fritz haber

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN 22. Jahrgang I6. Februar I934 Heft 7 Fritz Haber t. Am 9. Dezember 1928, FRITZ HABERS sechzigstem Geburtstage, hatte sich in Dahlem vor dem Kaiser ~'ilhelm-Institut fflr physikalische Chemie und Elektrochemie, ,seinem Institut, eine kleine Ge- meinde yon Freunden und Mitarbeitern versammelt und pflanzte daselbst die Haber-Linde; er selbst weilte irn Siiden. Das war die einzige Geburtstagfeier. Gleich anderen wissenschaftlichen Zeitschriften brachten jedoch die iX~ATURWISS~ENSCHAFTEN ein Jubil~umsheft heraus, zusammengestellt aus ]3eitr~igen der berufensten Kenner der HABERschen Arbeitsgebiete. Zu ihm greife, wer sich vor Augen fiihren will, was Chemie und Physik, Landwirtschaft und Technik ffir Krieg und Frieden an HABER verlieren. Aber der Leser wird daselbst auch linden, dab die eigenen Arbeiten nut einen Tell der Gr613e HABERS begrfin- den; der Institutsdirektor in ihm, der bei aller Freiheit, die er seinen Mitarbeitern in der Entfaltung ihrer F~higkeiten tieB, doch den Grnndton des Ganzen angab, war vielleicht noch gr6f3er. Seine T~tig- keit stand mit dem sechzigsten Jahre keineswegs still; Verbrennungs- und Explosionsvorg~nge, der EinfluB yon Atomen und Radikalen darauf, Autoxydation und Reduktion in L6sungen, insbesondere auch bei biologischen Prozessen, sind Themata und Plane eigener Untersuchungen aus den letz±en Zeiten. Von anderen Arbeiten aus seinem Institut heben wir die Trennung yon Para- und Ortho-Wasserstoff durch ~ONHOEFFER und HARTECK hervor, sox¥ie deren Verwendung zur Erforschung verwickelter chemi- scher Prozesse und magnetischer Stoffeigensehaften. Solange es bestand, bildete sein Institut eine weitberiihmte St~tte vieles umspannender Naturforschung. Am 2. Mai 1933 reichte HABER sein Abschiedsgesuch ein. THt~MISTOKLES ist in die Geschichte eingegangen nicht als der Verbannte am Hof des Perser- k6nigs, sondern als der Sieger yon Salamis. HABER wird in die Geschichte eingehen als der geniale Er- finder desjenigen Verfahrens, Stickstoff mit Wasserstoff zu verbinden, das der technischen Stickstoff- gewinnung aus der Atmosphere zugrunde liegt, als der Mann, der auf diese Weise, wie es bei der ~ber- reiehung des Nobelpreises an ihn hieB, ,,ein ~beraus wichtiges Mittel zur Hebung der Landwirtschait und des Wohlstandes der Menschheit" sehuf, tier 13rot aus Luft gewann und einen Triumph errang ,,ira Dienste seines Landes und der ganzen Mensehheit". Und was bleibt denen, die ihn kannten und ihnl nun nachtrauern ? Erinnerungen -- -- -- ,,Seine Freunde und seine IVfitarbeiter kennen den Reichtum seines Herzens, seine Treue, seine Ritterlichkeit und Zartheit, seine Emp6rung fiber Unlauterkeit und Schlechtigkeit und die heitere Ruhe, mit der er Kleinigkeiten fibersieht. Jfingeren gegenfiber ist er yon nie ermfidender Gfite, framer bestrebt, ihnen Hoffnungen zu geben nnd neue Wege zu weisen. Er hat kein Verst~ndnis ffir Enge und Undutdsam- keit; er sch~tzt die Erlesenheit anderer L~nder und Geister, doch seine Liebe gilt dem deutschen Lande; hat er doch, wie kein zweiter, geholfen, dab dieses Land in schwerster Zeit seine Kinder schfitzen und ern~hren konnte." So schrieb MARGARETE V. WRANGELL 1928 ; SO behalten wir HABER im Ged~ichtnis. Denn er war UII ser. 5'I. v. LAUE, FRITZ HABER starb am 29. Januar 1934 auf der Reise yon Cambridge nach einem Schweizer Kurort. Er starb nicht unerwartet ft~r die, die ihn kannten. L~ngst zehrte ein Herzleiden an seinen Kr~iften. Wer einmal einen Anfall dieses Leidens bei ihm mit ansah, staunte schon vor Jahr und Tag, daB ein solcher Anfall so raseh und scheinbar ohne Folgen vorfiberging. Er selbst war sich fiber die Un- heilbarkeit des Leidens ktar. Er trug es klaglos; nur einmal, im April 1933, entfuhr ibm: ,,Es ist schlimm mit solehem Leiden; man stirbt daran so langsa, m." Die Anf~lle wiederholten sich; im August 1933 in den Alpen ereilte ihn ein besonders schwerer, tier recht nachhaltige Folgen hinterlieB; dann hGrte mall aus Cambridge yon seiner neuen Schaffensfreude, yon sch6nem Fortgang begonnener Arbeiten -- und jetzt, am I. Februar, kam die Nachricht seines Todes und der schon erfolgten Ein~scherung. Nw. I934.

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN 22. Jahrgang I6. Februar I934 Heft 7

Fritz Haber t.

Am 9. Dezember 1928, FRITZ HABERS sechzigstem Geburtstage, hatte sich in Dahlem vor dem Kaiser ~ ' i lhe lm-Ins t i tu t fflr physikalische Chemie und Elektrochemie, ,seinem Insti tut, eine kleine Ge- meinde yon Freunden und Mitarbeitern versammelt und pflanzte daselbst die Haber-Linde; er selbst weilte irn Siiden. Das war die einzige Geburtstagfeier. Gleich anderen wissenschaftlichen Zeitschriften brachten jedoch die iX~ATURWISS~ENSCHAFTEN ein Jubil~umsheft heraus, zusammengestellt aus ]3eitr~igen der berufensten Kenner der HABERschen Arbeitsgebiete. Zu ihm greife, wer sich vor Augen fiihren will, was Chemie und Physik, Landwirtschaft und Technik ffir Krieg und Frieden an HABER verlieren. Aber der Leser wird daselbst auch linden, dab die eigenen Arbeiten nut einen Tell der Gr613e HABERS begrfin- den; der Inst i tutsdirektor in ihm, der bei aller Freiheit, die er seinen Mitarbeitern in der Entfal tung ihrer F~higkeiten tieB, doch den Grnndton des Ganzen angab, war vielleicht noch gr6f3er. Seine T~tig- keit stand mit dem sechzigsten Jahre keineswegs still; Verbrennungs- und Explosionsvorg~nge, der EinfluB yon Atomen und Radikalen darauf, Autoxydat ion und Reduktion in L6sungen, insbesondere auch bei biologischen Prozessen, sind Themata und Plane eigener Untersuchungen aus den letz±en Zeiten. Von anderen Arbeiten aus seinem Ins t i tu t heben wir die Trennung yon Para- und Ortho-Wasserstoff durch ~ONHOEFFER und HARTECK h e r v o r , sox¥ie deren Verwendung zur Erforschung verwickelter chemi- scher Prozesse und magnetischer Stoffeigensehaften. Solange es bestand, bildete sein Ins t i tu t eine weitberiihmte St~tte vieles umspannender Naturforschung.

Am 2. Mai 1933 reichte HABER sein Abschiedsgesuch ein.

THt~MISTOKLES ist in die Geschichte eingegangen nicht als der Verbannte am Hof des Perser- k6nigs, sondern als der Sieger yon Salamis. HABER wird in die Geschichte eingehen als der geniale Er- finder desjenigen Verfahrens, Stickstoff mi t Wasserstoff zu verbinden, das der technischen Stickstoff- gewinnung aus der Atmosphere zugrunde liegt, als der Mann, der auf diese Weise, wie es bei der ~ber- reiehung des Nobelpreises an ihn hieB, ,,ein ~beraus wichtiges Mittel zur Hebung der Landwirtschait und des Wohlstandes der Menschheit" sehuf, tier 13rot aus Luft gewann und einen Triumph errang ,,ira Dienste seines Landes und der ganzen Mensehheit".

Und was bleibt denen, die ihn kannten und ihnl nun nachtrauern ? Erinnerungen -- -- -- ,,Seine Freunde und seine IVfitarbeiter kennen den Reichtum seines Herzens, seine Treue, seine Ritterl ichkeit und Zartheit, seine Emp6rung fiber Unlauterkei t und Schlechtigkeit und die heitere Ruhe, mit der er Kleinigkeiten fibersieht. Jfingeren gegenfiber ist er yon nie ermfidender Gfite, framer bestrebt, ihnen Hoffnungen zu geben nnd neue Wege zu weisen. Er hat kein Verst~ndnis ffir Enge und Undutdsam- keit; er sch~tzt die Erlesenheit anderer L~nder und Geister, doch seine Liebe gilt dem deutschen Lande; hat er doch, wie kein zweiter, geholfen, dab dieses Land in schwerster Zeit seine Kinder schfitzen und ern~hren konnte."

So schrieb MARGARETE V. WRANGELL 1928 ; SO behalten wir HABER im Ged~ichtnis. Denn er w a r UII s e r .

5'I. v . LAUE,

FRITZ HABER starb am 29. Januar 1934 auf der Reise yon Cambridge nach einem Schweizer Kurort. Er starb nicht unerwartet ft~r die, die ihn kannten. L~ngst zehrte ein Herzleiden an seinen Kr~iften. Wer einmal einen Anfall dieses Leidens bei ihm mit ansah, staunte schon vor Jahr und Tag, daB ein solcher Anfall so raseh und scheinbar ohne Folgen vorfiberging. Er selbst war sich fiber die Un- heilbarkeit des Leidens ktar. Er trug es klaglos; nur einmal, im April 1933, entfuhr ibm: ,,Es ist schlimm mit solehem Leiden; man stirbt daran so langsa, m." Die Anf~lle wiederholten sich; im August 1933 in den Alpen ereilte ihn ein besonders schwerer, tier recht nachhaltige Folgen hinterlieB; dann hGrte mall aus Cambridge yon seiner neuen Schaffensfreude, yon sch6nem Fortgang begonnener Arbeiten -- und jetzt, am I. Februar, kam die Nachricht seines Todes und der schon erfolgten Ein~scherung.

Nw. I934.