klinische beiträge zur pathologie des grroßhirns. Über sog. „halbseitiges fieber”

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I(linische Beitritge zur Pathologie des GroShirns. II. Mitteilung. ~ber sog. ,,halbseitiges Fieber". Von Professor Hans Berger (Jena). Mit 5 Textabbildungen. (Eingegangen am 15. Mai 1923.) Oskar Fischer (Prag) hat in dieser Zeitschrift eine interessante Mit- teilung ,,Zur Frage des cerebralen und des halbseitigen Fiebers" ver- 6ffentlichtl). Im folgenden mSchte ich zu dieser Frage auch einen kleinen Beitrag liefern. Halbseitige Unterschiede der K6rpertemperatur, wie sie bei manchen Nervenerkrankungen, namentlich Herderkrankungen des GroBhirns, beobachtet werden, haben mit dem cerebralen Fieber im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Man versteht unter eerebralem Fieber Temperatursteigerungen, die rein cerebral bedingt sind und die oft in mehr oder minder ausgesprochener Weise mit den iibrigen Zeichen des Fiebers einhergehen. Ich kann nun Fischer nicht ohne weiteres bei- stimmen, wenn er glaubt, annehmen zu kSnnen, dab die Temperatur- steigerungen bei den paralytisehen AnfMlen diesem cerebralen Fieber zuzurechnen seien, als deren Grundlage er in den basalen Ganghen lokali- sierte Exacerbationen des paralytischen Prozesses ansieht. Ich meine, dab bei der infektiSsen ~qatur der paralytisehen Erkrankung trotz der meist nieht l~ieber erzeugenden Eigensehaften der Spirochaete pallida doeh eine Fiebersteigerung auf rein infekti6ser Grundlage keineswegs ausgeschlossen werden kann. Ferner ware auch noch zu beriicksichtigen, dab in der Vorbereitungszeit des paralytisehen Anfalls pyrogene Sub- stanzen, mSgen sie nun yon dem zerfallenden Gewebe oder yon den massenhaft sieh vermehrenden Spiroch~ten selbst herriihren, in die Blutbahn gelangen und so Fieber erzeugen kSnnten. Ieh bestreite damit keineswegs, dal~ _Fischer mit seiner Behauptung, dab die Tempcratur- steigerung im paralytischen Anfall als cerebrales Fieber aufzufassen sei, recht haben kann; ich meine nur, dal~ ein Beweis dafiir noeh nicht er- bracht ist, und dal3 es sich lediglich um rein hypothetische Annahmen x) Zeitsohr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie ~6, 131. 1922.

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Page 1: Klinische Beiträge zur Pathologie des Grroßhirns. Über sog. „halbseitiges Fieber”

I(linische Beitritge zur Pathologie des GroShirns. II. Mitteilung.

~ber sog. ,,halbseitiges Fieber".

Von Professor Hans Berger (Jena).

Mit 5 Textabbildungen.

(Eingegangen am 15. Mai 1923.)

Oskar Fischer (Prag) hat in dieser Zeitschrift eine interessante Mit- teilung ,,Zur Frage des cerebralen und des halbseitigen Fiebers" ver- 6ffentlichtl). Im folgenden mSchte ich zu dieser Frage auch einen kleinen Beitrag liefern. Halbseitige Unterschiede der K6rpertemperatur, wie sie bei manchen Nervenerkrankungen, namentlich Herderkrankungen des GroBhirns, beobachtet werden, haben mit dem cerebralen Fieber im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Man versteht unter eerebralem Fieber Temperatursteigerungen, die rein cerebral bedingt sind und die oft in mehr oder minder ausgesprochener Weise mit den iibrigen Zeichen des Fiebers einhergehen. Ich kann nun Fischer nicht ohne weiteres bei- stimmen, wenn er glaubt, annehmen zu kSnnen, dab die Temperatur- steigerungen bei den paralytisehen AnfMlen diesem cerebralen Fieber zuzurechnen seien, als deren Grundlage er in den basalen Ganghen lokali- sierte Exacerbationen des paralytischen Prozesses ansieht. Ich meine, dab bei der infektiSsen ~qatur der paralytisehen Erkrankung trotz der meist nieht l~ieber erzeugenden Eigensehaften der Spirochaete pallida doeh eine Fiebersteigerung auf rein infekti6ser Grundlage keineswegs ausgeschlossen werden kann. Ferner ware auch noch zu beriicksichtigen, dab in der Vorbereitungszeit des paralytisehen Anfalls pyrogene Sub- stanzen, mSgen sie nun yon dem zerfallenden Gewebe oder yon den massenhaft sieh vermehrenden Spiroch~ten selbst herriihren, in die Blutbahn gelangen und so Fieber erzeugen kSnnten. Ieh bestreite damit keineswegs, dal~ _Fischer mit seiner Behauptung, dab die Tempcratur- steigerung im paralytischen Anfall als cerebrales Fieber aufzufassen sei, recht haben kann; ich meine nur, dal~ ein Beweis dafiir noeh nicht er- bracht ist, und dal3 es sich lediglich um rein hypothetische Annahmen

x) Zeitsohr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie ~6, 131. 1922.

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H. Berger: Klinische Beitr~ge zur Pathologic des Grolthirns. II. 137

handelt. Ich selbst babe in einer Sitzung der Medizinischen Gesellschaft zu Jcna am 16. Juli 19141) fiber eine Beobachtung berichtet, bei der Gehirnfieber beim Menschen anschlie[3end an eine Hirnpunktion, die den Nucleus caudatus getroffen hatte, festgestellt wurde. Es handelte sich also um einc Besti~tigung der Ergebnisse des Aronsohn-Sachsschen Wiixmestichexperimentes bcim Menschen. Diese Bcobachtung ist dann auf meine Veranlassung hin yon Frhulein Hinsch untcr Anffihrung der gesamten Literatur in dieser Zeitschrift ausffihrlich mitgeteilt worden. Dabei unterblieb jcdoch versehentlich ein Hinwcis darauf, dal3 es sich um den schou 1914 von mir kurz verSffentlichten Fall handelte, so dall man glauben konnte, es handelc sich um eine zweite gleichartige Bcob- achtung, wiihrend cs wirklich ein und dersclbe Fall ist2). Ich mSchte bier nochmals ausdrficklich hervorheben, weft dies in beiden VerSffent- lichungen nicht besonders betont ist, dab nach der einseitigen Verletzung - - und zwar war der Nucleus caudatus auf der rechten Seite getroffen worden - - allgemeine Temperatursteigerungen sich einstellten und nicht etwa halbseitige Temperaturdifferenzen zwischen der rechtcn und linken Seite bestanden. Es wurde bei der Patientin vorsichtshalber auch doppel- seitig gemessen, jedoch ergab sich in bciden AchselhSlalen die gleiche Temperatur. ])as ist mciner Ansicht nach ein Fall yon wirklichem cere- bralem Fieber, mit dem, wie gesagt, die halbseitigen Temperaturdiffe- renzen an sich nichts zu tun haben. Im fibrigen mSchte ich auch hervor- heben, dal~ man bci der Annahme des cerebralen Fiebcrs recht vor- sichtig sein soll. Ich glaube zwar mehrere derartige Fi~lle beobachtet zu haben, namentlich bei arteriosklcrotischen Prozessen im Gehirn, bei dcnen plStzlich einsetzende hohe Temperatursteigerungen sich mit SchlafzustKnden verbanden, es licgcn mir aber irgendwelche Obduktions- befunde nicht vor, so dal] ich die Richtigkeit dieser Annahme nicht be- weisen kann. Andererseits meinte ich aber in einem Fall anschlieSend an eine tt irnoperation eclltes cerebrales Fieber beobachten zu kSnnen, als eine grof~e Cystc aus der linken Hemisphere entfernt worden war, die bis in die Gegend dcr basalen Ganglien und des Nucleus caudatus reichte. Eine sich anschlief~ende Spi~tmeningitis wies aber darauf hin, dab das vermeintliche cerebrale Fieber doch wohl infektiSser Natur gewesen ist. Mit dem cerebralen Fieber haben, wie gesagt, die Tempe- raturdiffcrenzen zwischen beiden KSrperseiten nichts zu tun. Auch die Bezeichnung des halbseitigen Fiebers ist eine etwas irreleitende, da es sich meist fiberhaupt nicht urn Fieberzustiinde handelt, sondern lediglich Unterschiede zwischen den beiderseitigen Axillartemperaturen bcstehen. Fischer hat auch vor allem in dankenswerter Wcise wieder darauf auf-

1) Mimch. mcd. Wochenschr. 1914, S. 1917. 2) Dorothea Hinsch, t~ber Gehinlfiebcr. Z(,itschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychia-

trie 54, 303. 1920.

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138 H. Berger:

merksam gemacht, dab sich solche halbseitigen Temperaturdifferenzen namentlich bei der t)aralyse finden. Er meint, dab diese halbseitigen Temperaturdifferenzen bei der Paralyse ziemlich selten seien. Ziehen weist aber in seiner Psychiatrie 1) darauf hin, dab gar nicht selten im Zusammcnhang mit parMytischen AnfMlen erhebliche Differenzen zwischen der rechten und linken Axillartemperatur bcstehen. Auch ich kann best~tigen, dab diese halbseitigen Temperaturdifferenzen, wenn man genau darauf achtet, bei Paralyt ikcrn kcineswegs so selten sind, wie cs zunhchst den Anschcin hat. Voraussetzung sind natiirlich erstens einmal ParMytiker, die AnfMle haben; zweitens mfissen die AnfMle der- artige sein, dab sie halbseitig auftreten und entweder zu einem halb- seitigen Krampf oder zu einer halbseitigen L~hmung fiihren. Wenn man regelm~Big bei solchen Kranken nach den epileptiformen oder apoplekti- formen AnfMlen doppelseitig miBt, so finder man gar nicht selten halb- seitige Temperaturdifferenzen. Sie sind allerdings sehr h~ufig nicht sehr hoch. Man beobachtet meist nur Differenzen yon einigen Zehntel Grad; in manchen FMlen sind sie aber doch viel ausgesprochener. Ich m6chte bier eine sch6ne Beobachtung bei einem Fall yon Paralyse mitteilen.

H. lq'., Kaufmannsfrau, 25 Jahre alt. Luetische Infektion mit 19 Jahren. tteirat mit 20 Jahren. 3 gesunde Kinder. Seit dem 24. Lebensjahre ver~ndert: traurig verstimmt, zahlreiche hypochondrische Wahnideen.

K6rperlicher Befund bei der Aufnahme im Dezember: Zittern der Zunge. Parese des linken Mundfacialis. Gang ataktisch. Ataxie der linken Hand und beider Beine. Romberg positiv. Linke Pupille weiter; Lichtreaktion links tr~ge. Kniephi~nomene gesteigert. Patellarklonus beiderseits. Deutliche paralytische Sprachst6rung. Unsauber mit Kot und Urin.

Psychisches Verhalten: 0rtlich und zeitlich unorientiert. Starke St6rung der Merkf~thigkeit. Euphorie: ,,Alles ist wundersch6n." Kurze Anfhlle yon pl5tzlich einsetzender motorischer Aphasie.

In den folgenden Monaten wiederholt paralytische AnfMle. Oft hochgradig erregt. - - 15. V. Leichter paralytischer Anfall mit klonischen Zuckungen im ]inken Arm, namentlich in der Hand. Axillartemperatur im An/all: links 36,5 ~ rechts 37,0 ~ - - 28. V. Am Abend rechtsseitiger, paralytischer Anfall, der eine Parese des rechten Armes hinterlM]t. - - Am Abend des 1. und am Morgen des 2. VI. setzten erneute paralytische AnfMle ein, die ebenfalls die rechte Seite betrafen und eine L~hmung der rechten Seite hinterlieBen. Die Temperaturbewegungen in diesen Tagen zeigen folgendes Bild:

morgens

abends

29. V.

Rechts . 37,2 Links 36,1

Differenz 1,1

l~echts . 36,5 Links 35,0

Differenz I I 1,5

,~o.v.]m.v. I LVI. i~.vI. 8. VL'4. VI. 15Vl. i6. VL

36,7 36,9 37,5L36,4 375 374 37,0 36.5 ,~5,0 36,4 35,7 36,4 36,0136,2/36,1 1 35,0

0,5 0,0 1 1 I ,,5 36, 37, 3 ,0 37,7 37,3 37,0 37,0i 36,5 35,0 37,2 36,6 36,6 36,5135,5!36.3

0,3 ~,4 o,s 1,1 0,7: 0,5] J,51 0,0

1) Ziehen, Psychiatrie. 3. Aufl. S. 208.

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Klinische Beitrlige zur Pathologie des Groghirns. II. 139

Der Temperaturverlauf geht aus dcr Kurve 1 hcrvor. Hier bestanden crhebliche Differenzen zwischen beidcn K6rperseiten, und

zwar immer so, dab auf der gel/ihmten Seite die Axillartempcratur eine h6hcrc war; die Differenz bctrug his zu 2,4~

Die Kranke starb am 21. VI. Bei dcr Sektion fand sich ein Hirngewicht yon 1075 g. Der makroskopischc sowie dcr mikroskopische Befund war der fbr (,ine Dementia paralytica kennzeichnende.

Man hat dicse cigcntiimlichcn Bcfunde, die schon zicmlich friihzeitig die Aufmerksamkeit errcgten, anschlie[3end an dic Erfahrungen im Tier- experiment zu deuten gcsucht. Bekanntlich haben A. Eulenburg und Landois zucrst darauf hingewiesen, dal] auf der Obclfli~che des GroB- hirns des Hundes einc Stelle zu finden sei, von der aus ein unzweifcl- haftcr Einflul3 auf die Temperatur und Gef~Bwcite der kontratatcralen Extremit~iten ausgeiibt werde. Diese Gcgcnd lag innerhalb der moto- rischen Region des Hundes. Eine Zerst6rung dieser Gegcnd zieht nach diesen Forschern eine Steigerung der Temperatur der kontralateralen Extremiti~ten nach

29.V 30 31 171 2 3 ~ 5 6 sich, die sehr ver- Jso J J / ~ schieden hoch sein R ~ ' , , ~ " x kann, und zwar yon 1'5--2'0 ~ betl agt' J6, ~k / aber selbst 13 ~ zu erreichen imstande ~5' ist. Bei elektrischcr K u r v e 1.

oder anderweitiger Reizung dieser Gegend konntcn diese Untcrsucher eine Temperatur- herabsctzung an den kontralateralen Extrcmiti~ten nachweisen, his zu einem Werte yon 0,8 ~ Diese Ergebnisse sind yon Hitzig, der nach Zerst6rung dieser Gegend eine Temperatursteigerung um 5--7 ~ bei Reizung Temperaturherabsetzungen auf der Gegenseite yon 0,2--0, 6 ~ feststellte, bestS, tigt worden. Auch Beehterew fand nach ZerstSrung dieser Gegend Temperatursteigerungen auf der Gegenseite von 1--3 ~. Wood, Danilewsky, Ldpine, Boche/ontaine, Fr. Franck, Stricker, Richer usw. haben diese Ergebnisse besti~tigt, so dab gegeniiber diesen zahlreichen positiven Ergebnissen der negative Ausfall einiger andcrer Experimente und auch der Versuche yon O. Fischer in seiner obengenannten Arbeit nicht in die Wagschale fallen kann.

Ein paralytischer Anfall pflegt eine Li~hmung zu hinterlassen, und diese Liihmung ist bedingt durch eine Schi~digung der corticalen, moto- rischen Zentren. Sie ist in ihrer allerdings vorfibergehenden Wirkung einer ZerstSrung dieser Zentren gleichzusetzen. Wenn sich halbseitige Temperaturdifferenzen fanden, so ist die hShere Temperatur nach para- lytischen AnfMlen ausnab mslos - - das geht auch aus den Untersuchungen yon Fischer hervor - - auf der Seite der Lithmung gefunden worden, wie

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140 H. Berger:

das auch die oben verSffentlichte Kurve 1 in ausgezeichneter Weise zeigte. Aber gerade bei dieser Beobachtung ist schon darauf hingewiesen worden, dab wdihrend eines frfiheren paralytischen Anfalls am 15. Mai auf der Seite der krampfenden linken KSrperh~lfte, als Zuckungen in der linken Hand bestanden, die Temperatur in der linken Axilla um 5/10~ geringer war als auf der rechten. Diese Beobachtung entspricht auch durchaus dem Ergebnis der Tiercxperimente, denn w~hrend des Anfalls selbst handelt es sich doch um einen Reizzustand im corticalcn Zentrum. Ein Reizzustand zeitigt im Tierexperiment eine Herabsetzung der Tempera tur der kontralateralen Extremiti~ten. Ich habe diese Herabsetzung der Temperatur seltener beobachtet ; meist ist auch ihre l~eststellung eben dadurch erschwert, dab w~hrend des Krampfanfalls eine Messung auf der Seite, wo sich der Krampf abspiclt, dutch den Krampf selbst unmSglich gemacht wird. Man muB solche Fhlle aussuchen, bei denen der Krampf umschrieben auftritt . Dazu eigncn sich be- sonders Kr~mpfe, die sich lediglich auf die Hand beschr~nken, bei denen ohne Schwierigkeit noch eine Messung in der AchselhShle vor- genommen werden kann. Ich mSchtc hier eine andere derartige Beob- achtung noch kurz mitteilen:

L. K., Dienstm~dchen, 26 Jahre alt. Erkrankte im 24. Lebensjahre mit ciner linksseitigen Abducenslahmung. AnschlieBend daran stellten sich psychische Ver- i~nderungen ein; sie wurde kindisch und kam daher in die psychiatrische Klinik.

Bei der Aufnahme land sich eine tr/~ge Lichtreaktion, ferner positiver Romberg, eine nicht unerhebliche Erschwerung der Sprache und Differenz der Knieph~no- mene. - - Psychisch lie~ sich eine ansgesprochene Merkf~ihigkeitsstSrung nach- weisen. Bei der InteUigenzpriifung fanden sich schwere Ausfallserscheinungen. Es bestand dauernd eine euphorische Einstellung. Sie war unsauber mit Urin.

Die Erkrankung schritt sehr langsam fort. In ihrem 31. Lebensjahre, im 5. Jahre ihres klinischen Aufenthaltes, wurde folgende Beobachtung gemacht: Es trat am 14. II. gegen Mittag ein paralytischer Anfall auf, der mit Zuckungen, die sich auf die Gesichtsmuskulatur und die rechte Hand beschrankten, einherging. Wi~hrend des noch bestehenden Anfalls wurde mittags am 3 Uhr auf der rechten, an dem Krampf beteiligten Seite in der Axilla eine Temperatur yon 37,3 ~ auf der linken Seite eine Temperatur yon 37,6 ~ gemessen. Ungef~hr um 1/24 Uhr endeten die Zuckungen vollsti~ndig, und der paralytische Anfall war voriiber. Die weiter fortgesetzten Messungen ergaben folgendes:

Im Anfall Nach dem AnfalI

II 8 Uhr I 4 Uhr 5 Uhr I 6 Uhr I

Rechbs. . 37,3 I 37,8 37,4 36,8 Links . . 37,6 ] 37,6 37,7 36,6

Differenz. - - 0,3 -4- 0,2 - - 0,3 I + 0,2

Den genaueren Temperaturverlauf sieht man auch aus Kurve 2, die die Tem- peraturschwankungen in etwas vergr6$ertem MaSstabe wiedergibt.

Wir finden hier w/ihrend des Anfalls ebenso wie bei der ersten Beobachtung auf der Seite des Anfalls eine Temperaturherabsetzung um 0,3 ~ wahrend sie bei

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Klinische Beitriige zur Pathologie des Grol~hirns. i[. 141

der vorhergehenden Beobachtung 0,4 ~ betrug. Nach SchluB des Anfalles tritt zunachst ein Umschlag ein, die Seite, deren Temperatur vorher herabgesetzt war, wird um 2/1 o Grad wgrmer. Allmahlich stellt sich aber ein Ausgleich ein. 21/2 Stun- den nach dem Anfall ist dic Temperatur auf der Seite, die friiher gekrampft hat und auf der jetzt eine leichte Parese nachweisbar ist, um 2/10 Grad h6her als auf der anderen Seite.

Wir sehen also, dag auch darin die Beobachtungen bei Paralyt ikern durchaus mit dem Tierexperiment im Einklang stehen. 13brigens hat al~ch, wie ich glcich hier hervorheben mSchte, Mager einen inter- essanten hierhergchSrigen Fall beschrieben, bei .... dem er whhrend des Krampfanfalls, den ein Gumma der rechten motorisehen Region auslSste, cine Herabsetzung der Temperatur der linken oberen Extremi tg t beobachtetel) .

Wie haben nun Landois, Bechterew, Hitzig und aueh die anderen Experimentatoren ihren Befund einer halbseitigen Verschiedenheit der Temperatur der Gliedmai3en nach Rindenreizung und Rindenzerst6rung zu erkli~ren versucht ? Sie alle sind sich - - wie iibrigens auch Spiegel in dem in der Anmerkung genannten Referat - - dariiber einig, dab es sich um vasomotorische Einflfisse handelt. Landois, der auch ausdriicklich auf die mit den Experimenten iibereinstimmenden Be- obachtungen der halbseitigen Unterschiede der Achseltemperatur bei Dementia paralytica hin- weist, i st der Ansicht, daft auch bier vasomotorische Vorg~tnge vorliegen. Auch Werniclce hat sich in J ~ ~L//~r o diesem Sinne ausgesprochen. Dieser Ansicht steht Ku~w ~-. diejenige yon Oskar Fischer gegeniiber, der an- nimmt, dab auf der erkrankten Seite wirklich eine erh6hte Wi~rme- bildung, nicht nur ein sti~rkerer Blutzufluft stattfinde. Er weist darauf lain, daft man in der gut gesehlossenen Achselh6hle nicht die Haut- temperatur, sondern die Temperatur einer K6rperhShle messe, die viel mehr v o n d e r KSrpertemperatur , als yon der Haut tempera tu r abhi~ngig sei. Diese Ansicht ist insofern nicht ganz richtig, als zweifellos aufter der allgemeinen K6rper temperatur nach allen dariiber vorliegenden Er- fahrungen auch die Haut tempera tu r einen nicht unwesentlichen Ein- fluft auf die AchselhShlentemperatur besitzt. Es geht dies meiner Ansicht nach schon aus den Messungen yon Oehler hervor, der an der Haut- und AchselhShlentemperatur ein analoges Schwanken entsprechend der

1) Zitiert nach Ernst Spiegel, Die zentrale Lokalisation autonomer Funk- tionen. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie, Rcf. u. Ergcbn. 22, 281. 1920.

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142 H. Berger

AuBentemperatur land1). Jedenfalls ist der yon Fischer gebrachte tIin- weis auf die Eigentiimlichkeit der AchselhShlentemperatur keineswegs imstande, die Ergebnisse der frfiheren Experimente, daf~ es sich n~mlich bei diesen halbseitigen Temperaturdifferenzen um vasomotorische Ein- fliisse handele, zu widerlegen. Der l~bergang von Temperaturherab- setzung bei Reizung zur Temperatursteigerung bei ZerstSrung der Rindenzentren spricht auch mehr fiir vasomotorische Einfliisse, yon vielen anderen Griinden, die gegen dig Fischersehe Erklarung angefiihrt werden kSnnen, abgesehen. Jedenfalls kann man das eine sagen, dab die Annahme von Landois, Hitzig und anderen, die vasomotorische Ein- fliisse fiir die halbseitigen Temperaturdifferenzen verantwortlich maehen, die n/~chstliegende Erkl/~rung darstellt. Lokale Temperaturverande- rungen irgendeines Gliedes kSnnen eben nur auf einer Verhnderung des Zustandes der Gefal]muskulatur beruhen, wobei natiirlich die vaso- motorischen Einfliisse durchaus nicht auf dig Hautgefaf]e allein be- sehr~nkt zu sein brauchen.

Was nun die Lokahsation der Stelle im Gehirn, vonder aus diese vasomotorischen Reiz- und Ausfallserscheinungen in den gegeniiberlie- genden Extremitaten erzielt werden, anbetrifft, so haben schon die ersten Untersueher Eulenburg und Landois darauf hingewiesen, da[~ beim Hunde die Gegend sich innerhalb der sogenannten motorischen Region finder. Sie haben ferner auch hervorgehoben, daI] getrennte Zentren fiir die Vasomotoren des Vorder- und des Hinterbeines bestehen. Diese Feststellungen sind von den spateren Untersuchern in allen we- sentlichen Punkten bestatigt worden. Es w~re vielleicht hier gleich noch darauf hinzuweisen, dab bei experimentellen Verletzungen diese halb- seitigen Temperaturdifferenzen sich in manchen Fallen in 2--3 Tagen ausgleichen, in anderen F/~llen aber selbst 3 Monate lang beobachtet wurden, wahrend die Herabsetzung der peripheren KSrpertemperatur meist nur einige Minuten nach Entfernung der Elektroden anh~lt. Die Beobachtungen des Vorkommens des sogenannten halbseitigen Fiebers bei der Dementia paralytica im Zusammenhang mit paralytischen An- fallen, dig ebenfalls als Reiz- und Ausfallssymptome yon seiten der motorischen Region aufgefaBt werden miissen, weisen auch ohne weiteres darauf hin, dab diese vasomotorischen Zentren sich auch beim Menschen in ngchster Nahe, wenn nicht gar innerhalb der motorischen Region befinden miissen. Die schon oben angefiihrte Beobachtung yon Mager ist eine weitere Bestatigung fiir diese Annahme. In den Fgllen yon Paralyse lgBt sich natiirlich bei den diffusen Veranderungen, welche die Erkrankung hervorruft, aus dem anatomischen Befund post mortem nicht der Nachweis erbringen, dab in der Tat die vasomotorischen Er- scheinungen dureh eine Herderkrankung der rechten oder linken vor-

1) Siehe gierordt, Tafeln und Tabellen fiir Mediziner. 3. Aufh S. 370.

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Klinische Beitriige zur Pathologic des Grol~hirns. lI. 143

deren Zentra lwindung oder deren ni~chsten Umgebung bedingt seien. Auch der yon Bechterew 1) mitgeteilte Fall einer t raumat ischen Li~sion mit nachfolgenden, halbseitigen Temperaturdifferenzen li~gt eine be- s t immte Lokalisat ion nicht zu. Wichtiger ist da wieder ein ebenfalls in dem Spiegelschen Referat 2) mitgcteilter Fall von Rossolimo, der fiber eine Cyste dcr rechten motorischen Region, die neben Parese und Zuckungen der kontra la teralen K6rperhMfte Cyanose, 0 d e m und Herab- setzung der Tempera tu r der linken Hand verursachte, berichtet. Alle diese Erscheinungen wurden nach einer operat iven Behandlung der Cyste zum Rtickgang gcbracht . Gerade diese Beobachtung besti~tigt wieder, dag vasomotorische Erscheinungen und nicht e twa Vorgi~nge, die dem cerebralen Fieber zuzurechnen seien, diese halbseitigcn Tem- peraturdifferenzen beim Menschcn hervorrufen. Der yon Fischer 3) mitgeteilte Fall, bei dem es sich um eine Encephali t is epidemica handelt , ist ffir die Lokalisat ion der StSrungen nicht zu verwenden, da sicb diffuse Ver~nderungen an der Basis fanden, und nach unserer Erfahrung auch nicht selten bei der Encephali t is selbst bei makroskopiseh nor- malem Rindenbefund sich doch bei einer mikroskopischen Untersuchung Rindenherde an den verschiedensten Stellen nachwcisen lassen. I n Ergi~nzung der Beobachtung yon Rossolimo m6chte ich hier einen Fall mitteilen, der zur Lokalisation des Ents tehungsor tes dieser halbseitigen Temp(,raturdiffcrenzcn bcitragcn kann:

Eine 27jahrige Dircktricc G. V., die friiher immer gesund gewesen war und cine gute intcllektuelle Entwicklung darbot, hatte im Frtihjahr 1921 eine Grippe iiberstanden, die mit schr starken Kopfschmerzen cinherging. Sic hatte schon l~ngere Zcit wi~hrend der Mcnscs Schmerzen, namentlich in der linkcn Kopfseite. Am 7. X1. 1921 wurde sie yon dcm Arzt wcgen Blutarmut und Ncrvositat krank gcschrieben. Am 4. Xl I. 1921 klagtc sic, beim Mittagessen sitzend, plStzlich iibcr Stechen im Kopf und griff sich mit dcr rcchten Hand an die Stirn. Der rcchte Arm fiel plotzlich wiedcr schlaff herab. Fraulein V. stand auf, lief im Zimmcr umhcr, sctzte sich dann wicdcr, und gleich darauf stcllte sich cine L/~hlnung im rcchtcn Bcin ein, so dab sie sich nicht wieder erheben konnte. Wahrend des ganzen Vorgangs verlor sie nicht das Bewul~tsein, es schwand abcr gegen Abend dcsselben Tages fiir etwa cinc Viertelstunde. Sie hatt~ dann ctwa 2 Tagc lang Er- brechen. Der Arzt fand am folgenden Tagc, am 5. XH., eine ausgesprochene rcchtsseitige Lahmung ohne jede Sensibiliti~tsstSrung. In den ersten Tagen sprach sic noch gut, am Abcnd des 3. Tages nach dem Insult hatte sic jedoch Schwierig- keiten beim Aussprechen dcr Wortc. Die Angeh6rigcn berichten, dab sic sich Miihe gebcn muf3tc, ,,die Wortc zu formen". Am n~ichstcn Tagc versagte die Sprache vollstandig, d. h. sie konntc zunachst noch ,,ja" hcrausbringen, dann iiberhaul~ nicht mehr sprechen. Es trat auch eine Erschwerung des Schluckens ein. Sic schlicf auffallend viol; anfangs war sic aber noch durch Anruf leicht zu wecken, spiiter wurde die Somnolenz immer st~irker. Sie blicb dabei sauber und hatte keine

1) Bechterew, Die Funktionen der Nervenzentrcn. ~) I. c. S. 231. a) 1. ('. S. 231.

Jena 1911. S. 1757.

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14~ H. Berger :

Temperatursteigerungen. Mit diesen Angaben wurde sie am 15. XII. 1921 in meine Klinik aufgenommen.

Die Untersuchung ergab tiber der Herzspitze ein systolisches Geri~usch. Der 2. Pulmonalton war deutlich akzentuiert. Die Temperatur betrug 36,5 ~ der Puls hatte 56 Schl~ige in der Minute. Bei der Blutuntersuchung land sich eine erhebliche Vermehrung der Leukocyten, ihre Zahl betrug 22 600. Wassermann war im Blut und in der Cerebrospinalfliissigkeit negativ. Bci der Spinalpunktiou fiel eine deutliche Erh6hung des Druckes auf, dagegen war eine Zell- oder Eiweil]- vernlehrung in ihr nicht nachweisbar. Auffallend war eine leicht braungelbc Vcr- fArbung des Liquors. Am Nervensystem land sich eine LAhmung des rechtcn Armes und Beines. Aneonaeus-, Knie- und AchillesphAnomcn warcn auf der rechten Seite starker. Es bestand rechts Babinski. Der Bauchreflex Iehlte rechts. Der ganze rechte Facialis war paretisch, es bestand Lagophthalmus rechts. Der Cornealreflex war rechts erloschen. Die Pupillen waren gleich und reagierten gut auf Lichteinfall. Der Augenhintcrgrund war normal. Pat. bemerkte Stiche auf beidcn K6rperseiten.

Sic war nach der Aufnahme zunAchst total aphasisch, kam keinerlei Auf- forderungen nach und zeigte einen starren, maskenartigcn Ausdruck. Am 16. XII. verstand sie Aufforderungen; es bestand abet eine ausgesprochene motorische Aphasie. Sie hob auf Aufforderung die linke Hand, zeigte die Zunge, die gerade hervorgestreckt wurde, und kam auch anderen Aufforderungen nach. Bei einer •achuntersuchung am 21. XII. wurde der gleiche Befund am Nervensystem er- hoben. Da immer leichte Temperatursteigerungen bestanden und aul~erdem eine Hyperleukocytose nachweisbar war, wurde yon mir neben der Diagnose eines Tumors diejenige einer Encephalitis epidemica erwogen. Ich entschied reich ftir die letztere Diagnose, indem ich annahm, dab es unter der Einwirkung des encephalitischen Prozesses, der sich wahrscheinlich schon seit langerer Zeit schlei- chend entwickelt hatte, am 4. XII. 1921 zu mehrfachen kleinen Blutungen im Zentralnervensystem gekommen sei. Bei einer spezialarztlichen Untersuchung des Ohres, der Nase und des Augenhintergrundes am 23. XII. wurde ein normaler Befund erhoben. Die Kranke befolgte dabei alle Aufforderungen. Am 26. XII. schlief sie am Tage sehr viel und war kaum zu erwecken. Sie wurde jetzt unsauber mit Kot und Urin und aB auffallend schlecht. Am folgenden Morgen trat wieder eine leichte Besserung ein. Eine genauere Untersuchung am 6. I. 1922 bestAtigte den friiher erhobenen Befund: Die Kranke war motorisch-aphasisch, verstand aber, was man ihr mitteilte, gut. Es bestand eine Parese der rechten Seitc. Am rechten Auge war noch immer ein Lagophthalmus nachweisbar. Das Babinskisehe Pha- nonmn, das vortibergehend einmal beiderseits nachgewiesen wurde, land sich nur rechts. Das Schlafbedtirfnis lied nach. Mit Schwankungen bestand weiterhin ziemlich das gleiche Verhalten. Am 23. I. wurde eine linke Spinalpunktion vor- genommen. Dabei land sich der Druck nicht wesentlich erh6ht. Im Liquor konnten irgendwelche alten Blutreste, auf die besonders gefahndet wurde, nicht nachge- wiesen werden. Bei der Nonne-Apelt-Untersuchung land sich eine leiehte Trtibung, jedoch war keine Zellvermehrung nachweisbar. Auf Grund dieses Befundes und des weiteren Verlaufes ~nderte ich meine Diagnose einer Encephalitis in diejenige einer Thrombose der linkcn Arteria Fossae Sylvii ab. Ich machte den bestehenden Herzfehler ftir ihre Entstehung verantwortlieh und nahm gleichzeitig an, dal~ der Verschlul3 der Arterie kein vollstAndiger sei und die ~_ste, welehe den SchlAfen- lappen versorgten, frei gelassen habe. Sensorisch-aphasische St61~ngen haben doch nut ganz vortibergehend bestanden. Ich meinte, da[~ hauptsAchlich die ~.ste betroffen seien, welche die vordere Zentralwindung in der Brocaschen Stelle ver- sorgen, und war der Ansicht, da~ die eigentiimlichen halbseitigen Temperatur-

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Klinische Beitrage zur Pathologie des Gro~hirns. iI. 145

differenzen, die die Kranke st/indig darbot, als Rindcnsymptome aufzufassen seien. Die plStzliehe Entstehung der L/ihmungen und der weitere station/ire Verlauf schienen jetzt gegen eine Encephalitis zu sprechen. Naehdcm in den folgenden Tagen das Befinden ein wechselndes und zeitweise wieder ein erheblich besseres gewesen war, ertolgte am 29. I. ziemlich unerwartet der Tod.

Die Sektion, die von Herrn Prof. R6ssle ausgeffihrt wurde, ergab eine klein- apfelgroi]e Melanosarkommetastase in dem oberen Drittel des linken Gyrus praecentralis, fibergreifend auf den Lobus paracentralis und die angrenzenden Teile von F1 und F~. Unter dem Tumor land sich eine halbmondf6rmige, nicht ganz frisehe apoplek- tische Cyste. Der Balken und das Septum pellucidum waren nach rechts gedr/ingt. Der Prim/irtumor wurde in einem Naevus der rechten Brustseite gefunden. - - Die Lage des Tumors ersieht man aus der schema- tischen Abbildung (Abb. 3). - - Die Ausdehnung des Tumors und seine Lage zum Marklager und die ihn umgebende, mit Blut geffillte, apoplektische Cyste erkennt man besser auf einem Querschnitt, der in der HShe des hinteren Endes von F 1, also etwa Abb. 3. vor dem Suleus praecentralis, durch beide Hemi- sph/iren geftihrt ist. Abb. 4 zeigt einen derartigen geharteten Schnitt in photo- graphischer Wiedergabe.

Die genauere mikroskopische Untersuchung, fiber die Herr Dr. Welmann an anderer Stelle berichtet hat1), ergab, dab die Blutungen unter dem Tumor

Abb. 4.

sicherlich mehrere Wochen alt waren. Es hatte ein lebhafter Abbau der Blutungen begonnen, und es land sich eine beginnende, deutlich ausgesprochene Membranbildung. Der mikroskopische Befund sprieht daffir, daI~ am 4. XII. 1921, als plStzlich die L/ihmungssymptome w/ihrend des Mittagessens einsetzten, hSchstwahrscheinlich die Blutungen begannen, die sieh wohl in den folgenden Tagen noch mehrfach wiederholten.

In diesem Falle fanden sich nun w/ihrend des ganzen klinischen Aufenthaltes, der sich also auf die Zeit vom 15. XII. 1921 bis zum 29. I. 1922 erstreckte, halb-

1) Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie. 1923.

z. f. d. g. Neur. u. Psych. LXXXVL 10

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146 H. Berger:

seitige Temperaturdifferenzen. Schon ~ul3erlich sah die rechte paretische Hand etwas anders aus als die linke, ihre Hautgef~13e schienen starker gefiillt, und sie ftihlte sich auch w/irmer an. Die regelmii$ig durchgefiihrte, doppelseitige Axillar- messung, die am 18. XII. aufgenommen wurde, ergab zum Teil sehr erhebliche Temperaturunterschiede. Ich fiihre hier nur die Messungen an, die sich auf die Zeit vom 18. bis 24. Dezember erstrecken:

morgens

abends

Dezember : 18. 19. 20. 21. I 2"2. 2L 24.

Rechts . . . . . Links . . . . .

Differenz . . . .

Rechts . . . . . Links . . . . .

~ Differenz . . . .

37,0 36,4

0,6

37,4 36,8

0,6

37,1 36,7

0,4

37,3 36,1

1,2

37,0 36,6

0,4

37,2 37,0

0,2

37,2 37,8 36,0 37,0

1,2 I 0,8

37,5 37,7 36,3 36,5

1,2 ] 1,2

36,8 36,2

0,6

37,3 36,8

0,5

37,9 37,6

0,3

37,4 37,2

38 o 18.~ Ig ZO ZI. ZZ ZJ. Zq

Kurve 5.

zeigt sich der Unterschied zwischen rechter und linker Seite in der graphischen Darstellung Kurve 5.

Zwar sind die Unterschiede nicht so betr/~chtlich wie in dem oben von mir angefiihrten ersten Fall einer Paralyse; sie sind aber doch deutlich ausgesprochen und

bestanden, wie schon erw/~hnt, in mehr oder minder ausgepri~gter Weise tiber 6 Wochen lang bis zum Tode der Pat.

Wir linden hier einen Herd, der beschrankt ist auf die oben ange- gebene Region. Basale Ganglien und sonstige Teile des Gehirns waren frei von Veranderungen, wenn sich auch an verschiedenen Stellen der Meningen, wie Herr Dr. Weimann land, Zellanhi~ufungen feststellen liei~en. Ich stehe nicht an, in ~bereinstimmung mit anderen Beobachtern diesen Herd, der die vordere Zentralwindung betroffen und zu einer rechts- seitigen Parese gefiihrt hat, fiir die dauernden halbseitigen Temperatur- differenzen verantwortlieh zu machen. Ich sehe diese rechtsseitigen Temperatursteigerungen als eine Folge der Li~hmung der Vasoconstric- toren der rechten oberen Extremitht an. Dieser Befund steht mit den experimentellen Erfahrungen am Hunde im besten Einklang. Auch beim Menschen finder sieh innerhalb der Rinde der motorischen Region oder in deren n~chster Nachbarschaft, vieUeicht etwas vor ihr, ein vaso- motorisches Zentrum, bei dessen Ausschaltung eine L~hmung der Vaso- motoren an der gegeniiberliegenden Extremiti~t sich nachweisen li~13t. Wie schon wiederholt hervorgehoben, dtirfen diese halbseitigen Tempe- raturdifferenzen nicht mit dem cerebralen Fieber zusammengeworfen werden. Selbstverst~ndlich kSnnten sich unter Umsti~nden diese durch

Man sieht daraus, dal3 zum Teil Differenzen yon 1,2 ~ zwischen beiden Axillar- Temperaturen bestanden. Stets aber war die Temperatur auf der rechten Seite hSher als auf der linken. - - ?2bersichtlicher als in dieser Zahlenzusammenstellung

0,2

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Klinisclw Beitra~e zur l'ath0h)gw des Gr0$hirns. If. 147

vasomotorische St6i'ungcn hcrvorgcrufcncn Tcmpcraturdifferenzcn zu einem wirklichcn c~,rc, bralcn Ficber hinzuaddicrcn. Ftir das ccrcbrale Fieber miissen abcr nach unscrcn derzcitigcn Erfahrungcn ganz anders lt~kalisi~,rtc Herdc als gcv'adc H(,rdc imwrhalb dcr motorischcn Region verantwortlich gcmacht wcrdc~l, l)as sogenamltc halbscitigc Ficber ist eim, vasomotorisch(, St6ru~lg, und scin Zustan(lckommel~ hat mit dem Mcchanismus des cchtcn cerebralcn Fiebcrs nichts zu tun. lch glaube, (lag man auch in diagnostischcr Hinsicht diesc halbseitigen Temperaturdiff(,rcnz(,ll in de~ Sinnc vcrwert(m kann, da[] ihr Vor- handcns(,in fiir Herd(, (,ntw(,dcr iml(,rhalb d(,r Rinde oder in ni~chst(,r N~thc der Rindc dcr motorischcn ir spticht. In di(,scm Sinnc kommt dcm Symptom des sogenalmten ,,halbs(,itig(,n Ficbcrs" cine lokalisatorischc Bcdcutung zu.