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Ein ,altes‘ Rhodiumsulfid mit u ¨ berraschender Struktur: Synthese, Kristallstruktur und elektronische Eigenschaften von Rh 3 S 4 Johannes Beck* und Tobias Hilbert Bonn, Institut fu ¨ r Anorganische Chemie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universita ¨t Bei der Redaktion eingegangen am 21. Juni 1999. Professor Arndt Simon zum 60. Geburtstag gewidmet Inhaltsu ¨ bersicht. Rhodium, Rhodium(III)-chlorid und Schwe- fel reagieren bei 1320 K in einer geschlossenen, evakuierten Kieselglasampulle unter Bildung von silbergla ¨ nzenden, luft- stabilen Kristallen des Rhodiumsulfides Rh 3 S 4 . Obwohl ein Sulfid dieser Zusammensetzung schon 1935 gefunden wurde, erfolgte seitdem keine na ¨ here Charakterisierung. Rh 3 S 4 kri- stallisiert in einem neuen Strukturtyp in der monoklinen Raumgruppe C2/m mit a = 1029(2) pm, b = 1067(1) pm, c = 621,2(8) pm, b = 107,70(1)°. Die Kristallstruktur von Rh 3 S 4 entha ¨lt Stra ¨ nge aus kantenverknu ¨ pften RhS 6 -Okta- edern, wobei es zwischen den Stra ¨ngen zur Bildung von S 2 - Paaren (S–S = 220 pm) kommt, und sesselfo ¨ rmige Rh 6 -Ring- Cluster mit Rh–Rh-Einfachbindungsla ¨ ngen um 270 pm, die untereinander und mit den RhS 6 -Ketten u ¨ ber S-Atome verknu ¨ pft sind. Gema ¨ß Extended-Hu ¨ ckel-Bandstruktur- Rechnungen kommt sowohl den S–S- als auch den Rh–Rh-Wechselwirkungen bindender Charakter zu. Rh 3 S 4 steht nicht nur hinsichtlich der Zusammensetzung zwischen den beiden Nachbarphasen Rh 2 S 3 und Rh 17 S 15 , sondern auch strukturell. Es entha ¨lt mit RhS 6 -Oktaedern typische Baugruppen von Rh 2 S 3 und die fu ¨r Rh 17 S 15 charakteristi- schen Bereiche mit Metall-Metall-Bindungen. Rh 3 S 4 ist ein metallischer Leiter, bis hinab zu 4,5 K zeigt die Substanz ei- nen schwachen, temperaturunabha ¨ngigen Paramagnetismus. An ‘old’ Rhodiumsulfide with surprising Structure – Synthesis, Crystal Structure, and Electronic Properties of Rh 3 S 4 Abstract. The reaction of rhodium with rhodium(III)-chlor- ide and sulfur at 1320 K in a sealed evacuated quartz glass ampoule yields silvery lustrous, air stable crystals of the rhodiumsulfide Rh 3 S 4 . Although a sulfide of this composition was described in 1935 a closer characterization has not been undertaken. Rh 3 S 4 crystallizes in a new structure type in the monoclinic space group C2/m with a = 1029(2) pm, b = 1067(1) pm, c = 621.2(8) pm, b = 107.70(1)°. Besides strands of edge-sharing RhS 6 octahedra which are connected by S 2 pairs (S–S = 220 pm), the crystal structure of Rh 3 S 4 contains Rh 6 cluster rings in chair conformation with Rh–Rh single bond lengths of 270 pm. Both fragments are linked by com- mon sulfur atoms. Extended Hu ¨ ckel calculations indicate bonding overlap for both S–S- and Rh–Rh-interactions. Rh 3 S 4 has a composition between the neighboring phases Rh 2 S 3 and Rh 17 S 15 and the structure combines typical frag- ments of both: RhS 6 -octahedra from Rh 2 S 3 and domains of metal-metal bonds as found in Rh 17 S 15 . Rh 3 S 4 is a metallic conductor, down to 4.5 K the substance shows a weak, tem- perature independent paramagnetism. Keywords: Rhodium sulfide; Crystal structure; Conductivity, metallic; Extended Hu ¨ ckel calculations; Magnetic properties Einleitung Das bina ¨re System Rhodium/Schwefel ist in der Ver- gangenheit schon o ¨ fters untersucht worden, erste syn- thetische Erfolge beschrieb Vauquelin bereits im Jahre 1813 [1]. Eine systematische Erforschung des Pha- sendiagramms erfolgte erst 1935, als Juza, Hu ¨ lsmann, Meisel und Biltz unter Hinzunahme pra ¨parativer, ten- sionsanalytischer sowie ro ¨ ntgenographischer Metho- den eine umfassende Studie der Sulfide des Rhodiums durchfu ¨hrten [2]. Ausgehend von Proben mit mo ¨ g- lichst hohem Schwefelgehalt, welche durch Reaktion aus den Elementen erhalten wurden, wurde der ther- mische Abbau zu metallreicheren Sulfiden untersucht. Hieraus resultierte der Nachweis der Existenz von vier unterschiedlichen Verbindungen, von denen bis heute nur zwei strukturell charakterisiert werden konnten: Rh 2 S 3 [3] und Rh 17 S 15 [4]. Eine weitere Ver- bindung, Rh 3 S 8 , ist als das Sulfid mit dem ho ¨ chsten Schwefelgehalt dem 1968 von Hohnke und Parthe ´ be- schriebenen Rh 3 Se 8 [5, 6] strukturverwandt, jedoch nicht isotyp. Rh 3 Se 8 kristallisiert in einer rhomboed- risch verzerrten Struktur vom Pyrit-Typ mit geordne- ten Kationen-Fehlstellen, fu ¨ r Rh 3 S 8 ließen sich bislang keine Aussagen u ¨ ber die Anordnung der Kationen- Defekte treffen. 72 Ó WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2000 0044–2313/00/62672–79 $ 17.50+.50/0 Z. Anorg. Allg. Chem. 2000, 626, 72–79 * Prof. Dr. J. Beck, Inst. f. Anorgan. Chemie d. Universita ¨t, Gerhard-Domagk-Str. 1, D-53121 Bonn

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Ein ,altes` Rhodiumsulfid mit uÈ berraschender Struktur:Synthese, Kristallstruktur und elektronische Eigenschaften von Rh3S4

Johannes Beck* und Tobias Hilbert

Bonn, Institut fuÈ r Anorganische Chemie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-UniversitaÈt

Bei der Redaktion eingegangen am 21. Juni 1999.

Professor Arndt Simon zum 60. Geburtstag gewidmet

InhaltsuÈ bersicht. Rhodium, Rhodium(III)-chlorid und Schwe-fel reagieren bei 1320 K in einer geschlossenen, evakuiertenKieselglasampulle unter Bildung von silberglaÈnzenden, luft-stabilen Kristallen des Rhodiumsulfides Rh3S4. Obwohl einSulfid dieser Zusammensetzung schon 1935 gefunden wurde,erfolgte seitdem keine naÈhere Charakterisierung. Rh3S4 kri-stallisiert in einem neuen Strukturtyp in der monoklinenRaumgruppe C2/m mit a = 1029(2) pm, b = 1067(1) pm,c = 621,2(8) pm, b = 107,70(1)°. Die Kristallstruktur vonRh3S4 enthaÈ lt StraÈnge aus kantenverknuÈ pften RhS6-Okta-edern, wobei es zwischen den StraÈngen zur Bildung von S2-Paaren (S±S = 220 pm) kommt, und sesselfoÈ rmige Rh6-Ring-

Cluster mit Rh±Rh-EinfachbindungslaÈngen um 270 pm, dieuntereinander und mit den RhS6-Ketten uÈ ber S-AtomeverknuÈ pft sind. GemaÈû Extended-HuÈ ckel-Bandstruktur-Rechnungen kommt sowohl den S±S- als auch denRh±Rh-Wechselwirkungen bindender Charakter zu. Rh3S4

steht nicht nur hinsichtlich der Zusammensetzung zwischenden beiden Nachbarphasen Rh2S3 und Rh17S15, sondernauch strukturell. Es enthaÈ lt mit RhS6-Oktaedern typischeBaugruppen von Rh2S3 und die fuÈ r Rh17S15 charakteristi-schen Bereiche mit Metall-Metall-Bindungen. Rh3S4 ist einmetallischer Leiter, bis hinab zu 4,5 K zeigt die Substanz ei-nen schwachen, temperaturunabhaÈngigen Paramagnetismus.

An `old' Rhodiumsulfide with surprising Structure ± Synthesis, Crystal Structure,and Electronic Properties of Rh3S4

Abstract. The reaction of rhodium with rhodium(III)-chlor-ide and sulfur at 1320 K in a sealed evacuated quartz glassampoule yields silvery lustrous, air stable crystals of therhodiumsulfide Rh3S4. Although a sulfide of this compositionwas described in 1935 a closer characterization has not beenundertaken. Rh3S4 crystallizes in a new structure type in themonoclinic space group C2/m with a = 1029(2) pm, b =1067(1) pm, c = 621.2(8) pm, b = 107.70(1)°. Besides strandsof edge-sharing RhS6 octahedra which are connected by S2

pairs (S±S = 220 pm), the crystal structure of Rh3S4 containsRh6 cluster rings in chair conformation with Rh±Rh singlebond lengths of 270 pm. Both fragments are linked by com-

mon sulfur atoms. Extended HuÈ ckel calculations indicatebonding overlap for both S±S- and Rh±Rh-interactions.Rh3S4 has a composition between the neighboring phasesRh2S3 and Rh17S15 and the structure combines typical frag-ments of both: RhS6-octahedra from Rh2S3 and domains ofmetal-metal bonds as found in Rh17S15. Rh3S4 is a metallicconductor, down to 4.5 K the substance shows a weak, tem-perature independent paramagnetism.

Keywords: Rhodium sulfide; Crystal structure; Conductivity,metallic; Extended HuÈ ckel calculations; Magnetic properties

Einleitung

Das binaÈre System Rhodium/Schwefel ist in der Ver-gangenheit schon oÈ fters untersucht worden, erste syn-thetische Erfolge beschrieb Vauquelin bereits im Jahre1813 [1]. Eine systematische Erforschung des Pha-sendiagramms erfolgte erst 1935, als Juza, HuÈ lsmann,Meisel und Biltz unter Hinzunahme praÈparativer, ten-sionsanalytischer sowie roÈ ntgenographischer Metho-den eine umfassende Studie der Sulfide des RhodiumsdurchfuÈ hrten [2]. Ausgehend von Proben mit moÈ g-

lichst hohem Schwefelgehalt, welche durch Reaktionaus den Elementen erhalten wurden, wurde der ther-mische Abbau zu metallreicheren Sulfiden untersucht.Hieraus resultierte der Nachweis der Existenz vonvier unterschiedlichen Verbindungen, von denen bisheute nur zwei strukturell charakterisiert werdenkonnten: Rh2S3 [3] und Rh17S15 [4]. Eine weitere Ver-bindung, Rh3S8, ist als das Sulfid mit dem hoÈ chstenSchwefelgehalt dem 1968 von Hohnke und Parthe be-schriebenen Rh3Se8 [5, 6] strukturverwandt, jedochnicht isotyp. Rh3Se8 kristallisiert in einer rhomboed-risch verzerrten Struktur vom Pyrit-Typ mit geordne-ten Kationen-Fehlstellen, fuÈ r Rh3S8 lieûen sich bislangkeine Aussagen uÈ ber die Anordnung der Kationen-Defekte treffen.

72 Ó WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2000 0044±2313/00/62672±79 $ 17.50+.50/0 Z. Anorg. Allg. Chem. 2000, 626, 72±79

* Prof. Dr. J. Beck,Inst. f. Anorgan. Chemie d. UniversitaÈt,Gerhard-Domagk-Str. 1,D-53121 Bonn

Ein ,altes` Rhodiumsulfid mit uÈ berraschender Struktur: Rh3S4

Die vierte von Biltz et al. gefundene Gleichgewichts-phase wurde gemaÈû ihrer Zusammensetzung Rh3S4 zu-naÈchst als Pseudospinell angesehen, obwohl ihr kom-plexes und linienreiches RoÈ ntgenpulverdiagrammnicht dementsprechend indiziert werden konnte. Seit-dem erfolgte keine naÈhere Charakterisierung der Sub-stanz und ihrer Struktur. Uns gelang jetzt die gezielteSynthese und strukturelle AufklaÈrung von Rh3S4.

Experimentelles

Rhodium (Fa. Aldrich 99,9%) und Schwefel (Fa. Merck>99,5%) wurden in kaÈuflicher Form eingesetzt. Die Darstel-lung von wasserfreiem Rhodium(III)-chlorid erfolgte durchdirekte Chlorierung von fein gepulvertem Rh-Metall im rei-nen, trockenen Chlorstrom bei Temperaturen zwischen 670und 1070 K [7]. RhCl3 fiel als rostrotes, feinkristallines Pul-ver an, welches an feuchter Luft stabil ist und wurde ohneweitere Reinigung verwendet.

Darstellung von Rh3S4

In der aÈ lteren Literatur werden zwei Methoden zur Darstel-lung von Rhodiumsulfiden unterschieden. Die Umsetzungder Elemente fuÈ hrt zu sogenannten ,synthetischen` PraÈpara-ten, dagegen bilden sich durch GluÈ hen von RhCl3 mitSchwefel ,WoÈhler`-PraÈparate [8]. FuÈ r letztere ist eine auf-wendige Reinigung von Edukt-RuÈ ckstaÈnden unerlaÈûlich, dieaber nicht vollstaÈndig gelingt. Bei den von uns durchgefuÈ hr-ten Synthesen, die eine Kombination beider Varianten dar-stellen, erwiesen sich die mit RhCl3 durchgefuÈ hrten AnsaÈtzeals uÈ berlegen, insbesondere hinsichtlich der Ausbildungbrauchbarer Einkristalle fuÈ r die Strukturanalyse.

In einer typischen Reaktion wurden Rh, RhCl3 und S imElementverhaÈ ltnis 2 Rh/3 S/3 Cl und einer Gesamtmenge von400 mg umgesetzt. Das Gemenge wurde in einer evakuiertenKieselglasampulle im waagerechten RoÈ hrenofen in einemTemperaturgefaÈ lle von 1320 K ® 1290 K erhitzt. Innerhalbvon zwei Tagen bildet sich Rh3S4 mit guten Ausbeuten in FormsilberglaÈnzender Kristalle mit charakteristisch strukturierterOberflaÈche (Abbildung 1). Eine Abscheidung von Rh3S4 uÈ berdie Gasphase in kaÈ lteren Zonen der Ampulle ist bei den kur-zen Reaktionszeiten nicht zu beobachten. Es entsteht keinphasenreines Produkt, da die gleichzeitige Bildung der metall-reicheren Nachbarphase Rh17S15 nicht vollstaÈndig unterdruÈ cktwerden konnte1). Als weitere Nebenprodukte treten Chlorsul-fane SxCl2 auf, die sich beim AbkuÈ hlen als FluÈ ssigkeitsfilm aufder Innenwand der Ampulle niederschlagen.

Kristalle von Rh3S4 zeigen auch an feuchter Luft keineAnzeichen von Zersetzung und behalten ihren metallischenGlanz. Um reine Pulverproben (s. Abbildung 2) fuÈ r die roÈ nt-gendiffraktometrischen und magnetischen Messungen zu er-halten, wurden mit dem Stereomikroskop Proben von Rh3S4

durch Handverlesen der Einkristalle gewonnen.

Strukturbestimmung von Rh3S4

Buerger-PraÈzessionsaufnahmen wurden zur ÛberpruÈ fung derQualitaÈt der Einkristalle angefertigt und lieferten erste In-formationen uÈ ber die Gittersymmetrie. Die Sammlung der

Z. Anorg. Allg. Chem. 2000, 626, 72±79 73

Abb. 1 Elektronenmikroskopische Aufnahme eines plaÈ tt-chenfoÈ rmigen Rh3S4-Einkristalls. Deutlich zu erkennen istdie charakteristische Streifung der KristalloberflaÈche.

Abb. 2 GegenuÈ berstellung experimenteller und simulierterRoÈ ntgenpulverdiagramme von Rh3S4 und Rh17S15. Es be-deuten ,Rh3S4 exp.` experimentelles Pulverdiffraktogramm;,Rh3S4 sim.` berechnetes Liniendiagramm mit Gitterkonstan-ten und Ortskoordinaten aus der Einkristallstrukturanalyse;,Rh3S4 repr.` aus der Literaturstelle [2] durch elektronischeBildabtastung gewonnenes Pulverdiagramm; ,Rh17S15 sim.`berechnetes Liniendiagramm mit Gitterkonstanten undOrtskoordinaten, die der Einkristallstrukturanalyse [4] ent-stammen.

1) Bei einem Ansatz entstanden in groûer Anzahl nahezuperfekt oktaedrische Kristalle von Rh17S15. Wegen der in derOriginalarbeit [4] beschriebenen Unsicherheiten hinsichtlichder Raumgruppenwahl war eine Neubestimmung der Struk-tur von Rh17S15 wuÈ nschenswert. Hierbei wurde die urspruÈ ng-lich gewaÈhlte Raumgruppe Pm 3 m bestaÈtigt. Sowohl dieGitterkonstante als auch die Atomlagen zeigen keinesignifikanten Abweichungen. Die vollstaÈndigen Kristallstruk-turdaten wurden beim Fachinformationszentrum Karlsruhe,D-76334 Eggenstein-Leopoldshafen hinterlegt und koÈ nnendort unter der Angabe der Autoren, des Zeitschriftenzitatsund der Hinterlegungsnummer CSD-410838 angefordert wer-den.

Reflexdaten erfolgte mit dem Image-Plate-Diffraction-Sy-stem IPDS der Firma Stoe. Die systematischen AusloÈ schun-gen stellten neben der zentrischen Raumgruppe C2/m diebeiden azentrischen Gruppen C2 und Cm zur Auswahl, vondenen sich die zentrosymmetrische im Verlauf der Struktur-loÈ sung und -verfeinerung als richtig erwies. Die Lagen derSchweratome wurden nach der Patterson-Methode [9] be-stimmt, die Lagen der Schwefelatome wurden durch Diffe-renz-Fouriersynthesen lokalisiert. Die Reflexdaten wurdeneiner numerischen Absorptionskorrektur unterzogen, diemit dem Programm HABITUS [10] fuÈ r eine optimierte Be-schreibung der Kristallform mit sieben FlaÈchen durchgefuÈ hrtwurde. Die Verfeinerung erfolgte mit anisotropen Tempera-turfaktoren fuÈ r alle Atome [11]. Einzelheiten zu den Mes-sungen am Einkristalldiffraktometer und die kristallographi-schen Daten enthaÈ lt Tabelle 1. Die Ortsparameter undKoeffizienten der anisotropen Temperaturfaktoren derAtome von Rh3S4 sind in Tabelle 2 zusammengefaût, eine

Auswahl von interatomaren AbstaÈnden und Winkeln gibtTabelle 3. Weitere Kristallstrukturdaten wurden beim Fach-informationszentrum Karlsruhe, D-76334 Eggenstein-Leo-poldshafen hinterlegt und koÈ nnen dort unter der Angabeder Autoren, des Zeitschriftenzitats und der Hinterlegungs-nummer CSD-410813 angefordert werden. FuÈ r die graphi-schen Darstellungen wurde das Programm DIAMOND [12]eingesetzt.

Messung der magnetischen Eigenschaften von Rh3S4

Die Magnetisierung einer Pulverprobe von 19,4 mg Rh3S4

wurde mit einem SQUID-Magnetometer im Temperaturbe-reich zwischen 300 und 4,5 K bei zwei FeldstaÈrken (1,0 und0,5 T) gemessen. Die SuszeptibilitaÈten waren von der Feld-staÈrke unabhaÈngig.

Messung der elektrischen LeitfaÈhigkeit von Rh3S4

Die elektrische LeitfaÈhigkeit wurde fuÈ r den in Abbildung 1gezeigten Einkristall im Temperaturbereich zwischen 300und 30 K bestimmt. Die Meûzelle, mit vier SpanndraÈhten imfixen Abstand von je 0,5 mm, lieû bei der geringen Kristall-groÈ ûe von 0,5 ´ 0,2 ´ 0,06 mm3 keine Anbringung der fuÈ r eineVierpunktmessung notwendigen Kontakte zu. Die Messungerfolgte daher uÈ ber eine Kompensationsschaltung mit zweiKontakten, bei der die Zuleitungs- und Analysatorelektro-den paarweise kurzgeschlossen waren. VerfaÈ lschungen durchSpannungsabfall an den Kontaktstellen koÈ nnen daher nichtausgeschlossen werden, zumal sich eine akkurate Positionie-rung der Elektroden auf den fragilen, oberflaÈchenstruktu-rierten Kristallen schwierig gestaltete und somit AuflageflaÈ-che und Anpreûdruck der SpanndraÈhte nicht uÈ ber diegesamte Probenbreite homogen waren.

Extended-HuÈ ckel-Rechnungen zu Rh3S4

Bandstrukturrechnungen nach der Extended-HuÈ ckel-NaÈhe-rung [13] wurden mit dem Programm YAeHMOP [14]durchgefuÈ hrt. Eine Liste der verwendeten STO-FunktionenenthaÈ lt Tabelle 4. Zur Verringerung des Rechenaufwandswurde die C-zentrierte Elementarzelle auf eine primitive,schiefwinklige Zelle reduziert. Die Berechnung der DOSund COOP-Kurven erfolgte fuÈ r 33 repraÈsentative k-Punkte,die Bezeichnung der Hochsymmetriepunkte der triklinenBrillouin-Zone entsprechend der Zusammenstellung von Ra-mirez und BoÈhm [18, 19].

J. Beck, T. Hilbert

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Tabelle 1 Kristallographische Daten und Angaben zur Kri-stallstrukturbestimmung von Rh3S4. Die in Klammern ange-gebenen Standardabweichungen beziehen sich jeweils aufdie letzte angegebene Stelle

Summenformel Rh3S4

Kristallsystem monoklinRaumgruppe C 2/mGitterkonstanten a = 1029(2) pm

b = 1067(1) pm; b = 107,70(1)°c = 621,2(8) pm

Zellvolumen V = 649,4(1) ´ 106 pm3

Zahl der Formeleinheiten Z = 6Dichte (berechnet) q = 6,704 g cm±3

Kristallabmessungen 0,13 ´ 0,24 ´ 0,03 mm3

Diffraktometer Stoe Image Plate IPDSverwendete Strahlung Mo±Ka, k = 71,073 pmMeûbereich 9,4° £ 2 h £ 56,24°

±13 £ h £ 13±13 £ k £ 14±8 £ l £ 8

Zahl der gemessenen Reflexe 2934Zahl der unabhaÈngigen Reflexe, Rm 794, 4,26%Zahl der unabhaÈngigen Reflexe inder Verfeinerungsrechnung

789, 5 Reflexe individuell entfernt

Zahl der verfeinerten Parameter 56VerhaÈltnis Reflexe : Parameter 14Absorptionskoeffizient l = 130,2 cm±1

Absorptionskorrektur numerisch, Beschreibung des Kri-stalls mit 7 FlaÈchen [10]

Extinktionskoeffizient 0,0068(5) [11]GuÈ tefaktoren

R(|F|) fuÈ r alle Reflexe 4,75%R(|F|) fuÈ r 745 mit Fo > 4r (Fo) 4,12%wR(F2) 8,64%

max./min. Restelektronendichte +2,09/±2,14 ´ 10±6 e pm±3

Tabelle 2 Ortsparameter, Wyckoff-Notation, Debye-Waller-Faktoren B (in 104 pm2) und Koeffizienten Uij (pm2) des anisotro-pen Temperaturfaktors der Atome von Rh3S4. Die Standardabweichungen in Klammern beziehen sich jeweils auf die letzte an-gegebene Stelle

Atom Pos. x/a y/b z/c Beq U11 U22 U33 U23 U13 U12

Rh(1) 8 j 0,36278(7) 0,14491(7) 0,4501(2) 0,77(3) 112(4) 87(5) 89(4) 3(3) 21(3) ±4(3)Rh(2) 4 i 0,3509(1) 0 0,0546(2) 0,72(3) 105(5) 72(6) 90(6) 0 19(4) 0Rh(3) 2 c 0 0 0,5 0,72(3) 100(7) 84(7) 90(7) 0 28(5) 0Rh(4) 4 g 0 0,1596(1) 0 0,68(3) 96(5) 70(6) 87(5) 0 20(4) 0S(1) 4 i 0,4165(4) 0 0,7291(5) 0,81(5) 112(14) 99(15) 87(14) 0 12(11) 0S(2) 8 0,1262(3) 0,1582(3) 0,3854(4) 0,79(4) 122(10) 107(12) 69(10) 14(8) 23(8) 1(9)S(3) 4 i 0,1182(4) 0 0,8883(5) 0,74(5) 99(14) 89(15) 91(14) 0 26(11) 0S(4) 8 j 0,3493(3) 0,2111(3) 0,0990(4) 0,80(4) 116(10) 82(11) 108(10) 13(8) 37(8) 14(9)

Ein ,altes` Rhodiumsulfid mit uÈ berraschender Struktur: Rh3S4

Ergebnisse und Diskussion

Ist das ,neue` Rh3S4 mit der Biltz'schen Rh3S4-Phaseidentisch?

Die kristallographisch ermittelte Zusammensetzungmit einem VerhaÈltnis von Rhodium zu Schwefel von3 : 4 wirft die Frage auf, ob es sich um dieselbe Sub-stanz handelt, die Biltz et al. 1935 anhand ihrer Bil-dungswaÈrmen aus den Nachbarphasen, ihrer Dichteund eines komplizierten, linienreichen und dahernicht indizierbaren RoÈ ntgenpulverdiagramms charak-terisiert hatten. Dieses Pulverdiagramm ist in [2] nurgraphisch wiedergegeben, ohne Auflistung von Beu-gungswinkeln und -intensitaÈ ten der registrierten Re-flexe. Daher wurden zunaÈchst die Abbildung desBiltz'schen Beugungsdiagramms mit Hilfe der elektro-nischen Bildverarbeitung erfaût, die Beugungswinkel-lagen und IntensitaÈ ten aller Reflexe auf diesem Wegbestimmt und anschlieûend einem aktuellen Pulverdif-fraktogramm sowie berechneten Beugungsdiagram-men fuÈ r Rh3S4 und Rh17S15 gegenuÈ bergestellt. Die Er-gebnisse sind fuÈ r den Bereich 15° £ 2 h £ 100° inAbbildung 2 wiedergegeben. Sie zeigen weitgehendeÛbereinstimmung der Linienpositionen und ihrer re-lativen IntensitaÈ ten fuÈ r Rh3S4. Die Pulverprobe ent-haÈ lt nur einen kleinen Fremdphasenanteil von

Rh17S15. Die pulverdiffraktometrische UntersuchungbestaÈtigt die Gleichheit der von uns dargestellten Sub-stanz mit den PraÈparaten von Biltz und Mitarbeitern.

Die Kristallstruktur von Rh3S4

Im Gegensatz zu den hoÈ heren Homologen Rh3Se4

[20] und Rh3Te4 [21], welche beide in der Cr3S4-De-fektvariante des NiAs-Typs kristallisieren, hat Rh3S4

eine sehr komplexe Kristallstruktur, welche keinemder gaÈngigen Strukturtypen zugeordnet werden kann.Sie zeigt eine ungewoÈ hnliche Kombination verschie-denartiger Bindungstypen fuÈ r beide beteiligtenAtomsorten. Wie in IrS2 [22] bildet ein Teil derSchwefelatome Disulfidhanteln, waÈhrend die anderenals Sulfidionen vorliegen. Noch ungewoÈ hnlicher ist dieSituation fuÈ r die Metallatome. Nur ein Drittel derRhodiumatome befindet sich als Rh3+ im Zentrumvon RhS6-Oktaedern, die restlichen hingegen sind zusesselfoÈ rmigen Rh6-Ring-Clustern verknuÈ pft. Damitsteht Rh3S4 nicht nur in der Zusammensetzung zwi-schen den beiden benachbarten Rhodiumsulfiden,sondern auch strukturell. Es weist mit RhS6-Oktae-dern typische Baugruppen von Rh2S3 auf, enthaÈ lt aberauch die fuÈ r Rh17S15 charakteristischen Metall±Me-tall-Bindungs-DomaÈnen.

Die vier nichtaÈquivalenten Schwefelatome sindstark verzerrt tetraedrisch koordiniert. Abweichungenvom idealen Tetraederwinkel betragen bis zu ±30°/+18° (vgl. Tabelle 3). WaÈhrend die Atome S(1)±(3)ausschlieûlich von Rhodiumatomen im Abstand von226 bis 237 pm umgeben sind, bilden je zwei S(4)-Atome eine Disulfidhantel mit einem S±S-Abstandvon 220 pm. Die LaÈngen von Disulfidgruppen in Me-tallkomplexen variieren uÈ ber einen weiten Bereichzwischen 198 und 215 pm [23]. Die in Rh3S4 vorgefun-dene Hantel ist demgegenuÈ ber gestreckt, da dieWechselwirkung mit den Metallatomen uÈ ber eine ein-fache ,side-on`- oder ,end-on`-Koordination hinausgeht. Abbildung 3 zeigt, wie je zwei RhS6-Oktaederund Rh6-Ringe uÈ ber die Disulfideinheit verknuÈ pftsind. Die sechs an die Schwefelatome der S2-Gruppekoordinierten Atome nehmen eine gestaffelte Konfor-mation ein. Trotz der Bindungsaufweitung ergibt dieBestimmung der Ûberlappungspopulation (COOP)fuÈ r die S2

2±-Gruppe anhand von Extended-HuÈ ckel-Bandstrukturrechnungen (s. u.) eine stark bindendeWechselwirkung zwischen den S(4)-Atomen. Die inIrS2 gefundene Disulfidgruppe ist mit einem S±S-Ab-stand von 230 pm nochmals um 10 pm laÈnger [22].

Zwei der vier unabhaÈngigen Rhodium-Atome,Rh(3) und Rh(4), werden im mittleren Abstand von235 pm von je sechs Schwefel-Atomen verzerrt ok-taedrisch koordiniert. Ûber gemeinsame Kanten sinddie RhS6-Oktaeder zu BaÈndern entlang der kristallo-graphischen c-Achse (Abbildung 4) verknuÈ pft. Me-tall±Metall-Wechselwirkungen treten bei AbstaÈnden

Z. Anorg. Allg. Chem. 2000, 626, 72±79 75

Tabelle 3 AusgewaÈhlte BindungslaÈngen (in pm) und -win-kel (in °) in Rh3S4. Die Standardabweichungen in Klammernbeziehen sich jeweils auf die letzte angegebene Stelle

AbstaÈnde

Rh(1)±S(4) 225,6(3) Rh(2)±S(4) 226,9(3) (2 ´)Rh(1)±S(1) 226,2(3) Rh(2)±S(3III) 230,0(5)Rh(1)±S(2V) 232,3(3) Rh(2)±S(1III) 231,8(4)Rh(1)±S(2) 234,7(4) Rh(2)±S(1VI) 236,2(5)Rh(1)±Rh(1VII) 270,0(5) Rh(4)±S(4) 229,4(3) (2 ´)Rh(2)±Rh(1) 287,4(3) (2 ´) Rh(4)±S(2) 235,1(3) (2 ´)Rh(1) ´ ´ Rh(1I) 309,2(3) Rh(4)±S(3) 231,8(3) (2 ´)Rh(3)±S(3) 234,8(4) (2 ´) S(4)±S(4IV) 220,3(5)Rh(3)±S(2) 236,7(3) (4 ´)

Winkel

Rh(1I)±Rh(1)±Rh(1VII) 90 S(2)±Rh(3)±S(2I) 91,0(2)Rh(1VII)±Rh(1)±S(2) 175,26(6) S(2)±Rh(3)±S(3) 98,6(1)S(1)±Rh(1)±S(2V) 108,2(2) S(2)±Rh(4)±S(2X) 179,3(2)Rh(1)±Rh(2)±Rh(1I) 65,09(9) S(2)±Rh(4)±S(3II) 82,4(2)Rh(1)±Rh(2)±S(1VI) 74,99(9) S(3II)±Rh(4)±S(4IX) 84,4(2)Rh(1)±Rh(2)±S(4) 50,38(6) S(4IV)±Rh(4)±S(4IX) 106,0(2)S(1VI)±Rh(2)±S(3III) 172,5(2) Rh(1)±S(4)±Rh(2) 78,84(9)S(2)±Rh(3)±S(2II) 180 Rh(1)±S(4)±Rh(4IV) 126,8(1)S(3)±Rh(3)±S(3II) 180 Rh(1)±S(4)±S(4IV) 115,6(2)

Tabelle 4 STO-Funktionen in den Extended-HuÈ ckel-Rech-nungen zu Rh3S4

Atom Orbital Hij (eV) f1 c1 f2 c2 Lit.

Rh 5 s ±8 2,140 1 [15]5 p ±4,5 2,100 1 [15]4 d ±11 4,290 0,7765 1,381 0,4587 [15]

S 3 s ±24,019 2,035 1 [16]3 p ±14 1,691 1 [17]

von 341 bzw. 354 pm zwischen Zentren benachbarterOktaeder nicht auf. Die BaÈnder liegen nicht voneinan-der isoliert vor, sondern stehen uÈ ber die Disulfidgrup-pen zu je vier umliegenden parallelen StraÈngen inengem Kontakt. Es entsteht ein dreidimensionalesNetzwerk, in dessen kanalaÈhnliche HohlraÈume einevoÈ llig andersartige Struktureinheit eingebettet ist.

Besonderes Merkmal des zweiten Strukturteiles istder in Abbildung 5 dargestellte sesselfoÈ rmige Rh6-Ring, gebildet aus den Atomen Rh(1) und Rh(2).Die kuÈ rzesten AbstaÈnde bestehen mit 270 pm zwi-schen zwei Rh(1)-Atomen des zentralen planarenRechtecks und liegen damit im Bereich der Atomab-staÈnde in Rhodiummetall (269 pm) [24]. Vergleichbarekovalente BindungslaÈngen findet man z. B. im[Rh5C12]24±-Anion in dem Carbid Er8Rh5C12, mit zweiRh±Rh-AbstaÈnden von 271 pm [15]. In Rh17S15 wer-den mit 259 pm noch kuÈ rzere Bindungen zwischenRh-Atomen erreicht [4]. Die clusterbildenden Rho-dium-Atome Rh(1) und Rh(2) haben eine Koordina-tionssphaÈre von sieben Nachbarn in Form von penta-gonalen Bipyramiden. Dies geht einher mit einerim Vergleich zu Rh(3) und Rh(4) deutlichen VerkuÈ r-zung der Rh±S-AbstaÈnde von im Mittel 235 auf

230 pm. Die kuÈ rzesten Rh±S-Bindungen von 226 pmbestehen zu den S(4)-Atomen, welche l2-verbruÈ ckenduÈ ber eine Rh±Rh-Bindung wirken.

Der Rh6-Ring ist stark gefaltet. Seine Spitzen ste-hen annaÈhernd rechtwinklig uÈ ber dem planarenRechteck. Durch zwei S(1)-Atome wird der Ring zueinem verzerrten Heterocuban ergaÈnzt und zu einemBand entlang der c-Achse verknuÈ pft. Die Teilstruktu-

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Abb. 3 Ausschnitt aus der Struktur von Rh3S4, welcher dieverknuÈ pfende Funktion der Disulfidhantel (S±S 220 pm) ver-deutlicht. Sechs ,Rh-Liganden`, die von je zwei RhS6-Oktae-dern bzw. Rh6-Ringen stammen, umgeben die S2

2±-Einheitin gestaffelter Konformation. Die Schwingungsellipsoide ent-sprechen in allen Darstellungen einer Aufenthaltswahr-scheinlichkeit der Atomschwerpunkte von 70%. Symmetrie-operationen siehe Legende zur Abb. 5.

Abb. 4 KantenverknuÈ pfung der RhS6-Oktaeder zu eindi-mensional-polymeren StraÈngen entlang der c-Achse und dieVerbruÈ ckung paralleler StraÈnge uÈ ber Disulfidhanteln.

Abb. 5 RingfoÈ rmiger Rh6-Cluster in Rh3S4, mit Koordina-tionssphaÈre aus Schwefelatomen.

Symmetrieoperationen: I: x, ±y, z; II: ±x, ±y, 1 ± z; III: x, y, z ± 1; IV:0.5 ± x, 0.5 ± y, ±z; V: 0.5 ± x, 0.5 ± y, 1 ± z; VI: 1 ± x, ±y, 1 ± z; VII: 1 ± x, y,1 ± z; VIII: ±x, y, 1 ± z; IX: x ± 0.5, 0.5 ± y, z; X: ±x, y, ±z; XI: 1 ± x, ±y,2 ± z; XII: 0.5 + x, 0.5 ± y, z; XIII: 0.5 + x, y ± 0.5, z; XIV: 0.5 ± x, y ± 0.5,1 ± z; XV: 0.5 ± x, y + 0.5, ±z.

Ein ,altes` Rhodiumsulfid mit uÈ berraschender Struktur: Rh3S4

ren lassen sich anschaulich zu einer Gesamtheit zu-sammenzufuÈ gen. Die beiden beschriebenen unter-schiedlichen Strangtypen sind laÈngs [0 0 1] nach demMotiv einer tetragonalen Stabpackung angeordnet(Abbildung 6). Dabei stellen saÈmtliche der in Abbil-dung 5 gezeichneten Schwefel-Atome ± ausgenommenS(1) ± die VerknuÈ pfung des Rh6-Rings zu den umlie-genden RhS6-Oktaedern her.

Elektrische LeitfaÈhigkeit und Bandstruktur von Rh3S4

Im Zentrum der Extended-HuÈ ckel-Bandstrukturrech-nungen standen die Charakterisierung der homo-atomaren Bindungen sowie weiterer elektronischerEigenschaften von Rh3S4. Die Bandstruktur in Abb. 7zeigt, daû das Fermi-Niveau (EF = ±8,1 eV) durch einsteil verlaufendes Band geschnitten wird, was metalli-sche Eigenschaften und hohe elektrische LeitfaÈhigkeiterwarten laÈût. Aus der Zustandsdichte (DOS), derengrau schattierte Bereiche die Anteile der Rh-Atomein den Rh6-Ringen projizieren, ist ersichtlich, daûdicht unterhalb des Fermi-Niveaus vor allem ZustaÈnde

dieser Rh-Atome besetzt sind. Die Bereiche ver-knuÈ pfter Rh-Cluster bestimmen den metallischenCharakter der Verbindung. Obwohl die Ûberlap-pungspopulation COOP (Rh±Rh) zeigt, daû bereitsunterhalb EF stark antibindende Rh-ZustaÈnde auf-gefuÈ llt werden, resultieren in der Summe bindendeMetall±Metall-Wechselwirkungen im Ring.

Das angesichts der berechneten Bandstruktur er-wartete Verhalten der Substanz als metallischer Leiterkonnte durch die Ergebnisse der Messung der elektri-schen LeitfaÈhigkeit eines Rh3S4-Einkristalls experi-mentell bestaÈtigt werden. Abbildung 8 zeigt die Ver-aÈnderung des elektrischen Widerstandes R der Probeim Temperaturintervall 30±300 K. Die Temperaturcha-rakteristik der LeitfaÈhigkeit ist die eines Metalls. DerWiderstand nimmt mit sinkender Temperatur ab, bei30 K ist er auf ca. ein Sechstel des Raumtemperatur-wertes gefallen. FuÈ r 293 K ergibt sich ein spezifischerWiderstand q von etwa 10±2 X cm entsprechend einerspezifischen LeitfaÈhigkeit v in der GroÈ ûenordnungvon 102 X±1 cm±1. Diese Werten zeichnen Rh3S4 alsschwachen metallischen Leiter aus.

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Abb. 6 Tetragonale Stabpackung von RhS6-Oktaeder-StraÈngen (Polyeder-Darstellung) und BaÈndern von Rh6-Ring-Clustern(Kugel-Stab-Darstellung) ohne BeruÈ cksichtigung gegenseitiger VerknuÈ pfung (Stereobildpaar).

Abb. 7 Ausschnitt aus Bandstruktur und Zustandsdichte von Rh3S4 nahe dem Fermi-Niveau (EF = ±8,1 eV), sowie Ûberlap-pungspopulationen der homoatomaren Rh±Rh- und S±S-Bindungen.

Valenzmodell und magnetische Messung fuÈ r Rh3S4

Grundlage des ionischen Modells ist die Baueinheitmit der verdreifachten Summenformel Rh9S12. Sie be-steht aus einen kompletten Rh6-Ring und drei deroktaedrisch umgebenen Rh-Atome mit anteiliger Um-gebung aus S-Atomen. In Analogie zum diamagneti-schen Rh2S3, welches ausschlieûlich aus RhS6-Oktae-dern aufgebaut ist, kann im Rh3S4 der Teil deroktaedrisch von S-Atomen koordinierten Rh-Atomeals Rh3+ mit low-spin-d6-Konfiguration angesehenwerden. Nur acht der zwoÈ lf Schwefel-Atome zaÈhlenals Sulfidionen, die vier S(4)-Atome gehen als Disul-fidhanteln S2

2± in die Bilanz ein. Ûber den Rh6-Ringsind somit elf positive Ladungen verteilt, auf jedesRh-Atom entfaÈ llt eine mittlere Ladung von +1,83.Auf dieser Basis laÈût sich fuÈ r Rh9S12 die ionische Zu-sammensetzung (Rh3+)3(Rh1,83+)6(S2±)8(S2

2±)2 formu-lieren.

FuÈ r metallische Systeme mit einer geringen Kon-zentration paramagnetischer Zentren erwartet manals charakteristisches magnetisches Verhalten einenschwachen, temperaturunabhaÈngigen Pauli-Parama-gnetismus, der bei sehr tiefen Temperaturen in Curie-Weiss-Paramagnetismus uÈ bergeht. Ein solches Verhal-ten zeigt beispielsweise KCu4S3, das unterhalb von30 K paramagnetisch wird [25]. Rh3S4, mit wenigenungepaarten Elektronen in einer diamagnetischenMatrix, laÈût ein aÈhnliches Verhalten erwarten. Bei ma-gnetischen Messungen bis hinab zu 4,5 K beobachtetman einen temperaturunabhaÈngigen, schwachen Para-magnetismus mit einer MolsuszeptibilitaÈ t v von annaÈ-hernd konstant 0,9 ´ 10±9 m3 mol±1 (SI). Der bei tiefenTemperaturen erwartete Anstieg der SuszeptibilitaÈ tkonnte allerdings nicht festgestellt werden.

Thermodynamische Betrachtungen im System Rh/S/Cl

Um die unterschiedlichen Resultate der Synthesever-suche bei nur wenig veraÈnderten Reaktionsbedingun-gen zu verstehen, wurden mit dem ProgrammCVTrans [26] nach der Methode der Minimierung der

freien Energie thermodynamische Berechnungen imSystem Rh/S/Cl durchgefuÈ hrt. Die von Biltz und Mit-arbeitern [2] durchgefuÈ hrten Bestimmungen desSchwefeldampfdrucks bei thermischer Zersetzung desjeweiligen Sulfides zu der naÈchst rhodiumreicherenPhase bilden die Grundlage der heute verfuÈ gbarenthermodynamischen Daten von Rhodiumsulfiden, wieBildungsenthalpien, Entropien und WaÈrmekapazitaÈ -ten. Larson und Elliott [27] bestimmten 1967 durchEMK-Messungen in galvanischen Zellen die freie En-thalpie fuÈ r das niederste Rhodiumsulfid Rh17S15 undermoÈ glichten somit den Bezug aller Werte auf freiesRh-Metall und Schwefel. Die in Tabelle 5 zusammen-gestellten Daten entstammen direkt oder indirekt derSammlung von Mills [28]. FuÈ r Rh2S3 wurden sie inner-halb der dort angegebenen Fehlergrenzen modifiziert,um die experimentellen Dampfdruckkurven [2] repro-duzieren zu koÈ nnen. FuÈ r die Korrektheit der Datenspricht, daû die modellhafte Nachbetrachtung ver-schiedener SyntheseansaÈtze, trotz eng benachbarterExistenzgebiete von Rh2S3, Rh3S4 und Rh17S15, je-weils das im Experiment gefundene ReaktionsproduktbestaÈtigten. Dennoch soll die Interpretation der Be-rechnungen auf qualitative Aussagen beschraÈnkt blei-ben.

Vorherrschende GasphasenmolekuÈ le sind bei Tem-peraturen oberhalb 1270 K zu ungefaÈhr gleichen Tei-len Schwefeldichlorid, SCl2, und Chlor, Cl2, derenVerhaÈ ltnis sich bei steigender Temperatur zugunstenvon SCl2 verschiebt. Hierdurch wird dem BodenkoÈ r-per jeglicher Chlorgehalt, der bei tieferen Temperatu-ren noch in Form von RhCl3 zugegen ist, vollstaÈndigentzogen und auch ein zunehmender Teil des Schwe-fels in der Gasphase gebunden. Rhodium bildet nur ingeringem Maûe fluÈ chtige Verbindungen wie z. B.RhCl3. GasfoÈ rmige Polysulfide des Rhodiums, analogdem molekularen TaS5, welches fuÈ r den chemischenTransport von TaS2 und Ta2O5 mit Schwefel verant-wortlich ist [31], sind nicht bekannt.

FuÈ r eine gezielte Synthese kann daher die Schwefel-verfuÈ gbarkeit im BodenkoÈ rper uÈ ber zwei Parameterreguliert werden. Mit zunehmendem Chlorgehalt und

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Abb. 8 TemperaturabhaÈngigkeit des elektrischen Wider-stands eines Einkristalls von Rh3S4. Die Bereiche 180±188 Kund 262±272 K wurden wegen mangelnder Kontaktierungaus den Meûdaten gestrichen.

Tabelle 5 Thermodynamische Daten von Rhodiumsulfidenaus der ,aktuellen` Literatur.Die WaÈrmekapazitaÈt von Rh17S15 wurde abgeschaÈtzt, die Li-teraturwerte der Enthalpie und Entropie von Rh2S3 wurdenleicht modifiziert (siehe Text)

Phase DH�298kJ/mol

S�298J/mol ´ K

Cp°J/mol ´ K

Lit.

A B (10±3) C (105)

Rh(s) 0 31,5 21,98 10,05 [29]Rh(g) 553,5 185,9 19,14 3,66 36,68 [29]Rh17S15 (s) ±1381,65 997,35 672,6 283,8 ±40,05 [27, 28]Rh3S4 (s) ±357,7 184,09 145,6 60,25 ±10,67 [30]Rh2S3 (s) ±266,99 123,41 110,3 32,97 ±9,62 [30]Rh3S8 (s) ±498,65 223,58 217,56 [28]

Ein ,altes` Rhodiumsulfid mit uÈ berraschender Struktur: Rh3S4

steigender Temperatur wird immer mehr Schwefel ausdem Gleichgewicht der Sulfidbildungsreaktion imFestkoÈ rper entzogen. Abbildung 9 zeigt exemplarischdie berechnete TemperaturabhaÈngigkeit der Boden-koÈ rperzusammensetzung bei einem typischen Synthe-seansatz: RhCl3(1)/Rh(1)/S2(1,8). Der Verlauf spiegeltdie Ûberlappungen in den Existenzbereichen derPhasen Rh2S3, Rh3S4 und Rh17S15 wider. WaÈhrend beiniedrigen Temperaturen Rh2S3 die bevorzugt gebilde-te Phase darstellt, tritt nach einem schmalen Stabili-taÈ tsbereich von Rh3S4 das metallreichste SulfidRh17S15 in den Vordergrund. Somit steht nur ein sehrschmales StoÈ chiometrie- und Temperaturfenster fuÈ rdie gezielte Bildung von Rh3S4 offen. Dies bestaÈ tigtdie experimentellen Befunde, nach denen Rh3S4 nichtunter vollstaÈndigem Ausschluû einer der Nachbarpha-sen synthetisiert werden konnte.

Wir danken der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. H. Luekenan der RWTH Aachen fuÈ r die sorgfaÈ ltige Untersuchungvon Rh3S4 mit einem SQUID-Magnetometer, HerrnDr. R. Glaum, UniversitaÈ t Gieûen, fuÈ r die hilfreiche Diskus-sion uÈ ber die Phasengleichgewichte im System Rh/S/Cl unddem Fonds der Chemischen Industrie fuÈ r die UnterstuÈ tzungunserer Arbeiten.

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Abb. 9 Relative BodenkoÈ rperzusammensetzung gemaÈû ei-ner Gleichgewichtsberechnung fuÈ r das System Rh/S/Cl imTemperaturintervall 1220±1520 K. Alle Werte sind auf eineZusammensetzung RhSx normiert.