arbeiten über die Valenztheorie, Untersuchung von Bin-dungsenergien, Weiterentwicklung der Säure-Base-Theorie
Libavius, Andreas um 1550Halle
25.07. 1616Coburg
Studium der Philosophie und Medizin, in Form von Briefen anberühmte Ärzte Behandlung praktischer Operationen wie Lösen,Destillieren und Sublimieren, Forderung nach Einrichtung chemischerLaboratorien, Beschäftigung mit der Darstellung von Mineralsäuren
6
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6 Anhang Geschichte im Überblick 213
NameVorname
Geb.datumund -ort
Sterbedatumund -ort
Studium und einige wichtige Leistungen
Liebig, Freiherr von,Justus
12.05. 1803Darmstadt
18.04. 1873München
Chemiestudium ohne Abschluss, Einrichtung des chemischen Prak-tikums als Ergänzung zur Experimentalvorlesung, Lehrer vielerberühmter Chemiker, Weiterentwicklung der organischen Elemen-taranalyse, Forcierung der Entwicklung der Agrikulturchemie, Ver-such, eine naturwissenschaftliche Grundlage für die Medizin zuschaffen, Bearbeitung von praktischen Problemen (Fleischextrakt,Herstellung von Backpulver und Säuglingsnahrung), wesentlicheBeiträge zur Popularisierung der Chemie
Lomonossow,MichailWassiljewitsch
19.11. 1711Denisovka (beiArchangelsk)
15.04. 1765St. Petersburg
Studium der Philosophie, Mathematik, Chemie und Mineralogie,Tätigkeit auf vielen Gebieten der Künste und der Naturwissenschaf-ten, durch Wägungen Beweis für die Erhaltung der Masse beichemischen Reaktionen, Beschäftigung mit der Ursache für Krankheit
London,Fritz Wolfgang
07.03. 1900Breslau
30.03. 1954Durham
Studium der Philosophie, später der theoretischen Physik, beschäf-tigte sich mit Spektroskopie und Quantenmechanik, quantenme-chanische Deutung zwischenmolekularer Wechselwirkungen,Mitbegründer der VB-Theorie
Loschmidt, Joseph 15.03. 1821Putschirn(bei Karlsbad)
08.07. 1895Wien
Philologie- und Philosophiestudium, später Naturwissenschaften,Berechnung des Durchmessers von Molekülen mit der kinetischenGastheorie, daraus Schätzung der Anzahl der Moleküle je Millilitereines Gases, Vermutungen zu Doppel- und Dreifachbindungen undzur Struktur des Benzens
Markownikow,Wladimir W.
10.12. 1838Tschjernoretschje
29.01. 1904Moskau
Studium der Staatswissenschaften, später der Chemie, Untersuchungder Addition von Halogenwasserstoffen an unsymmetrische Alkene,wesentliche Arbeiten zur Chemie des Erdöls, Entdeckung vonNaphthenen im Erdöl
Mendelejew, DmitriIwanowitsch
08.02. 1834Tobolsk
02.02. 1907St. Petersburg
Chemiestudium, Entwicklung des Periodischen Systems der Ele-mente, weitreichende Schlussfolgerungen für bis dahin unbekannteElemente, Untersuchung des Erdöls
Menten,Maud Leonora
20.03. 1879Port Lambton
02.07. 1960Ontario
Medizinstudium, Konzepte zur Beschreibung biologischer Reaktio-nen, Untersuchungen zu Blutzucker und Hämoglobin, studierteaußerdem Sprachen, Musik und Kunst
Meyer, JuliusLothar
19.08. 1830Varel (Oldenburg)
12.04. 1895Tübingen
Medizinstudium, später der mathematischen Physik, Untersuchun-gen der Gase des Blutes und zur Einwirkung von Kohlenmonoxid aufBlut, Entwicklung des kurzperiodischen Systems der Elemente,Neuberechnung von Atommassen, Ermittlung von physikalisch-chemischen Konstanten
Michaelis, Leonor 16.01. 1875Berlin
09.10. 1949New York
Medizin- und Chemiestudium, Arbeiten zu Redoxreaktionen inlebenden Systemen und zu enzymkatalysierten Reaktionen
Mitscherlich,Eilhard
07.01. 1794Neuende
28.08. 1863Schönberg (Berlin)
Philologie-, später Medizinstudium, fand mit Liebig die Formel fürMilchsäure, konnte die Zusammensetzung von Iodoform, Harnsäureund Hippursäure klären, Untersuchungen zur Inversion des Rohr-zuckers und der optischen Inaktivität der Traubensäure
Mohr, Karl Friedrich 04.11. 1806Koblenz
28.09. 1879Bonn
Studium der Botanik, Chemie, Physik und Mineralogie, wichtigeArbeiten auf dem Gebiet der analytischen Chemie, Ausbau derMaßanalyse, Konstruktion verschiedener Laborgeräte
Mulder,Gerardus Johannes
27.12. 1802Utrecht
18.04. 1880Bennekom(Niederlande)
Medizinstudium, Entwicklung der Proteintheorie, nach der die imTierreich entstehenden eiweißartigen Stoffe auf dieselbe Ausgangs-substanz (Protein) zurückgeführt und in Pflanzen synthetisiertwerden können.
Nernst,Walter Hermann
25.06. 1864Briesen(Westpreußen)
18.11. 1941Ober-Zibelle(Oberlausitz)
Physikstudium, Arbeit an der Dissoziationstheorie, Klärung vonVorgängen an galvanischen Zellen und zum Verteilungsgleichgewichteines Stoffes in zwei nicht miteinander mischbaren Lösungsmitteln,Berechnung von Gleichgewichtslagen bei Reaktionen von Gasen
Newman, MelvinSpencer
10.03. 1908New York, City
30.05. 1993Columbus (Ohio)
Chemie- und Mathematikstudium, Untersuchung sterischer Effekteund von „overcrowded“ Molekülen, Arbeiten zu polycyclischenKohlenwasserstoffen
Newton, Isaac 25.12. 1642Woolsthorpe(Lincolnshire)
21.03. 1727Kensington(London)
Studium der Sprachen, Geschichte, Optik und Mathematik, Ausar-beitung der Korpuskulartheorie, der Gravitationstheorie, der Infini-tesimalrechnung, Herstellung niedrig schmelzender Legierungen
Ostwald Wilhelm 02.09. 1853Riga
04. 04. 1932Großbothen(Leipzig)
Chemiestudium, Untersuchung von Elektrolytlösungen, Erkenntnis,dass mehrprotonige Säuren stufenweise dissoziieren, Kinetik- undKatalyseforschung, Nobelpreis 1909 (Chemie)
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Geschichte im Überblick 6 Anhang214
NameVorname
Geb.datumund -ort
Sterbedatumund -ort
Studium und einige wichtige Leistungen
Paracelsus,Theophrastus
Ende 1493Einsiedel(bei Zürich)
24.09 .1541Salzburg
Unterricht in Chemie und Medizin, Studium an verschiedeneneuropäischen Universitäten, Begründung der Iatrochemie, schuf dieVoraussetzung dafür, dass die Chemie zum Ausbildungsbestandteilder Ärzte und Apotheker wurde, Verwendung von Metallen und ihrenVerbindungen in der Medizin
Pasteur, Louis 27.12. 1822Dôle
28.09. 1895Villeneuve l'Etang
Chemiestudium, Arbeiten über optisch aktive Verbindungen,Begründung der modernen Stereochemie, Feststellung, dass Gärungeine physiologische Funktion der Hefe ist, Züchtung von Mikrobender Milchsäure-, Buttersäure- und Essigsäuregärung, Zurückdrän-gung der anaeroben Gärung durch Sauerstoffzutritt, auch durchErhitzen auf 45–65 °C können Zersetzungsprozesse verlangsamtwerden
Pauli, Wolfgang 25.04. 1900Wien
15.12. 1958Zürich
Physik- und Mathematikstudium, wesentliche Beiträge zur Rela-tivitätstheorie und zur Quantenmechanik
Pauling, Linus Carl 28.02. 1901Portland (Oregon)
19.08. 1994Palo Alto
Studium der chemischen Verfahrenstechnik, theoretische Arbeitenzur Natur der chemischen Bindung, Untersuchungen zur Struktur vonAntikörpern und Proteinen, molekulare Grundlagen der Anästhesie,Nobelpreis 1954 (Chemie), Friedensnobelpreis 1962
Pettenkofer,von Max Joseph
03.12. 1818Lichtenheim
10.02. 1901München
Studium der Pharmazie und Medizin, zwischenzeitlich Schauspieler,später Studium der Chemie, Versuche zur Ermittlung der mensch-lichen Stoffbilanz mit einem Respirationsapparat, Untersuchung vonProblemen der Hygiene
Pfeffer, Wilhelm 09.03. 1845Grebenstein(Kassel)
31.01. 1920Leipzig
Chemiestudium, Arbeiten auf dem Gebiet der Pflanzenphysiologie,Messung der bei den Vorgängen an den Zellwänden wirkendenosmotischen Kräfte, Bau eines Osmometers
Pitzer, KennethSanborn
06.01. 1914Pomona(Kalifornien)
26.12. 1997Berkeley
Chemiestudium, quantentheoretische und thermodynamischeStudien zur Struktur und zu den Eigenschaften von Molekülen
Prelog, Vladimir 23.07. 1906Zarajevo
07.01. 1998Zürich
Chemiestudium, bedeutende Arbeiten zur Stereochemie, überAlkaloide und Antibiotika, Nobelpreis 1975 (Chemie)
Priestley, Joseph 13.03. 1733Fieldhead (Leeds)
06.02. 1804Northumberland(Pennsylvania)
Studium der Theologie, der Philosophie und der Naturwissenschaf-ten, Untersuchung verschiedener wasserlöslicher Gase, Entwicklungder pneumatischen Wanne, Entdeckung von Sauerstoff, Herstellungvon Chlorwasserstoff, Ammoniak, Kohlenmonoxid etc.
Richter,Jeremias Benjamin
10.03. 1762Hirschberg
04.04. 1807Berlin
Studium der Philosophie und Mathematik, autodidaktische Ausbil-dung in Chemie, Einführung der Mathematik in die Chemie
Röntgen, WilhelmConrad
27.03. 1845Lennep
10.02. 1923München
Ausbildung zum Maschineningenieur, dann Physikstudium, Arbeitenzur Kristallphysik, Entdeckung und Untersuchung von Röntgen-strahlen
Rutherford, Lord(Baron of Nelson),Ernest
30.08. 1871Brightwater(Neuseeland)
19.10. 1937Cambridge
Studium der Mathematik und Physik, Forschungen an radioaktivenSubstanzen, Postulat von der Existenz eines Atomkerns, Voraussageder Existenz von Neutronen, Erkenntnis, dass WasserstoffkerneProtonen sind, Nobelpreis 1908 (Chemie)
Sala, Angelus 1576Vicenza (Venetien)
02.10. 1637Güstrow
Anhänger von Paracelsus bei der Anwendung von quecksilber- undantimonhaltigen Heilmitteln, klärte den für eine Mutation gehaltenenVorgang der Bildung von Kupfer an einem in Kupfersulfatlösungeingetauchten Eisenstab, erkannte das Prinzip der Unzerstörbarkeitdes Stoffes
Sanger, Frederick 13.08. 1918Rendcomb(Gloucestershire)
Chemiestudium, Strukturbestimmung von Proteinen, Klärung derPeptidsequenz des Insulins, Sequenzanalyse der DNA eines Bakte-riophagen, Nobelpreis 1958 und 1980 (Chemie)
Scheele, CarlWilhelm
09.12. 1742Stralsund
21.05. 1786Köping
Apothekerlehre, war maßgeblich an der Entdeckung vieler Elemente(Wasserstoff, Fluor, Chlor, Sauerstoff u. a.) beteiligt, erweiterte dieAnzahl der damals bekannten organischen Säuren (Harnsäure,Milchsäure, Schleimsäure), Weiterentwicklung analytischer Metho-den
Scherer von,Johann Joseph
13.03. 1814Aschaffenburg
17.02. 1869Würzburg
Medizin- und Chemiestudium, Mitbegründer der Klinischen Chemie,quantitative Analysen von Blut, Harn, Galle, Isolierung von Inosit undHypoxanthin aus Fleischsaft
Schiff, Hugo 26.04. 1834Frankfurt/Main
08.09. 1915Florenz
Chemiestudium, beschäftigte sich mit vielen Problemen der Orga-nischen Chemie, befasste sich mit der Biuretreaktion und mit derReaktion von Aminen mit Aldehyden
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6 Anhang Geschichte im Überblick 215
NameVorname
Geb.datumund -ort
Sterbedatumund -ort
Studium und einige wichtige Leistungen
Schmidt, Carl 13.06. 1822Mitau (bei Riga)
27.02. 1894Dorpat
Studium der Naturwissenschaften und der Medizin, zahlreichebahnbrechende Arbeiten über Verdauung, Stoffwechsel, Blut, Lym-phe u. a., prägte den Begriff „Kohlenhydrat“
Schrödinger, Erwin 12.08. 1887Wien
05.01. 1961Wien
Physik- und Mathematikstudium, Begründung der Wellenmechanik,Nobelpreis 1933 (Physik)
Seignette, Elie 1632La Rochelle
1698 Apotheker, Entwicklung einer Herstellungsmethode für Kalium-Natrium-Tartrat
Sírensen,Síren Peter Laurits
09.01. 1868Havrebjerg(Dänemark)
12.02. 1939Kopenhagen
Studium der Medizin und Chemie, beschäftigte sich mit derReindarstellung von Salzen, Untersuchung an Proteinen und Enzy-men, Synthese von Aminosäuren, Untersuchung des Einflusses derWasserstoffionenkonzentration auf die Enzymaktivität, Einführungdes Begriffs „pH-Wert“
Stahl, Georg Ernst 21.10. 1660Ansbach
14.05. 1734Berlin
Medizinstudium, begründete die Phlogistontheorie als Erklärung fürdie Verbrennung bzw. für die Oxidation der Metalle, aber auch dieAtmung und die Gärung, erstmalige Kopplung von Oxidations- undReduktionsvorgängen, Deutung von Salzen als Verbindungen vonSäuren und Basen, Schöpfer des animistischen Systems
Teclu, Nicolae 07.10. 1839Kronstadt(Rumänien)
26.07. 1916Wien
Architektur-, später Chemiestudium, Beschäftigung mit Verbren-nungsvorgängen, Entwicklung eines leicht zu regulierenden Gas-brenners
Thomson,Sir (Lord Kelvin ofLargs), William
26.06. 1824Belfast
17.12. 1907Netherhall
Naturwissenschaftliches Studium, gehört zu den Begründern derThermodynamik, führte die absolute Temperaturskala ein, Aufstel-lung der Zustandsgleichung der Gase
Tollens, BernhardChristian Gottfried
30.07. 1841Hamburg
31.01. 1918Göttingen
Chemiestudium, maßgebliche Beteiligung an der Erforschung vonZucker, fand den Zuckerabbau mit Schwefelsäure und die spez.Drehung bei Trauben- und bei Rohrzucker
Traube, Moritz 12.02. 1826Ratibor (Schlesien)
28.06. 1894Berlin
Chemie- und Medizinstudium, untersuchte den Stoffwechsel inPflanzen und im Muskel sowie die Gärung und Fermentierung, Modellzum Einfluss des osmotischen Drucks auf Zellvorgänge
Trommsdorff, Jo-hann Bartholomäus
08.05. 1770Erfurt
08.03. 1837Erfurt
Apothekerlehre, gründete das erste pharmazeutisch-chemischeInstitut Deutschlands, Isolierung von Zimtsäure, Darstellung vonOxal- und Äpfelsäure
Tswett, MichailSemjonowitsch
14.05. 1872Asti
26.06. 1919Woronesh
Studium der Naturwissenschaften, Forschungen über Blattpigmente,Benutzung chromatografischer Methoden
Tyndall, John 21.08. 1820Leighlin (Irland)
04.12. 1893Hindhead
Physikstudium, Untersuchung der Lichteinwirkung in Rauch undStäuben
van der Waals,Johannes Diderik
23.11. 1837Leiden
08.03. 1923Amsterdam
neben der Tätigkeit als Lehrer Studium der Mathematik und Physik,Beschreibung des Zusammenhangs der Zustandsgrößen der realenGase und der Flüssigkeiten, Beschreibung der in Flüssigkeitenwirkenden Molekularkräfte, Nobelpreis 1910 (Physik)
van Slyke, DonaldDexter
29.03. 1883Pike, N. Y.
04.05. 1971Upton, N.Y.
Chemiestudium, physikochemische Beschreibung der Gas- undElektrolytgleichgewichte im Blut
Van't Hoff, JacobusHenricus
30.08. 1852Rotterdam
01.03. 1911Berlin
Technologiestudium, Konzept des asymmetrischenKohlenstoffatoms, Grundlagen der modernen chemischen Kinetik,Untersuchungen zur Temperaturabhängigkeit der Geschwindig-keitskonstanten und des chemischen Gleichgewichts, Berechnungdes osmotischen Drucks
Waage, Peter 29.06. 1833Flekkefjord(Norwegen)
13.01. 1900Kristiania (Oslo)
Studium der Medizin, Chemie und Mineralogie, Arbeiten zurchemischen Affinität, Formulierung des Massenwirkungsgesetzes
Walden, Paul 26.07. 1863Rosenbeck bei Riga
22.01. 1957Gammertingen
Studium der Chemie und Physik, Beobachtung der Inversion derKonfiguration an einem asymmetrisch substituierten Kohlenstoff-atom bei Substitutionsreaktionen, Forschungen zu Elektrolyse,Osmose und Oberflächenspannung
Warburg, OttoHeinrich
08.10. 1883Freiburg (Breisgau)
01.08. 1970Berlin
Chemie- und Medizinstudium, grundlegende Entdeckungen auf demGebiet der Gärung, der Fotosynthese und des Stoffwechsels vonGeschwülsten, Nobelpreis 1931 (Medizin)
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Geschichte im Überblick 6 Anhang216
NameVorname
Geb.datumund -ort
Sterbedatumund -ort
Studium und einige wichtige Leistungen
Watson, JamesDewey
06.04. 1928Chicago
Biologie- und Zoologiestudium, Erarbeitung von Strukturmodellenfür die DNA, Untersuchung der Rolle der RNA in der Proteinsynthese
Watt, James 19.01. 1736Greenock(Glasgow)
19.08. 1819Heathfield(Birmingham)
Arbeit als Mechaniker, Entwicklung von betriebsfähigen Dampf-maschinen, Vermutung, dass Wasser kein Element ist, Einführungvon Lackmus als Indikator
Wiegleb, JohannChristian
21.12. 1732Langensalza
16.01. 1800Langensalza
Apothekerlehre, entdeckte die Oxalsäure, untersuchte die Salpeter-bildung und Borsäureester
Wilson, CharlesThomson Rees
14.02. 1869Glencorse
15.1. 1959Edinburgh
Studium der Meteorologie, Entwicklung einer Methode zur Sicht-barmachung elektrisch geladener Teilchen durch Nebelspuren
Wislicenus,Johannes
24.06. 1835Kleineichstedt(Querfurt)
05.12. 1902Leipzig
Studium der Mathematik, der Naturwissenschaften, der Chemie,Durchführung der Milchsäuresynthese, Rückführung deren Isomerieauf unterschiedliche räumliche Anordnung der Atome, Untersuchungvon Acetessigester und seiner Derivate
Wöhler, Friedrich 31.07. 1800Eschersheim
23.09. 1882Göttingen
Studium der Medizin, Methode zur Herstellung des metallischenAluminiums, Synthese von Harnstoff aus Ammoniumcyanat, Arbei-ten über die Natur der Harnsäure, Entdeckung des Calciumcarbids alsGrundlage für die Ethinherstellung
6
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Quellenverzeichnis
Abb.1.2 nach Mortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme, Stutt-
gart, 2001
Abb.1.6 nach Riedel, E.: Allgemeine und Anorganische Che-
mie. 7. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1999
Abb.1.11 nach Jäckel, M.; Risch, K.T. (Hrsg.): Chemie heute
Sek. II, Schroedel Verlag im Bildungshaus Diesterweg
Bildungsmedien, Hannover, 2001
Abb.1.13 nach Mortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme, Stutt-
gart, 2001
Abb.1.14 nach (b) Riedel, E.: Allgemeine und Anorganische
Chemie. 7. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin, New York,
1999
Abb.1.15 nach Riedel, E.: Allgemeine und Anorganische Che-
mie. 7. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1999
Abb. 2.6 nach Jäckel, M.; Risch, K.T. (Hrsg.): Chemie heute
Sek. II, Schroedel Verlag im Bildungshaus Diesterweg
Bildungsmedien, Hannover, 2001
Abb. 2.10 Karlson, P., Doenecke, D., Koolmann, J.: Kurzes Lehr-
buch der Biochemie für Mediziner und Naturwissen-
schaftler. 14. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1994
Abb. 2.11 Römpp Lexikon Chemie,10. Aufl., Thieme, Stuttgart,
1996
Abb. 2.12 nach Riedel, E.: Allgemeine und Anorganische Che-
mie. 7. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1999
Abb. 2.14 nach Beyermann, K.: Chemie für Mediziner. 7. Aufl.,
Thieme, Stuttgart, 1993
Abb. 2.20 nachMortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme, Stutt-
gart, 2001
Abb. 2.21 nach Jäckel, M.; Risch, K.T. (Hrsg.): Chemie heute
Sek. II, Schroedel Verlag im Bildungshaus Diesterweg
Bildungsmedien, Hannover, 2001
Abb. 2.23 nachMortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme, Stutt-
gart, 2001
Abb. 2.25 nachMortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme, Stutt-
gart, 2001
Abb. 2.26 nach Klinke, R., Silbernagl, S.: Lehrbuch der Physio-
logie. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003
Abb. 2.27 Silbernagl, S., Despopoulos, A.: Taschenatlas der
Physiologie. 6. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003
Abb. 2.28 Silbernagl, S., Despopoulos, A.: Taschenatlas der
Physiologie. 6. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003
Abb. 3.1 (unten) Beyermann, K.: Chemie für Mediziner. 7.
Aufl., Thieme, Stuttgart, 1993
Abb. 3.2 nach Beyermann, K.: Chemie für Mediziner. 7. Aufl.,
Thieme, Stuttgart, 1993
Abb. 3.10 nachMortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme, Stutt-
gart, 2001
Abb. 3.31 Henry Brunner, Rechts oder links. In der Natur und
anderswo, Wiley-VCH, Weinheim, 1999
Abb. 3.34 (rechts) Henry Brunner, Rechts oder links. In der
Natur und anderswo, Wiley-VCH, Weinheim, 1999
Abb. 3.40 Traditio et Innovatio, Heft 1, 2002, S. 7
Abb. 3.45 (rechts) Mortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme,
Stuttgart, 2001
Abb. 3.46 Oestmann, J.W.: Radiologie. Ein fallorientiertes
Lehrbuch. Thieme, Stuttgart, 2002
Abb. 5.1 nach Jäckel, M.; Risch, K.T. (Hrsg.): Chemie heute
Sek. II, Schroedel Verlag im Bildungshaus Diesterweg
Bildungsmedien, Hannover, 2001
Abb. 5.4 nach Löffler, G., Petrides, P.E.: Biochemie und Patho-
biochemie. 7. Aufl., Springer, Berlin, 2003
Abb. 5.10 Mortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme, Stuttgart,
2001
Abb. 5.11 Abdolvahab-Emminger, H. (Hrsg.): Physikum
EXAKT. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002
Abb. 5.12 (a) nach Karlson, P., Doenecke, D., Koolmann, J.:
Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und Natur-
wissenschaftler. 14. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1994; (b)
Koolmann, J., Röhm, K.-H.: Taschenatlas der Biochemie.
3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003
Abb. 5.41 Karlson, P., Doenecke, D., Koolmann, J.: Kurzes Lehr-
buch der Biochemie für Mediziner und Naturwissen-
schaftler. 14. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1994
Tab.1.10 nach Mortimer, C.E.: Chemie. 7. Aufl., Thieme, Stutt-
gart, 2001
Tab. 2.4 nach Beyermann, K.: Chemie für Mediziner. 7. Aufl.,
Thieme, Stuttgart, 1993
Tab. 2.12 nach Krieg, B.: Chemie für Mediziner. 6. Aufl., de
Gruyter, Berlin, 1999
Tab. 3.9 nach Hennig et al.: Grundlagen der Chemie für Me-
diziner systematisch. Uni-Med Verlag, Bremen, 2002
Tab. 4.14, 4.18 nach Wünsch et al.: Grundkurs Organische
Chemie. 6. Aufl., Barth, Leipzig, 1993
Tab. 5.1 nach Hennig et al.: Grundlagen der Chemie für Me-
diziner systematisch. Uni-Med Verlag, Bremen, 2002
Tab. 5.9 nach Löffler G., Petrides, P.E.: Biochemie und Patho-
biochemie. 7. Aufl., Springer, Berlin, 2003
Anhang Tabelle 3 nach Tafelwerk, Volk undWissen Verlag, 2.
Aufl. 1994
Abbildungen zu den Inhaltsübersichten Kap.1–6 Bildquelle
photoDisc, Inc
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Aus Boeck, G..: Kurzlehrbuch Chemie (ISBN 9783131355225) © Georg Thieme Verlag KG 2008Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
SachverzeichnisHalbfette Seitenzahl = Haupttextstelle
Aa-Helix 171a-Ketoglutarat 153a-Ketoglutarsäure 153a-Strahlen 9a-Tocopherol 137a-Zerfall 9Acetaldehyd 114, 145Acetanhydrid 154Acetat 151Acetessigsäure 153Acetoacetat 153Aceton 145Acetophenon 145Acetyl-Coenzym A 154fAcetylcholin 142Acetylen 94, 129Acrolein 145Acrylat 151Acrylnitril 129Acrylsäure 151Additions-Eliminierungs-Reak-tion 154
Additions-Reaktion 118Adenin 193Adenosin 193fAdsorption 79Adsorptionschromatografie 112Aerosol 5– Inhalationstherapie 6Affinitätschromatografie 113Agar-Agar 184Aggregatzustand 4– Änderung 5Aglykon 180Aktivierungsenergie 51Aktivität 55– Enzyme 53– optische 106Alanin 168Aldehyd 95, 144, 178– Addition von Wasser 146– Beispiele 145Aldol 149Alkalimetall 18Alkaloid 160Alkan 125Alken 127Alkin 129, 134Alkohol 94, 132– Konzentrationsbestimmung 114Alkylhalogenid 131Alkylrest 93Aluminium 19Amalgam 75Ameisensäure 135, 151ffAmid-Lokalanästhetikum 111Amin 95, 141– Beispiel 143– biogenes 143– Salzbildung 141Aminogruppe– Aminosäuren 169– Transaminierung 147Aminosäure 165– D/L-Nomenklatur 107
– essenzielle 165f– Klassifikation 165– neutrale 167– proteinogene 165fAmmoniak 141– Protolysereaktion 58– Puffer 65– Säure-Base-Theorie 58Ammoniumchlorid– Neutralisation 61– Puffer 65Amphetamin 143Ampholyt 58– Aminosäuren 167– Neutralisation 61– Proteinlösungen 173Amylopektin 184Amylose 184Anästhetika 79Anfangsgeschwindigkeit 48Anhydrid 154Anilin 141fAnion– Definition 4– Ionenradius 26– Ionenverbindung 24– nucleophile Teilchen 117Anode– Definition 4– Elektrophorese 167Anomer 176Anpassungstheorie, Enzyme 53Antimon 20Antipode, optische 106Äpfelsäure 153Äquivalentdosis 10Äquivalentkonzentration 39Äquivalenzpunkt, Aminosäuren 168Ar-Säure 178Arachidonsäure 187Aren 130Argon 21Arrhenius-Gleichung 51Arsen 20Arylrest 93Ascorbinsäure 162, 179Asparaginsäure 168Astat 21Atom 7– Aufbau 7– Avogadro-Zahl 7, 204– Bausteine 7– Bindigkeit 27– Definition 3– Dimension 7– Elektronegativität 31– Kernladungszahl 8– Nuklid 8– Orbital 13– Ordnungszahl 8– Symbol 4Atombindung 26, 33– Elektronegativität 31– Orbitalüberlappung 29– polare 29Atommasse 8f
Atommodelle 12Atomorbital siehe OrbitalAtomradius 16Atto 203Aufschlämmung 5Autoprotolyse 59Avogadro-Zahl 7, 204Azomethin 147
Bb-Carotin 191b-Eliminierung 118b-Faltblatt 172b-Strahlen 9b-Zerfall 9Baeyer-Spannung 126Barbitursäure 120Barium 18Base 57– Gleichgewichtskonstante 59– konjugierte 58– Konzentration 63– Nukleinsäuren 192f– pH-Wert-Berechnung 61– Stärke 59Basenkonstante 60Basenpaare, komplementäre 195Basiseinheit 204Basisgröße 204Bence-Jones-Protein 173Benzaldehyd 145Benzen 91, 130– Bindungsverhältnisse 91– elektrophile Substitution 119– Formelschreibweisen 92Benzin 126Benzoat 151Benzoesäure 151Benzol siehe Benzen 91Bequerel 10Beryllium 18– Nuklide 9Bienenwachs 188Bildungsenthalpie 42Bindigkeit 27Bindung– chemische 23– dative 31– glykosidische 181– intermolekulare 31– intramolekulare 31– koordinative 31– kovalente 26, 113– metallische 23Bindungsenergie 91Bindungsmodell– Metalle 23– quantenchemisches 28Bindungsspaltung 117Bindungswertigkeit 27Biomembran 189Biotin 162Bismut 20Biuretbildung 157Blei 19
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Blut– Ethanolgehalt 135– Gefrierpunktserniedrigung 81– pH-Wert 60Bohr-Atommodell 12Bor 19– Nuklide 9Bortrifluorid 59Brenztraubensäure 120, 1532-Brom-1-chlor-propen 102Brom 21Brønsted-Theorie 58Brückenringsystem 127Buta-1,3-dien 129Butan 94, 125fButanol 133Butansäure 151Buttersäure 151Butyrat 151
CC-Atom, asymmetrisch substituier-tes 106, 176
C-Nucleophile 148Cadmium 22Calcium 18Carageen 184Carbonsäure 95, 150– Additions-Eliminierungs-Reak-tion 154
– Derivate 154– Fett 186Carbonsäureamid 95, 157Carbonsäreanhydrid 154Carbonsäureester 95, 154Carbonsäurehalogenid 154Carbonsäurethioester 95, 154Carbonylaktivität 152Carbonylgruppe 144, 146Carboxylgruppe 150Cäsium 18Cellobiose 182Cellulose 182ffChalkogen 20Chelatkomplex 67Chemie– Begriffserklärung 3– Geschichte 207Chemisorption 79Chinhydron-Elektrode 136Chinon 136Chiralität 105Chitin 184Chlor 21– Lewis-Formel 27– Oxidationsmittel 75– Reaktion mit Natrium 25Chlordifluormethan 132Chloressigsäure 153Chlorethen 129Chlormethan 131Chloroform 131Chlorophyll 159Cholestan 190Cholesterol 190Cholin 142, 155, 189– Acetylgruppenübertragung 155Chrom 22Chromatin 196Chromatografie 112Chromoprotein 171
CIP-System 107cis-trans-Isomer 101Citrat 153Citronensäure 153Cobalt 22Codon 196Coenzym A 162Cycloalkan 126Cycloalken 130Cyckloalkin 130Cyclobutan 126Cyclohexan 94– Konformere 103Cyclohexan-1,2-diol 104Cyclohexanol, Sesselformen 104Cyclohexanon 145Cyclohexen 94Cyclopentan 126Cyclopropan 126Cysteamin 139Cytosin 193
DD-Aldose-Stammbaum 174D-Enantiomer 107D-Fructose 174D-Glucose 177D-Glycerinaldehyd 174d-Orbital 14D-Penicillamin 139D-Ribose 193D/L-Nomenklatur 107Dalton, Elementdefinition 3Daniell-Element 73Decan 125Dehydratisierung 118– Alkohol 134– Carbonsäure 155Dehydrierung 118– Aldehyde 144– Doppelbindung 118Dehydrohalogenierung 118Deka 203Dekantieren 112Desorption 792-Desoxy-D-Ribose 193Desoxyribonukleinsäure 194f2-Desoxy-ribose 176Desoxyribose 194Destillieren 112Deuterium 8Dextran 184Dezi 203Diabetes mellitus 81Diacylglycerol 189Dialyse 812,3-Dihydroxy-butan-1,4-disäure 153Diastereomerie 101Dichlordifluormethan 132Dichlormethan 131Diederwinkel 102Diffusion 80Dimension, atomare 7Dimer 151Dimethylamin 141fDipeptid 169Dipol 30Disaccharid 181Disproportionierung 72Dissoziation 55Dissoziationsgrad 55
Distickstoffmonoxid, Lewis-For-mel 27
Distomer 110Disulfid 139Disulfidbrücke– Peptide 170– Proteine 139– Tertiärstruktur 172Diterpen 190Dithioglycerin 140Dodecan 125Doppelbindung 90– Alkene 127– Dehydrierung 118– Fettsäuren 186– Formen 91– Hydrierung 118– isolierte 91– Kohlenwasserstoff 97– Konfigurationsieomere 101– konjugierte 90– kumulierte 91– Stereoisomerie 110Doppelhelix 194Dreifachbindung 90– Alkine 129– Kohlenwasserstoff 97Druck 204– Chromatografie 114– Enthalpie 42– Löslichkeit, Gas 79– molares Volumen 38– osmotischer 80– Reaktionsenthalpie 41Dünnschichtchromatografie 113
EE/Z-Nomenklatur 102Edelgas, Oktettregel 23Edelmetall 74EDTA (Ethylendiamintetraacetat) 68Edukt (chemische Reaktion) 37Effekt– induktiver 117– mesomerer 117Eigenschaft, kolligative 81Einfachbindung– Kohlenwasserstoffe 93, 125– Konfigurationsisomerie 101Einheit (Größenordnungen) 203Eisen 22– Redoxpaar 75– Spannungsreihe 75Eiweiß siehe Protein 165Elektrolyse 77Elektrolyt 54– amphoterer 58– echter 54– potenzieller 54Elektron 7– -Strahlen 9– Bohr-Atommodell 12– Eigenrotation 14– Hund-Regel 15– Hülle 11, 16– Ionisierungsenergie 17– Welle-Teichen-Dualismus 12Elektronegativität 16, 31Elektronenaffinität 16Elektronenbilanz 70Elektronengasmodell 23
219Sachverzeichnis
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Elektronenhülle 11, 16Elektronenkonfiguration 15– Hybridisierung 89– Kohlenstoff 87fElektronenpaarabstoßungsmodell 28Elektronenpaarbindung 26Elektronenwelle, Eigenschwin-gung 12
Elektronenwolke 13Elektrophile 117Elektrophorese 167Element, chemisches– Definition 8– Eigenschaften 16– Periodensystem 16– Symbole 4Element, galvanisches 73Elementarladung, negative 7, 204Elementarreaktion 111Elementarteilchen 7Eliminierungsreaktion 118Emulsion 5Enamin 147Enantiomer 101Energie 204– freie 43, 51– innere 41Energiebedarf 42Energiedosis 10Energieerhaltungssatz 41Energieverteilungskurven 50Enthalpie 41– Änderung 42– Bildungsenthalpie 42– freie 43– Lösungsenthalpie 43– Reaktionsenthalpie 41Entropie 43Enzym 52– Alkoholdehydrogenase 136– pH-Wert-Änderung 66Enzym-Substrat-Komplex 52Ephedrin 143Epimerisierung 109Erdalkalimetall 18Erdmetall 19Essigsäure 151, 153– Reaktion mit Ethanol 44– Titrationskurve 64Ester– Fett 186– Phospholipid 188– Phosphorsäure 188– Wachs 188Esterbildung– Alkohol 134– intramolekulare 156Esterkondensation 156Ethan 89, 125, 133– Orbitaldarstellung 90Ethanal 145Ethandisäure 152Ethanol 133, 135– chemische Reaktion 134– Darstellungsmöglichkeiten 96– Konzentrationsbestimmung 114– Siedepunkt 133– Wirkung 135Ethanolamin 189Ethansäure 151Ethanthiol 139
Ethen 94, 128f– Orbitaldarstellung 90– sp2-Hybridisierung 90Ether 94, 137Ethin 94, 129Ethylamin 141fEthylen 94, 128fEthylenglykol 133Eutomer 110Exa 203Extinktion 114Extrahieren 112
FFaltblattstruktur, Proteine 171Faraday-Konstante 75, 204Farbindikator (pH-Wert-Messung) 62Fehling-Lösung 149, 179Femto 203Fett 186Fettsäuren 150, 186Filtrieren 112Fischer-Projektion 106– 2-Desoxy-ribose 176– D-Fructose 176– L-Milchsäure 106– Zucker 176Fläche 204Flavinmononucleotid 161Fließgleichgewicht 47Fluor 21Flüssigkeit– Eigenschaften 4– Löslichkeit, Gas 79– Verteilung einer Substanz 78Folgereaktion 50Folsäure 162Formaldehyd 145Formeleinheit 26Formelmasse 38Formeln, wichtige 203Formiat 151Francium 18Fructose– Intoleranz 185– Reduktion 178– Tautomerie 179Fumarat 152Fumarsäure 152Furanose 176f
GGalaktosämie 185Gallium 19Gärung, alkoholische 135Gas– Eigenschaften 4– ideales 4– Löslichkeit in Flüssigkeit 79– reales 4Gasembolie 79Gaskonstante, universelle 204Gefrierpunktseriedrigung 81Gefriertrocknen 112Gelchromatografie 113Gemenge 5Gemisch 5Germanium 19Geschichte 207Geschwindigkeit 204Geschwindigkeitsgleichung 48
Gesetz– Erhaltung der Masse 37– Henry-Dalton-Gesetz 79– konstante Proportionen 37– Lambert-Beer-Gesetz 114– multiple Proportionen 37– van't-Hoffsches Gesetz 80Gibbs-Donnan-Gleichgewicht 82Gibbs-Energie 43Gibbs-Helmholtz-Gleichung 43Giga 203Gitterenergie 25Glaselektrode 76Gleichgewicht– Gibbs-Donnan-Gleichgewicht 82– heterogenes 77– Membranen 80– Salzlösung 55– thermodynamisches 44Gleichgewicht, chemisches 45– Beeinflussung 46– Kinetik 50– Übungsaufgabe 46Gleichgewichtskonstante 45– Kompexbildung 67– Protonenübertragungsreaktion 59Gleichung, chemische 37– Aufstellen 38– Redoxgleichung 70– Stöchiometrie 37Glucose– Diabetes mellitus 81– Oxidation 179– Reduktion 178– Verbrennung 38Glycerin 133Glycerol 133– Fett 186Glycerolnitrat 134Glykan 183Glykogen 184Glykolipid 188Glykoprotein 171Glykosid 180Gold 22Gonan 190fGray 10Grenzstrukturen, mesomere 91Größenordnungen 203Grundumsatz 42Gruppe– funktionelle 93– prosthetische 170Guanin 193
HHalbacetal, Zucker 176Halbäquivalenzpunkt 64Halbedelmetall 74Halbwertszeit– Radioisotope 10– Reaktionsordnung 49Halbzelle 73Halogen 21Halogenkohlenwasserstoff 94, 131Häm 159Harnsäure 160Hauptquantenzahl 14Haworth-Darstellung 177HDL (high density lipoprotein) 188Hektar 204
220 Sachverzeichnis
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Hekto 203Helium 21– Nuklide 9Helixstruktur, Proteine 171Hemicellulose 184Hemmung– kompetitive 53– nichtkompetitive 53Henderson-Hasselbalch-Glei-chung 65
Henry-Dalton-Gesetz 79– Atmung 79Heptan 125Hess-Satz 42Heteroaromat 158Heterocycloalkan 158Heterocycloalken 158Heterocyclus 96, 158– mehrkerniger 160Heteroglykan 183Heterolyse 116Hexadecansäure 187Hexan 100, 125Histamin 142Höhenkrankheit 47Homoglykan 183Homolyse 116Hund-Regel 15Hybridisierung– sp-Hybridisierung 87– sp2-Hybridisierung 87– sp3-Hybridisierung 88Hybridisierungsmodell 87Hydratisierung 54, 118Hydrierung 118– enantioselektive 109Hydrochinon 136Hydrolyse 44– alkalische 187– Fett 1872-Hydroxy-1,2,3-propan-tricarbon-säure 153
2-Hydroxy-butan-1,4-disäure 1533-Hydroxy-butansäure 982-Hydroxy-propansäure 153Hydroxylapatit 56Hypophysenadenom, MRT 116
II-Effekt 117Imidazol 96Indikator (pH-Wert-Messung) 62– Farbumschlag 63– Umschlagspunkte 62Indium 19Indol 96Internationales Einheitensystem 204Iod 21Ion– Definition 4– Elektrolyte 54– Hydratisierung 54Ionenaustauscherchromatografie 113Ionenbindung 23, 33Ionendosis 10Ionenprodukt, Wasser 59Ionenradius 26Ionenverbindung 4, 23– Bildung 25– Eigenschaften 24– Elektrolyte 54
– Nomenklatur 24Ionisierungsenergie 17IR-Spektroskopie 115Isobutyl 97Isomaltose 183Isomerie 100– cis-trans 101– Enantiomere 101– Konfigurationsisomerie 110– optische 105Isopren 128f, 190Isoprenoid 190Isopropyl 97Isotop 8– medizinisches 11
JJoule 204
KKalium 18Karies 185Katalysator 51– Enzyme 52– Vitamin 160Katalyse 51– heterogene 52– homogene 52Kathode– Definition 4– Elektrophorese 167Kation– Beispiele 25– Definition 4– elektrophile Addition 128– elektrophile Teilchen 117– Ionenradius 26– Ionenverbindung 24Keil-Strich-Projektion 96– L-Milchsäure 106Kelvin 204Kernladungszahl 8Keto-Enol-Tautomerie 120, 148Keton 95, 144– Beispiele 145Kilo 203Kilogramm 204Kinetik 48– chemisches Gleichgewicht 50– Michaelis-Menten-Gleichung 52Knallgas-Reaktion 72Koffein 160Kohlendioxid, Lewis-Formel 27Kohlenhydrat 174– D/L-Nomenklatur 107– Klassifizierung 174Kohlenstoff 19, 87– Bindungsverhältnisse 87– Eigenschaften 87– Elektronenkonfiguration 87f– Valenzelektronen 87Kohlenwasserstoff 125– aromatischer 130f– cyclischer 98– gesättigter 125– Klassifizierung 93– Konformationsisomerie 102– Mehrfachbindungen 97– ungesättigter 127– verzweigter 97Komplexbildung 66
Komplexbildungskonstante 67Konfigurationsisomerie– σ-Diastereomere 110– Doppelbindung 101Konformationsisomerie 102Konglomerat 5Konstitutionsisomerie 100Konzentration– Massenkonzentration 40– Osmolarität 81– Reaktionsgeschwindigkeit 48– Stoffmenge 39Koordinationszahl 31Körperflüssigkeit, pH-Wert 60Kraft 204– elektromotorische 73Kristall 25Kristallisieren 112Krypton 21Kupfer 22– Redoxpaar 75
LL-Aldohexose 175L-Aminosäure 165L-Ascorbinsäure 162L-Cystein 139L-Dopa 110L-Enantiomer 107L-Methionin 139L-Milchsäure 106Lachgas, Lewis-Formel 27Lackmus 62Lactam-Lactim-Tautomerie 120,193
Lactat 153Lactobacillinsäure 127Lacton 156Lactose 182Lambert-Beer-Gesetz 114Lavoisier, Elementdefinition 3LDL (low density lipoprotein) 188Länge 204Levodopa 110Lewis-Formel 26Lewis-Modell 26Lewis-Säure-Base-Theorie 59Ligand 31– Aminosäuren 169– Komplexbildung 67Ligandenaustausch 67Linolensäure 187Linolsäure 187Lipid 185fLipiddoppelschicht 189Lipoprotein 171, 188Lithium 18– Nuklide 9Logarithmus 205Lokant 97Loschmidt-Zahl 7Löslichkeit 55– Feststoff 78– Ionenkristall 78– Molekülkristall 78– Gas 79– Stickstoff 79Löslichkeitsprodukt 55Lösung 6, 54– echte 6– hypertonische 81
221Sachverzeichnis
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– hypotonische 81– isotonische 81– kolligative Eigenschaft 81– kolloidale 6– wässrige 54Lösungsenthalpie 43Lösungsmittel 54– Hydratisierung 54– Löslichkeit 78– Osmose 80– Tautomeriegleichgewicht 149Lysin 168
MM-Effekt 117M-Helix 108Magensaft, pH-Wert 60Magnesium 18Magnetquantenzahl 14Makropeptide 169Malat 153Maleinat 152Maleinsäure 152Malonat 152Malonsäure 152fMaltose 182Mangan 22Maßlösung 63Masse 204– Berechnung 39– molare 38Masseanteil 39Masseneinheit 204– atomare 8Massenkonzentration 40Massenspektrometrie 115Massenwirkungsgesetz– Löslichkeit 55– pH-Wert 62– Pufferlösung 64– Wasser 59Massenwirkungskonstante 45Massenzahl 8Materie– Aggregatzustand 4– Einteilung 3Mega 203Membran– Dialyse 81– Gibbs-Donnan-Gleichgewicht 82– Gleichgewichte 80– Osmose 80– semipermeable 80Menthol 191Mesomerie 27– Carbonsäureamid 157– Peptidbindung 170– Pyridin 159– Pyrrol 158Metall– edles 74– Eigenschaften 23– Oxidationszahl 69– Spannungsreihe 74– unedles 74Metallbindung 33Metallprotein 171Meter 204Methan 88, 125f– Lewis-Formel 28– Orbitaldarstellung 89
Methanal 145Methanol 133, 153Methansäure 1512-Methyl-buta-1,3-dien 128fMethyl-phenyl-keton 145Methylamin 141fMethylchlorid 131Methylenchlorid 1315-Methyl-hex-1-en-3-on 98Methylorange 622-Methyl-pentan 101Methylrot 62Michaelis-Konstante 52Michaelis-Menten-Gleichung 52Michaelis-Menten-Theorie 52Mikro 203Milchsäure 153Milli 203Mischelement 8Mol 7, 37, 204Molekül 4– achirales 105– chirales 105– stereogenes Zentrum 106– Wechselwirkung 32Molekülorbitaltheorie 28Molekülverbindung 4Momentangeschwindigkeit 48Monocarbonsäure 151Monosaccharid 174Monoterpen 190Mutarotation 176myo-Inosit 189Myricylpalmitat 188
NN-Nucleophile 147Nano 203Naphthalen 130Natrium 18Natrium-Ammonium-Tartrat, Enantio-merie 104
Natriumchlorid 25Naturkonstante 204Nebenquantenzahl 14Neon 21Neopentan 94Nernst-Gleichung 77Nernst-Verteilungssatz 78Neutralisation 61Neutralisationsenthalpie 61Neutralpunkt 63Neutron 7Newman-Projektion 96– Butan-Konformere 103Newton 204Newtonmeter 204Niacin 162Nichtelektrolyt 54– osmotischer Druck 81Nickel 22Nicotinsäure 151Nicotinsäureamid 162Nitroglycerin 134Nitroverbindung 95NMR-Spektroskopie 115Nomenklatur– cis/trans-Nomenklatur 104– D/L-Nomenklatur 107– E/Z-Nomenklatur 102– Komplexbildung 67
– Nukleosid 193– organische Verbindung 92, 97– R/S-Nomenklatur 107– Substituenten 97– Terpene 190Nonan 125Normalität 39Normdruck 204Nucleophile 117– Ether 137Nucleoprotein 171Nukleinsäure 192Nukleon 8Nukleosid 193Nukleotid 193Nuklid 8Nullpunkt, absoluter 204
OO-Nucleophile 146Octadecansäure 187Octan 125OH-Gruppe– Alkohol 132– Carbonsäurederivate 154– D/L-Nomenklatur 107– Disaccharide 181– glykosidische 176, 180– Konformationsisomerie 103– mesomerer Effekt 118Oktettregel 23Oligopeptid 169Oligosaccharid 182Ölsäure 187On-Säure 178Orbital 13– Ethan 90– Ethen 90– Methan 89– Überlappung 29Ordnungszahl 8Ordnungszustand 43Organische Chemie 87Osmol 81Osmolalität 81Osmolarität 81Osmose 80Oxalacetat 153Oxalat 152Oxalessigsäure 153Oxalsäure 152fOxidation 69– Alkohol 135– Cystein 140– Glucose 179– Hydrochinon 137– Thiol 139Oxidationszahl 69Oxo-butan-disäure 153Oxobernsteinsäure 1532-Oxoglutarat 1532-Oxopropansäure 153
Pp-Bindung 88, 90– Konfigurationsisomerie 101p-Diastereomere 110P-Helix 108p-Hydroxyacetanilid 155p-Orbital– Hybridisierung 90
222 Sachverzeichnis
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– Kohlenstoff 87Palmitinsäure 187Pantothensäure 162Papierchromatografie 113Parallel-Reaktion 50Parkinson, Morbus 110Pascal 204Pauli-Prinzip 15Pektin 184Pentan 125Peptid 169Peptidbindung 169– Mesomerie 170Periodensystem, Elemente 16Peroxid 137fPeta 203pH-Wert 57– Berechnung 61– Blut 66– isoelektrischer Punkt 167– Körperflüssigkeit 59– Messung 62, 76– Nernst-Gleichung 76– neutrale Aminosäure 167– Pufferlösung 64– Säure-Base-Titration 63Phase 5– heterogenes Gleichgewicht 77f– Katalyse 52– reine 76– stationäre (Chromatografie) 112Phenol 94, 136, 153Phenolphtalein 62Phosgen 131Phospholipid 188Phosphoprotein 171Phosphor 20Phosphorsäure– Ester 188– Titrationskurve 64Photometrie 114Phytol 191Pico 203Pitzer-Spannung 127Plasmozytom 173Platin 22pOH-Wert 58Polonium 20Polyacrylnitril 129Polybutadien 129Polyethylen 129Polyisopren 129Polymer 128Polymerisation 128Polypeptid 169Polypropylen 129Polysaccharid 183Polystyrol 129Polytetrafluorethylen 129Polyvinylchlorid 129Porphin 159Positron 9Primärstruktur– Nukleinsäure 194– Protein 171Prochiralität 106Produkt (chemische Reaktion) 37Prop-2-ensäure 151Propan 125f, 133Propanon 145Propansäure 151
Propen 129Propenal 145Propionat 151Propionsäure 151Propylen 129Protein 165, 170– fibrilläres 170– globuläres 170– Struktur 171Protolysegleichgewicht 62– Wasser 59Protolysereaktion 58Proton 7Protonendonator– Brønsted-Theorie 58– Phenol 136Protonenübertragungsreaktion 58– Gleichgewichtskonstante 59Puffer 64Pufferkapazität 65Pufferlösung 64Puffersystem– Körper 66– Proteine 173Punkt, isoelektrischer 167Purin 96, 160Purinbase 193Pyranose 176fPyridin 96– Mesomerie 159Pyridin-3-carbonsäure 151Pyridoxin 162Pyrimidin 96Pyrimidinbase 193Pyrrol 96– Mesomerie 159Pyruvat 153
QQuantenzahl 14Quartärstruktur– Hämoglobin 172– Protein 173Quecksilber 22
RR/S-Nomenklatur 107Racemat 108Radikal– Definition 26– radikalische Reaktionen 116– radikalische Substitution 119Radioaktivität 9– Messung 10– natürliche 11Radioisotop 9– Forschung 10– medizinische Diagnostik 10– Strahlungsarten 9Radionuklid siehe Radioisotop 9Radiotherapie, interstitielle 11Radium 18Radon 21Reaktand 37Reaktion– endergone 44– endotherme 41f– exergone 43– exotherme 41f– gekoppelte 44– komplexe 116
– polare 116– radikalische 116– Typen 116Reaktion, chemische 37– 0. Ordnung 49– 1. Ordnung 49– 2. Ordnung 49– Alkane 125– Alkene 128– Alkohol 134– Amin 141– Aminosäure 167, 173– Carbonsäure 151– Carbonylgruppe 144– Ether 136– freiwilliger Ablauf 43– Gesetze 37– Halogenwasserstoff 131– Kinetik 48– Monosaccharide 178– Phenole 135– Stöchiometrie 37– Thermodynamik 40– Thiole 138– Typen 116Reaktionsenthalpie 41– Berechnung 42– Hess-Satz 42– Redoxpaare 75Reaktionsgeschwindigkeit 48– Substratkonzentration 52– Temperaturabhängigkeit 50Reaktionsgleichung siehe Gleichung,chemische 37
Reaktionsordnung 48Redoxamphotherie 72Redoxgleichung 70Redoxpaar 69Redoxpotenzial, pH-Abhängigkeit 76Redoxreaktion 69– Aldehyd 149– Alkohol 135– quantitative Beschreibung 72Redoxverhalten– Aldehyde 149– Alkohol 135– Carbonsäuren 152– Monosaccharide 178Redoxvorgang 69Reduktion 69Reinelement 8Rf-Wert 113Riboflavin 161Ribonukleinsäure 194fRing– Cycloalkane 126– Heterocyclen 158– kondensierter 127– kondensierter, aromatischer 130– Steroide 191– Zucker 176Ringspannung 126Ringsystem– Ascorbinsäure 179– Beispiele 127– Kohlenwasserstoffe 130– Pitzer-Spannung 127– Steroide 190Rubidium 18Ruhemasse– Elektron 204
223Sachverzeichnis
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– Neutron 204– Proton 204
Sσ-Bindung 88σ-Diastereomere 110s-Orbital 13Saccharose 182Salbutamol 99Salicylaldehyd 145Salz 23– Amine 141– Carbonsäuren 153– Fettsäuren 186– inneres 166– Löslichkeit 55– medizinisch relevantes 23– Monocarbonsäuren 151Salzsäure– Pufferung 65– Titration 63Sättigung 55Sauerstoff 20Säulenchromatografie 113Säure 57– Gleichgewichtskonstante 59– Konzentration 64– korrespondierende 58– pH-Wert-Berechnung 61– salpetrige 142– Stärke 59Säure-Base-Reaktion, Amino-säure 167
Säure-Base-Theorie– Brønsted 58– Lewis 59Säure-Base-Titration 62Säurekonstante 60, 206Schiff-Base 147Schlüssel-Schloss-Prinzip 53Schmelzpunkt 5Schrödinger-Gleichung 12Schwefel 20Seifenbildung 187Sekundärstruktur– Nukleinsäure 194– Protein 171Sekunde 204Selen 20Serin 166, 189Sesselkonformation 178SH-Bindung 139SI (Internationales Einheitensys-tem) 204
SI-Einheit 204Sichelzellanämie 173Siedepunkt 5– Aldehyd 144– Alkohol 144– Ether 137– gesättigter/ungesättigter Kohlen-wasserstoff 144
– Kohlenwasserstoff 133Sievert 10Silber 22– Reduktionsmittel 75Silberchlorid 56Silicium 19Skleroprotein 170Solvatation 54Sorbat 151
Sorbinsäure 151sp-Hybridisierung 88sp2-Hybridisierung 88– Ethen 90sp3-Hybridisierung 88Spannungsreihe, elektrochemi-sche 74
Speichel, pH-Wert 60Spektroskopie 114Sphäroprotein 170Sphingolipid 188Sphingolipidose 190Spiegelbildisomerie 105Spinquantenzahl 14Spiran 127Squalen 191Standard-Bildungsenthalpie 42Standardwasserstoffelektrode 73Stärke 183Stearinsäure 187Sterculinsäure 127Stereochemie 100Stereoisomerie 101Steroid 190Stickstoff 20– Löslichkeit 79Stöchiometrie 37Stoff 5– polarer 78– unpolarer 78Stoffgemisch 5Stoffklassen 125Stoffmenge 7, 37f, 204– Mol 37– Osmol 81– Osmolalität 81– osmotischer Druck 81Stoffmengenkonzentration 39Stofftrennung 112Strahlenbelastung 11Strahlentherapie 11Strahlungsart 9Strontium 18Strukturaufklärung 112Strukturformel 93Styrol 129Sublimieren 112Substanz– Charakterisierung 114– hydrophile 78– hydrophobe 78– Reindarstellung 112– Verteilung 78Substituent– elektronenschiebender 117– elektronenziehender 117Substituenteneffekt 117Substitution– elektrophile 119, 130– nucleophile 119f– radikalische 119Substitutionsreaktion, Benzen 130Sulfon 140Sulfonsäure 95, 139Sulfoxid 140Summenformel 93Suspension 5Svante-Arrhenius-Gleichung 51Symbol– elektrophile Reaktion 117– Elemente 3
– Enthalpie 42– nucleophile Reaktion 117– radikalische Reaktion 116System– abgeschlossenes 41– geschlossenes 41– grobdisperses 6– heterogenes 5– homogenes 5– kolloidal-disperses 6– mesomeres 27– molekular-disperses 6– offenes 41– Ordnungszustand 43– Zustandswahrscheinlichkeit 43Szintigramm, Schilddrüse 10f
TTartrat 153Taurin 139Tautomerie 120– Fructose 179– Keto-Enol-Tautomerie 120, 148– Lactam-Lactim-Tautomerie 120,193
Tautomeriegleichgewicht 149Technetium 11, 22Teilchen– elektrophiles 117– nucleophiles 117– radikalisches 26Tellur 20Temperatur 204– Enthalpie 42– Konformationsisomerie 102– Löslichkeit eines Gases 79– molares Volumen 38– Nernst-Gleichung 76– osmotischer Druck 80– Reaktionsgeschwindigeit 50– Tautomeriegleichgewicht 149Tera 203Terpen 190Tertiärstruktur– Myoglobin 172– Proteine 172Tetrachlormethan 131Tetrafluorethen 129Tetrahydrofolsäure 162Tetrahydropyran 96Tetraterpen 190Thalidomid 111Thallium 19Theophyllin 160Thermodynamik 40– 1. Hauptsatz 41– 2. Hauptsatz 43Thiamin 161Thioether 140Thiol 95, 138Thymin 193Titer 63Titrationskurve– Alanin-Hydrochlorid 168– Aminosäure 168– Essigsäure 64– Farbindikator 64– Säuren mit Lauge 63Tollens-Reagens 150, 179Toluen 130Torsionswinkel 102
224 Sachverzeichnis
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Tracer-Methode 10Transaminierung 147Trehalose 182Trichloressigsäure 153Trichlorfluormethan 132Trichlormethan 131Triglycerid 186Trimethylamin 141fTriplett 196Triterpen 190Tritium 8Tryptamin 142
UÜbungsaufgaben, Lösungen 199Unbestimmtheitsbeziehung 13Uracil 193Urease 157Urin– Gefrierpunktserniedrigung 81– pH-Wert 60Uronsäure 178UV/VIS-Spektroskopie 114
VVaginalsekret, pH-Wert 60Valenzbindungstheorie 28Valenzelektron– Chlor 27– Kohlendioxid 27– Kohlenstoff 87– Lewis-Modell 26– Wasserstoff 27van't-Hoff-Gesetz 80Van-der-Waals-Wechselwirkung 32van-Slyke-Reaktion 143Vanadium 22Verbindung– diastereomere 176– epimere 175– heterocyclische 93, 158
– metastabile 44Verbindung, chemische 4Verbindung, organische– Klassifizierung 93– Reaktionstypen 116– Stereochemie 100– Strukturaufklärung 112Veresterung– Carbonsäure 154– Ethanol 134– Phosphorsäure 188Verseifung 187Verteilungschromatografie 112Vinyl 97Vinylchlorid 129Vitamin– B1 161– B2 161– B6 162– C 162– E 137Vollacetal, Monosaccharide 180Volumen 204– Berechnung 39– molares 38– Reaktionsenthalpie 41– van't-Hoff-Gesetz 80Volumenanteil 39VSEPR-Modell 28
WWachs 188Walden-Umkehr 120Wasser– Autoprotolyse 59– Gleichgewichtskonzentration 60– Hydratisierung 54– Hydrolyse 44– Ionenprodukt 59Wasserstoff– Lewis-Formel 27
– Nuklide 9Wasserstoffbrückenbindung 31– Alkohol 133– Cellulose 183– Denaturierung 173– Nukleinsäuren 195– Sekundärstruktur, Proteine 171Wasserstoffelektrode 76Wasserstoffperoxid 72– Zerfallsreaktion 44Wechselwirkung– hydrophobe 32– Van der Waals 32Weinsäure 153– Stereoisomere 110Welle-Teilchen-Dualismus 12Wilson, Morbus 140
XXenon 21Xylen 130
ZZahlen– wichtige 203– Zehnerpotenzangaben 203Zehnerpotenz 203Zeit 204Zeitgesetz 49Zelle, galvanische 73Zenti 203Zentralatom, Komplexbildung 67Zentralion 31Zentrum, stereogenes 106Zimtsäure 151Zink 22Zinn 19Zucker 176Zustandswahrscheinlichkeit 43Zwitterion 166
225Sachverzeichnis
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