eosinophile fasziitis und asplenie

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Redaktion E. Edelmann, Bad Aibling E. Reinhold-Keller, Hamburg Z Rheumatol 2009 · 68:695–698 DOI 10.1007/s00393-009-0478-7 Online publiziert: 5. Juni 2009 © Springer Medizin Verlag 2009 N.T. Baerlecken 1  · A. Melzer 2  · R.E. Schmidt 1  · T. Witte 1 1 Klinik für Immunologie und Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover 2 Rheumatologische Schwerpunktpraxis, Seesen Eosinophile Fasziitis und Asplenie Kasuistiken Die eosinophile Fasziitis (Shulman-Syn- drom) ist eine chronische Inflamma- tion der Septen und Faszien, die von Eosinophilen infiltriert werden, und äh- nelt der systemischen Sklerose [1]. Die eosinophile Fasziitis wurde im Zusam- menhang mit zahlreichen Krankheits- bildern erwähnt, wie aplastische und hä- molytische Anämie, Thrombozytopenie, lymphoproliferative Erkrankungen, Thy- reoiditis, Lungenfibrose, Sjögren-Syn- drom, Myositis, Vaskulitis, Perikarditis, Kolitis und Glomerulonephritis [1–4]. Eine Assoziation mit der kongenitalen Asplenie, wie im vorliegenden Fall, ist hingegen bislang noch nicht beschrie- ben worden. Fallbericht Die 56-jährige Patientin stellte sich im August 2007 in unserer Klinik mit zuneh- mender Verhärtung der Haut und Myal- gien an den Unterschenkeln als Folge ei- ner eosinophilen Fasziitis vor. Die Erst- manifestation der eosinophilen Faszii- tis war im November 2001, die Erstdiag- nose erfolgte im Mai 2002 bei teils straff, faltig und hart imponierender Haut und Myalgien der Unterschenkel und Ober- arme (Abb. 1). Zur Verifizierung trug eine Biopsie aus dem Randbereich des betreffenden Haut- areals bei, in der eine chronische Entzün- dung der Septen und Faszien mit infilt- rierenden Eosinophilen auffielen. Des Weiteren bestätigten eine Magnetreso- nanztomographie der Unterschenkel (Abb. 2) und der Anteil der Eosinophi- len an den Leukozyten von 53% die histo- logische Diagnose der eosinophilen Faszi- itis. Die Patientin verneinte die Einnahme von Toxinen, Medikamenten (einschließ- lich Antidepressiva und L-Tryptophan) oder Mineral- und Vitaminsubstitutions- präparaten im Vorfeld der Erkrankung. Die eosinophile Fasziitis wurde initi- al mit Prednisolon 60 mg/Tag p. o. und Hydroxychloroquin 400 mg/Tag p. o. so- wie kurze Zeit später in Kombination mit Methotrexat 15 mg/Woche s. c. behandelt. Die DMARD („disease modifying anti- rheumatic drugs“) konnten allerdings kei- ne Dosisreduktion des Prednisolons un- ter 40 mg/Tag bewirken, ohne neue Schü- be zu provozieren. Zudem traten entspre- chende Hautveränderungen am linken Unterbauch auf (Abb. 3). Der erneute Schub der eosinophilen Fasziitis, der zur Aufnahme führte, wur- de durch eine Steigerung des Predniso- lons von 20 mg auf 40 mg/Tag sowie ei- nen Wechsel von Methotrexat auf Azathi- oprin 200 mg/Tag behandelt. Im Verlauf führte auch dies nicht zur Remission und gewünschten Dosisverminderung des Prednisolons. Aufgrund dessen wurde ei- ne Cyclophosphamid-Therapie nach dem Austin-Schema gestartet, in deren Folge die Prednisolon-Gabe auf 17,5 mg/Tag re- duziert werden konnte (Abb. 4). Im Rahmen der weiteren Abklärung fiel sowohl in der Sonographie des Ab- domens als auch in der Computertomo- graphie eine Asplenie auf. Im peripheren Blutausstrich zeigten sich zudem Howell- Jolly-Körperchen. Die Patientin berichte- te, dass seit ihrer Kindheit bereits die feh- lende Anlage der Milz bekannt sei. > Die Häufung von Organfehlanlagen in der Familie deutet auf eine erbliche Erkrankung hin In der Familienanamnese liegen keine rheumatischen Erkrankungen vor. Aller- dings weist die Schwester einen Situs in- versus sowie Malsegmentationen auf. Ihr Bruder hat eine Hypersegmentation im Bereich der zervikalen Wirbel in Form Abb. 1 7 Sklerodermi- forme Hautverände- rungen mit Induration im Bereich des linken Unterschenkels. Hier- bei liegt die Haut teil- weise straff der dar- unterliegenden Faszie auf, so dass vermehrt Hautfalten imponieren 695 Zeitschrift für Rheumatologie 8 · 2009 |  

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Page 1: Eosinophile Fasziitis und Asplenie

RedaktionE. Edelmann, Bad Aibling E. Reinhold-Keller, Hamburg

Z Rheumatol 2009 · 68:695–698DOI 10.1007/s00393-009-0478-7Online publiziert: 5. Juni 2009© Springer Medizin Verlag 2009

N.T. Baerlecken1 · A. Melzer 2 · R.E. Schmidt 1 · T. Witte 11 Klinik für Immunologie und Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover2 Rheumatologische Schwerpunktpraxis, Seesen

Eosinophile Fasziitis und Asplenie

Kasuistiken

Die eosinophile Fasziitis (Shulman-Syn-drom) ist eine chronische Inflamma-tion der Septen und Faszien, die von Eosinophilen infiltriert werden, und äh-nelt der systemischen Sklerose [1]. Die eosinophile Fasziitis wurde im Zusam-menhang mit zahlreichen Krankheits-bildern erwähnt, wie aplastische und hä-molytische Anämie, Thrombozytopenie, lymphoproliferative Erkrankungen, Thy-reoiditis, Lungenfibrose, Sjögren-Syn-drom, Myositis, Vaskulitis, Perikarditis, Kolitis und Glomerulonephritis [1–4]. Eine Assoziation mit der kongenitalen Asplenie, wie im vorliegenden Fall, ist hingegen bislang noch nicht beschrie-ben worden.

Fallbericht

Die 56-jährige Patientin stellte sich im August 2007 in unserer Klinik mit zuneh-mender Verhärtung der Haut und Myal-gien an den Unterschenkeln als Folge ei-ner eosinophilen Fasziitis vor. Die Erst-manifestation der eosinophilen Faszii-tis war im November 2001, die Erstdiag-nose erfolgte im Mai 2002 bei teils straff, faltig und hart imponierender Haut und Myalgien der Unterschenkel und Ober-arme (. Abb. 1).

Zur Verifizierung trug eine Biopsie aus dem Randbereich des betreffenden Haut-areals bei, in der eine chronische Entzün-dung der Septen und Faszien mit infilt-rierenden Eosinophilen auffielen. Des Weiteren bestätigten eine Magnetreso-nanztomographie der Unterschenkel (. Abb. 2) und der Anteil der Eosinophi-len an den Leukozyten von 53% die histo-logische Diagnose der eosinophilen Faszi-

itis. Die Patientin verneinte die Einnahme von Toxinen, Medikamenten (einschließ-lich Antidepressiva und L-Tryptophan) oder Mineral- und Vitaminsubstitutions-präparaten im Vorfeld der Erkrankung.

Die eosinophile Fasziitis wurde initi-al mit Prednisolon 60 mg/Tag p. o. und Hydroxychloroquin 400 mg/Tag p. o. so-wie kurze Zeit später in Kombination mit Methotrexat 15 mg/Woche s. c. behandelt. Die DMARD („disease modifying anti-rheumatic drugs“) konnten allerdings kei-ne Dosisreduktion des Prednisolons un-ter 40 mg/Tag bewirken, ohne neue Schü-be zu provozieren. Zudem traten entspre-chende Hautveränderungen am linken Unterbauch auf (. Abb. 3).

Der erneute Schub der eosinophilen Fasziitis, der zur Aufnahme führte, wur-de durch eine Steigerung des Predniso-lons von 20 mg auf 40 mg/Tag sowie ei-nen Wechsel von Methotrexat auf Azathi-oprin 200 mg/Tag behandelt. Im Verlauf führte auch dies nicht zur Remission und gewünschten Dosisverminderung des

Prednisolons. Aufgrund dessen wurde ei-ne Cyclophosphamid-Therapie nach dem Austin-Schema gestartet, in deren Folge die Prednisolon-Gabe auf 17,5 mg/Tag re-duziert werden konnte (. Abb. 4).

Im Rahmen der weiteren Abklärung fiel sowohl in der Sonographie des Ab-domens als auch in der Computertomo-graphie eine Asplenie auf. Im peripheren Blutausstrich zeigten sich zudem Howell-Jolly-Körperchen. Die Patientin berichte-te, dass seit ihrer Kindheit bereits die feh-lende Anlage der Milz bekannt sei.

> Die Häufung von Organfehlanlagen in der Familie deutet auf eine erbliche Erkrankung hin

In der Familienanamnese liegen keine rheumatischen Erkrankungen vor. Aller-dings weist die Schwester einen Situs in-versus sowie Malsegmentationen auf. Ihr Bruder hat eine Hypersegmentation im Bereich der zervikalen Wirbel in Form

Abb. 1 7 Sklerodermi-forme Hautverände-

rungen mit Induration im Bereich des linken Unterschenkels. Hier-bei liegt die Haut teil-

weise straff der dar-unterliegenden Faszie auf, so dass vermehrt

Hautfalten imponieren

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eines akzessorischen Wirbels zwischen C6 und C7. Eine weitere Schwester sowie ihr Vater starben an einem Bronchialkar-zinom. Bei ihrer Mutter sind keine Mal-formationen bekannt. Ihre Eltern waren nicht verwandt.

Diskussion

Die Häufung der Fehlanlagen von Organen in der Familie der Patientin deu-tet auf eine erbliche Erkrankung hin. Die Asplenie könnte eine Manifestation einer

Heterotaxie sein, die durch einen Situs in-versus, Herzfehler und Poly- bzw. Asple-nie in Erscheinung treten kann [5]. Die-se beruht auf einer Lateralisationsstörung während der Embryonalphase. Die Hete-rotaxie kann X-chromosomal rezessiv, au-tosomal-rezessiv oder autosomal-domi-nant vererbt werden und weist eine Prä-valenz von 1:40.000 auf. Abgesehen von Herzfehlern weisen die Geschwister der Patientin mindestens ein Merkmal für ei-ne Heterotaxie auf. Sofern eine Heterota-xie bestehen sollte, wäre dies eine autoso-

mal-dominante Form, da die Eltern einer-seits keinen Verwandtheitsgrad aufweisen und andererseits keine geschlechtsorien-tierte Manifestation besteht.

Eine Differenzialdiagnose ist das Ive-mark-Syndrom, das ebenfalls kongenita-le Asplenien verursachen kann [6]. Das Ivemark-Syndrom zeichnet sich durch ein vereinzeltes oder kombiniertes Auf-treten von kardialen Anomalien, Atre-sien, aberranten mesenterialen Abgän-gen, Nieren- and Leberanomalien sowie Asplenie aus.

Abb. 2 8 Das T1-gewichtete Bild in der fettsupprimierten Sequenz zeigt hypertense Signalalterationen im Bereich des Unterschenkels beidseits mit Verdickung der Muskelfaszie. Betroffen sind primär die Tibialis-anterior- und Soleus- bzw. Gastrocnemiuslogen im mittleren und distalen Bereich

Abb. 3 8 Teils straff und hart sowie teils locker an die darunter befindliche Faszie anliegende Haut im Bereich des linken Unterbauchs

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Abb. 4 9 Die 4 Diagramme zeigen a Eosinophile, b Prednisolon, c Blutsen-kungsgeschwindigkeit und d C-reaktives Protein im Verlauf seit der Erstma-nifestation im Dezember 2001 bis zum letzten stati-onären Aufenthalt im Feb-ruar 2009

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Kasuistiken

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Akzessorische Wirbel werden aller-dings weder im Zusammenhang mit dem Ivemark-Syndrom noch mit der Hetero-taxie erwähnt. Akzessorische Wirbel resultieren aus Mutationen der Homeo-box-Gene oder einer Hochregulation der Pax-1-Signalwege während des 1. Trime-nons, welches wiederum eine wesent-liche Rolle bei der Pathogenese der Hete-rotaxie spielt [7]. Im Zusammenhang mit den genannten Anlagestörungen sind bislang keine Autoimmunerkrankungen bekannt.

Wir können nicht klären, inwiefern die Asplenie unserer Patientin die Pa-thogenese der eosinophilen Fasziitis im Sinne einer Prädisposition für Autoim-munität beeinflusst. Die Koinzidenz von 2 seltenen Krankheitsbildern, einer here-ditären Organanlagestörung mit Asplenie und einer eosinophilen Fasziitis, lässt aber ein neues, extrem seltenes Syndrom vermuten.

KorrespondenzadresseDr. N.T. BaerleckenKlinik für Immunologie und Rheumatologie, Medizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg Str. 1, 30625 [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1. Bennett RM, Keogh L (1977) Eosinophilic fasciitis. Ann Rheum Dis 36:354–359

2. Janzen L, Gough J, Chalmers IM (1995) Response to methotrexate in a patient with idiopathic eosi-nophilic fasciitis, morphea, IgM hypergammaglo-bulinemia and renal involvement. J Rheumatol 22:1967–1970

3. Martin JR, Barrowman JA (1980) Diffuse eosinophi-lic fasciitis, atypical rash and chronic inflammatory disease of the colon crohn’s disease. J Rheumatol 7:928–929

4. Song YW, Song KY (1995) Eosinophilic fasciitis with occlusive vasculitis and gangrene of the finger. J Rheumatol 22:356–359

5. Aylsworth AS (2001) Clinical aspects of defects in the determination of laterality. Am J Med Genet 101:345–355

6. Cesko I, TothT, Marton T et al (1997) Ivemark syn-drome with asplenia in siblings. J Pediatr 130:822–824

7. McGinnis WKR (1992) Homeobox genes and axial patterning. Cell 68:283–302

Zusammenfassung · Abstract

Z Rheumatol 2009 · 68:695–698DOI 10.1007/s00393-009-0478-7© Springer Medizin Verlag 2009

N.T. Baerlecken · A. Melzer  · R.E. Schmidt · T. Witte 

Eosinophile Fasziitis und Asplenie

ZusammenfassungDie eosinophile Fasziitis (Shulman-Syndrom) ist eine chronische Inflammation der Septen und Faszien, die von Eosinophilen infiltriert werden, und ähnelt der systemischen Sklero-se. Die eosinophile Fasziitis wurde im Zusam-menhang mit zahlreichen Krankheitsbildern erwähnt, wie aplastische und hämolytische Anämie, Thrombozytopenie, lymphoprolife-rative Erkrankungen, Thyreoiditis, Lungen-fibrose, Sjögren-Syndrom, Myositis, Vaskuli-tis, Perikarditis, Kolitis und Glomeruloneph-ritis. Eine Assoziation mit der kongenitalen Asplenie ist bislang noch nicht beschrieben worden. Im vorliegenden Fallbericht präsen-tieren wir eine Patientin mit eosinophiler Fas-ziitis und Asplenie und diskutieren mögliche Ursachen und eventuelle Konsequenzen.

SchlüsselwörterEosinophile Fasziitis · Asplenie · Eosinophilie · Heterotaxie

Eosinophilic fasciitis and asplenia

AbstractEosinophilic fasciitis (Shulman syndrome) is a chronic inflammation primarily of the sep-tums and fascia, and is characterized by the infiltration of eosinophils with additional sim-ilarities to systemic sclerosis. Several diseases have been described in association with eo-sinophilic fasciitis. Among these are aplastic anaemia, haemolytic anaemia, thrombocyto-penia, lymphoproliferative disorders, thyroid-itis, pulmonary fibrosis, Sjögren’s syndrome, Raynaud’s phenomenon, myositis, medium vessel vasculitis, pericarditis, colitis and glo-merulonephritis. To date, no association with congenital asplenia has been described. We report the case of a woman with eosinophil-ic fasciitis and congenital asplenia and dis-cuss the possible causes and potential con-sequences.

KeywordsEosinophilic fasciitis · Asplenia · Eosinophilia · Heterotaxia

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