die eignung von new public management zur steuerung offentlicher kulturbetriebe
TRANSCRIPT
Robert Knappe
Die Eignung von New Public Management zur Steuerung öffentlicher Kulturbetriebe
GABLER RESEARCH
Robert Knappe
Die Eignung von New Public Management zur Steuerung öffentlicher Kulturbetriebe
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Ulrich Krystek
RESEARCH
Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Dissertation der Technischen Universität Berlin, D 83
1. Aufl age 2010
Alle Rechte vorbehalten
© Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Lektorat: Ute Wrasmann | Hildegard Tischer
Gabler Verlag st eine Marke von Springer Fachmedien.
Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.gabler.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist
ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere
für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspei-
cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands
ISBN 978-3-8349-2529-9
V
Geleitwort
Viele öffentliche Unternehmen sind seit jeher auf Subventionen angewiesen. Sie geraten
dabei angesichts einer gewachsenen und weiterhin ansteigenden Verschuldung der
öffentlichen Hand in den Sog eines Verteilungskampfes um begrenzte Ressourcen. Die
jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise und die gesetzlich verankerte Schuldenbremse
verstärken diese Tendenz zusätzlich und dramatisch. Angesichts von kontinuierlich
steigenden Personal- und Sachkosten bei politisch motivierter, moderater Preissetzung für
die Partizipation an kulturellen Gütern eröffnet damit sich eine Finanzierungslücke, die
Baumol und Bowen bereits 1966 als ökonomisches Dilemma in Kulturbetrieben
identifiziert haben. Daraus ergibt sich die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit:
Wie können die betrieblichen Strukturen von Kultureinrichtungen und das Kulturbetriebs-
management mit dem Ziel einer effizienteren Produktion reformiert werden?
Jeder konstruktive Beitrag zur Beantwortung dieser intertemporal gültigen Frage
reduziert den Finanzierungsdruck und die Abhängigkeit von öffentlicher Bezuschussung.
Allein vor diesem höchst aktuellen Hintergrund ist die Untersuchung von Robert Knappe
sehr verdienstvoll und begrüßenswert.
Der Autor untersucht die Frage ausgehend vom New Public Management (NPM),
welches sich in den spezifisch deutschen Ausprägungen des Neuen Steuerungsmodells
(NSM) und verschiedenen Verwaltungsreformen auch in Kulturbetrieben niedergeschlagen
hat. Nach einer sehr fundierten, theoretischen Einführung und Modellierung des
Kulturbetriebs wird der Forschungsfrage durch eine umfangreiche empirische Untersu-
chung nachgegangen. Der Autor vollzieht eine Evaluation der NPM-Reformen in den
Teilbereichen externes Rechnungswesen (insbesondere Einführung der Doppik), internes
Rechnungswesen (Kosten-Leistungs-Rechnung und Controlling) und Personalmanage-
ment. Dazu wurden 20 Expertengespräche mit kaufmännisch Verantwortlichen von
deutschen Theatern und Orchestern geführt und thesengeleitet ausgewertet. Nicht zuletzt
die einschlägigen beruflichen Erfahrungen des Autors in kaufmännisch leitenden
Positionen von Kulturbetrieben lassen die Analyse zu einem sehr fundierten und
differenzierten Urteil kommen. Dem Autor gelingt somit ein außerordentlich wichtiger
Beitrag zu dem noch jungen Zweig der evaluatorischen Public Management-Forschung.
Den Spannungsfeldern von dominierenden Sachzielen (öffentlicher Auftrag und
künstlerische Qualität) bei gleichzeitig wirtschaftlichem Ressourceneinsatz (Formalziel)
sowie künstlerischer Freiheit neben ökonomischen Entscheidungskriterien wird dabei in
sehr differenzierter Weise Rechnung getragen. Zusätzlich gewährt die Arbeit eine
VI
empirisch fundierte, höchst interessante und kenntnisreiche Exploration der Wirkungszu-
sammenhänge im Kulturbetrieb.
Das bereits im Vorfeld der Arbeit deutlich gewordene, große Interesse an den Er-
gebnissen lässt auf einen großen Verbreitungsgrad dieser Schrift schließen, der nicht nur
dem Verfasser als Anerkennung seiner außerordentlich gründlichen Arbeit zu wünschen
ist, sondern auch sachlich gerechtfertigt ist. Die Arbeit kann als ein in diesem Themenfeld
grundlegendes Werk einem breiten Leserkreis bestens und ohne Einschränkungen
empfohlen werden.
Prof. Dr. Ulrich Krystek
VII
Danksagung
An erster Stelle möchte ich den Berichtern, Herrn Prof. Dr. Ulrich Krystek und Herrn Prof.
Dr. Christof Helberger, danken, welche die Entstehung der Dissertation mit großem
Einsatz über mehrere Jahre hinweg unterstützt haben. In ihnen habe ich zwei engagierte
Begleiter gefunden, die in allen Entwicklungsphasen offen und konstruktiv mit meinen
Anliegen umgegangen sind. Herrn Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke danke ich für die
Übernahme des Vorsitzes des Promotionsausschusses. Frau Gerlinde Seeger und Herrn
Dipl.-Ing. Marko Reimer bin ich für die Organisation und Koordination verbunden.
Den 20 Interviewpartnern des empirischen Teils aus dem ganzen Bundesgebiet
danke ich für die aufgebrachte Zeit in dichtgefüllten Terminkalendern. Die Gespräche
haben teilweise nach turbulenten Premieren oder vor bedeutsamen Ministerialsitzungen
stattgefunden. Ihre Offenheit und das entgegengebrachte Vertrauen haben den empirischen
Teil der Arbeit erst ermöglicht.
Wertvolle fachliche Anregungen verdanke ich Herrn Dr. Christoph Andersen, Frau
Dipl. Mus. Dipl.-Kffr. Nicola Hartz und Herrn Dipl.-Kfm. Wolfgang Lennartz, welche das
Manuskript einer kritischen Prüfung unterzogen haben. Frau Undine Schulte-Tornay und
Herr Dipl.-Kfm. Hansgeorg Hoffeins haben mit sprachlichem Einfühlungsvermögen dazu
beigetragen, die Lesbarkeit zu erhöhen. Frau Tanja Minx war so freundlich, mit
routinierter und professioneller Hand das Layout der Arbeit zu optimieren. Frau Dipl.-
Medienberaterin Stefanie Saier hat die umfangreiche Transkription der Interviews
übernommen.
Ich danke meinen Eltern sowie allen Personen und Institutionen, die mich in der
Vergangenheit uneigennützig unterstützt und gefördert haben; ebenso allen Menschen,
welche in den vergangenen Jahren zu wenig Aufmerksamkeit erhalten haben und mir
dennoch verbunden geblieben sind.
Robert Knappe
VIII Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort ............................................................................................................................ V
Danksagung...................................................................................................................... VII
Inhaltsverzeichnis ...........................................................................................................VIII
Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................XIII
Abbildungsverzeichnis .................................................................................................... XV
Tabellenverzeichnis ........................................................................................................XVI
Anhangsverzeichnis .....................................................................................................XVIII
1 Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen .......................................... 1
1.1 Einführung ........................................................................................................... 1
1.2 Entwicklung der Forschungsfrage..................................................................... 3
1.3 Ablauf der Untersuchung ................................................................................... 9
1.4 Kontextmodell des öffentlichen Kulturbetriebs.............................................. 10
1.5 Das Modell der heterogenen Akteursrationalitäten ....................................... 11 1.5.1 Einführung................................................................................................... 11 1.5.2 Interpretationen und Definitionen des Rationalitätsbegriffs
in der Literatur ............................................................................................. 12 1.5.3 Prämissen des Modells der heterogenen Akteursrationalitäten................... 15 1.5.4 Konkretisierung der drei heterogenen Rationalitäten im Kulturbetrieb ...... 17 1.5.5 Zusammengefasste Modellierung................................................................ 19
1.6 Variablenmodell der empirischen Untersuchung........................................... 20
1.7 Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse....................................................... 21
1.8 Effektivitäts- und Effizienzkriterien................................................................ 23
2 Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands ............................................... 29
2.1 Charakterisierung der Theater und Orchester .............................................. 29 2.1.1 Einführung................................................................................................... 29 2.1.2 Einordnung in den öffentlichen Sektor........................................................ 30 2.1.3 Einnahmestrukturen der Theater ................................................................. 31 2.1.4 Ausgabestrukturen der Theater.................................................................... 32
2.2 Auswertungen der Theaterstatistik ................................................................. 34 2.2.1 Rechtsformen der Theater ........................................................................... 35 2.2.2 Mengenmäßige Entwicklung von Output und Personalbestand.................. 37 2.2.3 Entwicklung der Gattungen im Programmangebot der Theater.................. 41 2.2.4 Wertmäßige Entwicklung des Inputs........................................................... 43 2.2.5 Relative Effizienzkennzahlen ...................................................................... 46 2.2.6 Personalstruktur in den Theatern................................................................. 49 2.2.7 Geschichte des öffentlichen Dienstes und Tarifwerke
in Theatern und Orchestern.......................................................................... 51 2.2.8 Haushaltsrechtliche Bestimmungen ............................................................ 52
Inhaltsverzeichnis IX
3 New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors ... 53
3.1 Reformansätze in Vergangenheit und Gegenwart ......................................... 53
3.2 Zum Begriff New Public Management ............................................................ 56
3.3 Literaturüberblick zum NPM .......................................................................... 59
3.4 Zur theoretischen Fundierung von NPM ........................................................ 62
3.5 Wesentliche Instrumente und Konzeptionen von NPM................................. 64 3.5.1 Gewährleistungsstaat, Wirkungsorientierung und Kontraktmanagement ... 64 3.5.2 Produktkataloge, Globalbudgets und dezentrale Ressourcenkompetenz .... 69 3.5.3 Wettbewerbsorientierung und stärkere Nutzung von Marktmechanismen . 71 3.5.4 Formen der Privatisierung und Public Private Partnerships........................ 72 3.5.5 Bürger- und Kundenorientierung, Qualitätsmanagement............................ 74 3.5.6 Reformen des externen Rechnungswesens.................................................. 75 3.5.7 Reformen des internen Rechnungswesens .................................................. 79 3.5.8 Die Controlling-Funktionen im NPM ......................................................... 80 3.5.9 Personalmanagement und Personalentwicklung ......................................... 83
3.6 Widerstände und Barrieren.............................................................................. 86
3.7 Kritik an NPM ................................................................................................... 90 3.7.1 Kritik am Paradigma des NPM.................................................................... 90 3.7.2 Governance-Konzepte als Ablösung von NPM? Ein Ausblick................... 92
4 Entwicklung der Thesen ........................................................................................... 95
4.1 Hauptthese: NPM führt zu Effizienzsteigerung ............................................. 95
4.2 Thesen zum externen Rechnungswesen........................................................... 95 4.2.1 Wirklichkeitsnähere Abbildung durch Doppik............................................ 95 4.2.2 Neuer steuerungsrelevanter Informationsgehalt durch Doppik................... 96 4.2.3 Steigerung der Nachhaltigkeit durch Doppik .............................................. 96
4.3 Thesen zum internen Rechnungswesen ........................................................... 97 4.3.1 Erhöhung der wirtschaftlichen Transparenz durch KLR............................. 97 4.3.2 Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz durch KLR ................................ 98 4.3.3 Erhöhung der Rationalität des Handelns durch Controlling........................ 98
4.4 Thesen zum Personalmanagement................................................................... 99 4.4.1 Steigerung der Effizienz durch Leistungsorientierte Bezahlung (LoB) ...... 99 4.4.2 Steigerung der Effizienz durch Führungsinstrumente ................................. 99 4.4.3 Steigerung der Effizienz durch Personalentwicklung ............................... 100
4.5 Zusammenfassende Darstellung sämtlicher Thesen .................................... 101
5 Empirische Untersuchung ...................................................................................... 103
5.1 Grundgesamtheit und Auswahl der Stichprobe ........................................... 103 5.1.1 Primärkriterium 1: Verhältnis von Theatern zu Orchestern ...................... 104 5.1.2 Primärkriterium 2: Einbeziehung sämtlicher Bundesländer Deutschlands104 5.1.3 Sekundärkriterium 1: Trägerschaft ............................................................ 105 5.1.4 Sekundärkriterium 2: Größenklasse ......................................................... 106 5.1.5 Sekundärkriterium 3: Rechtsform ............................................................. 107 5.1.6 Leitfadeninterviews mit Experten ............................................................. 107 5.1.7 Codierung der Quellenangaben ................................................................. 109
X Inhaltsverzeichnis
5.2 Auswertungsmethodik .................................................................................... 109 5.2.1 Schritt 1: Extraktion .................................................................................. 110 5.2.2 Schritt 2: Aufbereitung und Verdichtung .................................................. 112 5.2.3 Schritt 3: Zuordnung der Extraktionen zu den Thesen und Bewertung .... 112 5.2.4 Schritt 4: Analyse und Interpretation......................................................... 113
5.3 Gütekriterien der empirischen Sozialforschung........................................... 114 5.3.1 Objektivität ................................................................................................ 114 5.3.2 Reliabilität ................................................................................................. 115 5.3.3 Validität ..................................................................................................... 116
6 Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen .............................................. 119
6.1 Explorativer Befund........................................................................................ 119
6.2 These 1: Doppik führt zu wirklichkeitsnäherer Abbildung des Ressourcenverbrauchs.............................................................................. 121
6.2.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 121 6.2.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 124 6.2.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 128 6.2.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 128
6.3 These 2: Doppik führt zu einem neuen steuerungsrelevanten Informationsgehalt..................................................... 130
6.3.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 130 6.3.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 132 6.3.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 137 6.3.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 137
6.4 These 3: Doppik führt zu nachhaltigerem Wirtschaften ............................. 139 6.4.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 139 6.4.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 140 6.4.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 143 6.4.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 143
6.5 Fazit zur Einführung der Doppik .................................................................. 145
7 Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen ............................................... 149
7.1 Explorativer Befund........................................................................................ 149
7.2 These 4: Erhöhte Transparenz durch KLR.................................................. 153 7.2.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 153 7.2.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 155 7.2.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 157 7.2.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 158
7.3 These 5: Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz durch KLR ................. 159 7.3.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 159 7.3.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 161 7.3.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 164 7.3.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 164
Inhaltsverzeichnis XI
7.4 These 6: Erhöhung der Rationalität durch Controlling .............................. 166 7.4.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 166 7.4.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 168 7.4.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 170 7.4.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 171
7.5 Fazit zum internen Rechnungswesen............................................................. 172
8 Unabhängige Variable Personalmanagement....................................................... 175
8.1 Explorativer Befund........................................................................................ 175
8.2 These 7: Effizienzsteigerung durch LoB ....................................................... 177 8.2.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 177 8.2.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 177 8.2.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 180 8.2.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 181
8.3 These 8: Effizienzsteigerung durch Führungsinstrumente ......................... 182 8.3.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 182 8.3.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 184 8.3.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 184 8.3.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 185
8.4 These 9: Effizienzsteigerung durch Personalentwicklungsmaßnahmen .... 187 8.4.1 Bestätigende Befunde ................................................................................ 187 8.4.2 Falsifizierende Befunde............................................................................. 188 8.4.3 Neutrale Befunde....................................................................................... 188 8.4.4 Abschließende Bewertung der These ........................................................ 190
8.5 Fazit Personalmanagement............................................................................. 191
9 Auswertung der übrigen Variablen ....................................................................... 193
9.1 Vermittlungsprozessvariable Implementation.............................................. 193 9.1.1. Auslösende Faktoren und Prozesspromotoren .......................................... 193 9.1.2. Begünstigende Faktoren ............................................................................ 195 9.1.3. Behindernde Faktoren................................................................................ 197
9.2 Intervenierende Variablen Künstlerische und Wirtschaftliche Rationalität ........................................................................... 199
9.2.1. Typus I: Sachzieldominierter Kulturbetrieb .............................................. 199 9.2.2. Typus II: Paritätisch geführter Kulturbetrieb ............................................ 201 9.2.3. Typus III: Formalzieldominierter Kulturbetrieb........................................ 203 9.2.4. Interpretation der Klassifikationen ............................................................ 204
9.3 Intervenierende Variable Bürokratische Rationalität ................................. 205
9.4 Intervenierende Variable Rahmenbedingungen .......................................... 205
9.5 Intervenierende Variable Kulturpolitik und Kulturverwaltung ................ 207
9.6 Abhängige Variable Künstlerischer Erfolg................................................... 208
9.7 Abhängige Variable Wirtschaftlicher Erfolg................................................ 211
9.8 Interdependenzen der Erfolgsvariablen........................................................ 213
XII Inhaltsverzeichnis
9.9 Exkurs: Kulturbetriebsspezifische Entscheidungskriterien........................ 217 9.9.1 Entscheidungssituation .............................................................................. 217 9.9.2 Schritt 1: Künstlerische Bewertung (Sachzielebene) ................................ 218 9.9.3 Schritt 2: Wirtschaftliche Bewertung (Formalzielebene).......................... 218 9.9.4 Schritt 3: Entscheidungsfindung................................................................ 220 9.9.5 Zusammenfassung und Interpretation ....................................................... 222
10 Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse .................................. 225
10.1 Hauptthese: Effizienzsteigerung durch NPM ............................................... 225
10.2 Bewertung der Modellierung des Kulturbetriebs ........................................ 228
10.3 Fazit und Ausblick........................................................................................... 230
Anhang.............................................................................................................................. 237
Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 245
Quellenverzeichnis........................................................................................................... 269
Abkürzungsverzeichnis XIII
Abkürzungsverzeichnis
AV = Anlagevermögen
BAT = Bundesangestelltentarifvertrag
BHO = Bundeshaushaltsordnung
BMT-G = Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter der Gemeinden
BSC = Balanced Score Card
BTT = Bühnentechnikertarifvertrag
BTTL = Bühnentechnikertarifvertrag Landesbühne
DB = Deckungsbeitrag
DOV = Deutsche Orchestervereinigung
EK = Eigenkapital
FK = Fremdkapital
GEMA = Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte
GG = Grundgesetz
GMD = Generalmusikdirektor
GoöB = Grundsätze ordnungsgemäßer öffentlicher Buchführung
HGrG = Haushaltsgrundsätzegesetz
HR = Human Resources
HRM = Human Resource Management
IPSAS = International Public Sector Accounting Standards
KGSt = Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung
KLR = Kosten- und Leistungsrechnung
KonTraG = Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
LHO = Landeshaushaltsordnung
LoB = Leistungsorientierte Bezahlung
MbO = Management by Objectives
MTB = Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes
MTL = Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder
NB = Nebenbedingung
NIÖ = Neue Institutionenökonomie
XIV Abkürzungsverzeichnis
NKR = Neues kommunales Rechnungswesen
NPM = New Public Management
NÖR = Neues öffentliches Rechnungswesen
NSM = Neues Steuerungsmodell
NV = Normalvertrag
PPP = Public Private Partnership
TQM = Total Quality Management
TVK = Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern
TVöD = Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
TV-L = Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder
VKA = Verband kommunaler Arbeitgeber
Abbildungsverzeichnis XV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Zusammenhang zwischen betriebswirtschaftlichen Instrumenten
und NPM-Zielsetzung........................................................................................... 6
Abb. 2: Methodischer Ablauf und Gliederung der Arbeit ................................................. 9
Abb. 3: Kontextmodell öffentlicher Kulturbetriebe......................................................... 10
Abb. 4: Darstellung der Einbettung der Prämissen der heterogenen
Akteursrationalitäten in die Makroebene betrieblichen Handelns...................... 15
Abb. 5: Zusammenfassende Darstellung des Modells der heterogenen
Akteursrationalitäten........................................................................................... 19
Abb. 6: Variablenmodell der Untersuchung .................................................................... 20
Abb. 7: Beurteilungskriterien im öffentlichen Sektor nach Budäus, Schedler u. a. ........ 23
Abb. 8: Relative Einnahmestrukturen der deutschen Theater in der Spielzeit 2006/07 .. 31
Abb. 9: Zusammensetzung der selbst erwirtschafteten Einnahmen der deutschen
Theater in der Spielzeit 2006/07 ......................................................................... 32
Abb. 10: Relative Ausgabestrukturen der deutschen Theater in der Spielzeit 2006/07 .... 33
Abb. 11: Relative Personalkostenstrukturen der deutschen Theater in der Spielzeit
2006/07 ............................................................................................................... 33
Abb. 12: Begriffskategorisierung zu NPM und Mehrfachbedeutung von Public
Management........................................................................................................ 59
Abb. 13: Legitimationsquellen des NPM........................................................................... 65
Abb. 14: Zwei für den Kulturbetrieb konkretisierte und interdependente
Wirkungsketten gemäß NPM.............................................................................. 67
Abb. 15: Drei-Komponenten-Rechnungssystem nach Klaus Lüder (Integrierte
Verbundrechnung) .............................................................................................. 78
Abb. 16: Übersicht der interdependenten Wirkungszusammenhänge im
Kulturbetrieb gemäß empirischer Erhebung..................................................... 216
Abb. 17: Modifiziertes Variablenmodell nach der empirischen Untersuchung............... 229
XVI Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Skizzierung von drei wichtigen Rationalitäten in Kulturbetrieben .................... 18
Tab. 2: Strukturelle und inhaltliche Unterschiede zwischen
privatwirtschaftlicher Unternehmung und öffentlichem Sektor ......................... 30
Tab. 3: Verteilung der Rechtsformen in den deutschen Theatern, vgl.
Deutscher Bühnenverein (1995 bis 2007). ......................................................... 36
Tab. 4: Absolute Outputentwicklung und Personalbestand (Stellen) der
deutschen Theater, vgl. Deutscher Bühnenverein (1995 bis 2007) .................... 39
Tab. 5: Absolute Outputentwicklung und Personalbestand (Stellen) der
deutschen selbständigen Kulturorchester, vgl. Deutscher Bühnenverein
(1996 bis 2007) ................................................................................................... 40
Tab. 6: Anzahl der Aufführungen in den Gattungen pro Spielzeit der deutschen
Theater, vgl. Deutscher Bühnenverein (1995 bis 2007) ..................................... 42
Tab. 7: Absolute Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben (in Mio. €) der
deutschen Theater, vgl. Deutscher Bühnenverein (1995 bis 2007) .................... 44
Tab. 8: Absolute Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben (in Mio. €) der
deutschen selbständigen Kulturorchester, vgl. Deutscher Bühnenverein
(1996 bis 2007) ................................................................................................... 45
Tab. 9: Absolute Entwicklung wichtiger Effizienz-Kennzahlen der deutschen
Theater, vgl. Deutscher Bühnenverein (1995 bis 2007) ..................................... 47
Tab. 10: Absolute Entwicklung wichtiger Effizienz-Kennzahlen der
deutschen selbständigen Kulturorchester, vgl. Deutscher Bühnenverein
(1996-2007) ........................................................................................................ 48
Tab. 11: Absolute Personalentwicklung (in Stellen) der deutschen Theater, vgl.
Deutscher Bühnenverein (1995 bis 2007) .......................................................... 50
Tab. 12: Drei Ebenen der staatlichen Leistungstiefe ........................................................ 64
Tab. 13: Gegenüberstellung von Kameralistik und Doppik...............................................77
Tab. 14: Arten des Widerstandes gegen Wandel und deren Folgen ................................. 87
Tab. 15: Sämtliche Thesen der Untersuchung im Überblick .......................................... 101
Tab. 16: Verteilung des ersten Primärkriteriums ............................................................ 104
Tab. 17: Verteilung des zweiten Primärkriteriums ......................................................... 104
Tab. 18: Verteilung des ersten Sekundärkriteriums........................................................ 105
Tab. 19: Verteilung des zweiten Sekundärkriteriums..................................................... 106
Tab. 20: Verteilung des dritten Sekundärkriteriums....................................................... 107
Tabellenverzeichnis XVII
Tab. 21: Interviewstatistik (Verteilung der Extraktionen aus den Interviews
auf die 11 Variablen) ........................................................................................ 111
Tab. 22: Zeitpunkte der Umstellung auf Doppik, N = 20 ............................................... 119
Tab. 23: Übersicht über Rechtsform, Rechtsperson und Buchungsweise ...................... 120
Tab. 24: Anteil der Abschreibungen an den gesamten Aufwendungen gemäß
der Theaterstatistik 2006/07 bei 14 der 15 befragten Theatern ........................ 131
Tab. 25: Verteilung der Ausprägungen des internen Rechnungswesens in der
gesamten Stichprobe, im Kontext des Primärkriteriums 1
und des Sekundärkriteriums 2 .......................................................................... 152
Tab. 26: Tarifwerke im nicht-künstlerischen Personal in der Stichprobe....................... 175
Tab. 27: Status der LoB in den Kulturbetrieben, welche den TVöD bzw.
TV-L anwenden ................................................................................................ 176
Tab. 28: Operationalisierung und Bewertung der Sachzielerreichung
pro Aufführung ................................................................................................. 218
Tab. 29: Operationalisierung und Bewertung der Formalzielerreichung
pro Aufführung ................................................................................................. 219
Tab. 30: Übersicht über Sach- und Formalzielerreichung
für die Entscheidungsalternativen..................................................................... 220
Tab. 31: Sechs Allokationsbeispiele mit den jeweiligen Zielerreichungen .................... 220
Tab. 32: Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse ............................................... 227
Tab. 33: Aggregationen der Einnahmen der deutschen Theater (Abb. 8 und 9) ............ 237
Tab. 34: Aggregationen der Ausgaben der deutschen Theater (Abb. 10 und 11)........... 238
Tab. 35: Beispiel Extraktionstabelle Externes Rechnungswesen ................................... 243
Tab. 36: Beispiel verdichtete Extraktionstabelle Internes Rechnungswesen.................. 244
XVIII Anhangsverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Anhang 1: Erläuterung zu Abb. 8 und 9 ........................................................................ 237
Anhang 2: Erläuterung zu Abb. 10 und 11 ................................................................... 238
Anhang 3: Fragebogen der Experteninterviews............................................................. 239
Anhang 4: Extraktionsregeln ......................................................................................... 242
Anhang 5: Kurzer Auszug aus der Extraktionstabelle der Variable
Externes Rechnungswesen ........................................................................... 243
Anhang 6: Kurzer Auszug aus der verdichteten Extraktionstabelle
der Variable Internes Rechnungswesen ....................................................... 244
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 1
1 Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
1.1 Einführung
Die größten künstlerischen Blüten wurden in der abendländischen Kulturgeschichte stets
durch Subventionen im weiteren Sinn1 erreicht, je nach Epoche durch Monarchien, die
Kirche, die Aristokratie oder den Staat. Diese Abhängigkeit besteht größtenteils auch heute
noch: Allein in der BRD wurden in 2005 auf gesamtstaatlicher Ebene rund 8 Mrd. € (1,6 %
aller öffentlichen Ausgaben) bzw. 97 € pro Einwohner für kulturelle Zwecke eingesetzt,
mit preisbereinigt sinkender Tendenz.2 Jedoch werden Zuwendungen an Kulturbetriebe
regelmäßig hinterfragt, da der Konsens über die finanzielle Unterstützung im Kontext
steigender Staatsverschuldung und anderer dringlicher gesellschaftlicher und politischer
Aufgaben nicht mehr unangefochten dasteht. Die Stagnation oder Kürzung der Zuwendung
bei zugleich inflations- und tarifbedingt steigenden Ausgaben ist die vielerorts eingetretene
Konsequenz.3 Die private Kulturfinanzierung macht etwa einen Anteil von 6-7 % der
gesamten Kulturfinanzierung in Deutschland aus: Sponsoring (350 Mio. €), kapitalbasierte
Stiftungen mit kulturellem Zweck (Erträge p. a. ca. 125 Mio. €), mäzenatische Spenden (50
Mio. €).4 Die Rahmenbedingungen für die private Kulturfinanzierung verbessern sich.5 Es
kann jedoch mittelfristig nicht von einer signifikanten Entlastung der öffentlichen Hand bei
den institutionellen Zuwendungen für Kulturbetriebe ausgegangen werden, da die private
Kulturfinanzierung nur in einem geringen Maß den Kernaufgaben der etablierten
Kulturbetriebe zugute kommt, sondern eher Projekten in angrenzenden Bereichen, etwa der
Kulturvermittlung: Der Anteil der privaten Finanzierung beträgt an den Einnahmen der
deutschen Theater lediglich 0,8 %.6 Somit erhöhen sich der wirtschaftliche Druck und die
Notwendigkeit zur Professionalisierung der Ablauf- und Aufbauorganisation in
Kulturbetrieben. Begriffe wie Effizienzsteigerung und Optimierung gewinnen auch im
Kultursektor an Bedeutung − unter der Voraussetzung einer differenzierten Anwendung,
welche künstlerische und qualitative Aspekte sowie die Zweckbestimmung berücksichtigt.
Die öffentlichen Haushalte der Gebietskörperschaften befinden sich in einer nicht
minder prekären finanziellen Situation. Die freigiebige öffentliche Ausgabepolitik der
1 Vgl. Thiel (2003), S. 177 f. 2 Vgl. Statistische Ämter der Länder und des Bundes (2008), S. 15 ff. 3 Zwischen 1992 und 2005 wurden 33 der ehemals 168 deutschen Kulturorchester aufgelöst bzw.
fusioniert, was zu einem Stellenabbau bei Orchestermusikern im genannten Zeitraum von bundesweit 16 %, allein in Ostdeutschland von 30 % geführt hat, vgl. KGSt (1997), S. 7; Mertens (2005), S. 4, 11, 14 f.; Ossadnik (1987), S. 279.
4 Angaben gemäß Kulturkreis der deutschen Wirtschaft, vgl. http://www.kulturkreis.eu/index.php? option=com_content&task=blogcategory&id=44&Itemid=177 am 31.10.2009.
5 Zum Beispiel das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.2007 mit erhöhten steuerlichen Anreizen.
2 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
1960er- bis 1980er-Jahre hat im Kontext eines hohen Wohlfahrtsniveaus eine großzügige
Versorgung mit öffentlichen Gütern bewirkt, die in den wirtschaftlich schwächeren
Folgeperioden nur schwerlich aufrechtzuerhalten war.7 Die aufgebaute kulturelle Vielfalt
mit nominal steigendem Finanzierungsbedarf steht im Spannungsverhältnis zu dem
globalen Wettbewerbsdruck und den verringerten sowie sich weiterhin verringernden
Spielräumen der öffentlichen Hand angesichts der wachsenden Verschuldung.
Reformprozesse im öffentlichen Sektor gehören zur Politik- und Kulturgeschichte
und sind kein neues Phänomen.8 Im Zentrum dieser Arbeit steht das post-bürokratische
Paradigma des New Public Management (NPM), welches seine ideellen und konzeptionel-
len Wurzeln in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat. Seit den 1990er-Jahren kommt
es in Deutschland verstärkt in verschiedenen Ausprägungen zur Anwendung, etwa in dem
Neuen Steuerungsmodell (NSM) der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungs-
vereinfachung (KGSt) oder unter dem Schlagwort der Verwaltungsmodernisierung, wobei
eine scharfe Abgrenzung dieser Begriffe nicht immer möglich ist. NPM propagiert die
substantielle Überwindung des Weberschen Idealtypus einer rational-legalen Bürokratie9 in
Richtung einer stärkeren Orientierung an den privatwirtschaftlichen Unternehmen mit
ihren Managementtechniken. Es möchte als Ansatz zur Lösung des Trilemmas zwischen
Effektivität, Effizienz und Legitimität gelten. Insofern hat das NPM eine präskriptive und
handlungssteuernde Orientierung. Durch NPM werden sowohl die Strukturen zwischen
Staat, Verwaltung und Bürgern (externe Strukturreform/außenorientierte Elemente) als
auch die Verwaltung bzw. öffentlichen Betriebe als Reformobjekt an sich (Binnenreform)
betrachtet.10
Als unmittelbarer oder verselbständigter Teil der Leistungsverwaltung werden
somit öffentlich-rechtliche Kulturbetriebe auch von NPM berührt. NPM könnte durch
seine u. a. effizienzorientierte Zielsetzung einen Beitrag zur Milderung der oben
beschriebenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Kulturbetriebe leisten, sei es durch
unmittelbare Vorteile aus der Einführung bestimmter Instrumente und Techniken oder
veränderte Rahmenbedingungen. Somit liegt es nahe zu untersuchen, inwieweit sich die
einschlägigen Reformbestandteile, insbesondere im betriebswirtschaftlichen Bereich, in
den Kulturbetrieben niedergeschlagen haben und zu welchen Folgen dies geführt hat. Dies
6 Vgl. Deutscher Bühnenverein (2007), S. 257 ff. 7 Vgl. Pitschas (2004), S. 2; Thom/Ritz (2006), S. 12 f.; Mertens (2005), S. 14. 8 Verwaltungsreformen im Sinn bürokratischer Arbeitsprozessoptimierungen wurden auch schon vor NPM
umgesetzt. Zwischen der Neukonstruktion der ministeriellen Verwaltungsorganisation in Preußen 1806 bis in die 1980er-Jahre wurden 42 Reformkonzepte und Einzelmaßnahmen gezählt, vgl. Walken-haus/Voigt (2006), S. XVIII.
9 Vgl. Lane (2009), S. 11 f.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 3
geschieht im empirischen Teil dieser Arbeit. Dadurch wird die Anwendung von NPM
sektor- und instrumentenspezifisch auf das Erreichen der jeweiligen Ziele hin überprüft.11
Es wird versucht aufzuzeigen, wo die Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen von
Reformansätzen für Kulturbetriebe liegen und welche die Zusammenhänge und
Bedingungen hierfür sind. Zugleich wird der Kulturbetrieb als Ort betrieblichen
Geschehens theoretisch modelliert, praktisch untersucht und auf seine Funktionsweise hin
beleuchtet.
1.2 Entwicklung der Forschungsfrage
Der Kultursektor wird seit den 1960er-Jahren durch Forschung und Publikationen
intensiviert wissenschaftlich und praxisorientiert erschlossen.12 Baumol/Bowen gelten als
Begründer der Kulturökonomik. Sie haben in ihrer grundlegenden Arbeit „Performing Arts
– The Economic Dilemma“ (1966) die ökonomischen Zusammenhänge bei den
Aufführungskünsten erforscht, dabei ein Kostendilemma identifiziert und eine
Finanzierungslücke postuliert, begründet mit der hohen Personalintensität, langfristigen
relativen Preisentwicklungen und der niedrigen Partizipation an Skaleneffekten aus
technischem Fortschritt.13 Der volkswirtschaftliche Zweig der weiteren Forschung
konzentriert sich auf ökonomische Gesetzmäßigkeiten und Gegebenheiten, ggf.
konkretisiert in den einzelnen Kultursparten,14 und auf die Kultur als Wirtschaftsfaktor,
sowohl als Bestandteil des Bruttoinlandsprodukts als auch in Bezug auf indirekte Effekte
aus Umwegrentabilitäten etc.15 Der betriebswirtschaftliche Zweig fokussiert Fragen der
Steuerung, des Rechnungswesens, Controllings, des Personalmanagements, der
Organisationsentwicklung und des Marketings inklusive dem noch jungen Zweig des
Audience Developments.16 Bemühungen um einen sektorspezifisch theoretisch fundierten
Wissenschaftszweig der interdisziplinären Kulturbetriebslehre existieren erst seit jüngerer
10 Vgl. Walkenhaus/Voigt (2006), S. XII; Blanke/Einmann et al. (2005), S. 568. 11 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 36. 12 Vgl. Throsby (1994), S. 2 f. 13 Vgl. Baumol/Bowen (1966), S. 161-235. 14 Vgl. Blümle (2004); Heilbrun/Gray (2001); Hutter (1992); Pommerehne/Frey (1993); Throsby (2001);
Tietzel (1995); Towse (2003); für den nahe stehenden Hochschulbereich vgl. Helberger (1989) und Helberger (1989a).
15 Vgl. DIW (1992); DIW (2002); Ermert (2002); Jaeger/Stier (2001), S. 57-128; Knappe (2007); Niederholtmeyer (1993) mit einer Literaturübersicht zum Forschungsstand.
16 Vgl. Allmann (1998); Almstedt (1999); Beutling (1993); Bielfeldt (2009); Boerner (2002); Boethi-us/Wrangsjö (2000); Giller (1995); Greve (2002); Hamann (2001); Hamann (2005); Hartung (1998); Keil (2001); Konrad/Gemünden (2002); Schneidewind (2000); Schugk (1996); Schwarzmann (2000); Stein (1982); Szirota (1999); Walk (1992).
4 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
Zeit.17 Bei wissenschaftlichen Arbeiten ist in der Minderheit der Publikationen ein
empirischer Teil enthalten. Hierbei kamen vorwiegend explorative Erhebungen durch
Fragebögen oder Fallstudien einzelner Kulturbetriebe zur Anwendung.18
Die praxisorientierten Publikationen des Kulturmanagements setzen sich mit Fra-
gen der privaten Kulturfinanzierung, des Managements von Kulturbetrieben und Künstlern
sowie dem Spannungsfeld von Kunst und Gewinnstreben auseinander19. Das Handbuch
von Röper (2001) bietet in der Art eines Kompendiums eine fundierte und differenzierte
Gesamtübersicht über den Stand des deutschen Theatermanagements zur Jahrtausendwen-
de.20 In vielen Publikationen werden als Schlussfolgerung u. a. kulturpolitische
Implikationen zu adäquaten Rahmenbedingungen für Kulturbetriebe und die private
Kulturfinanzierung formuliert.21
Die große Mehrheit der Veröffentlichungen berührt aus ihrer jeweiligen Teildiszip-
lin heraus im Kern oder wenigstens peripher die Frage – wenn auch nicht immer explizit
gestellt −, wie Kulturbetriebe mit begrenzten Ressourcen ihren Auftrag möglichst effizient
und damit auch in Zeiten stagnierender oder sinkender öffentlicher Zuwendungen erfüllen
können. Diese Frage steht aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch im Zentrum der
vorliegenden Arbeit. Zudem stimmt sie mit einer wesentlichen Zielsetzung des
Reformansatzes New Public Management (NPM) überein (vgl. Kap. 3), welcher normativ
Maßnahmen empfiehlt, um die Effizienz und Effektivität im öffentlichen Sektor zu
erhöhen. Von diesen Maßnahmen werden drei betriebswirtschaftliche Teilgebiete (externes
Rechnungswesen, internes Rechnungswesen, Personalmanagement) auf ihre Funktionalität
für Kulturbetriebe hin untersucht. Dabei ergibt sich auch ein Anknüpfungspunkt zum
praktischen Kulturmanagement, da die Kulturbetriebe als Zuwendungsempfänger
dauerhaft von der öffentlichen Refinanzierung abhängig und ferner von den untersuchten
Teilreformen (u. a. Einführung der Doppik, KLR, leistungsorientierte Bezahlung) in einer
großen Anzahl konkret betroffen sind. Wenn die Erschließung von Effizienzgewinnen
gelingt, bedeutet dies eine finanzielle Entspannung bzw. wachsende künstlerische
Freiräume. Daher ist die Funktionalität von NPM in Bezug auf das Effizienzziel das
17 Vgl. Mörth (1995); Zembylas (2004); Zembylas/Tschmuck (2006). An der Zeppelin Universität
Friedrichshafen wurde 2009 der erste Lehrstuhl für Kulturbetriebslehre in Deutschland eingerichtet. 18 Vgl. Allmann (1998), S. 5-62; Bielfeldt (2009), S. 93-216; Giller (1995), S. 183-210; Herrmann (2001),
S. 53-83, 212-228; Konrad/Gemünden (2002); Schneidewind (2000), S. 117-200; Stein (1982); Szirota (1999), S. 149-192; Walk (1992), S. 38-51.
19 Vgl. Bendixen (2002); Brezinka (2002); Fischer (2004) , Heinrichs (1997); Heinrichs (1997a); Heinrichs (2006); Heinze (2004); Klein (2008); Konrad (2006); Rauhe/Demmer (1994); Schäfer/Vermeulen (1996); Schneidewind/Tröndle (2003); Schulze/Rose (1998); Tröndle (2006).
20 In Form eines Lexikons vgl. auch Jacobshagen (2002). 21 Vgl. Frey (2003), S. 105-156; Konietzka/Küppers (1998); O’Hagan (1998), S. 73-162; Wegner (1999),
S. 234-255.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 5
zentrale Kriterium zur Beurteilung der Eignung der NPM-Teilreformen (vgl. Titel der
Arbeit). Somit lautet die übergeordnete Forschungsfrage: Ist die Anwendung von NPM
dazu geeignet, in den Kulturbetrieben eine höhere Effizienz22 durch eine optimierte
Steuerung23 zu erreichen?
Zur Beantwortung der Frage wurde eine umfangreiche empirische Studie vorge-
nommen. Sie evaluiert die Wirkung der NPM-Teilreformen durch eine thesengeleitete,
qualitative Kausalitätsanalyse, welche auf einem Variablenmodell basiert. Die sich hierbei
ergebenden Befunde und Analyseergebnisse dürften auch einen Aussagewert für das
praktische Kulturmanagement besitzen. Die Grundgesamtheit der empirischen Studie
bilden die 196 Theater und selbständigen Kulturorchester in Deutschland gemäß der
Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins, wobei die Ergebnisse auch auf andere
Kultureinrichtungen in weiten Teilen übertragbar sein dürften (Museen, Bibliotheken etc.).
Der methodische Ansatz, durch qualitative Analysen die Wirkung von betriebswirtschaftli-
chen Instrumenten für die Grundgesamtheit auf ihre Zielerreichung hin thesengeleitet
kritisch-evaluativ zu prüfen, ist zumindest in der oben aufgeführten gängigen Literatur zum
Kulturmanagement bislang nicht unternommen worden. NPM beinhaltet konkrete
Gestaltungsempfehlungen und Managementinstrumente, welche dazu dienen sollen,
• die Effizienz und Effektivität im öffentlichen Sektor zu erhöhen und
• damit eine Leistungssteigerung zu bewirken,
• öffentliche Ausgaben und die Staatsquote zu senken,
• Kostenbewusstsein und Anreizkompatibilität bei den Akteuren zu schaffen;
• bürgerorientiert,
• output- und outcome-orientiert,
• transparent, berechenbar, zielgelenkt und zielgesteuert, unternehmerisch und flexibel,
• in dezentralen verantwortlichen Einheiten zu produzieren.24
22 Der zu Grunde liegende Effizienz-Begriff wird im Kap. 1.8 näher definiert. 23 Der Begriff der Steuerung wird als innerbetriebliche Steuerung und Bestandteil des Management-Zyklus
verstanden: Eine optimierte Steuerung liegt dann vor, wenn die Entscheidungsqualität über die Allokation von finanziellen oder personellen Ressourcen zunimmt und infolge dessen die betrieblichen Ziele (Output) in effizienterem Maße erreicht werden.
24 Vgl. Budäus (1998), S. 46 f.; Buschor (1994), S. XIII-XVI; Jones (2006), S. 112; Kettiger (2000), S. 5. In späteren Publikationen werden die zunächst quantitativ interpretierten Begriffe auch durch qualitative Aspekte ergänzt, vgl. Politt/Bouckaert (2003), S. 28.
6 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
Angesichts der Vielseitigkeit von NPM ist eine Beschränkung auf Teilbereiche geboten. Es
werden in dieser Arbeit die drei wichtigsten betriebswirtschaftlichen Instrumente des
NPMs untersucht:
1. Externes Rechnungswesen, insbesondere die Ablösung der Kameralistik durch die
Doppik (Kap. 6).
2. Internes Rechnungswesen, insbesondere die Einführung der Kosten- und Leistungs-
rechnung und des Controllings (Kap. 7).
3. Einführung von Elementen des Personalmanagements (Kap. 8).
Diese nicht originär auf NPM zurückzuführenden Themenstränge gelten u. a. als Synonym
für eine „moderne“ Verwaltung. Sie wurden an vielen Stellen im öffentlichen Sektor
umgesetzt oder befinden sich in der Einführung, häufig in Orientierung an Idealen des
privaten Sektors.
Jedes dieser Instrumente verfolgt wiederum untergeordnete (Eigen-)Ziele, die aber
letztlich in Kongruenz zu den übergeordneten NPM-Zielen stehen. In differenzierter Weise
werden die untergeordneten Ziele bei der Thesenentwicklung berücksichtigt und erläutert.
Einen Überblick gibt die nachfolgende Abb. 1:
Instrument Spezifische Ziele des Instruments Übergeordnete NPM-Ziele
Einführung der Doppik
(vgl. Thesen 1-3)
Abbilden des realen Ressourcenverbrauchs
Abbildung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse
Nachhaltiges Wirtschaften
Intergenerative Gerechtigkeit
Einführung der KLR & Controlling
(vgl. Thesen 4-6)
Rationales Wirtschaften und Entscheiden
Zielorientiertes Handeln durch
Planung und Kontrolle
Führungsunterstützung
Informationsgewinnung
Transparenz der innerbetrieblichen Leistungsströme
Aufrechterhalten der Potenziale
Anwendung von Personalmanagement
(vgl. Thesen 7-9)
Optimaler Einsatz und Entfaltung des Faktors
menschliche Arbeitskraft
Erhaltung und Steigerung der Ressourcen und
Fähigkeiten
Zufriedenheit und Motivation der
Mitarbeiter
Effizienz und Effektivität
erhöhen
Öffentliche Ausgaben
senken
Anreizkompatibilitäten im
öffentlichen Sektor erhöhen
Bürgerorientierung
ausweiten
Output- und Outcome-
Orientierung stärken
Abb. 1: Zusammenhang zwischen betriebswirtschaftlichen Instrumenten und NPM-Zielsetzung
Quelle: Eigene Darstellung.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 7
Abb. 1 kann entnommen werden, dass die Instrumente des externen und internen
Rechnungswesens für die betriebliche Steuerung und die finanzielle Allokation innerhalb
des Kulturbetriebs eine entscheidende Rolle spielen. Einer der Hauptadressaten ist die
Geschäftsführung des Kulturbetriebs, welche auf diesen Informationsquellen aufbauend in
die Lage versetzt werden soll, eine rationale Betriebsführung auszuüben und dabei das
Effizienzziel zu verfolgen. Das Personalmanagement betrifft die Allokation des gerade in
Kulturbetrieben wichtigen Produktionsfaktors der menschlichen Arbeitskraft. Hier
Verbesserungen zu erreichen bedeutet eine unmittelbare Steigerung des Outputs und der
Effizienz. Somit werden durch die drei aus den NPM-Reformen ausgewählten Teilbereiche
die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Einflussfaktoren auf die abhängigen Erfolgsvari-
ablen von Kulturbetrieben erfasst.
Der Kanon der NPM-Instrumente findet seit den 1990er-Jahren (z. B. im Rahmen
des Neuen Steuerungsmodells, auf kommunaler Ebene beginnend) sukzessive Beachtung
und entsprechenden Eingang in die Verwaltungen und Betriebe. Somit ist zu erwarten, dass
für die empirische Erhebung (Juli 2008 bis Februar 2009) zwischenzeitlich ausreichende
Erfahrungen gesammelt wurden.25
Die empirisch nachweisbare gestiegene Verbreitung von bestimmten Instrumenten
bewirkt in den Betrieben nicht zwingend Veränderungen von Verhaltensweisen, Strukturen
oder Entscheidungen.26 Es entsteht u. U. eine hybride Mischung aus der althergebrachten
Betriebskultur und aufgesetzten neuen, Transaktionskosten verursachenden Management-
werkzeugen. So kann die Situation eintreten, dass sich die Prozessqualitäten nicht
verbessern und der Implementierungsaufwand im Extremfall zu einer Abnahme der
Effizienz führt.27 Daher wird mit der empirischen Erhebung das Spannungsfeld zwischen
der Umsetzung der NPM-Instrumente und dem Erreichen der Ziele in der Praxis der
öffentlichen Kulturbetriebe überprüft. Diese Art der analytischen (ex-post) Wirkungsfor-
schung mit Erhebung von Outputs und den Verhaltens- und Performanceänderungen ist für
öffentliche Betriebe in der Forschung unterrepräsentiert.28 Dabei ist methodisch
insbesondere zu beachten:
25 Vgl. Bogumil/Kuhlmann (2006), S. 62 f. 26 Vgl. Jann (2006a), S. 104; Bogumil/Kuhlmann (2006a), S. 349 f. 27 Vgl. Politt/Bouckaert (2003), S. 27 f. 28 Vgl. Bogumil/Kuhlmann (2006), S.54 f.; Jann (2006), S. 14 f.
8 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
• Die Korrelation zwischen der NPM-Umsetzung und einer ggf. beobachteten
Effizienzsteigerung muss nicht zwingend eine Kausalität bedeuten. Hintergrundvariab-
len sind möglichst zu lokalisieren, z. B. eine parallel erfolgte Zuwendungsabsenkung
bei gleich bleibendem Output.
• Der Effizienz-Begriff ist differenziert zu definieren, z. B. hinsichtlich qualitativer
Aspekte.29
• Dem besonderen Charakter der betrieblichen Struktur und des öffentlichen Auftrags,
etwa durch die hohe Bedeutung von Sachzielen, ist Rechnung zu tragen.30
29 Vgl. Politt/Bouckaert (2004), S. 177 f. 30 Vgl. Kosiol (1972), S. 223 f.; Ossadnik (1987), S. 276 ff.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 9
Methodischer Ablauf Gliederung der Arbeit
Entwicklung der Modellierung und des Untersuchungsdesigns (Kap. 1)
Forschungsfrage (Einleitung und Kap. 1)
Beschreibung der Methodik (Kap. 5)
Ausführliche Auswertung und Interpretation (Kap. 6-9)
Überprüfung des Variablenmodells und Fazit (Kap. 10)
Empirische Erhebung: 20 Experteninterviews
Transkription
Qualitative Inhaltsanalyse: Extraktion
Verdichtung Zuordnung zu Thesen Bewertung der Thesen
Anwendung der NPM-Theorie auf den Untersuchungsgegenstand, daraus Entwicklung der Thesen (Kap. 4)
Stand der NPM-Theorie (Kap. 3)
Charakerisierung des Untersuchungs-gegenstands der öffentlich finanzierten
Theater und Orchester (Kap. 2)
1.3 Ablauf der Untersuchung
Der Ablauf der Untersuchung wird nachfolgend in Abb. 2 chronologisch im Kontext der
Gliederung dieser Arbeit dargestellt:
Abb. 2: Methodischer Ablauf und Gliederung der Arbeit
Quelle: Eigene Darstellung.
10 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
NPM-Paradigma
wirkt auf alle Ebenen ein
Weiteres Umfeld: Besucher/Publikum Andere Kultur- und Freizeitbetriebe Presse/Fachwelt/Szene Bürger/Wähler
Legislative Gewalt: (Landes-)Parlament/Gemeindeversammlung Kultur-/Theaterausschuss Kultur- und Finanzpolitiker/Fraktionen
Exekutive Gewalt: Regierung und Verwaltung Minister/Bürgermeister Kultur- und Finanzverwaltung
Kulturbetriebe: Aufsichtsgremien/Gesellschafter Intendanz/Geschäftsführung Künstlerische Leitung Künstlerische Ensembles Gäste/Solisten Technik, Verwaltung, Service
Interdependenzen Informations- asymmetrien Zielkonflikte
Mikroebene (Kulturbetrieb)
Forschungsfrage:
Mehr Effizienz durch NPM?
Makroebene(Umfeld)
Mesoebene (öffentlicher
Sektor)
1.4 Kontextmodell des öffentlichen Kulturbetriebs
Die öffentlich finanzierten Kulturbetriebe agieren im Kontext zahlreicher externer und
interner Stakeholder, welche unterschiedliche und teilweise konfliktäre Interessen
gegenüber dem Kulturbetrieb geltend machen. Aus diesen vielschichtigen Anspruchshal-
tungen, nicht zuletzt begründet in der öffentlichen Finanzierung, ergeben sich für den
Kulturbetrieb Restriktionen und Abhängigkeiten. Die nachfolgende Übersicht (Abb. 3)
greift die unterschiedlichen Stakeholder und Interdependenzen auf:
Abb. 3: Kontextmodell öffentlicher Kulturbetriebe
Quelle: Eigene Darstellung.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 11
Die Darstellung (Abb. 3) dient im Folgenden als ein Bezugsrahmen, aus dem heraus das
Variablenmodell zur Bearbeitung der Forschungsfrage abgeleitet wird. Der Erkenntnisge-
genstand des Kulturbetriebs wird in dieser Arbeit auf der Mikro-Ebene unter betriebswirt-
schaftlichen Gesichtspunkten analysiert. NPM wirkt zwar in seiner Eigenschaft als
Reformansatz für den gesamten öffentlichen Sektor auf sämtliche Ebenen ein, die
Resultate hieraus werden allerdings in der Arbeit lediglich auf der betrieblichen Ebene des
Kulturbetriebs analysiert. Die Interdependenzen zur Meso- und Makro-Ebene wurden in
den intervenierenden Variablen berücksichtigt (vgl. Kap. 1.6). Das Kontextmodell
beansprucht nicht, eine Systemtheorie für den Kulturbetrieb und seine Interaktionen mit
der Umwelt zu sein.
1.5 Das Modell der heterogenen Akteursrationalitäten
1.5.1 Einführung
Im folgenden Kapitel wird der Mikro-Untersuchungsgegenstand der öffentlichen
Kulturbetriebe differenzierter modelliert. Dies geschieht aus zwei Gründen:
1. Jegliches betriebliche Geschehen wird von den ausführenden Menschen determiniert,
somit auch das Produktionsergebnis und die dabei erreichte Effizienz.
2. Der im Kontextmodell mit Pfeilen dargestellte Einfluss des NPM-Paradigmas erfolgt
nicht nur abstrakt über die Körperschaften und Gruppen der drei Ebenen, sondern
konkret über handelnde und entscheidende Personen. Diese haben erheblichen Einfluss
auf die Art und Weise sowie den Umfang der NPM-Implementation.
Durch die noch tiefer ansetzende Modellierung des Outputs der Kulturbetriebe wird die
Mikroebene des Kontextmodells selbst zum Makrophänomen (bzw. Explanandum),
welches mikrofundiert im Sinne des methodologischen Individualismus mittels der
Akteursrationalitäten, welche in Interaktion stehen, erklärt werden kann (Explanans).31
Das Handlungsergebnis der Gesamtheit ergibt sich aus der Aggregation der indivi-
duellen Verhaltensweisen. Dieser Ansatz kann als Versuch einer sektorspezifischen
ökonomischen Interaktionstheorie angesehen werden, die das Ziel verfolgt, den Einfluss
der individuellen handelnden Personen auf die abhängigen Erfolgsvariablen unter
Berücksichtigung der strukturierenden Regelsysteme und Interdependenzen eines Betriebs
in das Gesamtmodell einzubeziehen.32
31 Vgl. Heine/Hirsch et al. (2006), S. 4 f.; Meyer (2005), S. 1-7. 32 Vgl. Homann/Suchanek (2005), S. 100 ff.; Meyer/Heine (2005), S. 15.
12 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
Beim heuristischen Modell der heterogenen Akteursrationalitäten handelt es sich um ein
präempirisches Schema: Es dient der Strukturierung komplexer sozialer Phänomene durch
die Zusammenfassung mentaler Strukturen und Regeln des Denkens und Handelns.33 Ziel
ist es nicht – wie bei einer eigenständigen Mikrotheorie – das Verhalten eines Individuums
detailliert und funktional zu ergründen und dadurch die Wirklichkeit abzubilden, sondern
mittels einer pragmatischen (Komplexitäts-)Reduktion das Resultat der Aggregation vieler
individueller Verhaltensweisen unter Beibehaltung des zweckmäßigen ökonomischen
Paradigmas erklären zu können.34 Das Modell ist nicht im Popperschen Sinn falsifizierbar
und soll lediglich einen Erklärungsgehalt bei der Interpretation der übergeordneten
empirischen Ergebnisse liefern. Somit ist das treffende Beurteilungskriterium nicht die
Wahrheit, sondern die Zweckmäßigkeit bzw. Fruchtbarkeit.35
1.5.2 Interpretationen und Definitionen des Rationalitätsbegriffs in der Literatur
Die Prämissen menschlichen Entscheidens und Handelns erfahren u. a. in der ökonomi-
schen, psychologischen und soziologischen Literatur eine große Bedeutung, nicht zuletzt
für die Modellierung. Die Ansichtsweisen schlagen sich auch in unterschiedlichen
Interpretationen des Rationalitätsbegriffs nieder:
Zunächst differenziert die ökonomische Theorie zwischen subjektiver und objekti-
ver Rationalität. Bei der objektiven Rationalität strebt ein Individuum eine Maximierung
des Zielerreichungsgrads an. Es verfügt über vollständige Information über Zweck-Mittel-
Beziehungen bzw. betreibt erheblichen Aufwand, um an fehlende Informationen zu
gelangen. Die extreme Variante der substanziellen Rationalität liegt dann vor, wenn die
vom Individuum unterstellten Zweck-Mittel-Beziehungen objektiven Maßstäben genügen
und zudem intertemporal konsistent, somit statisch und unabhängig von Lernprozessen
sind.36 Gepaart mit der Annahme vollständiger Informationen entspricht dies der Prämisse
des klassischen homo oeconomicus. Diese kann durchaus zweckmäßig für eine
Modellierung sein, gilt jedoch als wenig realitätsnah.
Bei der subjektiven Rationalität optimiert ein Individuum seine Entscheidungen
lediglich innerhalb des begrenzten Rahmens der unvollständigen Informationen. Allein aus
der Sicht des Individuums kann die Zweckmäßigkeit der Zweck-Mittel-Beziehung beurteilt
werden (interne Konsistenz, meist gemessen an der Transitivität). In der weit verbreiteten
Variante der beschränkten Rationalität (bounded rationality) verhält sich der Mensch
33 Vgl. Siegenthaler (2005), S. 5. 34 Vgl. Heine/Hirsch et al. (2006), S. 16; Homann/Suchanek (2005), S. 341, 345; Lindenberg (1990), S. 11. 35 Vgl. Homann/Suchanek (2005), S. 362. 36 Vgl. Fritsch/Wein et al. (2007), S. 358; Siegenthaler (2005), S. 3 f.; Simon (1981), S. 111 f.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 13
lediglich als Satisfizierer, der den Transaktionskosten verursachenden Suchprozess nach
der nutzensteigernden Entscheidungsalternative dann abbricht, wenn mit dem (erwarteten)
Ergebnis ein bestimmtes Anspruchsniveau erreicht wird.37 Restriktionen ergeben sich
ferner aus der Schwierigkeit der Antizipation, begrenzten geistigen und körperlichen
Ressourcen und psychologischen Determinanten. Diese Überlegungen wurden von
Friedrich von Hayek, Herbert Simon, Max Weber u. a. angestellt38 und führten zu einer
Distanzierung von der traditionellen ökonomischen Rationalitätsannahme. So nennt
Herbert Simon39 als Grenzen der Rationalität z. B. das unvollständige Wissen und die
Schwierigkeit der Antizipation. Auch der jüngere Forschungszweig der Behavioral
Economics (prominent geworden durch Daniel Kahneman und Amos Tversky, früher
Vertreter z. B. der deutsche Nobelpreisträger und Spieltheoretiker Reinhard Selten) geht
von diesen Prämissen aus.
Viktor J. Vanberg40 differenziert den Rationalitätsbegriff wie folgt: Unter Rationa-
litätsprinzip versteht er die subjektive Konsistenz einer punktuellen Entscheidung eines
Akteurs, welche zum Zeitpunkt der Handlung die subjektiven Präferenzen (Ziele und
verfolgte Zwecke) und die subjektiven Vorstellungen (Theorien über Wirkungszusammen-
hänge) berücksichtigt und in eine absichtsgeleitete Entscheidung mündet. Darüber hinaus
geht die Rationalitätshypothese. Sie besagt, dass über die punktuelle, lokale Entschei-
dung hinaus das Gesamtsystem von Präferenzen und Theorien eines Akteurs in sich
konsistent sein muss und/oder die Realitätsadäquatheit des Gesamtsystems des Akteurs in
Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und faktischen Wirkungszusammenhänge im
Sinn einer objektiven Zweckmäßigkeit gegeben sein muss. Dabei knüpft Vanberg an einem
theoretischen Ansatz des Biologen und Evolutionstheoretikers Ernst Mayr (1991) an, der
bei seiner Modellierung teleonomischer Vorgänge bei höheren Organismen „offene
Programme“ – darunter versteht Mayr informationsbasierte Problemlösungsansätze durch
Lernen, Konditionieren und Erfahrungen - als handlungsleitend herausgestellt hat.41
Niklas Luhmann42 verwendet den Rationalitätsbegriff auf der aggregierten Ebene
der Teilsysteme. Gemäß seiner funktional-strukturellen Systemtheorie, anknüpfend an die
Theorien Talcott Parsons’ (1964), entwickeln soziale und gesellschaftliche Teilsysteme
jeweils ihre eigene Rationalität.43 Folglich sind übergreifend gültige Zweck-Mittel-
37 Vgl. Fritsch/Wein et al. (2007), S. 358 f. ; Simon (1981), S. 30 38 Vgl. Heine/Hirsch et al. (2006), S. 7 f.; Siegenthaler (2005), S. 3 f., 12 f.; Simon (1981), S. 116-121. 39
Vgl. Simon (1981), S. 30 ff. 40 Vgl. Vanberg (2002), S. 3-6. 41 Vgl. Mayr (1991), S. 66; Siegenthaler (2005), S. 7. 42 Vgl. Luhmann (1974), S. 38-48 u. 113-123. 43
Vgl. Luhmann (1974), S. 10
14 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
Beziehungen zu negieren. Die Generalisierung von Verhaltenserwartungen erfolgt
innerhalb des jeweils betrachteten Systems.44
In den 80er-Jahren verbreitete sich das Konzept der Mentalen bzw. Internen Mo-
delle nach Philip Johnson-Laird (1983) und Dedre Gentner/Albert Stevens (1983). Es
drückt im Kerngehalt aus, dass einzelne Akteure, Gesamtheiten oder Gruppen zum einen in
ihrem Selbstbild Annahmen über eigene Eigenschaftsausprägungen und deren
Nebendingungen verfügen und zum anderen in ihrem Weltbild Erwartungen und
heuristische Funktionszusammenhänge besitzen. So entsteht eine durch Framing-Effekte
und kognitive Einflüsse erzeugte „Weltbrille“, ein „internes Modell“, eine „theory in use“.
Das Konzept der Mentalen Modelle erklärt somit Verhaltens- und Eigenschaftsmuster.
Dabei sieht es Lernprozesse vor und lässt somit eine intertemporale Anpassung an situative
Gegebenheiten zu. Ein großer Nutzen der Mentalen Modelle liegt in der Komplexitätsre-
duktion angesichts begrenzter Fähigkeiten und unbegrenzten Wollens.45
Der Verwaltungswissenschaftler Heinrich Reinermann (2000) differenziert zu-
nächst zwischen unterschiedlichen Akteursgruppen im öffentlichen Sektor (Politiker,
Parteien, Wähler, Verbände und Bürokraten), für die allesamt in Anlehnung an Rieger,
Schumpeter und Niskanen das Eigennutz-Axiom unterstellt wird. Sein Rationalitätsbegriff
bezieht sich auf die Interpretationsbreite von Wirtschaftlichkeit: So können politische,
technische, ökologische, medizinische und ökonomische Argumentationsketten zu
unterschiedlichen und dennoch aus Sicht ihrer Vertreter zu gleichermaßen effizienten
Ergebnissen führen. Bernhard Blanke nennt die Realisierung dieses Phänomens die
„Amalgamisierung unterschiedlicher Rationalitäten im Verwaltungshandeln“.46 Ein
Vorläufer dieser Überlegungen ist Paul Diesing, der bereits 1962 zwischen der
technischen, ökonomischen, sozialen, juristischen und politischen Rationalität im Sinn von
Entscheidungslogiken differenziert.47 Gemäß Reinermann hat die politische Rationalität im
öffentlichen Sektor traditionell das stärkste Gewicht. Zur Festigung des NPM-Paradigmas
entwickelt er Handlungsmaximen für Bürokratie und Management als „charakteristische
Konzepte der Bewältigung von Realhandlungen“48 und stellt diese einander gegenüber. Aus
der Überholtheit der Prämissen des Bürokratiemodells - bedingt durch die sich wandelnde
Umwelt und umfangreiche Aufgaben im öffentlichen Sektor bei stagnierenden Budgets -
44 Vgl. Kaufmann (2005), S. 104 ff.; Luhmann (1974), S. 113-123. 45 Vgl. Weber/Gothe et al. (2001), S. 105-111; Bramsemann/Heineke (2004), S. 562. 46 Blanke/Einemann et al. (2005), S. 448. 47 Vgl. Diesing (1962). 48 Reinermann (2000), S. 19.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 15
leitet er normativ das Primat des Management-Paradigmas ab und legitimiert somit NPM.49
1.5.3 Prämissen des Modells der heterogenen Akteursrationalitäten
Zunächst wird das allgemeine konzeptionelle Gerüst des für diese Arbeit entworfenen
Modells dargestellt (Abb. 4):
Abb. 4: Darstellung der Einbettung der Prämissen der heterogenen Akteursrationalitäten in die Makroebene betrieblichen Handelns
Quelle: Eigene Darstellung.
Die Prämissen des Modells der heterogenen Akteursrationalitäten lauten im Einzelnen:
• Alle Akteure unterliegen begrenzten Fähigkeiten (Kognition, Wissen, Informations-
verarbeitung) und unbegrenztem Wollen (Ziele) und sind damit im Gegensatz zum
neoklassischen homo oeconomicus restringiert.
• Es existieren in den Kulturbetrieben die drei Rationalitätskategorien künstlerische,
wirtschaftliche und bürokratische Rationalität, in die sich das gezeigte Verhalten sowie
die geäußerten Argumentationen der Akteure unabhängig von der konkreten Person
einteilen lassen.
49 Vgl. Reinermann (2000), S. 14-22; ähnlich Blanke/Einemann et al. (2005), S. 442 f., 446 ff.;
Tatsächlich gezeigtes Verhalten/geäußerte Argumentation eines Akteurs
Werte und Normen
Einnahme einer bestimmten Rationalität, durch die Nutzensteigerung erwartet wird
Situative Faktoren Betriebskultur
Eigenes Wollen (Ziele)
Eigenes Können (Fähigkeiten)
Erfahrungen und Lernprozesse
Heuristisch zusammen-gefasst im
Modell der
heterogenen Akteurs-
rationalitä-ten
Basis
Restriktion
Externe Einflüsse
Summe aller beobachtbaren Einzelverhalten, determiniert durch Verteilung der Akteursrationalitäten
Andere Akteure
Organisationshandeln und Output
Prallt auf Regelwerk der Institution und beeinflusst
Mi k ro eb en e
Makr oe b e n e
16 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
• Jede Rationalitätskategorie repräsentiert ein prototypisches Set von Zielen, Motiven,
Werten und Normen, die Eigenschaftskomplexe ergeben, welche wiederum Verhal-
tenspattern und Argumentationsmuster von Menschen erklären können. Die drei
Bezeichnungen implizieren keine Gruppenzugehörigkeiten im soziologischen Sinn und
sind nicht als (Wert-)Urteile über bestimmte Berufsgruppen zu interpretieren.
• Die Akteure können – müssen aber nicht – vorsätzlich, opportunistisch oder
mikropolitisch begründet zwischen den Rationalitätskategorien wechseln. Den
Akteuren ist im Rahmen ihrer individuellen Fähigkeiten eine Verhaltensflexibilität,
eine Pluralität und ein Abwägungsspielraum möglich. Es werden somit nicht-
personengebundene Akteurs- und Präferenzkategorien definiert, die im Alltag des
Kulturbetriebs aufeinander stoßen. So können beispielsweise Künstler angesichts ihrer
Erfahrungen aus freiberuflichen Tätigkeiten eine starke wirtschaftliche Rationalität
einnehmen. Ebenso kann ein Geschäftsführer aufgrund persönlicher Sachkenntnis eine
bestimmte Opernproduktion mit künstlerischen Argumenten unterstützen. Die in den
drei Kategorien dargestellten Präferenzen stellen daher keine intertemporalen Präfe-
renzen dar, sondern Präferenzmuster eines Denk- und Handlungsschemas mit dem
begrenzten Gültigkeitsraum einer punktuellen Entscheidungssituation.
• Situative Elemente (konkreter Diskussionsgegenstand, Betriebskultur, Mehrheitsver-
hältnisse, Gruppendynamik) beeinflussen die Wahl der Rationalitätskategorie ebenso
wie Werte, Normen, Lern- und Erfahrungsprozesse jedes einzelnen Akteurs.
• Alle Akteure folgen dem Handlungskalkül der erwarteten Nutzensteigerung durch die
Wahl und durch das Einnehmen einer Rationalität. Wie bewusst oder unbewusst das
Ergreifen einer Rationalität erfolgt, spielt für den Erklärungsgehalt des Modells keine
Rolle. Es ist durchaus möglich, dass zunächst das nutzensteigernde Argumentationser-
gebnis feststeht und anschließend die Wahl für eine kompatible Rationalität getroffen
wird (strategisches Verhalten). Es besteht jedoch eine subjektiv logische Konsistenz
zwischen den Anreiz- und Situationsbedingungen, der vertretenen Rationalität und der
nach außen gezeigten Reaktion bei gleichzeitiger unvollständiger Information hinsicht-
lich der Nutzenerwartungswerte der Handlungsalternativen (bounded rationality), d. h.
Einhaltung des Rationalitätsprinzips nach Vanberg. Das Verhalten der Akteure ist
folglich ökonomisch-rational im Sinn von nicht-willkürlicher Handlungsweise gemäß
subjektiver Rationalität unter Restriktionen. Daher kann grundsätzlich am ökonomi-
Brühlmeier/Haldemann et al. (2001), S. 18 ff.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 17
schen Paradigma festgehalten werden.50
• Entscheidungen in Kulturbetrieben (z. B. bei Planungsprozessen) sind ein Ergebnis der
Verteilung (Menge, Intensität und Macht) der vertretenen Rationalitätskategorien.
• Die Summe der Einzelentscheidungen determiniert den Output des Kulturbetriebs, das
von außen wahrnehmbare Handeln und damit das Ergebnis des latenten Zielkonflikts
zwischen Sach- und Formalzielen.
Dieser Rationalitätsbegriff kann gemäß den Kriterien von Weber/Schäffer/Langenbach51
wie folgt klassifiziert werden:
• Rationalitätssubjekt sind die Handlungen und die vertretenen Positionen der
Individuen.
• Es wird auf die okkasionelle Rationalität im Sinne Spinners als Rationalitätsmaßstab
und Geltungsbereich abgestellt, d. h. bei vertikaler Einzelfallbetrachtung ist die
Handlung in sich rational und konsequent, aber bei horizontalem Vergleich im
Zeitablauf nicht zwingend (sog. prinzipielle Rationalität).
• Der Rationalitätsgrad ist vollständig, d. h. innerhalb der Einzelfallbetrachtung ist von
vollständiger Rationalität auszugehen.
• Das Rationalitätsobjekt ist auf das Vertreten einer Position bzw. Meinung
beschränkt, insofern geht es hier lediglich um eine prozedurale Rationalität.
1.5.4 Konkretisierung der drei heterogenen Rationalitäten im Kulturbetrieb
Im Kulturbetrieb treffen ständig unterschiedliche Berufsgruppen aufeinander, die
voneinander abhängig sind (Künstler, Intendanz, Dramaturgie, Geschäftsführung,
Verwaltung, Technik, Politiker etc.). Folglich kann aus den Interaktionen der Akteure ein
Erklärungsgehalt für die abhängigen Variablen und die Forschungsfrage hervorgehen.
Es wurden drei Rationalitätskategorien mit zugehörigen Merkmalsausprägungen
entworfen, welche als die wichtigsten in Bezug auf die NPM-bezogene Forschungsfrage
erschienen (vgl. Tab. 1). Sie werden auch als intervenierende Variable im Untersuchungs-
design berücksichtigt:
50 Vgl. Heine/Hirsch et al. (2006), S. 20; Heineke (2005), S. 34 ff.; Homann/Suchanek (2005), S. 366 f.,
378. 51 Vgl. Heineke (2005), S. 34 f.; Weber/Schäffer et al. (2001), S. 47.
18 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
Künstlerische Rationalität Wirtschaftliche
Rationalität Bürokratische Rationalität
Ziele/ Spezifische Präferenzen
Kunstausübung auf hohem Niveau Perfektion, Ehrgeiz Ruhm, Reputation, Tarifrechtliche Absicherung
Gewinnerzielung für Betrieb und eigene Person Erschließen von Effizienzen und Potenzialen Stetige Optimierung
Umsetzung von Rechtsvorschriften Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung Kontinuität
Handlungskalkül Individualität Emotionalität
Pragmatismus und Stringenz Aktive Eigeninitiativen Strategisches Denken
Korrektheit Objektivität Sicherheit
Orientierung Künstlerische Ideale Künstlerische Leistung
Gewinnmaximierung Input-Output-Optimierung Wettbewerber und Märkte
Recht- und Ordnungsmä-ßigkeit des Handelns
Selbstbild/ Wertebasis
Dauerhaft gesicherte Daseinsberechtigung begründet durch gesellschaftliche Akzeptanz; daraus resultiert Autarkieempfinden
Unternehmerisches Selbstverständnis; daraus resultiert Freiheitsempfin-den unter Anerkennung von Restriktionen Affinität zum privaten Sektor
Verwaltendes Selbstverständnis; daraus resultiert Bewusstsein für Abhängigkeit von Politik und Parlament; Affinität zum öffentlichen Sektor
Risikoprofil Gemischt Offenheit Experimentierfreude
Risikoaffin Offenheit und Flexibilität Innovationsfreude
Risikoavers Veränderungsvermeidend
Motivation Intrinsisch (Kunst) und extrinsisch (materiell)
Intrinsisch (Selbstver-wirklichung) und extrinsisch (materiell)
Intrinsisch (Pflichterledi-gung) und extrinsisch (materiell, Sicherheit)
Arbeitshaltung Unterordnung des Individuums im Klangkörper möglich
Teamorientierung starke Kommunikation situativ eingesetzte Autorität
Zuständigkeitsdenken Passivität, da Determination durch Systemregeln
Methoden Disziplin und Fleiß Intuition und Inspiration Ästhetik Körperbeherrschung
Management-Instrumente: Marketing, Controlling, Menschenführung, Entscheidungszyklen etc.
Anwendung des öffentlichen Rechts und Verordnungen, standardisierte Verwaltungsvorgänge
Ursachen- zuschreibung
Interne Kausalattribution Interne Kausalattribution Externe Kausalattribution
Betriebl. Zielorientierung
Sachzielorientierung (Kunstmaximierung)
Formalzielorientierung (Ergebnissteigerung)
Neutral Planeinhaltung
Tab. 1: Skizzierung von drei wichtigen Rationalitäten in Kulturbetrieben
Quelle: Eigene Überlegungen und vgl. Knappe (2007), S. 94 ff.; Reinermann (2000), S. 19 f.; Schein (2004), S. 196-201; Süßmair (2000), S. 99 ff.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 19
1.5.5 Zusammengefasste Modellierung
Fügt man die drei Rationalitätskategorien (verkürzt auf die wesentlichen Aussagen) in das
konzeptionelle Gerüst ein, so ergibt sich zusammenfassend folgende Darstellung (Abb. 5):
Abb. 5: Zusammenfassende Darstellung des Modells der heterogenen Akteursrationalitäten
Quelle: Eigene Darstellung.
Das Modell (Abb. 5) wird in seiner Eigenschaft als präempirisches Schema herangezogen.
Dabei werden direkte oder beiläufig enthaltene Informationen in den Aussagen der
Interviewpartner über die Rationalitäten sowie deren Auswirkungen auf die abhängigen
Variablen in der empirischen Untersuchung erfasst und ausgewertet. Es kann jedoch aus
methodischen Gründen nicht das Ziel verfolgt werden, dieses Modell und die drei
Rationalitäten explizit zu testen.
Tatsächlich gezeigtes Verhalten/geäußerte Argumentation eines Akteurs
Einnahme einer bestimmten nutzensteigernden heterogenen Akteursrationalität:
Summe aller beobachtbaren Einzelverhalten, determiniert durch Verteilung der Akteursrationalitäten
Andere Akteure
Organisationshandeln und Output
Prallt auf Regelwerk der Institution und beeinflusst
M i k ro eb en e
M akr oe b e n e
Künstlerische Rationalität
Kunstmaximierung
Emotionalität Autarkieempfinden Leistungs-Affinität
Sachzielorientierung Ehrgeiz und Reputation Materielle Absicherung
Bürokratische Rationalität
Rechtmäßigkeit des
Handelns Objektivität und
Korrektheit Affinität zum
öffentlichen Sektor Standardisierte Vorgänge
Planeinhaltung als Ziel Determination durch
Systemregeln
Wirtschaftliche Rationalität
Unternehmerisches Handeln
Strategisches Denken Affinität zum privaten
Sektor Pragmatismus und Stringenz
Formalzielorientierung Anwendung von
Management-Instrumenten
20 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
1.6 Variablenmodell der empirischen Untersuchung
Abb. 6: Variablenmodell der Untersuchung
Quelle: Eigene Darstellung, Systematik in Anlehnung an Gläser/Laudel (2006), S. 79.
Die Forschungsfrage soll anhand des in Abb. 6 dargestellten Variablenmodells bearbeitet
werden. Die drei betriebswirtschaftlichen Reformelemente des NPM werden als
unabhängige, exogene Variablen eingeführt. Sie wirken ursächlich auf die abhängigen
Variablen ein. Als Wirkung wird der Output der Kulturbetriebe in Form des künstlerischen
und wirtschaftlichen Erfolgs betrachtet (abhängige, endogene Variablen).
Implementierungsprozess (Umsetzung der NPM-Instrumente)
Intervenierende Variablen
Abhängige Variablen
Unabhängige Variablen (Einfluss von NPM-Instrumenten)
Externes Rechnungswesen
(Doppik)
Internes Rechnungswesen
(KLR/Controlling)
Personal- management
(HRM)
Wirtschaftlicher Erfolg
Künstlerischer Erfolg
Kulturpolitik und Kulturverwaltung
Künstlerische Rationalität
Wirtschaftliche Rationalität
Bürokratische Rationalität
Rahmen- bedingungen
Vermittlungsprozess-Variablen
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 21
Der Zusammenhang zwischen den NPM-Reformelementen und dem Output ist
mittelbar. Als weitere Variablenkategorie wird daher die Vermittlungsprozessvariable
„Implementierungsprozess von NPM-Instrumenten“ eingeführt. Dabei ist der Gedanke
leitend, dass aus der Implementierung selbst ein eigenständiger Erklärungsgehalt
hervorgeht, zumal die drei betrachteten Reformstränge externes und internes Rechnungs-
wesen sowie Personalmanagement bei der Umsetzung auf den jeweiligen Betrieb
spezifisch konkretisiert werden müssen. Je nach individueller Konzeption und
Ausgestaltung von NPM-Instrumenten und je nach Verlauf des Implementierungsprozesses
kann die Auswirkung auf die abhängigen Variablen unterschiedlich ausfallen. Nicht zuletzt
um diese Differenziertheit zu ermöglichen, wurde ein qualitativer Forschungsansatz
gewählt.
Intervenierende Variable wirken direkt auf die abhängigen Variablen oder indirekt
über die Vermittlungsprozessvariable. Ihnen gilt kein originäres Erkenntnisinteresse.
Dennoch sind sie zu berücksichtigen, da sie den Output beeinflussen und bei der
Kausalanalyse ggf. auf Hintergrundvariablen weisen können.52 Die drei aufgeführten
Rationalitätskategorien fußen auf dem Modell der heterogenen Rationalitäten (vgl. Kap.
1.5). Die Rahmenbedingungen fokussieren sowohl rechtliche Aspekte (Haushalts-,
Gesellschafts-, Tarifrecht etc.) als auch strukturelle Aspekte (Region, Konkurrenz, Presse
etc. (vgl. Makroebene in Abb. 3). Die intervenierende Variable Kulturpolitik und
-verwaltung beinhaltet Einflüsse der exekutiven und legislativen Staatsgewalt (vgl. Meso-
Ebene in Abb. 3). Die Dimensionen der Variablenmessung werden in Kap. 5.2.1 erläutert.
1.7 Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse
Als empirische Forschungsmethode wurde die qualitative Inhaltsanalyse in Verbindung
mit halbstrukturierten Leitfaden-Experteninterviews gewählt. Die spezifische Ausprägung
der hier angewendeten qualitativen Inhaltsanalyse geht auf Gläser und Laudel zurück,
welche wiederum auf Mayring rekurrieren.53 Die wesentlichen Kennzeichen und
Techniken lauten:54
• Die Analyse erfolgt theoriegeleitet (in diesem Fall NPM in Verbindung mit einer
Variablen-Modellierung des Kulturbetriebs).
52 Vgl. Gläser/Laudel (2006), S. 79 f. 53 Vgl. Gläser/Laudel (2006); Mayring (2007). 54 Vgl. Flick (2007), S. 414; Gläser/Laudel (2006), S. 42 ff.; Mayring (2007), S. 42-46.
22 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
• Es wird ex ante ein Regelsystem erstellt, welches ein systematisches Verfahren zur
Informationsentnahme determiniert und damit die intersubjektive Überprüfbarkeit
herstellt.
• Das Regelwerk beinhaltet ein ebenfalls ex ante zu bestimmendes, einheitliches
Kategoriensystem, in welchem die Analyseziele konkretisiert werden. Sämtliche
extrahierte Informationen werden in dem Kategoriensystem eingeordnet.
• Die Beachtung des Kontextbezugs, ermöglicht durch das Mitführen der Quellenanga-
ben während sämtlicher Auswertungsschritte, verhindert eine Fehlinterpretation durch
losgelöste, isoliert betrachtete Einzelinformationen.
• Es erfolgt eine kritische Methodenreflexion durch die Bewertung mit Gütekriterien.
Die qualitative Inhaltsanalyse eignet sich für die Bewältigung großer Textmengen, da sie
sich bereits im ersten Auswertungsschritt vom Urtext löst, abstrahiert und somit das
Material ohne Informationsverlust reduziert. Varianten der qualitativen Inhaltsanalyse,
welche hier nicht angewendet wurden, sind die Textanalyse mittels Kodierung, das freie
Interpretieren sowie sequenzanalytische Methoden (objektive Hermeneutik, Narrationsana-
lyse).
Es liegt eine qualitativ-rekonstruierende Untersuchung vor. Die Einführung und
Wirkungsentfaltung von NPM-Instrumenten wird somit als zu rekonstruierender
Sachverhalt behandelt. Kausalzusammenhänge im Handlungssystem des Kulturbetriebs
sollen durch bis in die Tiefe von Prozessabläufen reichende Experteninterviews aufgeklärt
werden. Der Erklärungsgehalt für die Beurteilung der Thesen ergibt sich bei den hier
vorliegenden Forschungsfragen aus der differenzierten Analyse der Aussagen. Dabei
werden bei entsprechenden Indizien in der qualitativen Auswertung auch die Randbedin-
gungen, eventuelle Hintergrundvariablen und der Stärkegrad der Kausalitäten erfasst.
Gemäß dem Grundsatz der zu berücksichtigenden Gegenstandsadäquanz der Me-
thodik erschien ein qualitativer Forschungsansatz gegenüber einem quantitativen der
angemessener zu sein. Das Erkenntnisinteresse liegt primär in der vielfältigen und
inhaltlich differenzierten Erforschung der Kausalitäten. Dies ist für das fundierte
Verständnis einer Institution und der Ursachen für die Eignung bzw. Nicht-Eignung der
NPM-Instrumente unabdingbar55.
55 Vgl. Bouckaert/van Dooren (2003), S. 133; Gläser/Laudel (2006), S. 71 f.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 23
Es wurde angestrebt, die Ursachen, Bedingungen und die von den Experten geschilderten
Hintergründe zu erfassen, um – soweit möglich – verallgemeinerbare Aussagen abzuleiten.
Ferner verfolgen die fokussierten NPM-Instrumente teilweise qualitative Ziele
(Wirklichkeitsnähe, Nachhaltigkeit, Transparenz, Steuerungsrelevanz, vgl. Kap. 4), deren
Modellierung in quantitative Größen schwierig erschien (Problematik der Konstruktvalidi-
tät56).
1.8 Effektivitäts- und Effizienzkriterien
Das in der NPM-Literatur verbreitete Vierebenen-Konzept zur Bewertung und Steuerung
von Verwaltungshandeln nach Budäus, welches wiederum auf Buschor rekurriert, sowie
das 3-E-Modell zur Wirkungsorientierung dienen als Ausgangspunkte der Überlegungen
zu den in dieser Arbeit verwendeten Effizienzkriterien. Beide Modelle sind weitgehend
kongruent57 und werden in nachfolgender Abb. 7 vereinigt:
Abb. 7: Beurteilungskriterien im öffentlichen Sektor nach Budäus, Schedler u. a.
Quelle: In Anlehnung an Budäus (1998), S. 59; Buschor/Schedler (1994), S. XIII f.; Schedler/Proeller (2006), S. 76.
56 Vgl. Schnell/Hill et al. (2005), S. 156 ff. 57 Budäus differenziert zwischen Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Da die gängige ökonomische Literatur
diese Begriffe gleichsetzt, wird hier abweichend zu Budäus gemäß dem 3-E-Modell die Economy (Sparsamkeit) eingeführt, welche inhaltlich das umfasst, was Budäus mit Wirtschaftlichkeit bezeichnet (sparsamer Mitteleinsatz), vgl. Budäus (1998), S. 60.
Effektivität (Zielebene)
Effizienz (Maßnahmenebene)
Economy (Mittelebene)
Ordnungs-mäßigkeit
Zielvorgaben
Input
Herstellungs prozess
Output
Outcome
24 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
Den Konzepten liegt nachfolgend beschriebene Wirkungskette zu Grunde58 (vgl. auch Kap.
3.4.1): Zunächst werden politische Ziele definiert. Zur Erreichung der Ziele wird ein
Mitteleinsatz (Input) beschlossen. Dieser mündet in einen Herstellungsprozess, aus dem
unmittelbar Leistungen (Output) hervorgehen. Der Output generiert mittelbar individuelle
und gesellschaftliche Wirkungen und Nutzen (Outcome).59 NPM fordert eine stärkere
Orientierung an den Wirkungen, welche möglichst effizient und effektiv erreicht werden
sollen, im Gegensatz zur traditionell im öffentlichen Sektor verankerten Input- und
Ordnungsmäßigkeits-Orientierung.60
Aus dem Vierebenen-Konzept und dem 3-E-Modell ergeben sich vier Beurteilungs-
kriterien für Allokationen im öffentlichen Sektor (vgl. Abb. 7):
1. Zielebene (Effektivität): Verhältnis von Zielerreichung (Outcome) zu Zielvorgabe
2. Maßnahmenebene (Effizienz): Verhältnis von Output zu Input
3. Mittelebene (Economy): Verhältnis von Ist-Kosten zu Soll- bzw. Standardkosten
4. Ordnungsmäßigkeitsebene: Einhalten der gesetzlichen Vorschriften
Das erste Kriterium, Effektivität, liegt in der Verantwortung der Meso-Ebene (vgl. Abb.
3), insbesondere der legislativen Gewalt mit Unterstützung durch die exekutive Gewalt.
Weil sich diese Arbeit auf die Mikro-Ebene der Kulturbetriebe konzentriert und die
Messung des Outcomes (z. B. Umwegrentabilitäten61, Bildung, Freizeitangebot,
Bürgerzufriedenheit, Reputation) im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann,
wird auf die Beurteilung von Effektivität der Kulturbetriebe verzichtet.
Die zweite und dritte Ebene sind die zentralen Kriterien dieser Untersuchung: All-
gemein stellt Effizienz bzw. Wirtschaftlichkeit62 auf die Relation von Leistungsoutput
und Ressourceninput ab.63 Wirtschaftlichkeit gilt gesetzlich und damit verbindlich als zu
prüfender Grundsatz für alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung in sämtlichen Phasen
58 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 219 f.; ähnlich auch bei Bouckaert (2006), S. 120 f. 59 Einige Autoren differenzieren zusätzlich zwischen Impact (individueller Nutzen) und Outcome
(gesellschaftliche Folgewirkungen), vgl. Kap. 3.5.1. 60 Vgl. Haiber (1997), S. 12. 61 Unter Umwegrentabilitäten versteht man positive externe Effekte, welche die Wohlfahrt anderer
Wirtschaftssubjekte steigern, jedoch beim Verursacher nicht gleichermaßen wirtschaftlich kompensiert werden. Im Fall der Kulturbetriebe besteht der Output zunächst in der Kulturproduktion an sich. Jedoch werden zusätzliche ökonomische Wirkungen ausgelöst: u. a. eine Belebung der Nachfrage bei Lieferanten und Dienstleistern, im Tourismus, der Gastronomie, Beschäftigung sowie eine Standortattraktivitätsstei-gerung der Stadt - letztlich also einen Nutzenzugewinn für Bürger und die lokale Wirtschaft, welcher über die Produktion und den Besuch von kulturellen Veranstaltungen hinausgeht. Diese indirekten Effekte aus Umwegrentatbilitäten werden auch zur Legitimation der öffentlichen Bezuschussung des Kultursektors argumentativ herangezogen, vgl. DIW (2002), S. 16, 19 u. 53f.; Knappe (2007), S. 34.
62 Im Gegensatz zu Budäus setzen viele Autoren Effizienz mit Wirtschaftlichkeit gleich, vgl. Brede (2005), S. 208; Schedler/Proeller (2006), S. 76; vgl. auch Wirtschaftlichkeitsdefinitionen für den kommunalen Leistungsvergleich bei Adamaschek (1997), S. 61.
63 Vgl. Haiber (1997), S. 38; Simon (1981), S. 202; Wöhe/Döring (2000), S. 1.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 25
der Aufgabenerfüllung.64 Angesichts der Mittelknappheit zur Befriedigung der Bedürfnisse
ist sie bei einer rationalen Alternativenauswahl eine bedeutende ökonomische Betrach-
tungsgröße.65 Dabei steht aus Sicht des Gesetzgebers das Minimalprinzip im Vordergrund,
d. h. das Erreichen eines vorgegebenen Outputs mit minimalem Mitteleinsatz.66
Die dritte Ebene, Economy bzw. Sparsamkeit, zielt auf einen minimalen Ressour-
ceneinsatz (Input) ab.67 Diese Ebene steht in Zusammenhang mit der Effizienz-Ebene:
Wenn sich die Economy erhöht, steigt c. p. die Effizienz, da der unveränderte Output mit
geringerem Input erreicht wird. Da öffentliche Theater und Orchester in erheblichem
Umfang auf Zuwendungen als größte Bestandteile ihres Inputs angewiesen sind, wird der
hohen Bedeutung dieses Teilziels durch eine explizite Darstellung Rechnung getragen.
Effizienz und Economy können sowohl mengen- als auch wertmäßig betrachtet und
beurteilt werden. Die Interdependenzen zwischen Wert- und Mengengerüst und Einflüsse
durch Preisentwicklungen bzw. Inflation mit entsprechenden Folgen für die Messung und
Beurteilung stellen jedoch keine Besonderheit im öffentlichen Sektor dar und werden
daher nicht weiter thematisiert.
Die Effektivität ist prinzipiell unabhängig von der Effizienz. Jedoch kann eine
steigende Effizienz mittelbar dazu führen, dass entweder aus einem höheren Output ein
höherer Outcome oder bei konstantem Output ein geringerer Input resultiert. Folglich
stehen im Rahmen einer übergreifenden Opportunitätsbetrachtung mehr Ressourcen zur
Verfügung, um zusätzliche politische Ziele zu erreichen, oder die Steuerbelastung zu
senken. Somit ist die Bemühung um die Erhöhung von Effizienz (und Economy) auch ein
indirekter Beitrag zur Steigerung der Effektivität im gesamten öffentlichen Sektor.
Die Effizienz ist in der Dann-Komponente der Hauptthese und einiger Unterthesen
dieser Arbeit enthalten. Die Economy wird dabei unter Effizienz subsumiert. Bei den
betrachteten Kulturbetrieben wird eine Effizienzsteigerung dann erreicht, wenn z. B.:
• Auf der Mengenebene mehr Aufführungen und/oder mehr Besuche aus einer
konstanten Zuwendung generiert werden.
• Steigende Eigenerlöse zu verringerter Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln führen
(Erhöhung der Einspielquote).
• Die öffentliche Bezuschussung gemessen am einzelnen Besuch sinkt.
64 Vgl. § 6 Abs. 1 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG); Konkretisierung in § 7 Abs. 1 Bundeshaushaltsord-
nung (BHO). Somit könnte Wirtschaftlichkeit in einer weiten Interpretation auch unter Ordnungsmäßig-keit subsumiert werden.
65 Vgl. Kirchgässner (2000), S. 12-15. 66 Vgl. Verwaltungsvorschrift (VV) zu § 7 BHO; Haiber (1997), S. 38; Schmidt (2006), S. 46; Wöhe/Döring
(2000), S. 1. 67 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 76.
26 1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen
• Preis- und Lohnerhöhungen aus eigener Kraft der Kulturbetriebe bewältigt werden
können.
• Die Qualität des künstlerischen Angebots bei konstanter Zuwendung steigt, indem
z. B. freigewordene Ressourcen in den künstlerischen Output (Einladung renommierter
Solisten etc.) gelenkt werden.
• Die Qualität des künstlerischen Angebots bei sinkender Zuwendung nicht abnimmt.
Die Effizienzmessung zur Beurteilung der Thesen erfolgt im empirischen Teil anhand der
Aussagen der Interviewpartner (vgl. auch Ausführungen zur Validität in Kap. 5.3.3). Dabei
wird nicht das Ziel verfolgt, Effizienzentwicklungen exakt zu quantifizieren, was sich
anhand vielschichtiger Interdependenzen in Bezug auf die Erfolgsvariablen ohnehin sehr
schwierig gestalten würde.
Da es zum Auftrag und zur Existenz der Kulturbetriebe gehört, auch qualitative
Ziele zu verfolgen, ist es legitim, dass diese gleichberechtigt neben wirtschaftlichen Zielen
als eine mögliche Output-Komponente bei der Erhebung berücksichtigt werden. Der
quantitative Output wird in der abhängigen Variable „Wirtschaftlicher Erfolg“ erfasst, der
qualitative Output in der abhängigen Variablen „Künstlerischer Erfolg“. Bislang ist keine
allgemein anerkannte Lösung der Messproblematik von Sachzielen und künstlerischer
Qualität gefunden worden,68 zumal eine Objektivierung und Validierung von externen
Output-Messungen selbst im quantitativen Bereich schwierig ist.69 In dieser Untersuchung
fließen qualitative Outputs in der Weise in die Auswertung ein, dass die Aussagen der
Experten, damit der Insider, über künstlerische Entwicklungen der Theater und Orchester
herangezogen werden. Für die Beantwortung der Forschungsfrage ist die relative
Entwicklung innerhalb einer Zeitspanne bei den einzelnen Häusern der Stichprobe von
Bedeutung, jedoch keine vergleichende Betrachtung, welche problematische absolute
Messungen erfordern würde. Daher schlägt die konzeptionelle Schwierigkeit der
Qualitätsmessung weniger zu Buche.70 Ein künstlerischer Erfolg und damit eine steigende
Qualität des Outputs werden im Rahmen dieser Untersuchung dann angenommen, wenn
ein Interviewpartner beispielsweise äußert, dass innerhalb eines Zeitraums:
68 Vgl. Ossadnik (1987a), S. 146 f., 156 f. Bereits die Definition des künstlerischen Auftrags als zu
erreichendes Sachziel und damit eine qualitative Konkretisierung des Output-Ziels wird aufgrund von Subjektivismen und verschiedener Kunstbegriffe als unrealistisch eingeschätzt, vgl. Ossadnik (1987), S. 283.
69 Vgl. Bouckaert (2006), S. 125-129; Buschor/Schedler (1994), S. 111-115, 190-194. 70 Sie besteht vielmehr darin, dass die Aussagen und Urteile der Experten bezüglich künstlerischer Qualität
nicht intersubjektiv überprüft werden können, z. B. hinsichtlich der Attraktivität des Spielplans, vgl. auch Ausführungen zu den Gütekriterien Kap. 5.3.
1. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen 27
• die Klang- und Aufführungsqualität steigt,
• die Spielplangestaltung attraktiver wird,
• Presse und Expertenzirkel positivere Urteile fällen,
• mehr Uraufführungen und Premieren stattfinden und
• künstlerische Ziele erreicht werden, etwa die Bewältigung schwieriger oder groß
besetzter Werke, die zuvor nicht möglich waren.71
Die Ordnungsmäßigkeit, das vierte Kriterium, geht durch die intervenierende Variable
„Rahmenbedingungen“ in die Auswertung ein. Hier wird zu untersuchen sein, ob und ggf.
inwiefern Restriktionen aus zwingenden Vorschriften die Effizienz und den Erfolg
beeinflussen.
71 Vgl. auch Ossadnik (1987a), S. 147.
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 29
2 Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
2.1 Charakterisierung der Theater und Orchester
2.1.1 Einführung
Ein wesentlicher Bestandteil des Bühnenlebens der Bundesrepublik Deutschland besteht
aus den 143 öffentlich getragenen Theatern mit insgesamt 826 Spielstätten, in denen
293.838 Sitzplätze verfügbar sind. In der Spielzeit 2006/07 wurden:
• 63.652 Veranstaltungen angeboten,
• die von 20,9 Mio. Gästen besucht wurden,
o davon 5,5 Mio. bei Schauspielen,
o 4,4 Mio. bei Opernaufführungen,
o 2,5 Mio. bei Kinder- und Jugendtheateraufführungen,
o 1,5 Mio. bei Konzerten,
o 1,4 Mio. bei Balletten,
o 1,2 Mio. bei Musicals,
o 0,7 Mio. bei Operetten,
o 0,5 Mio. beim theaternahen Rahmenprogramm,
o 1,6 Mio. bei sonstigen Aufführungen.
Bei auswärtigen Gastspielen wurden keine Besucherzahlen erhoben.
Neben den 143 Theatern mit 69 integrierten Kulturorchestern existieren noch 53
selbständige Kulturorchester und 14 Rundfunkorchester. In Summe ergeben sich somit 136
deutsche Orchester mit 10.168 Musikern, welche in 6.846 Konzerten etwa 4,2 Millionen
Zuhörer erreicht haben.72 Hinzukommen noch Privattheater, insbesondere Musicals,
Festspiele und Festivals. In dieser Arbeit lag der Schwerpunkt bei den öffentlich
getragenen Aufführungskünsten; die Grundgesamtheit der empirischen Untersuchung
besteht aus den Theatern und selbständigen Kulturorchestern. Ebenso wenig werden
Museen, die Filmkunst und Bibliotheken bei den Ausführungen und der Empirie explizit
berücksichtigt.
Die Zielsetzung und Aufgaben der Kulturbetriebe ergeben sich einerseits inter-
temporal aus Satzungen, Gesellschaftsverträgen, Gründungsgesetzen etc. und andererseits
aus Zuwendungsverträgen mit den Trägern, in denen Leistungsziele vereinbart werden
können, z. B. Anzahl von Aufführungen in den einzelnen Sparten oder an bestimmten Orten.
72 Vgl. Deutscher Bühnenverein (2007), S. 253-261; Unvollständige Daten der Rundfunkorchester in der
Quelle bedingen geringere Anzahl der Besuche als real geschehen.
30 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
2.1.2 Einordnung in den öffentlichen Sektor
Zunächst werden die öffentliche Verwaltung und öffentliche Unternehmen in ihren groben
Charakteristika den privatwirtschaftlichen Unternehmen gegenübergestellt (Tab. 2):
Öffentliche Verwaltung Öffentliche Unternehmen Privatwirtschaftliches
Unternehmen
Rechtlich unselbständige Verwaltung, Regie- oder
Hoheitsbetriebe, wirtschaftlich und rechtlich Bestandteil
übergeordneter Strukturen
Öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Körperschaft, wirtschaftlich eigenständig
handelnd, jedoch abhängig von öffentlichen Zuwendungen
Unabhängige privatrechtliche Körperschaft,
ohne öffentliche Zuwendungen überlebensfähig
Quantitative und qualitative Sach- und Leistungszielerrei-
chung/Erfüllung der gesetzlichen Pflichten
Quantitative und qualitative Sach- und Leistungszielerreichung
Dominante Formalziele wie Gewinnerzielung und Wachstum
als Haupttriebskraft
Trägt durch Vorbereitung, Vollzug und Kontrolle politischer Entscheidungen auch zum
Staatszweck bei
wohlfahrtsstaatliche Versorgung/öffentlicher Auftrag
Erfüllt keine expliziten Funktionen für den Staat
Tendenz zur Reduktion des Angebots
Branchenspezifische Differenzen Marktwachstum, Angebotsauswei-tung
Steuern, Beiträge, Gebühren Eher marktunabhängige Umsatzerlöse, Zuwendungen etc.
Marktabhängige Umsatzerlöse als alleinige Einnahmequelle
Kollektive Bedarfsdeckung Staat und Privatpersonen als Hauptabnehmer
Privatwirtschaft und Privatpersonen als Hauptkäufer
Budgetmaximierung als verbreiteter Motivator
Strategisches Management und Kostensenkung als Erfolgsfaktoren
Politisch-bürokratisch-juristisch-ökonomischer Rationalitäten-
Mix, keine eindeutigen Ziel-Mittel-Ketten und „verfilztes
Zielsystem“; Ziele extern definiert
Ökonomische Rationalität und
damit implizite Zielvorgabe
Begrenzter Autonomiegrad und geringe Handlungsspielräume
der Leitung
Relativ hoher Autonomiegrad und große Handlungsspielräume
der Leitung
Strukturen nach organisations-theoretischen, aber auch
demokratietheoretischen Gesichtspunkten aufgebaut
Strukturen vorwiegend nach organisationstheoretischen Gesichtspunkten aufgebaut
Kein Marktdruck, gesetzlich vorgegebener Bestandsschutz
Je nach Betriebskultur und
Einzelfallgegebenheiten eine
Mischung zwischen
privatwirtschaftlichen und
öffentlich-rechtlichen
Charakteristika
Hoher Wettbewerbsdruck; kein Bestandsschutz
Komplexe interdependente Verantwortungsstrukturen mit Abhängigkeit von Stakeholdern,
deren Vorgaben sich häufig ändern
Aufsichtsgremien, politische Aufsichtsbehörden stehen
neben/über betrieblicher Geschäftsführung
Klare, einfache, meist unipersonale Verantwortlichkei-
ten
Tab. 2: Strukturelle und inhaltliche Unterschiede zwischen privatwirtschaftlicher Unternehmung und öffentlichem Sektor
Quelle: Haiber (1997), S. 12 ff.; Reichard (1998), S. 57 ff.; Schäfer (1999), S. 1104f.; Schedler/Proeller (2006), S. 15 ff.
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 31
In der Spielzeit 1994/95 waren noch 59 % aller Theaterbetriebe als Regiebetrieb
konstituiert und konnten somit mehrheitlich in der Eigenschaft als rechtlich unselbständi-
ge, nachgeordnete Einrichtungen bzw. städtische Ämter der öffentlichen Verwaltung
zugeordnet werden. Dieser Anteil hat kontinuierlich abgenommen: 2006/07 waren nur
noch 26 % aller Theater als Regiebetrieb, dafür 32 % als GmbH, 20 % als Eigenbetrieb,
22 % in sonstigen Rechtsformen konstituiert.73 Somit ist für die Theater eine Entwicklung
von der öffentlichen Verwaltung hin zu selbständiger agierenden öffentlichen Unterneh-
men festzustellen.
2.1.3 Einnahmestrukturen der Theater
In den 143 deutschen Theatern wurden in der Spielzeit 2006/07 eigene Einnahmen von 438
Mio. € erwirtschaftet, die durch 2.076 Mio. € öffentliche Mittel ergänzt wurden, um die
Gesamtausgaben in Höhe von 2.548 Mio. € zu decken. Jeder Theaterbesuch wurde somit
durchschnittlich mit 101,75 € bezuschusst.74
Aus der Aggregation der statistischen Daten sämtlicher deutscher Bühnen ergeben
sich nachfolgend dargestellte durchschnittliche Einnahmeproportionen (Abb. 8):
Abb. 8: Relative Einnahmestrukturen der deutschen Theater in der Spielzeit 2006/07 Quelle: Eigene Darstellung. Daten aus Deutscher Bühnenverein (2007), S. 257 ff., vgl. absolute Werte und
Aggregationen im Anhang 1.
73 Vgl. Deutscher Bühnenverein (2007), S. 253; Für die Orchester liegt keine vergleichbare aggregierte
Statistik vor, eine ähnliche Entwicklung ist jedoch wahrscheinlich. 74 Vgl. Deutscher Bühnenverein (2007), S. 257 ff.
Vollpreiskarten7%
Abonnements2%
Sonstige Kartenerlöse
2%
Fremdveran-staltungen
2%
Gastspiele1%
Programmverkauf0%
Garderobe0% Medienerlöse
0%
Spenden und Sponsoring
1%
Sonstiges3%
Öffentliche Zuweisungen
84%
32 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
Vollpreiskarten41%
Abonnements13%
Sonstige Kartenerlöse
11%Fremdveran-
staltungen2%
Auswärtige Gastspiele
8%
Programm-verkauf
1%
Garderobe2%
Medienerlöse0%
Spenden und Sponsoring
5%
Sonstiges17%
Die wichtigste Kennzahl für die wirtschaftliche Effizienz, das Einspielergebnis (Anteil der
selbst erwirtschafteten Erlöse an den Gesamtausgaben) liegt im Bundesdurchschnitt bei
18,0 %.75 Betrachtet man nur die selbst erwirtschafteten Erlöse, so ergibt sich folgende
Zusammensetzung (Abb. 9):
Abb. 9: Zusammensetzung der selbst erwirtschafteten Einnahmen der deutschen Theater in der Spielzeit 2006/07
Quelle: Eigene Darstellung. Daten aus Deutscher Bühnenverein (2007), S. 257 ff., vgl. absolute Werte und Aggregationen im Anhang 1.
2.1.4 Ausgabestrukturen der Theater
Die Ausgabestruktur ist von dem hohen Personalkostenanteil in Höhe von 74 % der
Gesamtkosten, geprägt.76 Dabei ist zu beachten, dass in den sächlichen Betriebsausgaben
zusätzlich noch Anteile für Personaldienstleistungen enthalten sein können (Reinigung,
Garderobiere, Einlass, Kantine, Telefondienste, Pforte, sonstige Fremdvergaben), somit die
tatsächliche Personalintensität vermutlich noch höher als 74% liegt.77 Es vermittelt sich
folgendes Bild (Abb. 10):
75 Ebenda, S. 259. 76 Ebenda (2005), S. 241. 77 Vgl. Mertens (2005), S. 14.
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 33
Sonstiges4%
Geräte,Ausstattungen
1%
Grundstücke, Gebäude, Anlagen
4%
Gastspiele1%
Abschreibungen3%
Finanzierung, Zinsen2%
Sächliche Betriebsausgaben
9%
Bauaufwand2%
Personal74%
Leitung4%
Orchester15%
Chöre7%
Sänger4%
Schauspieler5%
Nicht darstld. künstl. Personal
7%
Tänzer3%
Künstl.-techn. Personal
32%Unständiges Personal
12%
Verwaltung, Hauspersonal,
Vertrieb8%
Sonstige Personalkosten
3%
Abb. 10: Relative Ausgabestrukturen der deutschen Theater in der Spielzeit 2006/07
Quelle: Eigene Darstellung. Daten aus Deutscher Bühnenverein (2007), S. 258 f. (vgl. absolute Werte und Aggregationen im Anhang 2). Geringfügige Abweichungen ergeben sich aus Differenzen in den Quelldaten
zwischen Einzelwerten und Summierungen.
Der umfangreiche Personalkostenanteil setzt sich wie folgt detailliert zusammen (Abb. 11):
Abb. 11: Relative Personalkostenstrukturen der deutschen Theater in der Spielzeit 2006/07
Quelle: Eigene Darstellung. Daten aus Deutscher Bühnenverein (2007), S. 258 f., vgl. absolute Werte und Aggregationen im Anhang 2. Vgl. ergänzend langfristige Ausgabestrukturen im Personalbereich bei Greve
(2002), S. 87.
34 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
In den 143 öffentlichen Theatern waren am 1.1.2007 insgesamt 38.260 Menschen ständig
und sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon 16.744 in den künstlerischen
Ensembles, 12.463 im technischen und künstlerisch-technischen Bereich, 3.164 in
Verwaltung, Hauspersonal und Vertrieb, 995 in der Leitung sowie 850 Auszubildende.
Hinzukommen 8.229 unständige produktionsbezogene Gastverträge, 3.497 Abendgäste
und 6.487 Werkverträge.78
Die hohe Personalintensität ist ein Wesensmerkmal des Theaterbetriebs.79 Es kann
gemäß Abb. 11 davon ausgegangen werden, dass bis zu 88% der Personalkosten fix sind,
d. h. unabhängig von der Ausbringungsmenge (Output). Die frei disponiblen künstleri-
schen Budgets und damit direkt zuordenbaren Einzelkosten für Inszenierungen befinden
sich in den Ansätzen für unständiges Personal (Abendgäste, Solisten, Aushilfen,
Werkverträge, Gastregisseure und -dirigenten etc.) sowie in den sächlichen Betriebsausga-
ben (Materialkosten für Bühnenbildner, Ausstattungen, Urheberrechtsabgaben etc.). Aus
den Proportionen wird deutlich, dass zur Refinanzierung einer 1 %-igen Steigerung der
Personalkosten die selbst erwirtschafteten Erlöse um ca. 4 % steigen müssten. Unterstellt
man, dass über zehn Jahre hinweg Tarifabschlüsse von 2,5 % stattfinden, so müssten sich
c. p. in diesem Zeitraum die eigenen Einnahmen verdoppeln, um bei vollem Substanzerhalt
ohne Erhöhung der Zuwendungen auszukommen. Da jährliche Preissteigerungen bei
Kartenerlösen etc. in der Größenordnung von 10 % nicht realistisch zu erzielen und
vermutlich auch kulturpolitisch schwer zu begründen sind, zeigt sich zum einen die starke
Abhängigkeit von öffentlicher Bezuschussung80 und zum anderen die Relevanz der
Forschungsfrage nach Effizienzsteigerungen aus anderen Quellen.
2.2 Auswertungen der Theaterstatistik
In den folgenden Unterabschnitten wird die Entwicklung der Jahre 1995-2007 der
wichtigsten Input-, Output- sowie Effizienz- und Economy-Kennzahlen (vgl. Ausführun-
gen zu den Beurteilungskriterien in Kap. 1.6) sämtlicher deutscher Theater und Orchester
aufgeführt.81 Dies dient zum einen der Feststellung übergeordneter Entwicklungsverläufe
in diesem Sektor, zum anderen der treffsichereren Kausalattribution und Validitätssteige-
rung der empirischen Untersuchungsergebnisse. Der zeitliche Bezug der Auswirkungen der
in den Interviews abgefragten NPM-Instrumente sowie die Entwicklung der abhängigen
Erfolgsvariablen stimmt weitgehend überein (vgl. insbesondere Fragen 7, 53, 54, s. Anhang 3).
78 Vgl. Deutscher Bühnenverein (2007), S. 256. 79 Vgl. Ossadnik (1987), S. 279. 80 Vgl. Mertens (2005), S. 14.
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 35
Die Jahresangaben der nachfolgenden Tabellen und Grafiken sind so zu interpretieren, dass
Bestandsgrößen am 1.1. des jeweiligen Jahres gemessen wurden (z. B. Anzahl Theater,
Personal in Stellen). Stromgrößen beziehen sich auf die Spielzeit, welche im Vorjahr
beginnt und im angegebenen Jahr endet (z. B. Veranstaltungen in Jahresspalte 2007 =
Summe der Veranstaltungen vom 1.8.2006 bis zum 30.7.2007). Als Datenquelle dienten
die Summentabellen der publizierten Theaterstatistiken des Deutschen Bühnenvereins der
Spielzeiten 1994/95 bis 2006/0782, welche in eigenen Rechnungen verarbeitet wurden. Im
Jahr 2003/04 fand eine Überarbeitung und Erweiterung der statistischen Systematik statt,
so dass eventuelle Veränderungen und Nicht-Angaben zu diesem Zeitpunkt auf
Definitionsänderungen etc. zurückzuführen sind.
Bei den Orchestern wird abweichend ein späteres Bezugsjahr für die relative Be-
trachtung gewählt, weil zwischen den Spielzeiten 1994/95 und 1995/96 erhebliche
Schwankungen bei vielen Kennzahlen vorliegen, jedoch unmittelbar anschließend eine
deutliche Beruhigung der Werte einsetzt. Ohne diese Anpassung hätte bereits das erste
Betrachtungsjahr die relative Darstellung über sämtliche Folgejahre erheblich verzerrt.
2.2.1 Rechtsformen der Theater
In den betrachteten Jahren 1995 bis 2007 hat sich eine starke Entwicklung zur rechtlichen
Verselbständigung von Kulturbetrieben und Herauslösung aus den hoheitlichen
Verwaltungen abgezeichnet. Der Anteil der nicht rechtsfähigen Regiebetriebe hat sich in
diesem Zeitraum mehr als halbiert und wurde mengenmäßig 2005 von der GmbH
eingeholt. Auch die sonstigen Rechtsformen sind neben der GmbH stetig gewachsen,
insbesondere durch Eigenbetriebe und Stiftungen (vgl. Tab. 3).
81 Vgl. dazu im Folgenden auch eine ältere Auswertung bei Wegner (1999), S. 119-149. 82 Vgl. Deutscher Bühnenverein (1995 bis 2007).
19
95
1996
19
97
1998
19
99
2000
20
01
2002
20
03
2004
20
05
2006
20
07
Reg
iebe
trie
be
92
83
77
73
71
71
66
65
65
k. A
. 43
42
37
Gm
bH
32
34
36
39
39
40
40
42
43
k. A
. 45
44
46
e.V
. 8
8 8
8 8
8 8
8 8
k. A
. 6
6 5
Zw
eckv
erba
nd
9 7
9 9
9 9
9 9
8 k.
A.
6 6
5
Sons
tige
15
22
22
23
25
25
27
27
26
k.
A.
43
43
47
Sum
me
The
ater
betr
iebe
15
6 15
4 15
2 15
2 15
2 15
3 15
0 15
1 15
0 14
9 14
5 14
3 14
3
Tab
. 3:
Ver
teilu
ng d
er R
echt
sfor
men
in d
en d
euts
chen
The
ater
n, v
gl. D
euts
cher
Büh
nenv
erei
n (1
995
bis
2007
)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
Rel
ativ
e H
äufi
gke
it d
er R
ech
tsfo
rmen
un
ter
den
deu
tsch
en T
hea
tern
0%10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
9596
9798
9900
0102
0304
0506
07
Jah
r
Reg
iebe
trieb
Gm
bH
e. V
.
Zwec
kver
band
Son
stig
e (u
. a.
Eig
enbe
trieb
,S
tiftu
ng)
36 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstand
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 37
2.2.2 Mengenmäßige Entwicklung von Output und Personalbestand
Bei den Theatern lässt die steigende Anzahl von Veranstaltungen und das noch stärker
steigende Repertoire an Inszenierungen bei gleichzeitig abnehmender Zahl von
Theaterbetrieben auf eine steigende Programmvielfalt schließen. Zudem ist jedoch eine um
9,1 % rückläufige Besucherzahl im relevanten Zeitraum zu beobachten, was evtl. auf eine
abnehmende Anzahl der Theaterbetriebe von 156 auf 143 zurückgeführt werden kann
(- 8,3 %). Die Personalkapazitäten entwickeln sich langfristig parallel zu den rückläufigen
Besucherzahlen; diesbezüglich ist die Economy mengenmäßig im Verhältnis zu den
Besuchen konstant geblieben bzw. im Verhältnis zu den Veranstaltungen gestiegen. Die
Output-Effizienz hat sich insofern erhöht, als dass mit geringeren personellen Mitteln ein
mengenmäßig umfangreicheres kulturelles Angebot geschaffen wurde. Dieses wurde
jedoch - gemessen an absoluten und relativen Besuchszahlen - rückläufig frequentiert. Im
betrachteten Zeitraum ist die Anzahl der bedienten Spielstätten trotz der erwähnten
Theaterschließungen um 32,4 % auf 826 Orte gestiegen, das offerierte Platzangebot um
21,7 % auf 293.838 Plätze (statisch in Bezug auf die Summe der Spielstätten, d. h. ohne
Berücksichtigung der Verteilung der Veranstaltungen auf die Spielstätten als p. a.
angebotene Verkaufskarten). Dies kann als ein Bemühen der Kulturbetriebe um attraktive
und vielfältige Spielorte sowie um die Nähe zum Publikum interpretiert werden. Die
steigende Anzahl von Veranstaltungen bei sinkenden Besuchszahlen lässt als Nebeneffekt
dieser Angebotsdiversifizierung auf eine abnehmende Auslastung der Raumkapazitäten
schließen. Da unter den 826 Spielstätten jedoch viele nur gelegentlich bespielte
Sonderbühnen (Freiluftbühnen, Innenhöfe, Schlösser, Kirchen etc.) enthalten sind, wäre es
verfrüht, aus diesem Befund auf eine sinkende Auslastung der Hauptstandorte der 143
Theater zu schließen. Hierzu erlauben die Daten der Theaterstatistik keine Aussage.
Eine sinkende Anzahl von Theatern erzeugte mit reduzierten Personalressourcen in
den vergangenen 13 Jahren einen steigenden Output, gemessen an Veranstaltungen,
bedienten Spielstätten und Repertoire. So hat sich z. B. der mengenmäßige Veranstaltungs-
Output pro Theater von 433,3 in 1995 auf 489,9 in 2007 erhöht. Insoweit ist die Effizienz
gestiegen. Jedoch ist die Nachfrage gemessen an absoluten Besuchen rückläufig. Die
wichtigste Input-Ressource, das Personal, hat sich mengenmäßig im Vergleich zur
Nachfrage neutral entwickelt, in Bezug auf den Output sind die Effizienz und Economy
jedoch deutlich gestiegen, vgl. zu allen Befunden Tab. 4.
38 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
Für die Gastspiele der Orchester liegen keine durchgängigen Besucherzahlen vor. Somit
beschränken sich die Quoten auf die Besucher am Heimatort. Durch eine Neugliederung
der Statistik zwischen 2004 und 2005 erfährt die Statistik gewichtige Veränderungen: Die
Anzahl der Orchester nimmt um fünf zu, die Zahl der angebotenen Konzerte um 922
Konzerte bzw. 19,2 %, die Besuche verlieren sogar nominal, so dass folglich die relativen
Kennzahlen einbrechen. Langfristig ist vergleichbar zu den Theatern auch bei den
Orchestern zu sehen, dass trotz Personalabbaus (187 Stellen bzw. 4,7 %) eine Output-
Steigerung gemessen an angebotenen Konzerten erreicht wurde (Zuwachs um 721
Konzerte bzw. 14,0 %), vgl. Tab. 5.
Seit der deutschen Wiedervereinigung ist ein starker Personalrückgang zu ver-
zeichnen: Allein in den Kulturorchestern sind zwischen 1992 und 2005 insgesamt 16 % der
Musikerstellen entfallen, in Westdeutschland 6 %, in Ostdeutschland fast 30 %, das
entspricht knapp 2.000 Stellen; die Anzahl der orchestralen Klangkörper reduzierte sich
von 168 auf 135.83
83 Vgl. Mertens (2005), S. 4.
Rel
ativ
e O
utp
ute
ntw
ickl
un
g u
nd
Per
son
alb
esta
nd
in d
euts
chen
Th
eate
rn
85%
90%
95%
100%
105%
110%
115%
120%
9596
9798
9900
0102
0304
0506
07
Jah
r
1995 = 100 %
Ver
anst
altu
ngen
Bes
uche
Per
sona
l (in
Ste
llen)
Insz
enie
rung
en im
Rep
erto
ire
19
95
1996
19
97
1998
19
99
2000
20
01
2002
20
03
2004
20
05
2006
20
07
Anz
ahl T
heat
er
156
154
152
152
152
153
150
151
150
149
145
143
143
Anz
ahl V
eran
stal
tung
en
67.5
91
69.1
59
71.7
85
71.9
18
71.3
11
71.1
00
70.0
55
69.6
32
72.0
96
70.5
60
69.7
78
69.2
38
70.0
58
Bes
uche
23
,1 M
io.
23,0
Mio
.22
,9 M
io.
23,0
Mio
.22
,7 M
io.
22,5
Mio
.22
,3 M
io.
21,7
Mio
.22
,0 M
io.
21,7
Mio
.21
,2 M
io.
20,7
Mio
.21
,0 M
io.
Insz
enie
rung
en
(Rep
erto
ire)
4.
264
4.35
5 4.
415
4.65
6 4.
604
4.71
8 4.
391
4.41
4 4.
539
4.61
6 4.
629
4.64
4 4.
945
Bes
uche
r pr
o V
eran
stal
tung
34
2 33
3 31
8 31
9 31
9 31
6 31
8 31
1 30
6 30
8 30
3 30
0 29
9
Per
sona
l (in
Ste
llen)
42
.162
41
.649
43
.155
42
.785
42
.695
42
.518
42
.103
42
.121
42
.020
38
.607
38
.342
38
.210
38
.260
Per
sona
l (St
elle
n)
in R
elat
ion
zu V
eran
st.
0,62
0,
60
0,60
0,
59
0,60
0,
60
0,60
0,
60
0,58
0,
55
0,55
0,
55
0,55
Tab
. 4:
Abs
olut
e O
utpu
tent
wic
klun
g un
d P
erso
nalb
esta
nd (
Stel
len)
der
deu
tsch
en T
heat
er, v
gl. D
euts
cher
Büh
nenv
erei
n (1
995
bis
2007
)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 39
Rel
ativ
e E
ntw
ickl
un
g d
es O
utp
uts
, der
Bes
uch
er u
nd
des
Per
son
alb
esta
nd
s in
deu
tsch
en O
rch
este
rn
70%
80%
90%
100%
110%
120%
9697
9899
0001
0203
0405
0607
Jah
r
1996 = 100 %
Mus
iker
Kon
zerte
insg
esam
tB
esuc
her a
m O
rtB
esuc
her p
ro K
onze
rt
19
96
1997
19
98
1999
20
00
2001
20
02
2003
20
04
2005
20
06
2007
Anz
ahl O
rche
ster
55
55
55
53
52
50
49
48
48
53
53
53
Kon
zert
e 5.
150
5.04
1 5.
303
5.24
9 4.
810
4.68
6 4.
718
4.83
3 4.
795
5.71
7 6.
043
5.87
1
Bes
uche
r am
Ort
2.
437.
316
2.45
5.95
6 2.
562.
598
2.54
3.90
3 2.
435.
218
2.45
8.53
7 2.
553.
331
2.47
6.98
3 2.
683.
444
2.59
5.21
4 2.
539.
284
2.65
5.98
0
Bes
uche
r je
K
onze
rt a
m O
rt
824
830
797
761
800
830
818
761
846
641
604
665
Mus
iker
3.
986
4.07
5 4.
166
4.03
5 3.
904
3.70
6 3.
665
3.48
5 3.
420
3.75
9 3.
830
3.79
9
Mus
iker
/Kon
zert
0,
77
0,81
0,
79
0,77
0,
81
0,79
0,
78
0,72
0,
71
0,66
0,
63
0,65
Tab
. 5:
Abs
olut
e O
utpu
tent
wic
klun
g un
d P
erso
nalb
esta
nd (
Stel
len)
der
deu
tsch
en s
elbs
tänd
igen
Kul
turo
rche
ster
, vg
l. D
euts
cher
Büh
nenv
erei
n (1
996
bis
2007
)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
40 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 41
2.2.3 Entwicklung der Gattungen im Programmangebot der Theater
Im betrachteten Zeitraum hat das Angebot an den personalintensiven Gattungen Oper,
Ballett und Operette teils geringfügig, teils stärker abgenommen (-6,3 %, -6,0 % bzw.
-28,3 %), wobei die Reduktion von Opern und Balletten ein wenig schwächer ausfällt als
die Abnahme der Theaterbetriebe (-8,3 %). Daher kann global, ohne Beachtung von
Verteilungsaspekten und qualitativen Faktoren, von einer Aufrechterhaltung des
mengenmäßigen Angebots an Opern und Balletten in Relation zur Anzahl der Theater
gesprochen werden. Die These der Diversifizierung des Programms und damit Erweiterung
der Vielfalt spiegelt sich auch hier in der steigenden Anzahl der Konzerte (1.193 bzw.
66,4 %), Kinder- und Jugendtheater (1.925 bzw. 20,5 %), sonstige Formate (762 bzw.
11,6 %) und Schauspiele (1.483 bzw. 6,8 %) wider. Das Angebot an Musicals ist stark
gesunken (-1.371 bzw. -37,8 %). Damit ist die steigende Anzahl der Veranstaltungen
(2.467 bzw. 3,6 %) – und damit die Outputsteigerung der Theater bei sinkenden
Kapazitäten – im Wesentlichen auf die Gattungen Kinder- und Jugendtheater, Schauspiele
und Konzerte zurückzuführen.
Angesichts der in Kap. 2.1.1 aufgeführten absoluten Besuchszahlen für die Gattun-
gen wird ersichtlich, dass je nach Gattung erhebliche Unterschiede bei den durchschnittli-
chen Besuchszahlen pro Veranstaltung vorliegen (Oper 662, Ballett 563, Operette 500,
Musical 546, Schauspiel 235, Kinder- und Jugendtheater 217, Konzerte 496, Sonstige 71
durchschnittliche Besucher in der Spielzeit 2006/07). Daher darf die nachfolgende
Übersicht (Tab. 6) über die absoluten Veranstaltungszahlen nicht als Frequentierung bzw.
Nachfrage gewertet werden.
19
95
1996
19
97
1998
19
99
2000
20
01
2002
20
03
2004
20
05
2006
20
07
Ope
rn
7.03
2 7.
012
6.96
5 6.
908
6.96
1 6.
786
6.72
5 6.
946
7.04
5 6.
572
6.68
9 6.
780
6.59
1
Bal
lette
2.
678
2.63
0 2.
815
2.73
0 2.
692
2.72
7 2.
648
2.53
9 2.
650
2.64
4 2.
452
2.52
6 2.
518
Ope
rette
n 2.
008
2.37
1 1.
956
2.17
1 1.
854
1.86
0 1.
775
1.53
4 1.
557
1.59
1 1.
500
1.31
7 1.
440
Mus
ical
s 3.
623
3.14
1 3.
390
3.07
0 3.
269
3.33
5 3.
143
2.91
0 2.
971
2.60
9 2.
420
2.23
9 2.
252
Scha
uspi
ele
21.9
09
22.1
81
23.1
26
23.6
38
23.5
17
22.9
58
23.0
52
23.6
23
23.9
69
23.3
62
23.2
74
23.0
18
23.3
92
Kin
der-
u. J
ugen
dthe
ater
9.
370
9.99
0 10
.203
9.
971
9.78
7 9.
782
9.61
2 9.
693
10.4
44
9.95
7 10
.717
10
.714
11
.295
Kon
zert
e 1.
797
2.07
0 2.
120
1.96
9 2.
042
2.09
7 2.
213
2.20
4 2.
346
2.63
7 2.
770
2.82
7 2.
990
Sons
tige
6.57
3 7.
001
8.07
3 8.
152
7.64
6 8.
394
8.00
6 7.
836
7.94
2 8.
271
5.90
0 6.
924
7.33
5
Tab
. 6:
Anz
ahl d
er A
uffü
hrun
gen
in d
en G
attu
ngen
pro
Spi
elze
it d
er d
euts
chen
The
ater
, vgl
. Deu
tsch
er B
ühne
nver
ein
(199
5 bi
s 20
07)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
Rel
ativ
e E
ntw
ickl
un
g a
usg
ewäh
lter
Ver
anst
altu
ng
styp
en in
den
deu
tsch
en T
hea
tern
60%
80%
100%
120%
140%
160%
9596
9798
9900
0102
0304
0506
07
Jah
r
Ope
rnO
pere
tten
Sch
ausp
iele
Kin
der-
/Jug
endt
heat
erK
onze
rte
42 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 43
2.2.4 Wertmäßige Entwicklung des Inputs
Im Betrachtungszeitraum sind die Gesamtausgaben der Theater um 13,1 % bzw. 296
Mio. € angewachsen. Dies refinanzierte sich aus selbst erwirtschafteten Einnahmen
(starker Anstieg um 49,7 % bzw. 145 Mio. €) und öffentlichen Zuwendungen und
Zuschüssen (7,3 % bzw. 142 Mio. €). Letztere sind seit dem Spitzenwert in 2003 sogar
rückläufig (69 Mio. € bis 2007 bzw. 3,2 %). Die Personalkosten sind um 163 Mio. €
gestiegen (das entspricht 9,5 % in 12 Jahren bzw. ein durchschnittliches jährliches
Wachstum von nominal 0,76 %), die Sachkosten 200 Mio. € bzw. 56,8 %. Nach wie vor
machen die Personalkosten den größten Anteil der Ausgaben der Theater aus (geringfügig
sinkend von 76,5 % auf 74,0 %), vgl. Tab. 7. Der geringe absolute Anstieg beim
Personalaufwand kann aus dem Personalabbau in Stellen (3.902 Stellen bzw. 9,3 %), der
Substitution durch Sachkosten etwa beim Outsourcen an Dienstleistungsunternehmen
(Reinigung, Hauspersonal, Bewachung etc.),84 bzw. Verkleinerung der künstlerischen
Ensembles und ggf. stärkeres Zurückgreifen auf freie Engagements (Gäste) sowie einigen
zurückhaltenden Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst, welche gemäß § 55 TVK analog
auch für Orchester gelten, erklärt werden.
Die absoluten Ausgabesteigerungen wurden in den betrachteten 12 Jahren etwa
hälftig durch eigene Einnahmen und öffentliche Mittel kompensiert. Da der Anteil der
selbst erwirtschafteten Erlöse global betrachtet unter 20 % liegt, ist insoweit die Effizienz
gestiegen (vgl. auch nächsten Abschnitt).
Die Kulturorchester erwirtschafteten 111 Mio. € selbst, empfingen 212 Mio. €
öffentliche Zuweisungen, um Gesamtausgaben von 316 Mio. € tätigen zu können. Das
entspricht einem Einspielergebnis von 35 %. Jeder Besuch wurde hier durch 81,56 €
bezuschusst.
Bezüglich der Einnahmen und Ausgaben ist festzustellen, dass die selbst erwirt-
schafteten Einnahmen im Betrachtungszeitraum deutlich stärker gewachsen sind als die
öffentlichen Zuweisungen (31,6 Mio. € bzw. 35,5 % in Relation zu 18,8 Mio. € bzw.
10,0 %), vgl. Tab. 8.
84 Vgl. Deutscher Bühnenverein (2005), S. 4.
Tab
. 7:
Abs
olut
e E
ntw
ickl
ung
der
Ein
nahm
en u
nd A
usga
ben
(in
Mio
. €)
der
deut
sche
n T
heat
er, v
gl. D
euts
cher
Büh
nenv
erei
n (1
995
bis
2007
)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
19
95
1996
19
97
1998
19
99
2000
20
01
2002
20
03
2004
20
05
2006
20
07
Eig
ene
Ein
nahm
en
293
315
318
332
339
357
367
377
388
385
415
424
438
Öff
tl. Z
uwen
dung
en
1.93
4 1.
989
1.99
8 2.
018
2.00
2 2.
030
2.04
9 2.
103
2.14
5 2.
106
2.04
8 2.
079
2.07
6
Aus
gabe
n 2.
252
2.32
8 2.
340
2.38
0 2.
367
2.41
2 2.
441
2.50
3 2.
560
2.52
6 2.
521
2.54
2 2.
548
da
von
Sach
kost
en
352
380
375
383
389
410
423
447
448
435
509
541
552
da
von
Per
sona
lkos
ten
1.72
2 1.
783
1.78
9 1.
807
1.82
0 1.
860
1.86
3 1.
897
1.91
1 1.
918
1.91
8 1.
909
1.88
5
Ant
eil P
erso
nalk
oste
n 76
,5 %
76
,6 %
76
,4 %
75
,9 %
76
,9 %
77
,1 %
76
,3 %
75
,8 %
74
,7 %
75
,9 %
76
,1 %
75
,1 %
74
,0 %
44 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
Rel
ativ
e E
ntw
ickl
un
g v
on
Ein
nah
men
un
d A
usg
aben
der
deu
tsch
en T
hea
ter
90%
100%
110%
120%
130%
140%
150%
9596
9798
9900
0102
0304
0506
07
Jah
r
1995 = 100 %
Eig
ene
Ein
nahm
enÖ
ffent
liche
Zuw
endu
ngen
Aus
gabe
n
19
96
1997
19
98
1999
20
00
2001
20
02
2003
20
04
2005
20
06
2007
Eig
ene
Ein
nahm
en
89,1
93
,3
93,9
93
,6
93,6
97
,4
98,1
10
3,9
105,
6 11
1,1
114,
5 12
0,7
Öff
entli
che
Zuw
endu
ngen
18
8,3
189,
2 18
8,4
190,
0 19
5,1
194,
8 20
4,0
203,
5 20
5,6
211,
9 20
3,1
207,
1
Aus
gabe
n 27
7,2
282,
5 28
2,3
283,
6 28
8,7
292,
2 30
2,1
307,
4 30
8,2
316,
3 31
8,2
326,
5
Ein
spie
lquo
te
32,7
%
32,2
%
33,0
%
33,3
%
33,0
%
32,4
%
33,3
%
32,5
%
33,8
%
34,3
%
35,1
%
36,0
%
Tab
. 8:
Abs
olut
e E
ntw
ickl
ung
der
Ein
nahm
en u
nd A
usga
ben
(in
Mio
. €)
der
deut
sche
n se
lbst
ändi
gen
Kul
turo
rche
ster
, vg
l. D
euts
cher
Büh
nenv
erei
n (1
996
bis
2007
)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 45
Rel
ativ
e E
ntw
ickl
un
g d
er E
inn
ahm
en u
nd
Au
sgab
en d
er d
euts
chen
Orc
hes
ter
90%
100%
110%
120%
130%
140%
9697
9899
0001
0203
0405
0607
Jah
r
1996 = 100 %
Ausg
aben
Eige
ne E
inna
hmen
Öffe
ntlic
he Z
uwen
dung
en
46 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
2.2.5 Relative Effizienzkennzahlen
Die wichtigste Kennzahl der operativen Effizienz, die Einspielquote der Theater (Anteil
der selbst erwirtschafteten Erlöse in Relation zu den Gesamteinnahmen) ist im
Betrachtungszeitraum um knapp 4 Prozentpunkte von 14,1 % auf 18,0 % gestiegen und
weist einen stetigen Wachstumstrend auf. Angesichts der in den vorherigen Abschnitten
dargelegten wirtschaftlichen Strukturen ist dieser Entwicklungsschritt größer und
bedeutsamer, als es der Zahlenwert suggeriert (3,9 Prozentpunkte entsprechen einer
relativen Steigerung um 27,7 %). Der absolute Betriebszuschuss pro Besucher nahm
jedoch um 18,31 € zu (Anstieg um 23,8 %). Diese Entwicklung ist circa zur Hälfte auf die
gesunkene Gesamtanzahl von Besuchen bzw. Besuchern pro Veranstaltung zurück-
zuführen. Der operative Betriebszuschuss ist von 1,782 Mrd. € auf 1,999 Mrd. €
angestiegen, dies entspricht 217 Mio. € bzw. 12,2 %, vgl. Tab. 9. Das ist ein Beleg dafür,
dass die wirtschaftliche Effizienz der Theater gemessen am Input-Output-Verhältnis in
Bezug auf die produzierten Veranstaltungen und gemessen an der wirtschaftlichen
Unabhängigkeit in den betrachteten 12 Jahren gestiegen, jedoch in Bezug auf die
öffentliche Subventionierung des einzelnen Besuches gesunken ist. Bei dieser nominalen
Betrachtung blieben Inflationseffekte unberücksichtigt.
In den Orchestern ergibt sich ein partiell abweichendes Bild: Die Einspielquote,
welche strukturell deutlich höher als bei den Theatern liegt, ist vergleichbar um
3,3 Prozentpunkte von 32,7 % auf 36,0 % gestiegen (relative Erhöhung um 10,1 %) und
weist ebenfalls einen kontinuierlich positiven Trend auf. Die absolute öffentliche
Zuwendung des einzelnen Besuchs ist mit geringfügigen Schwankungen im Betrachtungs-
zeitraum nahezu nominal konstant geblieben. Gleicher Endbefund gilt auch für die Kosten
des einzelnen Konzerts, wobei nach der Jahrtausendwende eine deutliche mehrjährige
Schwankung um knapp 20 % nach oben zu verzeichnen ist, vgl. Tab. 10.
Re
lati
ve
En
twic
klu
ng
wic
hti
ge
r E
ffiz
ien
z-K
en
nza
hle
n d
er
de
uts
che
n T
he
ate
r
80%
90%
100%
110%
120%
130%
140%
9596
9798
9900
0102
0304
0506
07
Jahr
1995 = 100 %
Bet
riebs
zusc
huss
jeB
esuc
her
Ein
spie
lquo
te
Bes
uche
r pro
Vors
tellu
ngAu
sgab
en p
roVo
rste
llung
Tab
. 9:
Abs
olut
e E
ntw
ickl
ung
wic
htig
er E
ffiz
ienz
-Ken
nzah
len
der
deut
sche
n T
heat
er, v
gl. D
euts
cher
Büh
nenv
erei
n (1
995
bis
2007
)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
19
95
1996
19
97
1998
19
99
2000
20
01
2002
20
03
2004
20
05
2006
20
07
Ein
spie
lquo
te
14,1
%
14,6
%
14,7
%
15,1
%
15,3
%
15,7
%
16,0
%
16,1
%
16,4
%
16,3
%
17,0
%
17,3
%
18,0
%
Bet
rieb
szu-
schu
ss je
B
esuc
her
(in
€)
77,0
3 80
,28
80,8
7 80
,94
82,3
7 85
,27
86,2
9 90
,78
89,5
7 90
,73
92,2
4 97
,66
95,3
4
Aus
gabe
n je
V
eran
stal
tung
(i
n €)
43
.486
44
.223
43
.562
44
.264
44
.175
45
.820
46
.562
47
.732
47
.171
47
.844
47
.373
46
.852
47
.320
Bes
uche
r je
V
eran
stal
tung
34
2 33
3 31
8 31
9 31
9 31
6 31
8 31
1 30
6 30
8 30
3 30
0 29
9
Bes
uche
23
,1 M
io.
23,0
Mio
. 22
,9 M
io.
23,0
Mio
. 22
,7 M
io.
22,5
Mio
. 22
,3 M
io.
21,7
Mio
. 22
,0 M
io.
21,7
Mio
. 21
,2 M
io.
20,7
Mio
. 21
,0 M
io.
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 47
Tab
. 10:
Abs
olut
e E
ntw
ickl
ung
wic
htig
er E
ffiz
ienz
-Ken
nzah
len
der
deut
sche
n se
lbst
ändi
gen
Kul
turo
rche
ster
, vgl
. Deu
tsch
er B
ühne
nver
ein
(199
6-20
07)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
19
96
1997
19
98
1999
20
00
2001
20
02
2003
20
04
2005
20
06
2007
Öff
entli
che
Zuw
endu
ng je
B
esuc
her
in €
77
,26
77,0
5 73
,53
74,6
9 80
,12
79,2
2 79
,90
82,1
4 76
,61
81,6
6 79
,98
77,9
8
Aus
gabe
n je
an
gebo
tene
s K
onze
rt in
€
53.8
22
56.0
40
53.2
26
54.0
26
60.0
21
62.3
54
64.0
27
63.6
02
64.2
75
55.3
27
52.6
48
55.6
18
Ein
spie
lquo
te
32,7
%
32,2
%
33,0
%
33,3
%
33,0
%
32,4
%
33,3
%
32,5
%
33,8
%
34,3
%
35,1
%
36,0
%
47 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 48 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
Rel
ativ
e E
ntw
ickl
un
g w
ich
tig
er E
ffiz
ien
z-K
enn
zah
len
der
deu
tsch
en O
rch
este
r
90%
95%
100%
105%
110%
115%
120%
125%
9697
9899
0001
0203
0405
0607
Jah
r
1996 = 100 %
Ein
spie
lquo
te
Öfft
l. Zu
wen
dung
pro
Bes
uche
r
Aus
gabe
n pr
o K
onze
rt
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 49
2.2.6 Personalstruktur in den Theatern
Im Betrachtungszeitraum fand ein Personalabbau in den Theatern statt, welcher aber
nahezu perfekt korreliert mit der Anzahl der Theater, die in gleichem Maße gesunken ist.
Dieser Zusammenhang drückt sich in der Quote Personal pro Theater aus, die abgesehen
von zwischenzeitlichen Ausschlägen in den letzten Jahren der Erhebungsperiode fast
dieselben Werte einnimmt wie in den ersten Jahren (270 bzw. 268 Stellen pro Theater).
Der Abbau betrifft das künstlerische (9,5 % bzw. 1.862 Stellen) wie das nicht-
künstlerische Personal (9,0 % bzw. 2.040 Stellen) in gleichem relativen Maß. Lediglich als
Untergruppe des nicht-künstlerischen Personals haben die Beschäftigten der Verwaltung
(gemäß Gliederung der Theaterstatistik inkl. Vertrieb) die größten Einschnitte erfahren
(21,7 % bzw. 662 Stellen). Wie bereits in Kap. 2.2.2 und 2.2.3 festgestellt wurde, konnte
jedoch mit geringeren personellen Kapazitäten eine höhere Anzahl von Veranstaltungen
angeboten werden, ohne überproportionale Abnahme der personalintensiven Gattungen,
vgl. Tab. 11.
19
95
1996
19
97
1998
19
99
2000
20
01
2002
20
03
2004
20
05
2006
20
07
Kün
stle
risc
hes
Per
sona
l 19
.601
19
.260
18
.738
18
.391
18
.418
18
.251
17
.936
17
.971
17
.958
17
.895
17
.832
17
.728
17
.739
Nic
ht-k
ünst
ler.
Per
sona
l 22
.561
22
.389
21
.534
21
.580
21
.496
21
.459
21
.394
21
.285
21
.205
20
.858
20
.510
20
.482
20
.521
da
von
Ver
wal
tung
3.
048
2.97
9 2.
883
2.81
4 2.
781
2.80
8 2.
773
2.86
5 2.
857
2.64
9 2.
441
2.38
6 2.
386
SUM
ME
Per
sona
l 42
.162
41
.649
43
.155
42
.785
42
.695
42
.518
42
.103
42
.121
42
.020
38
.607
38
.342
38
.210
38
.260
A
nzah
l The
ater
betr
iebe
15
6 15
4 15
2 15
2 15
2 15
3 15
0 15
1 15
0 14
9 14
5 14
3 14
3
Per
sona
l pro
The
ater
27
0 27
0 28
4 28
1 28
1 27
8 28
1 27
9 28
0 25
9 26
4 26
7 26
8
Ver
anst
altu
ngen
67
.591
69
.159
71
.785
71
.918
71
.311
71
.100
70
.055
69
.632
72
.096
70
.560
69
.778
69
.238
70
.058
Tab
. 11:
Abs
olut
e P
erso
nale
ntw
ickl
ung
(in
Stel
len)
der
deu
tsch
en T
heat
er, v
gl. D
euts
cher
Büh
nenv
erei
n (1
995
bis
2007
)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
50 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
Rel
ativ
e S
telle
nen
twic
klu
ng
im V
erg
leic
h z
um
Ver
anst
altu
ng
san
geb
ot
der
deu
tsch
en T
hea
ter
75%
80%
85%
90%
95%
100%
105%
110%
9596
9798
9900
0102
0304
0506
07
Jah
r
1995 = 100 %
Kün
stle
risch
es P
erso
nal
Nic
ht-k
ünst
leris
ches
Per
sona
l d
avon
Ver
wal
tung
Ver
anst
altu
ngen
2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands 51
2.2.7 Geschichte des öffentlichen Dienstes und Tarifwerke in Theatern und Orchestern
Die Geschichte des öffentlichen Dienstes reicht bis in den Absolutismus zurück, zu dessen
Zeiten die Monarchen abhängige Beschäftigte unterhielten. Der Preußenkönig Friedrich
Wilhelm I. verpflichtete seine Bediensteten zu uneingeschränktem Staatsdienst, der nicht
als herkömmliche Erwerbstätigkeit verstanden wurde. Das Leitbild der preußischen
Verwaltung war schon zu diesen Zeiten durch Werte wie Genauigkeit, Sparsamkeit,
Pünktlichkeit und bedingungslose Pflichterfüllung geprägt. 1794 wurde erstmalig eine Art
des Beamtenstatus in der Kodifikation des öffentlichen Dienstrechts im Allgemeinen
Landrecht für die Preußischen Staaten definiert. Erst im 20. Jahrhundert wurden vermehrt
Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst beschäftigt, vor allem in städtischen
Versorgungs- und Verkehrsbetrieben. 1920 wurden die ersten Tarifverträge für
Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst geschlossen. Das Dritte Reich spannte das
Berufsbeamtentum stark in die Reichsführung mit ein, ebenso wie sich viele Beamte in der
NSDAP engagierten. Die junge Bundesrepublik Deutschland entschied sich für die
Beibehaltung des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 4 GG85). Nicht gänzlich unproblema-
tisch angesichts der angestrebten Reformen im Personalwesen ist die konservierende
Bestimmung des für alle Beschäftigtengruppen geltenden Art. 33 Abs. 5 GG: „Das Recht
des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums zu regeln“, zu denen u. a. die Unkündbarkeit, das Alimentationsprin-
zip und das Senioritätsprinzip gehören.86 Gerade letztere sind jedoch ein mindestens
vordergründiger Widerspruch zum vom NPM geforderten Leistungsprinzip.87
Jahrzehntelang bestimmte in den Theatern eine sehr heterogene Tarifvertrags-
struktur mit sieben Tarifwerken, drei Arbeitgebergremien und fünf Gewerkschaften den
Alltag.88 Durch die Zusammenfassung von NV Solo, NV Tanz, NV Chor, BTT bzw. BTTL
im neu geschaffenen NV Bühne vom 1.1.2003 wurde teilweise eine Vereinheitlichung und
Flexibilisierung erreicht. Daneben ist im künstlerischen Bereich der TVK für die Orchester
maßgeblich. Auch im nicht-künstlerischen Bereich findet durch den TVöD vom 1.10.2005
bzw. TV-L vom 12.10.2006 eine Vereinheitlichung insofern statt, als die Differenzierung
zwischen Arbeitern (alte Tarifwerke MTB/MTL/BMT-G) und Angestellten (BAT)
85 Wortlaut des Art. 33 Abs. 4 GG: „Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in
der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.“
86 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 320-325, 334. 87 Ebenda S. 357, 364.
52 2. Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands
aufgegeben wird.89 Die Umstellungs- und Überleitungsprozesse sind noch nicht an allen
Orten beendet. Im Bereich des TVöD ist jedoch eine heterogene Entwicklung auf
nationaler Ebene eingetreten, da die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) die
Verhandlungen zum TVöD nicht mitgetragen hat, einige Bundesländer aus der TdL
ausgetreten sind und infolgedessen die Kommunen, Länder und der Bund zu uneinheitli-
chen Tarifabschlüssen gelangen.90 Da im Zuge der Modernisierungsprozesse der
Tarifwerke für die Altbeschäftigten Vereinbarungen zur Besitzstandswahrung getroffen
wurden, entsteht ein Ungleichgewicht bei den Beschäftigungsbedingungen zu den jüngeren
Beschäftigen, worunter langfristig die Attraktivität und damit die Qualität der künstleri-
schen Berufe und des öffentlichen Dienstes leiden könnten.91 Eine starke Verbreitung
haben daneben Haustarifverträge erfahren. Im Jahr 2003 zählt Rolf Bolwin, geschäftsfüh-
render Direktor des Deutschen Bühnenvereins, bereits 180 abgeschlossene Haustarifver-
träge in deutschen Orchestern und Theatern, von denen 80 Gehaltseinbußen für das
künstlerische Personal beinhalten.92 Diese enthalten jedoch häufig Bezugnahmeklauseln
und bauen somit auf den genannten allgemeinen Tarifwerken auf. An den grundsätzlichen
Kostenstrukturen können jedoch auch diese lokalen Regelungen dauerhaft nichts ändern.
2.2.8 Haushaltsrechtliche Bestimmungen
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Rechnungslegung, Prüfungsbefugnisse,
haushaltsrechtliche Grundsätze, z. B. zum Haushalts- bzw. Wirtschaftsplan und
Stellenplan, sind für bundes- bzw. landeseigene Betriebe, Zuwendungsempfänger und
juristische Personen öffentlichen Rechts in der Bundeshaushaltsordnung (BHO) bzw. den
Landeshaushaltsordnungen (LHO) und deren Verwaltungsvorschriften (BHO/LHO VV)
enthalten. Die Anwendung dieser Gesetze ergibt sich aus Art. 109 Abs. 3 GG, welcher in
§ 1 HGrG konkretisiert wird. Auf kommunaler Ebene ist neben diversen kommunalen
Verordnungen vor allem die Gemeindehaushaltsverordnung maßgeblich.93
88 Vgl. Wagner (1995), S. 201. 89 Vgl. Bolwin (2003), S. 12 ff.; Deutscher Bühnenverein (2005a), S. 124-129. 90 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 330 ff. 91 Ebenda, S. 360-264; Bolwin (2003), S. 13 f. 92 Vgl. Bolwin (2003), S. 13 f. 93 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 142, 172.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 53
3 New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
3.1 Reformansätze in Vergangenheit und Gegenwart
Ausgangspunkt der historischen Betrachtung ist das klassische Webersche Bürokratiemo-
dell, das über viele Jahrzehnte hinweg die deutsche und internationale Verwaltung als
Idealtypus geprägt hat. Mit seinen zentralen Werten Unparteilichkeit, Regelgebundenheit,
Sachlichkeit, Kontrollierbarkeit, Trennung von Amtsinhaber und Ressourcen steht es für
ein robustes, kalkulierbares und krisensicheres Verwaltungsparadigma zur Herrschaftsaus-
übung im monokratischen Nationalstaat, das dem gesellschaftlichen Weltbild des
Rationalismus entsprach. Diese Werte etablierten eine vereinheitlichte Normdurchsetzung
nach innen, das staatliche Gewaltmonopol und die entprivilegierende Rechtsgeltung.
Insofern sind sie gemeinsam mit dem Nationalstaat als epochale Modernisierungsleistung
nicht zu unterschätzen.94
Dennoch gab es innerhalb dieses Paradigmas in Deutschland bereits in jungen
Jahren der Nachkriegsbundesrepublik – erstmalig 1952 – Kommissionen zur Verwaltungs-
vereinfachung, deren Empfehlungen jedoch nicht realisiert wurden. Stattdessen folgte ab
1966 die Periode des Aktiven Staats, der durch Planung und aktiv eingreifende Politik
zum Gegenteil neigte, nämlich einer expandierenden Verwaltung.95
Es mehrte sich jedoch die systematische Kritik an der staatlichen Bürokratie mit
den Argumenten der Ineffizienz, hoher Kosten und der Beschränkung von Bürgerrechten.
In den 1960er- und 1970er-Jahren fanden eine Reihe von Gebiets- und Funktionalreformen
statt, die jedoch ihre Zielsetzung der Dezentralisierung und stärkeren Bürgerpartizipierung
nicht erreichten.96 Es folgten umfassendere Reformen ab 1978 im Kontext des Leitbilds
des Schlanken Staats, welche sich inhaltlich noch stärker vom Weberschen Modell
distanzierten und erste Gesichtszüge eines New Public Managements annahmen. Zunächst
stand nur die Privatisierung von Staatsunternehmen im Vordergrund (z. B. Deutsche
Bundespost, Deutsche Lufthansa u. a.).97 Später wurden auch in der Sozialpolitik
sukzessive Einschnitte unternommen. Alles geschah mit der zentralen Idee, dass weniger
Staat und mehr Markt praktiziert werden solle, da der Staat in vielen Bereichen überfordert
und handlungsunfähig sei und die individuelle Eigenverantwortung zurückgedrängt wurde.
Diese Ansichten und die sich anschließende Politik speisten sich aus einer Mischung von
94 Vgl. Adorno (1960), S. 103 f.; Blanke/Einemann et al. (2005), S. 439; Budäus (1998), S. 1 ff.; Prätorius
(2006), S. 60 f.; Thom/Ritz (2006), S. 3 ff. 95 Vgl. Walkenhaus/Voigt (2006), S. XXIV f. 96 Vgl. Prätorius (2006), S. 58 f.
54 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
Ordo- und Neoliberalismus. In den 80er-Jahren standen die Verwaltungsreform-
bemühungen vornehmlich auf Länderebene explizit unter der Ankündigung einer
„Entbürokratisierung“ durch Regelabbau, Verfahrensvereinfachung und Kompetenz-
bereinigung.98
Die Anforderungen an den öffentlichen Sektor haben sich teils gewandelt und sind
teils gewachsen: Komplexität, stetiger Wandel, Multikausalitäten, Vernetzung, Mobilität,
Flexibilität, Wertepluralismus etc. prägen das neue Umfeld, dem sich auch die Verwaltung
nicht verschließen kann. Eine auf konstanten Verhältnissen aufbauende bürokratische
Organisationskultur wirkt immer weniger angemessen.99 Binnenreformen mit den Zielen
einer stärkeren Managementorientierung und eines Effizienzgewinns setzten in den 90er-
Jahren zunächst auf kommunaler Ebene ein, ausgelöst von dem 1991 entwickelten Neuen
Steuerungsmodell (NSM) der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsverein-
fachung (KGSt). Dieses Steuerungsmodell sollte die Leistungsfähigkeit der öffentlichen
Verwaltung erhöhen, mehr Flexibilität, eine stärkere Kundenorientierung und eine
intensivierte Leistungs- und Kostenkontrolle bewirken. Als Maßnahmen zur Zielerrei-
chung sind vorgesehen:
• Delegation der Personal- und Finanzverantwortung an die dezentralen Ämter.
• Übertragbarkeit der Haushaltsmittel auf das Folgejahr zur Vermeidung des
„Dezemberfiebers“.
• Gegenseitige Deckungsfähigkeit der Haushaltsmittel zur Beseitigung der vorgeschrie-
benen Verwendung für eine genau bestimmte Ausgabenart.
• Einführung von Produktkatalogen als Basis für eine neue ziel- und outputorientierte
Steuerung durch Kontrakte, unterstützt durch ein umfassendes Controllingkonzept.
• Entflechtung der Verantwortungskompetenzen von Rat und Verwaltung: Der Rat
entscheidet über das „Was“, die Verwaltung über das „Wie“ der kommunalen Leis-
tungserstellung. Der Rat habe die Zielerreichung der Verwaltung zu überwachen.
Die Anwendung dieser NSM-fundierten Gestaltungsoptionen und weiterer Steuerungsme-
chanismen für das kommunale Theater wird von der KGSt in ihrem Gutachten „Führung
und Steuerung des Theaters“100 differenziert aufgezeigt und weist eine große inhaltliche
Nähe zum NPM auf. Einige Jahre später hat die KGSt einen Produktkatalog für den
97 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 560-566; Walkenhaus/Voigt (2006), S. XXVI. 98 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 560-566; Prätorius (2006), S. 59. 99 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 6 f. 100 KGSt (1989); vertiefend in Richter/Sievers et al. (1995).
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 55
kommunalen Kultursektor101 entwickelt, welcher modellhaft als Steuerungsgrundlage für
das Kulturamt bzw. Kulturbüro konzipiert ist. Die Schnittmenge zwischen Verwaltungsre-
formen der 1990er-Jahre im Sinn des NSM und der seit Jahrzehnten diskutierten
Theaterreform liegen in der Forderung nach verstärkter betrieblicher Selbständigkeit der
Theater, Verbesserungen des Rechnungswesens und der Haushaltsführung (insbesondere
gegenseitige Deckungsfähigkeit, erweiterte Mittelübertragbarkeit, Auflösung von
Sammelnachweisen, mehrjährige Finanzplanung, Eigenverwendung von Mehreinnahmen),
Einführung von Steuerungsinstrumenten wie Controlling und Berichtswesen und
Steigerung der Wirtschaftlichkeit durch Marketing.102
Um die Jahrtausendwende hat nahezu jede Kommune in unterschiedlichem Maße
Elemente des NSM eingeführt.103 Die starke konzeptionelle Nähe von NSM zu New
Public Management (NPM) kann dadurch erklärt werden, dass NSM als Adaption von
NPM für die kommunale Ebene und damit erste deutsche Implementation des internationa-
len NPM-Reformprozesses interpretiert werden kann. Angeregt durch NSM haben auch
Bund und Länder in unterschiedlichem Umfang einzelne NPM-Reformansätze verfolgt.104
Die Ergebnisse sind jedoch nur unzureichend dokumentiert und ausgewertet, so dass ein
empirisch fundiertes, flächendeckendes Urteil über die Auswirkungen der Reformen in
Deutschland nicht möglich ist.105
Auf internationaler Ebene liegen Ursprung und Ausgangspunkt der NPM-Reformen
weiter zurück: In den 1970er-Jahren wurde in den angelsächsischen Länder eine weltweite
Public Management-„Bewegung“ ausgelöst. Zentralistisch durchorganisierte Fachver-
waltungen, ausgebaute Wohlfahrtssysteme und ein großer staatlicher Wirtschaftssektor
haben unter zunehmendem Finanzdruck der öffentlichen Haushalte dazu geführt, dass
ausgehend von Großbritannien als Ursprungsland, des weiteren Kanada, Australien,
Neuseeland und den USA, Reorganisationen gemäß Kriterien eines NPM gefordert
wurden.106 Maßgeblichen Einfluss auf diese Entwicklungen hatte die Kritik der Chicagoer
Schule und die Public-Choice-Theorie seit Mitte der 60er-Jahre107. Die Aufgaben und das
Selbstverständnis des Staates und der Regierung wurden neu definiert und dabei stärker
ausdifferenziert.108 Die wesentlichen Leitideen waren dabei eine strikte Trennung der
101 Vgl. KGSt (1997). 102 Vgl. Wagner (1995), S. 205-211. 103 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 436 f.; Buchholtz (2001), S. 90-93; Dose (2006), S. 339-343;
KGSt (1989), S. 49 f. 104 Vgl. Walkenhaus/Voigt (2006), S. XXV f. 105 Vgl. Reichard (2006), S. 284 f.; Walkenhaus/Voigt (2006), S. XII. 106 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 441 f.; Thom/Ritz (2006), S. 13. 107 Vgl. Lane (2000), S. 3. 108 Vgl. Lane (2000), S. 4 f.; Reichard (2006), S. 284.
56 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
Handlungsträger von politischen Entscheidungen und deren Ausführung, Bürokratieabbau,
stärkeres unternehmerisches Handeln und Privatisierungen zur Steigerung der Effizien.109
Die USA bestritten in den 80er-Jahren einen Weg, der sich teilweise von den britischen
Ansätzen unterschied. Er zielte stärker auf eine Markt- und Wettbewerbsorientierung ab
und ist vor allem managerialistisch fundiert.110 Im Gegensatz zu Deutschland wurden die
Reformen in diesen Frühadapterländern zentralstaatlich auf Regierungsebene beschlossen
und dann in der Gliederung der Gebietskörperschaften abwärts implementiert, zuletzt in
den Kommunen.111
Die Reformwelle sprang in einem zweiten Entwicklungsabschnitt auf Skandinavien
und das europäische Festland über, insbesondere auf die Niederlande mit dem Tilburger
Modell. Die Reformen sind hier konsensorientiert und eher behutsam, aber stetig
verlaufen.112 Die Schweiz ist seit den 90er-Jahren ein Zentrum der Forschung, Weiterent-
wicklung und der praktischen Umsetzung von NPM.113 Deutschland gehört mit Österreich,
Frankreich, Italien und Japan zu den reformkonservativen Staaten, in denen Veränderun-
gen nur begrenzt eingetreten sind.114 Die Ursache kann in der historischen Prägung dieser
Länder gesehen werden: Sie sind von römisch-rechtlichen und/oder absolutistischen
Traditionen geprägt worden. Insbesondere in Deutschland herrschen eine Regelungskultur
und eine bürokratische Verwaltungspraxis, die Reformresistenzen mit sich bringt.115
3.2 Zum Begriff New Public Management
Der Begriff NPM wurde zu Beginn der 1990er-Jahre geprägt.116 Er beinhaltet keine
eindeutig abgegrenzte und in sich geschlossene Theorie. NPM tangiert durch seine
Eigenschaft als umfassendes Staatsreformkonzept originär die Disziplinen Volks- und
Betriebswirtschaftslehre, Politik- und Rechtswissenschaft.117 Die vielschichtige, teils auch
mehrdeutige Verwendung des Begriffs erschwert eine allgemein akzeptierte Definition.
Als Annäherung erfolgt zunächst eine Beschreibung des NPM-Verständnisses auf zwei
Ebenen, danach eine Abgrenzung zu verwandten Begriffen:118
109 Vgl. Barzelay (2003), S. 159; Blanke/Einemann et al. (2005), S. 442 f.; Kettl (2005), S. 8-18. 110 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 441 f.; Kettl (2005), S. 19-23; Pitschas (2004), S. 14. 111 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 14. 112 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 441 f.; Lane (2000), S. 3; Thom/Ritz (2006), S. 14. 113 Vgl. Schedler (2004), S. 121 f. 114 Vgl. Reichard (2006), S. 284; Thom/Ritz (2006), S. 14. 115 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 446 f.; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2003), S. 14;
Pitschas (2004), S. 16. 116 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 9. 117 Vgl. Lane (2000), S. 3; Walkenhaus/Voigt (2006), S. XIII. 118 Vgl. Pook/Tebbe (2002), S. 12 f.; Schedler/Proeller (2006), S. 287 ff.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 57
Auf übergeordneter Ebene wird unter NPM ein normatives Konzept einer umfassenden
Staats- und Verwaltungsreform sowie der dazugehörigen reformorientierten Steuerungs-
theorie und Führungslehre verstanden.119 NPM schlägt sich in einer weltweiten
Reformbewegung mit einer neuen post-bürokratischen Doktrin des öffentlichen Sektors
nieder, welche mit einem Paradigmenwechsel verbunden ist.120 NPM propagiert die
substantielle Überwindung des Weberschen Idealtypus einer rational-legalen Bürokratie in
Richtung einer stärkeren Orientierung an privatwirtschaftlichen Unternehmen und
Managementtechniken mit dem Ziel, das Staats- und Bürokratieversagen zu reduzieren.121
Insofern hat NPM eine präskriptive und handlungssteuernde Orientierung.122 Auf einer
tieferen Ebene, die als Konkretisierung des normativen Konzepts interpretiert werden
kann, wird NPM als Ober- und Sammelbegriff für einzelne konkrete Elemente der
Verwaltungsreform verwendet,123 wie sie auch im Kap. 3.4 aufgeführt werden. Die
hierunter fallenden Ansätze entspringen aus unterschiedlichen Perspektiven und
Disziplinen, so dass es in Abhängigkeit von dem jeweiligen Autor unterschiedliche
inhaltliche Schwerpunkte geben kann.124 Es werden sowohl die Beziehungen zwischen
Staat, Verwaltung und Bürgern (externe Strukturreform/außenorientierte Elemente)
betrachtet als auch die Verwaltung als Reformobjekt an sich (Binnenreform).125 Insofern
ist NPM ein Mosaik von Reformbausteinen, welche in unterschiedlichen Kombinationen
umgesetzt wurden und werden. Dies geschieht landesspezifisch und unter Berücksichti-
gung der jeweiligen Gegebenheiten, was zu Unterschieden und Gegensätzen bei der
Implementierung führt. Daraus wird ersichtlich, dass es nicht ein einziges und einheitliches
NPM geben kann, obschon die übergeordnete Zielsetzung in ihren Grundsätzen konstant
ist.126
Der Gegenstandsbereich von NPM ist der öffentliche Sektor. Dieser umfasst alle
Institutionen, welche Aufgaben von öffentlichem Interesse erfüllen. Reichard zählt im
Wesentlichen dazu: öffentliche Verwaltungen, öffentliche Unternehmungen, Non-Profit-
Organisationen und u. U. auch private Unternehmungen, sofern sie im öffentlichen Auftrag
produzieren.127 Nicht explizit erwähnt wird in dieser Aufzählung die Legislative, die
119 Vgl. Kettiger (2004), S. 213; Reichard (2006), S. 285; Thom/Ritz (2006), S. 9 f. 120 Vgl. OECD (1995), S. 8 f.; Prätorius (2006), S. 61; Reichard (2006), S. 283 ff.; Schedler/Proeller (2006),
S. 5. 121 Vgl. Barzelay (2003), S. 159; Budäus (1998), S. 1 ff.; Prätorius (2006), S. 59 ff.; Thom/Ritz (2006),
S. 10. 122 Vgl. Koch (2004), S. 3. 123 Vgl. Budäus (1998), S. 1-4. 124 Vgl. Lane (2000), S. 1; Reichard (2006), S. 283. 125 Vgl. Buchholtz (2001), S. 89 ; Budäus (1998), S. 6. 126 Vgl. Schedler (2004), S. 122 f.; Thom/Ritz (2006), S. 10-13. 127 Vgl. Reichard (2006), S. 282.
58 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
ebenfalls Bestandteil des komplexen Beziehungsgefüges im öffentlichen Sektor und auch
Untersuchungsgegenstand von NPM ist. Damit wird außerdem deutlich, dass NPM einen
größeren Gegenstandsbereich und eine wesentlich breitere inhaltliche Dimension als der
Begriff der Verwaltungsreform ausfüllt, welcher vor allem eine Binnenreform meint, nicht
jedoch eine umfassende Staatsmodernisierung. NPM und Verwaltungsreform sind somit
begrifflich nicht gleichzusetzen, obwohl viele Elemente der Verwaltungsreform im NPM
enthalten sind, so dass eine Schnittmenge bei den konkreten Maßnahmen existiert.128
Mit dem nahezu wortgleichen Public Management bezeichnen viele Autoren vor
allem eine Wissenschaftsdisziplin, analog zu Öffentlicher Betriebswirtschaftslehre: Public
Management ist jene Managementlehre, welche die Besonderheiten des öffentlichen
Sektors (z. B. Demokratieprinzip, Legitimation, Legalität, politische Steuerung und
Kontrolle) berücksichtigt. Damit ist Public Management ebenso wie NPM interdisziplinär
und geht sowohl in seinem Gegenstandsbereich als auch in der Methodik weiter als die
Öffentliche Betriebswirtschaftslehre. NPM ist hingegen ein spezifisches Konzept, das sich
vom Public Management durch eine institutionelle Sichtweise aller Kontraktpartner (vgl.
Kontextmodell im Kap. 1.4) abhebt und darüber hinaus die sich aus dieser Sicht
ableitenden normativen Kriterien für Steuerungsmechanismen des Gesamtsystems
beinhaltet. Zu Letzteren gehören z. B. die für NPM charakteristische Output- und
Wirkungsorientierung.129 Da die Trennlinie nicht immer scharf gezogen wird, gibt es
erhebliche inhaltliche Schnittmengen zwischen der Literatur und der Begriffsverwendung
des Public Managements und des NPMs.130
128 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 438 u. 447. 129 Vgl. Reichard (2006), S. 282-285; Schedler/Proeller (2006), S. 5 f. 130 Vgl. Budäus (1998), S. 46 ff.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 59
Die Zusammenhänge der Begriffe und Konzepte könnte stark vereinfacht wie folgt (Abb.
12) strukturiert werden:
Abb. 12: Begriffskategorisierung zu NPM und Mehrfachbedeutung von Public Management
Quelle: Eigene Darstellung.
3.3 Literaturüberblick zum NPM
Die Referenz-Publikation für NPM stammt von Schedler/Proeller (2006). Die Autoren
behandeln den NPM-Ansatz in Gänze von der theoretischen Konzeption bis zur
praktischen Umsetzung. Diese Monographie liegt den nachfolgenden detaillierten
Ausführungen zu NPM zu Grunde und wird daher an dieser Stelle nicht weiter erläutert.
Weitere Monographien liegen von Lane und Barzelay vor. Das NPM-Konzept von
Lane (2000) stimmt weitgehend mit Schedler/Proeller überein. Im weiteren Verlauf
werden im Gegensatz zu erstgenannten Autoren mikroökonomische Analysen öffentlicher
Betriebe und internationale makroökonomische Vergleiche des öffentlichen Sektors unter
Gesichtspunkten der Effizienz, der Informationsasymmetrie und der Allokation
angestellt.131 Diese münden in Überlegungen zum Kontraktmanagement und zur
Gesetzgebung aus regulatorischer Sicht. Barzelay (2001) gibt einen internationalen
Überblick zum Stand des NPMs in Forschung, Lehre, Umsetzung und kritischer
Diskussion ohne spezifische Vertiefungen. In einer Herausgeberschrift zum NPM befassen
sich Budäus/Conrad et al. (1998) nach einer Einführung in das NPM vorwiegend mit dem
Management, Steuerungsfragen und der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung.
Pitschas (2004) setzt sich mit der Umsetzung von NPM in Deutschland auseinan-
der. Als wichtigste Reforminhalte stellt er eine Leistungssteigerung und Strukturreform der
Verwaltung, das Spannungsfeld zwischen Qualitäts- und Kundenorientierung, sowie die
131 Zahlreiche internationale Analysen auch in OECD (1995); Politt/Bouckaert (2004).
Theoretische / Normative Basis Funktionale Basis
(New) Public Management
Neues Steuerungsmodell
(NSM)
Verwaltungsreformen
Anwendungsinstrumente aus:
Public Management
(Öffentliche) BWL
60 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen stärkerer marktwirtschaftlichen Mechanismen
im öffentlichen Sektor heraus. Als unerlässlichen bzw. wichtigsten Schritt zur
Implementation sieht er den Personalbereich an. Den künftigen Beschäftigten des
öffentlichen Dienstes solle ein neues ethisches Bild vermittelt werden, gepaart mit einer
fachlichen Professionalisierung und stärkeren persönlichen Verantwortungsübernahme.
Somit sei die Stärkung des Personalmanagements und der Mitarbeiterorientierung der
effektivste Weg, um die NPM-Ziele zu erreichen.132
Diese Schwerpunktsetzung findet sich auch bei Thom/Ritz (2006), die NPM nur als
eine temporäre Reformphase ansehen. Sie stellen ein mit den Grundzügen von NPM zu
vereinbarendes, übergreifend gültiges Konzept namens IOP (Innovations- und
Informationsmanagement, Organisatorische Gestaltung und Personalmanagement) auf.
In ähnlicher Weise betont auch Koch (1996, 2003, 2004)133 die Wichtigkeit des
Human Resource Managements, indem er NPM als Bezugsrahmen verwendet und
insbesondere auf dem Kontraktmanagement und der Wettbewerbsintensivierung aufbauend
die Gestaltung der Modernisierung öffentlicher Dienste (New Public Services) entwickelt.
Der Staat müsse zur Enabling Authority werden und die interne Managementumwelt
funktionalere Strukturen annehmen.134
Eine Reihe von Autoren vertieft die juristischen Implikationen des NPM. So be-
leuchten Kettiger (2000), Mastronardi (2004) und Schedler (2004a) die gesetzgeberischen
und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für NPM. Sie lauten im Wesentlichen Abkehr
von der konditionalen Programmierung mit Anspruchsvoraussetzungen hin zu einer finalen
Ausrichtung durch Zielvorgaben, Verzicht auf Detailregelungen, Deregulierung, stärkere
Gesetzesevaluation, Koppelung von Aufgaben (Gesetz) und Ressourcen (Finanzplan),
Befristungen von Vorschriften, Verbreitung von Experimentierklauseln und Straffung des
Rechtsetzungsverfahrens.135 Brühlmeier/Haldemann et al. (2001) betrachten differenziert
das Zusammenspiel der Staatsgewalten im Rahmen der wirkungsorientierten Verwaltungs-
führung als ein Kernelement von NPM und entwickeln dabei ein NPM-konformes
Planungskonzept für den öffentlichen Sektor.
Evaluationen von NPM-Implementierungen liegen mit den Veröffentlichungen von
Lienhard/Ritz et al. (2005) sowie Ritz (2002)136 für die Schweiz und mit Dent/Chandler et
132 Vgl. Pitschas (2004), S. 2 3 f., 37-42; ähnlich auch bei Oechsler/Vaanholt (1998a). 133 Vgl. auch Koch/Peter (2003). 134 Vgl. Koch (2004), S. 15 f. 135 Vgl. Kettiger (2000), S. 15-23; Mastronardi (2004), S. 67-117; Schedler (2004a), S. 17-46. 136 Vgl. Ritz (2002), S. 26-38.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 61
al. (2004)137 für Großbritannien und weitere Länder vor. Ritz (2002) entwickelt eine
Evaluationsmethodik für NPM-Reformen, welche die spezifischen Ziele und Begriffe
berücksichtigt.138 Für Deutschland sei die Bestandsaufnahme der Verwaltungsreformen
durch das Deutsche Institut für Urbanistik (2005) genannt. Diese bezieht sich nicht
dezidiert auf NPM, sondern auf das NSM und einzelne Verwaltungsreformelemente. In
einer repräsentativen explorativen Erhebung in 2004 wurde der Reformstand in den
deutschen Kommunalverwaltungen ermittelt, welcher den Inhalten des empirischen Teils
dieser Arbeit nahe kommt: Es dominieren in Deutschland Einzelreformen auf den Gebieten
des Haushalts- und Rechnungswesens und der Prozessoptimierung mit den Zielen der
Effizienzsteigerung und Bürgerorientierung gegenüber den ganzheitlicheren Steuerungs-
konzepten in der Schweiz.139 Generell wird bemängelt, dass sowohl evaluatorische
(Performanz-)Studien von erfolgten NPM-Reformen als auch die Wirkungsevaluation von
politischen Maßnahmen bei erfolgter NPM-Umsetzung nur gering verbreitet sind, zumal
NPM die kritische Hinterfragung politischen Handelns als zentralen Reformbestandteil
fordert.140 Seit einigen Jahren gewinnt jedoch die evaluatorische Forschung im öffentlichen
Sektor zunehmend an Bedeutung.141
Die aufgeführte Literatur bezieht sich ausdrücklich auf das New Public Manage-
ment. Daneben existiert eine große Bandbreite an Veröffentlichungen zum Public
Management, zum NSM und zur Öffentlichen Betriebswirtschaftslehre, welche eine
erhebliche Schnittmenge in der theoretischen Konzeption des öffentlichen Sektors und in
der konkretisierten Ausgestaltung zum NPM aufweisen.142
137 Mit eingeschränktem NPM-Bezug, jedoch internationaler Perspektive vgl. Wollmann (2003). 138 Vgl. Ritz (2002), S. 18-25. Diese Methodik kam hier u. a. nicht zur Anwendung, da die vertiefte Analyse
der Mikro-Ebene im Vordergrund stand. 139 Vgl. Deutsches Institut für Urbanistik (2005), S. 12 f., 17 f.; vgl. auch eine Studie der Hans-Böckler-
Stiftung zur NSM-Wirkung mit positiven Ergebnissen bezüglich realisierter Einsparungen, die jedoch von den Autoren kritisch beurteilt werden: Bogumil/Kuhlmann (2006a), S. 357-367.
140 Vgl. Bogumil/Kuhlmann (2006a), S. 349 f.; Ritz (2002), S. 1. 141 Vgl. z. B. Kuhlmann/Bogumil et al. (2004) bzw. speziell Speier (2002) und Hunold (2003) zur
Einführung der KLR in Kommunalverwaltungen; vgl. Bogumil/Grohs et al. (2007) zur NSM-Einführung in deutschen Kommunen; vgl. Killian/Richter et al. (2006) zur Ausgliederung und Privatisierung in Kommunen; vgl. Bogumil/Holtkamp et al. (2007) mit einer kritischen Evaluation der NSM-Einführung, insbesondere hinsichtlich verfehlter finanzieller Konsolidierungsziele, vgl. ebenda, S. 45-50.
142 Vgl. Bals (2008); Blanke/Einemann et al. (2005); Bouckaert/Halligan (2008); Bovaird/Löffler (2003); Budäus (1998); Buschor/Schedler (1994); Grimberg (2004); Hieber (2005); Jann/Röber (2006b); Kettl (2005); Kiesel (2005); Kissler/Bogumil et al. (1997); OECD (1995); Politt/Bouckaert (2004); Pricewa-terhouseCoopers (2009); Schmidt (2004); Winter (2005).
62 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
3.4 Zur theoretischen Fundierung von NPM
Es gibt bislang keine eigenständige, in sich geschlossene Verwaltungsreformtheorie.143
Ausgehend von Erkenntnissen der Theorien des Staats- und Marktversagens bedient sich
NPM bei seinem theoretischen Fundament – nicht immer widerspruchsfrei – bereits
existenter ökonomischer Ansätze,144 die sich mehrheitlich unter dem Begriff Moderne
Institutionenökonomik subsumieren lassen:
Public Choice (Neue Politische Ökonomie) untersucht Situationen des Staats-
versagens, indem es ökonomische Theorien, insbesondere die neoklassische Wirtschafts-
theorie und Mikroökonomik, auf politikwissenschaftliche Ansätze überträgt. Menschliches
Verhalten – und damit das Handeln von Politikern, Parteien, Wählern, Verwaltungen und
Interessenverbänden – wird als rational angesehen, Nutzenmaximierung wird unterstellt.
Die Anwendung des methodologischen Individualismus impliziert, dass politische
Prozesse aus der Aggregation der Handlungen von eigennutzmaximierenden Individuen
mit jeweils eigener Präferenzstruktur erklärt werden können.145 Die Bürokratietheorien
Niskanens und Downs finden im Kontext von Public Choice ebenfalls Niederschlag im
NPM.146 Das Bild des Bürokraten ist demnach ein gänzlich anderes als das des stetig
loyalen und selbstlosen bei Weber. NPM kann als der Versuch gesehen werden, durch
Gestaltungsempfehlungen den Eigennutz der Akteure im öffentlichen Sektor in eine
Gemeinwohlmaximierung zu lenken.147
Die zweite Theorie, auf die NPM Bezug nimmt, ist die im Wesentlichen auf Ronald
Coase zurückgehende Neue Institutionenökonomik (NIÖ)148. Als Institutionen werden
u. a. Unternehmen, Märkte, Verträge, Demokratie, Staat, Verfassung verstanden. Der
ökonomische Austausch zwischen diesen Institutionen wird mit dem Ziel analysiert, die
Struktur, Verhaltenswirkungen, Effizienz und den Wandel der Institutionen zu erklären.149
Drei zentrale Ansätze gehören zur NIÖ und spielen für NPM eine bedeutende Rolle:
Die Property-Rights-Theorie unterscheidet vier Typen von Verfügungsrechten:
die Güternutzung, Güterveränderung, Güterveräußerung und die Gewinnaneignung.
Inhaber von Verfügungsrechten sind Nettonutzenmaximierer, was den Anreiz mit sich
bringt, Erträge zu behalten und Kosten auf andere Institutionen abzuwälzen. Daraus lässt
143 Vgl. Walkenhaus/Voigt (2006), S. XIII. 144 Vgl. Reinermann (2000), S. 38, 130-134; Thom/Ritz (2006), S. 15. 145 Vgl. Budäus (1998), S. 4; Reichard (2006), S. 285; Thom/Ritz (2006), S. 15 f. 146 Vgl. Reinermann (2000), S. 64-71. 147 Ebenda, S. 40. 148 Vgl. Coase (1984), S. 229 ff.; Reinermann (2000), S. 77-94. 149 Vgl. Lane (2000), S. 9; Reichard (2006), S. 285; Thom/Ritz (2006), S. 18 f.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 63
sich folgern, dass die Verfügungsrechte möglichst vollständig bei einer Institution liegen
sollen, damit keine externen Effekte produziert werden. Dies ist der theoretische Ursprung
für die NPM-Forderungen nach Zusammenführung von Fach- und Ressourcen-
verantwortung an eine einzige Stelle und eigenverantwortlichem Verwaltungshandeln in zu
schaffenden Freiräumen.150
Die Principal-Agent-Theorie untersucht das Verhältnis und die Anreizwirkungen
zwischen dem Auftrag erteilenden Prinzipal und dem ausführenden Agenten. Durch die
bestehende Informationsasymmetrie (hidden information) kann es zu hidden action,
adverse selection und moral hazard kommen, die sich ggf. zu Ungunsten des Prinzipals
auswirken. Bei unterstellter Eigennutzmaximierung bestehen Zielkonflikte zwischen
Prinzipal und Agenten, die es zu harmonisieren gilt, z. B. durch Anreiz-, Kontroll- und
Informationsmechanismen. Dies schlägt sich in den NPM-Ansätzen zum Personalwesen,
Kontraktmanagement und Berichtswesen/Controlling nieder.151
Der dritte und letzte Ansatz innerhalb der NIÖ ist die auf Ronald Coase und Oliver
Williamson zurückgehende Transaktionskostentheorie. Als Transaktionskosten werden
die Verhandlungs-, Informations-, Vertrags-, Kontroll-, Durchsetzungs- und Anpassungs-
kosten definiert. Ihre Höhe wird durch begrenzte Rationalität, opportunistisches Verhalten
bei unvollständiger Information und die Häufigkeit von Transaktionen beeinflusst.
Unterschiedliche institutionelle Arrangements werden daraufhin analysiert, in welcher
Konstellation die Summe aller Produktions- und Transaktionskosten die niedrigste ist.
Dabei gilt es, eine Kongruenz zwischen den Charakteristika der Institution (z. B. Markt,
Hierarchie, Netzwerk) und den Charakteristika der Transaktionsabwicklung herzustellen.
Dies ist die richtungsweisende Basis bei Überlegungen innerhalb des NPM zur staatlichen
Leistungstiefe, Privatisierungen und Outsourcing/make-or-buy-Entscheidungen und
Bürgerämtern.152
Starken Einfluss hat auch der Managerialismus auf NPM ausgeübt. Der bis heute
mit Abwandlungen gültige und praktizierte Managementzyklus mit den Stationen
Vorschau und Planung, Organisation, Leitung, Koordination und Kontrolle geht auf Henri
Fayol zurück, der seine Erkenntnisse bereits 1916 wenige Jahre nach dem Taylorschen
Scientific Management veröffentlichte. Eine Voraussetzung zur Entfaltung der Produktivi-
tätssteigerung durch Management sind ausreichend große Handlungsspielräume. Daraus
erklären sich u. a. die NPM-Forderungen nach dezentraler Ressourcenverantwortung,
150 Vgl. Fritsch/Wein et al. (2007), S. 8 ff.; Thom/Ritz (2006), S. 19. 151 Vgl. Fritsch/Wein et al. (2007), S. 282-299; Thom/Ritz (2006), S. 20. 152 Vgl. Fritsch/Wein et al. (2007), S. 10-14; Lane (2000), S. 9; Thom/Ritz (2006), S. 20f.
64 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
Deregulierung, ferner auch die Weiterentwicklung des Rechnungswesens, Zielverein-
barungen, leistungsorientierte Entlohnungssysteme und veränderte Führungsstile.153
Weitere Anleihen von NPM sieht Reinermann bei der Systemtheorie, der Chaosfor-
schung und der Informatik.154
3.5 Wesentliche Instrumente und Konzeptionen von NPM
Vergleichbar dem theoretischen Bezugnahmen bedient sich NPM auch in seinen
Gestaltungsempfehlungen teilweise bereits existenter Instrumente. Bei den nachfolgend
dargestellten Konzepten, insbesondere im Rechnungs- und Personalwesen, resultiert daher
eine große Schnittmenge zu Inhalten betriebswirtschaftlicher Disziplinen. Auf dieser
funktionalen Ebene gibt es ebenso Überschneidungen mit dem NSM und zu Verwaltungs-
reformen.
3.5.1 Gewährleistungsstaat, Wirkungsorientierung und Kontraktmanagement
NPM fordert den Wandel vom produzierenden Staat zum Gewährleistungsstaat155: Die
Aufgabenbreite des Staates wird nach wie vor von den demokratischen Instanzen
bestimmt. Die Leistungstiefe wird jedoch gegenüber dem Wohlfahrtsstaat differenziert
gestuft und beschränkt, vgl. Tab. 12; der Staat führt nur noch den Kernbereich (Stufe 1)
persönlich aus:
Stufe Beschreibung Verantwortung /Ausführung Beispiele
1 Kernaufgaben staatlichen Handelns
Vollzugsverantwortung und Ausführung ausschließlich und
zwingend beim Staat
Bundeswehr, Polizei, Rechtsschutz, Finanzverwaltung
2 Periphärbereich staatlichen Handelns
Staat hat nur Gewährleistungs-verantwortung, Ausführung nicht
zwingend durch Staat
Daseinsvorsorge und Intendanturdienste (Altenpflege, Schwimmbäder, Jugendhilfe,
Kindergärten), Planungsleistungen
3 Privatisiertes Handeln
Ausführung durch Private Staat überwacht und reguliert
Wohnungsbaugesellschaften, Banken, Versicherungen, Versorger, sonstige
Unternehmensbeteiligungen
Tab. 12: Drei Ebenen der staatlichen Leistungstiefe
Quelle: In Anlehnung an Blanke/Einemann et al. (2005), S. 456; Walkenhaus (2006), S. 323.
153 Vgl. Buchholtz (2001), S. 88; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2003), S. 18; Thom/Ritz (2006),
S. 21 ff. 154 Vgl. Reinermann (2000), S. 51-63, 95-124. 155 Vgl. Budäus (1998), S. 3; Kettiger (2004), S. 211 f.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 65
Auch wenn der Staat die Produktion nicht zwingend vollziehen muss (zu den Formen der
Privatisierung vgl. Kap. 3.5.4), trifft ihn dennoch die Gewährleistungsverantwortung für
die Erfüllung. Die ermöglichende Funktion des Gewährleistungsstaats bezieht auch private
Akteure mit ein, ohne ihnen detaillierte Umsetzungswege vorzuschreiben. Privatisierung
geht mit Regulierung einher, wobei Letzteres zu einer wesentlichen Aufgabe des
Gewährleistungsstaats wird. Daher ist weniger von Bedeutung, wie die Eigentumsver-
hältnisse sind, sondern eher wie die Steuerungsmechanismen, Verfügungsbefugnisse und
Einflussmöglichkeiten gestaltet werden. Der ideologische Antagonismus zwischen Neo-
Liberalismus mit dessen Gefahr des Marktversagens und dem Sozialstaat mit dessen
Gefahr des Politik- und Staatsversagens wird aufgehoben, weil sich der Gewährleistungs-
staat zwischen beiden Polen bewegen kann.
NPM postuliert (vgl. Abb. 13), die utilitaristische Nutzenorientierung mit der deon-
tologischen Pflichtenethik zu vereinen, indem Letztere zur Zielfindung im demokratischen
System angewendet wird, und Erstere bei der Realisierung der Ziele:156
Instrumente Zielfindungsverfahren des NPM des NPM
Abb. 13: Legitimationsquellen des NPM
Quelle: Schedler/Proeller (2006), S. 33.
Daraus folgt teilweise eine Entpolitisierung der Leistungserstellung im öffentlichen Sektor.
Das gegenwärtig dominante Legalitätsprinzip, demzufolge jedes staatliche Handeln und
jeder Verwaltungsakt auf Gesetzen, Verordnungen etc. beruhen muss (vgl. Art. 20 Abs. 3
GG), wird im NPM zu Gunsten des dazu im Spannungsverhältnis stehenden Leistungs-
156 Vgl. Kettiger (2004), S. 212 ff.; Schedler/Proeller (2006), S. 31-36; Schuppert (2006), S. 150 ff.
Utilitarismus Pflichtenethik
Primat des Nutzens Primat der Politik
Output-Optik: „nützlich“
Input-Optik: „demokratisch“
Marktgesetze Politische Gesetze
New Public Management
66 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
prinzips geschwächt. Dies soll mehr Einzelfallgerechtigkeit, mehr Wirtschaftlichkeit, eine
Beschleunigung von Entscheidungsprozessen und damit eine stärkere Flexibilität und
Agilität auf den Märkten bewirken, ferner auch eine Befreiung von diversen rechtlichen
Zwängen des öffentlichen (Dienst-)Rechts, besonders wenn die Entpolitisierung mit einer
Privatisierung einhergeht.157
Problematisch ist dennoch die noch nicht hinreichend entwickelte, dem Gewährleis-
tungsstaat entsprechende Konzeption des Gewährleistungsverwaltungsrechts. Dieses
müsste vor allem eine Regulierungskonzeption enthalten, welche die notwendigen
Steuerungstechniken festlegt.158 Der Legitimationszwang des Verwaltungshandelns wurde
noch nicht mit ausreichenden Spielräumen ausgestattet, um die nutzenorientierte Seite des
NPM voll zur Entfaltung zu bringen. Dies ist auch mit Schwierigkeiten behaftet, weil z. B.
die Unparteilichkeit und weitere Werte des Verwaltungshandelns in Widerspruch zu den
utilitaristischen Werten stehen.
Das Erreichen der intendierten Wirkungen tritt im NPM als drittes Legitimations-
erfordernis staatlichen Handelns zu den beiden herkömmlichen hinzu (Demokratieprinzip:
Legitimation staatlichen Handelns durch Basierung auf demokratischen Willens- und
Entscheidungsprozessen bzw. Staatskonstitution als Rechtsstaat: Legalitätserfordernis für
staatliches Handeln und daher Garantie des Schutzes des Individuums vor dem Staat durch
gesicherte Grundrechte). Dies wird die Wirkungsorientierung des Verwaltungshandelns
genannt.159 Aus einem Mitteleinsatz (Input) entstehen in einem Produktionsprozess
Leistungen (Output). Diese lösen bei den direkt Betroffenen unmittelbare Wirkungen
(Impact) aus, die wiederum mittelbare gesamtgesellschaftliche Wirkungen bzw. Nutzen
(Outcome) generieren (vgl. Kap. 1.8). 160
Die Anwendung dieses Zyklus als Steuerungsinstrument setzt klare und differen-
zierte Zielvorstellungen in den einzelnen Politikfeldern und das Wissen über dazugehörige
Wirkungsketten samt Kausalitäten von Einzelmaßnahmen voraus.161 Im Bereich des
Kulturbetriebs könnte der beschriebene Zyklus beispielhaft wie folgt aussehen (Abb. 14):
157 Vgl. Arndt/Rudolf (2000), S. 34 f.; Haiber (1997), S. 2; Thom/Ritz (2006), S. 26 ff. 158 Vgl. Schuppert (2006), S. 151 f. 159 Vgl. Kettiger (2004), S. 215 , Schedler (2004), S. 144; Schedler/Proeller (2006), S. 8 f. 160 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 219 f.; ähnlich auch bei Bouckaert (2006), S. 120 f. 161 Vgl. Schedler (2004), S. 125
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 67
Abb. 14: Zwei für den Kulturbetrieb konkretisierte und interdependente Wirkungsketten gemäß NPM
Quelle: Eigene Konkretisierung, Systematik in Anlehnung an Buchholtz (2001), S. 44f.; Schedler/Proeller (2006), S. 72-75; Schmidt (2006), S. 50; Thom/Ritz (2006), S. 219f., 253.
NPM fordert die Outputorientierung anstelle der in der Kameralistik und parlamentari-
schen Haushaltsbeschlüssen üblichen Inputorientierung,162 die den Mitteleinsatz und damit
die Gesamttätigkeit der Verwaltung und der öffentlichen Betriebe in fein untergliederten
Titeln festlegt. Zur Wahrung demokratischer Prinzipien bleibt es dem Parlament
unbenommen, im Einzelfall operative Fragen oder den konkreten Input zu regeln.163
Im Rahmen des Kontraktmanagements werden Leistungs- bzw. Zielvereinbarun-
gen als Steuerungsinstrument getroffen, in denen klar ausformulierte und operationalisierte
Ziele festgelegt werden. Sie konkretisieren, auf welchem Weg die übergeordnete politische
Zielsetzung realisiert werden soll, und greifen damit auf die Wirkungskette zurück.
Dadurch sind sie ein Mittel, um die Effektivität staatlichen Handelns zu erhöhen.
Kontrakte werden sowohl zwischen Regierung und Verwaltung (Managementvereinba-
rung) als auch verwaltungsintern (Quasi-Marktkontrakt) und zwischen Verwaltung und
externen, privaten Leistungsanbietern (Marktkontrakt) geschlossen.
162 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 5; Wagner (1995), S. 208 f. In der Literatur wird zumeist lediglich die
Outputorientierung genannt, konsequenterweise müsste darüber hinausgehend regelmäßig die Outcome-Orientierung gefordert werden. Auch die Effizienzkriterien müssten diesbezüglich angepasst werden, etwa die Relation von Outcome zu Input als zentraler Effizienzmaßstab.
Politische Zielsetzung
Input
Produktions-/Vollzugsprozess
Output
Outcome
Impact
Standortattraktivität für Bürger, Unternehmen und Touristen
Jährliche Zuwendungen an Kulturbetrieb durch Globalbudget
In Kontrakten definiertes Angebot von Konzerten, Opern etc.
Aufführungen durch Kulturbetrieb
Steigerung Nutzenniveau u. Nach-fragebefriedigung bei Besuchern
Umwegrentabilitäten, Spill-Over Effekte, Imagegewinn
Steigerung der kulturellen Bildung
Sonderzuwendungen für musikpädagogisches Angebot
Kontrakt über zielgruppen-spezifisches Kulturangebot
Musikvermittlung durch Kooperationsprojekte mit
Schulen
Annäherung an neues Publikum, Interesse/Inspiration
wird geweckt
Persönlichkeitsentwicklung, Er-schließung neuer Besuchergruppen
Wirkungsreihenfolge gemäß NPM
Konkretisierung 1 Konkretisierung 2
68 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
Entscheidungen über die operative Ausführung verbleiben beim Leistungserbringer; der
Kontrakt fungiert lediglich als Richtschnur. Die Konditionen werden nicht mehr per
obrigkeitliche Anweisung, sondern eher in partnerschaftlicher Willensbildung bestimmt.
Zu den Inhalten eines Kontrakts gehören Qualität und Quantität von Produkten oder
sonstigen Leistungen, zeitliche Verfügbarkeit, Preise und die Geltungsdauer.164 Zur
Umsetzung müssen Kontrollmechanismen etabliert und ggf. Sanktionen bei Verstößen
vereinbart werden.165
Bei Anwendung eines Wirkungsmodells als Basis eines Kontrakts bedarf es einer
durch Indikatoren und Kennzahlen operationalisierten Kausalkette, die Leistungen und
Wirkungen in gegenseitige Beziehung setzt. Hierin liegt angesichts von Interdependenzen,
time lags, Forschungslücken, Nebenwirkungen, Definitionsschwierigkeiten etc. ein
erhebliches Umsetzungshindernis166. Die gegenseitige Einigung auf Kennzahlen und Mess-
bzw. Hilfsgrößen setzt u. U. einen Diskussionsprozess auf hohem fachlichen Niveau und
Wissensstand voraus. Letztlich sollen Kontrakte direktes staatliches Handeln und Steuern
reduzieren und so zu mehr Effizienz führen. Kritisch ist anzumerken, dass schlecht
verhandelte oder unvollständige Verträge sowie asymmetrische Informationsverteilung
und mögliche Korruption die Effizienz beeinträchtigen können.167
Die Umsetzung dieser Konzepte erfordert eine Staatsreform, die auf der hohen
Ebene der Staatsleitung angesetzt werden muss. Hierbei wird erneut ersichtlich, dass NPM
zwar auch eine Verwaltungsreform bedeutet, aber deutlich darüber hinausgeht. Für das
Zusammenspiel von Parlament, Regierung und Verwaltung sind neue, rechtlich definierte
Steuerungsinstrumente erforderlich, die seitens NPM (noch) nicht allgemeingültig definiert
wurden,168 was angesichts der internationalen Systempluralität und individuellen
Anpassungsbedürftigkeit von NPM-Implementationen auch nicht verwundert. Die
folgenden Beispiele solcher Steuerungsinstrumente beruhen auf einem verbreiteten
Konzept von Mastronardi169: Mit dem Leistungsauftrag kann das Parlament direkt
gegenüber der Verwaltung mehr oder weniger detailliert bestimmten, welche Ziele durch
welche Verwaltungsprodukte zu erreichen sind, inklusive der zugehörigen Messindikato-
ren. Alternativ dazu kann das Parlament in Ausübung seiner Funktion des generellen
Richtliniengebers per Beschluss der Regierung einen entsprechenden Auftrag erteilen, die
163 Vgl. Mastronardi (2004), S. 90 f. 164 Vgl. Lane (2000), S. 10 ff.; Schedler/Proeller (2006), S. 56, 155 ff.; Thom/Ritz (2006), S. 248 f. 165 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 161 f. 166 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 251-256. 167 Vgl. Lane (2000), S. 152-157. 168 Vgl. Schedler (2004), S. 128 f. 169 Vgl. Mastronardi (2004), S. 88 f.; Schedler/Proeller (2006), S. 155-163; andere Implementationswege z.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 69
ausführende Verwaltung mit Leistungsvereinbarungen zu steuern und zu kontrollieren.
Gemäß diesen Steuerungsinstrumenten wird die Gewaltenteilung stärker durch
Kooperation, Zielorientierung und -vorgabe sowie Freiräumen bei den ausführenden
Organen vollzogen. Schedler fordert für den effizienten Einsatz dieser Steuerungsinstru-
mente ein politisches Controlling, welches aber noch detailliert entwickelt werden
muss.170
Ein in ähnliche Richtung gehender Ansatz dürften Evaluationen von einzelnen
staatlichen Gesetzen, Programmen, Institutionen, Reformen, Produkten etc. sein, wie sie
verstärkt in der Schweiz praktiziert werden. Sie untersuchen u. a. intendierte und nicht
intendierte Wirkungen staatlichen Handelns und den daraus entspringenden Nutzen, also
das komplizierte kausale Geflecht zwischen Output, Impact und Outcome. Aus den
Ergebnissen dürfen wesentliche Erkenntnisse zur Steigerung der Effektivität erhofft
werden.171
3.5.2 Produktkataloge, Globalbudgets und dezentrale Ressourcenkompetenz
Produktkataloge sind eine künstlich geschaffene Basis für die betriebliche Leistungs- und
Wirkungssteuerung auf der Output-Ebene, Politikformulierung und Evaluierung, so dass
Entscheidungen treffsicher abgeleitet werden können. Als Produkte kommen die im
Außenverhältnis zu erbringenden Dienstleistungen und Aufgaben in Betracht, für die es
eine nachfragende Kundschaft gibt. Sie müssen differenzierbar, hinreichend bestimmt, in
Qualität und Quantität messbar, steuerungsrelevant sein und das Zielsystem der Institution
berücksichtigen. Ihrer Definition kommt eine große Bedeutung zu, denn sie sind die
Grundlage für Verwaltungsleistungen hinsichtlich der Vorgabe, Messung, Kalkulation,
Qualitätsverbesserung, Aufgaben- und Finanzplan, KLR, Budgetierungen und Kontrolle.
Ferner sollen sie Kosten bzw. Deckungsbeiträge transparent machen. Daher bietet es sich
an, die Produkte als Kostenträger in der KLR zu verwenden. Mehrere verwandte
Einzelprodukte können zu Produktgruppen zusammengefasst werden; deren Gesamtheit ist
der Produktkatalog. Höhere staatliche Instanzen befassen sich eher mit Produktgruppen,
niedrigere Instanzen mit einzelnen Produkten. Bislang sind Produktdefinitionen
weitgehend ein verwaltungsinterner Prozess. Weil die Definition von Produkten und
Messindikatoren jedoch auch von politischem Interesse ist, sollten die Politik und
demokratische Instanzen mittelfristig miteinbezogen werden. Als Gestaltungsempfehlung
B. bei Thom/Ritz (2006), S. 32.
170 Vgl. Schedler (2004), S. 128 f. 171 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 197-206.
70 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
für Definitionen gilt, dass Produkte aus Sicht des Leistungsabnehmers formuliert werden
sollten. Die Gesamtzahl der definierten Produkte muss zwar ein Mindestmaß erfüllen,
sollte aber nicht zu hoch sein, um eine Steuerbarkeit mit möglichst wenig Aufwand zu
ermöglichen. Problematisch wird die Produktdefinition bei verwaltungsinternen Produkten
oder öffentlichen Gütern, z. B. Umweltschutz, welche nicht abgesetzt werden und daher
keine originären Geldwerte besitzen.172
Im Rahmen von Kontrakten wird auch über das Mittelvolumen für die Herstellung
von Produkten oder Produktgruppen entschieden. Organisationseinheiten können dabei
Steuergelder als Globalbudget (auch Globalhaushalt genannt) gekoppelt mit Leistungs-
bzw. Wirkungsvereinbarungen als „globale“ Netto-Gesamtsumme zugewiesen werden, die
entweder für bestimmte Produkte/Produktgruppen oder bestimmte Ämter/Dienststellen
gebunden ist. Finanz- und Leistungsseite werden somit verknüpft. Die Finanzseite wird
nicht mehr im Haushaltsplan der Gebietskörperschaft mit separaten Einnahmen und
Ausgaben geführt, sondern es wird saldiert. Der Grad der Outputorientierung kann in
Abhängigkeit von der Wahl der Bemessungsgröße für die Höhe des Budgets variieren. So
stellen beispielsweise Produktpreise multipliziert mit der Abnahmemenge eine hohe
Outputorientierung dar bzw. der pauschale Betriebskostenzuschuss den gegenteiligen Fall
einer Inputorientierung. Auch eine Mischform mit fixem Anteil und variabler Mengen-
komponente ist denkbar. Nicht nur die Bemessung, sondern auch die Handhabung und
damit die traditionellen Budgetprinzipien erfahren mit dem Globalbudget eine
Liberalisierung und Outputorientierung: So ist etwa die sachliche Mittelbindung für
einzelne Aufwandsarten nicht mehr zwingend vorgegeben (d. h. Abkehr von dem
Grundsatz der Spezifikation hin zur gegenseitigen Deckungsfähigkeit der Haushaltsmittel),
was den ausführenden Betrieben und Verwaltungen mehr Handlungsspielräume gibt
(dezentrale Ressourcenkompetenz).173 Zusätzliche Aufwendungen können – im
Gegensatz zur reinen kameralistischen Lehre – getätigt werden, auch ohne dass sie
budgetiert sind, wenn ihnen zusätzliche Einnahmen gegenüberstehen (Nettoprinzip). Falls
das Budget nicht vollständig aufgebraucht wurde, muss dies nicht zwangsläufig zu einer
Budgetkürzung im Folgejahr führen, was traditionell das sog. „Dezemberfieber“
heraufbeschworen hat, sondern kann zu einem zu vereinbarenden Prozentsatz oder
vollständig bei der Institution verbleiben. Diese vergrößerten Freiheiten für eigenständiges
Wirtschaften sollen zu mehr unternehmerischem Handeln und zu mehr Effizienz führen.174
172 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 281, 456 f.; Mastronardi (2004), S. 95; Schedler (2004), S. 130 f. 173 Vgl. Brede (2005), S. 117 f.; Schedler (2004), S. 138 f.; Schedler/Proeller (2006), S. 165 ff. 174 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 457; Brede (2005), S. 117 f.; Mastronardi (2004), S. 88 f.;
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 71
3.5.3 Wettbewerbsorientierung und stärkere Nutzung von Marktmechanismen
Mit Wettbewerbsorientierung ist im NPM nicht die pauschale Forderung nach Privati-
sierung von staatlicher Produktion gemeint, sondern primär die Anwendung von
vorhandenen oder teils konstruierten Marktmechanismen bei der staatlichen Leistungser-
stellung zur Verbesserung der Allokation. Die Vorteile des Marktes werden für staatliche
Güter und Dienstleistungen implementiert. Dabei stehen die staatlichen Institutionen als
Marktteilnehmer zueinander oder auch in Konkurrenz zu privaten Anbietern im
Wettbewerb. Angesichts von Zuwendungen, Subventionen und einschränkendem
öffentlichen Recht muss auf Chancengleichheit geachtet werden.175 Der vom Wettbewerb
ausgehende Druck und die Orientierung an best solutions/best practice vergleichbarer
Institutionen bzw. Konkurrenten führen bestenfalls zu einer mittelfristig gesteigerten
Effizienz durch interne Rationalisierung.176 Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil
die Verwaltung zu schleichenden Wachstums- und Veränderungsprozessen neigt.177
Die Anwendung kann in drei Formen geschehen: Der nicht-marktliche Wettbe-
werb umfasst interne Leistungsverrechnungen zwischen Institutionen des öffentlichen
Sektors, Leistungsvergleiche, Benchmarking und Qualitätswettbewerb, und setzt damit auf
Transparenz und Vergleiche. Er findet überall dort Einsatz, wo es kein privatwirtschaftli-
ches Konkurrenzangebot gibt. Gleiches gilt für den quasi-marktlichen Wettbewerb, bei
dem innerhalb des öffentlichen Sektors Wettbewerbssurrogate künstlich geschaffen
werden, z. B. durch interne Ausschreibungen, Kontrakte mit Verantwortungsdelegation im
Rahmen der Dezentralisierung oder durch die Aufhebung von geographisch bedingten
Monopolen. Der dritte und letzte Typus ist der marktliche Wettbewerb, bei dem
entweder ausschließlich private Anbieter oder private und öffentliche Anbieter mit
Ausschreibungen und beim Contracting Out (vgl. auch Kap. 3.5.4) zueinander in
Konkurrenz gestellt werden.178
Thom/Ritz (2006), S. 256-260.
175 Vgl. Lane (2000), S. 10-12, 147-159; Schedler/Proeller (2006), S. 192-203. 176 Vgl. Pitschas (2004), S. 4. 177 Vgl. Walkenhaus/Voigt (2006), S. XIII. 178 Vgl. Haiber (1997), S. 318; Lane (2000), S. 10-12, 147-159; Schedler/Proeller (2006), S. 192-203.
72 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
3.5.4 Formen der Privatisierung und Public Private Partnerships
Die materielle (echte) Privatisierung der staatlichen Leistungserstellung ist die radikalste
Form der Staatsverschlankung, da die Eigentumsrechte und die Aufgabenerfüllung vom
Staat zu einem privaten Akteur übergehen.179 Der Betrieb als solcher existiert weiter.
Privatisierung bewirkt gemäß NPM Entpolitisierung. Diese wiederum führt zu einer
Beschleunigung von Entscheidungen, zu größeren Handlungsspielräumen und zu einer
stärkeren Orientierung am betriebswirtschaftlichen Kalkül bzw. an einer ökonomischen
Rationalität, damit idealerweise auch zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen.180 Dabei
kann es zu Konflikten mit Sachzielen kommen, die im öffentlichen Interesse stehen, z. B.
Qualitätszielen, Sicherheitsstandards oder langfristiger Strukturerhaltung.181 Hier müssen
Regelungen gefunden werden, beispielsweise durch Satzungen, Zielvereinbarungen in
Form öffentlich-rechtlicher Verträge,182 Zuwendungsverträge, ein begleitendes
Beteiligungscontrolling, die an die private Leistungserstellung verbindliche Bedingungen
knüpft, um die Anforderungen des öffentlichen Auftrags nicht zu gefährden.
Im Gegensatz zur materiellen Privatisierung wird beim Contracting Out (Auslage-
rung) eine staatliche Betriebsstätte, z. B. eine Sozialstation oder ein Bauhof, geschlossen
und damit einhergehend eine für den Bürger bestimmte Leistungserstellung insgesamt auf
den privaten Sektor übertragen. Dies geschieht in der Hoffnung, Rationalisierungs-
potenziale zu erschließen, etwa durch Wettbewerbsdruck in einem Ausschreibungsverfah-
ren. Es besteht die Notwendigkeit eines sorgfältig zu gestaltenden vertraglichen
Regelwerks.183
Von der materiellen ist die formelle (unechte) Privatisierung abzugrenzen. Bei ihr
erfolgt lediglich eine Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Betriebs in eine Eigengesell-
schaft mit privatrechtlicher Rechtsform. Dabei verbleiben die Eigentumsrechte und die
Haftung beim öffentlichen Träger. So kann je nach konkreter Ausgestaltung zwar mehr
Staatsferne und eine effizienzorientierte betriebsinterne Anreizstruktur erreicht werden,
aber nicht automatisch eine Markt- und Wettbewerbsorientierung. Die formelle
Privatisierung wurde beispielsweise bei vielen Kulturbetrieben vollzogen, die vom
Regiebetrieb in einen Eigenbetrieb oder eine öffentlich-rechtliche Stiftung umgewandelt
wurden (vgl. Kap. 2.2.1).184
179 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 232 f. 180 Vgl. Haiber (1997), S. 31-35. 181 Vgl. Haiber (1997), S. 11 f., 37. 182 Vgl. Mastronardi (2004), S. 116. 183 Vgl. Brede (2005), S. 42; Schedler/Proeller (2006), S. 202 f.; Thom/Ritz (2006), S. 233. 184 Vgl. Brede (2005), S. 39; Thiel (2003), S. 228.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 73
Das Outsourcing ist mit dem Contracting Out verwandt. Jedoch besteht der wesentliche
Unterschied darin, dass beim Outsourcing lediglich Teilleistungen innerhalb der nach wie
vor staatlichen Produktion zur Eigenversorgung und Entlastung des staatlichen
Auftraggebers auf Private übertragen werden. Dies geschieht im Rahmen von Kauf-,
Werk- oder Dienstleistungsverträgen, z. B. Reinigung, Pförtner und Besucherservice im
Kulturbetrieb.185
Bei Public Private Partnerships (PPP) gehen Staat und Private eine hybridartige
langfristige Kooperation zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben ein. Es findet also nicht wie
bei den zuvor genannten Privatisierungsformen eine Grenzverschiebung statt, sondern von
Beginn an eine strategische Allianz, wohingegen die operative Durchführung, z. B. bei
Finanzierung, Herstellung oder im Management, durchaus einseitig erfolgen kann. Ihr
Ursprung liegt in den USA der 40er-Jahre in der Politik des „New Deal“ des Präsidenten
Franklin D. Roosevelt, der auf die gemeinsame Verantwortung von Staat und Wirtschaft
abstellte. In der PPP werden Chancen, z. B. die Erzielung von Synergieeffekten,
Innovationspotenzialen und der Zutritt zu neuen Märkten, und unternehmerische Risiken,
etwa aus mehrschichtiger asymmetrischer Information und der free-rider-Problematik,
gleichermaßen geteilt. Hinsichtlich der Organisationsform kann sie in den Typologien der
informellen PPP, der vertraglich vereinbarten PPP oder in einer gemeinsamen Gesellschaft
existieren.186
Bei jeder Form der privaten Beteiligung muss bedacht werden, dass damit zum
einen ein Machtverlust der öffentlichen Hand einhergeht und zum anderen das private
Engagement sicherlich nur dann angeboten wird, wenn dieses finanziell lukrativ ist. So
kommt die Frage auf, warum der private Part nicht von der öffentlichen Hand selbst
geleistet wird. Dies zeigt den Bedarf einer differenzierten Auswertung mittels einer sog.
Privatisierungsformel, ob die Synergieeffekte aus Kooperationen, das eingebrachte Know-
how und die kurzfristigen Haushaltsentlastungen aus der privaten Beteiligung für die
öffentliche Hand auch langfristig einen positiven Netto-Nutzen bringen. Angesichts
drohender Macht- und Gewinnverluste wären die kurzfristigen Haushaltsentlastungen
andernfalls teuer erkauft.187
Deregulierung bedarf Aufsichtsämter und -behörden zur Eindämmung von Kom-
merzialisierungstendenzen und zur Gewährleistung der Sicherheit und Qualität der
Versorgung. Es darf nicht übersehen werden, dass sowohl die Deregulierungsmaßnahmen
185 Vgl. Brede (2005), S. 42 ff.; Deutscher Bühnenverein (2005), S. 4; Thom/Ritz (2006), S. 236 186 Vgl. Brede (2005), S. 39 ff.; Roggencamp (1999), S. 26-29, 44 f., 55 ff., 147-156; Thom/Ritz (2006),
S. 236-239.
74 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
als auch die Beaufsichtigung bürokratischen Aufwand verursachen und Ressourcen
verbrauchen (vgl. dazu die Hypothesen Downs188).
3.5.5 Bürger- und Kundenorientierung, Qualitätsmanagement
NPM kritisiert, dass der Staat und die Verwaltung die Eigenverantwortlichkeit und die
Freiheiten der Bürger in der Vergangenheit teilweise unterdrückt haben.189 In Ausübung
der herrschaftlichen Aufgaben hat der Bürger u. U. zu stark gespürt, dass er der staatlichen
Gewalt unterworfen ist.190
Dem entgegenwirkend möchte die Bürgerorientierung einen Kontrapunkt setzen.
Sie bedeutet die stärkere Einbeziehung der Bürger in Entscheidungen mit Mitteln der
direkten Demokratie, z. B. Bürgerentscheide und Bürgerbegehren. Auch die Direktwahl
der Bürgermeister und dessen gestärkte Machtposition gegenüber dem Rat sind
Maßnahmen zur vermehrten Orientierung am Bürgerwillen.191
Kundenorientierung heißt eine Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen in
der Art, dass das Angebot stärker der Nachfrage entspricht. Die Kundennähe der
Verwaltung soll steigen. Dies kann auch mit einer Qualitätssteigerung verbunden sein, die
inhaltlich von den Kunden bestimmt werden kann.192 Die inzwischen stark verbreiteten
kommunalen Bürgerbüros, in denen unterschiedlichste Bürger- und Unternehmerbelange
in einer zentralen Anlaufstelle mit meist großzügigeren Öffnungszeiten angenommen
werden, sind ein Zwischenergebnis von NSM und NPM. Es entsteht bestenfalls eine
Service- und Dienstleistungsmentalität im positiven Sinne, indem der Bürger als Kunde
freundlich und unterstützend behandelt wird; aus der „Ordnungskommune“ wird eine
„Dienstleistungskommune“.193 Eine Steigerung der Servicezufriedenheit wird durch eine
stärkere Partizipation der Kunden und durch Befragungen ausgeübt, was jedoch mit den
üblichen Problemen empirischer Sozialforschung und mit Kosten behaftet ist194. Ferner
dienen besonders öffentliche Güter der Gesamtbevölkerung und nicht nur nutzensteigernd
einzelnen Kunden, außerdem wirken sie langfristig. Dies erschwert die Bewertung durch
die Kunden. Überdies werden Kunden schnell zu Lobbyisten, die versuchen, ihre
Partikularinteressen durchzusetzen, zumal Kunden keine homogene Gruppe sind.
Besonders bei gewachsenen dezentralen Entscheidungsspielräumen in der Verwaltung
187 Vgl. Brede (2005), S. 46-50. 188 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 18. 189 Vgl. Pitschas (2004), S. 2. 190 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 457. 191 Vgl. Dose (2006), S. 343. 192 Vgl. Haiber (1997), S. 2. 193 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 457, 532 f.; Dose (2006), S. 343. 194 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 457; Mastronardi (2004), S. 91 f.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 75
eröffnet sich ein neues chancenreiches Betätigungsfeld für Lobby-Gruppen, die nicht im
Interesse der Allgemeinheit agieren müssen, etwa bei Genehmigungsverfahren im
Bauwesen, im Verbraucherschutz oder im Gesundheitssektor. Bei all diesen Aspekten wird
deutlich, dass der Kundenbegriff und dessen Folgen noch klarer definiert werden
müssen.195
Durch den Vergleich mit den vielfältigen Qualitätsverbesserungen in der Privat-
wirtschaft sind die Ansprüche der Bürger an die Produkte des öffentlichen Sektors stark
gestiegen. Daraus resultierte ein Anpassungsdruck zu Qualitätssteigerung und die
intensivierte Diskussion über öffentliche Haushalte.196 Die Steigerung der Servicequalität
und der Kundenorientierung sind Komponenten des Qualitätsmanagements. Verstanden
als umfassendes Total Quality Management (TQM), ist Qualität als Resultat einer Vielzahl
von nicht-linear zusammenhängenden Faktoren zu sehen. Alle Stakeholder und damit auch
die internen Organisationsmitglieder sind in die Betrachtung einzubeziehen. Das breit
angelegte Qualitätsverständnis bezieht sich auf Organisationsstrukturen und -systeme,
Prozesse, Potenziale und Ergebnisse. Die Umsetzung bedarf einer lernfähigen und
-willigen Organisation und Führung sowie einer praktizierten Qualitätspolitik. Auf
überbetrieblicher Ebene können auch Input, Output, Impact, Outcome und politisch-
administrative Prozesse einem Qualitätsmanagement unterzogen werden.197
3.5.6 Reformen des externen Rechnungswesens
Traditionell unterliegen die Institutionen des öffentlichen Sektors dem Rechnungssystem
der Kameralistik. NPM und die weiteren Reformstränge kritisieren an diesem System
u. a. die starke Input-Orientierung, die umständliche und fehleranfällige Verbindung mit
weiteren Büchern und Rechnungen (Vermögen/Anlagen, KLR, Investitionen etc.), die
schwierige Konsolidierung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten, die enge Fixierung auf die
Zahlungsebene ohne Erfolgs- und Reinvermögensausweis und somit mangelnde
Transparenz über den vollständigen Ressourcenverbrauch, unvollständige Periodenabgren-
zung und die Nicht-Berücksichtigung periodenübergreifender wirtschaftlicher
Zusammenhänge. Weitere Schwachstellen werden in dem kameralistisch geprägten
Haushaltsrecht gesehen, dabei dennoch mit der Kameralistik selbst kausal attribuiert, etwa
bei der eng definierten Zeit- und Zweckbindung von Haushaltsmitteln und dem daraus
resultierenden „Dezemberfieber“, welches durch dysfunktionale Anreize zu Unwirtschaft-
195 Vgl. Mastronardi (2004), S. 91 ff.; Schedler (2004), S. 154 f. 196 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 12 f. 197 Ebenda,, S. 186 ff.
76 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
lichkeit führen kann. Die Zielsetzung eines effizient arbeitenden, wirkungsorientierten
Gewährleistungsstaats scheint in der Kameralistik nicht realisierbar zu sein.198
Der kaufmännischen Buchführung (Doppik) wird dagegen zugesprochen, die be-
sagten Defizite beseitigen zu können. So verwundert es nicht, dass aufgrund der
Überlegenheitsannahme, zudem im Kontext von zahlreich erfolgten Ausgliederungen aus
der öffentlichen Kernverwaltung, die Doppik in den vergangenen zwei Jahrzehnten die
Kameralistik an vielen Stellen abgelöst hat.
198 Vgl. Bals (2008), S. 157 f.; Budäus (1998), S. 70 ff.; Fudalla/Wöste (2005), S. 27; Lüder (2001), S. 7-13;
Schedler/Proeller (2006), S. 175 f.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 77
Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Systemen der Buchführung werden in
nachfolgender Tab. 13 aufgeführt:
Kameralistik Doppik Ziel: Neutrale Darstellung von Zu- und Abfluss von Geld eines Etats, basierend auf Haushaltsplan mit Soll-Werten
Ziel: Vollständige, gewinnorientierte Darstellung von wirtschaftlichem Erfolg (GuV) und von Vermögen und Schulden (Bilanz) eines Betriebs
Einfache Buchführung (auf einem Konto), ggf. zweimalige Erfassung durch Soll- und Ist-Stellung oder im Sach- und Zeitbuch
Doppelte Buchführung (auf zwei Konten: Soll und Haben)
Geldverbrauchskonzept: Einnahmen und Ausgaben als Bezugsgrößen
Ressourcenverbrauchskonzept: Erträge und Auf-wendungen als Bezugsgrößen
Fast ausschließlich zahlungswirksame Vorgänge und Zahlungsanweisungen werden erfasst
Auch zahlungsunwirksame Vorgänge werden erfasst, z. B. Forderungen, Verbindlichkeiten, Abschreibungen
Keine vollständige Periodenabgrenzung bei Vorgängen, die sich auf mehrere Perioden beziehen, sondern Orientierung am Geldfluss
Periodenabgrenzung mittels Rechnungsabgren-zungsposten und weiterer Bilanzkonten
Keine explizite Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, da Prinzip des Ausgleichs von Einnahmen und Ausgaben
Betrachtung des wirtschaftlichen Erfolgs in der Gewinn- und Verlustermittlung (GuV)
Implizite Planvollzugskontrolle, da Soll und Ist getrennt ausgewiesen und Verknüpfung von Haushaltsvollzug, Mittelbewirtschaftung und Kassen, Vorausschätzungen prinzipiell möglich
Explizite Planvollzugskontrolle und Voraus-schätzungen mittels Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) und betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA)
Standardmäßig keine Erfassung von Schulden und Vermögen, daher vollständiger Einblick in wirtschaftliche Situation nicht auf Anhieb möglich, sofern keine Sonderbücher geführt werden
Umfangreicher Einblick in wirtschaftliche Situation auf Anhieb möglich
Kein einheitlicher Jahresabschluss, daher auch fehlende Entscheidungsgrößen und mangelnde Vergleichbarkeit mit anderen Betrieben
Einheitlicher Jahresabschluss, daher Entscheidungsgrößen und Vergleichbarkeit mit anderen Betrieben gegeben
Konsolidierungen und Einbeziehung von weiteren Gesellschaften bzw. Körperschaften problematisch
Konsolidierungen und Einbezug von weiteren Gesellschaften unproblematisch
Rationalität der Rechtmäßigkeit: Einhaltung der parlamentarisch beschlossenen Soll-Ansätze
Rationalität der Wirtschaftlichkeit: sparsamer Mittelverbrauch
Anreiz zur Ineffizienz durch Mittelkürzung bei Nicht-Ausschöpfen des Solls („Dezemberfieber“), sofern haushaltsrechtlich so vorgesehen
Anreiz zur Effizienz bei praktizierter Mittelübertra-gung ins Folgejahr, sofern haushaltsrechtlich so vorgesehen
Tab. 13: Gegenüberstellung von Kameralistik und Doppik
Quelle: Almstedt (1999), S. 265; Blanke/Einemann et al. (2005), S. 167f., 262 ff.; Brede (2005), S. 190-196; Haiber (1997), S. 42 ff., 66 ff.; Schedler/Proeller (2006), S 175f.
Daneben existieren Mischformen, etwa die Erweiterte Kameralistik mit Schnittstelle zur
KLR, die einige Vorteile der Kameralistik mit denen der Doppik verbindet. Der vielerorts
vollzogene oder bevorstehende Wechsel zur Doppik ist nach Ansicht Bredes eher der
Technisierung mit Standard-Software, negativen Vorurteilen über die Kameralistik und
dem Trend der wachsenden betriebswirtschaftlichen Ausrichtung der Verwaltung als ihrer
Nicht-Eignung zuzuschreiben. Dennoch räumt Brede ein, dass Nachteile der Kameralistik
wie die unvollständige Vermögens- und Schuldenerfassung, nicht vorhandene Wirkungs-
78 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
und Ergebnisrechnung und umständliche individuelle Einbettung einer KLR nicht von der
Hand zu weisen sind.199
Lüder (2001) hat mit dem Drei-Komponenten-Rechnungssystem (Abb. 15) eine
Weiterentwicklung des Rechnungswesens entworfen, welches auf Basis der Doppik die
Besonderheiten und die Bedürfnisse des öffentlichen Sektors berücksichtigt. Die drei
Komponenten bestehen aus einer Finanzrechnung mit integrierter Kapitalflussrechnung
(Cashflow-Rechnung), einer Vermögensrechnung (Bilanz), die auch die langfristigen
Verbindlichkeiten und das veräußerbare Verwaltungsvermögen erfasst, sowie der
Ergebnisrechnung (GuV):
Abb. 15: Drei-Komponenten-Rechnungssystem nach Klaus Lüder (Integrierte Verbundrechnung)
Quelle: Lüder (2001), S. 37; Saß (2005), S. 360.
Damit genügt das Drei-Komponenten-Rechnungssystem den Kriterien eines Full-Accrual-
Accounting-Konzepts mit sachlicher und zeitlicher Abgrenzung. Ein Haushaltsausgleich
bezieht sich nicht mehr auf die Liquiditätsebene, sondern auf die Vermögensrechnung
(Erträge = Aufwendungen), was eine stärkere Nachhaltigkeit und Generationengerechtig-
keit bewirken soll.200
Ähnliche Formen des Rechnungssystems kursieren in der Literatur und in der Pra-
xis auch unter den Begriffen Neues Öffentliches Rechnungswesen (NÖR), Neues
Kommunales Rechnungswesen (NKR) und Neues Kommunales Finanzmanagement
(NKF).201 Die Finanzrechnung kann als eine Integration des kameralistischen Haushalts-
plans in ein doppisches Gesamtsystem interpretiert werden. Mit den International Public
199 Vgl. Brede (2005), S. 194 ff. 200 Vgl. Bals (2008), S. 173; Haiber (1997), S. 65-73; Saß (2005), S. 361; Wagner (1995), S. 207 f. Dabei
kann je nach gesetzlicher Grundlage der jeweiligen Körperschaft der Ausgleich differenzierter definiert werden, etwa ohne Berücksichtigung außerordentlicher Ergebnisse oder mit der Möglichkeit der Einbeziehung von Rücklagen, vgl. Ade (2007), S. 266.
201 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 167-170.
Finanzrechnung
Einzahlungen
./.
Auszahlungen
(nach Arten gegliedert)
Liquiditätssaldo
Vermögensrechnung
Aktiva Passiva Kapital- Kapital- verwendung herkunft
Vermögen EK
Liquide FK Mittel
Ergebnisrechnung
Erträge
./. Aufwendungen
(nach Arten gegliedert)(verbunden mit KLR)
Ergebnissaldo
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 79
Sector Accounting Standards (IPSAS) und den Grundsätzen ordnungsgemäßer öffentlicher
Buchführung (GoöB) liegen Grundregeln der Rechnungslegung für den öffentlichen Sektor
vor.202
3.5.7 Reformen des internen Rechnungswesens
Die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) – als Bestandteil des internen Rechnungs-
wesens und als eine Informationsbasis des Controllings – ermöglicht vertikale, horizontale
und zeitliche Vergleiche. Dadurch wird ein Aussagegehalt zur Beurteilung der eigentlichen
Leistungs- und Wertschöpfungsprozesse gewonnen, welcher in der nach Titeln und
Haushaltsstellen gegliederten Kameralistik nicht ersichtlich ist. Somit wird in vielen
Kulturbetrieben durch die Einführung der KLR der Leistungs- und Wertschöpfungsprozess
erstmals ein expliziter und regelmäßig erhobener Betrachtungsgegenstand im Rechnungs-
wesen, welcher zur Steuerung und für Managemententscheidungen herangezogen werden
kann.
In der KLR müssen geeignete Kostenarten, -stellen und -träger definiert werden, die
auf dem Kontenplan, der Organisationsstruktur und den Produkten bzw. Output-
Leistungen basieren. Somit gibt es eine Verbindung zum externen Rechnungswesen und
zum gesamten betrieblichen Geschehen. Die Aufgaben der KLR bestehen auch im
öffentlichen Sektor aus Kontrolle (Kosten- und Erfolgsentwicklung, Wirtschaftlichkeit),
Planung, Information und Analyse (Preis- bzw. Gebührenkalkulation, Bereitstellung von
Informationen für betriebliche Entscheidungen, Optimierung der Leistungserstellung,
allgemeine Steuerung) sowie Dokumentation (Ermittlung von Herstellungskosten und
Selbstkostenpreisen). Die KLR schafft Transparenz über wirtschaftliche Zusammenhänge,
etwa zu den Kostenstrukturen (Fixkostenblöcke, Grenzkosten, Deckungsbeiträge,
Remanenzen etc.), die auch nach außen, z. B. gegenüber dem Zuwendungsgeber oder der
Öffentlichkeit, als Argumentations- und Legitimationsmittel verwendet werden können.
Ferner ermöglicht sie unter Einbeziehung weiterer Auswertungstechniken (z. B. der
Plankostenrechnung) im Gegensatz zur vergangenheitsorientierten Kameralistik auch
zukunftsorientierte Analysen. NPM fordert den Einsatz einer sektorspezifisch adaptierten
KLR als Führungsinstrument, nicht nur in den öffentlichen Betrieben, sondern auch in den
Verwaltungen. Dabei treten folgende spezifische Problemfelder im öffentlichen Sektor auf:
• die sinnvolle Definition von Kostenträgern,
• die Messung von quantitativ und/oder qualitativ schwer erfassbaren Leistungen,
202 Vgl. Budäus/Behm et al. (2004), S. 230.
80 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
• die geforderte kalkulatorische Internalisierung von ggf. aus der Gemein-
wohlorientierung resultierenden positiven bzw. negativen externen Effekten,
• die Berücksichtigung von Leistungsverflechtungen mit anderen öffentlichen
Institutionen, politischen Gremien bzw. interne Leistungsverrechnungen,
• die adäquate kalkulatorische Abbildung von langfristigem Werteverzehr im
Anlagevermögen zur Indikation eines Refinanzierungsbedarfs,
• die Erfassung und Implementierung des Mengengerüsts und
• die Schlüsselung der meist umfangreichen Gemeinkosten.
Da für das interne Rechnungswesen keine verbindlichen Vorschriften existieren, gibt es für
weiterführende Varianten der KLR, z. B. der Prozesskostenrechnung, Teilkostenrechnung,
Grenzplankostenrechnung oder noch zu entwickelnde Instrumente, keine grundlegenden
Barrieren.203 Becker/Weise räumen der Plankostenrechnung einen hohen Stellenwert zur
Wirkungsentfaltung der KLR im öffentlichen Sektor ein.204 Für die Gestaltung der KLR
sollten die Belange der betrieblichen Steuerung der maßgebliche Faktor sein, so dass das
individuelle Informationsbedürfnis durch die KLR gestillt werden kann.205
3.5.8 Die Controlling-Funktionen im NPM
Das Controlling hat dem Namen nach im Non-Profit-Sektor seinen Ursprung und somit
eine lange Tradition. Controller wurden bereits im 14. Jahrhundert in der Kirchenverwal-
tung und im 15. Jahrhundert in der britischen Staatsverwaltung eingesetzt. Bis ins
19. Jahrhundert waren sie ausschließlich im Staatsdienst für das kameralistische
Rechnungswesen, die Innenrevision und Zahlungsanweisungen tätig. Der erste Beleg einer
privatwirtschaftlichen Controllerstelle datiert auf 1880 in den USA.206 Insofern hat die
NPM-Forderung nach einem Verwaltungscontrolling gewisse anachronistische Züge, wenn
auch der Controlling-Funktion erhebliche Veränderungen und Erweiterungen widerfahren
sind:
Auf übergeordneter Ebene ist das Controlling durch eine Denk- und Arbeitshaltung
der informationsbasierten Steuerung und Zielorientierung charakterisiert, die durch
ihren intentionalen Charakter und eine bewusste Wahl der Methodik von der tradierten
Kultur des öffentlichen Sektors, nämlich der reaktiven und passiven Weisungs- bzw.
203 Vgl. Brede (2005), S. 199-206; Buchholtz (2001), S. 94-98; Budäus (1994), S. 255 ff.; Budäus (1998),
S. 61 ff.; Coenenberg/Fischer et al. (2009), S. 21ff.; Flury (2002), S. 96 ff.; Haiber (1997), S. 310-319; Schedler/Proeller (2006), S. 175-181; Schneidewind (2006), S. 101-137.
204 Vgl. Becker/Weise (2002), S. 184. 205 Vgl. Flury (2002), S. 108. 206 Vgl. Müller (2006a), S. 63.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 81
Vorschriftsausführung, stark abweicht.207 Dem Controlling liegt ein stetig zirkulierender
Regelkreis zu Grunde, der in seinen Schritten dem Fayolschen Managementzyklus (vgl.
Kap. 3.4) ähnelt: Gesetzte Ziele (Soll-Werte) werden mit den erreichten Ist-Werten
verglichen, Abweichungsursachen analysiert, Maßnahmen zur Gegensteuerung geplant
und umgesetzt sowie Ergebnisse gemessen und kommuniziert. Das setzt voraus, dass zuvor
die angestrebten Ziele systematisiert und die kybernetischen Prozesse gestaltet und
institutionalisiert worden sind, was auch zu den Controlling-Aufgaben gehört. Letztlich
sollen durch die Implementierung des Controllings – und diese Ziele sind ebenfalls nicht
originär im öffentlichen Sektor beheimatet – die Arbeitsabläufe und die wirtschaftlichen
Ergebnisse auf Basis geeigneter Analyseinstrumente nachhaltig verbessert und das Kosten-
bewusstsein geschärft werden.208
In einer weiter gefassten Definition kommt dem Controlling innerhalb des beste-
henden Führungssystems mit seinen Teilsystemen Ziele, Planung und Kontrolle,
Information, Personalführung, Organisation und Rechnungswesen/Budgetierung eine
koordinierende Funktion zu.209 Allen Ansätzen gemein ist die Funktion des Controllings
als interner Dienstleister: Die Verwaltungsleitung bzw. Geschäftsführung soll in den
Bereichen Prognose/Planung, Steuerung, Ermittlung/Dokumentation und Kontrolle durch
maßgeschneiderte Informationsversorgung und das Einbringen von Methodenkompetenz
zur Sicherung der Rationalität durch das Controlling in der Betriebsführung unterstützt
werden. Kognitive Grenzen und empirisch nachweisbare Unterschiede in den Eigenschaf-
ten, Fähigkeiten und Verhaltensweisen von Managern und Controllern machen die
Controllingfunktion zu einem wichtigen Begleiter und konstruktiven Ratgeber für das
Management. Das Controlling kann als Hüter des betriebswirtschaftlichen Gewissens zur
Steigerung der Führungsrationalität und der Treffsicherheit von Zweck-Mittel-Relationen
beitragen. Dazu richtet das Controlling auf Basis einer funktionskräftigen Kosten- und
Leistungsrechnung weitere Controllinginstrumente wie z. B. Kennzahlen- und Indikatoren-
systeme, ein differenziertes Berichtswesen oder Budgetierungskreisläufe etc. ein.210
Die Umsetzungstiefe von Controlling fällt auf den Ebenen der deutschen Gebiets-
körperschaften heterogen aus, so dass kein allgemeines Urteil über den Stand und die
Qualität der Umsetzung gefällt werden kann.211 Jedoch wird das auf die kurzfristigere
Sicht ausgerichtete operative Controlling im öffentlichen Sektor weit häufiger praktiziert
207 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 233; Thom/Ritz (2006), S. 172 ff. 208 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 285, 457; Flury (2002), S. 40 f. 209 Vgl. Budäus (1998), S. 64 ff.; Thom/Ritz (2006), S. 175. 210 Vgl. Brede (2005), S. 71; Haiber (1997), S. 13 ff.; KGSt (1989), S. 17 f.; Müller (2006a), S. 63-68;
Thom/Ritz (2006), S. 173, 176-186; Weber/Schäffer (2008), S. 33-53.
82 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
als das auf die mittel- und langfristigere Sicht und übergeordnete Ziele fokussierende
strategische Controlling. Dies wird mit Mittelknappheit, dominierendem operativen
Tagesgeschäft und Umsetzungsschwierigkeiten begründet.212
Ein produktiv eingesetztes Controlling setzt ein betriebliches Führungssystem mit
Zielen und Planungen voraus, ferner sollte die Führung antizipativ und dezentral erfol-
gen.213 Da diese Voraussetzungen im öffentlichen Sektor nicht immer gegeben sind, erklärt
dies teilweise, warum die Einführung eines wirksamen Controllings nicht ohne Einbettung
in ein Gesamtkonzept der Betriebssteuerung und ggf. Änderungen der Betriebskultur
möglich ist. Daneben ist ein modifizierter Erfolgsbegriff zu definieren, in den der
sachzielorientierte öffentliche Auftrag integriert werden sollte.214 Auch zur Steuerung der
verselbständigten öffentlichen Betriebe durch die Regierung bzw. das Parlament bedarf es
eines (Beteiligungs-)Controllings, das weniger eine operative (Detail-)Kontrolle, sondern
vielmehr eine strategische Steuerung praktiziert.
Controlling kann nicht nur auf betrieblicher Ebene praktiziert werden, sondern
gewinnt im NPM auch auf politischer Ebene an Bedeutung: Im Konzept des Gewährleis-
tungsstaats gilt es, ein Wirkungscontrolling zur Messung der Erreichung der Impacts und
Outcomes durchzuführen (Wirkungsrechnung/politisches Controlling/Evaluationen).
Dabei werden den mittelbar erzielten Wirkungen die zur Erreichung erforderlichen Kosten
gegenübergestellt.215 Der Wirkungsrechnung werden Validität, Reliabilität und
Widerspruchsfreiheit insbesondere bezüglich der zu Grunde liegenden Kausalketten
abverlangt, was bei der Umsetzung zu Definitions- und Messproblemen führt. Außerdem
setzt die Wirkungs-Beurteilung ähnlich wie Kontraktvereinbarungen voraus, dass zuvor
klare Ziele mit zugehörigen Messmethoden definiert wurden. Eine einfachere Variante der
Messung, etwa bei qualitativen Eigenschaften des Outcomes, besteht in regelmäßigen
indikatorbasierten Lageberichten.216
Für alle genannten Einsatzmöglichkeiten gilt, dass das Controlling stets bedarfsge-
recht, d. h. situativ gestaltet und dimensioniert sein muss, damit es einen über den eigenen
Aufwand hinausgehenden Mehrwert für die Steuerung erbringt.217
211 Vgl. Müller (2006a), S. 63-68. 212 Vgl. Brede (2005), S. 71 f., 76. 213 Vgl. Flury (2002), S. 46 f. 214 Vgl. Haiber (1997), S. 12-15. 215 Vgl. Brede (2005), S. 197 ff., 206 ff.; Flury (2002), S. 85. 216 Vgl. Brede (2005), S. 206-210; Budäus (1998), S. 63; Schedler/Proeller (2006), S. 180 f.; Thom/Ritz
(2006), S. 176-180. 217 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 174 f.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 83
3.5.9 Personalmanagement und Personalentwicklung
Es wird zwischen dem unmittelbaren öffentlichen Dienst (Beschäftigte bei Bund, Ländern,
Gemeinden, Gerichten oder Kulturbetrieben in der Betriebsform des Regiebetriebs) und dem
mittelbaren öffentlichen Dienst unterschieden (z. B. Träger der gesetzlichen Sozialversiche-
rungen, Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bundesbank, öffentlich-rechtlich selbständige
Einrichtungen wie z. B. einige Krankenhäuser und Kulturbetriebe). Bundesweit gab es 2005
insgesamt 4,78 Mio. Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Im unmittelbaren Dienst waren
dies 1,56 Mio. Beamte, 1,78 Mio. Angestellte im Tarifsystem des BAT bzw. im TVöD, 0,52
Mio. Arbeiter im MTB/MTL/BMT-G bzw. im TVöD. Die Aufwendungen für den soeben
zitierten Personalkorpus lagen in 2004 bei 173 Mrd. Euro, was ca. 28,5 % der Gesamtausga-
ben des Bundes, der Länder und der Kommunen entspricht.218
Es ist allgemein anerkannt, dass das Personalwesen eines der größten Problem- und
Reformfelder im öffentlichen Sektor darstellt.219 Das kongruiert mit der zunächst trivialen
Einsicht, dass alle Tätigkeiten von den beschäftigten Menschen ausgeführt werden und
diese somit ein wesentlicher Erfolgsfaktor sind. Die meisten Reformen im öffentlichen
Sektor betreffen die auszuführenden Tätigkeiten, welche jedoch unausweichlich von den
Menschen und deren Umfeld abhängen: Qualifikation, Betriebs- und Verwaltungskultur,
Selbstverständnis, Arbeitsweise und -gewohnheiten, Klima innerhalb der Belegschaft und
Motivation haben entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsergebnisse.220
Dennoch gibt es keinen einheitlichen und spezifischen personalwirtschaftlichen
Ansatz im NPM. Daher erweist es sich als problematisch, eine Abgrenzung von
Maßnahmen und Reformen im Personalwesen vorzunehmen, die vorwiegend oder
ausschließlich durch das NPM intendiert werden. Die verbreiteten Forderungen nach
Modernisierung, Flexibilisierung, Leistungs- und Zielorientierung sowie die zugehörigen
Maßnahmen und Instrumente, z. B. Human Resource Management (HRM) oder Führung
durch Leadership, bestehen und gelten weitgehend unabhängig von NPM. Jedoch gehen
sie mit den Forderungen und Zielen des NPMs konform. NPM wirkt insofern für das
Personalmanagement förderlich, als dass durch seine Umsetzung die persönlichen
Entscheidungsspielräume und Verantwortlichkeiten wachsen und weniger technokratisch
gestaltet sind als im herkömmlichen bürokratischen System.221
218 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 303-306, 330. 219 Vgl. Budäus (1998), S. 31, 82 f.; Eichhorn (1994), S. 241 f.; Kissler/Bogumil et al. (1997), S. 200 f.;
Pitschas (2004), S. 4; Zimmer/Priller et al. (2003), S. 50. 220 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 408; Budäus (1998), S. 31 f.; KGSt (1989), S. 15 f.;
Kissler/Bogumil et al. (1997), S. 200 f. 221 Vgl. Halblützel (2006), S. 345-349; Löffler (2003a), S. 245-250; Schedler/Proeller (2006), S. 229 ff.
84 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
NPM geht von einem optimistischen Menschenbild aus, das der Theorie Y von McGregor
ähnelt. Es beinhaltet, dass der Mensch grundsätzlich intrinsisch motiviert und bemüht ist,
eine gute Arbeit zu leisten, dass er Verantwortung und Entscheidungsspielräumen
gegenüber aufgeschlossen ist sowie Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft mitbringt.
Ein Management mit betriebswirtschaftlicher Rationalität ist trotz der Komplexität des
Menschen und seinen sozialen Bedürfnissen grundsätzlich möglich.222 Das Personal wird
nicht als Kostenfaktor, sondern als entscheidendes Erfolgspotenzial wahrgenommen und
entsprechend behandelt.223 Daher muss die klassische, administrativ arbeitende
Personalverwaltung um ein strategisches Personalmanagement erweitert werden, das die
bereits heute gegebenen und künftig noch wachsenden Anforderungen an die Qualifikation
mit den vorhandenen Potenzialen und Kompetenzen abgleicht und notwendige
Entwicklungsschritte initiiert.224 Angesichts breitem Personalabbau und immer
komplizierter und vielfältiger werdender Umwelt225 gilt die Notwendigkeit der
Professionalisierung auch für den öffentlichen Dienst und die Politik.226
Das in der Privatwirtschaft etablierte Human Resource Management (HRM) gilt
im öffentlichen Sektor als schwach ausgeprägt: Personalabteilungen fokussieren zu wenig
Fragen des Personalmanagements bzw. das Personal selbst. Die Bedürfnisse, Chancen und
Entwicklungspotenziale der öffentlich Bediensteten werden nicht gezielt berücksichtigt. Zu
den Instrumenten des HRM gehören die Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter, eine
motivierende Stärkung der Verantwortung und der Kompetenzen, Leistungs- und
Mitarbeiterbeurteilungen, Mitarbeitergespräche, strategische und ressourcenorientierte
mittelfristige Personalplanung, bewusstes Gestalten der Einführungsphase neuer
Mitarbeiter und monetäre Leistungsanreize.227 Die Bedeutung der Personalauswahl ist
nicht zu unterschätzen, da aufgrund der meist langen Dienstzeiten hinter jedem einzelnen
Mitarbeiter große Wertschöpfungspotenziale stehen. Insofern ist der Aufwand in die
Professionalisierung der Kandidatenauswahl als Investition zu betrachten. Ziel sollte sein,
die dienstlichen Erfordernisse mit den Erwartungen, Kompetenzen und Bedürfnissen der
Bewerber in das jeweils bestmögliche Verhältnis zu setzen.228
222 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 51-57, 291 ff. 223 Vgl. Budäus (1998), S. 75 f.; Hautmann/Leipold et al. (1998), S. 54 f.; Schedler/Proeller (2006), S. 243 f. 224 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 408 f.; Kissler/Bogumil et al. (1997), S. 203. 225 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 409. 226 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 9. 227 Vgl. Berman (2006), S. 8 ff.; Blanke/Einemann et al. (2005), S. 417-421, 457 f.; Budäus (1998), S. 74 f.;
Conrad (2003), S. 256-262; von Eckardstein/Ridder (2003), S. 26; Koch (1998), S. 2 f.; Ridder/Neumann (2003), S. 122 f.
228 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 413 f.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 85
Weiterer Reformbestandteil ist die stärkere Fokussierung auf Führung und Leadership als
Weg zur Erreichung der Leistungsziele. Die Führungskompetenzen gelten bei Vorgesetz-
ten im öffentlichen Dienst als unterentwickelt.229 In einer veränderten Führungskultur
verstehen sich Führungskräfte weniger als hierarchisch Vorgesetzte, die Anweisungen und
Vorschriften erteilen, sondern eher als Coach und Fragesteller. Sie versuchen, ihren
Mitarbeitern Erfolgserlebnisse zu ermöglichen und sie entsprechend zu befähigen
(Empowerment). Ein offenes gegenseitiges Feedback, regelmäßige Mitarbeitergespräche
und eine Kultur des Vertrauens gehören dabei selbstverständlich zum respektvollen
Umgang miteinander.230
Ein wichtiges Führungsinstrument ist die auf dem Management by Objectives
(MbO) basierende Zielvereinbarung. Hierbei werden zwischen Mitarbeiter und
Vorgesetzten Ziele verhandelt, ausformuliert und operationalisiert. Es liegt dabei ein
kooperativer und mitarbeiterorientierter Führungsstil vor, der die besonders in Deutschland
verbreitete autoritäre Regelungskultur einschränkt. Übergeordnete Unternehmensziele
bilden dabei die Grundlage. Sie sollten transparent sein und kommuniziert werden. Dem
Geführten kann durch klare Zielformulierung eine Selbstkontrolle erleichtert werden, was
den Führenden von seiner Kontrollfunktion jedoch nicht entbindet. Den Mitarbeitern ist
Eigenverantwortung und Autonomie zu übertragen; ferner sollen sie in Entscheidungspro-
zesse eingebunden und gut informiert werden.231
Die Analyse und Optimierung von Strukturen und Abläufen sind Bestandteile des
Organisations- und Prozessreengineerings. Die Arbeitsformen orientieren sich durch die
kritische Prozessoptimierung stärker an den Aufgaben und den betrauten Personen.
Dadurch sollen die Arbeitsabläufe an Umsetzungsgeschwindigkeit, Flexibilität und
Kundenorientierung gewinnen.
Die erläuterten neuen Rollenverständnisse und Aufgaben erfordern für alle
Beteiligten und den Betrieb zusätzliche Kompetenzen, die u. U. erst erworben werden
müssen. Das zeigt einen unausweichlichen Bedarf an gezielter und individualisierter
Personal- und Organisationsentwicklung auf, die in den Managementprozess
eingebunden und ständig evaluiert werden muss, um nachhaltige Verbesserungen zu
gewährleisten. Oberstes Ziel ist die adäquate Befähigung des Personals im Einklang mit
den betrieblichen Erfordernissen. Es kann dabei durchaus zu einem gewollten Anstieg des
Leistungsdrucks oder im
229 Vgl. Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2003), S. 13 ff.; Tondorf (1997), S. 8. 230 Vgl. Klimecki (1993), S. 45 ff.; Löffler (2003a), S. 243-251; Studer (2006), S. 360-364 231 Vgl. Koch (1998), S. 7-10.
86 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
Extremfall zu temporärer Überforderung kommen.232 Die von NPM und anderen Quellen
gewünschten Reformen im Personalwesen betreffen auch die Systematik der Tarifverträge
bzw. das Beamtenrecht: Negative Anreizstrukturen, die dysfunktionales Verhalten der
Beschäftigten belohnen, z. B. durch starre Besoldungsstrukturen und großzügige
Sicherheiten, sollen reduziert werden. Im Gegenzug sollen positive Anreize verstärkt
werden, indem Verhalten belohnt wird, bei welchem persönliche Bedürfnisbefriedigung
mit den Betriebszielen kongruent ist, z. B. durch Leistungslohn-Elemente in variablen
Gehaltskomponenten. Außerdem soll die Personalpolitik stärker dem jeweiligen Betrieb
dezentral überlassen werden, also auch Entscheidungen hinsichtlich der Stellenzahl und
Bewerberauswahl. Die Durchlässigkeit für Quereinsteiger soll sich erhöhen. Rigiditäten
mit laufbahnrechtlichen Gründen sollen sich verringern.233
3.6 Widerstände und Barrieren
Wie in jeder Organisation sind auch im öffentlichen Sektor Veränderungsprozesse
vielfältigen Barrieren und Widerständen ausgesetzt. Folgende Gegebenheiten können
ursächlich sein:234
• Einzelne Personen, Personenkonstellationen, Interessengruppen oder gruppen-
dynamische Effekte.
• Ablehnung der Initiierungs- und Umsetzungsart der Reform.
• Mangelnde Spezifizierbarkeit oder Inkonsistenzen von Reformzielen.
• Ungünstiger Reformzeitpunkt und weitere situative Faktoren.
• Reforminhalte werden nur unzureichend von den höheren Ebenen unterstützt oder auf
der ausführenden Ebene wegen mangelnder Akzeptanz nur halbherzig umgesetzt,
manipuliert oder vorsätzlich missbraucht.
• Mangel an Zeit, Ressourcen und institutionellen Anreizstrukturen.
• Unklare Führungsstrukturen der Umsetzung und unklare Kompetenzdefinitionen.
• Veränderung der politischen Machtverhältnisse während der Umsetzung.
Die erstgenannten Punkte sind noch am ehesten durch gezielte Steuerung zu beeinflussen.
232 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 218-223, 409 ff., 423-429; Budäus (1998), S. 77-80; Conrad
(2003), S. 256-262; Haiber (1997), S. 18 f.; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2003), S. 14-19; Schedler/Proeller (2006), S. 55 f., 232-236; Studer (2006), S. 358-363; Thom/Ritz (2006), S. 32.
233 Vgl. Kissler/Bogumil et al. (1997), S. 200; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2003), S. 14, 40 f.; Schedler/Proeller (2006), S. 241-244; Tondorf (1997), S. 12 f.
234 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 284 ff.; Thom/Ritz (2006), S. 95 f.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 87
Ausgehend von der modelltheoretischen Annahme des verfolgten Eigennutzes der Akteure
kann es rational sein, die Mitwirkung an einzelnen Reformelementen zu verwehren, da ggf.
Anstrengung und Nachteile aus der Veränderung erwartet werden, aber u. U. kein
kompensierender Reformnutzen. In der Entstehungsgeschichte staatlicher Institutionen
sind Kontinuität und Robustheit aber auch bewusst als Schutz vor politischen Krisenpha-
sen organisatorisch verankert.235 Dies erschwert das gewollte Umsetzen von Veränderun-
gen. Widerstände gegen organisatorischen Wandel und deren Folgen können zusammen-
fassend wie folgt kategorisiert werden (Tab. 14):
Art des Widerstandes verursacht durch führt zu
Wissensbarrieren Personenbedingte Informationsdefizite Unkenntnis
Fähigkeitsbarrieren Personenbedingte Qualifikationsdefizite Schlechterfüllung
Willensbarrieren Personenbedingte Motivationsdefizite Weigerung
Systembarrieren Systembedingte Ressourcendefizite Trägheit
Normbarrieren Personen- und Systembedingte Entfaltungsdefizite Anpassung
Tab. 14: Arten des Widerstandes gegen Wandel und deren Folgen
Quelle: Thom/Ritz (2006), S. 97 ff.
Für den öffentlichen Sektor sind die Normbarrieren besonders hervorzuheben: Sie
kennzeichnen das „Nicht-Dürfen“ der Mitarbeitenden. Stark ausgeprägte Normen und
Regelungen der Bürokratie bremsen das Potenzial fähiger Mitarbeiter und stellen eine
Restriktion für intendierte Kulturveränderungen dar.236
Die stärkere Managementorientierung im NPM und damit verbundene Entpolitisie-
rung von Entscheidungen und Prozessen engt die Freiheit der Entscheidungsträger ein und
läuft dem Charakteristikum der Politisierung des öffentlichen Sektors zuwider.237
Das zeitliche Zusammenfallen von NPM-Reformen mit der anhaltenden Finanzkri-
se der öffentlichen Hand und Personalabbau erschwert die Akzeptanz von NPM oder
dominiert es sogar. Es macht sich schnell Ernüchterung breit, verbunden mit dem Urteil
von Betroffenen, dass NPM vorrangig finanzielle Einsparungen bringen soll. Reformansät-
ze wirken dann wie Euphemismen, wenn als Absicht primär fiskalische Interessen
unterstellt werden, z. B. der tief greifende Personalabbau im öffentlichen Dienst. Das
verdeckt letztlich qualitative Vorteile und strategische Ziele von NPM und senkt die
Umsetzungschancen, da die Motivation des Personals und die inhaltliche Überzeugungskraft
235 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 96. 236 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 99. 237 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 410.
88 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
von NPM abnehmen. Es kommt zu Reformmüdigkeit und gefühlter Sinnentleerung.238
Zentrale Reformwerte wie Leistungsorientierung, Innovation, pragmatische Prob-
lemlösungskompetenz, Qualitäts- und Wirkungsorientierung stehen in diametralem
Gegensatz zu den tradierten Weberschen Werten.239 Insofern treffen bei der Einführung
von NPM zwei Wertgefüge aufeinander, deren Transformation fraglich erscheint. Fest
steht, dass zur vollumfänglichen Umsetzung von NPM grundlegende Rahmenbedingungen,
z. B. die rechtsstaatliche Ordnung, geändert werden müssten: Entscheidungsspielräume der
Verwaltung müssten beispielsweise erweitert werden, um pragmatische Lösungskompe-
tenzen umzusetzen, was der Gleichbehandlung der Bürger durch strikte Regelanwendung
zuwiderläuft. Ob diese Veränderungen stets tatsächlich gewollt und von Vorteil sind, muss
kritisch hinterfragt werden.240
Das hinter NPM stehende Menschenbild muss auf seine Gültigkeit hinterfragt wer-
den. Nicht jeder Mensch reagiert auf steigende Verantwortungsbereiche, Autonomie und
Förderung positiv; eine Leistungsmotivation setzt Freude an Leistung voraus, was
insbesondere im öffentlichen Dienst mit seinen Sicherheits- und Schutzräumen nicht
immer gegeben sein muss. Folglich könnten die Ziele des Personalmanagements nicht
immer auf den beschriebenen Wegen erlangt werden.
Auch auf theoretischer Ebene kann ein Widerspruch identifiziert werden: das posi-
tive Menschenbild der modernen Managementlehre mit der implizierten Forderung nach
Handlungsfreiräumen und intrinsischen Motivatoren einerseits bzw. Public Choice und die
Principal-Agent-Theorie mit dem zu Grunde liegenden Menschenbild des eigennutzorien-
tierten homo oeconomicus und den daher notwendigen extrinsischen Leistungsanreizen
und Kontrollmechanismen andererseits.241
Widerstände können sich auch aus Gründen ergeben, die in der konkreten Realisie-
rung liegen. Angesichts der Komplexität von NPM werden oft nur Teile umgesetzt. Dabei
kann sich nicht die volle Wirkung entfalten. Zudem werden die Reformen nicht immer
adäquat den individuellen Gegebenheiten angepasst oder die Implementierung wird nicht
ausreichend koordiniert. Das senkt die Akzeptanz und erschwert weitere Reformschritte.
Übertriebene bis euphorische Erwartungen an Reformerfolge und deren Nutzen können zu
Frustrationen führen.242
238 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 363, 436 f., 448 f., 529 f.; Hautmann/Leipold et al. (1998), S. 13;
Schedler/Proeller (2006), S. 288. 239 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 446 f. 240 Ebenda, S. 448. 241 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 291-294. 242 Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 36 f.
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 89
Letztlich gewünscht und zielführend ist ein nachhaltiger Kulturwandel im öffentlichen
Sektor. Dieser ist nur dann möglich, wenn die neuen Werte und Konzepte von den
kulturprägenden Verantwortungsträgern aller Institutionen kommuniziert und vorgelebt
werden. Das setzt voraus, dass die politische Spitze und die obersten Führungskräfte von
den Reforminhalten und -zielen selbst überzeugt sind.243 Doch gerade bei diesem
Personenkreis besteht häufiger Skepsis und Zurückhaltung als auf der mittleren Ebene und
an der Basis.244
Allgemein kann aus der Reformpraxis heraus formuliert werden, dass nachhaltige
Erfolgschancen von NPM-Reformen vor allem dann gegeben sind, wenn das politisch-
administrative System möglichst umfassend miteinbezogen wird und die Gegebenheiten
und die Komplexität des öffentlichen Sektors berücksichtigt werden.245
Die im NPM zentrale Idee der Wirkungsorientierung kann auf praktische Handha-
bungsprobleme stoßen: Die Wirkungsmessung und -zuordnung wird durch exogene
Einflussfaktoren, Nebenwirkungen und time lags erschwert. Ferner sind die notwendigen
Kausalketten, insbesondere vom Output bis zum Outcome, nicht immer vollständig oder
nur mit erheblichem Forschungsaufwand verfügbar. Es besteht eine Prognoseproblematik
bezüglich der zur Planung notwendigen Kenntnis über die Zukunftsentwicklung. Eine
temporäre Lösung kann darin bestehen, anstelle der abstrakteren Wirkungen zunächst die
Leistungen zu messen und zu bewerten.246 Jedoch ist auch dieses nicht immer problemfrei:
In Singapur und Neuseeland wurde beispielsweise in einigen Sektoren eine konsequente
Budgetierung nach Leistung eingeführt. Bei der Leistungsmessung kam es zu Messprob-
lemen, da ein Interpretationsspielraum bestanden hat (z. B. Treffgenauigkeit der
Wettervorhersage) und da qualitative Aspekte ignoriert wurden (z. B. in der Ministerialbü-
rokratie: zur Beurteilung wurde lediglich Anzahl von Korrespondenzen herangezogen ohne
Berücksichtigung von Länge und Inhalt). Bei statistischen Erhebungen von Rechtsüber-
schreitungen und Kriminalität waren deutliche Rückgänge zu verzeichnen, als diese
budgetäre Auswirkungen bekamen, was ebenso auf Spielräume beim Zählen, Messen und
Interpretieren zurückgeführt wird. Folglich kann in der Operationalisierung und
Leistungsobjektivierung von öffentlichen Diensten eine Barriere gesehen werden.247
243 Vgl. Rechnungshof von Berlin (2006), S. 46; Thom/Ritz (2006), S. 79 f. 244 Vgl. Rechnungshof von Berlin (2006), S. 47; Schedler/Proeller (2006), S. 285. 245 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 287. 246 Ebenda, S. 291. 247 Vgl. Jones (2004), S. 196 f.; ähnliche Befunde, insbesondere für Wirkungsindikatoren in der Schweiz vgl.
Rieder (2005), S. 153-157; zur Methodologie von NPM-Reformen vgl. auch Rieder/Lehmann (2002), S. 37-40.
90 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
3.7 Kritik an NPM
3.7.1 Kritik am Paradigma des NPM
Häufig geäußerte Kritikpunkte und mögliche Entgegnungen werden im Folgenden
dialogartig zusammengefasst:
• NPM verfolgt eine „Ökonomisierung“ des Staats und der Verwaltung und ist
einseitig mikroökonomisch orientiert. Es geht im Kern nur um Einsparungen248:
Die Intention einer verstärkten Anwendung der (mikro-)ökonomischen Rationalität als
Entscheidungsgrundlage durch NPM ist unbestritten. Dies ist jedoch kein Selbstzweck,
sondern geschieht in dem Anliegen, die immer knapper werdenden öffentlichen
Ressourcen möglichst effizient und effektiv einzusetzen, etwa durch die abverlangte
Wirkungsorientierung bei politischen Entscheidungen. Dies dient – im Fall der
Realisierung – der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt und damit allen Bürgern.249 In
welchem Umfang die ökonomische Rationalität an Bedeutung gewinnt, entscheidet
letztlich der Gesetzgeber durch die Umsetzungstiefe und -ausgestaltung von NPM.
Somit ist gesichert, dass die demokratische Legitimation erhalten bleibt.
• NPM ist lediglich ein naiver Transfer von privatwirtschaftlichen Konzepten auf
den öffentlichen Sektor. Es besitzt keinen innovativen Gehalt, sondern ist eine
substanzlose Mixtur bereits vorhandener Theorien250: NPM leugnet nicht, dass es
sich bereits existenter Konzepte und Theorien bedient, geht jedoch über diese deutlich
hinaus, vor allem in der interdisziplinären Verbindung der Ansätze, welche die
unterschiedlichen Ebenen vom Bürger bis zum Staat systematisch in einen Zusam-
menhang bringt.251 Damit kann NPM idealerweise die paradigmatische Grundlage und
der Nährboden werden, auf dem die Anwendung moderner Management-Konzepte
möglich wird. Dass NPM als ein international rezipiertes Konzept aus einer Reihe von
Bausteinen besteht, erleichtert bzw. ermöglicht erst die notwendige Anpassung an die
höchst unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten. Die anfängliche Zeit der Früh-
adoptionen mittels naiver Übertragung auf den öffentlichen Sektor ohne Modifikatio-
nen ist beendet. Forschung und Praxis haben erkannt, dass eine wichtige Aufgabe darin
besteht, die einzelnen NPM-Ansätze den Erfordernissen anzupassen. Sofern sich
privatwirtschaftliche Konzepte bewährt haben, ist gegen eine Übertragung aus
248 Vgl. Dose (2006), S. 343; Löffler (2003), S. 19-25; Pitschas (2004), S. 2; Reichard (2003), S. 119 f. 249 Vgl. Lane (2000), S. 72-75; Reichard (2003), S. 119 f. 250 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 363; Rommel/Christiaens et al. (2005), S. 14 f.; Schedler/Proeller
(2006), S. 281; Thom/Ritz (2006), S. 3; Walkenhaus/Voigt (2006), S. XI, XXVI f. 251 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 559; Kopp (1997), S. 6 f.; Schedler/Proeller (2006), S. 184 f.;
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 91
Gründen der Zweckmäßigkeit nichts einzuwenden. Mit Intensivierung der noch jungen
evaluativen Forschung werden zunehmend fundierte Erfahrungswerte gewonnen, die
Anhaltspunkte für die weitere Implementierung geben.252
• Das Staatsbild des NPM ist unrealistisch und mit dem herrschenden
Demokratieverständnis, den Weberschen Idealen und der Gewaltenteilung
unvereinbar: Dies ist vermutlich der wesentliche Grund, warum in Deutschland ein
vollumfänglich implementiertes NPM mittelfristig unrealistisch ist und die
Binnenreform der Verwaltung mit einzelnen NPM-Teilreformen zur Zeit dominiert.
Selbstverständlich muss sich auch NPM demokratisch und rechtsstaatlich
legitimieren.253 Die Kantone der Schweiz sind experimentierfreudig und erproben
bereits seit bis zu zwei Legislaturperioden das interdisziplinäre Kernelement von
NPM, die wirkungsorientierte Verwaltungsführung (WoV), auf breiter Basis. Die
Erfahrungswerte werden 2013 in einem Parlamentsbericht zusammengetragen und
werden vermutlich Anlass zur Strukturdiskussion auch in anderen Ländern geben.254
• NPM verkennt die Eigenheiten der jeweiligen Akteure im öffentlichen Sektor und
geht einseitig von einer betriebswirtschaftlichen (Management-)Rationalität aus:
Die Problematik ist den Vertretern des NPM durchaus bewusst. Daher wird in
unterschiedlichen Rationalitäten-Kategorien geforscht. Es kann davon ausgegangen
werden, dass die Akteursgruppen und deren Entscheidungslogik langfristig lern- und
anpassungsfähig sind, somit interdisziplinäre NPM-Ansätze noch weiterentwickelt
werden und fruchten können.255 Die Vorzüge der Wirkungsorientierung bedürfen noch
der intensivierten Kommunikation gegenüber der Bevölkerung. Wenn diese populär
geworden ist, wird die Implementierung und damit verbundene Kompetenzumgestal-
tung bzw. das veränderte Rollenverständnis bei einigen Akteuren leichter fallen.256
• NPM zielt primär auf eine Privatisierung öffentlicher Aufgaben und eine
Aushöhlung des Staates ab: Die Konnotation von NPM mit einer Privatisierungswel-
le wurde durch eine Entwicklungsphase des NPMs in den 1980er-Jahren in bestimm-
ten Ländern (Großbritannien u. a.) geprägt. Privatisierungen verfolgen keinen Selbst-
zweck, haben daher keine normative Allgemeingültigkeit und wurden in der theoreti-
schen Diskussion inzwischen durch Ansätze der (Good) Governance weitgehend
Thom/Ritz (2006), S. 3.
252 Vgl. Lane (2000), S. 6 f. 253 Vgl. Mastronardi (2004), S. 118 f.; Pitschas (2004), S. 24 f. 254 Vgl. Heimgartner/Dietrich (2008), S. 16 f.; ein Zwischenstand vgl. Rieder/Lehmann (2002), S. 28-35. 255 Vgl. Schedler (2004), S. 127 f.; Thom/Ritz (2006), S. 29 ff. 256 Vgl. Kettiger (2004), S. 215 ff.; Schedler (2004), S. 126 f.; Schedler/Proeller (2006), S. 282.
92 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
abgelöst (vgl. nächstes Kapitel).257 Es wird anerkannt, dass ein leistungs- und anpas-
sungsfähiger Staat eine gewisse Mindestgröße benötigt (vgl. Leistungstiefen in Kap.
3.5.1). Im Übrigen wurde und wird NPM auch in Staaten angewendet, welche
traditionell einen starken, umfangreichen öffentlichen Sektor besitzen (Skandinavien
u. a.).
• Die Effizienzziele des NPMs können zu Lasten der Qualität oder Sicherheit
öffentlicher Güter gehen. Die Dezentralisierungs- und Privatisierungstendenzen
entmachten den Staat und die politische Einflussnahme258: NPM schafft verstärkte
Handlungsspielräume an den ausführenden Stellen, z. B. durch Globalbudgets. Die
verringerten Möglichkeiten der direkten Einflussnahme durch die Politik steigern
zweifelsfrei den Bedarf an starken und differenzierten Kontrollmechanismen, zumal in
Folge der neuen Freiheiten Verteilungskämpfe um Macht und Ressourcen entstehen
können, die eine Chance und zugleich auch eine Gefahr darstellen.259 Hier ist primär
die Regulierungskompetenz des Gesetzgebers gefragt. Es steht der Politik frei,
(Kooperations-)Modelle zu schaffen, in denen bestimmte, ausdrücklich definierte
Mitspracherechte und Detailentscheidungen der Legislative vorbehalten bleiben. Dies
ist vorrangig eine individuelle Frage des jeweiligen Vertrags bzw. des jeweiligen
Gesetzes.
3.7.2 Governance-Konzepte als Ablösung von NPM? Ein Ausblick
Der Begriff der Governance schlägt sich seit einigen Jahren vertieft in der Literatur und
Diskussion nieder. Dabei ist er noch unschärfer definiert als NPM. Allgemein handelt es
sich bislang um ein sehr dehnbares sprachliches Konstrukt als allgemeiner Sammelbegriff
für Steuerungs- und Regelungsbeziehungen.260 Im Folgenden wird von einem normativen
Governance-Begriff ausgegangen, der von einigen Autoren als Ablösung von NPM als
Steuerungskonzept für den öffentlichen Sektor gesehen wird:261
Im Konzept der (Public) Governance wird die starke Managementorientierung von
NPM und NSM mit der Begründung abgelehnt, die Zivilgesellschaft sei zu wenig als
Handlungsakteur einbezogen worden, wodurch es – analog zum Staats- und Marktversagen
– zum Gesellschaftsversagen kommen kann. Dieser Gedanke mündet in eine stärkere
Verantwortungsübertragung an den Bürger und in eine größere aktive Beteiligung
257 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 449 f.; Dose (2006), S. 343 f.; Prätorius (2006), S. 62;
Schedler/Proeller (2006), S. 289. 258 Vgl. Dose (2006), S. 343. 259 Vgl. Brede (2005), S. 117 f.; Schedler (2004), S. 139 ff.; Schedler/Proeller (2006), S. 281, 290. 260 Vgl. Budäus (2005), S. 2. 261 Vgl. Budäus (2005), S. 2; Lane (2000), S. 6; Thom/Ritz (2006), S. 10 ff.; Walkenhaus/Voigt (2006),
3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors 93
desselben („Bürgerkommune“). Der Staat soll als Initiator und Moderator des
bürgerschaftlichen Engagements wirken und zur Partizipation animieren. Er ist zwar
letztlich doch gesamtverantwortlich – insoweit deckt sich das Staatsbild mit dem NPM-
Gewährleistungsstaat, teilt sich aber die Verantwortung mit den Bürgern („neues
Staatsparadox“). Es geht weniger um die starre Alternativenwahl zwischen Markt und
Staat, die im Konzept des schlanken Staats zu Gunsten einer stärkeren Marktorientierung
gefällt wurde, sondern mehr um eine neue Verantwortungsteilung und -stufung
(Gewährleistung, Finanzierung, Vollzug, Führung). An die Stelle von Markt und
Hierarchie treten als Steuerungsform kooperative Netzwerke, Koproduktion mit Bürgern
und weiteren Privaten, gesellschaftliche Leistungsaktivierung und Dialog. Insofern wird an
den öffentlichen Sektor die Anforderung herangetragen, nicht nur post-bürokratisch,
sondern auch post-modern zu agieren, nämlich neben der herkömmlichen Trias
Gesetzgeber, Regierung und Bürger auch in Interaktion und Konkurrenz zu alternativen
Leistungsanbietern und vielfältigen gesellschaftlichen Akteuren.262 (Public) Governance
berücksichtigt als junge, neue Disziplin einer Regierungslehre den interdisziplinären
Charakter und die verschiedenen Akteure stärker als NPM. Insofern ist Governance auch
ein integrativer Ansatz, in dem betriebs- und marktwirtschaftlichen Aspekten weniger
Raum zugestanden wird.263
Eine Entgegnung wird zunächst dadurch erschwert, dass es (noch) kein allgemein
akzeptiertes, klar konturiertes und in sich geschlossenes Governance-Konzept gibt. Somit
liegt ein (temporärer) Vorteil von NPM in der Verknüpfung von Politik- und Regierungs-
ebene bis hin zu konkreten Instrumentarien. Dabei zeichnet sich jedoch ab, dass
Instrumentarien des NSM bzw. der Verwaltungsreform auch von Governance beansprucht
werden, etwa das reformierte öffentliche Rechnungswesen.264
Governance sieht die Reformziele der Effizienz- und Effektivitätssteigerung, der
Bürger- und Dienstleistungsorientierung im öffentlichen Sektor als sekundär an und betont
anstelle dessen Partizipation und bürgerschaftliches Engagement.265 Diese Gewichtung
erscheint in Zeiten erneut stark steigender Staatsverschuldung und der damit verbundenen
negativen Wohlfahrtseffekte und intergenerativen Lastenverschiebungen fraglich. Die in
dieser Arbeit empirisch betrachteten Kultureinrichtungen gehören zur Leistungsverwaltung
bzw. zu öffentlichen Betrieben, welche im Zuge der Leistungserstellung permanent mit
S. XII
262 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 440 f., 566-577; Kettiger (2004), S. 212 ff.; Prätorius (2006), S. 61; Thom/Ritz (2006), S. 11 f.; Walkenhaus (2006), S. 319-325; Walkenhaus/Voigt (2006), S. XXVI f.
263 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 450 f.; Budäus (2005), S. 9. 264 Vgl. Saß (2005), S. 356-359.
94 3. New Public Management im Kontext der Reformen des öffentlichen Sektors
Effizienzfragen konfrontiert sind. Daher kann die stärkere Management-Orientierung im
NPM als hochrelevant für den Teilbereich der öffentlichen Unternehmen angesehen
werden. Zwar gewinnen auch Ehrenamt und Mäzenatentum im Kulturbetrieb zunehmend
an Einfluss, aber eine substanzielle Entlastung des Produktionsprozesses und der damit
verbundenen Management-Entscheidungen und Kosten ist dabei nicht greifbar.
Ökonomische Zielsetzungen und Fragen der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors
behalten ihre Berechtigung bzw. erfahren durch die geschilderte Betroffenheit infolge der
Wirtschafts- und Finanzkrise eine noch gesteigerte Aktualität. Jann urteilt:
„Nicht die Einführung moderner Management- und Steuerungsmethoden ist zu rechtfertigen,
sondern deren Ablehnung.“266
Es erscheint daneben fraglich, ob Governance und NPM als unvereinbare entgegengesetzte
Pole einer Achse gesehen werden müssen. Die politische Leitidee vom schlanken Staat ist
mit bürgerschaftlichem Engagement vereinbar, wo dieses zur Erfüllung öffentlicher
Aufgaben eingesetzt werden kann: Ein Staat kann schlank und aktivierend sein. NPM lehnt
eine Einbindung zusätzlicher Akteure nicht kategorisch ab, auch wenn es dieses im
Gegensatz zu Governance nicht als Selbstzweck ansieht. In der Forschung zu Rationalitäts-
Kategorien kommt dieses u. a. zum Ausdruck.267
Nicht zuletzt muss sich auch Governance legitimieren, sowohl in den Interaktionen
mit einem demokratisch gewählten Parlament als auch hinsichtlich seiner Problemlösungs-
kompetenz. Die gegenwärtig positive Konnotation von Governance belegt noch keine
Funktionalität.268 Diesbezüglich ist NPM – bei allen zwischenzeitlich gewonnenen
kritischen Einschränkungen – theoretisch und empirisch stärker ausgereift.
265 Vgl. Budäus (2005), S. 9. 266 Zitiert nach Thom/Ritz (2006), S. 33. 267 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 63 ff. 268 Vgl. Budäus (2005), S. 11.
4. Entwicklung der Thesen 95
4 Entwicklung der Thesen
4.1 Hauptthese: NPM führt zu Effizienzsteigerung
Es ist ein zentrales Ziel von NPM, die Effizienz und Effektivität im öffentlichen Sektor
durch Anwendung bestimmter Instrumente zu steigern.269 Dabei werden die Legitimation
und Legalität des Staates vorausgesetzt. Da die Kulturbetriebe in hohem Maße von
Steuergeldern abhängig sind und zudem zu den produzierenden öffentlichen Betrieben
gehören, ist die genannte NPM-Zielsetzung durch die Knappheit an finanziellen
Ressourcen für die Grundgesamtheit hochrelevant. Das Teilziel der Effektivität wird nicht
explizit betrachtet, da die innerbetriebliche Perspektive (Effizienz als Input-Output-
Verhältnis)270 bei dieser Arbeit im Vordergrund steht. Ferner hätte die Frage, ob das
Outcome die erwünschten Zielwirkungen erreicht (Effektivität im NPM-Verständnis), eine
andere methodische Vorgehensweise bei der empirischen Untersuchung erfordert. Somit
lautet die Hauptthese: Die Einführung von NPM-Instrumenten in öffentlich
bezuschussten Theatern und Orchestern führt zu einer Steigerung der Effizienz.
Diese These wird im empirischen Teil abschließend im Kap. 10 an den nachfolgenden
Thesen anknüpfend beurteilt. Die Thesen 5 und 7 bis 9 beinhalten das Effizienzziel der
Hauptthese explizit, die übrigen Thesen 1 bis 4 und 6 implizit: durch eine verbesserte
Steuerung auf Basis eines Zugewinns an steuerungsrelevanten Informationen soll gemäß
NPM (vgl. Kap. 1.2 und Tab. 1) mittelbar eine Effizienzsteigerung der Kulturbetriebe
eintreten.
4.2 Thesen zum externen Rechnungswesen
4.2.1 Wirklichkeitsnähere Abbildung durch Doppik
Die Erweiterung der reinen Liquiditätsbetrachtung in der Kameralistik zur doppischen
Darstellung von Erfolgsrechnung (GuV) und Vermögensrechnung (Bilanz) möchte einen
gesteigerten Aussagegehalt erreichen. Die zusätzlichen Informationen sollen eine neue
betriebswirtschaftliche Erkenntnis hervorbringen. Dies geschieht durch die umfassendere
Abbildung des Betriebs im Rechnungswesen, z. B. durch Ausweis von Vermögen und
Schulden in der Bilanz, durch die neue Transparenz über Ressourcenverbrauch und
-aufkommen in der GuV. Auf diese Weise wird der über die Liquiditätsentwicklung
269 Vgl. Buchholtz (2001), S. 88; Schedler/Proeller (2006), S. 55; Wagner (1995), S. 205. 270 Vgl. Budäus (1998), S. 59.
96 4. Entwicklung der Thesen
hinausgehende Erfolg des Handelns festgestellt.271 Zwei im öffentlichen Bereich besonders
wichtige Punkte sind das Anlagevermögen, welches den Wert des öffentlichen Eigentums
ausweist, und die Rückstellungen, welche insbesondere Pensions- und Rentenansprüche
z. B. aus Altersteilzeitvereinbarungen beinhalten. Diese Darstellungen führen im Idealfall
dazu, dass die Darstellung des Betriebs im Rechnungswesen näher an der wirtschaftlichen
Realität liegt. Daher lautet These 1: Wenn die Kameralistik durch die Doppik abgelöst
wird, dann führt dies zu einer wirklichkeitsnäheren Abbildung des Ressourcen-
verbrauchs (GuV) und der Vermögensverhältnisse (Bilanz).272
4.2.2 Neuer steuerungsrelevanter Informationsgehalt durch Doppik
Da die Umstellung des Rechnungswesens und die damit verbundene Informationszunahme
kein Selbstzweck ist, muss erwartet werden, dass ein zusätzlicher Nutzen aus den
gewonnenen Daten hervorgeht. Da das Oberziel die Steigerung der Effizienz ist, bedarf es
entsprechender Handlungsentscheidungen. Voraussetzung hierfür ist die Verfügbarkeit von
neu gewonnenen, steuerungsrelevanten Informationen. Nicht zuletzt der erfolgsfokussie-
rende Charakter der Doppik stellt einen Wesensunterschied gegenüber der finanz-
wirtschaftlich, primär am Ausgleich von Ausgaben und Einnahmen orientierten
Kameralistik dar.273 Doppik wird z. B. von Fudalla/Wöste als Grundlage für die
Beurteilung, Steuerung und Kontrolle der Wirtschaftlichkeit gesehen.274 Folglich lautet
These 2: Wenn doppik-basierte Darstellungen vorliegen, so geht aus diesen ein neuer
steuerungsrelevanter Informationsgehalt hervor.
4.2.3 Steigerung der Nachhaltigkeit durch Doppik
Es wäre eine falsche Erwartungshaltung, unmittelbare Beiträge der Doppik zur Haushalts-
konsolidierung zu erwarten. Jedoch wird mit dem Umstellungsprozess durchaus verfolgt,
auf Basis neuer Informationen aus der Doppik und weiteren NPM-Instrumenten eine
langfristige Haushaltskonsolidierung durch nachhaltige Wirtschaftsführung zu erreichen.
Dies bezieht sich vor allem auf die Ressourcensteuerung, welche gegenüber der
liquiditätsorientierten Kameralistik auf einer erweiterten Ressourcendefinition basiert.275
Nur wenn die in einer Periode verbrauchten Ressourcen auch in dieser Periode
erwirtschaftet wurden, so liegt Nachhaltigkeit im Sinn einer intergenerativen Gerechtigkeit
271 Vgl. Brede (2005), S. 196; Fudalla/Wöste (2005), S. 16 f., 22, 27; Schmidt (2004), S. 339. 272 Der Gegenstandsbereich dieser und der nachfolgenden Thesen bezieht sich, ohne dass es erneut explizit
genannt wird, auf die Grundgesamtheit der öffentlich bezuschussten Theater und Orchester in Deutschland, vgl. Kap. 5.1.
273 Vgl. Blanke/Einemann et al. (2005), S. 262 f.; Schmidt (2004), S. 340. 274 Vgl. Fudalla/Wöste (2005), S. 10, 27.
4. Entwicklung der Thesen 97
vor. Dieses Ziel ist gemäß NPM nur mit dem kaufmännischen Rechnungswesen zu
erreichen.276 Im Rahmen dieser Arbeit soll untersucht werden, ob es Anzeichen dafür gibt,
dass aus den neu hinzukommenden nicht-zahlungswirksamen Geschäftsvorfällen in den
Kulturbetrieben eine Steigerung der Nachhaltigkeit beobachtbar ist. Daher lautet These 3:
Die Umstellung auf Doppik führt zu einem nachhaltigeren Wirtschaften.
4.3 Thesen zum internen Rechnungswesen
4.3.1 Erhöhung der wirtschaftlichen Transparenz durch KLR
Ergänzend zu dem globalen Wirtschaftsplan ermöglicht die Kosten- und Leistungsrech-
nung differenzierte Auswertungen des Realgüterprozesses: Mithilfe von Mengen und
Preisen lassen sich Kosten systematisch nach Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträ-
gern abbilden. Im Rahmen einer Vollkostenrechnung können die Selbstkosten der
Produkte (Inszenierungen, Konzerte, Ausstellungen etc.) ermittelt werden: Einzelkosten
werden sofort auf die Kostenträger gebucht, Gemeinkosten über einen Betriebsabrech-
nungsbogen, der die einzelnen Kostenarten den Kostenstellen zuordnet, letztlich auf die
Kostenträger verrechnet. Berücksichtigt man den Erlös der erstellten Leistungen und stellt
ihn den variablen Kosten gegenüber, lässt sich ein Deckungsbeitrag oder eine mehrstufige
Deckungsbeitrags-Hierarchie ermitteln. Dies dient der eher kurzfristig orientierten
betrieblichen Steuerung, da variable Kosten leichter und schneller zu beeinflussen sind.
Idealerweise wird transparent, an welchen Orten für welche Outputs in welchen
Größenordnungen Kosten anfallen und in welchem wirtschaftlichen Verhältnis die
einzelnen Produktionen kosten- und erlösseitig zum Ergebnis des Gesamtbetriebs stehen.
Somit kommt der KLR eine wichtige zusätzliche Informationsfunktion zu, da ihre Inhalte
nicht über den Haushaltsplan bzw. die Erfolgsrechnung abgebildet werden können.277 Die
Empirie wird untersuchen, inwieweit in den Kulturbetrieben durch die KLR der
Produktionsprozess abgebildet wird und dadurch eine zusätzliche wirtschaftliche
Transparenz entsteht. Folglich heißt These 4: Die Einführung einer KLR erzeugt eine
erhöhte Transparenz der wirtschaftlichen Zusammenhänge.
275 Ebenda, S. 35. 276 Vgl. Budäus (2006), S. 75. 277 Vgl. Buchholtz (2001), S. 3 f.; Budäus (1998), S. 61 f.; Schedler/Proeller (2006), S. 176 ff.; dezidiert zur
KLR im Kulturbetrieb vgl. Schneidewind (2006), S. 101-137.
98 4. Entwicklung der Thesen
4.3.2 Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz durch KLR
Vergleichbar zu These 1 sind auch die Daten der KLR kein Selbstzweck, sondern stellen
gemäß der Theorie die sachliche Grundlage und Informationsbasis für Produktionsent-
scheidungen, Beurteilungen, Preisfindungen, Projektentscheidungen etc. dar. Letztlich ist
die KLR eine zentrale Voraussetzung zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Die neuen
Erkenntnisse aus der KLR erweitern die ursprünglich liquiditäts- und rechtsmäßigkeits-
orientierte Perspektive auf die Effizienzebene. Sobald KLR-Daten vorliegen, resultieren
Begründungszwänge für Entscheidungsträger.278 Die öffentlichen Kulturbetriebe
unterliegen z. B. mit der Spielplangestaltung regelmäßig Projekt- und Produktions-
entscheidungen. Es wird zu untersuchen sein, ob die KLR als eine sachliche Entschei-
dungsgrundlage eingesetzt und dadurch das beschriebene Ziel der Effizienzsteigerung
erreicht wird. Somit lautet These 5: Wenn die KLR als eine Entscheidungsgrundlage
adäquat genutzt wird, dann steigt die wirtschaftliche Effizienz.
4.3.3 Erhöhung der Rationalität des Handelns durch Controlling
In Vertiefung der These 5 zielt These 6 darauf ab, dass durch die Anwendung von
operativen und/oder strategischen Controlling-Instrumenten eine rationale Ziel-Mittel-
Beziehung hergestellt und gesichert wird. Dieser Aspekt ist auch auf übergeordneter Ebene
zwischen Zuwendungsgeber und -empfänger relevant, wird im Rahmen dieser Arbeit
jedoch ausschließlich innerbetrieblich betrachtet: Werden Controlling-Instrumente
eingesetzt, z. B. Berichte, Analysen, Budgets, Controlling-Gespräche, Kennzahlensysteme
etc., und sorgen sie für die Rationalität der getroffenen Entscheidungen (Führungsunter-
stützung durch Controlling)? Werden die betrieblichen Teilfunktionen Zieldefinition,
Planung, Ausführung und Kontrolle derart verknüpft, dass sie in funktionaler und
kongruenter Beziehung zueinander stehen (Koordinationsfunktion des Controllings)? Sind
die ausführenden innerbetrieblichen Verantwortungsbereiche in einen Controlling-Zyklus
eingebunden, der eine rationale Steuerung ermöglicht?279 Diese Aspekte werden
zusammengefasst in These 6: Wenn Controlling-Instrumente eingesetzt werden, dann
erhöhen diese die Rationalität des Handelns und Wirtschaftens.
278 Vgl. Brede (2005), S. 200; Buchholtz (2001), S. 3 f., 8, 189; Budäus (1998), S. 28 f., 62; Schulenburg
(2006), S. 112. 279 Vgl. Budäus (1998), S. 63 ff.; Fudalla/Wöste (2005), S. 30; Hahn/Hungenberg (2001), S. 265, 272-276;
Schedler/Proeller (2006), S. 173 f.; Schmidt (2004), S. 264 f.; Wagner (1995), S. 205, 209 f.; We-ber/Schäffer (2008), S. 33-53.
4. Entwicklung der Thesen 99
4.4 Thesen zum Personalmanagement
4.4.1 Steigerung der Effizienz durch Leistungsorientierte Bezahlung (LoB)
NPM möchte ein „moderneres“ Personalmanagement. Dazu gehören u. a. auch funktionale
Anreizstrukturen in den Entlohnungssystemen. Variable Gehaltskomponenten stellen einen
extrinsischen Anreiz dar, der Leistungspotenziale freisetzen soll. Thom/Ritz urteilen, dass
der öffentliche Sektor allein schon wegen der Verbreitung von Leistungslohnsystemen im
privaten Sektor auf vergleichbare Verfahrensweisen zurückgreifen muss, um konkurrenz-
fähig zu bleiben.280 Generell bejaht NPM auch intrinsische Anreize. Da der Tarifvertrag für
den öffentlichen Dienst (TVöD), das am stärksten verbreitete Tarifwerk für Angestellte im
unmittelbaren und mittelbaren öffentlichen Dienst, seit Inkrafttreten im Oktober 2005
explizit in § 18 die Leistungsorientierte Bezahlung (LoB) vorsieht, findet an dieser Stelle
eine Konzentration auf materielle extrinsische Anreize statt. Deren Wirkung soll überprüft
werden.
Effizienzsteigerung ist bei dieser wie auch den folgenden Thesen als Verbesserung
des Input-Output-Verhältnisses bei den jeweils betroffenen Mitarbeitern gemeint. Eine
Outputsteigerung kann quantitativ oder qualitativ erfolgen. In der Input-Komponente muss
neben der Entlohnung auch der Aufwand für das jeweilige Management-Instrument
berücksichtigt werden. Dieser muss folglich durch die Output-Steigerung überkompensiert
werden, damit die These als gestützt gelten kann. Somit heißt These 7: Wenn die
Leistungsorientierte Bezahlung (LoB) eingeführt wird, führt diese zu einer
Effizienzsteigerung.
4.4.2 Steigerung der Effizienz durch Führungsinstrumente
NPM favorisiert keine bestimmte Führungstechnik, keinen bestimmten Führungsstil und hat
abgesehen von der normativen Positionierung zum optimistischen Menschenbild (vgl. Kap.
3.5.9) auch keine eigene Führungstheorie entwickelt. Es rekurriert auf die HRM-Theorie und
betont, dass die Defizite im Personalbereich im öffentlichen Sektor u. a. durch adäquate
Führung der Mitarbeiter zu lindern sind. Da NPM von einer positiv motivierten Grundhal-
tung der Beschäftigten ausgeht, ist es eine Führungsaufgabe, diese durch entsprechende
Techniken in Taten umzusetzen. Führung und Leadership haben die Aufgabe, Mitarbeiter
280 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 241 f.; Thom/Ritz (2006), S. 343-353; Tondorf (1997), S. 12-15, 20 f.;
ähnlich auch die Studie von Burgess/Metcalfe vgl. Delfgaauw (2004), S. 5.
100 4. Entwicklung der Thesen
„loszulassen“ und die Arbeitsanstrengungen auf die betrieblichen Ziele zu lenken.281
Im Kern der empirischen Untersuchung steht die Frage, ob es in den Kulturbetrie-
ben überhaupt eine explizit reflektierte und systematisch implementierte Führungskultur
oder Management-Technik gibt und ggf. zu welchen Auswirkungen diese geführt hat. Dies
könnten z. B. Mitarbeitergespräche oder -beurteilungen und Management-by-Techniken
sein. Daher lautet die offen formulierte These 8: Wenn Führungsinstrumente
systematisch eingesetzt werden, führen diese zu einer Effizienzsteigerung.
4.4.3 Steigerung der Effizienz durch Personalentwicklung
Auch die Instrumente der Personalentwicklung entstammen nicht originär dem NPM,
werden jedoch im Rahmen einer mitarbeiterorientierten Verwaltung im NPM als
unabdingbar eingestuft. Dies impliziert zunächst die Anerkennung des Personals als
Erfolgspotenzial. Die Säulen der Personalentwicklung sind Aus- und Weiterbildung,
qualitative Kompetenzerweiterung (Job Enrichment), quantitative Tätigkeitsanreicherung
(Job Enlargement) und Umschulung (Mehrfachqualifizierung, auch durch Job Rotation).
Diese sollen gewährleisten, dass das betriebsnotwendige Aktivitäts- und Qualitätsniveau
erreicht werden kann. Die Ziele und Entfaltungswünsche des Mitarbeiters sind mit den
betrieblichen Interessen in Einklang zu bringen.282
Auch die Kulturbetriebe unterliegen einem Wandel und Professionalisierungsdruck:
Rechtliche Verselbständigung (vom nachgeordneten Amt zur Theater-GmbH), Einzug von
Kulturmanagement-Elementen, Anwendung von Marketing im Wettbewerb um Besucher
und Aufmerksamkeit, international steigendes künstlerisches Niveau, Fundraising und
Sponsorengewinnung, technische Modernisierung von der Bühnentechnik bis hin zu IT-
Anlagen und nicht zuletzt die Verwaltungsmodernisierung selbst verlangen von den meist
langjährig Beschäftigten ein stetig zunehmendes Qualifikationsniveau. Dies kulminiert
abschließend in These 9: Wenn Personalentwicklungsmaßnahmen systematisch
eingeführt werden, führen diese zu einer Effizienzsteigerung.
281 Vgl. Schedler/Proeller (2006), S. 232-236; Thom/Ritz (2006), S. 386 ff. 282 Vgl. Klümper/Möllers et al. (2004), S. 274 ff.; Schedler/Proeller (2006), S. 243 f.; Thom/Ritz (2006),
S. 358 f.
4. Entwicklung der Thesen 101
4.5 Zusammenfassende Darstellung sämtlicher Thesen
These BWL-Instrument Wenn-Komponente Dann-Komponente Zusammen-hang zur
Hauptthese
Haupt-these
Ext. und int.
ReWe, Personal-
management
Einführung von NPM-
Instrumenten
Effizienzsteigerung in öffentlich
bezuschussten Theatern und
Orchestern
1 Externes ReWe Einführung Doppik Wirklichkeitsnähere Abbildung
des Ressourcenverbrauchs und
des Vermögens
mittelbar
2 Externes ReWe Doppik-basierte
Darstellung
Neuer steuerungsrelevanter
Informationsgehalt geht hervor
mittelbar
3 Externes ReWe Umstellung auf Doppik
Steigerung der Nachhaltigkeit mittelbar
4 Internes ReWe Einführung KLR Erhöhte wirtschaftliche
Transparenz
mittelbar
5 Internes ReWe Adäquate Nutzung KLR
bei Entscheidungen
Steigerung der wirtschaftlichen
Effizienz
unmittelbar
6 Internes ReWe Nutzung von Controlling-
Instrumenten
Erhöhung der Rationalität des
Handelns und Wirtschaftens
mittelbar
7 Personal-
management
Einführung LoB Steigerung Effizienz unmittelbar
8 Personal-
management
Systematischer Einsatz
von Führungsinstrumenten
Steigerung Effizienz unmittelbar
9 Personal-
management
Systematische Einführung
von Personalentwicklung
Steigerung Effizienz unmittelbar
Tab. 15: Sämtliche Thesen der Untersuchung im Überblick
Quelle: Eigene Darstellung.
5. Empirische Untersuchung 103
5 Empirische Untersuchung
5.1 Grundgesamtheit und Auswahl der Stichprobe
Die Grundgesamtheit besteht aus den 143 öffentlich getragenen Theatern und 53
selbständigen Kulturorchestern in Deutschland. Diese werden in der seit 1967 jährlich
erscheinenden Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins mit umfangreichem Daten-
material gelistet. Zum Zeitpunkt der Erhebung (Juli 2008 bis Februar 2009) war die
Statistik der Theatersaison 2006/2007 die aktuelle Fassung.283 In die Grundgesamtheit
wurden die Privattheater, Musicals, Festspiele und Rundfunkorchester sowie Kulturbetrie-
be in Österreich und der Schweiz nicht einbezogen; das entspricht den Tabellen 9c, 10, 11,
14 und 15.284 Hier ist die Relevanz von NPM nicht oder nur eingeschränkt gegeben bzw. es
liegen keine vergleichbaren Rahmenbedingungen (öffentlich-rechtliche und kulturpoliti-
sche Gegebenheiten, Finanzierungsstrukturen, Bedeutung des Marktes etc.) zu den
untersuchten Einrichtungen vor. Somit umfasst die Grundgesamtheit 196 Kulturbetriebe,
welche aus öffentlich getragenen und/oder durch Steuergelder bezuschusste Ein- und
Mehr-Sparten-Theatern, Opernhäusern und Orchestern bestehen.
Es wurde mit der Stichprobe eine Mischung aus Repräsentativität und Gewinnung
möglichst vielfältiger qualitativer Aussagen angestrebt. Daher wurde von einer Zufalls-
stichprobe abgesehen. Stattdessen wurde auf Basis nachfolgender Kriterien eine
systematische Stichprobenauswahl vorgenommen:
1. Verhältnis von Theatern zu Orchestern in der Grundgesamtheit
2. Einbeziehung sämtlicher Bundesländer Deutschlands
3. Trägerschaft
4. Größenklasse, gemessen an der Beschäftigtenanzahl
5. Rechtsform
Durch das Einbeziehen unterschiedlicher institutioneller Rahmenbedingungen (Kriterien 2
bis 5) soll eine eventuelle Beeinflussung des Untersuchungsergebnisses durch exogene
Rahmenbedingungen sichtbar gemacht werden, um ggf. Hintergrundvariablen lokalisieren
zu können. In der Theaterstatistik sind diese fünf Kriterien für die Grundgesamtheit nahezu
vollständig aufgeführt, daher ist die Verteilung der Merkmalsausprägungen der fünf
Kriterien in der Grundgesamtheit nahezu vollständig bekannt. Als Stichprobengröße wurde
N = 20 gewählt. Somit wird die Grundgesamtheit mengenmäßig zu 10,2 % erfasst. Da
keine Normalverteilung der Merkmalsausprägungen der Kriterien 2 bis 5 über die
283 Vgl. Deutscher Bühnenverein (2007). 284 Ebenda.
104 5. Empirische Untersuchung
Grundgesamtheit vorliegt, kann die systematische Stichprobe keine perfekte Repräsentati-
vität der Grundgesamtheit ergeben. Dennoch wurde der Versuch unternommen, die
Auswahl der 20 Kulturbetriebe möglichst genau an der Verteilung der Merkmalsausprä-
gungen der Kriterien innerhalb der Grundgesamtheit zu orientieren, wie nachfolgend
dargestellt und begründet wird.
5.1.1 Primärkriterium 1: Verhältnis von Theatern zu Orchestern
Grundgesamtheit Anteil in % Realisierte Stichprobe Anteil in %
Anzahl Theater 143 73,0 15 75,0
Anzahl Orchester 53 27,0 5 25,0
Summe 196 100 20 100
Tab. 16: Verteilung des ersten Primärkriteriums
Quelle: Deutscher Bühnenverein (2007), S. 224-227, 253.
Beim Primärkriterium 1 (Tab. 16) stand die Repräsentativität im Vordergrund. Daher
wurde die Stichprobe so gewählt, dass die Grundgesamtheit exakt abgebildet wird.
5.1.2 Primärkriterium 2: Einbeziehung sämtlicher Bundesländer Deutschlands
Bundesland Anzahl Theater und Orchester in Grundgesamtheit
Anzahl in realisierter Stichprobe
Baden-Württemberg 23 1
Bayern 27 1
Berlin 11 3
Brandenburg 10 1
Bremen 4 1
Hamburg 5 2
Hessen 6 1
Mecklenburg-Vorpommern 6 1
Niedersachsen 11 1
Nordrhein-Westfalen 39 2
Rheinland-Pfalz 8 1
Saarland 1 1
Sachsen 20 1
Sachsen-Anhalt 12 1
Schleswig-Holstein 33 1
Thüringen 10 1
Summe 196 20
Tab. 17: Verteilung des zweiten Primärkriteriums
Quelle: Deutscher Bühnenverein (2007), S. 224-227, 253.
Beim zweiten Primärkriterium (Tab. 17) wurde das Ziel verfolgt, möglichst heterogene
Rahmenbedingungen inklusive kultur- und finanzpolitischer Ausrichtungen zu erfassen,
um eine hohe Vielfalt an Ergebnissen zu erreichen. Dies ist besonders hinsichtlich der
5. Empirische Untersuchung 105
unabhängigen NPM-Variablen von Bedeutung, da in den Bundesländern unterschiedliche
Ausprägungen und Implementationsgrade von NPM vorherrschen.285 So wurden
beispielsweise die Grundsätze der ordentlichen Buchführung (GoB) für den öffentlichen
Bereich nicht bundeseinheitlich definiert, so dass in den Ländern teilweise unterschiedliche
Bewertungsregeln gelten. Ferner ist Kulturpolitik eine Angelegenheit der Bundesländer.
Auch bei der öffentlichen Kulturfinanzierung trägt der Bund bedingt durch die föderalen
Strukturen lediglich 12,7 %, die Länder 41,8 % und die Kommunen 45,5 %.286 Einflüsse
durch die legislative und exekutive Staatsgewalt wurden in der Variable Rahmenbedingun-
gen erfasst. Die Lokalisierung des Kulturbetriebs in einem bestimmten Bundesland könnte
daher signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse haben. Somit ist das hier vorliegende
Primärkriterium 2 der Hauptgrund dafür, dass keine Zufallsstichprobe vorgenommen
wurde. Zu Beginn der Erhebung wurden drei Pretest-Interviews in Berlin geführt; aufgrund
der guten Datenqualität erfolgte eine Übernahme in die endgültige Stichprobe.
5.1.3 Sekundärkriterium 1: Trägerschaft
Grundgesamtheit Anteil in % Realisierte Stichprobe Anteil in %
Stadt 88 44,9 7 35,0
Mehrfachträgerschaft/
Sonstige 78 39,8 7 35,0
Land 30 15,3 6 30,0
Summe 196 100 20 100
Tab. 18: Verteilung des ersten Sekundärkriteriums
Quelle: Deutscher Bühnenverein, (2007), S. 10-34, 253; Additionsfehler ist rundungsbedingt. Maßgeblich für die Zuordnung ist die Bezeichnung in der Theaterstatistik.
Der Träger kann in seiner Eigenschaft als Hauptfinanzierungsgeber maßgeblichen Einfluss
auf das Wirtschaften und Handeln des Kulturbetriebs ausüben, etwa durch die Gestaltung
von Zuwendungsvereinbarungen oder durch den Erlass von Verordnungen. Deshalb wurde
die Art der Trägerschaft bei der Stichprobenwahl mit dem Ziel der Repräsentativität
berücksichtigt (Tab. 18). Die Theaterstatistik weist die Trägerschaft bei den Orchestern in
einer abweichenden Kategorisierung gegenüber bei den Theatern aus. Die bei den
Orchestern zusätzlich genannten Rechtsformen wurden hier unter „Sonstige“ gezählt.
Die Abweichungen zwischen Stichprobe und Grundgesamtheit ergeben sich aus
dem Umstand, dass in einigen Bundesländern ein bestimmter Typus der Trägerschaft
überdurchschnittlich häufig vorkommt, z. B. kommunale Theater in Bayern (Anteil 60 %),
285 Vgl. Jann (2006), S. 15; Jann (2006a), S. 100. 286 Vgl. Statistische Ämter der Länder und des Bundes (2008), S. 13, Wert aus 2005, gemessen am
106 5. Empirische Untersuchung
Nordrhein-Westfalen (64 %) und Sachsen-Anhalt (80 %), zudem mit hohen absoluten
Zahlen (12, 16, bzw. 8). In Berlin und Hamburg weist die Theaterstatistik sämtliche
Theater als Landeseinrichtungen aus. Das einzige Theater des Saarlands ist ebenfalls in
Trägerschaft des Landes.287 Daraus folgt, dass mit der Entscheidung für die Einbeziehung
sämtlicher Bundesländer (Kriterium 2) die kommunale Trägerschaft in der Stichprobe
leicht unter- und die Landesträgerschaft überrepräsentiert sind.
5.1.4 Sekundärkriterium 2: Größenklasse gemessen an Beschäftigten (Theater) bzw. Musikern (Orchester)
Grundgesamtheit Anteil in % Realisierte Stichprobe Anteil in %
Groß (Theater >450,
Orchester >100)
75 38,9 7 35,0
Mittel (Theater 200-450,
Orchester 50-100)
80 41,5 11 55,0
Klein (Theater <200,
Orchester <50)
38 19,7 2 10,0
Summe 193 100 20 100
Tab. 19: Verteilung des zweiten Sekundärkriteriums
Quelle: Deutscher Bühnenverein, (2007), S. 118-137, 224-227; Additionsfehler ist rundungsbedingt, drei Kulturbetriebe der Grundgesamtheit ohne Personalangabe in der Statistik.
Da NPM Einfluss auf innerbetriebliche Strukturen und Steuerungsmechanismen nimmt, ist
die Betriebsgröße ein relevantes Kriterium für die Beurteilung von NPM. Sie wurde bei der
Stichprobenwahl ebenfalls mit dem Ziel der Repräsentativität berücksichtigt (Tab. 19). Die
gewählten Kategorien groß, mittel und klein wurden frei definiert.
Die etwas schwächere Repräsentation der kleinen Kulturbetriebe ergibt sich aus
ähnlichen Gründen wie bei der Trägerschaft: Kommunale Theater sind häufiger kleine Ein-
Sparten-Theater (z. B. Sprechbühnen, Kindertheater, Puppenbühnen) und treten in
konzentrierter Weise in den oben genannten Bundesländern auf. Durch diese Ungleich-
verteilung konnte bei der Berücksichtigung sämtlicher Bundesländer kein repräsentativeres
Abbild geschaffen werden; es wurden ersatzhalber mittelgroße Einrichtungen gewählt.
Grundmittelkonzept.
287 Vgl. Deutscher Bühnenverein (2007), S. 253.
5. Empirische Untersuchung 107
5.1.5 Sekundärkriterium 3: Rechtsform
Grundgesamtheit (nur Theater)
Anteil in % Realisierte Stichprobe Anteil in %
GmbH 46 32,2 7 35,0
Regiebetriebe 37 25,9 3 15,0
Eigenbetriebe inkl. Landesbetriebe
28 19,6 6 30,0
Sonstige 32 22,4 4 20,0
Summe 143 100 20 100
Tab. 20: Verteilung des dritten Sekundärkriteriums
Quelle: Deutscher Bühnenverein, (2007), S. 253; Additionsfehler ist rundungsbedingt.
Bei der Einführung und Umsetzung von NPM-Instrumenten könnte ein Zusammenhang zu
rechtlichen Rahmenbedingungen bestehen (vgl. dazu auch die entsprechende intervenie-
rende Variable im Untersuchungsdesign). Deshalb wurde die Rechtsform bei der
Stichprobenwahl ebenfalls berücksichtigt (Tab. 20). In der Theaterstatistik ist für die
Orchester lediglich der Rechtsträger, nicht jedoch die Rechtsform aufgeführt.288 Daher
konnten bei der Grundgesamtheit nur die Theater berücksichtigt werden. Abweichungen
sind auch hier verteilungsbedingt.
5.1.6 Leitfadeninterviews mit Experten
Als Interviewpartner wurden in den 20 Kulturbetrieben jeweils die Personen mit der
höchsten wirtschaftlichen und/oder administrativen Verantwortung ausgewählt. Dies waren
die Geschäftsführer, kaufmännischen Direktoren bzw. Verwaltungsleiter der Einrichtun-
gen, in einem Fall ein Stellvertreter. Diese Personengruppe trägt im Regelfall alleinig oder
gemeinsam mit der Intendanz die finanzielle und administrative Verantwortung und
verfolgt damit das Erreichen der Formalziele.289 Bei ihr liegen ferner die höchste
Kompetenz des Verwaltungshandelns und damit auch die Verantwortung für eine
eventuelle Einführung von NPM-Instrumenten. Diese Durchsetzungs- und Gestaltungs-
kompetenz in Bezug auf das Forschungsthema begünstigt das für die Erkenntnisgewinnung
zu erreichende hohe Reflektionsniveau. Somit wurde davon ausgegangen, dass die
Geschäftsführer innerhalb der Kulturbetriebe über das vergleichsweise höchste Maß an
entsprechendem Handlungs- und Praxiswissen für die zu rekonstruierenden Prozesse
verfügen.290
288 Ebenda, S. 224-227. 289 Vgl. Ossadnik (1987), S. 284. 290 Vgl. Flick (2007), S. 214-217; Ossadnik (1987), S. 284.
108 5. Empirische Untersuchung
Zugleich ist die Tätigkeit dieser Berufsgruppe eng mit dem künstlerischen Geschehen und
dem Planungsprozess der Kulturbetriebe verwoben. Daraus ergibt sich auch eine
Kompetenz für künstlerische Belange und übergeordnete Zusammenhänge (Gesamtleitung,
Außendarstellung, öffentlicher Auftrag etc.) sowie eine anteilige Realisierungs-
verantwortung für die Sachziele des Kulturbetriebs. In fünf Einrichtungen waren die
befragten Geschäftsführer in Personalunion kommissarische oder reguläre Intendanten.
Sämtliche Gesprächspartner wurden zunächst angeschrieben. Einige Wochen später
wurde ein Termin zum persönlichen Gespräch vereinbart. Insgesamt haben nur zwei der
angeschriebenen Interviewpartner das Gespräch abgelehnt, so dass die maximal mögliche
Repräsentativität auf Basis der aufgeführten Kriterien nahezu erreicht werden konnte.
Alle Gespräche wurden persönlich vor Ort in den Büros der Gesprächspartner ge-
führt. Sie fanden fast ausschließlich als Einzelinterviews statt. Lediglich in drei
Gesprächen nahm auf Veranlassung des Interviewpartners jeweils eine weitere Person teil.
Es handelte sich um einen Controller, eine Buchhalterin und einen Betriebsratsvorsitzen-
den. Einige Male wurden während des Gesprächs telefonische Einzelauskünfte aus anderen
Abteilungen eingeholt.
Die Gespräche wurden in der Form halbstandardisierter Leitfadeninterviews ge-
führt.291 Dazu diente ein vorab erarbeiteter Fragebogen (vgl. Anhang 3). Nach dem
einleitenden und Überblick verschaffenden Teil wurde vom Interviewer je nach den
Gegebenheiten im aufgesuchten Kulturbetrieb entschieden, in welcher Intensität die drei
Hauptthemen Externes Rechnungswesen, Internes Rechnungswesen und Personal-
management abgefragt wurden. Es wurden stets alle drei Themenbereiche angesprochen.
Das Interview endete immer mit allgemeinen Fragen zu den Rahmenbedingungen und den
abhängigen Variablen künstlerischer und wirtschaftlicher Erfolg. Diese Grobstruktur war
konstant; die Anzahl und die Reihenfolge der tatsächlich gestellten Fragen oblagen situativ
dem Gesprächsfluss, den sachlichen Gegebenheiten vor Ort und der Ausführlichkeit der
Antworten. Die ersten drei Interviews waren zur Erprobung des Fragebogens vorgesehen.
Im Anschluss daran wurden lediglich feine Formulierungsanpassungen vorgenommen und
die Frage zur bürokratischen Rationalität gestrichen (vgl. Auswertung). Daher sind diese
drei Gespräche in die Auswertung eingegangen.
Die Interviews wurden mit einem Aufnahmegerät mitgeschnitten und anschließend
wörtlich transkribiert. Die 20 Befragungen dauerten durchschnittlich 62 Minuten und
ergaben in Gänze 407 DIN-A4-Seiten Text (einzeilige Absatzformatierung).
291 Vgl. Gläser/Laudel (2006), S. 39 f.; Schnell/Hill et al. (2005), S. 386 ff.
5. Empirische Untersuchung 109
5.1.7 Codierung der Quellenangaben
Auf den genannten fünf Kriterien basierend wurde für jeden der 20 Kulturbetriebe der
Stichprobe ein konstanter 11-stelliger Code ermittelt. Dieser ist wie folgt aufgebaut:
• Zeichen 1+2: Nummer des Interviews (01 bis 20)
• Zeichen 3: Primärkriterium 1 (T für Theater, O für Orchester)
• Zeichen 4+5: Primärkriterium 2 (Buchstabenkürzel für Bundesland)
• Zeichen 6: Sekundärkriterium 1: Trägerschaft (S, M, L)
• Zeichen 7: Sekundärkriterium 2: Größenklasse (G, M, K)
• Zeichen 8: Sekundärkriterium 3: Rechtsform (G, R, E, S)
• Zeichen 9: Gesprächspartner (G für Geschäftsführer, V für Verwaltungsleiter)
• Zeichen 10+11: Wirtschaftlichkeitskennziffer Einspielergebnis in Prozent292
Diesem Code schloss sich in den transkribierten Interviews eine Durchnummerierung der
Textabsätze an (Frage, Antwort, Frage usw.):
• Zeichen 12 bis 15: Fortlaufende Nummerierung des Interviewabsatzes
Fiktives Beispiel: Der Code „08TNWSMEV18-124“ führt auf den 124. Absatz im
Interview Nr. 8 zurück, das mit dem Verwaltungsleiter eines nordrhein-westfälischen
mittelgroßen Theaters in städtischer Trägerschaft, Rechtsform Eigenbetrieb, geführt wurde,
welches ein Einspielergebnis von 18 % erzielt. Durch diese Codierung wurde während
sämtlicher Auswertungsschritte die Quelle der Information stets mitgeführt. Somit waren
auch die wesentlichen Rahmendaten (Zeichen 1 bis 11) jederzeit sichtbar, was das
Erkennen eventueller Zusammenhänge begünstigt hat.
Sämtlichen Gesprächspartnern wurde die Anonymität zugesichert. Daher werden in
der nachfolgenden Auswertung als Beleg lediglich die Nummer des Interviews und der
Absatz zitiert, so dass indirekte Rückschlüsse durch Merkmalsausprägungen nicht möglich
sind, im fiktiven Beispiel: vgl. 08-124.
5.2 Auswertungsmethodik
Die Interviews wurden gemäß der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Dieser Ansatz
wurde bereits im einleitenden Kap. 1 erläutert. Das Vorgehen bei der Extraktion und
Verdichtung orientiert sich am Ansatz von Gläser und Laudel (2006); die Einbeziehung der
292 Vgl. Deutscher Bühnenverein, (2007), S. 196-220 (Spalte 9); Bei Orchestern hilfsweise S. 224-227
(Summe Spalten 7 bis 9/Spalte 6).
110 5. Empirische Untersuchung
Thesen in die Extraktion, die Interpretation und die zuvor erläuterte Stichprobenauswahl
entsprang eigenen Überlegungen in der Absicht, ein individuelles, den Forschungsfragen
angemessenes Design zu finden.
5.2.1 Schritt 1: Extraktion
Die transkribierten Interviewtexte wurden unter Zuhilfenahme einer Makro-
Programmierung in Word auf Aussagen zu den elf Variablen hin ausgewertet. Jede
Variable wurde in acht konstante Dimensionen zuzüglich der Quellenangabe eingeteilt,
denen die Aussagen zugeordnet wurden:
1. Sachbezug/Gültigkeitsumfang
2. Zeitpunkt/Zeitraum
3. Aktion/Sachverhalt
4. Ursache
5. Wirkung
6. Subjektive Bewertung des Interviewten
7. Eigenschaften/Detailmerkmale
8. Sonstiges/((Kommentar in Doppelklammern))
9. Quelle (13-stellige Absatzcodierung, vgl. Kap. 5.1.7)
Die Extraktion unterliegt einem Regelwerk, um die intersubjektive Überprüf- und
Reproduzierbarkeit zu gewährleisten und ein Maximum an Objektivität zu erreichen. Die
hier verwendeten Regeln sind im Anhang 4 aufgeführt. Die Makro-Programmierung
erzeugte für jede Variable eine Extraktionstabelle, in der sämtliche einschlägigen
Aussagen chronologisch über alle Interviews hinweg aufgenommen wurden. Ein Auszug
einer unbearbeiteten Extraktionstabelle befindet sich als Muster im Anhang 5.
Somit erreicht die Extraktion eine zügige Trennung vom Rohmaterial unter Heraus-
arbeitung von abstrahierten und anonymisierten Kernaussagen, die bereits den Variablen
zugeordnet werden. Die Verwendung der Dimensionen führt zu einer Typisierung der
Aussagen, was für die spätere Auswertung und Kausalattribution von Bedeutung ist.293 Die
20 Interviews ergaben 2005 Extraktionen. In der nachfolgenden Tab. 21 wird eine
Übersicht über die nominale Datenmenge gegeben:294
293 Vgl. Gläser/Laudel (2006), S. 200-219. 294 Da sich einzelne Befunde je nach Verlauf des Gesprächs auf eine unterschiedliche Anzahl von
Extraktionen erstrecken, kann aus Tab. 21 kein quantitativer Erklärungsgehalt etwa hinsichtlich des Erkenntnisumfangs oder der Repräsentativität abgeleitet werden, auch nicht bei den nachfolgenden Auswertungsschritten. Dies ist im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse auch nicht beabsichtigt.
In
terv
iew
N
r.
Seit
en
A4
Dau
er
Min
. E
xter
nes
Rew
e.
Inte
rnes
R
ewe.
P
erso
nal-
man
ag.
Impl
e-m
enta
tion
K
ünst
l. R
atio
n.
Wir
t.
Rat
ion.
B
ürok
r.
Rat
ion.
R
ahm
en-
bedi
ng.
Pol
itik
/ V
erw
alt.
Kün
stl.
Erf
olg
Wir
t.
Erf
olg
Sum
me
Ext
rakt
. 01
17
57
14
20
14
10
6
3 1
11
3 6
19
107
02
19
63
15
11
14
8 4
1 2
12
4 8
16
95
03
20
64
12
13
20
13
4 3
0 16
17
6
17
121
04
17
44
16
26
21
7 2
2 0
13
5 4
10
106
05
18
70
12
21
22
11
2 1
0 11
6
4 6
96
06
20
70
10
10
9 5
0 2
0 13
8
8 8
73
07
19
63
9 11
15
7
5 4
0 19
7
4 4
85
08
21
58
14
19
13
10
3 6
0 13
12
10
10
11
0
09
26
72
27
18
13
13
1 0
0 23
7
11
10
124
10
17
57
14
23
8 2
1 2
0 22
3
1 10
86
11
14
48
9 6
4 4
3 4
0 20
4
4 4
62
12
22
70
10
11
14
14
3 4
0 12
5
10
10
93
13
19
63
12
10
15
8 1
4 0
19
4 2
10
85
14
26
65
10
13
8 23
2
5 0
24
8 1
16
110
15
22
71
5 16
12
19
4
4 0
21
6 1
7 95
16
22
64
6 22
15
10
4
5 0
21
3 6
13
105
17
22
70
11
8 17
24
8
5 0
16
6 2
12
109
18
20
57
12
14
12
4 5
3 0
27
7 10
9
103
19
22
50
9 23
24
16
3
3 0
30
5 3
14
130
20
24
61
5 9
11
17
2 5
0 27
7
11
16
110
SUM
ME
40
7 12
37
232
304
281
225
63
66
3 37
0 12
7 11
2 22
1 20
05
Tab
. 21:
Int
ervi
ewst
atis
tik
(Ver
teilu
ng d
er E
xtra
ktio
nen
aus
den
Inte
rvie
ws
auf
die
11 V
aria
blen
)
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
5. Empirische Untersuchung 111
112 5. Empirische Untersuchung
5.2.2 Schritt 2: Aufbereitung und Verdichtung
Dieser Schritt verfolgt das Ziel der Verdichtung durch Reduzierung des Umfangs des
empirischen Materials, jedoch unter vollständiger Beibehaltung des Informationsgehalts.
Dies geschieht, indem in jeder der 11 Extraktionstabellen
• über die Tabelle verstreute Informationen zu identischen Inhalten und Gegenständen
zusammengeführt werden und
• dabei textliche Redundanzen beseitigt werden (unter Beibehaltung aller Quellenanga-
ben).
Dadurch wird gewährleistet, dass sämtliche Inhalte vorheriger Arbeitsschritte erhalten
bleiben. Widersprüchliche Aussagen und verschiedenartige Informationen bleiben
nebeneinander stehen. Lediglich offensichtliche Fehler und Missverständnisse werden
korrigiert bzw. kommentiert. Abschließend wird die Tabelle thematisch und nach
Erkenntnisinteressen sortiert. Ein Muster für diesen Auswertungsschritt befindet sich in
Anhang 6. Aufgrund des hohen Anteils einzelfallbezogener individueller Aussagen lag die
Redundanzquote bei ca. 20 %. Ähnliche Aussagen wurden nur dann zusammengeführt,
wenn diese in der Kernaussage exakt übereingestimmt haben. Die thematische Sortierung
innerhalb der Tabellen ermöglichte erwartungsgemäß den schnelleren Zugriff auf die
umfangreiche Datenmenge.
5.2.3 Schritt 3: Zuordnung der Extraktionen zu den Thesen und Bewertung
Die Extraktionstabellen wurden um 10 Spalten ergänzt. In diesen wurde die Bewertung
aller Extraktionen hinsichtlich der Haupt- und der neun Subthesen vorgenommen und wie
folgt gekennzeichnet:
• keine Eintragung = kein Zusammenhang
• „0“ = inhaltliche Nähe vorhanden, aber kein Urteil über Verifikation
oder Falsifikation der These möglich; neutraler Befund
• „+“ = empirischer Befund stützt These
• „++“ = empirischer Befund stützt These stark
• „-“ = empirischer Befund steht in Widerspruch zur These
• „--“ = empirischer Befund steht in starkem Widerspruch zur These
• Mischnotationen
z. B. „0+“
= Anzeichen für weitere Abhängigkeiten („es kommt darauf an; nur
wenn Bedingung X erfüllt“) oder Hintergrundvariablen
5. Empirische Untersuchung 113
Anschließend wurden die 11 Extraktionstabellen in eine gemeinsame Tabelle überführt
und nach unterschiedlichen Kriterien zu Auswertungszwecken automatisch (oder ggf.
manuell) sortiert, z. B. nach den Eintragungen in den Thesenspalten. Dadurch entstand ein
komprimierter Überblick zu den Extraktionen, welche eine Verifikation bzw. Falsifikation
der Thesen indizieren.
5.2.4 Schritt 4: Analyse und Interpretation
Im letzten Auswertungsschritt wurden die gewonnenen Daten interpretiert und dabei
Rückschlüsse auf die Forschungsfragen gezogen. Die Ergebnisse dieses Arbeitsschrittes
werden in den nachfolgenden Kapiteln dargelegt. Die qualitative Inhaltsanalyse orientiert
sich dabei an dieser Vorgehensweise:295
• Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Befunden sind herauszustellen.
• Widersprüche und Varianzen im empirischen Material müssen aufgeklärt werden, da
im Vergleich zu quantitativen Verfahren keine Irrtumswahrscheinlichkeiten und
Störvariablen existieren.
• Bedingungen sind herauszuarbeiten, unter denen bestimmte Wirkungen eintreten bzw.
nicht eintreten (notwendige, hinreichende, fördernde, hemmende Bedingungen).
Dadurch wird angestrebt, Kausalitäten aufzudecken und differenzierte qualitative
Aussagen treffen zu können.
Eine vollumfängliche Triangulation mit quantitativen Daten wurde nicht vorgenom-
men (ein Vergleich der Inhalte der einzelnen Expertengespräche mit den intertemporalen
Daten der Theaterstatistik wäre von der Datenlage her möglich gewesen). Zum einen
wurde kein dezidiert fallspezifischer Erklärungsansatz gewählt und zum anderen lassen die
in der Theaterstatistik vorliegenden Daten keine ausreichende Beurteilung von relativer
Wirtschaftlichkeit sowie keinen Rückschluss auf NPM-Einflüsse zu. Insofern ginge aus der
quantitativen Gegenüberstellung kein nennenswerter Erkenntniszuwachs hinsichtlich der
NPM-bezogenen qualitativen Forschungsfrage hervor.
295 Vgl. Gläser/Laudel (2006), S. 241-245.
114 5. Empirische Untersuchung
5.3 Gütekriterien der empirischen Sozialforschung
5.3.1 Objektivität
Das Gütekriterium Objektivität beleuchtet, ob eine intersubjektive Überprüfbarkeit der
Untersuchungsergebnisse in der Weise vorliegt, dass auch ein anderer Forscher zu
denselben Ergebnissen gelangen würde (Beobachterübereinstimmung). Sie ist ein bislang
wenig etabliertes Gütekriterium; folglich existiert keine allgemein akzeptierte Methodik.
Als eine Realisierungsmöglichkeit werden präzise Variablendefinitionen genannt, die
keine Interpretationsspielräume zulassen296.
Die hohe Strukturdeterminierung durch die qualitative Inhaltsanalyse verringert den
Raum für subjektive Auslegungen durch den Auswertenden, z. B. von einzelnen Aussagen.
Es ist möglich, sämtliche Arbeitsschritte der Auswertung und der Analyse zurückzu-
verfolgen, nicht zuletzt durch die permanent mitgeführte Absatzquelle. Auch in den
ausformulierten Untersuchungsergebnissen wurde bewusst eine hohe Zahl an Quellen-
angaben in den Fußnoten aufgenommen, welche auf den Urtext der Interviews verweisen,
sowie gelegentlich direkt zitiert. Somit ist jede Schlussfolgerung belegt.
Eine potenzielle Schwäche der Erhebungsart Experteninterview, die aber nicht
unter das Gütekriterium der Objektivität fällt, könnte weniger in der Subjektivität des
Forschers gesehen werden, jedoch in der Subjektivität der Befragten. Das Experten-
interview hat jedoch gerade zum Ziel, das persönliche Erfahrungswissen der Experten zu
erschließen und auszuwerten, welches auch subjektive Werturteile beinhaltet. Ferner
impliziert der Insider-Status als hochrangiger Repräsentant einer Organisation einen
Informationsvorteil, der gegenüber dem Fragenden strategisch eingesetzt werden könnte.
Belastbare Indizien hierfür gibt es in dieser Arbeit jedoch nicht. Ein gewisses Maß an
Vorsichtigkeit vor der Offenbarung von betrieblichen Informationen bzw. eine
Zurückhaltung vor dem Eingestehen von evtl. vorhandenen Defiziten kann aus
nachvollziehbaren Gründen nicht ausgeschlossen werden. Das bedeutet, die Erkenntnisse
aus dieser Studie können aus methodischen Gründen nicht umfangreicher ausfallen, als es
die Offenheit der Interviewpartner in den Gesprächen zulässt. Wenn Werturteile gefällt
wurden oder forciert emotional geschildert wurde (sog. Karthatischer Effekt bei Manager-
Experteninterviews297), so wurde dies in den Variablendimensionen entsprechend
gekennzeichnet und bei der Auswertung berücksichtigt.
296 Vgl. Flick (2007), S. 499 f.; Hübler (2005), S. 37. 297 Vgl. Bogner/Littig et al. (2005), S. 216.
5. Empirische Untersuchung 115
Zu einer weiteren Steigerung der Objektivität wäre es notwendig gewesen, die von den
Interviewpartnern geäußerten Aspekte durch Gespräche mit anderen Personen
(Intendanten, Abteilungsleiter, Personalvertreter, Kulturpolitiker etc.) jeweils derselben
Einrichtung kritisch zu hinterfragen. Daraus würde aber angesichts begrenzter
Zeitkapazitäten eine Fallstudien-Methodik hervorgehen, unter der die Repräsentativität
stark gelitten hätte; dies widerspräche auch dem Forschungsziel, eine möglichst große
Bandbreite an Aspekten zu generieren.
5.3.2 Reliabilität
Das Gütekriterium Reliabilität misst die Verlässlichkeit, mit der Testergebnisse aufgrund
von konstanten Rahmenbedingungen und einer hohen Messgenauigkeit reproduzierbar
sind. Dabei wird eine Stabilität im Zeitverlauf und ein niedriger Anteil von zufälligen
Fehlern angestrebt.298 Nicht nur die Bedingungen, sondern auch der Untersuchungsgegens-
tand kann sich während des Forschungszeitraums verändern. Verfahren zur Sicherung der
Reliabilität stellen das Wiederholen von Tests, das Einbeziehen anderer Messverfahren
bzw. die Triangulation, die Konsistenzüberprüfung durch Teilung der Stichprobe in zwei
Hälften sowie das Festlegen von Konventionen für die Aufzeichnung dar.
Mit der hier gewählten qualitativen Inhaltsanalyse liegt ein dichtes Regelwerk mit
standardisierten Auswertungsschemata und -konventionen vor. Unterschiedliche Kon-
notationen und Begriffsverständnisse zwischen Frager und Befragtem traten gelegentlich
auf und wurden im Gespräch durch entsprechende Nachfragen bzw. Erläuterungen
umgehend geklärt, z. B. bezüglich weit definierter Begriffe wie „Personalmanagement“
oder „Rahmenbedingungen“. Der Umstand des persönlichen Gesprächs hat zum raschen
beidseitigen Erkennen und Beseitigen eventueller Missverständnisse und Unklarheiten
beigetragen. Während des Erhebungszeitraums von 8 Monaten kann eine wesentliche
Veränderung des Untersuchungsgegenstands und seines Umfelds ausgeschlossen werden.
Die fallbezogenen Rahmenbedingungen wurden abgefragt und individuell festgehalten.
Eine Halbierung der Stichprobe wurde nicht praktiziert, jedoch wurden mehrfach
gegenstandsbezogene Untergruppen gebildet und das Zustandekommen eines Befunds
innerhalb der Untergruppe kritisch überprüft.
298 Vgl. Flick (2007), S. 489 ff.; Hübler (2005), S. 39; Mayring (2007), S. 109; Schnell/Hill et al. (2005),
S. 154.
116 5. Empirische Untersuchung
5.3.3 Validität
Die Validität hinterfragt das Zustandekommen der Daten und stellt auf die Gültigkeit der
Erhebung ab: Sieht der Forscher das, was er zu sehen meint? Wird das gemessen, was
gemessen werden sollte? Leben Forscher und Befragter in derselben Realität bzw.
Realitätsannahme? Mögliche Fehlerquellen sind z. B. das Hineininterpretieren oder Nicht-
erkennen von Zusammenhängen, das Stellen ungeeigneter Fragen oder systematische Fehler
(Störvariablen etc.).299 Die Validität bewertet insbesondere, ob die dem Forschungsmodell zu
Grunde liegenden Konstruktionen und Operationalisierungen geeignet sind, die realen
Phänomene treffsicher zu messen (Konstruktvalidität)300. Sie kann hauptsächlich in
quantitativen Erhebungen zu Schwierigkeiten führen, wenn menschliches oder betriebliches
Handeln in zuvor definierten ordinalen oder kardinalen Skalen gemessen werden muss. Ein
entscheidender Vorteil der Erhebungsmethode des halbstrukturierten Experteninterviews
besteht darin, dass der Befragte frei und selbstbestimmt antworten kann. Zwar werden auch
hier komplexe soziale Phänomene aus den Antworten abgeleitet, jedoch sind dabei keine zu
validierenden Skalen zu verwenden. Dadurch entfallen die schwierigen Schritte der
Operationalisierung sozialer Phänomene in quantitative Größen bzw. bei der Auswertung die
Rückübersetzung quantitativer Ergebnisse in soziale Phänomene und Kausalitäten. Dies lässt
zudem auf eine gute Inhaltsvalidität schließen, welche zum Ziel hat, dass alle Aspekte der
zu messenden Dimension berücksichtigt werden.301
Es wurden partielle Datenvergleiche zur Validitätssteigerung wie folgt durchge-
führt: Vor und nach den Interviews wurden die verfügbaren quantitativen Daten der
Theaterstatistik für die jeweilige Einrichtung zum Abgleichen einzelner bedeutender
Kennzahlen auf eventuell vorliegende Unstimmigkeiten oder Missverständnisse
herangezogen. Hierbei traten keine Differenzen auf.
In 10 Fällen war es möglich, Jahresabschlüsse oder Wirtschaftspläne der Einricht-
ungen zu erhalten. Diese wurden in Bezug auf den jeweiligen Einzelfall und bei
generalisierenden Schlussfolgerungen zur Validitätskontrolle einbezogen, in dem die in
den Interviews genannten Größenrelationen anhand von konkreten Zahlen überprüft
werden konnten. Bei zwei von ca. 800 Extraktionen traten Widersprüche auf, was auf eine
ausreichende Validität der Interviews schließen lässt. Die abweichenden Befunde wurden
in den Extraktionstabellen vermerkt.
299 Vgl. Flick (2007), S. 492 f.; Mayring (2007), S. 109 f.; Schnell/Hill et al. (2005), S. 154 ff. 300 Vgl. Hübler (2995), S. 39 ff. 301 Vgl. Schnell/Hill et al. (2005), S. 155 f.
5. Empirische Untersuchung 117
Einige der explorativen Befunde in der Auswertung (z. B. Bestimmung des Abschrei-
bungsvolumens) beruhen auf den quantitativen Daten der Theaterstatistik.
Es wurde versucht, klassische Erhebungsverzerrungen wie z. B. die Beeinflussung
von Antworten durch soziale Erwünschtheit mit möglichst offenen Fragestellungen
entgegenzuwirken; ganz auszuschließen sind sie dennoch nicht.302 Im gewählten
Extraktionsschema wurden Fakten, Deskriptionen und belegbare Ursache-Wirkungs-
Beziehungen sowie Meinungsäußerungen getrennt erfasst und weiterverarbeitet (vgl. Kap.
5.2.1). Geäußerte Einschätzungen über zukünftige Entwicklungen und im Konjunktiv
formulierte Thesen (Wenn X eintreten würde, dann resultierte Y) wurden entweder bei der
Auswertung nicht berücksichtigt oder im Falle hoher Relevanz als subjektive Meinungsäu-
ßerung erfasst (vgl. Extraktionsregeln). Durch die bereits im ersten Auswertungsschritt
erfolgende Zuordnung zu Aussagekategorien wurde versucht, das höchstmögliche Maß an
Gültigkeit zu erreichen. Diese Zuordnung wurde auch bei der Aggregation der Daten und
den nachfolgenden Auswertungsschritten weitergeführt.
302 Wenn beispielsweise ein Interviewpartner sagt, die Deckungsbeiträge vergangener Inszenierungen seien
eine wichtige Orientierungs- und Entscheidungsgröße bei der Planung zukünftiger Spielzeiten, so fließt dieses als Faktum in die Auswertung ein, auch wenn eine derartige Aussage nur eine Behauptung gewesen sein könnte. Es wurde jedoch versucht, vertiefend nachzufragen, z. B. zu welchen Ergebnissen dies geführt habe. Daraus ergaben sich u. U. weitere Anhaltspunkte.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 119
6 Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
6.1 Explorativer Befund
Zum Zeitpunkt der Erhebung haben 17 der 20 befragten Einrichtungen bereits doppisch
gebucht. In einem Kulturbetrieb stand die Einführung der kaufmännischen Buchungsweise
unmittelbar bevor (6 Wochen nach der Befragung), in einem weiteren war die Umstellung
für das übernächste Jahr vorgesehen. Lediglich in einer Einrichtung der Stichprobe bestand
keine Absicht, sich von der praktizierten erweiterten Kameralistik zu trennen. Damit trat
die Kameralistik in ihrer ursprünglichen Form ohne doppische Erweiterungsbestandteile
kein einziges Mal auf. Die Ablösung der Kameralistik durch die kaufmännische
Buchführung befindet sich somit in einem stark fortgeschrittenen Stadium und hat 95 %
der Stichprobe erfasst. Die Zeitpunkte der Umstellung sind in Tab. 22 zusammenfassend
dargestellt:
bis 1979 1980-1984 1985-1989 1990-1994 1995-1999 2000-2004 2005-2010
Anzahl 1 0 3 1 6 4 4
Tab. 22: Zeitpunkte der Umstellung auf Doppik, N = 20
Quelle: Eigene Darstellung; Ein Fall nicht gelistet, da keine Umstellungsabsicht, Erhebungszeitraum Juli 2008 bis Februar 2009.
Die Kameralistik gilt als die traditionelle Art der Haushaltsführung im öffentlichen Sektor,
die Doppik als Buchungstechnik des privaten Sektors. Da die unmittelbaren staatlichen
Einrichtungen (Verwaltungen und Behörden, nachgeordnete Einrichtungen, Hoheitsbetrie-
be, Landesbetriebe) keine eigene Rechtsperson haben und öffentliche kulturelle
Einrichtungen diesen Status vor dem Einsetzen der Privatisierungstendenzen der letzten
Jahrzehnte ursprünglich mehrheitlich besaßen, soll ein eventueller Zusammenhang
zwischen Rechtsform, rechtlicher Selbständigkeit und Buchungsweise nachfolgend eruiert
werden:
120 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
Rechtsform Anzahl in Stichprobe
davon mit eigener Rechtsperson
Buchungsweise
6 doppisch GmbH 7 7
1 kameral (Umstellung geplant)
1 doppisch
Regiebetriebe 3 0 2 kameral
davon: 1 Umstellung geplant mit städtischer Konzernbilanz
Eigenbetriebe inkl. Landesbetriebe
6 2 6 doppisch
Sonstige 4 4 4 doppisch
17 doppisch
Summe 20 13 3 kameral
davon: 2 Umstellung geplant
Tab. 23: Übersicht über Rechtsform, Rechtsperson und Buchungsweise
Quelle: Eigene Darstellung.
Wie Tab. 23 zu entnehmen ist, gibt es keine perfekte Korrelation zwischen den Merkmalen
Rechtsperson und Buchungsweise: In fünf Betrieben ohne eigene Rechtsperson wird
doppisch gebucht, folglich auch bilanziert (4 Eigenbetriebe, 1 Regiebetrieb). In einem
anderen Fall wird (noch) trotz eigener Rechtsperson kameral gebucht, zudem noch in einer
GmbH, welche historisch dem privaten Sektor zuzuordnen ist. Daraus folgt, dass die
rechtliche Verselbständigung von Kulturbetrieben keine notwendige Voraussetzung für die
Einführung von Doppik ist und ebenfalls keine hinreichende Bedingung für das
Vorhandensein von Doppik. Die umgekehrte Schlussfolgerung von Doppik auf rechtliche
Selbständigkeit ist ebenso nicht zulässig. In 6 von 20 Fällen, das entspricht 30 % der
Stichprobe,303 trifft der Zusammenhang zwischen den Eigenschaftsmerkmalen „rechtlich
unselbständig“ und „kameral“ bzw. „rechtlich selbständig“ und „doppisch“ somit nicht zu,
insbesondere bei den Eigen- und Landesbetrieben: Unter den vier rechtlich unselbständi-
gen Einrichtungen mit doppischer Buchungsweise befinden sich zwei Landes- und zwei
Eigenbetriebe.304
303 Diese Quote gilt sowohl mit als auch ohne Berücksichtigung der beiden geplanten Umstellungen. 304 Vgl. auch Mühlenkamp (1994), S. 22.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 121
6.2 These 1: Doppik führt zu wirklichkeitsnäherer Abbildung des Ressourcen-verbrauchs
6.2.1 Bestätigende Befunde
Gemäß dem explorativen Befund existiert in 17 Einrichtungen bereits eine Bilanz und zwei
Eröffnungsbilanzen befinden sich in Vorbereitung. Es kann davon ausgegangen werden,
dass in den meisten Fällen damit erstmalig eine vollständige Vermögensrechnung zur
Erfolgsrechnung hinzugetreten ist, in welcher die Kapitalherkunft (Passiva) und die
Vermögenssituation (Aktiva) ausgewiesen wird. Durch diese differenziertere Darstellung
entsteht für die Geschäftsführung eine wesentlich bessere und umfassendere Übersicht
über den wirtschaftlichen Status des Hauses; zugleich wurde die Bedeutung der Liquidität
relativiert.305 Die Entwicklung der Liquidität muss nicht mit dem GuV-Jahresergebnis,
welches den umfassender definierten Ressourcenverbrauch widerspiegelt, korrespon-
dieren.306
Bei Einführung der Doppik erfordert die Aufstellung der Eröffnungsbilanz eine
erstmalige Inventarisierung. In einem Theater wurden dabei Instrumente gefunden, u. a.
Kontrabässe und ein älterer Flügel, deren Existenz bislang unbekannt war.307
Die Entwicklung des Anlagevermögens samt Abschreibungen und Neuanschaffun-
gen wird im Anlagegitter (Anlagespiegel) im Jahresabschluss ausführlich dargelegt. Dies
erzeugt für die Geschäftsführung eine transparente Darstellung des wertmäßigen Bestands
bzw. des Ressourcenverbrauchs und damit eventueller Ersatzinvestitionsbedarfe zum
Substanzerhalt, z. B. hinsichtlich der Maschinerie, des Fuhrparks, der IT-Systeme. Das
unterstützt somit die Investitionsplanung, etwa indem Schwerpunkte auf Basis dieser
Informationsgrundlagen gebildet wurden.308 In einem Theater hat die erstmalige
Quantifizierung von Abschreibungen zu einer Versachlichung der Debatte mit dem Träger
über Investitionsbedarfe geführt, was nach Ansicht des Gesprächspartners sogar die
Realisierungschance einer notwendigen Generalsanierung erhöht hat.309
Bei den insgesamt 19 Bilanzen wurden in fünf Fällen Grundstücke, Gebäude
und/oder die Gebäudehülle aktiviert.310 In einem weiteren Kulturbetrieb wurde ein
renovierter Nebensaal im Wert von 3 Mio. € ins Anlagevermögen aufgenommen, welcher
305 Vgl. Interview 04-36; 10-55. 306 Ebenda, 03-56. 307 Ebenda, 06-68. 308 Ebenda, 07-20, -52. 309 Ebenda, 15-94. 310 Ebenda, 01-58; 07-36; 14-38 ff.; 15-44; 17-58.
122 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
über 30 Jahre abgeschrieben wird.311 Dieser ist räumlicher Bestandteil des nicht bilanzierten
Hauptgebäudes. Folglich sind in 13 Anlagegittern keine Gebäude oder Grundstücke
enthalten.312 Es ist davon auszugehen, dass dies den Eigentumsverhältnissen entspricht, da
die Räumlichkeiten häufig vom Träger zur Nutzung überlassen werden. In der Mehrheit der
Fälle dominieren im Anlagevermögen somit die Sachanlagegüter, vorwiegend Betriebs- und
Geschäftsausstattung.313 Die vielfach wertvollen Instrumente befinden sich im Regelfall im
Eigentum der Musiker und werden bis auf wenige orchestereigene Instrumente (Pauken und
Schlagwerk, Flügel, Celesta etc.) nicht bilanziert. In sieben Fällen waren auch die (Bühnen-
)Maschinerie, technische Ausstattung und/oder ein Fuhrpark für den Abstecherbetrieb
Bestandteile des Vermögens. Drei der 15 befragten Theater aktivieren die Inszenierungen
des Repertoires, entweder gemäß Herstellungskosten (Materialaufwand und weitere
Einzelkosten, in einem Fall auch erfasste Arbeitsstunden der Werkstätten als Eigenleistung
für Bühnenbilder und Kostüme) oder gemäß Anschaffungskosten (bei eingekauften
Produktionen).314 Wenn die Eigentumsverhältnisse als Kriterium der Wirklichkeitsnähe
herangezogen werden, kann die These diesbezüglich als gestützt gelten.315
In 7 der 17 doppisch buchenden Einrichtungen fließen die Abschreibungen belas-
tend in die Gewinn- und Verlustrechnung ein, ohne zusätzliche entlastende Gegen-
buchungen.316 Dies ist der im privaten Sektor übliche Zustand; zu den übrigen Betrieben
siehe falsifizierender Befund. Grundsätzlich wird die periodengerechte Zuordnung von
Aufwendungen und Erträgen durch die Eigenschaften der doppisch geführten Bilanz und
GuV in stärkerem Maße als in der Kameralistik erreicht, was für die Steuerung von
größeren Theatern als unverzichtbar eingeschätzt bzw. auch als Motivation für die
Einführung der Doppik genannt wird.317 Die gesteigerte wirtschaftliche Transparenz hat in
einem Theater die Planungs- und Steuerungsprozesse verbessert, so dass mittelbar auch die
künstlerischen Produktionen davon profitiert haben.318 Ein Geschäftsführer urteilt, dass die
doppische Buchungssystematik stringenter ist und weniger politisch motivierte
Gestaltungsoptionen zulässt, was eine Versachlichung und korrektere Wiedergabe der
wirtschaftlichen Lage zur Folge hat.319
311 Ebenda, 03-30. 312 Ebenda, 02-26; 04-24; 05-26; 06-32; 08-46; 09-48; 10-26; 11-30; 12-24; 13-90; 16-28; 18-42; 20-87 313 Ebenda, 02-22; 03-28; 05-28; 09-44; 10-26; 18-64. 314 Ebenda, 01-40; 07-38; 09-46. 315 Der Konzerngedanke des NPM würde es auch gestatten, den Kulturbetrieb als wirtschaftliche Einheit im
Gesamtvermögen einer Kommune abzubilden, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen zwischen Träger und Einrichtung.
316 Ebenda, 05-30; 06-38; 10-33; 11-32; 18-188 ff.; 19-74; 20-102 ff. 317 Ebenda, 05-44; 09-72; 15-50. 318 Ebenda, 04-62. 319 Ebenda, 20-77.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 123
Dies wird u. a. durch Rechnungsabgrenzungsposten erreicht. Bei Abonnement-Serien
erfolgt eine Zahlung zu Beginn der Veranstaltungsserie, durch die der Karteninhaber den
Anspruch auf zukünftige Theater- und Konzertbesuche erwirbt. Sollte innerhalb einer
Abonnement-Serie der Abschluss eines Wirtschaftsjahres liegen, so ermöglichen die
bilanziellen Rechnungsabgrenzungsposten – im konkreten Beispiel der passivische – eine
korrekte wirtschaftliche Zuordnung von Erträgen zu Perioden320 und gleichzeitig eine
Differenzierung von Zahlungseingang und Ertrag, was in der Kameralistik ohne
zusätzliche Darstellungen nicht möglich war.
Ein weiterer die These stützender Punkt ist die im Rahmen der Eröffnungsbilanz-
aufstellung erstmalige Erfassung und Bewertung von Rückstellungen. Durch sie wird
Vorsorge für zukünftige Verbindlichkeiten getroffen, deren wirtschaftliche Verursachung
in der gegenwärtigen Periode liegt, jedoch der Höhe oder dem Zeitpunkt nach nicht genau
quantifiziert werden können. Rückstellungen können sich gemäß den handelsrechtlichen
Vorschriften z. B. auf Altersteilzeit- und Urlaubsansprüche der Beschäftigten,
Jubiläumszahlungen, unterlassene Instandhaltung und Prozessrisiken beziehen. Ihre
Bildung bzw. Auflösung unterliegt gesetzlichen Pflichten, Verboten und Wahlrechten, ist
erfolgswirksam und be- bzw. entlastet daher das laufende Jahresergebnis, wird in jedem
Jahresabschluss angepasst und trägt somit zur wirklichkeitsnahen Darstellung der
Ressourcen bei.321 Ein Befragter äußert, dass in seinem Theater erst durch die Doppik das
Ausmaß und die wirtschaftliche Tragweite langfristiger Verpflichtungen durch
wohlwollend abgeschlossene Altersteilzeit-Verträge deutlich wurden.322
Eine weitere neue Größe auf der Passiv-Seite ist das Eigenkapital inklusive evtl.
vorhandener Gewinnrücklagen bzw. Gewinn- oder Verlustvorträgen. In Abhängigkeit von
den haushalts- und gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten des Einzelfalls kann das
Eigenkapital inklusive Rücklagen eine neue wirtschaftliche Erfolgs- und Zielgröße
darstellen und ggf. die Profitabilität eines Betriebs offenbaren.323 So dienten in einem
Kulturbetrieb über Jahre hinweg aufgebaute hohe Eigenkapitalrücklagen der Finanzierung
von Tarifsteigerungen.324 Voraussetzung hierfür ist jedoch die ausreichende Deckung mit
Liquidität.325
Zusätzlich zur Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit) tritt die bilanzielle Überschuldung
als neuer potenziell kritischer Tatbestand hinzu. Wenn das Vermögen (Aktiva) nicht zur
320 Ebenda, 03-50; 09-80. 321 Ebenda, 01-64, -74; 02-66; 03-68; 04-38 ff.; 09-92; 15-72; 17-24. 322 Ebenda, 14-70. 323 Ebenda, 02-70. 324 Ebenda, 10-48.
124 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
Deckung der Verbindlichkeiten ausreicht, entsteht ein nicht durch Eigenkapital gedeckter
Fehlbetrag. Solange die Zahlungsfähigkeit gegeben ist, muss eine existenzgefährdende
Situation nicht zwingend vorliegen.326
6.2.2 Falsifizierende Befunde
In 7 von 17 bilanzierenden Kulturbetrieben wird bezüglich des Anlagevermögens auf der
Passiv-Seite der Bilanz parallel ein Sonderposten geführt.327 Darunter befinden sich
bezeichnenderweise auch drei der fünf Einrichtungen, welche Gebäude und Grundstücke
aktiviert haben.328 In einem weiteren Kulturbetrieb wird ein Sonderposten gebildet, wenn
Anlagevermögen nicht aus dem eigenen Budget finanziert wird.329 Dabei wird der nicht-
zahlungswirksame Ressourcenverbrauch durch Abnutzung, Alterung bzw. Wertminderung
des Anlagevermögens im Jahresergebnis zwar erfasst und zahlenmäßig ausgewiesen. Die
GuV wird im Fall der Sonderpostenbildung jedoch nur im Anschaffungsjahr in Höhe der
Anschaffungskosten belastet, was der kritisierten kameralen Methodik entspricht.330
Ähnliches gilt für eine Einrichtung, welche hohe Spendenmittel für eine Baumaßnahme
akquiriert hat: Diese wurden auch als Ertrag ausgewiesen, jedoch in Bezug auf das
Jahresergebnis durch den Aufwand aus der Einstellung in den Sonderposten letztlich
neutralisiert.331
Hierüber kann man unterschiedlich urteilen: Der Sonderposten glättet einerseits die
intertemporale Darstellung. Es könnte der Fall eintreten, dass nach Umstellung auf die
Doppik das erstmalig erfasste Anlagevermögen entsprechendes Eigenkapital aufzehrt bzw.
die entstehenden Abschreibungen den Erfolg in Folgejahren belasten, so dass ein nicht
durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag und/oder ein strukturelles Defizit in der GuV
entsteht.332 Dies verhindert der Sonderposten. Auch die Glättung von Jahresabschlüssen
kann u. U. zum Wohl der Einrichtung beitragen, wenn eventuelle Fehlinterpretationen der
Jahresabschlüsse aus Detailunkenntnis dadurch vermieden werden. Im Sinne der These
jedoch - und im Einklang mit der NPM-Zielsetzung - wären der Ressourcenzuwachs durch
325 Ebenda, 14-106. 326 Ebenda, 03-68; 16-24. 327 Ebenda, 01-56 ff.; 02-38; 03-32; 04-26; 07-44; 08-74; 14-44. 328 Ebenda, 01-56 ff.; 07-36, -46; 14-42 ff. 329 Ebenda, 16-38. 330 Dies liegt an folgender Buchungsweise: Im Jahr der Anschaffung eines Anlageguts erfolgt eine
aufwandswirksame Einstellung in den Sonderposten. In Folgejahren wird das Anlagegut aufwandswirk-sam abgeschrieben, jedoch wird der Sonderposten in Höhe der Abschreibungen ertragswirksam aufgelöst. Durch die Abschreibung und zeitgleiche Sonderpostenauflösung neutralisiert sich die Ergebniswirkung in der GuV. Das bedeutet, dass der Zeitpunkt der wirtschaftlichen Belastung in der GuV exakt derselbe wie in der Kameralistik ist, nämlich volle Aufwandswirksamkeit bereits im Anschaffungsjahr, trotz jährlicher Berechnung, Darstellung und Eingang der Abschreibungen in die GuV, vgl. Fudalla/Tölle et al. (2007), S. 161 f.; Fudalla/zur Mühlen et al. (2007), S. 88 f.
331 Ebenda, 03-34.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 125
Investitionszuschüsse oder Spenden sowie der Substanzverlust durch die folgenden
Abschreibungsperioden auch jeweils im Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag der
Erfolgsrechnung sichtbar auszuweisen. Das Ziel der transparenten Darstellung des
Ressourcenverbrauchs wird damit zwar durch das zahlenmäßige Offenlegen im
Jahresabschluss partiell erreicht, jedoch in Bezug auf die wirtschaftlich bedeutendste
Kennzahl, die Höhe des GuV-Jahresergebnisses, verfehlt. Die Nivellierung nicht-
zahlungswirksamer Vorgänge durch Sonderpostenbildung läuft gerade dem deklarierten
NPM-Ziel zuwider, durch die Einführung der Doppik einen umfassenderen und
periodengerechten Ressourcenverbrauch darzulegen.
Lediglich in einem Fall trat durch die konsequente Doppik-Einführung die folge-
richtige Problematik wiederholter GuV-Jahresfehlbeträge durch hohe Abschreibungen auf
das Gebäude auf (Volumen des Anlagevermögens: 17 Mio. €333), vgl. Darstellung in Kap.
6.3.1. In einem weiteren Fall, ein Regiebetrieb, bei dem Gebäude und Grundstück ohne
Sonderposten bilanziert wurden, wurde eine übergeordnete Konzernbilanz der Stadt
erstellt, so dass hier die Höhe der Abschreibungen für die Einrichtung selbst keine Rolle
spielt.334
Zwar erlauben Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen einen perioden-
gerechten Erfolgsausweis bzw. eine bilanzielle Vorsorge, jedoch ist die Liquidität damit
noch nicht gesichert. Da die Kassenbestände im Umlaufvermögen auf Bestandskonten
geführt werden, erfolgt hier keine Periodenzuordnung, sondern eine Stichtagsmessung. Nur
durch zusätzliche Cashflow-Rechnungen können Liquiditätsströme im NPM-Sinn
periodengerecht ermittelt und hinsichtlich ihrer Verursachung analysiert werden.
Diesbezüglich ist die Doppik der Kameralistik nicht überlegen. Ein Interviewpartner weist
darauf hin, dass auch die Darstellung von Rechnungsabgrenzungsposten zu keinen
Konsequenzen bei der Liquiditätsplanung führt.335
Zudem ist es auch innerhalb der Kameralistik möglich, Bedingungen zu schaffen,
in denen eine periodengerechte Zuordnung erfolgen kann. So war es einem Kulturbetrieb
seitens des Trägers gestattet, bereits im August das nachfolgende kamerale Haushaltsjahr
zu bebuchen, so dass Einnahmen und Ausgaben der unterjährig beginnenden und endenden
Spielzeit nur einem Haushaltsjahr zugeordnet wurden.336 An anderer Stelle wird darauf
hingewiesen, dass auch die Doppik keine theateradäquate periodengerechte Zuordnung
332 Ebenda, 08-46. 333 Ebenda, 15-44. 334 Ebenda, 17-58. 335 Ebenda, 03-50. 336 Ebenda, 12-10.
126 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
erlaubt, wenn das Geschäftsjahr nicht der Spielzeit entspricht (meist 1. 8. bis 31. 7.).337
Ursache hierfür ist eine eventuelle Ungleichverteilung von Aufführungen im Winter- und
Sommerhalbjahr im Vergleich mehrerer Spielzeiten. Rechnungsabgrenzungsposten etc.
berücksichtigen zwar die Spielzeit, jedoch wenn man die Summe der Erträge und
Aufwendungen von Spielzeiten vergleichen möchte, so bestehen Ungleichverteilungen
zwischen den Jahresabschlüssen von Spielzeiten, wenn z. B. in einem Kalenderjahr 200
Aufführungen und im nächsten Kalenderjahr 220 Aufführungen absolviert werden (in
beiden Spielzeiten aber exakt 210), bedingt durch die Lage der Termine. Zudem erschwert
es interne Budgetierungsprozesse für aufführungsbezogene Einzelkosten, wenn das
Kalenderjahr der Bezugspunkt ist und dabei zwei Spielzeiten berührt werden. In einem
Kulturbetrieb trat die Situation ein, dass durch diesen Effekt ein Defizit als Jahresergebnis
erwirtschaftet wurde, obwohl die Spielzeit ausgeglichen geplant und realisiert wurde.338
Die Realisierung des Konzerngedankens des NPMs kann dazu führen, dass die
neuen Informationen der betroffenen Institution selbst nicht zur Verfügung stehen. So
berichtet der Verwaltungsleiter eines Regiebetriebs, dessen Kommune eine Eröffnungsbi-
lanz erstellt hat:
„Ich kann Ihnen noch nicht mal sagen, mit welchem Wert dieses Gebäude Theater in die Bilanz
eingewiesen wird, weil diese ganzen Dinge zentral organisiert sind über eine eigene Abteilung
Doppik [...]“339
Derselbe Kulturbetrieb wurde bislang mit einem eigenen kameralen Haushaltsplan geführt.
Es wäre von der Datenlage her möglich gewesen, neben der aggregierten kommunalen
Bilanz auch vergleichbare einrichtungsbezogene Darstellungen zu generieren (bzw. zu
kommunizieren), um den handelnden Personen des Theaters die Zusammenhänge
zwischen Erfolg und Vermögen offen zu legen.
Durch die Doppik neu entstehende Bewertungsspielräume, Gestaltungsmöglich-
keiten und Wahlrechte können zu unterschiedlichen Darstellungen und Ergebnissen
führen. Es wird teilweise geurteilt, dass dies mehr Intransparenz erzeuge, als zuvor in der
streng liquiditätsbezogenen Kameralistik herrschte. Zwei Geschäftsführer bekunden, dass
die Doppik einen größeren Umfang an Gestaltungsmöglichkeiten zulässt.340 So ist es in
einem Fall gelungen, ein drohendes Defizit durch geschickte Gestaltungsentscheidungen
zu „verhindern“:
337 Ebenda, 09-44. 338 Ebenda, 09-200. 339 Interview 17-18; Direkte Zitate werden zur Steigerung des Leseflusses ohne Inhaltsveränderung ggf.
geringfügig sprachlich korrigiert. 340 Vgl. Interviews 02-60; 08-108.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 127
„Das haben wir nur geschafft durch Bilanztrickserei. Also wie das die Controllerin geschafft
hat, weiß ich bis heute nicht.“341
Einige Ursachen unterschiedlicher Darstellungen lauten z. B.:
• Differenzen zwischen Buchwert, Marktwert und Nutzen von Anlagegütern. Beispiels-
weise haben der Kostümfundus und die Requisiten einen hohen praktischen Nutzen für
das Theater, sind jedoch mehrheitlich unverkäuflich und werden dennoch in aufwändi-
gen Verfahren bewertet und abgeschrieben. In einem anderen Beispiel kam es nach
abweichender Bewertungseinschätzung zur Sofortabschreibung des gesamten Fundus,
was das Jahresergebnis entsprechend belastet hat.342
• Der Wechsel eines Wirtschaftsprüfers führte zu einer veränderten Buchungs- und
Darstellungsweise des Anlagevermögens.343
• Mit der konkreten Person des Wirtschaftsprüfers wurde die Entscheidung beeinflusst,
ob ein Sonderposten gebildet wird oder nicht.
• Abgrenzungsentscheidungen, welche Gegenstände noch zum Gebäude bzw. welche
zur beweglichen Ausstattung gehören (z. B. technische Anlagen) und folglich unter-
schiedlich bilanziert und abgeschrieben werden.
• Bei aktivierten Inszenierungen besteht teilweise Unkenntnis über die Dauer des
Verbleibens im Spielplan. Dadurch kann es zu Anpassungen der Abschreibungsdauer
oder im Extremfall zu Sofortabschreibungen kommen. Da hier schwer zu objekti-
vierende Planungsprozesse die Informationsgrundlage bilden, werden die aktivierten
Inszenierungen auch als bilanzpolitischer Spielraum bewusst genutzt.344
• Bei Rückstellungen bestehen Bewertungsspielräume. So wird benannt, dass zur
Beeinflussung des Jahresergebnisses eine entsprechende Rückstellungspolitik inner-
halb der handelsrechtlichen Vorschriften betrieben wird.345
• In einem Betrieb werden keine Rückstellungen für Altersteilzeitansprüche gebildet, da
in Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer festgestellt wurde, dass den Zahlungsver-
pflichtungen auch Einsparungen durch günstigeres junges Personal, sinkenden
Krankenstand etc. gegenüberstehen, so dass die Gesamtwirkung als haushaltsneutral
eingeschätzt wurde.346
341 Ebenda, 08-107. 342 Ebenda, 09-44; 14-64. 343 Ebenda, 16-38. 344 Ebenda, 01-40; 07-38; 09-44. 345 Ebenda, 09-90 ff. 346 Ebenda, 09-98.
128 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
6.2.3 Neutrale Befunde
Zwei Kulturbetriebe haben mit dem Systemwechsel auf die Doppik eine unübersichtliche
und für Fehlbuchungen anfällige Kameralistik abgelöst. Zum einen wurden sämtliche
Einnahmen auf einen einzigen Erlöstitel gebucht, so dass die Zusammensetzung des
Umsatzes im Jahresabschluss nicht ablesbar war. Zum anderen existierte bereits zu
früheren Zeiten eine Vermögensrechnung in der erweiterten Kameralistik, welche jedoch
ungünstig strukturiert war und schlecht geführt wurde, so dass erst der Systemwechsel auf
Doppik eine grundlegende Verbesserung der Informationslage bewirkt hat. Die höhere
Transparenz durch die Doppik ist somit gemäß der These eingetreten, jedoch kann die
Ursache nicht in der Vorteilhaftigkeit der Doppik, sondern in der Abschaffung der zuvor
dysfunktional gestalteten Kameralistik dieser konkreten Einzelfälle zugeschrieben werden
(Post hoc ergo propter hoc-Fehler bei der Kausalattribution der Gesprächspartner).347
In einer weiteren Einrichtung wird mehr wirtschaftliche Transparenz durch die
Doppik festgestellt, bedingt durch die neue tagesaktuelle Verfügbarkeit der Daten, was
auch die Qualität der Controlling-Prozesse verbessert hat.348 Dies kann durch die
Hintergrundvariable Rechtsform erklärt werden, weil die zeitgleiche rechtliche
Verselbständigung dazu geführt hat, dass die Buchungsvorgänge von der städtischen
Kämmerei in den Kulturbetrieb verlegt wurden.
Ein weiterer Erfahrungswert besteht darin, dass trotz erhöhter Transparenz auch
doppische Abschlüsse nicht vor (u. U. politisch motivierten) Diskussionen mit den Trägern
schützen, worin die Ursache für ein Defizit liegt und ob das Defizit durch die Einrichtung
vermeidbar gewesen wäre.349
6.2.4 Abschließende Bewertung der These
Die stützenden Befunde überwiegen gegenüber den falsifizierenden. Insbesondere gelten
die stützenden Befunde für eine größere Anzahl von Kulturbetrieben, weil die meisten der
transparenzfördernden Eigenschaften der Doppik systemimmanent sind, wohingegen viele
der falsifizierenden Indizien durch konkrete Gegebenheiten der Einzelfälle bedingt sind,
teilweise behoben werden könnten oder nur eine Minderheit der Stichprobe betreffen.
Dennoch ist ersichtlich geworden, dass die These nicht ohne Einschränkungen und
Differenzierungen gehalten werden kann.
347 Ebenda, 09-70 ff.; 12-60, -82. 348 Ebenda, 07-52. 349 Ebenda, 11-42.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 129
Eine Ambivalenz zeigt sich zwischen der Zielsetzung der zu steigernden Wirklichkeitsnähe
der Abbildung von Ressourcenverbrauch bzw. Vermögensverhältnisse und der praktischen
Umsetzung bzw. Handhabung. Dies gilt z. B. für die Konsequenz aus der Sonderposten-
Bildung, dass Anlagegüter die GuV nur im Anschaffungsjahr belasten, vergleichbar der
kameralen Buchungsweise. Weiterhin manifestiert sich dies in umfangreichen Wahl- und
Bewertungsmöglichkeiten, welche allesamt vom Gesetzgeber vorgesehen sind, jedoch im
Widerspruch zur Interpretation von Wirklichkeitsnähe im Sinn von Objektivität stehen.
Betrachtet man die These im Kontext der Entscheidungsalternative Kameralistik
versus Doppik, so ist nicht zu verkennen, dass die Kameralistik durch Erweiterungen
einige der Vorteile der Doppik erfahren kann, z. B. durch eine zusätzliche Vermögens-
rechnung und kalkulatorische Erfassung von Abschreibungen.
Es bleibt jedoch trotz der geäußerten Einschränkungen festzuhalten, dass mit der
Einführung von Vermögens- und Erfolgsrechnung und deren Verknüpfung durch doppelte
Buchführung für die hier untersuchten Kulturbetriebe mehrheitlich ein umfassenderes Bild
der wirtschaftlichen Verhältnisse geschaffen wurde.
Die soeben betrachtete These fokussiert den Informationsgehalt jedoch unabhängig
von dessen Relevanz. Wie die beiden folgenden Thesen zeigen werden, wird diese nicht
uneingeschränkt bejaht.
130 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
6.3 These 2: Doppik führt zu einem neuen steuerungsrelevanten Informationsge-halt
6.3.1 Bestätigende Befunde
Es sind drei Kernbereiche, welche von etwa der Hälfte der Gesprächspartner, welche
bereits doppisch arbeiten, als neue steuerungsrelevante Informationen eingestuft und
positiv beurteilt werden:
• die periodengerechtere Zuordnung von Aufwand und Ertrag,
• die Erfassung des Vermögens samt umfassender bilanzieller Darstellung durch das
Anlagegitter inklusive Wertverlust sowie
• das Volumen der Rückstellungen.
Die wirtschaftliche Analyse erfolge tiefer und differenzierter, was auch auf gutes
Verständnis bei den politischen Entscheidungsträgern gestoßen sei. Auch das Kosten-
Nutzen-Verhältnis der doppischen Systeme wird von diesen Interviewpartnern positiv
eingeschätzt.350
In einem Theater wird davon berichtet, dass umfassende wirtschaftliche Analysen
doppikbasierter Kennzahlen und Berichte regelmäßig vorgenommen werden und bei
Entscheidungsprozessen die Grundlage bilden:
„Die Bilanz ist [...] der Ausgangspunkt der Diskussion im Aufsichtsrat und mit den Gesell-
schaftern über den wirtschaftlichen Status Quo des Theaters. Das zweite große Instrument sind
Liquiditätsanalysen und [...] der Jahresgewinn und der Jahresüberschuss plus der Zustand des
Eigenkapitals. Das sind eigentlich die beiden Messgrößen, anhand deren [...] die größeren
wirtschaftlichen Schritte für die Zukunft unternommen werden“.351
Auch im Fall von bilanzierten Sonderposten in Bezug auf das Anlagevermögen wird das
Abschreibungsvolumen sichtbar.352 Jedoch stellt sich die Frage, ob der Umfang des
Volumens steuerungsrelevant ist. Zur Analyse werden nachfolgend quantitative Daten
herangezogen. In der Theaterstatistik wird der Umfang der Abschreibungen für 14 der
befragten 15 Theater ausgewiesen. Damit die Vergleichbarkeit gegeben ist und die
Anonymität gewahrt bleibt, wird nachfolgend in Tab. 24 das Volumen der Abschreibungen
in Relation zu den Gesamtausgaben gesetzt:
350 Ebenda, 01-72; 04-36; 05-44; 07-20, -50; 09-72; 11-42; 14-70. 351 Interview 04-30. 352 Vgl. Interview 07-52.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 131
<1 % 1-2 % 3-4 % 5-6 % 7-8 % 9-10 % 11-12 %
Anzahl 2 7 2 0 1 1 1
Tab. 24: Anteil der Abschreibungen an den gesamten Aufwendungen gemäß der Theaterstatistik 2006/07 bei 14 der 15 befragten Theatern
Quelle: Eigene Berechnung anhand Deutscher Bühnenverein (2007), S. 162-181.
Der arithmetische Mittelwert liegt unter Berücksichtigung aller 15 Werte bei 3,47 %.353
Jedoch ist eine Zweiteilung des Sets ersichtlich. Die drei Spitzenwerte erklären sich bei
näherer Betrachtung wie folgt: In zwei Fällen ist das Gebäude Bestandteil des Anlagever-
mögens, gleichzeitig wird die Ergebniswirksamkeit der Abschreibung über einen
Sonderposten neutralisiert; in dem dritten Fall, ein kameralistisch geführter Regiebetrieb,
erfolgt der Ausweis der Abschreibungen rein nachrichtlich.354 Es handelt sich um eine
kalkulatorische Angabe aus der städtischen Kämmerei, die für das Theater ebenfalls nicht
erfolgswirksam im Sinne einer doppischen GuV ist. Das um die drei Extremwerte
bereinigte durchschnittliche Abschreibungsvolumen liegt absolut bei 549 T€ p. a., bei
einem durchschnittlichen Gesamtausgabevolumen von 27,3 Mio. €. Der bereinigte
Mittelwert des Anteils der Abschreibungen in Relation zum Ausgabevolumen beträgt
2,01 %. In dem bereinigten Set befinden sich noch drei Einrichtungen, welche über einen
Sonderposten anteilig oder vollständig Abschreibungen neutralisieren. Besonders der
absolute Wert von mehr als einer halben Million Euro lässt die Einschätzung zu, dass diese
Größenordnung steuerungsrelevant sein dürfte, da vergleichbare Summen selbst in
größeren Theatern als künstlerische Budgets für bestimmte Bereiche oder Inszenierungen
zur Verfügung stehen.
Die Steuerungsrelevanz von doppischen Kennzahlen wurde auch in der Weise
verstanden, dass ein Kulturbetrieb durch vorhandene Wahlmöglichkeiten in die Lage
versetzt wird, Gestaltungsoptionen zum Erreichen bestimmter betrieblicher Ziele
auszuüben. In diesem Sinn wurde die Steuerungsrelevanz bejaht.355
GuV und Bilanz dokumentierten das aktuelle Ausmaß und den Erfolg der umge-
setzten Sparmaßnahmen, wird an anderer Stelle befunden. Auslösendes Moment für die
Sparanstrengungen sind jedoch die Vorgaben des Trägers.356
353 Bei dieser und den nachfolgenden Rechnungen wurden die exakten Werte der Statistik herangezogen. 354 Vgl. Interview 01-56 ff.; 07-36 ff.; 19-74. 355 Ebenda, 09-90 ff. 356 Ebenda, 16-48.
132 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
Ein Gesprächspartner urteilt, die Umstellung auf Doppik habe keine hervorgehobene
Relevanz und habe nicht per se zur realisierten Effizienzsteigerung der letzten zehn Jahre
beigetragen, sei jedoch gemeinsam mit der Einführung von KLR und Controlling ein
selbstverständliches Steuerungsinstrument, welches nicht hinterfragt werden dürfe.357
6.3.2 Falsifizierende Befunde
Zunächst steht der These die globale Einschätzung von drei Gesprächspartnern entgegen,
dass der Umfang der neu aus der Doppik hervorgegangenen Inhalte gering sei und damit
hinsichtlich der Steuerung vernachlässigt werden könnte.358 Ein weiterer Geschäftsführer
stellt den Nutzen von GuV und Bilanz in Frage und verweist an anderer Stelle auf den
prioritären Status der Liquidität:
„[Die Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse, Anm. d. Verf.] ist sehr, sehr klar und sehr,
sehr deutlich. [...] Es ist ja überdeutlich. Man fragt sich nur: Wofür? Ich brauche das Ganze
nicht. [...] Für mich ist das operative Geschäft das Entscheidende. Gewinn- und Verlustrech-
nung und [...] die Bilanz, [...] da geht man mit fiktiven Horten um, ja. Das sind fiktive Schlach-
ten, die da geschlagen werden, ja.“359
Wiederum ein anderer Gesprächspartner konstatiert, dass die künstlerischen Ziele das
wirtschaftliche Handeln dominieren würden; eine Ableitung von Zielen des operativen
Geschäfts aus der Bilanz komme in der Praxis nicht vor.360 In einer weiteren Einrichtung
wird eine mittelfristige Fünfjahresplanung erstellt, doch bilanzielle Aspekte spielten dabei
keine Rolle.361
Ein Geschäftsführer, welcher die Umstellung miterlebt hat, urteilt, dass die Doppik
zu keiner neuen Erkenntnis geführt habe; die alten Haushaltsansätze seien zunächst
weitergeführt worden.362 Ein Kollege differenziert, dass die Doppik zwar neue Einsichten,
jedoch angesichts gleichbleibender wirtschaftlicher Strukturen, z. B. den hohen
Personalfixkosten, keine neue steuerungsrelevante Erkenntnis hervorgebracht habe. Ferner
ließe sich auch in der Kameralistik vieles von dem abbilden, was durch die Doppik neu
hinzugekommen sei.363 Diese Aussage wird durch den Befund gestützt, dass auch zwei der
drei kameral buchenden Einrichtungen einen Anlagespiegel als erweiterndes Element
pflegen.364
357 Ebenda, 10-191 ff. 358 Ebenda, 03-68; 05-42; 08-76. 359 Interview 08-76. 360 Vgl. Interview 03-42. 361 Ebenda, 05-42. 362 Ebenda, 02-56. 363 Ebenda, 03-46. 364 Ebenda, 13-78; 19-14.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 133
Bei der Vorbereitung der Eröffnungsbilanz wurde an einem Ort geäußert, dass bislang nur
eine städtische (Konzern-)Bilanz vorgesehen sei, in der die Vermögenswerte und die
Kapitalseite aller kommunalen Einrichtungen aggregiert würden. Dies bedeutet für den
betroffenen Regiebetrieb keinen Erkenntniszuwachs.365
In zwei Umstellungsprozessen wurde vom Träger ein Kontenplan vorgegeben,
welcher die besonderen Aufwandskategorien der Theater nicht explizit berücksichtigt
(z. B. Bühnenbilder, Kostüme, Maske). Diese werden nun in Sammelkonten verbucht.
Durch diese neuen Aggregationen gehen wertvolle Informationen verloren bzw. können
die Informationen nur durch zusätzliche Darstellungen wie der KLR oder manuellen
Nebenrechnungen sichtbar gemacht werden. Ähnliches gilt für die Abschaffung der
kameralen Haushaltsstellen wie Orchester, Chor, Gäste etc., durch welche es vormals
möglich war, im kameralen Haushaltsplan die Kosten der Ensembles und Produktionen auf
einen Blick zu erfassen. Im doppischen Kontenplan wird jedoch nur ein aggregiertes
Personalaufwandskonto bzw. ein Sammelkonto „sonstiger betrieblicher Aufwand“
angesprochen:
„Wir verdichten alles [...] Ich habe nur ein Personalkonto, wo alles draufgebucht wird, alles.
[...] Da habe ich eine Ist-Zahl. [...] Mit der Zahl kann ich gar nichts anfangen. Das ist ja
hochinteressant, aber was nützt mir die Zahl? Ich muss doch Soll und Ist vergleichen, ich muss
Gastetat, Orchester – das machen wir alles selber. Aushilfen, Aushilfsetat, machen wir alles
selber [in separaten Excel-Rechnungen, Anm. d. Verf.].“366
An anderem Orte:
„Wir haben ein sehr differenziertes Haushaltsstellensystem zunächst mal im Laufe der Zeit
ausgearbeitet und haben dann unterhalb der einzelnen Haushaltsstelle zum Beispiel Kostüme,
Bühnenbilder, dann Unterkonten eingerichtet, und zwar produktionsbezogen. [...] So wussten
wir aber auch, [...] was haben wir sozusagen an Gemeinbedarf in der Kostümwerkstatt gehabt
und was ist produktionsbezogen angeschafft worden? [...] Zumindest aber waren wir in der
Verwaltung jederzeit in der Lage, die Kosten nachzuvollziehen. [...] Das alles wird sozusagen
fallbeilartig am 31. Dezember dieses Jahres ins Nichts geschickt. Was danach kommt? Was wir
sehen, ist ein aggregiertes Kontensystem. Also aus den Kostümen, Ansatz sagen wir mal
100.000 Euro, Bühnenbilder und Maske und was wir alles schön differenziert hatten, wird halt
ein Konto. Das heißt dann witzigerweise in dem Kontensystem: Sonstige Betriebsausgaben. Da
stehen jetzt 400.000 Euro drin.“367
365 Ebenda, 17-22. 366 Interview 14-108. 367 Interview 17-26.
134 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
Aus diesen Zitaten werden folgende falsifizierende Befunde deutlich:
• Die Doppik-Einführung kann u. U. ein jahrelang aufgebautes internes Steuerungssys-
tem und eine bewährte Haushaltsgliederung außer Kraft setzen. Die Steuerungsme-
chanismen der Einrichtung und die zur Anwendung erforderliche Verzahnung mit dem
Rechnungswesen wurden in diesen Fällen nicht hinreichend oder überhaupt nicht bei
der Konzeption der neuen Systeme berücksichtigt.
• Um die internen Steuerungsinstrumente weiterzuführen, sind u. U. permanente
Nebenrechnungen mit entsprechendem Arbeitsaufwand notwendig. Die Komplexität
der Systeme wächst, die Fehleranfälligkeit und Unübersichtlichkeit steigen.368
• Ein gut strukturierter kameralistischer Haushaltsplan kann dem Ideal der Integration
von externem und internem Rechnungswesen näher kommen als die Doppik. Die
Haushaltsstellen bzw. Titel samt Unterkonten dienten in den Einrichtungen gleichzei-
tig auch als Budgets zum Soll-Ist-Vergleich, z. B. Jahresbudgets für Kostüme,
Bühnenbilder etc. oder auch Projektbudgets für Inszenierungen. Diese wichtigen
Steuerungsdaten waren auf einen Blick im Haushaltsplan (externes Rechnungswesen)
einfach und transparent ersichtlich und sind jetzt auf viele verschiedene Aufwandskon-
ten oder theaterunspezifische Sammelkonten in der GuV verteilt. Daher sind u. U. in
der Doppik zusätzliche Darstellungen bzw. Berechnungen im internen Rechnungswe-
sen notwendig.369
• Bei der Einführung der Doppik können Konflikte zwischen den (berechtigten)
Informationsbedürfnissen des Trägers (z. B. die gleichzeitige Verfügbarkeit und
Vergleichbarkeit von wirtschaftlichen Daten aller nachgeordneten Einrichtungen
zwecks externem Controlling und Benchmarking) und den internen Bedürfnissen der
Einrichtungen auftreten. Gegebenenfalls manifestieren sich diese Differenzen bei der
Umsetzung zu Lasten der internen Steuerung der Einrichtung, hier z. B. durch Vorgabe
eines dysfunktionalen Kontenplans. Ein Transparenzgewinn für den Träger kann einen
Transparenzverlust und permanenten Mehraufwand für die Einrichtung verursachen:
„Also Sie scrollen dann Konten runter und denken: Ach, hier ist mal wieder eine Zahl von
uns, ja? [...] Durch diesen Konsolidierungs-, Konzerngedanken gibt es ein Kontensystem für
alle. Und unsere Spezialitäten, die sind in diesem Grundkontensystem ja nicht drin. Noch
mal: Jemand, der das für einen Industriebetrieb gemacht hat, der kommt nicht auf die Idee,
ein Konto Bühnenbild einzurichten, das gibt es nämlich im Rest der Welt nicht. Genauso
wenig wie Kostüme. [...] Das, was wir haben, geht nachher in drei Positionen Sonstige unter,
368 Vgl. Interview 14-106. 369 Ebenda, 12-72; 14-108.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 135
in den Aggregaten. Und das muss ich dann so hinnehmen. [...] Ich wollte das lange Zeit nicht
wahrhaben, dass das so ist. Jetzt weiß ich, dass es so ist.“370
• Wenn durch den Träger ein Kontenplan vorgegeben wird (z. B. fest im SAP-System
hinterlegt), so ist auch zukünftig keine hausspezifische Anpassung möglich, was
zuvor möglich war. Dies kritisieren zwei Gesprächspartner als Flexibilitätsverlust.371
• Wie die Variable Implementation noch zeigen wird, wurden im Zuge der Vorbereitung
der Umstellung diese gewichtigen Fragen bzw. Probleme nicht diskutiert und folglich
auch nicht gelöst, was teilweise in den Einrichtungen zu Missmut und Unzufriedenheit
geführt hat.
Als weiterer Problembereich wird die Divergenz von Jahresergebnis (GuV) und
Liquidität genannt. In den meisten Einrichtungen wird dies nicht thematisiert oder nicht
problematisiert, sondern eher auf den niedrigen Anteil der nicht-zahlungswirksamen
Aufwendungen und Erträge verwiesen, was wiederum die Relevanz der Doppik schmälert
(vgl. These 1). Im Gegensatz dazu wird jedoch auch das Phänomen geschildert, dass sich
die Salden der Erfolgs- und Finanzrechnung auseinander bewegen und dass dafür keine
stichhaltige Ursache gefunden wird:
„Und ich stelle fest, dass das [Jahresergebnis und Liquidität, Anm. d. Verf.] im Moment immer
weiter auseinander geht: Die kaufmännischen Abschlüsse stimmen nicht mit den kameralen
Abschlüssen überein, können sie auch nicht, sind ja zwei unterschiedliche Systeme. Offen ist,
wie mit dieser Divergenz umgegangen wird. [...] Jetzt in den vier Jahren oder fünf läuft es halt
noch nicht so rund. [...] Entscheidend ist die kamerale Zahl. [...] Kaufmännisch hatte ich bisher
Überschüsse erwirtschaftet, das hat man dann so hingenommen. Wenn ich da jetzt ein Defizit
habe, wird man erst mal gucken: Wie ist das denn jetzt kameral? [...] Und außerdem ist es so:
Was hier schon kaum jemand versteht, wie wollen es eigentlich die Ministerialräte im Ministe-
rium verstehen?“372
Der differenzierte Ausweis von Erfolg und Liquidität erfüllt den Kerngehalt der These 1,
die wirklichkeitsnahe Ressourcendarstellung, und ist damit eine wesentliche Motivation für
die Doppik-Einführung, kann jedoch im Management zu Schwierigkeiten oder
Unklarheiten führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Wertigkeit und Behandlung
von Erfolg und Liquidität nach innen oder nach außen (noch) nicht eindeutig oder
widersprüchlich definiert sind. Ferner werden wirtschaftliche Kennzahlen und Daten in der
Praxis unterschiedlich interpretiert. Das gilt insbesondere für die abstrakteren doppischen
370 Interview 17-96. 371 Vgl. Interviews 14-108; 17-90 ff. 372 Interview 14-68, -92.
136 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
Größen wie Eigenkapital, Rücklage, Rückstellung, Tatbestand der bilanziellen Über-
schuldung. Weitere Ursache für die negative Einschätzung ist auch eine partielle
Unkenntnis der nicht-zahlungswirksamen Vorgänge, welche intern und/oder auch
extern bestehen kann.
Vielfach wird berichtet, dass die Perspektive und das Interesse der Träger und
Zuwendungsgeber stark liquiditätsbezogen ist. Sechs der 17 doppisch buchenden Ein-
richtungen der Stichprobe müssen für ihre Zuwendungsgeber eine zweite, rein liquiditäts-
orientierte Version ihrer Berichte erstellen, bei denen z. B. Abschreibungen wieder heraus-
gerechnet werden.373 Dies erscheint besonders dann ambivalent, wenn der Zuwendungsge-
ber die Einführung der Doppik veranlasst hat. Aber auch einige Geschäftsführer halten die
Liquidität nach wie vor für die wichtigste wirtschaftliche Größe. Somit wurde mit der
erfolgsorientierten Doppik ein komplexeres System implementiert, dessen weiterführender
Nutzen angesichts der noch vorhandenen starken Liquiditätsorientierung partiell
hinterfragt oder auch verneint wird, bis hin zum (Extrem-)Urteil, die Kameralistik sei
wirklichkeitsnäher und klarer als die Doppik.374 Der empirische Befund kann somit die
Forderung des Neuen Öffentlichen Rechnungswesens (Klaus Lüder et al.) nach einer
dritten Komponente, der Finanzrechnung, stützen. Bei der Erhebung wurde ein
vollständiges 3-Säulen-Modell jedoch nicht vorgefunden, dafür unterschiedliche
Ausprägungen des Liquiditätsmanagements, vom Cash-Management im Sinn von
Anlagemanagement, bis hin zu Planungen zur Aufrechterhaltung der Solvenz mit einem
liquiditätsbezogenen Berichtswesen.375 Als Beispiel für die Notwendigkeit der Einführung
eines Liquiditätsmanagements wird u. a. der Befund genannt, dass zum Zeitpunkt der
Aktivierung von Inszenierungen mehr Liquidität abfließt als an Aufwand verbucht wird; es
bestehe in der GuV die Gefahr des „Reichrechnens“376. Die geschilderte Diskrepanz ist
gerade die Konsequenz der ressourcenorientierten Betrachtungsweise, wenn das aktivierte
Anlagegut vollständig bezahlt wird und kein Sonderposten vorhanden ist, also ein Aktiv-
Tausch vollzogen wird, und gilt über die Inszenierungen hinaus für jede Form von
Anlagevermögen.
Eine eingeschränkte Steuerungsrelevanz ergibt sich ferner aus:
• den Differenzen zwischen Buchwert, realem Verschleißzustand und Gebrauchswert für
den Kulturbetrieb (z. B. pauschal bewerteter Fundus; vollständig abgeschriebene aber
373 Vgl. Interviews 05-116; 06-72; 09-64, -106; 14-62; 15-34; 20-81, -120, -129, -168. 374 Ebenda, 01-40; 02-60; 06-72; 08-56; 12-38; 13-92; 14-64, -92; 18-58; 20-192. 375 Ebenda, 02-68; 04-58; 06-66; 08-82 ff.; 10-60; 13-86. 376 Ebenda, 09-58.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 137
funktionstüchtige technische Anlagen als stille Reserve),377
• dem Nichtvorhandensein oder Nichtbilanzieren von Altersteilzeit-Verträgen,378
• einem begrenzten Verständnis doppik-basierter Darstellungen durch interne Entscheid-
ungsträger, insbesondere künstlerischer Geschäftsführer oder Spartendirektoren379 und
• einem Sichtblendeneffekt gegenüber externen Stakeholdern, z. B. der Kulturverwal-
tung, hinsichtlich Ausübung von Wahlrechten bei Bewertung und Bilanzierung sowie
durch Komplexität der wirtschaftlichen Zusammenhänge und Einflussgrößen.380
6.3.3 Neutrale Befunde
Bereits im falsifizierenden Befund wurde mehrfach festgestellt, dass der GuV eine höhere
Bedeutung als der Bilanz beigemessen wird. Dies gilt auch unter Vertretern der Aufsichts-
gremien.381 Das erscheint zunächst erklärungsbedürftig, da die meisten der doppik-
spezifischen Sachverhalte, z. B. zahlungsunwirksame Buchungen, ihren Ursprung in der
Vermögensaufstellung haben. Es erhärtet aber den Befund, dass der geringe Umfang von
nachrangigem Einfluss auf das Wirtschaften ist. Es könnte auch bereits als Indiz dafür
gesehen werden, dass das Ziel des Kapitalerhalts bzw. des Reinvermögens – und somit
Ziele der Nachhaltigkeit (vgl. These 3) – in der Praxis ebenfalls von untergeordneter
Bedeutung sind. Selbst fünf Jahre nach der Einführung der Doppik wird noch von
erheblichen Problemen und notwendiger Nachjustierung gesprochen.382
6.3.4 Abschließende Bewertung der These
Für die Bestätigung als auch Falsifikation wurde eine Reihe von sachlichen Anhaltspunk-
ten aufgezeigt. Dabei fällt auf, dass die bestätigenden Befunde auf der Systematik der
Doppik beruhen, wohingegen die falsifizierenden Befunde teilweise durch eine
suboptimale Umsetzung oder Handhabung verursacht werden (dysfunktionaler, starrer
Kontenplan; Missachtung der internen Steuerung; Interessenkonflikte; Liquiditätsorientie-
rung; etc.). Dies relativiert somit den falsifizierenden Befund, da er nicht grundsätzlich
gegen die Doppik spricht. Außerdem zeigt dies die Notwendigkeit, Implementierungspro-
zesse sorgfältig zu konzipieren und umzusetzen (vgl. auch intervenierende Variable
Implementation). Die Bewertung der These ist nicht frei von der subjektiven Einschätzung
der Gesprächspartner hinsichtlich der Steuerungsrelevanz der Doppik. Diese fällt sehr
377 Ebenda, 09-44, -92; 14-64. 378 Ebenda, 13-90. 379 Ebenda, 05-36. 380 Ebenda, 01-40; 14-92; 20-192. 381 Ebenda, 02-48; 05-42; 08-76; 10-52. 382 Ebenda, 14-66 u. -92.
138 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
heterogen aus: von „notwendiger Voraussetzung“ als Steuerungsgrundlage eines
Kulturbetriebs bis hin zu „unnötigen fiktiven Schlachten“.
Aus Sicht der Gesprächspartner spricht für die Doppik neben dem hohen Verbrei-
tungsgrad, dass in diesem Buchungssystem insbesondere größere wirtschaftliche Einheiten
adäquat abgebildet würden. Jedoch lautet der empirische Befund, dass nach der Doppik-
Einführung von keinen gravierenden Veränderungen im Wirtschaften berichtet wurde.
Insofern ist der Zuwachs an Informationen eindeutig zu bejahen, die Steuerungsrele-
vanz im Sinne eines Handlungspotenzials aus dem gestiegenen Erkenntnisniveau jedoch
in deutlich geringerem Maße (vgl. Ausführungen zur These 1).
Der Begriff der Steuerungsrelevanz konnotiert ein Wechselwirkungsverhältnis von
Information und Entscheidung. Dabei spielt auch das Zielsystem des Kulturbetriebs eine
Rolle. Aufgrund der Sachzieldominanz leuchtet es ein, dass die wesentlichen Steuerungs-
entscheidungen in Bezug auf die Sachziele gefällt werden und die Formalziele eher den
Status einer Restriktion oder eines konstanten Inputs haben (Maximalprinzip in Bezug auf
die Sachzielebene, vgl. auch Kap. 9.9). Der Wahl eines Buchungssystems kommt unter
Effizienzgesichtspunkten gemäß dem vorliegenden Befund demnach in Kulturbetrieben
nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Insbesondere die noch stark vorherrschende
Liquiditätsorientierung ist ein fester Bestandteil der Steuerungs- und Führungskultur im
öffentlichen Sektor, auch der gesetzlichen und parlamentarischen Beschlussfassung
(Haushaltsverabschiedung etc.).
Es bleibt abzuwarten, ob sich die ressourcenorientierte Betrachtungsweise zukünf-
tig auch stärker bei der legislativen Gewalt und der Regierung samt Administration
niederschlägt. Dies würde die Steuerungsrelevanz der Doppik beträchtlich erhöhen. Es
wird sich jedoch nichts daran ändern, dass beim Betrieb der Theater und Orchester
angesichts hoher konsumtiver Personal- und Sachkosten letztlich eine Liquiditätsdeckung
und –betrachtung vorhanden sein muss.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 139
6.4 These 3: Doppik führt zu nachhaltigerem Wirtschaften
6.4.1 Bestätigende Befunde
Ein zentraler Aspekt der Nachhaltigkeit ist der durch die Doppik begünstigte, bewusstere
Umgang mit Gewinnen. Erwirtschaftete Jahresüberschüsse können ggf. in Abhängigkeit
von Entscheidungen des Trägers und des Aufsichtsgremiums in der Einrichtung verbleiben
und als Risikovorsorge dienen, um eventuelle zukünftige Defizite aus eigener Kraft zu
kompensieren:
„[...] Zu kameralistischen Zeiten, [...], war es so, dass das Geld, das reinfließt, auch verbraucht
wurde. In Zeiten der Doppik [...] ist es so, dass wir über den heutigen Jahresüberschuss dem
Aufsichtsrat und den Gesellschaftern berichten und Verwendungsvorschläge machen, im
Prinzip aber dieser Jahresüberschuss dazu dient, zum Beispiel Risiken für die kommenden
Jahre auch auszugleichen. Ja, also wir können damit umgehen, während zu Zeiten der Kamera-
listik eben das Geld verbraucht werden musste, wie es bei öffentlichen Ämtern auch heute
noch so ist [...] – am Schluss werden dann die Bleistifte gekauft.“383
Auch an zwei anderen Orten wurden aufgebaute Gewinnrücklagen dazu herangezogen,
Steigerungen der Personalkosten temporär zu finanzieren. Somit diente eine doppische
Kennzahl als Planungsgrundlage für das zukünftige Wirtschaften und hat vorüberge-
hend zur Nachhaltigkeit beigetragen.384
Ein weiterer Aspekt besteht darin, dass durch den bilanziellen Ausweis von Ver-
mögen und Kapital ein „anderes, sparsameres, an der Kapitalerhaltung orientiertes“385
Wirtschaften eingetreten sei, ggf. auch mit aus eigener Initiative ergriffenen restriktiven
Maßnahmen bei drohendem Abschmelzen des Eigenkapitals, im Gegensatz zur früheren
Orientierung am Liquiditätsverbrauch. Abgesehen von der verbalen Beschreibung des
Interviewpartners ist es jedoch schwierig, dies empirisch zu operationalisieren und damit
zu überprüfen.
Ein partiell stützender Aspekt ist die Tatsache, dass die Bildung von Rückstellun-
gen gemäß dem Vorsichtsprinzip bereits im Jahr der Bildung, in welchem auch die
wirtschaftliche Verursachung liegt, erfolgswirksam ist und damit Vorsorge für dem
Zeitpunkt oder Umfang nach unbekannte Aufwendungen getroffen wird.386
Die Diskussion von Steuerungsentscheidungen mit dem Aufsichtsrat, einem exter-
nen Controller und dem Wirtschaftsprüfer auf Basis der Analyse doppischer Kennzahlen
383 Interview 04-34; vgl. ähnliche Befunde auch in Interviews 09-86; 12-62. 384 Ebenda, 10-48; 18-64. 385 Ebenda, 04-44.
140 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
hat in einem Theater dazu geführt, dass wirtschaftliche Optimierungsprozesse
beschlossen und umgesetzt wurden. Die daraus entstandenen Kostenvorteile haben laut
Aussage des geschäftsführenden Intendanten auch die künstlerischen Budgets vor
drohenden Kürzungen partiell bewahrt und damit zur Nachhaltigkeit des Programmange-
bots beigetragen.387
6.4.2 Falsifizierende Befunde
Das gewichtigste falsifizierende Indiz ist die nüchterne Einschätzung der Mehrheit der
Interviewpartner, welche die Umstellung persönlich erlebt haben, dass die Doppik am
Wirtschaften und Steuern ihres Betriebs nichts oder nichts Wesentliches geändert hat. Die
Steigerung der Wirtschaftlichkeit wird auch negiert. Zwei Gesprächspartner differenzieren,
dass zwar neue Erkenntnisse und Informationen vorlägen, diese jedoch keine Konsequen-
zen nach sich ziehen würden, z. B.:
„Also wenn man sich den Jahresabschluss anguckt, haben wir natürlich eine Vielzahl von
Rückstellungen, die es vorher in der Form nicht gab. Wenn ich allerdings den Betrag der
Rückstellungen einfach mal in die Relation zum Gesamtumfang des Haushaltes setze, dann
weiß ich nicht, ob da eine Nachhaltigkeit entsteht. Also das sind Größenordnungen, die wären
sicherlich im Zweifel auch aus laufendem Betrieb zu erwirtschaften.“388
Zum Detailthema Rückstellungen äußern wiederum zwei andere Gesprächspartner, dass es
in dem Moment, wo der Aufwand anfällt, auf das Vorhandensein ausreichender Liquidität
ankomme, so dass in der erfolgswirksamen Rückstellungsbildung kein Sinn gesehen
wird.389
Häufig ist das Liegenschafts- bzw. Bauamt des Trägers für die Instandhaltung des
Gebäudes zuständig. Auch in den Fällen, wo Gebäude und Grundstücke aktiviert wurden,
wurde kein Beleg dafür gefunden, dass die Substanzerhaltung des Gebäudes oder der
technischen Anlagen durch doppische Informationsgrundlagen in einem stärkeren Ausmaß
als zuvor verfolgt oder gar realisiert wurde (abgesehen von dem einen Fall, in dem eine
versachlichte Diskussion begonnen wurde, vgl. oben).
Auch eine konsequente Orientierung der Ersatzinvestitionen an der Höhe der
Abschreibungen – ein Zusammenhang zwischen Daten des Anlagegitters inklusive
Abschreibungsvolumen und Investitionspolitik – konnte nicht nachgewiesen werden bzw.
wurde verneint (abgesehen von inhaltlicher Schwerpunktbildung). Die Problematik eines
386 Ebenda, 01-68, -74; 04-40. 387 Ebenda, 06-42. 388 Interview 02-66. 389 Vgl. Interviews 08-60 , 09-62.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 141
über Jahre hinweg schrumpfenden Anlagevermögens, was durch die transparente
Darstellung nun objektiv sichtbar wurde, wurde in einem Fall von den Trägern ignoriert.390
Es wurde ferner kein Beleg dafür gefunden, dass die kaufmännischen Größen Abschrei-
bungen und Investitionen zur gezielten Beeinflussung von Jahresergebnis, Eigenkapital
etc. herangezogen werden, wie es in der Privatwirtschaft nicht unüblich ist. Vielmehr
orientieren sich die Investitionen an sachlichen Notwendigkeiten (Verschleißzustand,
Defekte etc.) und den verfügbaren Mitteln. Diese Faktoren wiederum werden nicht durch
die Doppik beeinflusst.
Die jährlich durchzuführende Inventur soll eine regelmäßige Kontrolle über Vor-
handensein und Zustand der Vermögensgegenstände mit sich bringen. In einer Einrichtung
wurde die Inventur über einen Zeitraum von sechs Jahren nicht durchgeführt, das Testat
des Wirtschaftsprüfers dennoch erteilt.391
In dem einzigen Theater der Stichprobe, in welchem Abschreibungen inklusive des
Gebäudes die GuV voll belasten (Anlagevermögen in Höhe von 17 Mio. € ohne kontinu-
ierliche Re-Investitionen), entsteht regelmäßig ein Jahresfehlbetrag. Diese Problematik
wurde durch eine individuelle Zuwendungsvereinbarung zwischen den Trägern und der
Einrichtung gelöst. Die NPM-Ziele der Transparenz und der ressourcenorientierten
Darstellung wurden hier erfüllt, jedoch war das Theater aufgrund der begrenzten
Steigerungsmöglichkeiten der Eigenfinanzierungsquote nicht in der Lage, die
Wertverluste aus eigener Kraft zu erwirtschaften, was dem Theater angesichts der Höhe
der Abschreibungen auch nicht vorgeworfen werden kann. Die Steuerungsinstrumente
wurden zwar eingeführt, eine höhere Nachhaltigkeit konnte beim Wirtschaften jedoch
durch das „Einsourcen“ der Wertverlustproblematik in die Einrichtung nicht erreicht
werden. Dies wurde ex ante auch nicht thematisiert.392 Der Ausweis von Gewinnrücklagen
bringt für den Kulturbetrieb das Risiko mit sich, dass diese vom Zuwendungsgeber als zu
hoch betrachtet werden und in Konsequenz ein Abbau durch Zuwendungskürzungen
forciert wird. Diese Sorge der Einrichtung kann insbesondere dann aufkommen, wenn mit
dem Träger kein Dialog über wirtschaftliche Zielsetzungen geführt wird. So kann die
Extremsituation entstehen, dass von der Einrichtung der Anreiz empfunden wird, keine
oder nicht zu hohe Rücklagen zu erwirtschaften, da die ggf. vorhandene Profitabilität damit
offenbart würde.393
390 Ebenda, 08-48; 10-39 ff.; 20-162. 391 Ebenda, 06-66. 392 Ebenda, 15-34 ff.; ähnlich auch 11-50. 393 Ebenda, 02-70.
142 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
Folglich lautet das an einem Ort auch bekundete betriebsinterne Steuerungsziel, im
Zustand der bilanziellen Überschuldung (nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag bei
gleichzeitiger Solvenz) zu verbleiben. Somit wurde als empirischer Befund auch die
Umkehrung des positiven Effekts der Risikovorsorge durch ermöglichte Rücklagenbildung
festgestellt.394 Dies kommt einem „doppischen Dezemberfieber“ nahe: steuerungspoli-
tisch forcierte Ausgaben zur Vermeidung oder Reduktion von GuV-Jahresüberschüssen
trotz der gegebenen Möglichkeit, Mittel ins Folgejahr zu übertragen. Gleichzeitig bedeutet
dies wie auch beim herkömmlichen kameralen „Dezemberfieber“ nicht zwingend eine
Mittelverschwendung, wenn satzungsgemäße Ausgaben und Investitionen getätigt werden,
welche das Erreichen der Sachziele des Kulturbetriebs fördern. Die oben geschilderte
Anreizsituation, regelmäßig kleine Defizite zu erwirtschaften, besteht für einen weiteren
Kulturbetrieb, welcher zwar auf Doppik umgestellt wurde, Rücklagen bilden darf, jedoch
per Fehlbedarfsfinanzierung bezuschusst wird.395
Ein weiteres Indiz gegen die Nachhaltigkeit sind die Folgekosten der Einführung
der Doppik. Im Regelfall wird die Anschaffung neuer IT-Systeme notwendig, was
Einrichtungs-, Pflege- und Beratungskosten verursacht, in Einzelfällen wurde aufgrund der
höheren Komplexität auch von dauerhaften Personalaufstockungen berichtet. Hinzu
kommen noch Unregelmäßigkeiten in der mehrjährigen Übergangsphase:396
„Und es ist saukompliziert beim Theaterbetrieb, also unser Jahresabschluss. Ich habe mir
extern einen ehemaligen Bilanzbuchhalter [...] eingekauft, der Controller alleine schafft das ja
gar nicht, er muss sich ja mit den ganzen [...] Führungsberichten beschäftigen, die einmal im
Monat generiert werden müssen. Und auch der hat seine Probleme.“397
Ein anderer Interviewpartner resümiert daher wie folgt:
„Also wir haben [als noch die Kameralistik galt, Anm. d. Verf.] genauso viel Geld eingespielt
und genauso schöne Kunst gemacht, vielleicht sogar an mancher Stelle noch ein bisschen
schöner, weil es einfacher war [...].“398
394 Ebenda, 03-68; ähnlich auch 09-204. 395 Ebenda, 20-81. 396 Ebenda, 02-72. 397 Interview 14-92. 398 Interview 20-149.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 143
6.4.3 Neutrale Befunde
Eine häufig geäußerte Kausalattribution lautet wie folgt:
„Das Dezemberfieber [...] haben wir überhaupt nicht. Und das ist wirklich ein ganz, ganz
wesentlicher Vorteil [...] der Doppik.“399
Die Merkmale Doppik und flexiblere Mittelbewirtschaftung treten gleichzeitig ein und
korrelieren somit; jedoch liegt die Ursache in der Hintergrundvariable der veränderten
haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen. Ein kaufmännischer Direktor bringt die
fehlerhafte Kausalattribution zu Gunsten der Vorteilhaftigkeit der Doppik auf den Punkt:
„Das ist ja [...] das, was [...] ich eigentlich schon seit Jahren gesagt habe: Dass die Vorteile des
kaufmännischen Rechnungswesens [...] für die einzelne Einrichtung fast gegenstandslos wären,
wenn man innerhalb der bestehenden haushaltsrechtlichen Vorschriften eine größere Flexibili-
sierung zuließe.“400
Da der Mittelübertrag in Folgeperioden und weitere Flexibilisierungen auch in der
Kameralistik möglich sind, jedoch offensichtlich an vielen Orten nicht praktiziert wurden,
wird dadurch die Vorteilhaftigkeit der Doppik relativiert: Sie ist weniger die Ursache als
vielmehr das auslösende Moment, da die Möglichkeit zur bilanziellen Gewinn-
thesaurierung ein regulärer Bestandteil der Doppik ist, dennoch haushaltsrechtliche
Veränderungen voraussetzt.
Es wird außerdem berichtet, dass die Bereitschaft zur sachlichen und ehrlichen
Analyse der vorliegenden Daten in den Aufsichtsgremien und in der Verwaltung nicht
immer gegeben ist, so dass eine gehaltvolle Datengrundlage, z. B. GuV und Bilanz, nicht
zwingend zu positiven Effekten führen muss.401
6.4.4 Abschließende Bewertung der These
Die falsifizierenden Befunde sind von schwererem Gewicht und Ausmaß als die
stützenden Befunde. Eine gestiegene Nachhaltigkeit wurde nur in Einzelfällen erreicht,
wenn die Zielsetzung der Geschäftsführung, der Träger und/oder der Aufsichtsgremien
diese explizit beinhaltet hat. Voraussetzung hierfür ist eine über mehrere Perioden
vorhergehende Gewinnthesaurierung. Ein direkter Zusammenhang zur Doppik konnte
dabei nicht nachgewiesen werden; ebenso wenig eine unmittelbare Steigerung der
operativen Wirtschaftlichkeit aus der Anwendung doppischer Buchführung. Dies wäre aber
399 Interview 04-36. 400 Interview 02-54. 401 Vgl. Interview 10-55.
144 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
auch eine falsche Erwartungshaltung. Einspielquoten von teilweise unter 10 % schränken
die Möglichkeiten, Gewinne zu erwirtschaften, stark ein bzw. ist hier die Höhe der
Zuwendung die Hintergrundvariable für eventuelle „Gewinne“. Wenn es in einigen
Perioden aufgrund unterplanmäßiger Aufwendungen bzw. überplanmäßiger Erträge
gelingt, Überschüsse zu erwirtschaften, so liegt die Ursache nicht in der Doppik, sondern
am konkreten Handeln und Entscheiden des Kulturbetriebs und exogenen Faktoren wie
z. B. Publikumsnachfrage und öffentlicher Meinungsbildung.
Nachhaltigkeit trat nur im Sinn von Risikoreduktion auf, und dies mit methodischen
Einschränkungen: Die geschilderten Effekte, z. B. das eigenständige Ergreifen von
krisenbewältigenden oder präventiven Maßnahmen, können empirisch nur schwer
nachgewiesen werden, da zum einen keine Testgruppe existieren kann (Wie hätte derselbe
Betrieb in demselben Szenario bei kameralistischer Buchungsweise gehandelt?) und zum
anderen die Opportunitäten nicht nachweisbar sind (Was wäre geschehen, hätte der Betrieb
die ergriffenen Maßnahmen unterlassen?). Es ist jedoch plausibel, dass eine eventuell
zugelassene Gewinnthesaurierung stabilitätsfördernd wirkt. Dabei ist auch hier die
Kausalität eher im Haushaltsrecht und im Wirtschaften als in der Doppik zu sehen.
Nachhaltigkeit im Sinn von Substanzerhaltung kann nur dann gemessen werden,
wenn die Kulturbetriebe als wirtschaftliche Einheit inklusive Gebäude und Anlagen über
einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Da in den meisten Fällen die Gebäude kein
Bestandteil des Eigentums der Kulturbetriebe sind, kann hierüber keine Aussage getroffen
werden. Das explizite Verfolgen des Ziels der Substanzerhaltung auf Basis bilanzieller
Daten konnte jedoch nicht festgestellt werden.
Die gefundenen Belege für Nachhaltigkeit betreffen die intertemporale Ebene,
insbesondere den Umgang mit Überschüssen und Wertverlusten. Die Einführung der
Doppik vermochte in einigen Fällen die Darstellung des wirtschaftlichen Zustands zu
verändern, auf deren Grundlage bestimmte Entscheidungen getroffen wurden. Somit ist die
Doppik für Teile der Stichprobe in Bezug auf Nachhaltigkeit eine fördernde Einflussgröße
oder ein Anstoß gebendes Moment, jedoch nie ein kausaler, direkt auslösender Faktor.
Einschränkend ist festzustellen, dass sich effizientere Anreizstrukturen für Kulturbetriebe,
welche das NPM-Ziel der Nachhaltigkeit verfolgen, auch innerhalb der Kameralistik durch
entsprechende haushaltsrechtliche Bestimmungen und die Art der Zuwendungs-
finanzierung in begrenztem Umfang schaffen ließen.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 145
6.5 Fazit zur Einführung der Doppik
Der Umstellungsprozess von der Kameralistik auf die Doppik ist weit vorangeschritten,
dies vollzog sich insbesondere in den späten 90er-Jahren und in der ersten Dekade des
21. Jahrhunderts. Die Kameralistik wurde weitgehend abgelöst, wobei ein Zusammenhang
zur Rechtsform oder rechtlichen Selbständigkeit nicht eindeutig festgestellt werden konnte.
Ein Zugewinn an Informationen für die Kulturbetriebe bezüglich der wirtschaftli-
chen Verhältnisse wurde mehrheitlich erreicht (These 1). Dieser ist auch eingeschränkt
steuerungsrelevant, wobei jedoch der zusätzliche Nutzen in der Praxis durch suboptimale
Umsetzungen oder andere (legitime) Zielprioritäten nicht immer gegeben ist (These 2). Am
schwächsten ausgeprägt ist der positive Befund bezüglich der realisierten Nachhaltigkeit,
welche aus der Doppik resultiert (These 3): Im Kontext der Einführung wurde vielen
Kulturbetrieben mehr Eigenverantwortung für den Umgang mit Mehreinnahmen und
Mehrausgaben bzw. Gewinnen und Verlusten übertragen, was kurzfristige Risiken
abmildern kann, jedoch hängt dies nicht kausal mit der doppischen Systematik, sondern
mit dem Haushaltsrecht und der Höhe der Zuwendungen zusammen.402
Auf den vorliegenden Befunden aufbauend ist festzustellen, dass die Kameralistik
nicht per se unterlegen oder dysfunktional ist. Der Umfang der nicht-zahlungswirksamen
Vorgänge ist eher gering. Auch in der Kameralistik lässt sich eine Vermögensrechnung
abbilden. Einige der Doppik zugeschriebenen Vorteile entspringen dem Haushaltsrecht,
z. B. die Möglichkeit der Mittelübertragung in Folgeperioden und die gegenseitige
Deckungsfähigkeit. Das häufig zitierte „Dezemberfieber“ ließe sich somit auch in der
Kameralistik reduzieren. Eine flexiblere Handhabung der Stichtage des Buchungsschlusses
erlaubt auch in der Kameralistik eine periodengerechtere Zuordnung. Klare und
verlässliche Absprachen oder Vereinbarungen zwischen Trägern und Kultureinrichtungen
bezüglich Steuerungsvorgaben bei doppischen Kennzahlen, wie im privaten Sektor
zwischen Eigentümern und Management unmittelbar möglich, sind nicht der Regelfall
bzw. durch die Gewaltenteilung und politische Prozesse erschwert.
Öffentliche (Kultur-)Betriebe dürfen im Regelfall keine Kredite oder langfristigen
Verbindlichkeiten zur Überbrückung von konsumtiv bedingten finanziellen Engpässen
aufnehmen. Somit ist die wesentliche Forderung der Nachhaltigkeit, welche in Zeiten
steigender Staatsverschuldung insbesondere an die Gebietskörperschaften gestellt wird,
nämlich dass das Ausgabevolumen durch die Einnahmen gedeckt sein muss, bereits durch
402 Vgl. große Veränderungen zu Befunden bei Schugk (1996), S. 147-150 und Beutling (1993), S. 92.
146 6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen
entsprechende Rechtsvorschriften erfüllt. Das Baumolsche Kostendilemma in Form
langfristig nominal steigender Finanzierungsbedarfe angesichts der hohen Personalintensi-
tät bei konstantem Output kann auch durch die Doppik nicht strukturell überwunden
werden.
Vielmehr ist die Umstellung auf Doppik zunächst lediglich eine Entscheidung für
ein bestimmtes Buchungssystem, welche eher nach normativen Kriterien erfolgt. Der hohe
Verbreitungsgrad, vor allem im privaten Sektor, wirft die Frage nach der Vorteilhaftigkeit
nicht unmittelbar auf:
„[Die Doppik, Anm. d. Verf.] ist eine Selbstverständlichkeit, also das würde ich jetzt nicht als
Besonderheit hervorheben. [...] Das muss bei uns Standard sein. Das darf überhaupt gar nicht
anders – nein, das ist überhaupt nicht in Frage gestellt. [...] Hier ist es Voraussetzung.“403
Angesichts des Implementierungsaufwands, z. B. in einer mittelgroßen Kommune allein 25
Beschäftigte in einer eigenen Doppik-Abteilung und mehrjährigen Schwierigkeiten in der
Übergangsphase404, erscheint die Frage dennoch relevant zu sein:
„Ein Ergebnis muss man haben, aber warum doppelte Buchführung, warum bilanzieren?
Letztendlich nur, weil es die Kulturbehörde verlangt, muss ich ganz ehrlich sagen. [...] Das
heißt, solange sie [...] letztendlich unternehmerische Entscheidungen in einem sehr finanziell
marginalen Rahmen treffen, [...] wirken sich diese Erkenntnisse [aus Doppik und Bilanzierung,
Anm. d. Verf.] schlicht und ergreifend nicht aus.“405
Die Gegebenheiten und konkreten Erfahrungen im Einzelfall prägen das Urteil ganz
erheblich. Daher ist die Generalisierung von Befunden nur begrenzt möglich.
Bedingungen, welche das Gelingen der Einführung von Doppik begünstigen, lauten:
• ausreichend lange Vorbereitungszeit,
• klare Zielsetzung, welche sich konzeptionell in der Umsetzung niederschlägt,
• Berücksichtigung interner Steuerungsbedürfnisse der Kulturbetriebe,
• niedriges, an den Bedürfnissen orientiertes Komplexitätsniveau,
• ausreichendes Maß an kaufmännischen und IT-Kompetenzen,
• Anpassungen an individuelle Bedürfnisse sind auch später noch möglich und
• offene, verlässliche und frühzeitige Absprachen zwischen Kultureinrichtung und
Träger über Steuerungsziele, insbesondere doppische Kennzahlen (z. B. Erwünschtheit
und ggf. Höhe von Eigenkapital, Rücklagen und Liquidität; Umgang mit Substanzver-
lust im Anlagevermögen; Diskrepanzen zwischen Liquidität und Erfolg).
403 Interview 10-191 ff. 404 Vgl. Interview 17-18. 405 Interview 11-40.
6. Unabhängige Variable Externes Rechnungswesen 147
Die Nutzung der neuen doppischen Gestaltungsmöglichkeiten ist evtl. noch nicht in Gänze
verbreitet.406 Ein abschließendes Urteil über die Doppik in Theatern und Orchestern könnte
angesichts der noch nicht flächendeckend angepassten adäquaten internen und externen
Steuerungskriterien noch verfrüht sein. Eine generelle Überlegenheit der Doppik
gegenüber der Kameralistik kann aus Sicht der Kulturbetriebe auf Basis des hier
vorliegenden empirischen Befunds jedoch nicht konstatiert werden. Dieses Urteil schließt
freilich Wirkungen und Nutzen, welche außerhalb der Grundgesamtheit bestehen, z. B.
Konzernbilanzen der Trägerkörperschaften, nicht mit ein.
406 Vgl. Interview 02-62.
7. Uabhängige Variable Internes Rechnungswesen 149
7 Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
7.1 Explorativer Befund
In 14 der befragten Kultureinrichtungen (70 %) werden dezentrale Budgets als internes
Steuerungsinstrument genutzt, mit steigender Tendenz sowohl die Anzahl der Einrichtun-
gen betreffend als auch die Zahl der Budgets pro Kulturbetrieb. Es haben sich unterschied-
liche Strukturen, teils personen- oder abteilungsbezogen, teils gegenstandsbezogen,
herausgebildet. Am häufigsten werden folgende Budgets praktiziert:
• auf höher aggregierter Ebene: künstlerische Budgets der Spartenleiter (Oper,
Schauspiel, Konzert, Ballett etc.), (Neu-)Produktionen/Inszenierungen; Beschaffungs-
budgets der Abteilungsdirektoren
• auf tiefer aggregierter Ebene: Gäste/Solisten, Kostüme, Werkstatt, Marketing,
Investitionen, Dekoration/Ausstattung.
Die Budgets können entweder projektbezogen (z. B. für eine bestimmte Inszenierung) oder
zeitbezogen (z. B. Globalbudget für einen Jahreszeitraum) sein.
Fast ebenso viele Gesprächspartner, 13 von 20 (65 %), bejahten die Existenz einer
eigenen Controlling-Stelle (eine Person in Vollzeit) oder eines anteiligen Tätigkeitsgebiets
Controlling innerhalb einer breiter definierten Stelle mit unterschiedlichen Aufgaben. In 7
der 13 Einrichtungen erfolgte die Einführung des Controllings nach dem Jahr 2000.
Insofern kann hier von einer relativ jungen Entwicklung mit wachsender Tendenz
gesprochen werden. In den sieben Kulturbetrieben ohne dauerhaft verankerte Controlling-
funktion werden jedoch auch punktuelle Auswertungen und Analysen vorgenommen. Dies
geschieht meist durch den Geschäftsführer oder Verwaltungsleiter persönlich, in einem
Fall durch den Steuerberater, in einem weiteren Fall durch das städtische Zentralcontrol-
ling, auch in festen Zyklen und gekoppelt an Dienstgespräche mit Abteilungsleitern.407
Sämtliche Kulturbetriebe verfügen über wirtschaftliche Auswertungen408, welche
abweichend von der GuV und Bilanz bzw. dem kameralistischen Haushaltsplan strukturiert
sind, um das betriebsinterne Informationsbedürfnis bzw. auch die Wünsche der
Aufsichtsgremien und der Politik zu befriedigen. Dies geschieht durch zusätzliche
Darstellungen im internen Rechnungswesen, welche von einfachen, händisch erstellten
punktuellen Konzertauswertungen bis hin zu komplexen, systematisch implementierten
und dauerhaft gepflegten, ggf. mehrstufigen KLR-Systemen reichen. Über eine
407 Ebenda, 07-8.
150 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
abteilungs- oder spartenbezogene Kostenstellenrechnung verfügt die Hälfte der
Stichprobe (10 von 20 Einrichtungen). Noch verbreiteter (90 %) ist die Kostenträger-
rechnung.
Hierbei werden in der Praxis unterschiedliche Aggregationsebenen fokussiert:
• auf höher aggregierter Ebene: vollständige Konzert- und Abonnementserien, eine
Inszenierung inklusive sämtlicher Aufführungen, vollständige Gastspielreisen,
Produktionskosten ohne Aufführungen, Sparten gemäß Produktkatalog des Trägers,
Spielstätten
• auf tiefer aggregierter Ebene: einzelne Konzerte, Opernaufführungen, Schauspiele,
sonstige Veranstaltungen, Vermietungen, Gastspiele.
Die unterschiedlichen Aggregationsebenen werden innerhalb der einzelnen Kulturbetriebe
teilweise parallel (aufsummierend gestuft), teilweise voneinander unabhängig betrachtet
und gepflegt.
Elf Einrichtungen (55 %) erfassen die Erlöse im internen Rechnungswesen in ver-
gleichbaren Strukturen. Es erfolgt überwiegend, aber nicht in allen Fällen, eine Ermittlung
von Kosten und Erlösen auf denselben Kostenträgern.
Bei 8 dieser 11 Einrichtungen wird zudem ein Deckungsbeitrag ausgewiesen.
Lediglich in einem Fall, in einem kleinen Theater, wird eine mehrstufige Deckungsbei-
trags-Hierarchie erhoben.409
Das dominierende Rechnungssystem ist die Teilkostenrechnung (14 Einrich-
tungen bzw. 70 %). Zwei Kulturbetriebe praktizieren die Vollkostenrechnung (10 %) mit
Zuordnung der Arbeitszeiten zu den Kostenträgern, zwei weitere eine Teilkostenrechnung
mit partieller Verrechnung von Gemeinkosten (10 %) und wiederum zwei weitere machten
diesbezüglich keine präzisierenden Angaben. Ein Theater befindet sich im Umstellungs-
prozess von Teil- auf Vollkostenrechnung und bereitet die Systeme der Zeitaufschreibung
für die Mitarbeiter derzeit vor. Dabei wird die Zielsetzung verfolgt, den Einsatz der hohen
Personalfixkosten nicht nur abteilungsbezogen in der Kostenstellenrechnung, sondern
künftig auch produktionsbezogen in der Kostenträgerrechnung darzustellen. Dies soll im
letzten Entwicklungsschritt durch ein im Theaterwesen bundesweit einzigartiges
Personaleinsatzplanungsprogramm auch zur Diensteinteilung genutzt werden.410
408 Diese wurden in der nachfolgenden Tab. 25 als „Grundzüge einer KLR“ bezeichnet. 409 Vgl. Interview 19-128. 410 Ebenda, 05-46 ff.
7. Uabhängige Variable Internes Rechnungswesen 151
Zwei Theater haben kürzlich die Vollkostenrechnung wegen des hohen Pflegeaufwands bei
niedrigem Aussagegehalt auf eine Teilkostenrechnung umgestellt. In einem Fall führte die
nichtadäquate Struktur der Vollkostenrechnung zu nicht verwertbaren Aussagen. In dem
anderen Fall wurde die Erfahrung geschildert, dass das zeitaufwändige akribische Erfassen
von Arbeitsstunden samt Zuordnung zu den Kostenträgern zu keinen Veränderungen in
den Planungsprozessen geführt hat. Die neu gewonnenen Zahlenwerte wurden anfänglich
durchaus mit Interesse verfolgt, haben aber im Lauf von mehreren Jahren genauer
Kostenzuordnung zu keinen praktisch verwertbaren Erkenntnissen für die Theaterplanung
geführt.411
Instrumente des strategischen Controllings werden nur selten eingesetzt. Ein
Theater verfügt über ein Risiko-Früherkennungssystem und betreibt punktuell
Benchmarking412. Ein weiteres Theater ist vom Träger angehalten, eine Balanced Score
Card zu führen.413
Die Verteilung der Merkmalsausprägungen innerhalb der Stichprobe kann Tab. 25
entnommen werden:
411 Ebenda, 12-12; 15-58 ff. 412 Ebenda, 16-84 ff. 413 Ebenda, 14-122 ff.
Stic
hpro
be N
r.
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Orc
hest
er/T
heat
er
T
O
O
T
T
T
T
T
T
T
O
T
T
T
T
T
T
O
T
O
Grö
ßenk
lass
e G
G
G
M
M
K
M
G
M
G
M
G
M
G
M
M
M
M
K
M
Inst
itut
iona
lisie
rtes
C
ontr
ollin
g X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Inte
rne
Bud
gets
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Gru
ndzü
ge e
iner
KL
R
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Kos
tens
telle
nrec
hnun
g X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Kos
tent
räge
rrec
hnun
g X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Lei
stun
gsre
chnu
ng/
Erl
öszu
ordn
unge
n X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
DB
-Rec
hnun
g X
X
X
X
X
X
X
X
Tei
l-/V
ollk
oste
nrec
h-
ung/
Gem
isch
t T
T
T
T
T
k.
A.
T
G
T
T
T
T
k. A
. V
T
G
T
T
V
T
Zei
tauf
schr
eibu
ng d
es
Per
sona
ls f
ür K
LR
ge
-
plan
t
pa
r-
tiell
X
X
part
ielle
s st
rate
gisc
hes
Con
trol
ling
X
X
Tab
. 25:
Ver
teilu
ng d
er A
uspr
ägun
gen
des
inte
rnen
Rec
hnun
gsw
esen
s in
der
ges
amte
n St
ichp
robe
, im
Kon
text
des
Pri
mär
krit
eriu
ms
1 un
d de
s Se
kund
ärkr
iter
ium
s 2
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng.
152 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 153
Dabei werden diese Einzelbefunde ersichtlich (vgl. Tab. 25):
• In dem kleinen Theater (Fall 19) mit dem komplexesten internen Rechnungswesen ist
kein Controller beschäftigt; diese Funktion übernimmt hier die Verwaltungsleitung.
• Darüber hinaus verfügen 5 mittelgroße und ein großer Kulturbetrieb noch über kein
institutionalisiertes Controlling.
• Die Kostenträgerrechnung erfährt einen deutlich höheren Verbreitungsgrad als die
Kostenstellenrechnung (90 bzw. 50 %).
• Drei Einrichtungen pflegen separiert eine Kostenträgerrechnung und Erlösstatistik,
führen diese jedoch nicht in Form einer Deckungsbeitragsrechnung zusammen.
• Fünf Einrichtungen arbeiten mit internen Budgets, verfügen jedoch über kein
institutionalisiertes Controlling.
• Unterstellt man, dass Controlling, Budgetierung und die KLR (insbesondere
Kostenträgerrechnung) die wichtigsten Reformbestandteile im Kontext des internen
Rechnungswesens für Kulturbetriebe sind, so verfügen mit Ausnahme eines Orchesters
sämtliche Kulturbetriebe (95 %) über mindestens zwei dieser drei Steuerungselemente
bzw. 9 Einrichtungen (45 %) über alle drei Komponenten. Dies kann zunächst als
relativ hoher instrumenteller Umsetzungsgrad der steuerungsbezogenen Reformen
gedeutet werden, ist jedoch unter der Einschränkung zu sehen, dass es sich im Detail
häufig um rudimentäre Ansätze handelt, die von den deklarierten NPM-Zielen noch
entfernt sind, wie auch die folgenden Einzelbefunde zeigen.
7.2 These 4: Erhöhte Transparenz durch KLR
7.2.1 Bestätigende Befunde
Ein Zugewinn an Informationen über die wirtschaftliche Entwicklung des betrieblichen
Geschehens durch die KLR und die weiteren Instrumente des internen Rechnungswesens
und somit die Schaffung von Transparenz ist gegeben. Es werden sachliche Informations-
grundlagen für betriebsinterne und externe Diskussionen und Entscheidungen geschaf-
fen.414 So werden insbesondere genannt:
Produktionsspezifische Kosten werden erfasst, ggf. Splittung in Einzel- und umge-
legte Gemeinkosten, auch als Basis für die Aktivierung von Inszenierungskosten in der
Bilanz (Dokumentationsfunktion der KLR, vgl. Kap. 3.5.7).415 Durch entsprechende
Strukturierung bzw. Hierarchisierung von Kostenträgern können die Kosten nach
414 Ebenda, 01-68; 02-90; 03-92; 08-88; 15-26.
154 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
Spielstätten, Sparten, Inszenierungen und Einzelvorstellungen bzw. Gastspielreisen und
Einzelkonzerten auf Gastspielreisen dargestellt und ausgewertet werden.416 Dadurch wird
der Ressourceneinsatz auch gegenüber Aufsichtsgremien sowie der Kulturpolitik und -ver-
waltung transparent und leicht verständlich darstellbar; verdeckte oder unbeabsichtigte
Mittelverschiebungen zwischen den Sparten seien nicht mehr möglich.417 Parallel dazu ist
eine abteilungsbezogene Kostenstellenrechnung (Wo fallen welche Kosten an?) mit
Auswertung nach Kostenarten möglich.418 An die Kostenstellen sind teilweise dezentrale
Jahres- oder Produktionsbudgets gekoppelt.419
Erlöse werden Sparten, Inszenierungen und Vorstellungen zugeordnet, entweder
durch direkte Verbuchung auf Kostenträger und damit Gegenüberstellung zu den Kosten
oder durch separate Erfassung in eigenen Strukturen. Teilweise findet auch eine Erlöspla-
nung mit Aggregationen bis in den übergeordneten Wirtschaftsplan des Betriebs statt.420
Der Deckungsbeitrag I (Erlöse abzüglich variabler Kosten) bestimmter Konzert-
und Veranstaltungsformate wird ermittelt. Dadurch erfolgt eine wirtschaftliche
Typisierung und Charakterisierung des Programmangebots.421 Das nach Abzug der
variablen Kosten ggf. verbleibende Defizit eines Projekts wird ausgewiesen.422 In einem
Theater wird eine gestufte Deckungsbeitrags-Hierarchie mit Umlage der Fixkosten für alle
Inszenierungen aufgestellt. Diese wird auch dem Gemeinderat vorgelegt, welcher sich
inhaltlich differenziert mit den Daten auseinandersetzt und dabei durchaus auch bereit ist,
Projekte mit negativem DB zu unterstützen.423 Es wurde in einem Opernhaus ersichtlich,
dass bei der Besetzung von Titelrollen durch internationale Stars der DB I negativ wurde,
da selbst durch höhere Kartenpreise die gestiegenen Kosten gegenüber der B-Besetzung
nicht vollständig kompensiert werden konnten.424
Zudem haben sich hausspezifische Berichtssysteme herausgebildet, vom allabend-
lichen Kassenbericht über wöchentliche/monatliche Produktionsberichte bis hin zu
globalen quartalsweisen Auswertungen des internen Rechnungswesens, inklusive Soll-Ist-
Vergleichen, Abweichungsanalysen und Hochrechnungen.425 Im intertemporalen Vergleich
415 Ebenda, 07-6; 09-112. 416 Ebenda, 08-86; 03-78. 417 Ebenda, 05-102; 06-54, -62. 418 Ebenda, 05-46. 419 Ebenda, 05-62; 10-92. 420 Ebenda, 04-82; 07-72; 08-106; 11-08, -56; 15-52; 19-122; vgl. auch empirischer Befund bei Stein (1982),
S. 102. 421 Ebenda, 04-86; 07-70; 08-92 ff.; 10-77 ff.; 11-08, -56; 12-50; 19-154; 20-138. 422 Ebenda, 18-52. 423 Ebenda, 19-126 ff., -134 ff., -160 ff. 424 Ebenda, 01-92. 425 Ebenda, 04-128 ff.; 08-90, -202; 16-8.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 155
werden Preissteigerungen z. B. bei beschafften Rohstoffen für Bühnenbilder sichtbar.426
Über die gewonnenen Erkenntnisse urteilen die Gesprächspartner in der Weise,
dass ein rationaleres Management bzw. Faktenwissen an die Stelle des vormals
vorhandenen Bauchgefühls getreten ist.427
7.2.2 Falsifizierende Befunde
Vereinzelt wird über eine unzulängliche oder suboptimale Umsetzung und Strukturierung
der KLR und des internen Rechnungswesens berichtet. Dies spricht grundsätzlich nicht
gegen die genannten Instrumente, zeigt jedoch, dass der Einsatz der KLR nicht immer zu
einer erhöhten Transparenz geführt hat. Diese Befunde lauten im Einzelnen:
In einem Bundesland wurde fast allen öffentlichen Einrichtungen ein einheitlicher
Produktkatalog vorgegeben. In dem betreffenden Theater existieren daher als einzige
Kostenträger Musiktheater, Sprechtheater, Konzerte, Gastspiele, Kinder- und Jugendthea-
ter, Sonstiges. Auf diesen sechs Kostenträgern werden sämtliche Kosten im Rahmen einer
Vollkostenrechnung aggregiert und nicht weiter durch ein Mengengerüst oder nach
Inszenierungen oder Einzelvorstellungen differenziert. Dies befriedigt das übergeordnete
Informationsbedürfnis des Trägers, jedoch wird die notwendige Transparenz für die
innerbetriebliche Steuerung nicht geschaffen.428 Im Zuge der Doppik-Einführung wurden
zudem die Anwendung einer Vollkostenrechnung und die Einführung eines komplexen
und teuren Softwaresystems vorgegeben. Dies kritisiert der Geschäftsführer:
„Der Nutzen ist wesentlich niedriger als Kosten und Aufwand. [...] Wir sind vermutlich das
einzige Theater, was eine Vollkostenrechnung tatsächlich exzessiv bis ins letzte Detail
[durchführt, Anm. d. Verf.]. Wir legen hier um, was der Anteil des Pförtners an der Zauberflöte
ist. [...] Ich brauche das nicht für die Steuerung des Theaters. [...] Ich brauche eigentlich nur
eine Teilkostenrechnung am Theater. Insbesondere muss ich schauen, ob der Kunstapparat mit
den Ist-Ausgaben immer noch im Plan ist, gerade bei den vielen Gästen, den unständig
Beschäftigten [...] Das bietet alles das Software-Modul überhaupt nicht. Ich bin noch nicht mal
in der Lage, über die Software meinen Ausstattungsetat zu steuern [lacht].“429
Zudem berücksichtigt die Software bei automatisiert generierten Prognose-Berichten die
theatertypische Ungleichverteilung der Erlöse und Kosten innerhalb des Kalenderjahrs
nicht, was ein falsches wirtschaftliches Bild erzeugt. Folglich müssen Excel-Tabellen
händisch weitergeführt werden.430 Ob die Ursache in der Software selbst, der hausspezifi-
426 Ebenda, 06-56. 427 Ebenda, 04-128 ff. 428 Ebenda, 14-86. 429 Interview 14-78. 430 Vgl. Interview 14-66.
156 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
schen Implementierung oder in der Bedienung lag, konnte nicht abschließend geklärt
werden.
Zwei weitere Theater haben mit der Vollkostenrechnung keine Verbesserung der
Planung und keinen Erkenntnisgewinn erreicht. Es kam gegenteilig sogar zu unnötigem
Erklärungsbedarf, irreführenden Debatten und Fehlschlüssen bei den Vertretern des
Trägers:
„Man hat halt hier [vor Umstellung der Rechtsform, Anm. d. Verf.] die Zauberflöte vom ersten
Tag bis zum letzten einfach als Buchungsobjekt genommen, hat eine Vollkostenrechnung
gemacht und hat dann immer gesagt na gut, Gott im Himmel, 800.000 Euro Miese, so. Aber
das ist natürlich nun aus Steuerungssicht nicht so wahnsinnig interessant, wenn man halt
immer eine Vollkostenrechnung macht und letzten Endes nicht differenziert betrachten kann,
ob eine Vorstellung, die wir hier veranstalten, wenigstens noch Deckungsbeiträge bringt. Dann
ist es halt unter Steuerungsaspekten praktisch eine Nichtaussage.“431
Folglich wurde in beiden Fällen die Vollkostenrechnung nach einigen Jahren wieder
fallengelassen.432 Kritisch muss angemerkt werden, dass eine Vollkostenrechnung auch
eine Teilkostenrechnung/Deckungsbeiträge abbilden kann, sofern die variablen Kosten
resp. Erlöse auf die selben Buchungsobjekte (z. B. Kostenträger) kontiert und in der
Gliederung abgesetzt dargestellt werden. Dies war jedoch hier nicht der Fall, so dass die
Aufmerksamkeit einseitig bei den umfangreichen umgelegten Gemeinkosten lag, die aus
Sicht der Interviewpartner jedoch keinen Erklärungs- oder Steuerungsgehalt besitzen.
An zwei Orten wird bemängelt, dass die KLR-Systeme aufgrund der fehlenden
Controlling-Stelle nur unzulänglich gepflegt werden. Eine regelmäßige Berichterstellung
und Analyse über die verursachungsgerechte Buchung der Einzelkosten hinaus sei nicht
möglich. In einem Orchester werden lediglich halbjährliche KLR-Auswertungen
angefertigt. Folglich sei der Transparenz- und Erkenntnisgewinn gering.433
Es wird darauf hingewiesen, dass die KLR lediglich vergangenheitsbezogene
Daten erfasst,434 zudem auch erst dann, wenn Auszahlungen oder eingegangene
Rechnungen als Kosten (bzw. Einzahlungen als Erlös) verbucht wurden. Für die
Feinsteuerung ist die Datenaktualität daher u. U. nicht ausreichend; es kann sich ein time
lag auftun. Ferner berücksichtigt die KLR nicht automatisch den wirtschaftlichen Abgleich
mit bereits verplanten, aber noch nicht verausgabten Kosten, wenn ein in der Zukunft
liegendes Ergebnis prognostiziert werden soll.
431 Interview 12-12; vgl. auch 12-38. 432 Vgl. Interviews 12-38; 15-58. 433 Ebenda, 07-78; 11-08. 434 Ebenda, 15-50.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 157
Die Interpretation von KLR-Daten ohne Zusatzinformationen bzw. Hinter-
grundwissen kann zu Fehlschlüssen führen. So ist z. B. ein Theater mit einem kleinen
Schauspielensemble gezwungen, regelmäßig Gäste zu engagieren, was keiner besonderen
Systematik unterliegt. Die Honorare für die Gäste erhöhen die variablen Kosten und
reduzieren den DB I, wohingegen die Kosten der festangestellten Ensembles nicht direkt
zurechenbar sind und daher den DB I nicht mindern. Im wirtschaftlichen Vergleich
mehrerer Produktionen drohen daher falsche Interpretationen.435
Ein Theater musste erfahren, dass Prognoseunsicherheiten einzelner Personen
hinsichtlich ihrer übermittelten Planwerte die Verlässlichkeit der praktizierten DB-
Feinplanung geschmälert haben. Daraufhin ist man zu einer gröberen Planungsstruktur mit
Produktions- und Jahresbudgets zurückgekehrt.436
Es wurden durch die KLR einige Erkenntnisse gewonnen und monetär beziffert,
die jedoch von der Grundaussage her nicht neu waren. Dazu gehört etwa, dass Konzerte
am Heimatort vorteilhafter sind als auf Tourneen, dass Schul- und Kinderkonzerte
wirtschaftlicher sind als häufig unterstellt oder dass die Sachkosten in Summe nicht so
stark steigen, wie es einzelne Positionen (Energie, Rohstoffe etc.) vermuten lassen.437 In
einem Theater stellt man regelmäßig fest, dass die Deckungsbeiträge von Repertoire-
Inszenierungen und populären Stücken die höchsten sind. In einem weiteren Mehrsparten-
Theater wird beobachtet, dass die Deckungsbeiträge in der Sparte Musiktheater strukturell
niedriger als in den anderen Sparten sind.438 Angesichts dieser trivialen Ergebnisse schreibt
ein Geschäftsführer der DB-Rechnung eine eingeschränkte Aussagekraft zu.439
7.2.3 Neutrale Befunde
In einem Theater existierte eine Integration von differenzierten Informationen des
internen Rechnungswesens über Produktionskosten etc. in den kameralen Haushaltsplan.
In einem weiteren Theater waren die unterjährig zu steuernden Budgets für bestimmte
Abteilungen in dem kameralen Haushaltsplan direkt enthalten. Durch die Einführung der
Doppik sind diese schlanken Strukturen hinfällig geworden und nicht mehr anwendbar. Es
müssen neue KLR-Systeme aufwändig separat aufgebaut werden.440
In einem Orchester werden die KLR-Auswertungen auch den Trägern zur Kennt-
nis gegeben. Dies erhöht für die betreffenden Personen die wirtschaftliche Transparenz
435 Ebenda, 19-148. 436 Ebenda, 15-54 ff. 437 Ebenda, 20-138. 438 Ebenda, 19-138. 439 Ebenda, 07-70. 440 Ebenda, 14-86, -108; 17-26.
158 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
subjektiv in hohem Maße. Kritisch bemerkt jedoch der geschäftsführende Intendant, dass
damit eine selektive Wahrnehmung mit einseitiger Fokussierung auf die wirtschaftlichen
Daten gefördert werde und die wichtigere, nämlich künstlerische Seite in den Hintergrund
gerate.441 Zudem seien viele wirtschaftliche Details auch aus dem KLR-Bericht nicht
abzulesen. Positiv für den Kulturbetrieb sei die daraus resultierende Vertrauensbildung
seitens des Trägers.442 Die Offenlegung der KLR-Daten sichert jedoch nicht zwingend,
dass die wichtigen oder kritischen Stellen erkannt bzw. geklärt werden:
„Also zum Beispiel die Frage: Warum kriegt der eine Pianist 1.000 Euro und der andere 5.000?
Die ist uns [...] interessanterweise noch nie gestellt worden. Denn wahrscheinlich bewegen sich
die Leute, die das fragen würden, dann auf so einem dünnen Eis, wo sie meinen, da können sie
jetzt nicht mitreden [...]“443.
7.2.4 Abschließende Bewertung der These
Die These 4 kann als bestätigt gelten. Die punktuellen Schwachstellen und Defizite in der
Handhabung der KLR, wie unter den falsifizierenden Befunden geschildert, beeinträchti-
gen nicht das Potenzial dieses Instruments zur Transparenzgewinnung. Es bleibt eine
Gestaltungsaufgabe jedes Kulturbetriebs, eine adäquate Struktur und Anwendung der KLR
zu entwickeln und zu implementieren. In der überwiegenden Zahl der Fälle hat sich
angesichts des hohen Anteils der Fixkosten am Gesamthaushalt, insbesondere der
kurzfristig nicht beeinflussbaren Personalkosten, die Teilkostenrechnung bewährt.444 Die
Strukturen des internen Rechnungswesens sind insbesondere dann effizient, wenn es
gelingt, die weit verbreiteten internen Budgets zum Bestandteil des Rechnungswesens und
der KLR zu machen, so dass eine manuelle Nebenbuchhaltung nicht erforderlich ist.
Ähnlich wie bei den vorhergehenden Thesen zeigt sich erneut, dass die Einführung
der Doppik als Auslöser für Systemumstellungen gekoppelt mit einseitigen Vorgaben des
Trägers Intransparenz verursachen kann, wenn Theaterspezifika und die internen Bedürf-
nisse der Kulturbetriebe nicht beachtet werden. Dies kann jedoch konzeptionell der KLR
441 Ebenda, 20-140. 442 Ebenda, 20-157. 443 Interview 20-47. 444 Das erscheint zunächst widersprüchlich, da mit wachsendem Fixkostenanteil (im Kulturbetrieb 80 bis
90%, vgl. Schneidewind (2006), S. 129) der Aussagewert der Teilkostenrechnung abnimmt. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die KLR vorwiegend zur Unterstützung der Spielplanung herangezo-gen wird. Die Spielplanung dominiert operative Planungsprozesse im Kulturbetrieb. Hierbei wird die Grundkapazität/Spielbereitschaft des Betriebs als gegeben vorausgesetzt, so dass detaillierte Informatio-nen über die Fixkostenzusammensetzung in diesem Kontext nicht relevant sind. Wenn im Zuge der Gesamtwirtschaftsplanung des Kulturbetriebs die Fixkostenentwicklung beobachtet und kalkuliert wird, so kann auf die einzelnen Sachkonten zurückgegriffen werden, auf denen u. U. auch Plan-Ist-Vergleiche zur Kostenkontrolle durchgeführt werden. Insbesondere bei der umfangreichen Personalkostenplanung stehen ggf. eigene Softwareanwendungen bzw. detaillierte kopfbezogene Berechnungstabellen zur Verfügung. Vgl. zur Thematik Voll- versus Teilkostenrechnung auch Schwarzmann (2000), S. 114 f.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 159
nicht angelastet werden und führt daher nicht zur Falsifikation der These.
Es bestätigte sich auch hier, dass die KLR nur so gute Daten liefern kann, wie sie
auch eingespeist und aus dem System extrahiert werden. Zur laufenden Pflege und
Anwendung ist daher eine Mindestmenge an Personaleinsatz erforderlich, welche
wenigstens in Form eines fest eingerichteten (Teil-)Arbeitsgebietes Controlling erfolgen
sollte.
Aus dem explorativen Befund ging hervor, dass zwar in sämtlichen Kulturbetrieben
wenigstens grobe Auswertungen der anfallenden Kosten erfolgen, jedoch nur in 55 % auch
die Erlöse im internen Rechnungswesen systematisch erfasst werden. In 40 % der
Einrichtungen wird ein Deckungsbeitrag ermittelt. Dies wurde von den Gesprächspartnern
nicht explizit als ein Mangel an Transparenz benannt, indiziert jedoch zumindest die
Ausbaufähigkeit der vorhandenen Systeme bezüglich der Interdependenzen von Kosten
und Erlösen.
Eine gute Informationslage verursacht Kosten und erfüllt keinen Selbstzweck. Da-
her werden die nachfolgenden Thesen den Nutzen aus der Transparenz näher untersuchen.
7.3 These 5: Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz durch KLR
7.3.1 Bestätigende Befunde
Zunächst schildern zwei Interviewpartner, dass die KLR dazu beigetragen habe, in
Krisenzeiten bei wegbrechenden Finanzen bzw. während einer Interimsintendanz den
Betrieb wirtschaftlich und künstlerisch zu retten und zu konsolidieren:445
„Es gibt Leute, also Betriebswirte [...], Controller oder Revision in der Stadtverwaltung, die
sagen, es ist eine übergroße Arbeit, die wir uns machen. Nein, ist es nicht. Das hat uns nämlich,
auf Deutsch gesagt, einige Male den A[...] gerettet, dass wir so differenziert sind und dass wir
es auch für unsere Gremien und für die Geldgeber so durchsichtig machen. Das ist sehr, sehr
durchsichtig, also da weiß auch ein Laie [Bescheid, Anm. d. Verf.]. Unser [...] Aufsichtsrat ist
ausschließlich aus städtischen Politikern besetzt, ja, also das sind ja in so einer kleinen Stadt
Freizeitpolitiker, die im bürgerlichen Beruf Zahnarzt oder Spediteur oder so sind.“446
Dies beinhaltet die zentrale Aufgabe der Steuerung, welche z. B. durch Einzelkosten-
planung auch präventiv in einem Theater wirtschaftliche Turbulenzen verhindern kann.447
Ein Geschäftsführer lokalisiert den größten Effizienzhebel im Theaterbetrieb in der
wirtschaftlich fundierten internen Steuerung:
445 Vgl. Interviews 06-54; 15-26. 446 Interview 06-54. 447 Vgl. Interviews 06-56; 08-104; 19-192 ff.
160 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
„Anhand unserer selbstgestrickten Excel-Tabellen und sparsamster Haushaltsführung haben
wir die letzten Jahre immer leichte Überschüsse erwirtschaftet. [...] Wie wir das hier intern
sozusagen steuern, das war dafür entscheidend.“448
Aus dem Zitat wird auch ersichtlich, dass KLR-Auswertungen nicht zwingend
automatisiert vollzogen werden, sondern teilweise parallel und manuell gepflegt werden.
Insbesondere wenn sich die Intendanz für Gespräche über die wirtschaftliche Seite
der Programmgestaltung offen zeigt, so ermöglichen die gewonnenen Daten einen Dialog
über die wirtschaftliche Optimierung bzw. einen gezielteren Mitteleinsatz in kommenden
Spielzeiten. Dies muss nicht einseitig wirtschaftliche Ziele verfolgen, sondern kann auch
Freiräume auf Ebene der Sachziele schaffen, etwa um bestimmte künstlerische
Großprojekte zu realisieren, die ohne wirtschaftliche Optimierung nicht möglich gewesen
wären.449 Somit versetzt die KLR den Kulturbetrieb bestenfalls in die Lage, Kongruenzen
zwischen wirtschaftlichen und künstlerischen Zielen zu lokalisieren. Bei entsprechender
differenzierter Auswertung und Interpretation sei es möglich, aus der KLR erkenntnisstif-
tende Informationen abzuleiten.450
Durch die KLR-Analysen wurde auch die Unwirtschaftlichkeit bestimmter Forma-
te aufgezeigt. So wurde in einem Orchester der jährliche Galaabend abgeschafft und in
einem Theater wurde die Sommerbespielung temporär ausgesetzt.451
Generell äußern die Gesprächspartner häufig dass Urteil, dass KLR und Control-
ling zu einem rationaleren und effizienteren Management beigetragen haben.452 Dies
konkret mit Beispielen zu belegen, fällt jedoch schwer. Als Argumente werden genannt,
dass durch diese Instrumente überhaupt erst die Möglichkeit entsteht, frühzeitig bei
Fehlentwicklungen einzugreifen453 bzw. ab einer bestimmten Betriebsgröße, die im
Theater gegeben ist, diese Instrumente Selbstverständlichkeiten bzw. auch rechtlich
vorgeschrieben sein können454. Ein weiterer Geschäftsführer urteilt, der wirtschaftliche
Erfolg habe sich infolge der neuen KLR nachrangig, aber dennoch nachweisbar
verbessert.455 Mehrfach wird berichtet, dass das Kostenbewusstsein z. B. bei den
Budgetverantwortlichen auf Abteilungsleiterebene gestiegen sei und ein Wandel der
Betriebskultur eingesetzt habe, da durch die KLR konkretes Zahlenmaterial als
Diskussionsgrundlage vorliege. Dies sieht ein Geschäftsführer als wirksamste Komponente
448 Ebenda, 14-182. 449 Ebenda, 04-110; 07-72; 18-76. 450 Ebenda, 04-122; 10-77 ff., -104; 18-52; 19-158. 451 Ebenda, 11-56; 19-154. 452 Ebenda, 01-96; 02-108; 04-128 ff.; 10-104, -134; 12-86. 453 Ebenda, 04-128 ff. 454 Ebenda, 12-86.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 161
des internen Rechnungswesens.456 An einigen Orten wird durch die Integration der
Budgets in die Kostenstellen auch die Kontrollfunktion regelmäßig ausgeübt und
dezentralisiert.457 In einem Orchester werden die Plan-Daten der KLR inklusive positivem
DB für die Verhandlungen, d. h. zur Preisbildung des Orchesterhonorars bei Gastspielrei-
sen, als Grundlage herangezogen, um somit die Wirtschaftlichkeit zu einem frühen
Zeitpunkt zu sichern.458 Nicht zuletzt erhöhe sich durch die Nutzung des internen
Rechnungswesens die Planungsqualität und -sicherheit, was auf den Wirtschaftsvollzug
durch die jederzeit mögliche Soll-Ist-Kontrolle stabilisierend wirkt.459
7.3.2 Falsifizierende Befunde
Die gewichtigsten Befunde gegen den Effizienzgewinn durch KLR sind die Aussagen
vieler Interviewpartner über eine eingeschränkte Relevanz und daher sehr begrenzte
Auswirkung der KLR-Daten in der Praxis: Zunächst löst die Gewinnung der Daten,
ebenso wenig wie die Doppik-Einführung, keine unmittelbaren Kosten- oder Effizienzvor-
teile in der künstlerischen Produktion aus. Es entstehen im Gegenteil Implementierungs-
kosten und ein dauerhafter Pflegeaufwand460. Wenn primär Sparziele verfolgt würden, so
müsse man ohnehin den die Kostenstruktur dominierenden Personalaufwand durch
Stellenkürzungen o. Ä. reduzieren. Dabei sei die KLR nicht behilflich; es herrsche keine
Unkenntnis über die Lokalisierung der Kosten. Überkapazitäten seien ohnehin bereits an
vielen Orten abgebaut worden bzw. die daraus resultierende Arbeitsverdichtung habe
manche Häuser an die Auslastungs- und Belastungsgrenze des Personals geführt.461 Im
Bereich der kurzfristigen Vermietung von Räumlichkeiten werden in zwei Einrichtungen
die Vermietungspreise durch konstante Richtlinien, die in ihrer konkreten Gestaltung
auch kulturpolitisch geprägt sind, vorgegeben. Diesbezüglich bestünde kein Bedarf an
einer KLR-gestützten Gegenüberstellung von Kosten und Erlösen.462
In einem Theater werden die KLR-Daten als Anlage im Jahresabschluss zwar publiziert,
jedoch noch nie thematisiert. Externe Personen könnten nach Ansicht des Gesprächpartners diese
Daten ohnehin nicht adäquat einschätzen.463 Selbst interne Adressaten, z. B. die künstlerische
Leitung bzw. Intendanz, nehmen die Daten nicht näher zur Kenntnis oder lehnten die
Auseinandersetzung mit den Kostendaten als Basis für die künftige Planung bewusst ab:
455 Ebenda, 12-46. 456 Ebenda, 04-124; 07-56; 15-94; 19-204. 457 Ebenda, 10-92; 12-72; 15-86; 16-76. 458 Ebenda, 02-104; ähnlich auch 01-86. 459 Ebenda, 04-128 ff.; 06-54, -62; 17-172. 460 Ebenda, 02-94; 03-90, -96; 14-92, -106, -114, -267; 19-190; 20-138, -149. 461 Ebenda, 06-44; 09-138. 462 Ebenda, 02-86 ff.; 06-28.
162 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
„Also wenn der Intendant sagt: Das interessiert mich null, Ihre Kosten- und Leistungsrechnung
und die GuV vom letzten Jahr schon mal gar nicht, ich mache jetzt hier den Ring, fertig,
machen wir. Dann ist es wurscht, wie man das abrechnet am Ende.“464
Auch an anderen Orten wird bekundet, dass die Daten zwar erhoben werden, jedoch keine
oder nur punktuelle Einbeziehung in die Entscheidungsfindung, z. B. in die
Spielplanung, erfahren.465 So berichtet ein geschäftsführender Intendant:
„Ich habe sowieso nie den Gedanken an irgendwelches Zahlenmaterial, wenn ich ein Konzert
akquiriere oder mir ein Programm ausdenke oder mir einen Solisten bestelle oder sonst
irgendwas. Das ist auch so was, wovon Politiker träumen, aber das geht in der Branche einfach
nicht.“466
Dies wird des Öfteren damit begründet, dass wirtschaftliche Ziele in Form einer
Maximierung von Erlösen bzw. Deckungsbeiträgen ohnehin nicht theateradäquat seien,
weil dies konsequenterweise in eine Kommerzialisierung des Programmangebots münden
würde. Nur in seltenen Fällen sei der DB I überhaupt positiv, d. h. die Erlöse sind selten
höher als die variablen Kosten, so dass nach betriebswirtschaftlicher Regelanwendung die
meisten Produktionen ohnehin eingestellt werden müssten, weil selbst die variablen Kosten
aufgrund der wirtschaftlichen Struktur einer Bezuschussung bedürfen. Es lasse sich
strukturell bedingt kein Gewinn erwirtschaften. Es gehöre zum Auftrag des Theaters, auch
Werke mit negativem Deckungsbeitrag zu spielen. Die Dominanz künstlerischer Ziele und
Interessen und damit verbundene freie Kunstentfaltung sei daher angemessen, nicht
zuletzt auch im Intendantenvertrag zugesichert. Das Einladen von renommierten Solisten
und Dirigenten, welche besondere kulturelle Erlebnisse verschaffen und auch vom
Publikum erwartet werden, stünde im Zielkonflikt zu einer Deckungsbeitrags-
Maximierung, da die Mehrkosten nicht durch die Mehreinnahmen gedeckt werden können,
sichere aber das Stammpublikum. Künstlerische Qualität habe Priorität und koste
entsprechendes Geld.467 In einem Orchester wird daher geurteilt, die KLR zeige keine
alternativen Handlungsoptionen auf.468 Wegen des eingeschränkten Aussagegehalts
haben zwei Theater von der eingeführten Deckungsbeitrags-Rechnung wieder Abstand
genommen und nutzen Budgets als Steuerungsinstrumente.469
463 Ebenda, 08-92 ff. 464 Interview 15-76. 465 Vgl. Interviews 02-84, -162; 03-78, -90; 09-114; 15-82; 17-26. 466 Interview 20-138. 467 Vgl. Interviews 01-92; 02-152 ff.; 03-42, -80; 07-70; 09-120, -168, -210; 11-52; 14-100; 15-82; 17-104;
18-76; 19-134 ff.; 20-12, -37, -138. 468 Ebenda, 03-92 u. -100. 469 Ebenda, 07-70; 15-54. Eine mögliche Herangehensweise an das vordergründige Dilemma zwischen Sach-
und Formalzielen mit ökonomisch-rationalen Kriterien wird im Kap. 9.9 aufgezeigt.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 163
Ein in diesem Zusammenhang mehrfach geäußertes Argument gegen die Deckungsbei-
trags-Rechnung als Analyse- und Planungsinstrument lautet, dass erfahrungsgemäß die
Losgröße von Theaterproduktionen stets Eins beträgt: Jede Inszenierung, jedes Konzert
sei ein schwer zu prognostizierendes Unikat, insbesondere bezüglich der Einnahmen
wegen der unsicheren Publikumsnachfrage. Es fehlen die differenzierten Vergleichsmaß-
stäbe: ein DB I von -10 T€ kann für eine bestimmte Inszenierung ein hervorragendes
Ergebnis sein, für eine andere ein schlechtes. Somit könne der DB im Kulturbetrieb
lediglich eine nachträglich zu bestimmende Erfolgsgröße ohne Relevanz für die Planung
sein. Es haben sich keine Erfahrungswerte aufbauen lassen, auf deren Basis ein Spielplan
optimierbar sei:470
„Es interessiert mich eigentlich im Nachhinein nicht, was die Zauberflöte letzte Spielzeit
gekostet hat. Denn die nächste Zauberflöte kommt in 15 Jahren wieder. Im letzten Jahr hat die
im Rokoko-Kostüm gespielt und in 15 Jahren spielt sie nackt im Parkhaus, keine Ahnung, was
der Regisseur macht, ohne Bühnenbild, ohne alles, im schwarzen Aushang. Da nützt mir meine
Kostenrechnung gar nichts, was irgendwann mal die Zauberflöte gekostet hat. Also insofern
bin ich da so ein bisschen skeptisch, mache mir eher so ein bisschen einen Spaß draus, dass
man da die eine oder andere Auswertung [in der KLR, Anm. d. Verf.] hat. Der eigentliche
Punkt in der Planung von Theaterfinanzen liegt in der Abstimmung zu einem frühzeitigen
Zeitpunkt, in einer Abstimmung zwischen Wirtschaftsplan, Spielplan und Spielplandisposition,
mit Besetzungen einhergehend. Das ist der Knackpunkt in der Theaterplanung. Was ich dann
hinterher rechnen kann, das ist dann alles witzlos. Die grundlegende Planung muss stim-
men.“471
Mit dieser Thematik verbunden ist der Einwand, dass kurzfristige unterjährige
Steuerungsmaßnahmen, etwa durch das Absetzen eines erfolglosen Stücks oder Ansetzen
von zusätzlichen Vorstellungen eines erfolgreichen Stücks, wegen mittel- und langfristiger
Spielplanungen, organisatorischer Vorläufe und vertraglicher Verpflichtungen überhaupt
nicht möglich seien. Somit wird aufgrund der unflexiblen Betriebsform des Kulturbe-
triebs die generelle kurzfristige Steuerbarkeit zur Effizienzgewinnung als niedrig
eingeschätzt.
Der Zeitpunkt der Erkenntnis tritt zu spät ein, um Konsequenzen daraus zu
ziehen, was wiederum die Relevanz der KLR schmälert.472 Folglich sei die vorherrschende
Planungsweise spielzeit- bzw. jahresbezogen, nicht jedoch inszenierungsbezogen.473
In mehreren Einrichtungen wird kritisch angemerkt, dass die Kostenstellenleiter
über keine wirtschaftlichen Entscheidungskompetenzen verfügen. Der Geschäftsführer
470 Ebenda, 08-108, -194; 09-122; 11-42; 12-58; 15-50; 16-68; 19-316. 471 Interview 15-50. 472 Vgl. Interviews 03-82; 08-88, -100; 09-120; 11-8.
164 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
übe neben den Budgetverantwortlichen eine Gesamtverantwortung aus, so dass die Kosten-
stellenrechnung als Teilelement der KLR von nachrangiger Bedeutung sei.474
7.3.3 Neutrale Befunde
In einem Theater musste im Jahr 2004 das Wegbrechen der Zuwendungen um mehrere
Millionen Euro verkraftet werden. Dies ist gelungen, u. a. durch das eigenverantwortliche
Erschließen von Effizienzgewinnen im Wert von 1 Mio. € pro Jahr. Der Geschäftsführer
urteilt jedoch, dass die KLR bei dieser umfangreichen wirtschaftlichen Konsolidierung
keine originäre Rolle gespielt habe.475
7.3.4 Abschließende Bewertung der These
Zunächst sollte definiert werden, welche der genannten Instrumente des internen
Rechnungswesens in den Geltungsbereich der KLR-fokussierten These fallen: Neben der
Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung sind dies die Deckungsbeitrags-
Rechnung, da diese Kosten und Erlöse saldiert, sowie vergleichbar aufgebaute, oft
händisch erstellte, von den Interviewpartnern so genannte „Konzertauswertungen“. Nicht
zur KLR gezählt werden an dieser Stelle zentrale und dezentrale Budgets, auch falls diese
organisatorisch oder abrechnungstechnisch an Kostenstellen gekoppelt sein sollten, weil
Budgets eine Planeinhaltung verfolgen, jedoch keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
vollziehen bzw. Effizienzsteigerung intendieren, und außerdem dem kameralen,
titelbezogenen Soll-Ist-Vergleich sehr nahe stehen.
Auf Basis der geführten Gespräche konnten nur wenige Fälle nachgewiesen wer-
den, in denen die KLR im zuvor definierten Verständnis zu realisierten Effizienzvorteilen
geführt hat – sei es durch eine Steigerung der Economy (weniger Mitteleinsatz bei
konstantem Output) oder der Effizienz (mehr Output bei konstantem In-
put/Maximalprinzip). Unbestritten sind das Erreichen von treffsichereren Planungs- und
Steuerungsprozessen, wirtschaftlicher Transparenz und frühzeitiger Erkennbarkeit von
wirtschaftlichen Schieflagen durch die Anwendung von KLR. Dies sind wichtige Ziele der
Geschäftsführung, belegen jedoch noch keine Effizienzsteigerung, wie es die KLR als
Instrument der Entscheidungsfindung konzeptionell postuliert. Neben die im falsifizieren-
den Befund dargestellten Aspekte der mehrjährigen Planungsvorläufe, der nicht
ausreichend gegebenen Planbarkeit von Erlösen und der in der KLR unberücksichtigten
künstlerisch-qualitativen Effizienzperspektive tritt noch die zu beachtende Haushaltsstruk-
473 Ebenda, 03-82; auch bestätigt im empirischen Befund bei Stein (1982), S. 102. 474 Ebenda, 01-78 ff.; 02-82.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 165
tur hinzu (vgl. Kap. 2.1.4): Da die freie Spitze für Produktionsentscheidungen, das
künstlerische Budget, nur einen kleinen Prozentsatz der Gesamtkosten des Theaters
ausmacht (ein Interviewpartner bezifferte dies auf ca. 7-10 %476), ist der Teil des
finanziellen Gesamtvolumens, der frei gestaltet und gesteuert werden kann, relativ niedrig.
Dies gilt folglich auch für das Potenzial der Effizienzsteigerungen aus diesem Anteil
heraus. Daher ist die These angesichts der umfangreich geäußerten negativen Befunde
zunächst mehrheitlich zu falsifizieren.
Jedoch erscheint es zumindest fragwürdig, ob das Potenzial der KLR als zukunfts-
orientiertes Planungsinstrument schon ausgereizt ist oder ob in der Ausgestaltung und
Nutzung noch Verbesserungsmöglichkeiten liegen, etwa durch eine Plankostenrechnung.
Wenn bereits in einer großen Anzahl der Fälle die Wenn-Komponente der These durch
Nicht-Nutzung, Nicht-adäquate Nutzung oder Nicht-Beachtung der KLR nicht realisiert
wird, so kann die Dann-Komponente, die Wirkungsentfaltung, gar nicht eintreten. Ob
Letztere tatsächlich zu mehr Effizienz führen würde, somit die KLR mehr Potenzial hat,
als bislang realisiert wird, darüber gehen die Meinungen der Experten auseinander.
475 Ebenda, 15-182. 476 Ebenda, 15-86.
166 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
7.4 These 6: Erhöhung der Rationalität durch Controlling
7.4.1 Bestätigende Befunde
Das Controlling wird in den aufgesuchten Kulturbetrieben zu folgenden Zwecken eingesetzt:
• Punktuelle Einzelanalysen zur Effizienzkontrolle zur Vorbereitung von Make or
Buy-Entscheidungen und Outsourcing-Überlegungen.477
• Überwachung der Kostenentwicklung insbesondere bei variablen Kosten wie etwa
dem Gästebudget und Sachkosten (Materialeinkauf etc.).478
• Markterkundungen bei Beschaffungen zur Wahrung der Sparsamkeit.479
• Punktuelle Auslastungsanalysen auf der Mengenebene beim hausinternen Personal
(Werkstattauslastung, Disposition, Dienstpläne, Dienstzeiten).480
• Führungsunterstützung der künstlerisch Verantwortlichen, indem die Konsequen-
zen ihres Entscheidens bewusst gemacht werden; dies stärke das Verantwortungsbe-
wusstsein und die wirtschaftliche Rationalität der Budgetverantwortlichen.481
• Führungsunterstützung der wirtschaftlich Verantwortlichen durch Zuarbeit zur
Erstellung des Wirtschaftsplans, der Personalkostenplanung und Quartalsberichte.482
• Kontrolle, ob neu abzuschließende Vertragsverhältnisse liquiditätsmäßig und durch
die Wirtschaftsplanung gedeckt sind.483
• Unterjährige Planverfolgung und Hochrechnung (Forecast) auf globaler Ebene des
Wirtschaftsplans sowie in Bezug auf den Spielbetrieb (adressatenorientiertes Be-
richtswesen/Navigations- und Kontrollfunktion).484
• Vorab-Kalkulation von Gastspielreisen zur Absicherung der Wirtschaftlichkeit.485
• Frühzeitiges Aufspüren von nicht-planmäßigen wirtschaftlichen Entwicklungen, um
ggf. Abweichungsgespräche zwischen Budgetverantwortlichen mit der Geschäftslei-
tung zu initiieren und mit Daten zu versorgen.486
• Vorbereitung von regelmäßigen und außerordentlichen Controlling-Sitzungen mit
entsprechenden Datengrundlagen (Informationsfunktion).487
477 Ebenda, 16-68. 478 Ebenda. 479 Ebenda, 06-66. 480 Ebenda, 16-58. 481 Ebenda, 10-136. 482 Ebenda, 01-92. 483 Ebenda, 14-98. 484 Ebenda, 01-92; 02-96; 04-128 ff.; 12-58; 13-112; 19-192 ff. 485 Ebenda, 02-104. 486 Ebenda, 01-82; 04-96; 07-58; 13-108. 487 Ebenda, 07-8; 12-86.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 167
• Unterstützung des Planungsprozesses der Spielplanung durch verlässliche mengen-
und wertmäßige Berechnungen, die letztlich in eine Kostenplanung und Entschei-
dungsfindung münden.488
• Rückblickende wirtschaftliche Analyse und Dokumentation des Spielbetriebs.489
Des Öfteren wird berichtet, dass die Konsequenzen der Einführung von Controlling-
Funktionen in der Schärfung des Kostenbewusstseins, der Disziplin und des Verantwor-
tungsgefühls der handelnden Personen liegen, was zu einer Stabilisierung und
Absicherung der wirtschaftlichen Entwicklung, nicht zuletzt der Geschäftsführung selbst,
sowie zu einem rationaleren und effizienteren Management führe.490 Daher bekennt ein
Gesprächspartner die hohe Bedeutung des Controllings wie folgt:
„Und ohne diesen Controller [...] – da muss man sich nichts vormachen, ich mache mir gar
nichts vor, wäre ich hier baden gegangen wie – wie sonst was, ja.“491
Als Teilinstrument des Controllings kommt der Budgetierung eine herausragende
Bedeutung zu. Ihre Anwendungshäufigkeit in der täglichen Praxis ist höher als die der
KLR. In einigen Häusern sieht der Budgetierungsprozess vor, dass die beteiligten
Verantwortlichen der dezentralen Budgets bei Projektkonzeptionen entsprechende Plan-
Werte ermitteln, welche in die (teilweise mehrstufigen) Planungsgespräche einfließen, und
bei Projektrealisierung auch die Einhaltung inklusive eventueller Unwägbarkeiten zu
verantworten haben.
Durch die konsequente Einbindung der Personen, die auch für die Umsetzung der
Tätigkeiten zuständig sind, teilweise auch für die administrative Pflege des laufenden
Budgets (dezentrales Controlling), sei somit ein frühzeitiges Gegensteuern bei
eventuellen Abweichungen möglich. Die vollumfängliche Delegation von Verantwortung
unter Einbindung in einen Controlling- und Planungs-Zyklus habe sich insofern bewährt,
als dass die Budgetdisziplin und das dezentrale Verantwortungsbewusstsein zugenommen
und das „Dezemberfieber“ abgenommen haben. In einem Kulturbetrieb wird der Erfolg
dieses Prozedere darin gesehen, dass es bislang zu keinen größeren unvorhergesehenen
Defiziten gekommen sei.492 Die Budgets erfüllen teilweise auch die Funktion der
Gewährung der künstlerischen Freiheit, weil die Verantwortlichen innerhalb der zur
Verfügung stehenden Summe frei entscheiden können, z. B. welche Gastsolisten
488 Ebenda, 05-46; 08-104; 17-172; 19-134 ff., -154. 489 Ebenda, 11-8, -56; 19-54. 490 Ebenda, 01-96; 02-108; 04-124 ff.; 06-54, -62; 10-104, -136 ff.; 12-78, -86; 16-96; 19-204. 491 Interview 06-64.
168 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
eingeladen werden, und somit in finanziell angespannten Zeiten mindestens eingeschränkt
gestalten können.493
7.4.2 Falsifizierende Befunde
Auch im Zusammenhang mit dem Controlling wird bekundet, dass durch die Dominanz
der künstlerischen Planung die klassischen Aufgaben des Controllings nur eingeschränkt
umsetzbar seien:
„So ein Controller sollte sich vor allen Dingen Gedanken machen über die Zukunft und mit
seinen Ergebnissen, die er vorlegt, Perspektiven und Handlungsoptionen aufzeigen. Das ist
natürlich in so einer Oper etwas schwierig, wenn ich mit Deckungsbeitrags-Rechnungen von
der letzten Saison komme und die übernächste Saison planen will und ich sage: Also wisst ihr,
überlegt euch das mal mit der Elektra oder mit der Zauberflöte oder mit der Aida. Das kommt
erst mal so nicht gut an, ja? Erst braucht man einen Umdenkungsprozess an anderer Stelle. Ich
kann dem Generalmusikdirektor auch nur begrenzt verkaufen, dass seine Walküre hier im Haus
einen negativen Deckungsbeitrag verursacht, wenn die Top-Stars der Welt auf der Bühne
stehen. [...] Der Controller befasst sich hier mit Tätigkeiten, die eher dem Aktuellen dienen.
Also dass wir hier damit jemanden haben, der schnell und professionell eine Personalkosten-
planung macht und pflegt, dass er die Quartalsberichte und den Wirtschaftsplan miterstellt und
da praktisch sein Wissen und sein Forecast-Denken an der Stelle mit einbringt und korrigierend
eingreift. Aber das war es dann auch schon. Weil da mit einer Stelle am Ende auch wirklich
nicht so viel zu wollen ist, das muss man auch ehrlicherweise zugeben.“494
Ein anderer Kollege urteilt:
„Also die [künstlerischen Leitungspersonen, Anm. d. Verf.] [...] möchten jetzt auch nicht
zugeballert werden mit Riesenveranstaltungen an Controllinginstrumenten.“495
Analoge Befunde gelten auch für die Nicht-Kenntnisnahme von vorgelegten Controlling-
Daten an weiteren Stellen.496
In dem letzten Satz des vorhergehenden längeren Zitats wird deutlich, dass es auch
eine mengenmäßige Restriktion in der Controlling-Funktion gibt, wenn mit den
genannten Routine-Funktionen eine Vollzeit-Stelle in einem großen Theater ausgelastet ist
– zumal diese in vielen Häusern nicht einmal existiert.
Aus den in Kap. 2.1 vorgestellten Haushaltsstrukturen wird ersichtlich, dass der
überwiegende Anteil der Kosten fix ist und damit aus Sicht eines Gesprächspartners
kurzfristig nicht steuerungs- und beobachtungsbedürftig. Die Kostenseite könne gar nicht
492 Vgl. Interviews 04-98 ff.; 05-58; 12-76; 09-202; 10-102, -111, -136 ff.; 13-108. 493 Ebenda, 13-112; 14-100. 494 Interview 01-92. 495 Interview 12-74. 496 Vgl. Interviews 03-78; 08-92 ff.; 12-58; 14-78; 15-76; 17-114; 20-138.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 169
in erheblichem Maß aus dem Ruder laufen, etwa bei den tariflichen Entlohnungen. Dies
schmälere die Relevanz des Controllings.497 Ein Verwaltungsleiter bekundet, dass das
Jahresergebnis von Multikausalitäten geprägt ist, welche – nicht zuletzt wegen der
unberechenbaren Eintrittserlöse – auch durch ein Controlling nicht zuverlässig
prognostiziert werden könnten. Die Gründe für ein Defizit oder einen Überschuss lägen
hauptsächlich in unvorhergesehenen Entwicklungen, im Glück oder Pech, im Zusammen-
treffen mehrerer gegensätzlicher Entwicklungen, welche nicht präzise oder rational
steuerbar seien, z. B. sicherheitstechnisch erforderliche Sofort-Baumaßnahmen:
„Man hat dann verschiedene Entwicklungsstränge. Manche kommen so, wie man denkt,
manche kommen anders, manche kommen gar nicht, manche sind überholt, manche werden
geändert. Also ein riesiges – [...] ein quasi chaotisches System. Und man hat sich verstärkende
Tendenzen, man hat sich aufhebende Tendenzen und wir hatten in der Vergangenheit
Glück.“498
Ein Geschäftsführer bekundet, dass das Controlling zwar bereits einschlägige Berichte
entwickelt, jedoch die Gesprächskultur zur gemeinsamen Erörterung von Handlungs-
optionen noch unterentwickelt sei. Folglich führen gewonnene Erkenntnisse nicht immer
zwingend zu Rücksprachen in die Fachabteilung und zu Veränderungen.499 Es wird an
anderem Ort kritisiert, dass die Fülle an erhobenen Daten dazu verleitet, viel Zeit in das
Nachverfolgen von Details zu investieren, was unproduktiv sei.500
In mehreren Einrichtungen wird geschildert, dass die Software-Systeme noch nicht
in Gänze den Anforderungen des Controllings entsprechen. Dies hemmt die Wirkungs-
entfaltung oder führt zu doppelten Erfassungsarbeiten.501
Der Versuch des externen Controllings eines Trägers, durch ein Benchmarking mit
einem anderen Theater Informationen über die Wirtschaftlichkeit zu erlangen, ist nach
Einschätzung des Geschäftsführers gescheitert, weil bei den Analyseergebnissen die
Rahmenbedingungen der beiden Theater nicht ausreichend Einfluss gefunden haben.
Folglich sei der Vergleich nicht zulässig.502
Der Versuch eines anderen Trägers, seine Kultureinrichtungen per Balanced Score
Card zu steuern, ist an den künstlerisch-qualitativen Kriterien gescheitert, weil hierfür
keine akzeptierten Kennzahlen gefunden wurden:
497 Ebenda, 15-182; 16-68; 18-86. 498 Interview 17-114; ähnlich auch 09-138; 19-164. 499 Vgl. Interview 01-98. 500 Ebenda, 09-138. 501 Ebenda, 01-98; 14-70. 502 Ebenda, 08-124; ähnlich 16-94.
170 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
„Da haben sich die Direktoren gewehrt und auch die Intendanten, weil wir der Auffassung
sind, dass man Kunst von vornherein nicht qualitativ bewerten kann, es sei denn, [...] man stellt
ein Applausometer in die Vorstellung und misst die Anzahl der Buhrufe oder wie auch immer,
das haben wir abgelehnt und da ist auch nichts mehr [seitens des Trägers, Anm. d. Verf.]
gekommen. Es gibt eine Balanced Score Card bezogen auf quantitative Kennzahlen, aber nicht
auf qualitative.“503
Es werden lediglich Output-Daten und Produktkosten gemäß (NSM-)Produktkatalog der
Kulturbetriebe erfasst, was von den klassischen vier Dimensionen und der Grundidee der
BSC relativ weit entfernt ist.
7.4.3 Neutrale Befunde
Der geschäftsführende Intendant eines Orchesters berichtet, dass er eine strategisch
fundierte Programmplanung betreibt: Konzertprogramme werden in der Planung
zunächst klassifiziert und künstlerisch bewertet. Darauf aufbauend erfolgt die Realisie-
rungsentscheidung in der Weise, dass aus den gegebenen finanziellen Ressourcen der
größtmögliche künstlerische Output erfolgt, z. B. durch das bewusste Investieren in
ausstrahlende Programmhöhepunkte und das partielle Verzichten auf Mittelmaß. Dies
geschieht ohne begleitendes institutionalisiertes Controlling, sondern der Intendant nimmt
dies persönlich vor.504
In einem Theater wurde zur Pflege der Budgets eine individuell zugeschnittene
Software programmiert. Hier haben alle Beteiligten jederzeit die Möglichkeit der
Einsichtnahme in sämtliche Budgets.505 Ein großes Theater bekundete eine hohe
Effizienzsteigerung in den vergangenen zehn Jahren durch Stärkung der Eigenerlöse und
Senkung von Kosten. Hierbei seien das Controlling und die KLR jedoch von keiner
maßgeblichen richtungsweisenden Relevanz gewesen, sondern steuerten durch diese
Entwicklung hindurch und dokumentierten sie.506
Der steigende wirtschaftliche Druck in seinem Kulturbetrieb wird nach der Ein-
schätzung eines Verwaltungsleiters dazu führen, dass die Controlling-Funktion an
innerbetrieblicher Entscheidungsprägung und somit an Bedeutung gewinnen wird.507
503 Ebenda, 14-124. 504 Ebenda, 18-76. 505 Ebenda, 06-54. 506 Ebenda, 10-191 ff. 507 Ebenda, 03-200.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 171
7.4.4 Abschließende Bewertung der These
Die Controlling-Funktion hat begonnen, sich als führungsunterstützendes Instrument zu
etablieren und zu bewähren, insbesondere bei Budgetierungen und auf der aggregierten
Ebene der Wirtschaftsplanung samt unterjähriger Planverfolgung. Die empirisch
nachgewiesenen Controlling-Funktionen tragen zur wirtschaftlichen Transparenz und
somit unmittelbar oder mittelbar zur Rationalitätssteigerung bei (vgl. These 4). Es wurde
jedoch auch deutlich, dass bereits die Wenn-Komponente der These, das Nutzen der
Controlling-Instrumente, oftmals bislang (noch) nicht realisiert wird, insbesondere bei
künstlerischen Entscheidungen, was jedoch nicht zur Falsifikation führt. Dies deutet
dennoch auf Grenzen des Controllings in seiner klassischen Konzeption im Kulturbetrieb
hin, insbesondere wenn es um künstlerische Freiheit, Experimentierfreude, Emotionalität
und Irrationalität geht, welche an dieser Stelle nicht normativ zu bewerten sind.
Die Rationalitätssicherung durch Controlling im Sinn der NPM-bezogenen These
kann daher für die nicht-künstlerischen Bereiche als mehrheitlich bestätigt gelten. Bei der
künstlerischen Entscheidungsfindung, etwa der Spielplanung, ist die These eher zu
falsifizieren, zumindest wenn unterstellt wird, dass Budget- und Planeinhaltung – also das
Beachten einer Restriktion – noch nicht hinreichend die Zielsetzung des Controllings
erfüllen. Jedoch kann in diesem wichtigen Bereich auch ein Mangel an Theorie, etwa der
spezifischen Konzeption des Controllings für rationale Entscheidungen im sachzieldomi-
nierten Kulturbetrieb gesehen werden (vgl. dazu auch den Ansatz in Kap. 9.9).508
Gemäß heutigem Stand ist die Idealvorstellung des NPM, nämlich das vollumfäng-
liche Einsetzen und Wirken von Controlling in sämtlichen betrieblichen Teilfunktionen
und Entscheidungen, nicht realisiert. Wohlgemerkt findet an dieser Stelle keine Bewertung
darüber statt, ob die konsequente Realisierung der NPM-Konzeption funktional oder
wünschenswert ist.
Auch im nicht-künstlerischen Bereich könnten noch zu erschließende Potenziale im
Controlling vorhanden sein, etwa im Gemeinkosten- und Fixkosten-Management: Diese
wurden nicht als Aufgabengebiet genannt und sind aufgrund der Haushaltsstrukturen
dennoch hochrelevant, beispielsweise im Vertrags-Controlling bei den Sachkosten in
Bezug auf die sparsame Mittelverwendung (Konditions- und Organisationsüberprüfung).
Ein weiterer, unterrepräsentierter Bereich neben dem meist wertmäßig arbeitenden
Controlling ist das Mengengerüst (Verbrauchswerte, Personalauslastung, Disposition,
508 Vgl. auch Beutling (1993), S. 64.
172 7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen
Dienstverteilung, Spielplanstrukturierung, Organisation des Spielbetriebs), aus dem evtl.
weitere, nicht auf Anhieb erkennbare Optimierungspotenziale ohne Leistungseinbußen zu
gewinnen sind.
Ferner hat es sich als günstig erwiesen, wenn Budgets direkt bei Kostenstellenver-
antwortlichen angesiedelt werden und Teil des Kostenstellenberichts sind.509 Durch eine
weitgehende Einbeziehung in Planungsgespräche kann das persönliche Involvieren der
Kostenstellenverantwortlichen gefördert werden.
Hinsichtlich der Planung und laufenden Pflege der Budgets ergibt sich im Fall der
Einführung der Doppik angesichts entfallener kameraler Titel und Haushaltsstellen die
Notwendigkeit, die Abbildung der Budgets im IT-gestützten Rechnungswesen
einzurichten, insbesondere hinsichtlich einer eventuellen Interdependenz zu Sachkonten im
externen Rechnungswesen. Die Kontrollfunktion muss im internen Rechnungswesen neu
organisiert werden, da der implizite Soll-Ist-Vergleich durch die vormals (an einigen
Orten) erfolgte ständige Darstellung der Budgets samt Restmittel als Unterpositionen des
kameralistischen Haushaltsplans entfällt.
Techniken des strategischen Controllings sind bis auf die beschriebenen Ansätze
nicht existent. Es wurde eingewendet, dass die Betriebsgrößen dafür zu klein seien und
strategisches Denken und Planen dennoch implizit stattfänden, lediglich nicht formali-
siert.510
7.5 Fazit zum internen Rechnungswesen
KLR und Controlling haben in den Kulturbetrieben als noch relativ junge Instrumente
mehrheitlich zu wirtschaftlicher Transparenz, Stabilität, verbesserter Planungsqualität,
einer punktuellen Steigerung der wirtschaftlichen Rationalität und zu marginalen
Effizienzvorteilen geführt. Dies kann als Erfolg gewertet werden, erreicht jedoch die im
NPM deklarierten Ziele bei weitem nicht vollständig, zumal auch Kosten verursacht
werden. Dies ist partiell auch eine Frage von Zeit, Lernprozessen und weiteren
Implementationsschritten.
Controlling und KLR leisten einen Beitrag zur erhöhten Planungsqualität und Stabili-
sierung, auch in der künstlerischen Produktion. Insbesondere durch dezentrale Budgets wird
eine gestiegene (Mittelverwendungs-)Rationalität erreicht. Das Controlling wird mindestens
ebenso häufig auf gesamtbetrieblicher Ebene wie bei Einzelprojekten eingesetzt.
509 Vgl. Interview 12-72. Dies setzt eine entsprechende Zuordnung der Kostenarten bzw. Sachkonten in der
Finanzbuchhaltung voraus. 510 Ebenda, 16-92; 18-76.
7. Unabhängige Variable Internes Rechnungswesen 173
Es wird im Kontext der wirtschaftlichen Strukturen deutlich, dass es unrealistisch wäre,
vom internen Rechnungswesen eine signifikante Steigerung der Eigenfinanzierungsgrade
oder anderer Effizienz-Kennzahlen zu erwarten, solange die Sachzieldominanz und ein
gewisser Grad an künstlerischer Freiheit als Wesensmerkmale des Kulturbetriebs normativ
akzeptiert werden. Es wurde außerdem gezeigt, dass eine Voraussetzung für die
Wirkungsentfaltung in der Einbeziehung der Daten in die Planungsgespräche liegt, welche
wiederum vom relativen Gewicht der wirtschaftlichen und künstlerischen Rationalität
innerhalb eines Kulturbetriebs abhängt. Es deutet einiges darauf hin, dass es die
Hintergrundvariable der finanziellen Gesamtausstattung des jeweiligen Kulturbetriebs ist,
welche darüber entscheidet, welches Gewicht der wirtschaftlichen Rationalität zukommt.
Dass sich international renommierte Intendanten und Dirigenten in einem über finanzielle
Spielräume verfügenden Kulturbetrieb nur wenig für Controlling-Daten interessieren,
erstaunt wenig und muss auch nicht zwingend ökonomisch nachteilig sein, solange diese
Personen künstlerische Spitzenleistungen als Output erbringen.
Die negativen Erfahrungen und geäußerten Urteile insbesondere zur KLR sprechen
nicht zwangsläufig grundsätzlich gegen dieses Instrument. Vielmehr steht gemäß den
empirischen Ergebnissen fest, dass eine Reihe von Bedingungen gegeben sein sollte bzw.
müssen, damit es zur Entfaltung von Effizienzsteigerungen durch das interne Rechnungs-
wesen kommen kann:
• Die Systeme des internen Rechnungswesens müssen adäquat eingerichtet und gepflegt
werden, möglichst durch eine institutionell fest verankerte Controlling-Stelle.
• Zum Erreichen eines wirtschaftlichen Aufwand-Nutzen-Verhältnisses empfiehlt sich
eine einfache Struktur und niedrige Komplexität im Rahmen einer Teilkostenrechnung.
• Die Ergebnisse müssen adäquat interpretiert und in die wirtschaftlichen, künstlerischen
und strategischen Planungsgespräche einbezogen werden.
• Bei künstlerisch und wirtschaftlich Verantwortlichen muss ein Mindestmaß an
Offenheit zum Dialog herrschen, um Zielkongruenzen differenziert herauszuarbeiten.
• Es ist ein Entscheidungsspielraum zwischen mehreren Alternativen erforderlich, deren
wirtschaftliche und künstlerische Implikationen wenigstens grob bekannt sein müssen.
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 175
8 Unabhängige Variable Personalmanagement
8.1 Explorativer Befund
Die vorhandenen Stellen im Personalwesen konzentrieren sich vom Tätigkeitsgebiet her
auf Personalverwaltung, Gehalts- und/oder Gästeabrechnung, Vertragsmanagement,
Personalcontrolling, Ausschreibungen, tarifliche und arbeitsrechtliche Angelegenheiten.
Lediglich in 4 Fällen (20 %) ist in den Personalabteilungen ein geringfügiges anteiliges
Tätigkeitsgebiet zum Personalmanagement dauerhaft vorgesehen. Die dazugehörigen
Funktionen werden im Regelfall von den direkten Vorgesetzten, Abteilungsleitern und
sonstigen Führungskräften beiläufig ausgeführt. Somit gibt es in der Stichprobe keinen
Kulturbetrieb, der eine separate Stelle für Aufgaben des Personalmanagements vorweist,
welche über die beschriebenen, vorwiegend administrativen Tätigkeiten hinausgehen. Bei
den Kulturbetrieben ohne eigene Rechtsperson sind die Arbeitsverhältnisse zumeist beim
Träger rechtlich positioniert, so dass in diesen Fällen die Personalverwaltung und/oder
-vertretung außerhalb des Kulturbetriebs an zentraler Stelle (Kommunal- bzw.
Landesverwaltung) angesiedelt ist.
In sechs Kulturbetrieben wird von starkem Personalabbau innerhalb von wenigen
Jahren berichtet, bis zu 25 % der festen Stellen. Langfristig betrachtet ist die Mehrheit der
Stichprobe von Stellenstreichungen, im Extremfall von Fusionen und Schließung von
künstlerischen Ensembles oder ganzen Sparten betroffen. Daraus resultiert eine höhere
Belastung und Arbeitsverdichtung für die verbliebenen Beschäftigten.
Neben den Tarifverträgen für das künstlerische Personal (TVK, NV Bühne) finden
nachfolgende Tarifwerke beim nicht-künstlerischen Personal Anwendung (Tab. 26):
Tarifvertrag Anzahl in Stichprobe Relativ in % Erläuterung
TVöD/TV-L 14 70 % davon 5 Mitglieder des VKA
BAT/BMT-G 4 20 % davon 1 Fall in Nachwirkung
Haustarifvertrag 1 5 %
1 Fall als eigenständiges Tarifwerk
5 weitere Fälle mit Haustarifvertrag,
welche auf TVöD basieren, jedoch
Gehaltseinbußen vorsehen
Ohne Tarifvertrag 1 5 % ausschließlich Einzelverträge
Summe 20 100 %
Tab. 26: Tarifwerke im nicht-künstlerischen Personal in der Stichprobe
Quelle: Eigene Darstellung.
176 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
Der TVöD bzw. TV-L sieht als einziges Tarifwerk eine variable Gehaltskomponente in
Form der Leistungsorientierten Bezahlung (LoB) vor (§ 18), wobei die Einführung der
notwendigen Bewertungssysteme mehrere Jahre dauern kann. Dieser Prozess war zum
Zeitpunkt der Erhebung wie folgt vorangeschritten (Tab. 27):
Status LoB Anzahl in Stichprobe Relativ in % Erläuterung
Leistungsbewertung
wird praktiziert 4 20 %
3 mit systematischer Leistungsbeurteilung
1 mit Zielvereinbarungen
Jahre der Einführung: 2006, 2007, 2x 2008
Leistungsbewertung
in Vorbereitung 6 30 %
Konzeptionelle Überlegungen und/oder
Verhandlungen mit Betriebsrat laufen
Abwartende Haltung 3 15 %
Tarifgemäße Pauschalausschüttung erfolgt,
Konzeption und Verhandlung über
Leistungsbewertung haben noch nicht
begonnen
Keine Angabe 1 5 %
Summe 14 70 %
Tab. 27: Status der LoB in den Kulturbetrieben, welche den TVöD bzw. TV-L anwenden
Quelle: Eigene Darstellung.
Es sind zwei Systeme der Leistungsmessung verbreitet, die entweder ausschließlich oder
kombiniert angewendet werden können (vgl. § 18 Abs. 5 TVöD-VKA): Die systematische
Leistungsbeurteilung, in der nach vorab betrieblich definierten, möglichst messbaren und
objektivierbaren Leistungskriterien vom Vorgesetzten in einer Bewertungsskala Punkte
vergeben werden, und die Zielvereinbarung. Diese sieht vor, dass entweder mit den
Beschäftigten individuelle Ziele zu definieren sind oder gruppenbezogene Ziele
(Teamleistungen) festgelegt werden. Hierbei sind unterschiedliche inhaltliche Niveaus der
Zielerreichung samt prozentualer Gewichtung vorab zu definieren. Jeweils nach Ablauf der
Beurteilungsperiode hat der Vorgesetzte seine Beurteilung dem Mitarbeiter in einem
persönlichen Gespräch darzulegen. Im Streitfall kommt eine betriebliche Kommission, ein
zu diesem Zweck konstituiertes, paritätisch besetztes Gremium, zum Einsatz.
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 177
8.2 These 7: Effizienzsteigerung durch LoB
8.2.1 Bestätigende Befunde
Zum Zeitpunkt der Erhebung sind erst in zwei Kulturbetrieben Zahlungen gemäß LoB
erfolgt.511 In einem Fall wurden bereits im Dezember der Jahre 2006 und 2007 variable
Gehaltsbestandteile vergütet, im zweiten Fall nur in 2007. In zwei weiteren Kulturbetrie-
ben stand die erstmalige Auszahlung gemäß § 18 TVöD wenige Wochen unmittelbar nach
der Erhebung bevor, wobei die zu Grunde liegenden Bewertungen und Mitarbeitergesprä-
che bereits durchgeführt wurden. Eine Effizienzsteigerung in Form von quantitativ oder
qualitativ verbesserten Arbeitsergebnissen oder höherer Motivation konnte bislang nicht
festgestellt werden. Daher existiert kein bestätigender Befund (vgl. auch abschließende
Betrachtung, Kap. 8.2.4).
8.2.2 Falsifizierende Befunde
Es ist davon auszugehen, dass jeder Beschäftigte an den Zahlungen partizipiert, jedoch
in unterschiedlichem Ausmaß, was der gewerkschaftlichen Position entspricht. So hat ein
Personalrat explizit durchgesetzt, dass die Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten
Pflichten bereits einen Zahlungsanspruch begründet; in einem anderen Theater wurde nach
anfänglichen Unruhen ein Sockelbetrag zur Anerkennung der vertraglich geschuldeten
Mindestleistung eingeführt, der somit allen Beschäftigten zusteht.512
An dem Ort, wo die LoB bereits drei Jahre in der Form der systematischen Leis-
tungsbeurteilung praktiziert wird, wird geurteilt, dass die Umsetzung von den Beschäftig-
ten mittlerweile als Pflichterledigung und Formerfüllung erlebt und gehandhabt wird,
welche jedoch zu keinen Verhaltensveränderungen führt:513
„Geändert hat sich nichts, nein. Denn sie [die Beschäftigten, Anm. d. Verf.] sind motiviert,
alle, eben durch dieses Teamgefühl. Und sie sind jetzt im dritten Jahr gut drin und wissen, dass
es [die LoB, Anm. d. Verf.] gemacht wird. Aber es hat ja jeder seine Leistungsgrenze, die auch
beachtet werden muss. Die aber auch dann in die Bewertung mit reinkommt, ne? Wenn ich
jetzt weiß, der Mann ist jetzt an seiner Leistungsgrenze, [...] also es geht nicht mehr besser bei
ihm, dann kriegt er ja trotzdem seine gute Bewertung. Also eine Änderung habe ich jetzt nicht
mehr gespürt. Anfangs den Widerstand dagegen, aber jetzt ist eigentlich Ruhe eingekehrt.“514
511 Hierbei sind die Fälle nicht berücksichtigt, welche von der pauschalen Auszahlung in der Übergangspha-
se bis zur Implementierung von Beurteilungskriterien auf Basis einer Dienst- bzw. Betriebsvereinbarung Gebrauch machen.
512 Vgl. Interviews 04-174; 12-90; 15-146; 19-226 ff. 513 Ebenda, 19-246 ff. 514 Interview 19-244.
178 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
Ein anderer Verwaltungsleiter berichtet über seine Erfahrungen mit der systematischen
Leistungsbeurteilung wie folgt:
„Diesmal ging es ums Geld, das hat man gemerkt in diesen Gesprächen. Die [Beschäftigten,
Anm. d. Verf.] waren auch sehr gut informiert, besser als ich dachte. Insofern hatte man zwei
Dinge selber am eigenen Leibe gespürt: Erstens diese Tendenz zur Milde, die man in solchen
Gesprächen entwickelt, weil eine Tendenz zur Strenge natürlich auch immer Auseinanderset-
zung heißt, also Meinungsverschiedenheit; und natürlich einen [belohnenden, Anm. d. Verf.]
Motivationsgesichtspunkt damit verbunden hat, obwohl wir eigentlich ja nur retrospektiv zu
bewerten hatten. Aber ich bin ja immer in einem Prozess und ich muss die Leute, die Mitarbei-
ter in der Schneiderei, in der Werkstatt, die alle Volllast arbeiten und [vom Theaterbetrieb,
Anm. d. Verf.] ja ausgequetscht werden, [...] die sollen sich auch morgen noch ausquetschen
lassen. Also habe ich immer eine in die Zukunft gerichtete Betrachtungsweise, obwohl die in
dem System [der LoB, Anm. d. Verf.] eigentlich keine Rolle spielen sollte. Ja, und dann noch
die Ärgervermeidungsstrategie. All das war bei mir ja auch der Anlass [...], diese Phasenver-
schiebung [in der positiven Beurteilung, Anm. d. Verf.] nach rechts anzunehmen. Die hat im
Theater etwas stärker stattgefunden als außerhalb.“515
Wie geschildert, führten die emotionalen Abhängigkeiten zu einer Tendenz der
überdurchschnittlichen Bewertung. Negative, unterdurchschnittliche Leistungsbeurtei-
lungen sind eine seltene Ausnahme.516 An anderer Stelle wird von Beurteilungsschwie-
rigkeiten der individuellen Leistung unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsbedin-
gungen berichtet, z. B. die Leistung einer Reinigungskraft im Kontext der zur Verfügung
stehenden Zeit sowie Größe und Architektur der Räume im Theater.517
Außerdem wird ein Gewöhnungseffekt beim Personal beschrieben. Die erstmalige
Bewertung, die zudem überdurchschnittlich ausgefallen ist, wirke wie ein Anker. Ein
Verwaltungsleiter äußert Sorgen vor innerbetrieblichen Unruhen, falls in Folgejahren die
Bewertungsmaßstäbe strenger angesetzt werden sollten. Zudem löse die anfängliche
überdurchschnittliche Bewertung im Vergleich der kommunalen Einrichtungen auch
Stolz im Theater aus, der eine psychologische Beibehaltungstendenz erzeugt.518
Diesbezüglich kann kritisch angemerkt werden, wenn auch nicht durch die Ge-
sprächspartner geäußert, dass durch die absolute Festlegung des Gesamtausschüttungs-
volumens in Euro mit Ausschüttungszwang, zum Zeitpunkt der Erhebung 1 % der Brutto-
Entlohnung aller Arbeitnehmer (vgl. § 18 Abs. 3 TVöD-VKA) die Euro-Bewertung einer
Leistungseinheit in Abhängigkeit von der Summe aller vergebenen Leistungspunkte
jährlich schwankt. Das hat zur Folge, dass Verbesserungen oder Verschlechterungen der
515 Interview 17-144; ähnlich auch 12-94. 516 Vgl. Interview 19-240 ff. 517 Ebenda, 17-148; ähnlich 07-148. 518 Ebenda, 17-154.
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 179
Gesamtleistung aller Beschäftigten zu keinen finanziellen Auswirkungen führen, da diese
durch die relative Euro-Bewertung nivelliert werden. Mit anderen Worten: Ob in einem
Betrieb in Gänze durchschnittlich 80 %, 100 % oder 120 % der Normleistung erbracht
werden, spielt für den absoluten Überweisungsbetrag keine Rolle. Mit der LoB werden
somit relative Leistungsniveaus im Vergleich der Beschäftigten untereinander und daher
keine absoluten Leistungen vergütet. Schwankungen des Gesamtniveaus wirken sich auf
den Einzelnen positiv oder negativ aus, ohne dass er dazu beiträgt, was auch zu
Verzerrungen und Irritationen führen könnte.519 Insofern müsste der geäußerte
Gewöhnungs-Effekt in Bezug auf den Auszahlungsbetrag ausbleiben, so lange sich das
Gesamtniveau proportional verschiebt.
In einem anderen Theater wird die Vergleichsproblematik unter den Beschäftig-
ten thematisiert:
„Jetzt hatten wir die Probleme, dass der eine sagt: Ich habe 370 [Punkte, Anm. d. Verf.], mein
Kumpel da hatte 380. Warum, wieso habe ich 10 weniger? Wenn er jetzt sieht, dass er letztend-
lich nur 10 Euro deswegen weniger hat und darauf wird es hinauslaufen, da sagt er auch: Steig
mir doch den Buckel runter! Ich weiß es nicht, ob es dann wirklich zur Motivation führt, dass
er sagt: Na ja, jetzt will ich aber mal 450 Punkte, da muss ich aber richtig ranklotzen.“520
Es wird deutlich, dass aus den relativ geringen finanziellen Auswirkungen sogar die
gegenteilige der ursprünglich intendierten Verhaltensveränderung eine rationale Reaktion
ist: Eine niedrigere Arbeitsbelastung, welche ggf. hohen Nutzen spendet, kann durch den
Verzicht auf wenige Euro Netto-Gehalt „erkauft“ werden. Dies wäre auch eine emotionale
Kompensation für die geschilderte, subjektiv erlebte ungerechte Beurteilung.521 Ferner
zeigt das Zitat, dass die in Aussicht gestellten extrinsischen materiellen Anreize im zwei-
bis dreistelligen Euro-Bereich pro Jahr u. U. nicht dazu ausreichen, eine signifikante
Leistungssteigerung auszulösen.
Auch bei diesem Reformelement muss kritisch betrachtet werden, ob die erreichten
Ergebnisse die Transaktionskosten überkompensieren. Der oben zitierte Geschäftsführer
äußert an anderer Stelle, dass der bisherige Implementationsprozess viel Aufwand und
Ärger ausgelöst habe, er das Instrument der LoB grundsätzlich jedoch positiv sehe, was
519 Wenn beispielsweise ein Beschäftigter in einem Jahr eine Leistungssteigerung von 5 % im Vergleich zum
Vorjahr erreicht hat, das Gesamtniveau im Betrieb aber durchschnittlich um 7 % gestiegen ist, so wird der Beschäftigte einen niedrigeren Auszahlungsbetrag als im Vorjahr erhalten.
520 Interview 15-150. 521 Dieser Befund steht in Kongruenz zur sozialpsychologischen Equity Theory von Adams, in welcher
bereits 1965 postuliert wurde, dass Menschen subjektive Input-Output-Verhältnisse bilden und diese mit ihrem sozialen Umfeld vergleichen. Aus diesem Vergleich resultieren im Bestreben um gerechte Behandlung entsprechende subjektiv-rationale Verhaltensänderungen, welche auch einen Demotivation-seffekt verursachen können, vgl. Berman (2006), S. 157 ff.; Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 77-80; Tondorf (1997), S. 16.
180 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
jedoch eine dauerhafte Etablierung und Erhöhung des Ausschüttungsvolumens
voraussetzt.522
8.2.3 Neutrale Befunde
Ein kaufmännischer Direktor, der Zielvereinbarungen als Instrument der Leistungsmes-
sung umgesetzt hat, äußert sich so:
„Es ist uns einfach wichtig, dass ein Kommunikationsprozess in Gang kommt, und dass sich
eben einfach diejenigen, die hier für die Steuerung zuständig sind, die Abteilungsleiter, auch
Gedanken machen, was sie von ihren Mitarbeitern eigentlich wollen, dass sie denen das auch
mal sagen und versuchen, das niederzuschreiben. Den Widerstand gegen die LoB haben wir
vor allen Dingen aus diesen Bereichen gehabt. Die Mitarbeiter finden das, glaube ich, mal ganz
nett, dass mal einer mit ihnen [über ihre Arbeit, Anm. d. Verf.] spricht, während die Abtei-
lungsleiter diese Mühe so ein bisschen gescheut haben.“523
Nicht zuletzt werde damit auch die Diskussion über die Ziele und die Schaffung einer
Zielhierarchie im Kulturbetrieb angeregt, die bislang nicht explizit existent war.524 Die
Mitarbeitergespräche seien auch für Vorgesetzte eine Chance, Defizite und Schlechtleis-
tungen auf eine milde, positive und zugleich systematische Weise alternativ zu schwierigen
disziplinarischen Methoden zu beseitigen.525 Zu welchen betrieblichen Ergebnissen der
beschriebene Kommunikations- und Zielbildungsprozess geführt hat, kann noch nicht
gesagt werden, da die erste Auszahlung noch bevorsteht.
Für das künstlerische Personal und teilweise das leitende künstlerisch-technische
und künstlerisch-administrative Personal wird mehrfach hervorgehoben, dass der NV
Bühne individuelle Gehaltsverhandlungen zulasse, teilweise in vorgegebenen Bandbreiten,
teilweise frei. Dies sind zwar keine variablen Gehaltsbestandteile im engeren Sinn,
ermöglichen jedoch neben den tariflich fixierten Mindestvergütungen die Honorierung
individueller Leistungen und somit auch die Bindung hochqualifizierter Künstler. Durch
Nichtverlängerungsmitteilungen sei auch die Trennung von Personal einfacher möglich.
Ein Verwaltungsleiter äußert, diese Form der Freiheit sei die wünschenswerte LoB im
ursprünglichen Sinn des Instruments.526 Das künstlerische Tarifwerk steht jedoch in
keinem Zusammenhang zum TVöD.
Nicht genannt wurde von den Gesprächspartnern die im TVöD erstmals geschaffe-
ne Möglichkeit, den Erfahrungsaufstieg in den Stufen 4 bis 6 innerhalb einer
522 Vgl. Interview 15-138; ähnlich 04-178 ff. 523 Interview 12-90. 524 Vgl. Interview 12-94. 525 Ebenda, 12-98. 526 Ebenda, 01-106; 04-184; 09-156 ff.; 10-154; 16-106.
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 181
Entgeltgruppe unabhängig vom Lebensalter je nach Leistung zu beschleunigen oder zu
verlangsamen (vgl. § 17 Abs. 2 TVöD). Dies ist jedoch ebenso keine variable
Gehaltskomponente im engeren Sinn und betrifft nur Beschäftigte mit dem Dienstalter von
6 bis 15 Jahren, stellt aber dennoch eine neu geschaffene Flexibilität dar.
Mehrere Gesprächspartner bekunden, dass ihr Personal bereits hochmotiviert sei
und im Vergleich zu anderen öffentlichen Betrieben überdurchschnittliche Leistungen
erreichten, was teilweise aus der Kulturaffinität und der Routine aus dem täglich
stattfindenden Spielbetrieb entspringe, bzw. auch ein Ergebnis der Stellenkürzungen und
Arbeitsverdichtung sei.527
8.2.4 Abschließende Bewertung der These
Zum Zeitpunkt der Erhebung ist die These eindeutig zu falsifzieren. Es muss jedoch
beachtet werden, dass sich der Untersuchungsgegenstand in den kommenden Jahren und
damit der Befund erheblich weiterentwickeln wird, da der Einführungsprozess und dessen
Auswirkungen mehrheitlich noch bevorstehen.
Es wurde deutlich, dass die LoB zur Zeit nicht geeignet ist, herausragende
Einzelleistungen angemessen zu honorieren, da die finanzielle Differenz zwischen guten
und schlechten Leistungen relativ gering ausfällt. Bezüglich der Bezahlung der für die
Aufrechterhaltung und Qualitätssteigerung des Betriebs so wichtigen Leistungsträger
werden teilweise vorhandene Diskrepanzen zur Privatwirtschaft im Vergütungsniveau und
in der Anreizsituation durch die LoB nicht behoben werden können.528 Vielmehr liegt die
Zielsetzung in der Breitenwirkung und Etablierung einer stärkeren Führungs- und
Gesprächskultur und somit weniger im Setzen von finanziellen, extrinsischen Anreizen.
Die Vorgesetzten werden stärker herausgefordert und in die Verantwortung genommen als
die ihnen jeweils Unterstellten, bei denen eigentlich die Leistungssteigerung erreicht
werden soll.
Eine verbesserte Anreizwirkung, welche in eine Motivationssteigerung und letztlich
in eine Erhöhung der Arbeitsleistung mündet, konnte in dieser Erhebung nicht festgestellt
werden. Daher spricht einiges dafür, dass die LoB in der bislang praktizierten Form ihre
Ziele nicht erreicht, abgesehen von einer Belebung der Gesprächs- und Führungskultur im
Umgang mit dem Personal, auch über den Kernbereich der Leistungsmessung und
Zieldefinition hinaus.529 Damit es zu einer stärkeren Wirkungsentfaltung kommt, können
527 Ebenda, 01-116; 02-132; 03-132; 06-98; 18-122; 20-218. 528 Vgl. übereinstimmenden Befund für die Schweiz bei Ritz (2005), S. 55. 529 Vgl. Interviews 04-142; 12-98 ff.; 17-140; 19-254.
182 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
folgende Maßnahmen auf Basis des Befunds angeregt werden:
• Sukzessive Erhöhung des prozentualen Anteils der variablen Gehaltskomponente,
damit die Belohnungs- und Sanktionsfunktion stärker spürbar wird.530
• Bevorzugung der Zielvereinbarung gegenüber der systematischen Leistungsbeurtei-
lung, da hier die individuelle Betrachtung und Verbesserung von unbefriedigenden
Arbeitsergebnissen der Mitarbeiter bzw. Belohnung und Ausbau der individuellen
Stärken noch stärker forciert werden kann.
• Langfristig eine stärkere Orientierung an den bewährten Mechanismen im
künstlerischen Tarifwerk des NV Bühne, soweit inhaltlich übertragbar.
Da auf Landesebene § 18 TV-L zur LoB mit Wirkung zum 1.1.2009 gänzlich abgeschafft
wurde, im Gegensatz dazu im Tarifbereich des TVöD (Kommunen und Bund) die
Verdoppelung des Volumens der LoB auf 2% bis 2013 vorgesehen ist, bleibt die weitere
Entwicklung dieses Instruments ergebnisoffen.
8.3 These 8: Effizienzsteigerung durch Führungsinstrumente
8.3.1 Bestätigende Befunde
In einem Theater wurden nach vorheriger Schulung der Vorgesetzen verbindliche,
regelmäßige Mitarbeitergespräche eingeführt. Diese waren als offener Austausch
zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten über die alltäglichen Arbeitsbedingungen
konzipiert, somit inhaltlich abweichend von den Zielvereinbarungs- oder Bewertungsge-
sprächen der LoB. Dabei wurden Probleme erkannt, zu deren Behebung spezielle
Schulungen angesetzt wurden, z. B. zu rückenschonenden Arbeitsweisen. In der Folge kam
es zu Verbesserungen der Arbeitsabläufe, weniger Arbeitsunfällen und einem niedrigeren
Krankenstand.531 Auch an anderen Orten führten punktuelle, anlassorientierte
Mitarbeitergespräche zum Abbau von innerbetrieblichen Konflikten und Unruhen, etwa
bei Struktur- und Organisationsveränderungen.532
Es werden weitere Maßnahmen der internen Kommunikation praktiziert, um den
Informationsfluss und Austausch zwischen der Leitung und den Mitarbeitern zu steigern:
• In mehreren Kulturbetrieben stellt die Intendanz bzw. das Leitungsteam die
künstlerische Planung samt Entwicklungen und Zielen regelmäßig auf Betriebsver-
530 Ebenda, 15-150. 531 Ebenda, 19-250, -264 ff.; mit schwächerer Stringenz auch in 07-138. 532 Ebenda, 09-144; 16-118 ff.
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 183
sammlungen vor. In einem Orchester wird diesbezüglich auch offen mit den betroffe-
nen Musikern diskutiert.533
• In demselben Klangkörper existieren nur sehr wenige nicht-künstlerisch Beschäftigte,
so dass organisatorisch keine abgegrenzten Abteilungen eingerichtet sind. Daher wird
angesichts der flachen Hierarchien ein Jour Fixe dazu genutzt, u. a. Fragen des
Personalmanagements zu erörtern, was eine schnelle Umsetzung fördert.534
• An anderem Ort wurde unter Beteiligung aller Abteilungen ein Theater-Tag in der Art
einer Klausur abgehalten, um über die Organisationsentwicklung der betroffenen
Institution zu befinden. Dabei benannte bzw. herausgearbeitete Probleme und Wün-
sche werden weiterverfolgt.535
• In einem Theater wurde eine Mitarbeiterumfrage durchgeführt. Dabei wurden
anonym, jedoch mit Kennzeichnung der jeweiligen Abteilung, Fragen zur Einschät-
zung der Führungskräfte, zur Arbeitszufriedenheit, zur Organisation, zum Arbeitsum-
feld und zu den technischen Gegebenheiten gestellt. Direkte Veränderungen resultier-
ten aus den Ergebnissen nicht, jedoch schätzt der Geschäftsführer, dass mittelbare
Wirkungen – wie bei vielen Maßnahmen des Personalmanagements – positiv auf die
Motivation und somit auf die Qualität des Bühnengeschehens abfärben.536
• Die Intendanz und die kaufmännische Leitung eines Theaters sind aktiv bemüht, den
Mitarbeitern als höchsten Wert die Verbundenheit zum Theater und die Verantwor-
tung für den persönlichen Beitrag zum allabendlichen Ergebnis bei jeder Gelegenheit
zu vermitteln. Zwei weitere Kulturbetriebe verfolgen ähnliche Ziele durch das
bewusste Vorleben durch die leitenden Personen. Direkte Auswirkungen sind nicht
messbar.537
• Der hohe Krankenstand hat in einem Theater dazu geführt, dass man sich künftig auf
die Durchführung von verbindlichen Rückkehrer-Gesprächen im Rahmen eines
Integrationsmanagements geeinigt hat.538
• Zum Abbau von innerbetrieblichen Spannungen zwischen begrenzten Personenkreisen
werden in zwei Theatern unregelmäßig externe Mediatoren eingebunden, was partiell
aus Sicht der Leitung jedoch auch missglückt ist.539
533 Ebenda, 07-142; 18-136. 534 Ebenda, 18-120. 535 Ebenda, 19-298. 536 Ebenda, 05-94. 537 Ebenda, 07-140; 08-166; 10-144 ff. 538 Ebenda, 16-116. 539 Ebenda, 09-146; 15-126.
184 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
8.3.2 Falsifizierende Befunde
Mit Ausnahme der zuvor genannten Einschränkung ergaben sich in den Gesprächen keine
Belege für eine ausbleibende Effizienzsteigerung infolge von Personalmanagement-
Maßnahmen. Dies ist im Wesentlichen auf die geringe Anwendungsdichte zurückzuführen
und daher kein Indiz für Wirksamkeit.
8.3.3 Neutrale Befunde
Schulungen im Bereich des Personalmanagements, etwa zu Führungskompetenzen,
gehören im Regelfall nicht zur verbindlichen Weiterbildung für Führungskräfte, es sei
denn im Kontext der Einführung flächendeckender neuer Instrumente wie der LoB.540
Lediglich zwei Einrichtungen (10 %) gaben an, ihre Führungskräfte unregelmäßig zur
Verbesserung der soft skills zu schulen.541 Ein weiteres Theater hat im Jahr der
Erhebung einen kontinuierlichen Schulungszyklus zu den Bereichen Führung, Motivation,
Leitbild und Führungsinstrumente begonnen.542 Auch die Durchführung von Mitarbeiter-
gesprächen und -beurteilungen ist gewöhnlicherweise unverbindlich.543 So bekennt ein
Verwaltungsdirektor:
„Wie gehe ich mit Menschen um und wie leitet man möglichst gut einen Betrieb, das wird gar
nicht geübt. Überhaupt nicht. [...] Das müsste man unbedingt machen. Ich weiß bloß nicht wie.
Also das weiß ich wirklich nicht, weil [...] da Sachen auch schief gehen, ne? [...] Das müsste
man vorleben. [...] Trotzdem muss man manchen Leuten vielleicht auch zeigen, wie man
Konflikte löst, ja? [...] Konflikte gibt es natürlich überall. Also das haben wir bisher nicht. Es
wird viel [im Themenbereich, Anm. d. Verf.] Sicherheit hier geschult und Vergleichbares, aber
das [Menschenführung, Konfliktmanagement etc., Anm. d. Verf.] haben wir nicht.“544
Damit bleibt die Ausübung der Führungsfunktion weitgehend eine private, individuelle
Angelegenheit der jeweiligen Führungskraft, im Regelfall der jeweiligen Abteilungslei-
tung. Eine explizite Vorgabe, Diskussion oder Reflexion der Führungskultur erfolgt bis auf
punktuelle Ausnahmen nicht.545
In einem Theater führte der vollständige Wechsel des künstlerischen Leitungsteams
zu einer deutlichen Steigerung der künstlerischen Ergebnisse bei gleichzeitig gesunkenem
finanziellem Aufwand. Auch in weiteren Häusern wurden nach Personalwechseln
erhebliche Leistungssteigerungen vollzogen. Dies verhält sich neutral zur betrachteten
These, zeigt jedoch relativierend, dass die Personalrekrutierung durch die Auswahl
540 Ebenda, 02-130; 03-126; 08-164; 09-144; 16-116. 541 Ebenda, 04-172; 05-92. 542 Ebenda, 13-62 u. -80. 543 Ebenda, 01-108; 03-116; 04-164; 05-80; 16-116; 20-216. 544 Interview 09-144 u. -146.
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 185
bestimmter Einzelpersonen eine gewichtige Wirkung sowohl auf das künstlerische als
auch das wirtschaftliche Ergebnis auslösen kann.546
In einem Theater sieht das vom Träger eingeführte Software-System vor, dass als
Maßnahme des Personalmanagements zwischen den vorhandenen 70 Kostenstellen
innerbetriebliche Kontrakte mit Zielvereinbarungen über Mengen und Kosten
geschlossen werden. Das kommentiert der Geschäftsführer mit diesen Worten:
„Da habe ich mich [...] geweigert, weil ich schließe keinen Vertrag mit der Maske und schreibe
da rein: Aufgabe der Maske ist es, Masken zu erstellen. Und dann über die Anzahl der Masken
und über die Kosten [intern zu verhandeln, Anm. d. Verf.] – das macht keinen Sinn. Es läuft
sowieso in der Praxis, und es läuft auch gut. [...] Es sind [...] jetzt schon zu viele Ziele formu-
liert [...]“547
8.3.4 Abschließende Bewertung der These
Mit Ausnahme eines Theaters, welches regelmäßige Mitarbeitergespräche praktiziert, gibt
es keine über die LoB hinausgehenden, systematisch implementierten Techniken zur
Führung von einzelnen Mitarbeitern bzw. Gruppen. Bemühungen, die Führungskompeten-
zen der leitenden Mitarbeiter systematisch auszuweiten, sind nur in einer Minderheit der
Stichprobe zu beobachten. Die Reflexion und Entwicklung der Führungskultur erfährt
somit innerhalb des Personalmanagements im nicht-künstlerischen Bereich in den meisten
Kulturbetrieben eine nachrangige Stellung.548 Es dominiert die sachliche und organisatori-
sche Orientierung am Spielbetrieb. Mehrfach wird die Bereitschaft und Offenheit zur
Auseinandersetzung mit der Führungskultur geäußert, jedoch auf mangelnde Kapazitäten
(Freistellung des Personals im laufenden Betrieb, Mangel an kompetenter Konzeption,
Planung und Durchführung von Führungsinstrumenten und -schulungen) und nicht
ausreichend vorhandene finanzielle Ressourcen verwiesen.549 Daher ist zunächst explorativ
festzustellen, dass ein aus Sicht des NPMs zentraler Erfolgsfaktor nur geringfügig realisiert
wird.
Es wäre jedoch voreilig, dies negativ zu bewerten, da nur in zwei Fällen angedeutet
wurde, dass das Personalmanagement und die Führungskultur einzelpersonbezogene
Defizite aufweisen, insbesondere auf der mittleren Leitungsebene.550 Somit lautet der
Befund nicht, dass die Quantität oder Qualität an Führung grundsätzlich nicht ausreichen.
545 Vgl. Interviews 01-112; 02-126 ff.; 03-118 ff.; 04-170; 05-84 ff.; 08-166; 16-118 ff. 546 Ebenda, 16-54; ähnlich auch 08-204; 12-142; 18-130. 547 Interview 14-144. 548 Vgl. Interview 03-144 549 Ebenda, 01-100; 03-102; 05-94; 07-146; 09-142 ff.; 10-140; 14-148; 15-124. 550 Ebenda, 15-126; 16-116.
186 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
Lediglich ihre Beschaffenheit wird wenig reflektiert, systematisiert und beeinflusst. Wie
bereits bei der vorangegangenen These beschrieben, verlangt bereits die hohe Dichte an
Aufführungen und Proben von allen Beteiligten hohe Disziplin und Motivation ab.551
Daher könnte vielmehr die Relevanz der Führung als Effizienzhebel inklusive der
normativen Position des NPMs (Leistungsfreisetzung durch Leadership) für den
betrachteten Teilsektor in Frage gestellt werden. Auf den Umfang einer eventuellen
führungsbedingten Outputineffizienz vermag diese Arbeit aufgrund ihres Forschungsde-
signs keine Antwort zu geben. Eine mehrfach geäußerte kritische Einschätzung der
Experten lautet, dass durch veränderte oder intensivierte Führungstechniken keine
beträchtlichen Leistungsreserven zu erschließen seien, u. a. wegen des hohen fachlichen
Erfahrungsgrads vieler Mitarbeiter und der nur beschränkten Veränderbarkeit von
Verhaltensweisen langjähriger Betriebsangehöriger. Ferner gebe der wiederkehrende
Rhythmus der Spielzeit Routine und zeitliche Restriktionen vor, welche ein hohes Maß an
Einsatz erzwingen. Folglich würde die Verstärkung der Bemühungen um Führungstechni-
ken keine angemessene Wirkung herbeiführen.552
Die Führungsmechanismen innerhalb der künstlerischen Ensembles und Klangkör-
per wurden nicht vertiefend abgefragt. Ein Gesprächspartner befindet, dass gerade die
künstlerischen Mitarbeiter während der Proben ein permanentes Feedback über ihre
Leistung und ihre Arbeitsergebnisse erhalten, was sogar als noch viel intensiveres Pendant
zum Mitarbeitergespräch gesehen werden kann.553 Inwieweit der künstlerische
Produktionsprozess samt den komplexen menschlichen Interaktionen bis zur Aufführungs-
reife u. U. als Vorbild für die nicht-künstlerischen Bereiche dienen kann, ist Gegenstand
zunehmender Aufmerksamkeit und eines eigenen Forschungszweigs.554
Abschließend ist festzuhalten, dass der unterstellte Kausalzusammenhang der The-
se 8 aufgrund des geringen Verbreitungsgrads der Wenn-Komponente nicht fundiert
beurteilt werden kann. Die angeführten bestätigenden Befunde indizieren allenfalls eine
positive Tendenz für die Wirksamkeit von Mitarbeitergesprächen als kommunikatives
Führungsinstrument.
551 Ebenda, 01-116; 02-132; 03-132; 06-98; 18-122; 20-218. 552 Ebenda, 03-142; 04-178; 09-142; 14-267; 20-220. 553 Ebenda, 05-82. 554 Vgl. das Managerseminar im RIAS Jugendorchester, die viel diskutierte basisdemokratische
Führungskultur ohne ständigen Dirigenten im Orpheus Chamber Orchestra, vgl. Klein (2008), S. 187 f.; bzw. Publikationen von Boerner (2002); Gansch (2006).
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 187
8.4 These 9: Effizienzsteigerung durch Personalentwicklungsmaßnahmen
8.4.1 Bestätigende Befunde
Weiterbildungsmaßnahmen gelten als selbstverständlich und werden entsprechend
durchgeführt, wenn technischer Fortschritt (z. B. Softwareapplikationen) oder die
Anschaffung neuer Anlagen (z. B. IT-gesteuerte Beleuchtung) dies durch veränderte
Arbeitsabläufe erfordern. Ferner sind regelmäßige Arbeitssicherheitsunterweisungen
vorgeschrieben sowie in bestimmten Anwendungsgebieten auch der regelmäßige Nachweis
von Berechtigungsscheinen (Waffen, Pyrotechnik u. a.).555 Weitere Inhalte sind z. B.
Veränderungen im Tarifrecht oder Sprachkurse in Englisch.556 Den Ausnahmefall stellen,
wie bereits erwähnt, Schulungen zu soft skills, Stressbewältigung, Prävention und
Gesundheitsförderung dar.557 Allen gemeinsam sind die Ziele der Erweiterung der
Fähigkeiten, das Beherrschen des Umgangs mit neuen Systemen sowie der Abbau von
Minderleistungen.558 Hauptadressat ist das nicht-künstlerische Personal. Der Fortbildungs-
bedarf sowie eventuelle Fortbildungswünsche werden häufig von den Betroffenen selbst
oder von den direkten Vorgesetzten formuliert, wobei auf eine Eigeninitiative des
betroffenen Mitarbeiters und u. U. auch auf einen eigenen Beitrag teilweise Wert gelegt
wird.559
Als einzeln konzipierte Maßnahmen der Mehrfachqualifizierung wurde Folgendes
berichtet: In einem Theater wurden in Ermangelung eines Werkstattleiters dessen
klassische Aufgaben den Werkstättenmeistern übertragen, inklusive Budgetverantwortung
und Einbeziehung in künstlerische Planung.560
In einem anderen Theater wurden die Funktionen des Beleuchters und Bühnen-
handwerkers, ursprünglich zwei autarke Abteilungen, zusammengeführt zum
Arbeitsgebiet des Theaterhandwerkers. Eine individuelle persönliche Schwerpunktsetzung
beim Personal blieb zwar vorhanden, aber grundsätzlich ist jeder Beschäftigte der
Abteilung künftig in beiden Arbeitsgebieten einsetzbar. Dies wurde durch entsprechende
Schulungen begleitet. Folglich hat sich die Flexibilität in der Personaldisposition erhöht.561
An anderem Orte wurden untypische Arbeitsgebietserweiterungen unter dem
Druck von Personalabbau und Budgetkürzungen vorgenommen: beispielsweise übernimmt
555 Vgl. Interviews 01-100; 16-118. 556 Ebenda, 01-100; 02-122 ff.; 05-70; 08-162; 09-142; 10-140. 557 Ebenda, 13-68. 558 Ebenda, 03-102 ff. 559 Ebenda, 07-144; 10-142; 13-64; 19-252. 560 Ebenda, 12-76. 561 Ebenda, 09-146.
188 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
die Sekretärin des Intendanten auch Pförtnerdienste, der Chefdisponent ist betraut mit dem
Vertragswesen für Gastspiele und der geschäftsführende Intendant ist persönlich Mitglied
eines Teams von vier Kollegen, welche den abendlichen Chef- und Schließdienst
ausüben.562
Zwei weitere Maßnahmen der Personalentwicklung, welche nicht dem Kernbereich
der Weiterbildung und Verantwortungserweiterung zugehören, lauten: In einem Orchester
wurde ein dezentrales System zur Handhabung der Instrumentenwartung und
-reparatur durch die Personalleiterin entwickelt und implementiert. Die Entscheidungs-
kompetenzen liegen nun gekoppelt an einen festen Turnus im Orchester, was zu einer
Entspannung im Klangkörper und zu einer Berechenbarkeit der Kosten führte.563
In einem anderen Kulturbetrieb wird den Musikern freiwillig eine Altersteilzeitre-
gelung zum früheren Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben angeboten. Dies senke die
Kosten für Aushilfen und fördere die Qualität des Orchesterklangs, zumal bei bestimmten
Instrumentengruppen physische Erschöpfungen während des fortgeschrittenen
Berufslebens teilweise nicht mehr kompensierbar sind. Dies helfe auch den Betroffenen.564
Ein weiteres Theater benennt, dass Stellvertreter-Funktionen bewusst eingerichtet
werden, um das Nachwachsen und Reifen von Führungskräften zu fördern. Ferner
werden interne Bewerber bei Ausschreibungen bei entsprechender Qualifikation
bevorzugt.565
8.4.2 Falsifizierende Befunde
Es liegen keine falsifizierenden Befunde vor.
8.4.3 Neutrale Befunde
Die Mehrheit der Kulturbetriebe war in der Vergangenheit teilweise massiv von
Mittelkürzungen566 und Personalabbau betroffen (vgl. Kap. 8.1), ggf. verbunden mit
betriebsbedingten Kündigungen. In diesen Fällen liegt der Hauptfokus der Personalent-
wicklung im Management des Schrumpfungsprozesses, welcher ggf. an ein
Organisationsentwicklungskonzept oder einen Personalstrukturplan geknüpft ist. Die
Folgen sind zum einen umfangreiche Anpassungen der Betriebsorganisation und
Disposition (insbesondere bei Fusionen) und zum anderen langfristig erweiterte
562 Ebenda, 06-42 u. -96. 563 Ebenda, 13-70 ff. 564 Ebenda, 09-98. 565 Ebenda, 04-166. 566 Entweder durch einmalige Absenkung der Zuwendungen oder durch teilweise mehr als 15 Jahre lang
andauernde Verstetigung der nominalen Zuwendung, was angesichts von Inflation bzw. Kostensteigerun-
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 189
Aufgabengebiete (gewissermaßen ein forciertes Job Enrichment bzw. Enlargement) sowie
eine höhere Belastung. Letztere kann auch aus der Erhöhung des Outputs resultieren:
„Die Zeit der Kuschelecken ist vorbei. Wir müssen präsenter sein. [...] Nichtsdestoweniger
planen wir die übernächste Spielzeit ja auch schon wieder mit entsprechenden Mehrvorstellun-
gen [Steigerung um 25 %, Anm. d. Verf.]“567
Es gehört zur Managementleistung der Führungskräfte, diese Prozesse auch den
verbleibenden Beschäftigten zu vermitteln.568 Zugespitzt könnte formuliert werden, dass
die Personalentwicklung Teil des Krisenmanagements ist und folglich dann forciert wird,
wenn ein Kulturbetrieb stärkere Kürzungen erfährt. Je größer der finanzielle Druck ist,
desto stärker dominieren die Bemühungen um die Organisation des regulären
Spielbetriebs das Management und desto weniger bestehen Freiheiten und Kapazitäten,
eine darüber noch hinausgehende Personalentwicklung im NPM-Sinn zu verfolgen. Die
gegenteilige Situation, eine Ausweitung der Personalkapazitäten, ist der Ausnahmefall,
welche jedoch auch für ein künstlerisches Ensemble in einem Fall zutraf und ebenso eine
langfristige Managementleistung darstellt.569
Der Träger eines Theaters, welcher auch die Personalhoheit ausübt, hat als Maß-
nahme des Outplacements eine Stellenbörse für den öffentlichen Dienst eingerichtet, in
welcher überzähliges Personal geführt wird. Bei Fluktuation haben Bewerber aus der
Stellenbörse Vorrang. Es wurde seitens des Trägers auch Personalabbau in die Stellenbörse
hinein einseitig angeordnet, bei konstantem Outputniveau, was vom Theater als
Beschneidung der Freiheit empfunden wurde.570
Wie auch für die beiden vorangegangenen Thesen muss festgehalten werden, dass
bei den 7 Kulturbetrieben ohne eigene Rechtsperson (35 %) die Trägergebietskörper-
schaft (ein Bundesland oder eine Kommune) der Arbeitgeber ist. Folglich wird seitens
der Gesprächspartner dem Träger eine anteilige oder vollständige Zuständigkeit für das
Personalmanagement und/oder die Personalentwicklung zugeschrieben. Diese Funktionen
werden zentral z. B. vom Personalamt der Stadtverwaltung ausgeübt, welches etwa in
einem Fall ein dienststellenübergreifendes Fortbildungsprogramm anbietet.571
gen realen Kürzungen gleichsteht.
567 Interview 08-136. 568 Vgl. Interviews 05-130; 08-156 ff.; 13-40 ff.; 14-36; 15-126. 569 Ebenda, 11-82. 570 Ebenda, 14-36 u. -211. 571 Ebenda, 01-12, -110; 17-38; 19-30, -250.
190 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
8.4.4 Abschließende Bewertung der These
Der in der These formulierte Kausalzusammenhang lässt sich im Expertengespräch
schwerlich anhand von Einzelmaßnahmen evaluieren, sondern muss auf übergeordneter
Ebene gesucht werden. Es wurde deutlich, dass es den Kulturbetrieben durch die
dargestellten Maßnahmen gelingt,
• technische Weiterentwicklungen bei Anlagen, IT und Software mit Weiterbildung der
Mitarbeiter zu implementieren, welchen ein Vorteil gegenüber älteren Systemen
unterstellt werden kann;
• innerbetriebliche organisatorische Restriktionen durch Kompetenzerweiterungen
partiell aufzuheben und somit ein konstantes Aufgabenpensum mit weniger Personal
zu bewältigen;
• bei real sinkendem Zuwendungsvolumen durch Organisations- und Strukturanpassun-
gen das Output-Niveau aufrecht zu erhalten oder wenigstens die Reduktion des
Outputs abzuschwächen bzw. im Ausnahmefall den Output sogar noch auszuweiten.
Diese Ergebnisse indizieren eine Effizienzsteigerung, so dass These 9 als gestützt gelten
kann. Abgesehen von technisch bedingtem Fortbildungsbedarf sind es insbesondere
Maßnahmen, die zum Job Enrichment gezählt werden können, wenn auch nicht explizit
von den Experten so benannt. Ferner wird das betriebsnotwendige Aktivitätsniveau (vgl.
Ausführungen zur These in Kap. 4.4.3) gemäß der Erhebung erreicht. Die Anwendungs-
dichte ist deutlich höher als beim Personalmanagement (These 8), so dass die Beurtei-
lungsbasis ausreichend erscheint.
Explorativ ist festzustellen, dass das NPM-Ideal jedoch von einer noch ausgedehn-
teren Anwendung von Personalentwicklungsmaßnahmen ausgeht. Insbesondere das
Attribut der systematischen Durchführung in der Wenn-Komponente der These wird nur
ausnahmsweise praktiziert, etwa durch ein standardisiertes Programmangebot auf Basis
eines langfristigen Personalentwicklungs-Konzepts. Der Regelfall sind punktuelle,
bedarfsorientierte Maßnahmen, einzelperson- und abteilungsbezogen.572 Es gab jedoch
kein offensichtliches Anzeichen dafür, dass die nicht vorhandene systematische
Handhabung zu Defiziten führt.
572 Ebenda, 02-122; 03-102; 09-142; 14-148; 15-120; 20-216.
8. Unabhängige Variable Personalmanagement 191
Auch an dieser Stelle muss festgestellt werden, dass gewöhnlicherweise keine
entsprechend kompetente HR-Abteilung institutionell verankert ist, von mangelnden
finanziellen Ressourcen einmal abgesehen:573
„Wir haben im Moment circa 250 feste Mitarbeiter und jede Menge freie. Wir haben dafür eine
Personalsachbearbeiterin hier, die das machen muss, die noch dazu beruflich nicht aus der
Personalverwaltung kommt. [...] Die Kollegin, die ich jetzt hier neu habe seit einem halben
Jahr, die macht das ganz hervorragend, [...] aber braucht erst mal ein, zwei Jahre, bis sie
eingearbeitet wird. Und dann für so viele Menschen mit so vielen unterschiedlichen Tarifver-
trägen noch dazu [...] Also da geht es dann schon ans Eingemachte, wo man sagen muss: Das
ist ziemlich grenzwertig, was da der Theaterverwaltung zum Teil zugemutet wird.“574
8.5 Fazit Personalmanagement
Im Vergleich aller untersuchten Reformfelder ist das Personalmanagement mit den
fokussierten Teilgebieten LoB, Führung und Personalentwicklung am wenigsten verbreitet
und umgesetzt. Gleichzeitig kann dem Personalmanagement im Vergleich zu den
betrachteten Reformen des Rechnungswesens das höchste Potenzial zur Effizienzsteige-
rung für die Kulturbetriebe eingeräumt werden, da das Personal Träger und Rückgrat der
Produktion ist, somit eine Verbesserung des Personalmanagements unmittelbar wirkt. Die
Realisierung des Potenzials ist jedoch schwierig und von vielen Determinanten abhängig,
wie die Detailbefunde gezeigt haben.
Die tariflich vorgesehenen Formen der LoB sind noch weit von einer Wirkungsent-
faltung entfernt, sowohl konzeptionell als auch zeitlich. Selbst wenn die prozentuale
Ausschüttungsquote zukünftig ansteigt, bleibt aufgrund der vollumfänglichen Partizipation
aller Beschäftigten und geringen Bewertungsspreizungen fraglich, ob die momentan
vorherrschenden Mechanismen geeignet sind, gute Leistungen ausreichend zu belohnen
und schlechte Leistungen spürbar zu sanktionieren, um einen Anreiz zur Verhaltensanpas-
sung zu setzen. Es wäre anzuregen, sich auch im nicht-künstlerischen Bereich stärker an
der freien Verhandelbarkeit auf Basis von Mindestvergütungen analog dem NV Bühne zu
orientieren (wohl wissend um die schwierige tarifrechtliche Durchsetzbarkeit). Alternativ
könnte die Skalierung der Auszahlungsbeträge anwachsend gestaltet werden, etwa dass ab
einem relativ hoch angesetzten Leistungsniveau, z. B. 90 %, die Partizipation erst beginnt
und oberhalb von 100 % überproportional stark ausgeschüttet wird.
573 Ebenda, 01-100; 03-102; 05-72; 09-142; 13-116; 14-148; 15-120. 574 Interview 15-114.
192 8. Unabhängige Variable Personalmanagement
Ansatzpunkt für eine intensivierte Pflege und Ausprägung einer Führungskultur ist die
mittlere Leitungsebene, welche diesbezüglich zur Zeit relativ autark handelt. Dies setzt ein
Vorleben durch die oberste Leitung voraus und erhebt hohe Ansprüche an die Qualifikati-
on des Personals der mittleren Ebene, was ohne entsprechende Schulung und angemessene
Vergütung nicht durchgängig zu realisieren sein wird. Da sich die Arbeitsbedingungen an
vielen Orten durch abnehmende personelle und finanzielle Kapazitäten bei gleichbleiben-
den Leistungszielen ohnehin verschärft haben, ist die Herausforderung von schwieriger
Natur. Die Potenziale von Führung und Leadership werden jedoch von einigen Experten
als niedrig eingestuft. Dazu kann diese Arbeit kein empirisch fundiertes Urteil fällen.
Dagegen sind die beobachteten Ansätze der Personalentwicklung viel versprechend
und – relativ betrachtet – praktikabler. Dies gilt insbesondere für die Erweiterung bzw.
Zusammenführung von benachbarten Tätigkeitsgebieten zur Erhöhung der innerbetriebli-
chen Dispositionsmöglichkeiten. Bei Situationen strukturellen Personalabbaus könnte diese
Aussage als euphemistisch beurteilt werden, jedoch kann die Vorteilhaftigkeit gerade auch
außerhalb einer extern forcierten Kapazitätsverknappung eintreten.
Voraussetzung bzw. wenigstens förderlich für alle genannten Maßnahmen des
Personalmanagements ist das Vorhandensein einer umfassender arbeitenden Personalabtei-
lung, welche auch Kapazitäten und entsprechend dotierte Kompetenzen zusätzlich zur
Personalverwaltung aufweist. Wenn die Implementierung von NPM ernsthaft betrieben
werden soll, müssen diese Ressourcen bereitgestellt werden, da der beiläufige Umgang mit
dem wichtigsten Produktionsfaktor Personal nicht immer optimale Ergebnisse
gewährleistet.
9. Auswertung der übrigen Variablen 193
9 Auswertung der übrigen Variablen
9.1 Vermittlungsprozessvariable Implementation
Bei der Auswertung dieser Variable wurden drei Subkategorien geschaffen, welche den
Implementationsprozess der hier untersuchten NPM-Teilreformen charakterisieren.
9.1.1. Auslösende Faktoren und Prozesspromotoren
Nachfolgend aufgeführte Gegebenheiten haben sich als auslösende oder treibende Faktoren
von NPM-Reformen erwiesen:
• Ein Rechnungshof mahnte die Einführung von Controlling-Instrumenten an.575
• Eine Landesregierung und die zugehörigen Ministerien waren im Zuge ihrer
Verwaltungsmodernisierung bestrebt, ihre Funktion in der Art einer Konzernleitung
über die nachgeordneten Einrichtungen auszuüben. Folglich wurde auch in den
Theatern die Doppik, ein einheitliches SAP-System, welches auf Landesebene
aggregieren kann, und die Vollkostenrechnung samt standardisiertem Produktkatalog
eingeführt.576
• Reformen im externen Rechnungswesen werden als Gelegenheit genutzt, auch im
internen Rechnungswesen Veränderungen umzusetzen bzw. machen dieses erforder-
lich.577
• Die Verabschiedung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbe-
reich (KonTraG) veranlasste eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dazu, bei einer
Geschäftsführung auf die Einführung eines Risikomanagement-Systems hinzuwir-
ken.578
• Das neue Betriebsgesetz der Körperschaft eines Theaters sieht vor, dass KLR und
Controlling durchzuführen sind.579
• Aus einer kommunalen Finanzkrise ist eine Theaterkrise hervorgegangen. Dies waren
die Anstoßgeber für eine Theaterreform, bei welcher u. a. die rechtliche Umwandlung
in einen Eigenbetrieb und die Einführung der Doppik beschlossen wurden.580
575 Vgl. Interview 09-134. 576 Ebenda, 14-6, -64 ff., -218 ff.; ähnlich auch auf kommunaler Ebene 17-86; 19-176. 577 Ebenda, 14-78. 578 Ebenda, 16-88. 579 Ebenda, 12-38, -86. 580 Ebenda, 15-2, -20.
194 9. Auswertung der übrigen Variablen
• Nachdem mehrere Vorgänger eines Verwaltungsdirektors erhebliche Verluste zu
verantworten hatten, wurde der jetzige Amtsinhaber berufen, welcher sich in diesem
Zuge für die Einführung der Doppik eingesetzt hat581.
• In zwei kommunalen Kulturbetrieben war es die Gemeindehaushaltsordnung, welche
die Doppik verbindlich zu einem Stichtag vorgab, nachdem die Kommunen beschlos-
sen hatten, gänzlich mit der kaufmännischen Buchführung zu arbeiten582..
• Die Zuwendungsgeber mehrerer rechtlich selbständiger Kulturbetriebe haben die
Einführung von Doppik und/oder KLR angeordnet bzw. verlangt.583
• In zwei rechtlich unselbständigen Kulturbetrieben gibt der Rechtsträger und
Zuwendungsgeber maßgeblich vor, wie die KLR zu implementieren und zu gestalten
ist. Einerseits fördert dies den Prozess, andererseits wird die KLR nicht tiefergehend
eingerichtet, solange vom Träger keine weiteren Aufforderungen kommen.584
• Ein Geschäftsführer berichtet, dass der Zeitgeist ihn vor sieben Jahren veranlasst habe,
die Vollkostenrechnung zu implementieren; das sei so üblich gewesen.585
• Die an einem Ort bevorstehende Fusion mehrerer Kulturbetriebe und damit
verbundene Erhöhung des Haushaltsvolumens erfordert die erstmalige Einrichtung
einer Controlling-Stelle.586
• Die Rechtsformänderung eines Kulturbetriebs führte zur Verselbständigung und damit
zur Personalhoheit, was ein eigenes Personalmanagement erst ermöglicht.587
Insgesamt kommt den exogenen, nicht vom Kulturbetrieb unmittelbar beeinflussbaren
Faktoren aus der Meso-Ebene (vgl. Abb. 3) (Regierungen bzw. Verwaltungen, Gesetze,
Träger bzw. Aufsichtsgremien, Struktur- und Personalveränderungen u. a.) für die
Auslösung von Reformen eine hohe Bedeutung zu. Es wird deutlich, dass es rechtlich
unselbständigen Kulturbetrieben, etwa Regiebetrieben, gar nicht möglich ist, bestimmte
Reformen wie die Doppik-Umstellung aus eigenem Antrieb umzusetzen. Zentralistische
Strukturen, etwa Stadtverwaltungen, können aufgrund ihrer funktionalen Gliederung in
spezialisierte Querschnittsämter als Reformpromotoren wirken, besonders bei der Doppik
und im Personalbereich. Das ist insofern ein interessanter Befund, als im Zuge der
jahrzehntelangen Entwicklung der rechtlichen Verselbständigung von Kulturbetrieben ein
581 Ebenda, 09-68. 582 Ebenda, 17-6; 19-4. 583 Ebenda, 10-37; 11-40; 20-162. 584 Ebenda, 03-14; 19-150 ff. 585 Ebenda, 15-58. 586 Ebenda, 13-118. 587 Ebenda, 12-14.
9. Auswertung der übrigen Variablen 195
Argument lautete, Kompetenzen und Gestaltungsmöglichkeiten dezentral in die
Kulturbetriebe zu verlagern.
Ebenso wird ersichtlich, dass die wirtschaftliche Steuerung und Kontrolle der recht-
lich unselbständigen Kulturbetriebe gleichzeitig teils durch die Einrichtungen selbst, teils
durch die Träger ausgeführt wird, zumindest durch ein externes Controlling. Die
Gestaltung des Rechnungswesens ist von einer klaren Rollenverteilung bezüglich Planung,
Steuerung und Kontrolle abhängig, da das jeweilige Informationsbedürfnis für die
Gestaltung maßgeblich sein sollte. Solange die Rollenverteilung – abgesehen von den
vorhandenen rechtlichen Grundlagen – in der täglichen Praxis nicht eindeutig gehandhabt
wird und zu Ambivalenzen führt, kann es zu dysfunktionalen Ausgestaltungen und
Reformstau kommen (vgl. oben).
9.1.2. Begünstigende Faktoren
Als förderliche, wegbereitende Umstände haben sich erwiesen:
• Offenheit, Verständnis und Interesse des Intendanten und der künstlerisch
Verantwortlichen für wirtschaftliche Zusammenhänge hat Reformen in den Bereichen
KLR und Controlling unterstützt und zum Gelingen beigetragen.588
• Gestaltung des Berichtswesens in einer „sprechenden“ Weise, die es den künstlerisch
Verantwortlichen erleichtert bzw. ermöglicht, das Wesentliche zu erkennen.589
• Erfahrungswissen des Trägers bezüglich der Reformfelder und daraus entstehende
Kompetenz für die Konzeption von Reformen in den Kulturbetrieben.590
• Dialog im Vorfeld der Doppik-Einführung zwischen Kultureinrichtung und Trägern
bezüglich der zu erwartenden Konsequenzen in der Steuerung.591
• Bereitschaft aller im Kulturbetrieb Betroffenen zur Auseinandersetzung mit den
gewonnenen Erkenntnissen und dem Kulturwandel zu einer informationsgestützten
Führung.592
• Ausreichende Kommunikation und Information aller Mitarbeiter über bevorstehende
Reformprozesse, z. B. auf Personalvollversammlungen und im Personalrat.593
588 Ebenda, 03-80; 04-126; 18-130; 19-148. 589 Ebenda, 12-58. 590 Ebenda, 08-106; 13-96. 591 Ebenda, 15-38. 592 Ebenda, 08-126. 593 Ebenda, 12-94, -104.
196 9. Auswertung der übrigen Variablen
• Einschlägige Vorkenntnisse der von NPM-Reformen involvierten Mitarbeiter, etwa im
Umgang mit Kalkulationen und Budgets bei Einführung dezentraler Ressourcenkom-
petenzen.594
• Gestaltungskompetenz und Fähigkeit zur konzeptionellen Arbeit der leitenden
Mitarbeiter auf mittlerer Ebene zur hausinternen Weiterentwicklung und Ausdifferen-
zierung der Teilreformen.595
• Fähigkeit und Bereitschaft der obersten Leitung, innerbetriebliche Reformprozesse zu
gestalten und zu führen (Management-Kompetenz).596
• Sofern Vorkenntnisse nicht vorhanden, rechtzeitige Schulungen der Mitarbeiter oder
Workshops zur Ausgestaltung von Teilinstrumenten, z. B. für die Abteilungsleiter zur
Leistungsbewertung innerhalb der LoB.597
• Ausreichende Personalkapazitäten, quantitativ und qualitativ, um neue Instrumente
einzuführen; dabei ist eine größere Organisation begünstigend, da mehr Gestaltungs-
spielraum für temporäre Akzentsetzung der Arbeitsinhalte besteht.598
• Entsprechende Auswahlentscheidung und rechtzeitiges Vorhandensein von adäquaten
Softwareprodukten inklusive Schnittstellenprogrammierung zu hausspezifischen
Applikationen, z. B. zwischen Finanzbuchhaltung und Ticketing-System.599
• Sorgfältige Planung der Implementationsphase, ggf. sukzessive Einführungsschritte.600
• Genaue und zutreffende Buchungsweise in der Buchhaltung zur Sicherung der
Datenqualität in den Bereichen Rechnungswesen und Controlling.601
• Ausreichendes Problembewusstsein bei den Verantwortlichen der Implementierung,
z. B. im städtischen Personalreferat hinsichtlich Notwendigkeit der Vermittlung von
Führungskompetenzen; somit auch eine normative Haltung zu den Reforminstrumen-
ten.602
• Einführung der LoB erleichtert Einführung weiterer Personalmanagement-
Instrumente.603
594 Ebenda, 12-76. 595 Ebenda, 05-66. 596 Ebenda, 04-16, -140; 18-130. 597 Ebenda, 04-140; 12-100; 17-100; 19-184. 598 Ebenda, 01-68; 05-66; 16-86. 599 Ebenda, 01-68; 17-100 ff. 600 Ebenda, 19-184. 601 Ebenda, 12-50. 602 Ebenda, 04-16; 15-130. 603 Ebenda, 04-142.
9. Auswertung der übrigen Variablen 197
Es wird deutlich, dass dem Personal des jeweiligen Kulturbetriebs die wichtigste Rolle für
das Gelingen des Implementationsprozesses zukommt, insbesondere der mittleren
Leitungsebene und der Führungsspitze. Das unterstreicht die hohe Bedeutung sowohl der
Personalentwicklung und des Personalmanagements als auch die Auswahlentscheidung
über einzelne Personen bei der Rekrutierung für die weiteren Reformen.
9.1.3. Behindernde Faktoren
Die zuvor beschriebenen begünstigenden Faktoren können in ihrer Umkehrung als
Negativ-Ausprägung hemmend wirken, etwa die Verschlossenheit der Intendanz,
mangelhafte Software, nicht ausreichende Kompetenzen bei leitenden Mitarbeitern,
inhaltlich schlecht abgestimmte oder terminlich zu dicht konzipierte Implementationspha-
sen etc.604 Diese Fälle werden nicht erneut aufgelistet. Als weitere Sachverhalte treten
indessen hinzu:
• Die Pflege der neu geschaffenen KLR-Systeme und Datenbanken ist sehr aufwändig
und von der akkuraten Zuarbeit vieler Beteiligter, u. a. der Personalabteilung zur
Aufbereitung der personalbezogenen Kosten, abhängig. Folglich gehen Personalkapa-
zitäten für andere Tätigkeiten verloren. Eine eigenständige Controlling-Stelle wird
angestrebt, kann aber aus Kostengründen vorläufig nicht eingerichtet werden.605
• Die Doppik-Einführung erforderte die Schaffung und dauerhafte Besetzung von
2 ½ neuen Stellen und das Hinzuziehen von externer Beratung.606
• Es kommt zu kompensatorischen Doppelarbeiten, wenn durch grundlegende
Veränderungen des Rechnungswesens bewährte Steuerungsmechanismen außer Kraft
gesetzt werden.607
• Wenn im Gegensatz zu den Trägerkommunen ein ebenso bezuschussendes Bundesland
nicht doppisch bucht, sind in vielen Einrichtungen noch Umrechnungen der Jahresab-
schlüsse und der Wirtschaftspläne in die Kameralistik notwendig, z. B. unter Heraus-
rechnung von Abschreibungsaufwand u. a.608
• Verständnis- und Interpretationsschwierigkeiten des kaufmännischen Jahresabschlus-
ses.609
604 Ebenda, 01-98; 02-62; 07-78; 11-68; 14-12, -64 -108; 15-54; 16-116; 17-10, -18, -34, -100 ff.; 20-129. 605 Ebenda, 04-116; 05-66, -116; 16-12. 606 Ebenda, 02-72; ähnlich 06-68; 08-58; 09-68; 14-92. 607 Ebenda, 12-72; 14-62, -114; 17-26. 608 Ebenda, 05-34; 06-72; 09-106; 14-62; 15-34; 16-68; 20-120. 609 Ebenda, 05-34.
198 9. Auswertung der übrigen Variablen
• Kreis-, Gebiets- und Funktionalreformen bewirken eine Veränderung der Gesellschaf-
terzusammensetzung, so dass für grundlegende Reformen zur Zeit keine günstige
Gesprächssituation herrscht.610
• Die Komplexität der Systematik des Rechnungswesens führt dazu, dass mehrere Jahre
nach der Einführung von Doppik und KLR noch kein zufriedenstellender Status quo
erreicht wurde.611
• Zum Zeitpunkt der Umstellung auf die Doppik wurde bewusst noch keine KLR
eingeführt, bewährte kameralistische Steuerungsmechanismen jedoch implizit
abgeschafft und die Möglichkeit zur individuellen Adaption der Doppik ausgeschlos-
sen. Dadurch fehlen interne Steuerungsgrundlagen, die in einer händischen Interimslö-
sung selbst geschaffen werden mussten.612
• Dysfunktionaler Produktkatalog und nicht adäquate Steuerungslogik (das Theater stellt nur ein
einziges Produkt in der städtischen Verwaltung dar, ohne Differenzierung nach Aufführungen
bzw. an anderem Orte Einschränkung der Deckungsfähigkeit der Haushaltsmittel inklusive
verrechneter Gemeinkosten über die Produkte = Sparten hinweg).613
• Die rechtliche Fusion mehrerer Körperschaften führt dazu, dass im Kulturbetrieb vor
Ort keine eigene Personalstelle mehr vorhanden ist, welche sich vertieft um Belange
des Personalmanagements kümmern könnte.614
Nicht explizit genannt wurde der dennoch wichtige Aspekt, dass öffentliche Kulturbetriebe
in geringerem Maße dem Druck des marktlichen Wettbewerbs ausgesetzt sind. Sicherlich
ist die Existenz eines Kulturbetriebs auch von öffentlicher und politischer Wahrnehmung
abhängig, so dass ein Wettbewerb um Wertschätzung, Besuchszahlen und Eigenerlöse
herrscht. Trotz der Insolvenzfähigkeit einiger Rechtsformen wie der GmbH bleibt letzten
Endes die Hauptentscheidung über die Fortsetzung der Existenz eines Kulturbetriebs auch
in Krisenzeiten in politischer Verantwortung und nicht in der Gewalt des Marktes. Zur
künstlerischen Entfaltung werden dem Kulturbetrieb wirtschaftliche Freiräume (wenn auch
begrenzt und tendenziell schrumpfend) explizit zugestanden. Daraus resultiert, dass die in
der Privatwirtschaft üblichen Steuerungsinstrumente, wie sie auch vom NPM vorgesehen
werden, eher aus einer Freiwilligkeit als aus einer Notwendigkeit heraus in Kultureinrich-
tungen implementiert werden.
610 Ebenda, 16-94. 611 Ebenda, 14-92. 612 Ebenda, 17-28, -90 ff. 613 Ebenda, 14-86; 17-82 ff. 614 Ebenda, 01-12, -110.
9. Auswertung der übrigen Variablen 199
9.2 Intervenierende Variablen Künstlerische und Wirtschaftliche Rationalität
An obigen Befunden anknüpfend kann festgestellt werden, dass die künstlerische
Rationalität in Bezug auf die Implementation der NPM-Instrumente nie auslösend, jedoch
in einigen Fällen begünstigend oder behindernd gewirkt hat. Stärker hingegen ist der
Einfluss der wirtschaftlichen Rationalität: Häufig wirkt sie begünstigend, im Einzelfall
auch auslösend, selten jedoch behindernd. Als auslösende Faktoren für NPM-Reformen
dominieren externe Quellen (vgl. Kap. 9.1.1). Für das Gelingen der Umsetzung spielt im
Rahmen dieser Erhebung die wirtschaftliche Rationalität eine vorrangige und die
künstlerische Rationalität eine nachrangige Rolle.
Die Einzelbefunde aus den 20 Kulturbetrieben wurden anhand des Binnenverhält-
nisses von künstlerischer und wirtschaftlicher Rationalität aggregiert. Dabei ließen sich
drei Typen von Kulturbetrieben ableiten: der sachzieldominierte Kulturbetrieb mit starker
künstlerischer Rationalität (Typ I), der paritätisch geführte Kulturbetrieb mit gleichberech-
tigten Rationalitäten (Typ II) und der formalzieldominierte Kulturbetrieb mit überwiegen-
der wirtschaftlichen Rationalität (Typ III). Diese werden nachfolgend als übergreifendes,
dreiteiliges Klassifikations-Schema für Kulturbetriebe vorgestellt. Dabei steht die
Exploration der Makro-Ebene des Modells der heterogenen Rationalitäten (vgl. Abb. 5) im
Vordergrund, insbesondere der Einfluss der Verteilung und Interaktionen der Rationalitä-
ten auf das Organisationshandeln und den Output des Kulturbetriebs:
9.2.1. Typus I: Sachzieldominierter Kulturbetrieb (Primat der künstlerischen Rationalität)
In diesen Häusern ist ein hoher betriebsinterner Einfluss der künstlerischen Rationalität
festzustellen. Dies zeigt sich u. a. in folgenden empirischen Befunden:
• Die Spielplanung wird – auf Basis eines meist wiederkehrenden Grobgerüstes – von
künstlerischen Zielen dominiert. Teilweise sind dabei budgetäre Restriktionen zu
beachten, teilweise auch nicht bzw. Überziehungen führen zu keinen Konsequenzen.
Produktionen samt Engagements von Spitzenkünstlern werden langfristig angesetzt
ohne Einbettung in einen – ohnehin noch nicht existenten – finanziellen Gesamtplan.
Ein Dialog mit den kaufmännisch Verantwortlichen bzw. der Abteilung Marketing
findet bezüglich der künstlerischen Planung nachrangig oder im selteneren Extremfall
überhaupt nicht statt. Der Arbeitsauftrag der Vertreter der wirtschaftlichen Rationalität
erschöpft sich diesbezüglich in der Kenntnisnahme, höchstens in der Überprüfung der
Einhaltung der Restriktionen, nicht jedoch in einer gestaltenden Einflussnahme unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Folglich besteht kein Konkurrenzverhältnis
200 9. Auswertung der übrigen Variablen
zwischen den Rationalitäten, da das Primat künstlerischer Ziele vorgegeben ist. Die
Erstellung des Spielplans ist im Wesentlichen autark vom Wirtschaftsplan, wobei u. U.
zu späterem Zeitpunkt eine formelle Kongruenz hergestellt werden muss.615
• Vereinzelt werden zur Realisierung der künstlerischen Ziele der Intendanz große
Anstrengungen unternommen, etwa Baumaßnahmen um Großaufführungen zu
realisieren oder die theaterseitige Kündigung einer ganzen Abonnement-Serie für ein
einziges Großprojekt, welche punktuell einen hohen Aufwand bzw. Einnahmeminde-
rungen verursachen. Die im Intendantenvertrag ggf. garantierte künstlerische Freiheit
und Entscheidungsbefugnis in der Geschäftsführung ist strukturell gewichtiger
gegenüber der kaufmännischen Leitung konzipiert oder wird zumindest so ausge-
lebt.616
• Es wird darauf verwiesen, dass die langfristige Entwicklung der künstlerischen
Ensembles samt Qualitätssteigerung von hoher künstlerischer Bedeutung sei, was eine
wichtige Aufgabe der Intendanz unabhängig von wirtschaftlichen Erkenntnissen sei.
So wird u. a. bei der Tourneeplanung auf die Bevorzugung von zahlungskräftigen
Ländern partiell verzichtet und auf die Einladung von herausragenden, prägenden
Solisten und Dirigenten geachtet.617
• Beispielzitate:
„Einen Einfluss [der KLR, Anm. d. Verf.] bei den [...] Konzerten würde ich als ausgeschlossen
ansehen, weil sich beispielsweise zu verhandelnde Gagen nicht daran orientieren, wie ertrag-
reich ein Konzert ist.“618
„Letztendlich dominiert aber doch die Kunst das eigentliche wirtschaftliche Gebaren, so dass
eine langfristige Planung aus bilanztechnischer Sicht hier nicht den künstlerischen Ablauf
beeinflussen wird“619
„Wir versuchen, in erster Linie die künstlerischen Ziele zu erreichen und schauen dabei nicht
nur in erster Linie auf die Wirtschaftlichkeit. Es geht im Zweifel nicht darum, dass sich die
Wirtschaftlichkeit gegenüber der künstlerischen Entscheidung durchsetzen muss.“620
„Ich habe hier einmal gesagt, da wurde ich sehr gescholten: Der Tod der Theater sind die
Betriebswirte.“621
615 Ebenda, 01-92, -124; 02-92, -162; 03-42; 07-80; 08-132; 09-168; 10-84; 12-74; 14-100; 15-82; 16-80; 17-
26, -106. 616 Ebenda, 02-158; 03-42, -80, -176; 08-132; 12-132; 17-162, -174. 617 Ebenda, 02-166; 20-138. 618 Interview 02-96. 619 Interview 03-42. 620 Interview 10-84. 621 Interview 08-56.
9. Auswertung der übrigen Variablen 201
Folglich hat das interne Rechnungswesen eine nachrangige Bedeutung als Entscheidungs-
grundlage. Wirtschaftliche Auswertungen einzelner Produktionen werden zwar ex post
erstellt oder stehen in den IT-Systemen zur Verfügung, finden jedoch nur eine geringe
Beachtung im Top-Management. Dies setzt eine finanzielle Gesamtsituation voraus, in der
über die Deckung der Grundlast hinaus entsprechende Freiheiten herrschen. Diesem Typus
können etwa 30 % der Stichprobe zugeordnet werden, insbesondere – aber nicht
ausschließlich – die großen, international renommierten Theater und Orchester.
9.2.2. Typus II: Paritätisch geführter Kulturbetrieb (Gleichberechtigung von künstlerischer und wirtschaftlicher Rationalität)
Folgende Anzeichen für ein gleichstarkes Verhältnis der Rationalitäten sind zu beobachten:
• Offenheit der künstlerischen Leiter für Notwendigkeit der Berücksichtigung von
Kostenrestriktionen, Auslastungszahlen und Einnahmesituation ist gegeben. So haben
beispielsweise Gespräche mit der Intendanz über künftige wirtschaftliche Optimierung
stattgefunden, auf Basis von Schätzungen zur Einnahmeverteilung. Das Verhältnis der
Vertreter der Rationalitäten kann als dialogisch und kooperativ bewertet werden. Bei
Entscheidungen kommen beide Seiten in etwa gleichem Verhältnis zum Tragen.622
• Es sind bei der Planung eingrenzende finanzielle Restriktionen vorhanden, mindestens
in Form von Budgets. Eine darüber hinausgehende wirtschaftliche Optimierung des
Spielplans ist nicht unbedingt notwendig.623
• Daten aus der KLR und dem Controlling finden wenigstens punktuell Eingang in
künstlerische Überlegungen und Entscheidungen mit wirtschaftlichen Auswirkun-
gen.624
• In einigen Kulturbetrieben muss die Spielplanung von den Trägern, welche eher die
wirtschaftliche Rationalität vertreten, formal beschlossen werden. Dabei trägt in einem
Fall die Intendanz auch die wirtschaftliche Planung vor.625
• Der kaufmännische Leiter ist mindestens gleichberechtigt zur Intendanz.626
• In Fällen der Personalunion der Spitzenvertreter der Rationalität, z. B. ein
geschäftsführender Intendant bzw. Orchestermanager, kann zumindest konstatiert
werden, dass Abstimmungen bei Planungsprozessen und eventuelle Konflikte interna-
lisiert sind.627
622 Vgl. Interviews 04-134, -196; 05-100; 07-72; 12-58; 16-16; 19-42. 623 Ebenda, 08-106; 13-112. 624 Ebenda, 10-136; 12-58; 19-154. 625 Ebenda, 08-188; 11-70; 19-206. 626 Ebenda, 13-18; 15-26; 17-46. 627 Ebenda, 11-18; 17-46; 18-26, -76.
202 9. Auswertung der übrigen Variablen
• Beispielzitate:
„Die künstlerische Leitung ist diejenige, die bei der Spielplanung dominiert. Es gibt dann die
Phasen, wo wir die Dinge einordnen, [...] mit der Fixierung des Spielplanes läuft dann gleich
die Zuordnung der Inszenierungskosten für Kostüme, Dekorationen dann parallel, wo dann
Ausstattungsleitung, Intendant und ich im Gespräch sind. [...] Es sind dann, für meine Begriffe,
doch Fragen auch des betriebswirtschaftlichen Hintergrundes [...] Wir haben dann versucht,
mit den Dingen natürlich umzugehen und auch Signale zu setzen. Sind ja Fragen bis hin:
Welches Orchesterrepertoire biete ich in Sinfoniekonzerten an? Ja, wie weit gehe ich auf
großes Repertoire, wo ich vier Aushilfen brauche, wie ausgewogen ist das Ganze, wo setze ich
den Chor zusätzlich ein, wo ich wieder gagenpflichtig bin. [...] Wir haben natürlich dann hier
und da mal Notbremse gezogen und dann gesagt: Okay, jetzt müssen wir einfach versuchen,
ein Gegensteuern zu erreichen.“628
„Was ich möchte ist, dass man im Prinzip die Erkenntnisse, die man hat und verwertbar sind,
letztendlich auch bei der Entscheidungsfindung anwendet. Das ist auch so ein ständiges
Spannungsverhältnis zwischen künstlerischer Leitung und Verwaltungsleitung, denn Künstler
neigen dazu, gewisse – ja, wie soll ich das sagen? – Teile der Realität auszublenden [...].“629
An einigen Orten wird festgestellt, dass die Durchlässigkeit zwischen den Rationalitäten
wächst. Dies wird einerseits mit einer sich verändernden Betriebskultur begründet, welche
wirtschaftlichen und faktenbasierten Überlegungen mehr Raum oder künstlerischen Leitern
mehr wirtschaftliche Verantwortung gibt, andererseits mit der Verjüngung und
zunehmenden Mehrfachqualifizierung des Personals: durch das wachsende gegenseitige
Verständnis vergrößert sich die gemeinsame Gesprächsbasis.630
Diesem Typus können etwa 50 % der Stichprobe zugerechnet werden, mit steigen-
der Tendenz. In diesem Typus muss die finanzielle Situation nicht zwingend schlechter als
im vorangehenden Typus sein, wenngleich dies tendenziell zutrifft.
628 Interview 07-80. 629 Interview 17-106 ff. 630 Vgl. Interviews 04-124; 07-76; 13-82.
9. Auswertung der übrigen Variablen 203
9.2.3. Typus III: Formalzieldominierter Kulturbetrieb (Primat der wirtschaftlichen Rationalität)
Die Merkmale lauten:
• Die finanzielle Situation ist angespannt: Personalkapazitäten müssen abgebaut werden,
häufig einhergehend mit wachsendem Krankenstand, Überstunden werden nicht mehr
ausbezahlt, erhebliche Sparzwänge – meist vorgegeben durch Kürzungen der Zuwen-
dungsgeber – belasten den Gesamthaushalt; die Soll-Werte der Einnahmen und
Einspielquoten steigen und erzeugen entsprechenden innerbetrieblichen Druck.631
• Die Instrumente des NPMs werden gezielt eingeführt, um die wirtschaftliche
Rationalität zu stärken, meist durch den Träger veranlasst.632
• Daten des Controllings und der KLR sind häufig präsent und entscheidungsleitend.633
• Bei der Spielplanung existieren nicht nur Budgets für künstlerische Ausgaben, sondern
auch ein Einnahmeziel (bzw. saldiert ein Deckungsbeitrag) ist zu berücksichtigen. Die
Markt- bzw. Nachfrageorientierung ist stark ausgeprägt und wirkt sich deutlich auf die
Planung aus.634
• Leitende Mitarbeiter mit wirtschaftlichen Entscheidungsbefugnissen bzw.
Budgetverantwortung haben ein ausgeprägtes Kosten- und Effizienzbewusstsein.635
• Die mittelfristige Finanzplanung dominiert die Spielplanstruktur und Kapazitätspla-
nung.636
• Künstlerische Freiheit kann noch ausgelebt werden, aber nur innerhalb der
genehmigten Budgets.
• Die kaufmännische Leitung und/oder der Dienstherr des Intendanten hat ein Veto-
Recht und kann den Planungen des Intendanten widersprechen bzw. diese überstim-
men.637
• Nachgeordnete Kulturbetriebe ohne eigenen Jahresabschluss werden bzw. wurden
rechtlich verselbständigt und/oder erhalten eigene GuV und Bilanz. Das bedeutet eine
Delegation der stärkeren wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit in den Betrieb
hinein.638
631 Ebenda, 15-24; 16-56. 632 Ebenda, 15-26. 633 Ebenda, 15-26. 634 Ebenda, 16-68; 18-160. 635 Ebenda, 14-267; 16-98. 636 Ebenda, 07-50. 637 Ebenda, 07-82; 14-22; 16-18; 19-48. 638 Ebenda, 07-50.
204 9. Auswertung der übrigen Variablen
• Beispielzitate:
„Es gibt [...] einen Gesamtetat und der wird dann von mir [dem kaufmännischen Geschäftsfüh-
rer, Anm. d. Verf.], sobald ich die Daten habe, gemeinsam mit den Beteiligten geplant. Da
gucken wir halt, wenn wir überzogen haben, wo wir es reduzieren müssen, wo wir vielleicht
Honorare reduzieren müssen, wo wir Leute raus-, wo wir Produktionen rausschmeißen müssen,
Zusatzprojekte oder irgendwas. [...] Die Einsetzung des Etats überliegt aber dann mir.“639
„Das heißt, dass sehr kostenintensive Produktionen ja immer unter diesem Spardiktat stehen,
dass wir eingreifen mitten im Spielplan. Also Spielplantreue hin, Spielplantreue her, wenn wir
wirtschaftlich nicht in der Situation sind, dieses, was wir dem Publikum versprochen haben,
auch leisten zu können, dann geht es nicht anders, dann greifen wir ein. [...] Hier ist ein Diktat
der Haushaltslage, dem wir unterliegen, klar und deutlich.“640
Dieser Typus ist am geringsten verbreitet. In Extremfällen kann eine latente oder akut-
beherrschbare Unternehmenskrise641 eingetreten sein. Zum Zeitpunkt der Interviews
können diesem Typus etwa 20 % zugerechnet werden, wobei deutlich mehr Kulturbetriebe
vergleichbare Phasen temporär durchschritten haben.
9.2.4. Interpretation der Klassifikationen
Mit den Klassifikationen der 3 Typen wird keine Bewertung vorgenommen, weder
normativ noch hinsichtlich der wirtschaftlichen Effizienz. Herausragende künstlerische
Leistungen lassen sich vermutlich leichter in dem Typus I realisieren. Die Sachzieldomi-
nanz und der niedrige Einfluss der wirtschaftlichen Rationalität müssen nicht bedeuten,
dass ineffizient gewirtschaftet wird: Aus der Theaterstatistik wird ersichtlich, dass gerade
die großen, international renommierten Mehrsparten- bzw. Opernhäuser eine relativ hohe
Einspielquote aufweisen, während kleine Stadttheater tendenziell mit niedrigeren
Einspielquoten unter größerem Druck (Typus II bis III) stehen. Zusätzlich ist auf die
Adaption des Effizienzbegriffs hinzuweisen, welche neben rein quantitativen Wirtschaft-
lichkeitskennzahlen auch qualitative Merkmale berücksichtigen muss. Die Zuordnung von
Kulturbetrieben zu den drei Typen kann sich im Verlauf von Jahren verändern und ist nicht
eindeutig abgrenzbar. Es können Mischtypen existieren, wie auch an den Quellen in den
Fußnoten ersichtlich wird. Der Hintergrundvariablen der finanziellen Ausstattung kann für
die Zuordnung eine gewichtige Bedeutung beigemessen werden. Abschließend wird
deutlich, dass die in der Literatur vorherrschende Klassifikation sämtlicher öffentlicher
639 Interview 16-78. 640 Interview 13-28. 641 Vgl. Krystek/Moldenhauer (2007), S. 36 ff.
9. Auswertung der übrigen Variablen 205
Betriebe als sachzieldominiert642 (Typus I) zumindest im kulturellen Sektor differenziert
werden muss.
Die Befunde belegen, dass die beiden genannten Rationalitäten in einem Dialog
stehen, insbesondere wenn es um künstlerische Entscheidungen mit wirtschaftlichen
Auswirkungen – etwa die Spielplanung – geht. Für die Forschungsfrage geht aus der
Klassifikation der Zusammenhang hervor, dass der Intensitätsgrad der Nutzung und
Erkenntnisverwertung der KLR und des Controllings mit der innerbetrieblichen Bedeutung
der wirtschaftlichen Rationalität positiv korreliert ist.
9.3 Intervenierende Variable Bürokratische Rationalität
Die bürokratische Rationalität war im Rahmen der Empirie nicht als eigene Rationalitäts-
kategorie von Akteuren, wie im Kap. 1.5.2 definiert, feststellbar. Im Vordergrund steht
vielmehr die Interaktion zwischen künstlerischen und wirtschaftlichen Interessen und den
entsprechenden Akteuren. Einzuhaltende Rechtsvorschriften schlugen sich inhaltlich in
den rechtlichen Rahmenbedingungen nieder (vgl. nachfolgende intervenierende Variable).
Da sich dieses Ergebnis bereits in den Pretests gezeigt hatte, wurden die Fragen zur
bürokratischen Rationalität in den folgenden Gesprächen gestrichen. Damit ist nicht
gezeigt, dass es diese Rationalitätskategorie nicht gibt, sondern dass sie vielmehr keinen
expliziten Raum in den Interaktionen zwischen den leitenden Akteuren einnimmt. Dies gilt
insbesondere für Rechtsvorschriften, welche als zu beachtende Selbstverständlichkeiten
keiner vertieften innerbetrieblichen Diskussion bedürfen (vgl. Ordnungsmäßigkeits-
Restriktion im Herstellungsprozess, Kap. 1.8).
9.4 Intervenierende Variable Rahmenbedingungen
Wie in Kap. 6.1 bereits aufgeführt, besitzen 13 der befragten Kulturbetriebe (65 %) eine eigene
Rechtsperson. Bei den übrigen sieben liegen fast vollständig Betriebsformen vor, welche unter
den sog. optimierten Regie-, Eigen- oder Landesbetrieb fallen. Das bedeutet, dass diese Häuser
u. a. eigene Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse erstellen. Lediglich in einem Fall (5 %) war
der herkömmliche, unselbständige Regiebetrieb zu beobachten, welcher Teil der zentralen
Stadtverwaltung ist. In allen anderen Fällen (95 %) kann davon ausgegangen werden, dass die
Kulturbetriebe eigenständig agierende, dezentral verantwortende und somit selbständige
wirtschaftliche Einheiten sind, mehrheitlich mit eigener Rechtsperson.643
642 Vgl. Kosiol (1972), S. 223 f.; Ossadnik (1987), S. 276 ff. 643 Vgl. Röper (2001), S. 210-226.
206 9. Auswertung der übrigen Variablen
In 17 Interviews wurden Angaben zur Deckungsfähigkeit der Zuwendungen gemacht:
Dabei gab es in drei Fällen geringfügige bis massive Einschränkungen (17,6 %), in allen
übrigen kann von einer vollständigen gegenseitigen Deckungsfähigkeit der öffentlichen
Mittel (Globalbudget) ausgegangen werden (82,3 %). In 18 Gesprächen konnten
Informationen zur Möglichkeit der Übertragung von Überschüssen bzw. Restmitteln in das
Folgejahr gewonnen werden: In 15 Kulturbetrieben (83,3 %) ist es grundsätzlich möglich,
Rücklagen aufzubauen, wobei davon in drei Fällen eine Genehmigung der Zuwendungsge-
ber erforderlich ist. Lediglich in drei Einrichtungen (16,7 %) ist die Rücklagenbildung
bedingt durch die Art der Zuwendung bzw. durch die Zuwendungsrichtlinien ausgeschlos-
sen. Vier Gesprächspartner berichten darüber, dass die genannten vorteilhaften
Liberalisierungen des Haushaltsrechts zumindest teilweise auch bereits zu Zeiten der
Kameralistik gegolten haben; in einem Fall wurden die haushaltsrechtlichen Regelungen
mit der Doppik-Einführung wieder intensiviert und Freiheiten entzogen.644 Mehrfach wird
kritisiert, dass die theaterüblichen mehrjährigen Planungsverläufe nicht durch entsprechen-
de Finanzierungssicherheit gedeckt sind. Vier Interviewpartner bemängeln, dass die
jeweiligen Zuwendungsgeber erst während des laufenden Jahres verbindliche Zuwen-
dungsbescheide erteilen. So hatten zwei Einrichtungen zum Interviewzeitpunkt im Oktober
trotz erfolgender Abschlagszahlungen noch keine Gesamtfinanzierungszusage für das
laufende Kalenderjahr.645
Es kann insgesamt festgestellt werden, dass die über Jahrzehnte hinweg für die
Kulturbetriebe geforderte Flexibilisierung der Mittelbewirtschaftung und die Stärkung der
organisatorischen Eigenständigkeit samt Dezentralisierung von Kompetenzen646
weitgehend umgesetzt ist. Hierzu haben auch die NPM- bzw. NSM-Reformen der 1990er-
Jahre einen wesentlichen Beitrag geleistet und somit die Rahmenbedingungen mehrheitlich
verbessert. Der empirische Befund stützt ferner die Aussage, dass die Wahl einer
bestimmten Rechtsform weniger entscheidend als die Ausgestaltung bzw. Handhabung der
Befugnisse und haushaltsrechtlichen Gegebenheiten im Einzelfall ist.647
Abgesehen von partiell vorhandenen Schwierigkeiten bezüglich der Finanzierung
der stetig wachsenden Grundlast bzw. dem Wunsch, die freie Spitze für die Realisierung
des künstlerischen Programms (5 bis 15 % des Gesamthaushalts648) zu steigern oder
wenigstens real beibehalten zu können, werden die Rahmenbedingungen im allgemeinen
644 Vgl. Interviews 02-58; 12-118; 13-84; 14-82 ff. 645 Ebenda, 06-46; 08-114; 10-113 ff.; 15-178. 646 Vgl. KGSt (1989), S. 49 f., 88-94; Röper (2001), S. 204-215; Stein (1982), S. 121f 647 Vgl. KGSt (1989), S. 20, 96; Mertens (2005), S. 6; Thiel (2003), S. 261 f.; Wagner (1995), S. 207. 648 Vgl. Interviews 06-84; 11-40; 15-86; 16-74.
9. Auswertung der übrigen Variablen 207
mehrheitlich positiv bewertet. Viele der in den Gesprächen erwähnten Erschwernisse
sind hausspezifischer Natur, etwa sanierungsbedürftige Gebäude, veraltete technische
Anlagen, geringe Platz- und Raumkapazitäten, Publikumsstrukturen, lokale Presse; oder
sie beziehen sich auf individuell nicht veränderbare allgemeingültige Gesetze und
Tarifwerke.
9.5 Intervenierende Variable Kulturpolitik und Kulturverwaltung
Es herrschen sehr individuelle Gegebenheiten der Kompetenzverteilung und
-wahrnehmung zwischen Kulturbetrieben, Aufsichtsgremien, der Exekutiv- und
Legislativgewalt vor, z. B. in Bezug auf Spielplangenehmigung oder -kenntnisnahme,
Berufung des leitenden Personals, Wirtschaftsplanfeststellung, Entlastung der Geschäfts-
führung, Überschussverwendung, Involvierung in operative Prozesse und Detailentschei-
dungen etc..649 Dabei sind nicht nur die kulturspezifischen Gremien bzw. Ämter von
Bedeutung, sondern auch diejenigen Stellen der Verwaltung und Politik, welche mit den
öffentlichen Finanzen, Liegenschaften und Personal betraut sind.650
Die spezifische Amtsführung und die individuellen Eigenschaften der handelnden
Personen sowie teils langjährig gewachsene Vertrauensverhältnisse bzw. durch
Wortbrüche oder widersprüchliches Verhalten hervorgerufene Misstrauensverhältnisse
spielen neben den formellen Strukturen eine große Rolle.651 Über Einflussnahmen auf
künstlerische Entscheidungen oder Details der Spielplanung wurde nicht berichtet, insofern
bleibt die künstlerische Autonomie gewahrt.652Es ist eine Tendenz der wachsenden
externen wirtschaftlichen Kontrolle festzustellen, etwa durch eine kommunale Gesellschaft
für Beteilungscontrolling und ein sich ausweitendes Berichtswesen.653 Dies geschieht nicht
zuletzt, um bereits bestehende und die durch Ausgliederungen der Kulturbetriebe
wachsende Informationsasymmetrien anteilig zu kompensieren.654
Für die Untersuchungsfrage ist festzuhalten, wie in vorherigen Abschnitten bereits
detaillierter beschrieben, dass die Kulturverwaltung und -politik hingegen maßgeblichen
Einfluss auf die Einführung und Ausgestaltung von NPM-Reformen ausüben. Ein direkter
Zusammenhang zum operativen wirtschaftlichen und künstlerischen Ergebnis kann
ausgeschlossen werden, abgesehen von Entscheidungen bezüglich der Zuwendungshöhe
und ggf. -verwendung sowie Auswirkungen langfristiger, struktureller Entscheidungen.
649 Ebenda, 03-42, -176; 04-202; 05-104; 06-62; 08-16; 12-44; 13-94, -128; 14-152; 18-132; 19-96. 650 Ebenda, 05-106; 07-50, -90; 14-156; 15-156. 651 Ebenda, 02-138; 03-70; 05-126; 07-84; 09-36; 12-38; 15-26; 17-124, -170. 652 Ebenda, 03-152; 06-82; 08-188; 09-176; 10-160; 12-44; 15-66; 18-28; 19-274. 653 Ebenda, 03-146; 06-72; 07-86; 08-84; 09-168; 14-68; 15-64.
208 9. Auswertung der übrigen Variablen
Die Rechtsform des Kulturbetriebs entscheidet wesentlich über die Nähe oder Ferne zur
exekutiven Gewalt.655 Mehrfach wird angeführt, dass die rechtliche Verselbständigung zur
sofortigen Distanzierung von der Kulturverwaltung geführt hat.656
9.6 Abhängige Variable Künstlerischer Erfolg
Zur Auswertung der abhängigen Variablen werden die wichtigsten Befunde aus den
Interviews bezüglich positiver und negativer Determinanten aufgeführt. Diese erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Mit nachfolgender Auflistung wird das Ziel verfolgt,
den Kontext zum Gesamtsystem des Kulturbetriebs herzustellen und den Umfang des
Einflusses der NPM-bezogenen unabhängigen Variablen auf die abhängigen Erfolgsvariab-
len zu bemessen und zu validieren.
Positiv hat sich auf den künstlerischen Erfolg ausgewirkt:
• Das Einsetzen einer neuen Intendanz bzw. eines neuen Leitungsteams bzw. die
langjährige Beibehaltung und Bindung von bewährten Akteuren mit herausragenden
Fähigkeiten und Willen zum Aufbruch.657
• Künstlerische und strategische Unternehmensprofilierung, einhergehend mit
Marketing-Intensivierung (neue Corporate Identity/Corporate Design samt Kampagne
bzw. stetige intensive externe Kommunikation, Information und Bindung des Zielpub-
likums).658
• Das Setzen von richtungsweisenden, ambitionierten künstlerischen Zielen oder die
Realisierung von Großprojekten, welche über das bisherige Leistungsniveau hinausge-
hen, motiviert die Beschäftigten, erhöht die künstlerische Reputation und die Chance
auf Auszeichnungen durch Fachmagazine.659
• Geschlossenheit des Auftritts der Personen der Theaterleitung nach außen und
Vermeidung von innerbetrieblichen Konkurrenzkämpfen.660
• Wahrnehmung der Arbeit des Kulturbetriebs durch die Politik bzw. offenkundige
politische Unterstützung und Wertschätzung; somit auch das Ausbleiben von öffentli-
chen Diskussionen über Existenzberechtigung des Kulturbetriebs.661
654 Ebenda, 08-56, -184; 12-132; 17-124, -130; 20-140, -157. 655 Ebenda, 11-22. 656 Ebenda, 01-120; 03-146; 12-40. 657 Ebenda, 01-154; 02-190; 04-194; 05-130; 07-110; 08-202; 09-207; 12-132; 15-180; 16-52; 18-130; 19-
320; 20-236. 658 Ebenda, 07-96; 09-210; 12-132; 18-136, -174. 659 Ebenda, 05-130; 12-136; 16-52; 17-176; 18-130. 660 Ebenda, 09-210; 12-132. 661 Ebenda, 12-58; 20-49.
9. Auswertung der übrigen Variablen 209
• Einladung von hochqualitativen bis hin zu international beachteten Spitzenkünstlern
als Gäste; bei Gastdirigenten werden auch die Ensembles qualitativ weiterentwi-
ckelt.662
• Prominenter Konzertsaal bzw. Theatergebäude samt Architektur, Geschichte und
Akustik bewirkt Anziehungskraft für Spitzenkünstler und Publikum.663
• Bereits vorhandener hoher Qualitätsstandard und Bekanntheitsgrad der Ensembles
kann verstärkende Tendenzen auslösen, da hohe Attraktivität bei freien Stellen
gegeben.664
• Ausreichender Planungsvorlauf und Zeitkapazitäten während der Projekte, um
künstlerische Ideen reifen zu lassen, bevor sie zur Aufführung gelangen.665
• Präsenz und Teilnahme an renommierten Festivals und Gastspiele an bedeutenden
Orten und Bühnen.666
• Strategische Schwerpunktsetzung bei der inhaltlichen Planung und Budgeteintei-
lung.667
• Vorhandensein der notwendigen finanziellen Ressourcen für künstlerische
Entfaltung.668
• Gutes Klima und Zufriedenheit innerhalb der Ensembles befördert künstlerische
Qualität.669
• Konstruktiver Probenprozess mit angemessenem Umgangsstil.
Dagegen haben den künstlerischen Erfolg geschmälert:
• Relativ niedriges Gehaltsniveau in den Ensembles bzw. Kategorisierung des
Orchesters unterhalb der A-Gruppe gemäß TVK wirkt stigmatisierend und erschwert
künstlerische Weiterentwicklung bis hin zur Abwanderung von qualifizierten Künst-
lern.670
• Altersbedingte unausweichliche physiologische Ermüdungen bei Musikern
beeinträchtigen das klangliche Spielergebnis.671
• TVK lässt Kündigung bei nachlassender künstlerischer Leistung faktisch nicht zu.672
662 Ebenda, 01-92, -154; 02-152; 03-164; 04-194; 09-207 ff.; 18-76, -170 ff. 663 Ebenda, 02-152. 664 Ebenda, 01-92, -154; 02-152; 04-194; 09-207. 665 Ebenda, 09-204. 666 Ebenda, 02-166. 667 Ebenda, 01-92; 06-46; 09-210; 18-76. 668 Ebenda, 12-114; 20-162. 669 Ebenda, 11-122. 670 Ebenda, 03-164; 11-82. 671 Ebenda, 09-98. 672 Ebenda, 16-134.
210 9. Auswertung der übrigen Variablen
• Im TVK vorgeschriebene Ruhezeiten und Diensthäufigkeiten erschweren Tourneepla-
nung und ggf. das künstlerische Ergebnis, da z. B. reguläre Proben nach Reisezeiten
am selben Tag vor dem abendlichen Konzert nicht zulässig sind.673
• Anordnung hoher lokaler Bindung durch Träger oder Aufsichtsrat, wodurch für
Reputationssteigerung förderliche Gastspiele nur sehr eingeschränkt möglich sind.674
• Niedrige künstlerische Budgets für Projekte und Gäste, ggf. noch vermindert durch
Zuwendungskürzungen bzw. -stagnationen oder Preissteigerungen, restringieren
künstlerische Vorhaben und Vielfalt bis hin zum substanziellen Abbau des gewohnten
Programmangebots und zur Verkleinerung der Ensembles.675
• Konventionellere Inszenierungen und Spielplanungen erhöhten zwar die Auslastung,
jedoch blieben einige Kulturjournalisten fern bzw. führten zu negativen Rezensionen,
was die überregionale Ausstrahlung und den Ruf in der Fachwelt beeinträchtigte.676
• Negative Rezensionen in den Medien können die künstlerische und wirtschaftliche
Konsolidierung eines Kulturbetriebs erschweren.677
• Skandalpremieren und mehrfache kurzfristige Wechsel von Intendanten und
Generalmusikdirektoren, teils mit längeren Vakanzen, erzeugen einen Unruhezustand
oder sogar eine Krisensituation und senken den Publikumszuspruch.678
• Begrenzte räumliche Kapazitäten für Aufführungen (Bühne, Graben etc.) schränken
das realisierbare Repertoire ein.679
• Intendanz, welche Potenziale ihres Opernorchesters als eigenständigen konzertanten
Klangkörper bzw. ausstrahlende Marke nicht ausreizt.680
• Künstlerische und/oder persönliche Disharmonien zwischen Personen der Leitungs-
ebene führten zum Ausscheiden eines angesehenen Künstlers.681
• Nicht oder zu spät gegebene Planungssicherheit verhindert oder verteuert das
Engagement von langfristig gefragten Gastkünstlern.682
673 Ebenda, 20-226. 674 Ebenda, 06-102 ff. 675 Ebenda, 03-198; 06-44, -56; 11-42; 13-120; 16-50, -56; 19-282. 676 Ebenda, 08-202; 12-132. 677 Ebenda, 09-204; 09-196; 12-136. 678 Ebenda, 06-28; 08-134, -204. 679 Ebenda, 17-174. 680 Ebenda, 18-203. 681 Ebenda, 08-204. 682 Ebenda, 06-48.
9. Auswertung der übrigen Variablen 211
Neben diesen Determinanten wird auch mehrfach die Erfahrung betont, dass der
künstlerische Erfolg und die Reaktion des Publikums unberechenbar seien und nicht
forciert werden könnten:683
„Diese Kommune ist keine Theaterstadt. [...] Alle [Kollegen, Anm. d. Verf.] sagen, es ist viel
zu groß dein Angebot, was du hier machst, die Leute kommen nicht. Und wir werden es ja jetzt
sehen. [...] Ich sage, wenn wir es [ein Erfolgsrezept, Anm. d. Verf.] wüssten, dann wäre die
Hütte voll. Und ich mache ja jetzt nicht das erste Theater. Ich war bereits in drei Städten
Intendant und hier, also da – immer hat man wieder dieselben Probleme gehabt. Und es gab
Aufführungen, von denen wir gedacht haben, sie seien ein Flop und es war nachher der
Bombenerfolg und umgekehrt, ja. Es ist nicht vorauszusehen. Das beste Beispiel ist [...] eine
Inszenierung, die 1995 rauskam [...] Alle dachten: Es wird der Flop. [...] Jetzt haben wir 2008,
[diese Inszenierung, Anm. d. Verf.] läuft immer noch im 13. Jahr [...] und das Ding gastiert
immer noch weltweit. Das ist schon beachtlich so was, ja. Damals dachte man, es wird ein
Misserfolg.“684
9.7 Abhängige Variable Wirtschaftlicher Erfolg
Positiv hat sich auf den wirtschaftlichen Erfolg ausgewirkt:
• Leistungsvorgaben des Trägers, z. B. Auslastungsgrad und Einnahme-Soll.685
• Prominenter Konzertsaal bzw. Theatergebäude wirkt wie eine eigene Marke und ist
zusätzliche Motivation bzw. Auslöser für den Besuch einer Aufführung.686
• Die Ankündigung des Ausscheidens des GMDs erhöhte schlagartig die Auslastung in
der verbleibenden Zeit.687
• Temporäre oder dauerhafte Nicht-Besetzung von Plan-Stellen bis hin zu strukturellem
Personalabbau und Ensemblefusionen oder -schließungen.688
• Erkennen und Realisieren von günstigen Einkaufs- und Vertragskonditionen, etwa
durch Kostenanalyse, Markterkundungen und Kostensensibilisierung der Mitarbei-
ter.689
• Abschluss von Haustarifverträgen mit Gehaltsabsenkungen.690
• Softwaresysteme und Berichte, welche Aufschluss über Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit geben können.691
683 Ebenda, 08-194 ff.; 12-132. 684 Interview 08-198. 685 Vgl. Interview 14-124. 686 Ebenda, 02-152. 687 Ebenda, 08-196. 688 Ebenda, 13-128; 15-126, -182; 19-286; 20-193. 689 Ebenda, 06-66; 09-128; 14-267; 16-140. 690 Ebenda, 16-24, -48 ff. 691 Ebenda, 14-267.
212 9. Auswertung der übrigen Variablen
• Trotz Sparzwängen die Bemühung, langfristig vorteilhafte Investitionen zu tätigen.692
• Steigerung der Kompetenzen und der Machtposition der kaufmännisch Verantwortli-
chen.693
Dagegen haben den wirtschaftlichen Erfolg geschmälert:
• Relativ niedrige Sitzplatzkapazität im Hauptsaal, welche gelegentlich niedriger ist als
Kartennachfrage.694
• Anordnung einer überdurchschnittlich hohen lokalen Aufführungsquote durch den
Träger oder Aufsichtsrat, wodurch die Einnahmequelle der Gastspiele trotz entspre-
chender Empfehlung des Wirtschaftsprüfers nur rudimentär abgeschöpft wird.695
• Art der Zuwendungsfinanzierung und Umgang des Trägers mit Rücklagen. So löst
etwa eine Fehlbedarfsfinanzierung oder vom Träger beschlossene Rücklagenauflösung
den Anreiz aus, künftig keine Rücklagen aufzubauen bzw. Überschüsse zu erwirtschaf-
ten.696
• Zeitpunkt und Verlauf der West-Angleichung der Tarife in Ostdeutschland.697
Weitere Determinanten des wirtschaftlichen Erfolgs werden nachfolgend angeführt. Ihre
konkrete Ausprägung kann positiv oder negativ sein und schwankt innerhalb der
Stichprobe:
• Intertemporale Zuwendungsentwicklung, insbesondere im Verhältnis zur Tarif- und
Kostenentwicklung bzw. zur Deckungslücke des operativen Ergebnisses (Aufwendun-
gen abzüglich selbst erwirtschafteter Erträge). Dies steht auch in Zusammenhang mit
der wirtschaftlichen Situation des Trägers.698
• Tarif- und Gagenentwicklung beim Personal bzw. bei den Gästen.699
• Unvorhergesehene längere Krankheitsausfälle, Mutterschaftsurlaube, Elternzeit etc.700
• Preisentwicklung beim Sachaufwand: Gebäudebewirtschaftung, Rohstoffe,
Materialien, Anmietung von Räumen/Sälen (somit auch räumliche Grundausstattung)
etc.701
692 Ebenda, 13-68. 693 Ebenda, 03-194 ff. 694 Ebenda, 01-92, -136; 18-76. 695 Ebenda, 06-102 ff. 696 Ebenda, 01-152; 03-68; 12-130; 20-81, -176. 697 Ebenda, 06-42. 698 Ebenda, 01-152; 02-88; 03-70, -160; 04-190; 10-183; 13-128; 14-182; 15-182; 16-24, -48 ff.; 19-286. 699 Ebenda, 01-152; 10-183; 15-182; 16-134; 17-162. 700 Ebenda, 16-56; 17-124. 701 Ebenda, 06-56; 09-178; 10-183; 18-052; 19-298; 20-91, -138.
9. Auswertung der übrigen Variablen 213
• gegenwärtiger Sicherheits- und Verschleißzustand, künftige Abnutzungserscheinungen
und technologischer Stand sämtlicher Anlagen bedingen Ersatzinvestitionsbedarf und
ggf. Baumaßnahmen; währenddessen evtl. schließungsbedingter Einnahmeausfall.702
• Einnahmen aus Kartenverkauf, diese wiederum in Abhängigkeit von angebotener
Anzahl an Aufführungen bzw. Plätzen und Kartenpreisen, Nachfrage, Zahlungsbereit-
schaft und Kaufkraft des Publikums.703
• Einnahmen aus Gastspielen, Vermietungen, sonstigen kommerziellen Tätigkeiten
(Mengen und Preise).704
• Verhältnis von Abonnementplätzen zu frei verfügbaren Plätzen sowie deren
Preisrelation; beides wiederum in Abhängigkeit von der Nachfrage des Publikums.705
• Umfang und Art der Rabattgewährung und von Sonderkonzerten (Kinderkonzerte
etc.).706
• Entwicklung von mäzenatischer Förderung und Sponsoring.707
• Effizienz auf der Mengenebene: Saalauslastung, Aufführungsdisposition (Wiederholra-
te von Programmen, En suite vs. Repertoirebetrieb vs. Mischformen etc.), Proben- und
Personaldisposition, Dienstauslastung in den Ensembles, Aushilfenintensität etc.708
• Umstrukturierungen in der Betriebsorganisation, Outsourcing, Betriebsgesellschaften
etc.709
9.8 Interdependenzen der Erfolgsvariablen
Die beiden abhängigen Variablen sind stark interdependent. Die Auswirkungen des
wirtschaftlichen Erfolgs auf den künstlerischen Erfolg leuchten unmittelbar durch die
gewachsenen budgetären Möglichkeiten ein, welche mehr Freiheiten für die künstlerische
Entfaltung und aufwändigere Produktionen zulassen; hierbei ist insbesondere die
Einnahmeseite zu nennen, welche u. U. leichter als die Ausgabenseite zu steuern ist. Die
verbesserte Realisation des Formalziels (bzw. die Lockerung der Restriktionen) erlaubt
somit einen höheren Zielerreichungsgrad der Sachziele.
702 Ebenda, 01-152; 08-36; 14-24 ff.; 17-48; 19-92. 703 Ebenda, 03-180; 04-206; 08-38, -130, -196; 10-177, -183; 13-132; 14-172 ff.; 19-302; 20-226. 704 Ebenda, 03-180; 04-206; 08-38, -130, -196; 10-177, -183; 13-132; 14-172 ff.; 19-302; 20-226. 705 Ebenda, 02-146, -178; 10-177; 12-58, -132; 17-174; 18-170. 706 Ebenda, 17-104; 20-138. 707 Ebenda, 03-180; 10-183 ff.; 15-182. 708 Ebenda, 01-78, -154; 02-18, -146; 04-198; 05-100; 10-171; 16-134 ff.; 18-168, -217. 709 Ebenda, 03-194.
214 9. Auswertung der übrigen Variablen
In umgekehrter Richtung beeinflusst jedoch auch der künstlerische Erfolg den
wirtschaftlichen Erfolg:
• Die Spielplanung determiniert maximale Eintrittserlöse und Unterbudgets der
Produktionsaufwendungen.710
• Berücksichtigung des Publikumsgeschmacks, z. B. im Rahmen eines „durchmischten“
Spielplans mit bekannten und experimentellen Programmanteilen führt zum Aufbau
von Basisvertrauen und stetiger Nachfrage beim Publikum, dieses wiederum zu
sicheren (Abonnement-)Einnahmen und wirtschaftlicher Stabilität.711
• Produktionskooperationen bewirken eine Aufwandsreduktion.712
• Künstlerische Erfolge stärken die politische Unterstützung, was sich mittelfristig in
wirtschaftlicher Stabilität niederschlagen kann.713
• Die unangefochtene künstlerische Position als Theater bzw. Orchester der nationalen
oder internationalen Spitze führt zu anhaltender Publikumsnachfrage und stetigen
Einnahmen.714
• Langfristig steigende künstlerische Qualität und renommierte Gastkünstler wirken sich
positiv auf eine steigende Auslastung und Zahlungsbereitschaften aus.715
• Der Bekanntheitsgrad eines neuen GMDs hat die Tourneeangebote für ein Orchester erhöht.716
• In einem Kulturbetrieb führt das vorherrschende sehr hohe künstlerische Renommee
dazu, dass an Gäste niedrigere Gagen als marktüblich gezahlt werden können.717
• Der Einsatz bekannter Gäste und Solisten bedeutet einerseits höhere Kosten,
andererseits auch höhere Erlöse. Das mittelfristige Resultat für den Gesamtbetrieb
kann nicht eindeutig bestimmt werden. Kurzfristig entsteht im Regelfall zunächst ein
negativer Deckungsbeitrag.718
• Aufführungen oder Gäste mit lokalem oder regionalem Bezug lösen eine hohe
Publikumsidentifikation aus, welche infolgedessen die Wertschätzung des Kulturbe-
triebs steigen lässt und zu guter Auslastung führt.719
• Unvorhergesehene Kostensteigerungen oder unzutreffende Planwerte in der
künstlerischen Produktion schlagen sich ggf. in Mehraufwendungen nieder.720
710 Ebenda, 07-96. 711 Ebenda, 08-202; 12-58, -136, -142. 712 Ebenda, 07-110. 713 Ebenda, 05-130; 20-232. 714 Ebenda, 02-152. 715 Ebenda, 01-154. 716 Ebenda, 20-193. 717 Ebenda, 02-152. 718 Ebenda, 01-92, -154; 02-152; 04-194; 09-207. 719 Ebenda, 09-210; 12-132. 720 Ebenda, 17-128.
9. Auswertung der übrigen Variablen 215
Die Befunde werden zusammenfassend in Abb. 16 unter Berücksichtigung der
Rahmenbedingungen und NPM-Einflüsse in Anlehnung an das Variablenmodell (vgl. Kap.
1.6) abstrahiert dargestellt. Die mit den Pfeilen gekennzeichneten Wirkungsbeziehungen
können je nach konkreter Ausprägung der Einflussgröße einen begünstigenden oder
beeinträchtigenden Faktor abbilden. Die Zusammenhänge wurden aus den empirischen
Daten abgeleitet. Da diesbezüglich nicht systematisch erhoben wurde, kann weder über die
Intensität der Korrelationen und die Streuungsmaße eine Aussage getroffen, noch ein
Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Dennoch wird ersichtlich, dass der
künstlerische und der wirtschaftliche Erfolg in einem interdependenten Zirkelbezug
zueinander stehen, symbolisiert durch den Rundpfeil in der Abbildungsmitte: der
wirtschaftliche Erfolg determiniert die künstlerischen Budgets, was wiederum den
künstlerischen Erfolg beeinflusst; letzterer führt im positiven Fall zum Aufbau von
Reputation, erhöht die Zahlungsbereitschaft und damit die erzielbaren Preise, hebt die
Auslastung und steigert den wirtschaftlichen Erfolg, was wiederum Spielräume bei der
künstlerischen Planung in Folgejahren verschafft. Somit kann es im Zeitverlauf zu
spiralartigen Entwicklungsketten kommen, bei denen sich wirtschaftlicher und
künstlerischer Erfolg gegenseitig stärken (expansive Erfolgswirkung) oder im negativen
Fall auch schwächen (restriktive Erfolgswirkung). Die Beobachtung und soweit möglich
Steuerung dieser Entwicklungszusammenhänge, etwa durch die Spielplanung, ist gemäß
der Erhebung ein fruchtbares Betätigungsfeld für das Management. Der Einfluss der
unabhängigen NPM-Variablen hingegen ist begrenzt und indirekter Natur. Ferner wird
erkennbar, dass die Spielplanung und die Disposition zwei zentrale Erfolgsgrößen des
Theaterbetriebs sind, und dass eine Reihe von Rahmenbedingungen harte Restriktionen
setzen:
Abb
. 16:
Übe
rsic
ht d
er in
terd
epen
dent
en W
irku
ngsz
usam
men
häng
e im
Kul
turb
etri
eb g
emäß
em
piri
sche
r E
rheb
ung
Que
lle: E
igen
e D
arst
ellu
ng, S
yste
mat
ik in
Anl
ehnu
ng a
n da
s V
aria
blen
mod
ell,
vgl.
Kap
. 1.6
, Erl
äute
rung
en s
iehe
vor
heri
ge S
eite
.
216 9. Auswertung der übrigen Variablen
Rah
men
bedi
ngun
gen
Kün
stle
risc
her
Erf
olg
Wir
tsch
aftl
iche
r E
rfol
g
NP
M-E
infl
üsse
Pla
nung
ssic
herh
eit
Eng
agem
ent v
on g
uten
Gas
tkün
stle
rn,
Ein
nahm
en a
us K
arte
nver
kauf
Dis
posi
tion
von
Per
sona
l und
Spi
elbe
trie
b
Pre
isst
rukt
uren
Ein
nahm
en a
us M
äzen
aten
tum
und
Spo
nsor
ing
Pub
liku
msn
achf
rage
Kau
fkra
ft
Wir
tsch
aftl
iche
Kon
junk
turl
age
Ein
nahm
en a
us G
asts
piel
en
Ein
nahm
en a
us V
erm
ietu
ng u
nd k
omm
erzi
elle
n T
ätig
keit
en
Max
imal
es P
latz
ange
bot
Kar
tena
ngeb
ot g
emäß
Spi
elpl
an
Qua
ntit
ät u
nd Q
uali
fika
tion
all
er M
itar
beit
er
Spar
sam
keit
(Ein
kauf
etc
.)
Adä
quat
e In
form
atio
nsgr
undl
agen
Zah
lung
sber
eits
chaf
t
Infl
atio
n/T
arif
absc
hlüs
se
Inte
rtem
pora
le Z
usch
usse
ntw
ickl
ung
Vor
gabe
n vo
n T
räge
r/A
ufsi
chts
grem
ien
Rep
utat
ion/
Pro
min
enz
Spi
elpl
anun
g
Pol
itis
che
Unt
erst
ützu
ng
Qua
litä
t der
Auf
führ
unge
n
Qua
litä
t der
Ens
embl
es, G
MD
etc
.
Um
fang
kün
stle
risc
he B
udge
ts
Dec
kung
sbei
träg
e de
r P
rodu
ktio
nen
Gut
es M
anag
emen
t T
arif
lich
e R
estr
ikti
onen
Pro
filb
ilde
nde
Iden
titä
t
Mar
keti
ng/P
R
Rea
lisi
erun
g am
biti
onie
r-
ter
Pro
dukt
ione
n et
c.
9. Auswertung der übrigen Variablen 217
9.9 Exkurs: Kulturbetriebsspezifische Entscheidungskriterien
Im nachfolgenden Abschnitt wird der Versuch unternommen, adäquate Entscheidungs-
regeln für den Kulturbetrieb und ein Verfahren zu deren Anwendung zu entwerfen. Damit
ist zugleich die Intention verbunden, ein führungsunterstützendes Controllinginstrument
als rationalitätssteigernde Alternative zur mikropolitisch geprägten Entscheidungsfindung
zwischen künstlerischer und wirtschaftlicher Rationalität zu entwickeln. Die Besonderhei-
ten des Kulturbetriebs und der Kontext zum öffentlichen Auftrag werden berücksichtigt.
Zudem wird versucht, den von einigen Gesprächspartnern geäußerten Einwand der Nicht-
Anwendbarkeit der Deckungsbeitrags-Rechnung im Kulturbetrieb wegen negativer DB I-
Werte zu entkräften.
9.9.1 Entscheidungssituation
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Spielplanung. Sie ist eine Entscheidungssituation,
in der aus einer Vielzahl von künstlerischen Projektideen bzw. Repertoirewerken eine
Kombination ausgewählt wird, die einerseits ein zu maximierendes künstlerisches Ergebnis
verfolgt (Sachziel) und dabei andererseits die wirtschaftlichen Restriktionen einhalten
muss (Formalziel).721 Dies scheint durchaus ein realistisches Szenario zu sein, wie ein
Interviewpartner belegt:
„Ich gehe von dem Maximalprinzip aus. [...] Ich bekomme einen bestimmten Etat und meine
Aufgabe ist, aus diesem Etat möglichst viel Theater zu machen.“722
Zur Verdeutlichung wird ein fiktives Beispiel konstruiert: Ein Opernhaus befindet sich in
der Endphase der Spielplanung der kommenden Spielzeit. Die Neuproduktionen und die
Wiederaufnahmen sind bereits ausgewählt und disponiert. Um die Output-Vorgaben des
Trägers zu erfüllen, sind in der Spielplanung noch 20 weitere Aufführungen anzusetzen.
Hierfür kommt der Bestand an Repertoireinszenierungen in Frage, der ohne besonderen
materiellen und personellen Aufwand (keine Sonderproben, vorhandene Bühnenbilder und
Kostüme etc.) realisiert werden kann.
721 Vgl. hierzu auch empirischen Befund bei Stein (1982), S. 39-44, 104: Bei einer Vollerhebung unter den
westdeutschen Theatern wurde von den Vertretern der Theater angegeben, dass das Sachziel in der bestmöglichen Erfüllung einer künstlerischen/kulturellen Aufgabe bestehe (= Optimierungsaufgabe), bzw. das Formalziel mehrheitlich in der Einhaltung der Plan-Ansätze (= Restriktion). Letztere dominieren mehrheitlich das Planungsverfahren. Vgl. auch Eichhorn (1994), S. 240; Vakianis (2006), S. 81 f.
722 Interview 16-68.
218 9. Auswertung der übrigen Variablen
9.9.2 Schritt 1: Künstlerische Bewertung (Sachzielebene)
Um das Sachziel maximieren zu können, ist es zunächst notwendig, für jede in Frage
kommende Entscheidungsalternative einen Wert über den Grad der Sachzielerreichung
festzulegen. Diese künstlerische Bewertung kann individuell operationalisiert werden, etwa
durch gewichtete Teilfaktoren (Grad der Innovativität, Publikumszuspruch, Repertoirebe-
reicherung, überregionale Ausstrahlung, Motivation für Ausführende, künstlerische
Profilierung etc.).
Der Intendant und die Operndirektorin haben sich schon vor längerer Zeit auf die
drei Kriterien „Programmvielfalt der laufenden Spielzeit“, „Beliebheit beim Publikum“
und „strategische Profilierung als Bühne für moderne Oper“ entschieden, welche mit
50%, 30% und 20% gewichtet werden. Aus dem Repertoire kommen fünf Inszenierungen in
Frage, die ad hoc aufgeführt werden können. Diese werden nun im Kontext der
Gesamtspielplanung auf einer Skala von 0 bis 10 Punkten in Bezug auf die Sachzielerrei-
chung bewertet (Tab. 28):
Sachzielerreichung G. F. Händel:
Aggripina
G. Rossini:
Barbier von Sevilla
W. A. Mozart:
Zauberflöte
Alban Berg:
Lulu
Péter Eötvös:
Drei Schwestern
Krit. 1: Programm-
vielfalt (50%) 7 4 3 7 8
Krit. 2: Beliebtheit
beim Publikum (30%) 7 9 10 5 6
Krit. 3: Profilierung für
moderne Oper (20%) 0 0 0 8 10
SUMME (gewichtet) 5,6 4,7 4,5 6,6 7,8
Tab. 28: Operationalisierung und Bewertung der Sachzielerreichung pro Aufführung
Quelle: Eigene Darstellung.
9.9.3 Schritt 2: Wirtschaftliche Bewertung (Formalzielebene)
Zunächst ist zu bestimmen, welche Kennzahl für das Formalziel verwendet werden soll.
Da die meisten Kulturbetriebe über Flexibilität in Form gegenseitiger Deckungsfähigkeit
von Aufwandspositionen sowie der Kompensation von Mehr-/Minderausgaben durch
ebensolche Mehr-/Mindereinnahmen verfügen, wird an dieser Stelle der DB I als
Formalziel gewählt. Für die konkrete Entscheidungssituation ist ein Anspruchswert zu
ermitteln, der erreicht werden muss (Restriktion auf Formalzielebene), damit das geplante
Betriebsergebnis realisierbar ist.
9. Auswertung der übrigen Variablen 219
In dem Beispiel sei die Rahmenbedingung gegeben, dass die Spielzeit mit einem
Betriebsergebnis von 0 € geplant wurde. Unter Berücksichtigung der bereits abgeschlos-
senen Teilplanung wird der Jahresplanwert der Erlöse noch um 250 T€ verfehlt; ferner
stehen in den Budgets für die variablen Kosten noch 120 T€ zur Verfügung. Das bedeutet,
dass von den 20 noch anzusetzenden Aufführungen wenigstens ein DB I von 130 T€
erwirtschaftet werden muss, um das vorgesehene Jahresergebnis von 0 € zu erreichen. Mit
welchen Anteilen von Erlösen und variablen Kosten sich der DB I ergibt, spielt aufgrund
der Deckungsfähigkeit eine untergeordnete Rolle.723 Die Nebenbedingung ist eindeutig und
zugleich für die weitere Planung flexibel formuliert: NB: DB I 130 T€.
Als nächstes sind die Ausprägungen der Entscheidungsalternativen hinsichtlich des
Formalziels zu errechnen (Tab. 29):
Formalzielerreichung G. F.
Händel:
Aggripina
G. Rossini:
Barbier von
Sevilla
W. A.
Mozart:
Zauberflöte
Alban
Berg:
Lulu
P. Eötvös:
Drei
Schwestern
Erlöse (geschätzt anhand Vorperiode) 21.000 € 31.500 € 35.000 € 12.500 € 14.000 €
Variable Kosten (Gagen,
Aushilfen, Noten- und Instrumentenleihe,
Aufführungsrechte, Transporte etc.)
10.000 € 14.000 € 16.000 € 18.000 € 16.000 €
DB I = Erlöse - variable Kosten 11.000 € 17.500 € 19.000 € -5.500 € -2.000 €
Tab. 29: Operationalisierung und Bewertung der Formalzielerreichung pro Aufführung
Quelle: Eigene Darstellung.
Die variablen Kosten wurden hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht weiter
differenziert. In der Praxis werden die Unterpositionen einzeln kalkuliert werden müssen.
Dies bietet zudem den Vorteil, dass nach Entscheidungsfindung die Anpassung der
Jahresbudgets für die ggf. betroffenen Abteilungen (Bühnenbild, Kostüme, Gäste etc.)
abgeleitet werden kann. Gleichzeitig herrscht während des Planungsprozesses eine
Flexibilität bezüglich der Budgethöhe, da sich die Entscheidungsfindung am Deckungsbei-
trag orientiert, somit die Einnahmeerwartung mit der Kostenplanung korrespondiert, was
die Abteilungsbudgets erhöhen oder auch vermindern kann.
Einige Interviewpartner haben die Planbarkeit von Kartenerlösen als unrealistisch
bezeichnet. Für diesen Fall bieten sich zwei Alternativen an:
1. Erlöse werden mit den ganzjahresbezogenen durchschnittlichen Saalauslastungen
der Vergangenheit einberechnet. Dabei können die Kartenpreiskategorien und
grobe Tendenzen der einzelnen Produktionen noch immer berücksichtigt werden.
723 Jedoch bedarf es der Lokalisierung der künstlerischen Budgets bzw. Erlöse im Wirtschafts- bzw.
220 9. Auswertung der übrigen Variablen
2. Es werden lediglich die variablen Kosten der Produktionen als Formalziel berück-
sichtigt. Der Zielwert wäre dann kein Deckungsbeitrag, sondern die Summe aller
künstlerischen Budgets, die nicht überschritten werden darf.
Unabhängig von der Wahl der Variante ist die schwierige Verzahnung zwischen
künstlerischer Planung und Wirtschaftsplanung gewährleistet.
Im Beispiel wird an Deckungsbeiträgen festgehalten, weil diese die Durchlässigkeit
von Erlösen und variablen Kosten erlauben und somit zu einem größeren Entscheidungs-
spielraum verhilft.
9.9.4 Schritt 3: Entscheidungsfindung
Nun ist das Sachziel zu maximieren unter der Nebenbedingung, dass das Formalziel ein zu
erreichendes Anspruchsniveau einhält. Diese Vorgehensweise kann wie folgt zusammen-
gefasst werden:
(Max! Sachziel, NB: Formalziel bzw. Zielwert in Kongruenz mit Wirtschaftsplan)
bzw. konkret im Beispiel:
(Max! Künstlerischer Output, NB: DB I 130 T€).
Übersicht der ermittelten Werte für das Sach- und Formziel (Tab. 30):
Relation von Sach- und Formalziel
G. F.
Händel:
Aggripina
G. Rossini:
Barbier von
Sevilla
W. A.
Mozart:
Zauberflöte
Alban
Berg:
Lulu
Péter Eötvös:
Drei
Schwestern
Sachziel (Künstl. Output) 5,6 4,7 4,5 6,6 7,8
Formalziel (DB I) 11.000 € 17.500 € 19.000 € -5.500 € -2.000 €
Tab. 30: Übersicht über Sach- und Formalzielerreichung für die Entscheidungsalternativen
Quelle: Eigene Darstellung.
Folgende Kombinationen sind beispielsweise realisierbar (Tab. 31):
Variante Händel:
Aggripina
Rossini:
Barbier
Mozart:
Zauberflöte
Berg:
Lulu
Eötvös: Drei
Schwestern
Künstl.
Output
DB I
SZ 0 0 0 0 20 156,0 -40,0 T€
A 2 2 5 0 11 128,9 130,0 T€
B 4 4 4 4 4 116,8 160,0 T€
C 4 4 5 2 5 115,9 188,0 T€
D 2 8 8 1 1 99,2 306,5 T€
FZ 0 0 20 0 0 90,0 380,0 T€
Tab. 31: Sechs Allokationsbeispiele mit den jeweiligen Zielerreichungen
Quelle: Eigene Darstellung.
Haushaltsplan, somit einer belastbaren Verzahnung von externem und internem Rechnungswesen.
9. Auswertung der übrigen Variablen 221
Variante SZ maximiert das Sachziel ohne die erforderliche Beachtung von Restriktionen
und dient lediglich der Anschauung. Variante A ist das Ergebnis der Sachzielmaximierung
unter Einhaltung der Restriktion. Sie stellt das theoretisch optimale Ergebnis dar, unter
der Prämisse der Sachzieldominanz. Dabei wird ersichtlich, dass Entscheidungsalternati-
ven dominieren können, z. B. übervorteilt Eötvös grundsätzlich die Alternative Berg
(höherer Sachzielwert bei gleichzeitig höherem DB-Wert). Konsequenterweise ist die
unterlegene Altervative, Berg, nicht im optimalen Set enthalten; die überlegene Alternative
jedoch so häufig, dass die Programmgestaltung monoton werden und die Einnahme- und
Auslastungsziele verfehlt werden könnten. Daher ist es legitim und geboten, händische
Anpassungen vorzunehmen. Alternative B stellt die Gleichverteilung der Inszenierungen
dar. Variante C ist eine Mischung aus A und B, bei welcher der minimale Verlust von 0,9
Sachzielpunkten jedoch zu einem um 28 T€ höheren Deckungsbeitrag führt. Die Variante
D stellt den Fall dar, dass deutlich höhere Anforderungen an den DB I-Anspruchswert
gestellt werden, z. B. wegen einer angespannten finanziellen Situation. Variante FZ
hingegen ist der entgegengesetzte Extremfall zur Variante SZ, welche eine Formalzielma-
ximierung (DB I) ohne Berücksichtigung der Sachziele vorsieht.
Das dargestellte Verfahren könnte eine unterstützende und begleitende Funktion
ausüben. Es wird nicht intendiert, mit Algorithmen eine vollumfängliche Spielplangestal-
tung automatisiert durchführen zu lassen. Jedoch bewirken die Operationalisierungen, dass
Zielkongruenzen bzw. Zielkonflikte der Entscheidungsalternativen in Bezug auf Sach- und
Formalziel transparent und quantifizierbar werden.
Die endgültige Entscheidung kann nun auf Basis der vorliegenden Tabelle bestimmt
werden: Die Extremvarianten SZ und FZ sind nicht konform mit den aufgestellten
Entscheidungsregeln und dürften auf einer Bühne, die im Stagione-Betrieb bespielt wird,
auch nicht wünschenswert sein. Damit bewegt sich die Sachzielerreichung zwischen den
dicht beeinander liegenden Werten von 128,9 und 99,2. Variante A stellt das Optimum
gemäß der Entscheidungsregeln dar, ist vermutlich jedoch nicht empfehlenswert, da eine
hohe Konzentration bei einer Oper mit den bereits benannten Risiken vorliegt. Variante B
wird von C angesichts des nahezu identischen Sachzielwerts dominiert. Variante D fällt
stark beim Sachzielwert ab, so dass sie nur in finanziellen Ausnahmesituationen
herangezogen werden muss. Es spricht daher viel für Variante C, welche eine gute
Durchmischung des Spielplans bei hohem Sachzielwert und überplanmäßigem
Deckungsbeitrag gewährt. Der dabei auftretende überschüssige DB I von 58 T€ kann für
künftige aufwändige Produktionen herangezogen werden.
222 9. Auswertung der übrigen Variablen
9.9.5 Zusammenfassung und Interpretation
Folgende Merkmale des aufgezeigten Verfahrens lassen sich festhalten:
• Unterschiedliche Entscheidungsszenarien können abgebildet werden (Auswahl von
Neuproduktionen/Wiederaufnahmen/Repertoirebetrieb; Mengenvorgaben oder
Schwankungsbreiten; zusätzliche Restriktionen können eingefügt werden, z. B.
Maximalanzahl von Aufführungen einer Alternative).
• Bestimmung des Optimums ist programmierbar; bereits mit einfacher Tabellenkalkula-
tion lassen sich Alternativen enumerativ berechnen.
• Definition der Sach- und Formalziele ist offen und beinhaltet Spielräume zur
individuellen Anpassung; sie müssen lediglich operationalisiert werden. Als Formalzie-
le kommen außer dem DB I z. B. auch variable Kosten724, Mengen, Auslastungsgrade,
Berücksichtigung einmaliger Produktionskosten etc. in Frage.
• Voraussetzungen sind eine höhere Anzahl von Entscheidungsalternativen, als realisiert
werden müssen, und ein Mindestmaß an Detailinformationen und Planungsqualität. Bei
allen erforderlichen Schätzungen ist der Grad der Risikoneigung bewusst zu wählen -
eher konservativ - damit die Ergebnisse belastbar sind.
• Bei der vergleichenden Betrachtung und Entscheidungsfindung müssen technische,
logistische, absatz- und personalbezogene Interdependenzen bzw. Restriktionen für die
konkreten Alternativen zusätzlich beachtet werden. Auch hieraus resultiert die
Notwendigkeit der manuellen Nachsteuerung.
• Die im Kulturbetrieb nicht unüblichen negativen DB I-Werte von einzelnen
Entscheidungsalternativen werden adäquat abgebildet. Die Kombination mit
wirtschaftlich günstigeren Alternativen wird in der Entscheidungsfindung quantifiziert
berücksichtigt. Das entspricht dem in der Praxis verbreiteten Phänomen, dass populäre-
re Aufführungen mit hohen DB-Werten die weniger populären Projekte „quersubventi-
onieren“. Einzelne DB I-Werte und sogar die Summe der DB I-Werte dürfen negativ
sein, sofern die im Wirtschaftsplan geplanten Erträge und Aufwendungen dieses
aufgrund der anteiligen öffentlichen Bezuschussung erlauben. Ob die einzelnen Werte
des DB I oder die Gesamtsumme negativ oder positiv sind, spielt somit für die
Wirkungsentfaltung der Optimierung keine Rolle, zumal ein bestimmtes aggregiertes
724 Es könnte auch ein relativer Deckungsbeitrag im Sinne Riebels verwendet werden, bei welchem als
variable Kosten lediglich entscheidungsrelevante, ausgabewirksame, direkt zuordenbare Kosten angesetzt werden. Diese Vorgehensweise wäre auch mit einem kameralen Haushaltsplan einfach realisierbar, insbesondere bei der Bestimmung des zu erreichenden globalen Zielwerts des Formalziels in Kongruenz zum Wirtschaftsplan. Vgl. Riebel (1994); Schwarzmann (2000), S. 120-123.
9. Auswertung der übrigen Variablen 223
Anspruchsniveau ausreicht, um die finanziellen Restriktionen bzw. Planungsvorgaben
zu erfüllen. Bereits eine Verringerung von negativen Deckungsbeiträgen oder die
Auswahl einer Kombination mit höherem künstlerischen Output bei konstanter Summe
des DB I würde eine effizientere Ressourcenallokation hervorrufen, welche mit
kulturpolitischen und künstlerischen Sachzielen vereinbar ist. Eben diese Optimierun-
gen, die auch der Zielsetzung des NPM entsprechen, möchte das aufgezeigte Verfahren
unterstützen - unter Berücksichtigung künstlerischer Aspekte.
• Sach- und Formalziele müssen nicht zwangsläufig im Zielkonflikt stehen.
• Es kann dominierende Entscheidungsalternativen geben (höhere Sachzielerreichung bei
identischem Formalzielniveau oder höheres Formalzielniveau bei identischer Sachziel-
erreichung, oder höhere Sachzielerreichung mit zugleich höherem Formalzielniveau).
Die Identifizierung dieser Alternativen trägt zur Transparenzgewinnung und Optimie-
rung bei.
• Eine Optimierung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bei künstlerisch indifferenten
Entscheidungsalternativen (z. B. hier Variante C gegenüber B) kann notwendige
Freiräume für künstlerisch anspruchsvollere und aufwändigere Projekte schaffen,
indem zusätzliche Deckungsbeiträge realisiert werden.
• Das Gewicht des Formalziels in Relation zum Sachziel wird von der absoluten Höhe
des zu erreichenden Anspruchsniveaus vorgegeben (z. B. Variante D für einen
Kulturbetrieb, der einen DB I von mindestens 300 T€ benötigt). Die Höhe des
Anspruchswerts des Formalziels entspricht also den finanziellen Freiräumen bzw. dem
finanziellen Druck des jeweiligen Kulturbetriebs. Auf diese Weise wird eine effiziente
Allokation, auch bezüglich künstlerischer Ziele, erzeugt.
Auch wenn das Verfahren für eine direkte Umsetzung in der Praxis u. U. zu abstrakt
erscheint, so könnte aus den aufgezeigten Zielbeziehungen und Zusammenhängen eine
rationale Handlungsorientierung für die Entscheidungsträger im Kulturbetrieb
hervorgehen, die zumindet implizit oder punktuell berücksichtigt werden könnte.
Die Durchführung könnte durch eine Darstellung des Repertoires im zweidimensi-
onalen Koordinatensystem gestützt werden (Achse 1: Erfüllung des Sachziels, Achse 2:
Erfüllung des Formalziels)725. Ein portfolio-gestützter Ansatz würde damit auch die
Brücke zum strategischen Controlling bilden.
725 Vgl. Almstedt (1999), S. 233-242.
10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse 225
10 Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse
10.1 Hauptthese: Effizienzsteigerung durch NPM
Die Hauptthese muss für den Geltungsbereich der öffentlichen Kulturbetriebe und die
untersuchten Teilgebiete Einführung der Doppik, KLR, Controlling und Personalmanage-
ment mehrheitlich falsifiziert werden. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die
genannten Instrumente zwar zu einem großen Teil zum Nutzen der Kulturbetriebe
eingesetzt werden, jedoch hierbei mehrheitlich nur unwesentliche Effizienzvorteile erreicht
wurden. Insbesondere die mittelbare Effizienzwirkung bei den Thesen 1 bis 4 (vgl. Tab.
15) konnte trotz mehrheitlicher Bestätigung der Thesen empirisch nicht belegt werden.
Somit ist die Eignung von NPM – gemäß dem Titel der Arbeit – mit Einschränkungen zu
bejahen, jedoch wird eine der wichtigsten Zielsetzungen des NPMs auf betrieblicher Ebene
bislang nur partiell (Personalentwicklung, eingeschränkt bei KLR und Controlling) erreicht
(vgl. Tab. 32).
Perspektivisch werden die größten Potenziale zur Effizienzsteigerung im Personal-
bereich gesehen, in dem zugleich die Umsetzungsdichte am niedrigsten ist (Führungsin-
strumente) bzw. die gegenwärtige Ausgestaltung, etwa bei der leistungsorientierten
Bezahlung gemäß § 18 TVöD, (noch) dysfunktional. Ferner ist festzustellen, dass die
Wirkungsentfaltung von NPM-Reformen von der Anwendung und Ausgestaltung der
Instrumente abhängt. Hierbei könnten noch Verbesserungen erzielt werden (vgl. Kap. 10.3).
Der Einfluss von NPM auf das künstlerische Ergebnis ist sehr niedrig.726 Die Ein-
führung der Doppik und die dadurch bedingte Neukonzeption des Rechnungswesens samt
haushaltsrechtlichen Veränderungen können zu einer entspannteren und sichereren
Realisierung von künstlerischen Produktionen führen, jedoch nicht zu einer Effizienzstei-
gerung.727
Der Einfluss von NPM auf das wirtschaftliche Ergebnis ist dagegen höher, aller-
dings ist auch dies eine indirekte Beziehung. Wie in der vorangegangenen Übersicht
dargestellt wurde, sind es insbesondere adäquate Informationsgrundlagen für interne
Steuerungsentscheidungen und die Qualifikation des Personals, welche sich bei
entsprechender Berücksichtigung positiv auf den Erfolg auswirken können, aber nicht
müssen.
Die Frage, wie groß eine evtl. vorhandene X-Ineffizienz in den Kulturbetrieben ist,
d. h. welches nicht realisierte Effizienzpotenzial überhaupt noch durch NPM oder andere
726 Ebenda, 01-88; 03-96; 19-190; 20-149. 727 Ebenda, 04-62.
226 10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse
Management-Maßnahmen bei konstanten Rahmenbedingungen freigesetzt werden könnte,
vermag diese Studie nicht eindeutig zu beantworten. Folgende Indizien weisen allerdings
darauf hin, dass diesbezüglich Grenzen herrschen:
• Die Aufwendungen werden durch die zumeist tarifgebundenen Personalfixkosten (im
Theater durchschnittlich 74 %, davon ca. ¾ für das künstlerische Personal inklusive
den Ensembles und Klangkörpern, vgl. Tab. 34) determiniert.
• Erhebliche Grundkapazitäten an Personal, Dienstleistungen und Räumen müssen
vorgehalten werden, um den Spielbetrieb überhaupt beginnen zu können (sog.
Spielbereitschaftskosten oder Grundlast). Diese Kosten lassen sich ohne Leistungsein-
bußen kaum verringern.728
• Die frei zu bewirtschaftenden künstlerischen Budgets machen nur einen geringen
Anteil des Gesamthaushalts aus.
• Wegen der Nähe zur Kunst und dem engen terminlichen Raster des Spielplans wird
den Beschäftigten bereits ein hohes Maß an Motivation und Leistung zugesprochen.
• Tarifliche Restriktionen (z. B. Definition von Diensten samt Obergrenzen und Ruhe-
zeiten im TVK) erlauben es teilweise den Kulturbetrieben nicht, Personalkapazitäten
durch flexiblere oder zusätzliche Disposition einzusparen, was Leerkosten verursacht.
• Die Kostenentwicklung (Tarife, Preise) kann nur schwer beeinflusst werden; die Erlöse
unterliegen meist einer politisch motivierten, moderaten Preissetzung.
Wie in Kap. 2 dargelegt wurde, sind die Einspielquoten in den vergangenen 13 Jahren um
mehrere Prozentpunkte gestiegen. Fraglich ist, ob sich dieser Trend der Effizienzsteigerung
angesichts des Baumolschen Kostendilemmas weiter aufrecht erhalten lässt, zumal in die
betrachtete Periode eine Reihe von Sondereffekten fällt (Fusionen und Personalabbau nach
deutscher Wiedervereinigung, moderate tarifliche Entwicklung in 2003 ff.). Außerdem
müssten zur Bemessung der realen Effizienzsteigerung jene Einsparungen herausgerechnet
werden, z. B. durch Stellenabbau, bei denen gleichzeitig die Qualität gemindert wurde
(reduzierte Vielfalt und Abwechslung in Spielplanung, kleinere Besetzungen bei
Aufführungen etc.). Dies kann aus den Statistiken nicht verlässlich abgelesen werden.
Einschränkend bleibt festzuhalten, dass bei dieser Untersuchung die Mikro-Perspektive
des öffentlichen Betriebs im Vordergrund stand, und zudem nur drei betriebswirtschaftliche
Anwendungen des NPM überprüft wurden. Es kann daher von dem Ergebnis der Hauptthese
nicht verlässlich auf das Gesamt-Konzept des NPM geschlossen werden.
728 Vgl. Jacobshagen (2002), S. 8 f.
227
These Inhalt Ergebnis Kurzübersicht des empirischen Befunds
1 Wirklichkeitsnähere Abbildung durch Doppik
weitgehend bestätigt
Transparenzfördernde Eigenschaften sind in der Doppik systemimmanent enthalten; Wirklichkeitsnähe ist abhängig von Wahlrechten und Bewertungsfragen; Kameralistik ist nicht grundsätzlich ungeeignet
2 Neuer steuerungsrele-vanter Informationsge-halt durch Doppik
mehrheitlich bestätigt
Neuer Informationsgehalt liegt eindeutig vor, jedoch starke Einschränkung der Steuerungsrelevanz aufgrund von dominierenden Sachzielen und Liquiditätsorientie-rung durch hohe konsumtive Ausgaben
3 Steigerung der Nachhaltigkeit durch Doppik
mehrheitlich falsifiziert
Doppik verändert wirtschaftliche Darstellung, jedoch nicht das Wirtschaften selbst; Hintergrundvariablen sind haushaltsrechtliche Freiheiten zum Rücklagenaufbau und entsprechende Gewinnthesaurierung
4 Erhöhung der wirtschaftlichen Transparenz durch KLR
bestätigt Dennoch Defizite in der Umsetzung; Teilkostenrechnung hat sich bewährt; Controlling-Tätigkeitsgebiet wünschenswert; Darstellung von Erlösen und Deckungsbeiträgen bislang weniger verbreitet
5 Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz durch KLR
mehrheitlich falsifiziert
Hohe Fixkosten (Personal), geringer Steuerungs- und Entscheidungsspielraum, wenig Optimierungspotenzial; budgetorientierte Arbeitsweise; Relevanz wird niedrig eingeschätzt, folglich wenig Beachtung/Nutzung
6 Erhöhung der Rationalität des Handelns durch Controlling
mehrheitlich bestätigt
Führungsunterstützung insbesondere bei Budgetierungen und Wirtschaftsplanung und -verfolgung; Einschränkun-gen bei künstlerischen Planungen; neue Einsatzgebiete z. B. im Fixkostenmanagement
7 Effizienzsteigerung durch Leistungsorien-tierte Bezahlung
falsifiziert Untersucht wurde § 18 TVöD (LoB); keine Anzeichen für Verhaltensänderungen; schwache Anreizsituation; hoher Implementationsaufwand; noch geringe Umsetzungsdichte, daher sind Änderungen noch zu erwarten
8 Effizienzsteigerung durch Führungsinstru-mente
keine Beurteilung möglich
Führungskultur liegt in individueller Verantwortung des jeweiligen Vorgesetzten; keine systematische Beeinflussung oder Reflexion durch Leitung; Potenzial wird gering eingeschätzt; wenig Fortbildungsangebote
9 Effizienzsteigerung durch Personalentwick-lung
bestätigt Technischer Fortschritt wird realisiert; insbesondere Verantwortungserweiterung von Mitarbeitern vorteilhaft; Organisationsentwicklungsprozesse werden durchgeführt, häufig mit Effizienzsteigerung
Hauptthese Effizienzsteigerung durch Einführung von NPM-Instrumenten
mehrheitlich falsifiziert
Eignung der Reformelemente durchaus vorhanden, jedoch Wirkung bislang mehrheitlich nicht signifikant effizienzsteigernd, weder unmittelbar (Thesen 5, 7) noch mittelbar (Thesen 1-4, 6) trotz Informationszugewinn; Potenziale besonders im Personalbereich, wo Anwendungsdichte noch relativ niedrig; Doppik-Einführung ist primär eine normative Systementschei-dung in größerem Kontext; KLR und Controlling haben primär unterstützenden Charakter und sind für die Geschäftsführung bzw. Träger von Vorteil und Nutzen; LoB und Führungsinstrumente müssten weiterentwickelt bzw. vertieft werden
Tab. 32: Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse
Quelle: Eigene Darstellung.
10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse
228 10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse
10.2 Bewertung der Modellierung des Kulturbetriebs
Nachfolgend wird in Abb. 17 das Variablenmodell erneut aufgegriffen und auf die
Konsistenz zu den empirischen Ergebnissen hin überprüft. Die grobe Struktur war
geeignet, die gemessenen Beziehungen zu erklären. Im Vergleich zur ursprünglichen
Gestalt (vgl. Kap. 1.6) ergeben sich folgende Veränderungen bzw. Konkretisierungen: Die
Gestaltung des externen Rechnungswesens beeinflusst die Konzeption des internen
Rechnungswesens. Die Kulturpolitik bzw. -verwaltung nimmt sowohl direkten Einfluss auf
die NPM-Instrumente, welche implementiert werden, als auch auf den Implementati-
onsprozess an sich. Dies gilt auch für die wirtschaftliche Rationalität, in schwächerer
Weise ebenso für die künstlerische Rationalität. Die Einführung von NPM-Instrumenten
hat die Rahmenbedingungen für die Kulturbetriebe beeinflusst. Die bürokratische
Rationalität entfällt. Künstlerische und Wirtschaftliche Rationalität interagieren als
heterogene Rationalitäten. Der wirtschaftliche Erfolg wird stärker von den NPM-
Instrumenten und den intervenierenden Variablen beeinflusst als der künstlerische Erfolg
(weiße Pfeile). Künstlerischer und wirtschaftlicher Erfolg stehen zudem in einem
wechselseitig determinierenden Verhältnis:
10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse 229
Abb. 17: Modifiziertes Variablenmodell nach der empirischen Untersuchung (Kap. 1.6)
Quelle: Vgl. Abb. 6; helle Pfeile = schwacher Zusammenhang, dunkle Pfeile = starker Zusammenhang.
Implementierungsprozess (Umsetzung der NPM-Instrumente)
Intervenierende Variablen
Abhängige Variablen
Unabhängige Variablen (Einfluss von NPM-Instrumenten)
Externes Rechnungswesen
(Doppik)
Internes Rechnungswesen
(KLR/Controlling)
Personal- management
(HRM)
Wirtschaftlicher Erfolg
Künstlerischer Erfolg
Wirtschaftliche Rationalität
Künstlerische Rationalität
Rahmen- bedingungen
Kulturpolitik und Kulturverwaltung
Vermittlungsprozess-Variablen
Interaktion derheterogenen Rationalitäten
230 10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse
10.3 Fazit und Ausblick
Im Rahmen der empirischen Erhebung dieser Arbeit galt das wesentliche Interesse der
Analyse und ex-post-Evaluation von Umsetzungen der betriebswirtschaftlichen NPM-
Instrumente Doppik, KLR und Controlling sowie Personalmanagement in öffentlichen
Kulturbetrieben. Die nachfolgenden Ergebnisse reflektieren somit den Status Quo.
Die Eignung der untersuchten NPM-Ansätze ist hinsichtlich einer verbesserten
Steuerung der Kulturbetriebe mehrheitlich gegeben: Durch die Doppik wird eine
umfassendere, wirklichkeitsnähere Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des
Kulturbetriebs erreicht. Der Informationsgehalt des Rechnungswesens steigt, sowohl durch
die Doppik als auch durch die KLR. Das Controlling betätigt sich primär auf Ebene des
Gesamtwirtschaftsplans und der Budgetverfolgung und kann die verantwortlichen
Personen mit relevanten Informationen versorgen. Personalentwicklungsmaßnahmen
erhöhen die innerbetrieblichen Dispositionsmöglichkeiten und gewährleisten, dass die
Mitarbeiter den sich verändernden und wachsenden Anforderungen in ihren Arbeitsgebie-
ten gerecht werden können.
Die unmittelbaren und durch Steuerungsoptimierung mittelbaren Effizienzziele
werden auf der betrieblichen Ebene jedoch nur eingeschränkt erreicht. Dies liegt im
Wesentlichen an vier Gründen:
1. Die suboptimale Implementierung des Instruments: Bei der leistungsorientierten
Bezahlung ist die derzeitige Gestaltung nicht funktional. Die zum Zeitpunkt der
Erhebung geltenden tariflichen Strukturen setzen (noch) keine ausreichenden Anreize,
um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Die Ausgestaltung des internen Rech-
nungswesens entspricht in einigen Fällen nicht in ausreichendem Maße den betriebli-
chen Erfordernissen. Unzulängliche Reformen des externen Rechnungswesens können
hierfür ursächlich sein, z. B. wenn kulturbetriebsspezifische Ertrags- und Aufwandsar-
ten im Kontenplan nicht berücksichtigt werden.
2. Die wirtschaftlichen Strukturen des Produktionsprozesses im Kulturbetrieb werden
durch NPM nicht verändert: So können zwar Bilanz, GuV, KLR und Controlling
Transparenz und Rationalität herstellen, ändern jedoch an den nur geringen Entschei-
dungsspielräumen und hohen Kostendeterminationen durch die betriebsnotwendigen
Mindestkapazitäten (Grundlast) inklusive Personalkorpus nichts. Das vertiefte Wissen
um wirtschaftliche Zusammenhänge sichert die Geschäftsleitung ab (Führungsunter-
stützung) und gehört ab einer gewissen Betriebsgröße zu den allgemein verbreiteten
Methoden, reduziert jedoch per se noch keine Kosten bzw. erhöht keine Erlöse. Es ist
10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse 231
somit unrealistisch, nennenswerte unmittelbare Effizienzvorteile aus Reformen des
externen und internen Rechnungswesens zu erwarten. Voraussetzung für mittelbare
Auswirkungen ist ein Managementspielraum in Bezug auf wirtschaftliche Entschei-
dungen, der in den Kultureinrichtungen bei der Realisierung des Spielbetriebs nur
begrenzt vorhanden ist.
3. Die Nicht-Anwendung oder Nicht-Berücksichtigung von NPM-Instrumenten
verhindert eine Wirkungsentfaltung: Die Führungskultur ist vorrangig eine Angele-
genheit der jeweiligen Führungskraft und wird nicht systematisch reflektiert, beein-
flusst und selten geschult. Auch die Ansätze der Personalentwicklung werden zumeist
nur im Bedarfsfall eingesetzt. Offensichtlich mangelt es aber auch an Ressourcen, um
das Personalmanagement zu vertiefen. Einige Experten bezweifeln allerdings die
Notwendigkeit oder Vorteilhaftigkeit. Die verbreitete Anwendung von Budgets als
Steuerungsinstrument weisen auf das Maximalprinzip hin (zu maximierender Output
bei konstantem Input), wobei die Effizienzmessung inklusive qualitativer Aspekte
schwierig ist. Die systematische Verknüpfung von künstlerischen und wirtschaftlichen
Aspekten hat sich bislang in den Steuerungsinstrumenten nicht niedergeschlagen.
Daten aus der KLR und dem Controlling auf Formalzielebene fließen in sachzielbezo-
gene Entscheidungsprozesse punktuell als Restriktion, aber nicht im NPM-Sinn zur
gesamtbetrieblichen Optimierung und strategischen Steuerung ein, etwa bei künstleri-
schen Entscheidungen. Die Experten bezweifeln jedoch teilweise den Aussagewert von
vergangenheitsbezogenen KLR-Daten für die Planung; die Möglichkeiten zur Optimie-
rung aus diesen Daten heraus seien nur begrenzt gegeben. Eine diesbezüglich mögliche
Herangehensweise wurde in Kap. 9.9 in Form kulturbetriebsspezifischer
Entscheidungskriterien aufgezeigt.
4. Die empirisch betrachtete betriebliche Ebene ist für sich genommen nur beschränkt in
der Lage, Effizienzen freizusetzen. Dazu ist eine Gesamtbetrachtung des öffentlichen
Sektors mit sämtlichen Gewalten (Meso-Ebene, vgl. Abb. 3) notwendig. Dies gilt etwa
für langfristige Wirkungen wie die Schonung von Ressourcen durch Nachhaltigkeitsef-
fekte aus der Doppik, welche bei den Gebietskörperschaften zu erwarten wäre, oder
die NPM-Kernelemente des Kontraktmanagements und der Wirkungsorientierung. In
einem Fall hat sich der Produktkatalog für ein Theater als problematisch erwiesen, da
sich die damit verbundene Mittelbindung auch auf die umfangreichen umgelegten
Gemeinkosten bezog. Da bei Produkten der subventionierten (Hoch-)Kultur innerhalb
der Gattungen im Regelfall kein lokaler Wettbewerb herrscht, sind Kostensenkungen
aus stärkerer Nutzung von Marktmechanismen nicht zu erwarten. Die Doppik ist
232 10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse
grundsätzlich mindestens ebenso gut wie die Kameralistik als Rechnungssystem für
einen Kulturbetrieb geeignet. Ob sie prinzipiell überlegen ist, muss angesichts der
meist relativ niedrigen Bilanzsummen, der hohen Bedeutung der Liquidität für
konsumtive Ausgaben und den wiederkehrenden Spielzeitzyklen bezweifelt werden,
zumindest für kleine bis mittelgroße Kulturbetriebe, die über kein nennenswertes
Vermögen verfügen. Es darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich bei der
Doppik Vorteile aus der Integration in größere Zusammenhänge (städtische
Konzernbilanz etc.) ergeben können, die nicht untersucht wurden.
Die in Kap. 2 aufgezeigte Steigerung der Einspielquote der Gesamtheit der deutschen
Theater und Orchester zwischen 1995 und 2007 ist nach den Ergebnissen dieser Arbeit
nicht wesentlich auf NPM-Reformen zurückzuführen, sondern auf „harte“ Sparvorgaben
durch die Träger (Fusionen, Stellenabbau, sinkende Zuwendungen), moderate Preis- und
Tarifentwicklung und innerbetriebliches Management (Veränderungen des Programman-
gebots und der Disposition, Absenkungstarifverträge, Professionalisierung des Marketings
u. a.). Wie bereits im Kap. 10.1 aufgeführt, kann jedoch von den empirischen Ergebnissen
dieser Erhebung wegen eingeschränkter Repräsentativität nicht auf das NPM-Konzept im
Allgemeinen geschlossen werden, da hier nur ein Teilbereich des öffentlichen Sektors und
einige betriebswirtschaftliche Elemente des NPM untersucht wurden.
Aus den geschilderten Befunden ergeben sich weiterführende Entwicklungs- und
Einsatzmöglichkeiten für NPM-Instrumente:
• Höhere Anwendungsdichte der Deckungsbeitrags-Rechnung zur Realisierung von
höheren Deckungsbeiträgen, wenn künstlerische Aspekte darunter nicht leiden, etwa
durch Anpassungen der Preis- und Abonnementstrukturen, der Anzahl von Aufführun-
gen bzw. angebotenen Plätzen, konkrete Auswahl von Repertoireinszenierungen etc.
• Ausbau der Budgettransparenz (Aktualität, Verfügbarkeit, Verzahnung mit Systemen
des Rechnungswesens, Kongruenz der Organisationsstruktur mit finanziellen Verant-
wortlichkeiten).
• Stärkere Fokussierung der KLR-Systeme auf die Entscheidungssituationen.
• Einbeziehung der generierten Informationsbasis als eine Entscheidungsgrundlage.
• Stärkeres Gemeinkostencontrolling inklusive Mengengerüst, bis zur einzelvertragli-
chen Ebene, etwa bei Dienstleistungen und verbrauchsabhängigen Fremdleistungen.
• Weiterentwicklung der LoB mit stärkerer Spreizung der monetären Leistungsbewer-
tung.
10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse 233
• Weiterbildung der Mitarbeiter und Erweiterung der Verantwortungsbereiche auf
unteren Hierarchiestufen.
• Hohe Sorgfalt bei allen Personalrekrutierungen.
Die Anwendung von NPM wird jedoch nur dann seine Wirkung entfalten können, wenn
sich die oberste Leitungsebene mit der veränderten Steuerungskultur identifiziert und in
die tieferen Ebenen hineinträgt. Dies erfordert zudem den rationalen Umgang mit
vorhandenen Informationen, ein den finanziellen Möglichkeiten angepasstes, sorgfältiges
Abwägen von Sach- und Formalzielen und ein betriebliches Verständnis der Kultureinrich-
tung als ein der Öffentlichkeit und dem Gemeinwohl verpflichteter Dienstleister.
Im Vergleich von Theatern und Orchestern ist NPM für Orchester eine niedrige-
re Eignung zuzuschreiben. Dies liegt daran, dass im Regelfall lediglich einige wenige
nicht-künstlerische Mitarbeiter (Geschäftsführung, Verwaltung, Orchester-/Notenwart,
Organisation, Marketing/Service) zum Personal des Orchesters neben dem Klangkörper
gehören, sofern kein eigener Konzertsaal betrieben wird. Die zuvor geschilderten
Ergebnisse greifen hier noch stärker: Die Personalkosten der Musiker dominieren den
Wirtschaftsplan, die künstlerischen Budgets beziehen sich nur auf Gastdirigenten und
Solisten, da im Gegensatz zum Theater keine umfänglichen Produktionsentscheidungen zu
fällen sind. Das Anlagevermögen ist rudimentär und besteht zumeist nur aus der Betriebs-
und Geschäftsausstattung und einigen Instrumenten.
Es wurden neben den Instrumenten des NPM weitere, langfristige Erfolgsdeterminanten
identifiziert, die durch entsprechendes Management beeinflussbar sind und in keinem
direkten Zusammenhang zu NPM-Reformen stehen:
• Gute Verzahnung von Spielplan und Disposition, dabei ein effizienter Einsatz des
Mengengerüsts, Verringerung von Leerkosten, sorgfältige Planung der Struktur des
Spielbetriebs.
• Intensivierung des Marketings, der Markenprofilierung und der Kundenbindung.
• Fokussierung des Managements auf mittelfristige strategische Weiterentwicklung der
Institution anstelle auf Sequenz von Einzelprojekten, somit:
• Bereitschaft des Managements zu einer strategisch intendierten und konsistenten
Zielsetzung und Planung im künstlerischen und nicht-künstlerischen Bereich, unter
Berücksichtigung der vielfältigen Zusammenhänge im Kulturbetrieb (vgl. Abb. 16).
• Engere Verknüpfung von wirtschaftlichen und künstlerischen Gesichtspunkten bei der
operativen und strategischen Planung.
234 10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse
• Ausweitung der Bemühungen um Drittmittelakquise und kommerzielle Tätigkeiten,
sofern dieses wirtschaftlich erfolgt und die Erfüllung des öffentlichen Auftrags dabei
nicht eingeschränkt wird.
• Stärkung des Vertrauensverhältnisses zu allen Stakeholdern.
• Kooperationen mit anderen Kulturbetrieben bei künstlerischen Produktionen, sofern
Kostenvorteil und/oder inhaltliche Befruchtung gegeben.
• Sparsame Beschaffung (Einkauf) und gutes Vertragsmanagement mit Dienstleistern.
• Offenheit, Kooperationswille und gegenseitiges Verständnis im Leitungspersonal
untereinander, gemeinsame ideelle Basis und Zielvorstellung.
Neben NPM und „gutem“ Management sind es auch Rahmenbedingungen und gewachsene
Wertvorstellungen, deren Veränderung die Effizienz positiv beeinflussen könnte:
• Die Akzeptanz des Yield Managements bei Kartenpreisen (intertemporal schwanken-
de, IT-gestützte Preisgestaltung gemäß der Nachfrageentwicklung und anderen
Faktoren) und die Personalisierung von Eintrittskarten könnten die Erlöse erhöhen, den
Schwarzhandel mit Karten senken und die Auslastung steigern. Das dabei generierte
größere Publikum bedeutet mittelbar auch einen höheren Impact und Outcome.
• Eine weitere Verbesserung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für Sponsoring
(Abschaffung der Ertragssteuerpflicht bei aktiven Werbeleistungen; Ermöglichung des
Vorsteuerabzugs bei umsatzsteuerpflichtigen Werbeleistungen, wenn aus dem
Sponsoringvolumen Beschaffungen für das geförderte kulturelle Projekt getätigt
werden, die nicht zur Erfüllung der geschuldeten Werbeleistung dienen).
• Stärkere Bereitschaft bei Sponsoren und Mäzenaten, sich für die Grundlast
(Gemeinkosten) eines Kulturbetriebs zu engagieren, insbesondere wenn die öffentliche
Hand steigende Kosten nicht ausfinanziert und somit dem an sich öffentlichen
Kernauftrag nicht mehr nachkommt, z. B. durch Patenschaften für Orchesterstellen.
• Bereitschaft und Fähigkeit des Managements zu einer strategischen Führung des
Kulturbetriebs, welche sich trotz (oder gerade wegen) künstlerischer Freiheiten und
Irrationalitäten an übergeordneten strategischen Zielen orientiert und diese auf die
operative Ebene inklusive künstlerischer Entscheidungen herunterbricht.
• Reduktion von tariflichen Restriktionen und Besitzständen, welche zur Zeit noch eine
flexiblere Disposition verhindern bzw. verteuern oder zusätzliche Kapazitäten
erforderlich machen.
10. Abschließende Bewertung der empirischen Ergebnisse 235
• Angesichts des Professionalisierungsdrucks in Kulturbetrieben kann eine stärkere
Spreizung der Gehälter und die Aufhebung des Besserstellungsverbots Leistungsträger
und qualifiziertes Personal anziehen, insbesondere auf mittlerer Ebene.
Bei allen Bemühungen um Reformen im öffentlichen Sektor und betriebliche Effizienz-
steigerungen wird mittelfristig dennoch die politische Frage dominierend bleiben, wie
viel Kultur sich eine Gebietskörperschaft leisten kann und möchte, und welcher
ökonomische und ideelle Stellenwert den Kulturbetrieben im Einzelfall beigemessen wird.
NPM kann das Baumolsche Kostendilemma in Kulturbetrieben und die starke
Abhängigkeit von öffentlichen Zuwendungen nicht strukturell beseitigen, sondern nur
geringfügig lindern.
Für die weitere Forschung können zwei mögliche Vertiefungen aus den Ergebnis-
sen dieser Arbeit abgeleitet werden: Erstens eine Spezifikation des NPM-Ansatzes für
produzierende öffentliche Betriebe unter Beachtung der unterschiedlichen Informationsbe-
dürfnisse und Managementperspektiven zwischen Betrieb, Regierung und Parlament.
Zweitens die (Weiter-)Entwicklung einer empirisch fundierten allgemeinen Kulturbetriebs-
lehre, welche die Besonderheiten dieses Teilsektors berücksichtigt, insbesondere den
rationalen Umgang mit Irrationalitäten und nicht-quantifizierbaren qualitativen Aspekten.
Als empirischer Ansatz kommt für beide Vertiefungen u. a. eine qualitative Fallstudienbe-
trachtung in Frage, bei der jeweils mehrere interne und externe Stakeholder einbezogen
werden, da hierbei eine hohe Validität und Berücksichtigung der individuellen
Rahmenbedingungen realisierbar ist. Quantitative Daten aus Jahresabschlüssen und dem
internen Rechnungswesen könnten zur Triangulation herangezogen werden.
Anhang 237
Anhang
Anhang 1: Erläuterung zu Abb. 8 und 9
Kategorie in Abbildung Darunter fallen Gesamtwert in T€
Vollpreiskarten Vollpreiskarten 175.532
Abonnements Abonnements und Platzmieten 58.628
Sonstige Kartenerlöse Besucherorganisationen, sonstige rabattierte und
Gebührenkarten, Jugendvorstellungen, Jugendmieten
46.876
Fremdveranstaltungen Gastspiele fremder Ensembles im eigenen Haus 8.674
Auswärtige Gastspiele Gastspiele des eigenen Ensembles 36.147
Garderobe Garderobengebühren und Theaterzettel 8.695
Programmverkauf Programmverkauf 5.142
Medienerlöse Rundfunk- und Fernseherträge bei Übertragungen 1.632
Sonstiges Auflösung von Rückstellungen, übrige Einnahmen 75.829
Spenden und Sponsoring Zuschüsse privater Einrichtungen 21.234
SUMME Eigenerwirtschaftete Einnahmen 438.389
Öffentliche Zuweisungen Bund, Land, eigene und fremde Gemeinden,
Gemeindeverbände, Anstalten öffentlichen Rechts, EU-
Projektmittel
2.075.907
SUMME Einnahmen insgesamt 2.514.296
Tab. 33: Aggregationen der Einnahmen der deutschen Theater (Abb. 8 und 9)
Quelle: Deutscher Bühnenverein (2007), S. 257 ff.
238 Anhang
Anhang 2: Erläuterung zu Abb. 10 und 11
Kategorie in Abbildung Darunter fallen Gesamtwert in T€
Leitungspersonal Intendant, Verwaltungsdirektor, Spartenleiter,
Chefdramaturg, GMD, Künstl. Betriebsdirektor,
Technischer Direktor, Ausstattungsleiter
72.139
Orchester Hauseigenes Orchesterpersonal und engagierte
hausfremde Kulturorchester
264.785
Chöre Chormitglieder 118.832
Sänger Sängerensemble 64.655
Schauspieler incl. Kinder- und Jugendtheaterschauspieler 92.067
Tänzer Tänzer 60.539
Nicht darstellendes
künstlerisches Personal
Künstlerisches Betriebsbüro, Presse- und Öffentlichkeits-
arbeit, Dramaturgen, Inspizienten, Souffleure,
Hausregisseure, etc.
122.320
Künstlerisch-technisches
Personal
Bühnenarbeiter/-techniker, Beleuchter, Tonmeister,
Requisiteure, Rüstmeister, Orchesterwarte, Werkstätten,
Maske, Kostüme
564.773
Verwaltungs-, Hauspersonal
und Vertrieb
Allgemeine Verwaltung, eigenes Hauspersonal
(Abendtürwarte, Garderoben, Hausmeister, Haustechnik,
Reinigung), Kasse, Abonnementverwaltung
143.013
Unständiges Personal Für einzelne Produktionen verpflichtete Gastkünstler,
Werkverträge, technische und künstlerische Aushilfen,
Einspringer
212.767
Sonstige Personalkosten Versorgungsbezüge, Rückstellungen, Fortbildung,
personalbezogene Sachausgaben
47.825
SUMME Personal 1.763.715
Sächliche Betriebsausgaben Verwaltungsausgaben, Mieten, Pachten, Ausstattungskos-
ten, Veröffentlichungen, Urheberabgaben, Materialkosten
233.093
Finanzierung und Zinsen Besondere Finanzierungsausgaben, Zinsen,
Tilgungsdienst
58.087
Gastspiele Auswärtige Gastspiele, Gastspiele fremder Ensembles 31.716
Abschreibungen Abschreibungen 66.407
Grundstücke, Gebäude,
Anlagen
Grundstücke, Gebäude, bauliche Anlagen 106.227
Geräte, Ausstattung Geräte, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenstände 22.913
Sonstiges Feuerwehr, Interne Verrechnungen, Sonstige
Theaterbetriebsausgaben
91.452
SUMME Ausgaben insgesamt 2.373.610
Tab. 34: Aggregationen der Ausgaben der deutschen Theater (Abb. 10 und 11) Quelle: Deutscher Bühnenverein (2007), S. 258 f.; zu den Abweichungen vgl. Fußnote 1 in: Deutscher
Bühnenverein (2007), S. 259.
Anhang 239
Anhang 3: Fragebogen der Experteninterviews
I. Überblick verschaffender Einstieg: 5 Min. 1. Buchen Sie doppisch? Seit wann? 2. Existiert eine Kosten- und Leistungsrechnung? 3. Gibt es eine Controlling-Stelle oder ein Tätigkeitsgebiet Controlling? Wenn ja, seit
wann? 4. Gibt es eine Person, die mit Aufgaben des Personalmanagements betraut ist, welche
über Personalverwaltung und Gehaltsabrechnung hinausgehen? 5. Seit welchem Jahr sind Sie hier tätig? 6. Welches sind Ihre Hauptaufgaben und Entscheidungskompetenzen? 7. Gibt es gewichtige Besonderheiten seit 1994, die man bei der Interpretation der
Daten Ihres Betriebs in der Theaterstatistik berücksichtigen muss (z. B. Ereignisse wie eine Fusion oder strukturelle Besonderheiten, neuer Konzertsaal etc.)?
Auswahl der nachfolgenden, vertiefenden Fragen (ca. 40 Min.) wurden vom Interviewer situativ ausgewählt in Abhängigkeit vom a) Stand der Umsetzung von NPM-Instrumenten in den drei Schwerpunktgebieten und b) inwieweit der befragte Experte die Einführung der NPM-Instrumente persönlich erlebt/begleitet hat.
II. Fragenblock zur unabhängigen NPM-Variable Externes Rechnungswesen
8. Was sind die wesentlichen Positionen des Anlagevermögens? 9. Wird das Anlagevermögen in einem Sonderposten gespiegelt, d. h. Neutralisierung
der Abschreibung? 10. In welchem Umfang beeinflussen Zahlen aus der Bilanz und GuV das heutige und
zukünftige Wirtschaften? War dies zu kameralistischen Zeiten anders? 11. Haben die Bilanz und die GuV neue Einsichten hervorgebracht? Wenn ja, welche? 12. Weicht das kaufmännische Jahresergebnis von dem früheren kameralen liquiditäts-
orientierten Ergebnis ab? Ja/Nein: Warum? 13. Wie schätzen Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen die Wirklichkeitsnähe der Darstel-
lung der wirtschaftlichen Verhältnisse ein, vergleichend zwischen Doppik und Kameralistik? Halten Sie aufgrund ihrer Erfahrungen ein System für überlegen?
14. Wird die neue Systematik von den internen und externen Entscheidungsträgern adäquat interpretiert?
15. Welche Konsequenzen hatte die Umstellung auf kaufmännische Buchführung auf das langfristige Wirtschaften?
16. Gibt es angesichts der entfallenen kameralen Titel eine Form von Liquiditätsmana-gement?
17. Welche Auswirkungen hatte die Umstellung auf kaufmännische Buchführung für den wirtschaftlichen Erfolg? Für den künstlerischen Erfolg?
18. Wie beurteilen Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis des praktizierten doppischen Rechnungswesens? Wenn schlecht: warum?
240 Anhang
III. Fragenblock zur unabhängigen NPM-Variable Internes Rechnungswesen
19. Falls KLR vorhanden: Nähere Spezifikation: Vollkosten/Teilkostenrechnung. Was sind Kostenstellen, -träger? Teilkosten-/Vollkostenrechnung? Zeitaufschreibung?
20. Praktizieren Sie eine Leistungsrechnung? Wenn ja, wie werden Erlöse zugeordnet? Gibt es festgelegte Verantwortlichkeiten für die Erlöse? Werden Erlöse differen-zierter als im Wirtschaftsplan kalkuliert und geplant?
21. Gibt es Kostenstellenverantwortliche im Betrieb? Beschreiben Sie bitte deren Rolle (Kompetenzen, Verantwortlichkeit). Erhalten sie die Daten aus KLR? Gibt es re-gelmäßige Gespräche? Top-Down-Planungsprozess bzw. Zielsetzung? Wenn ja: In welcher Form werden sie verantwortlich gemacht? Was geschieht ggf. bei Abwei-chungen?
22. Wie stark fließen die Erkenntnisse/Daten/Auswertungen aus der KLR in Entschei-dungsprozesse mit ein? Führt dies zu mehr Wirtschaftlichkeit? Wem dienen Daten der KLR? Was geschieht mit KLR-Daten nach ihrer Erhebung?
23. Hat die KLR zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Transparenz und der Kenntnis über wirtschaftliche Zusammenhänge beigetragen? Resultierten daraus Konsequenzen?
24. Welche Auswirkungen hatte die Einführung von KLR auf das wirtschaftliche Ergebnis? Auf das künstlerische Ergebnis?
25. Wie beurteilen Sie die Angemessenheit nach Art und Umfang der praktizierten KLR für Ihre betrieblichen Belange?
26. Welches sind die Hauptaufgaben des Controllings? Welche Controlling-Instrumente werden praktiziert (operative und strategische Instrumente, z. B. Soll-Ist-Vergleiche, Benchmarking, Budgets, BSC, strategisches Controlling)?
27. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Controlling gemacht? 28. Wie stark fließen die Erkenntnisse aus KLR und Controlling in die betrieblichen
Entscheidungsprozesse mit ein? 29. Haben KLR und Controlling zu einem effizienteren oder rationaleren Management
beigetragen? 30. Was hat sich wirtschaftlich verändert, seit Sie KLR und Controlling nutzen? 31. Wie beurteilen Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis von KLR und Controlling in
Ihrem Betrieb? Wenn schlecht: warum?
IV. Fragenblock zur unabhängigen NPM-Variable Personalmanagement
32. Gibt es Maßnahmen des Personalmanagements, die über die Personalverwaltung hinausgehen? Welche? Seit wann ungefähr?
33. Gibt es Anreizsysteme oder variable Gehaltskomponenten, z. B. § 18 TVöD? Wenn ja, wer/wie hoch/nach welchen Kriterien? Im künstlerischen Personal?
34. Was waren die Auswirkungen dieser Anreizsysteme? 35. Gibt es systematisch betriebene Personalentwicklungsmaßnahmen? (Weiterbildung,
Job Enrichment, Job Rotation etc.) Wenn ja, welche? Wer entscheidet hierüber? 36. Werden Führungsinstrumente wie z. B. Mitarbeitergespräche oder bestimmte
Management-by-Techniken praktiziert? Systematisch? Auswirkungen? 37. Werden die leitenden Mitarbeiter zu Führungskompetenz, soft skills etc. geschult? 38. Falls Tenor eher bejahend: Welche Erfahrungen haben Sie mit den genannten
Instrumenten des Personalmanagements gemacht? Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Personalmanagement auf das wirtschaftliche Ergebnis? Auf das künstlerische Ergebnis? Kosten-Nutzen-Verhältnis?
Anhang 241
39. Falls Tenor eher verneinend: Haben Sie vor, einige der genannten Instrumente des Personalmanagements einzuführen? Was versprechen Sie sich? Bzw. Warum nicht?
Die beiden abschließenden Frageblöcke wurden allen Gesprächspartnern gestellt: V. Fragenblock zu den Intervenierenden Variablen: ca. 10 Min.
40. Welche Rolle spielt die Kulturverwaltung (Exekutive, z. B. Dezernent/Referent) für Ihren Betrieb?
41. Welche Rolle spielt die Kulturpolitik (Legislative, z. B. Kulturausschuss) für Ihren Betrieb?
42. Wie stark sind wirtschaftliche Interessen und Argumente maßgeblich bei den Entscheidungs- und Planungsprozessen?
43. Wie stark sind künstlerische Interessen und Argumente maßgeblich bei den Entscheidungs- und Planungsprozessen?
44. Gibt es rechtliche Rahmenbedingungen, die den wirtschaftlichen oder künstleri-schen Erfolg erschweren oder schmälern?
45. Gibt es andere, nicht-rechtliche Bedingungen, die den wirtschaftlichen oder künstlerischen Erfolg beträchtlich erschweren oder schmälern?
46. Was müsste sich an den Rahmenbedingungen ändern (abgesehen von höheren Zuwendungen), damit sich der wirtschaftliche Erfolg steigern kann? Der künstleri-sche Erfolg?
47. Sind die von Ihrem Betrieb erhaltenen öffentlichen Zuwendungen gegenseitig deckungsfähig, d. h. liegt ein Globalbudget vor?
48. Dürfen Sie überschüssige Mittel ins Folgejahr übertragen und Rücklagen aufbauen? 49. Welche Tarifverträge wenden Sie an? 50. Wie hoch ist der Anteil der tarif-ungebundenen Personalkosten?
VI. Fragenblock zu den Abhängigen Variablen: 5 Min.
51. Wovon wird das wirtschaftliche Ergebnis in Ihrem Betrieb maßgeblich beeinflusst? 52. Wovon wird das künstlerische Ergebnis in Ihrem Betrieb maßgeblich beeinflusst? 53. Wie hat sich Ihr Betrieb wirtschaftlich in den letzten 10 Jahren entwickelt? Was
sind die Ursachen für diese Entwicklungen? 54. Wie hat sich Ihr Betrieb künstlerisch in den letzten 10 Jahren entwickelt? Was sind
die Ursachen für diese Entwicklungen?
242 Anhang
Anhang 4: Extraktionsregeln729
1. Aussagen zu den Variablen werden auch dann extrahiert, wenn sie nicht direkt in Zusammenhang mit einer der Forschungsfragen oder Thesen stehen. Lediglich offensichtlich für die Untersuchung unbedeutende Aussagen werden nicht extrahiert.
2. Wenn Aussagen zu späteren Zeitpunkten erneut vertiefend aufgegriffen werden, wird ein neuer Tabelleneintrag in der Extraktionstabelle erstellt.
3. Die Variablendimensionen lauten: 1. Sachbezug/Gültigkeitsumfang 2. Zeitraum/Zeitpunkt 3. Aktion/Sachverhalt 4. Ursache 5. Wirkung 6. Subjektive Bewertung des Interviewten 7. Eigenschaften/Detailmerkmale 8. Sonstiges/((Kommentar)) 9. Quelle (Absatzcodierung)
4. Es müssen nicht alle Dimensionen für jeden Eintrag verwenden werden. Zwingend sind jedoch stets 1. und 9. auszufüllen.
5. Bei der Zuordnung des Zitats zu den Dimensionen ist sorgfältig darauf zu achten, dass subjektive Meinungen und Spekulationen (6.) sauber differenziert werden von Fakten (3., 7.) und vergangenheitsbasierten Kausalitätsbeziehungen (4., 5.).
6. Es werden auch Inhalte aufgenommen, die nicht unter die vorab gewählten Variablendimensionen fallen.
7. Ursache-Wirkungs-Aussagen müssen einem konkreten Sachbezug zugeordnet werden, ggf. ist neue Kategorie unter der 1. Dimension (Sachbezug) einzurichten.
8. Unter Dimension 5 (Wirkung) können auch Kausalketten eingetragen werden. Die Sachdimension bezieht sich dann auf Anfang der Kausalkette.
9. Abhängige Variabeln sind nicht zu vernachlässigen (indirekte Aussage oder Auswirkung werden z. B. durch Interviewaussage impliziert).
10. Unter Dimension 8 (Sonstiges) können prägnante direkte Zitate abgelegt werden (stets in „“)
11. Eigene Kommentare/Interpretationen/Vermutungen/Auffälligkeiten, z. B. aus den Aussagen geschlussfolgerte Kausalitäten/Zusammenhänge, können aufgenommen werden, müssen aber in ((Klammern)) gesetzt werden. Gleiches gilt für die kohärente Ergänzung unvollständiger Aussagen oder das Einfügen von Kontextwissen.
12. Widersprüche innerhalb eines Interviews müssen durch den Zusatz [Widerspruch] bei der Extraktion kenntlich gemacht werden.
13. Falls das Problem der sozialen Erwünschtheit offensichtlich auftritt, so ist dies durch den Zusatz [PdsE] bei der Extraktion zu kennzeichnen.
14. Wenn Aussagen getroffen werden, die mehrere Variable betreffen, so werden sie der in der Aussage gewichtigsten Variable zugeordnet. Der Querbezug ist beim Extrahieren kenntlich zu machen, indem in den entsprechenden Feldern (z. B. Ursache) der Name der anderen Variable genannt wird.
729 Vgl. Gläser/Laudel (2006), S. 206-211.
Anh
ang
5: K
urze
r A
uszu
g au
s de
r E
xtra
ktio
nsta
belle
der
Var
iabl
e E
xter
nes
Rec
hnun
gsw
esen
Tab
. 35:
Bei
spie
l Ext
rakt
ions
tabe
lle E
xter
nes
Rec
hnun
gsw
esen
Que
lle: E
igen
e E
rheb
ung;
Que
llena
ngab
en f
iktiv
.
Sach
bezu
g/
Gül
tigk
eits
umfa
ng
Zei
trau
m/
Zei
tpun
kt
Akt
ion/
Sa
chve
rhal
t U
rsac
he
Wir
kung
Su
bjek
tive
B
ewer
tung
des
In
terv
iew
ten
Eig
ensc
haft
en/
Det
ailm
erkm
ale
Sons
tige
s/
((K
omm
enta
r))
Que
lle
Bila
nz
1999
Ein
führ
ung
Bila
nz
Ers
tmal
ige
Dar
stel
lung
von
ni
cht-
zahl
ungs
wir
ksam
en
Pos
ition
en im
V
olum
en v
on 3
M
io. E
uro
= k
napp
50
% B
ilanz
sum
me
((ho
chre
leva
nte
Stei
geru
ng w
irts
chaf
tlich
e T
rans
pare
nz. U
nkla
r, o
b A
usw
irku
ngen
auf
w
irts
chaf
tlich
es H
ande
ln))
08T
NW
SME
V18
-12
4
Jahr
esab
schl
uss
(GuV
und
Bila
nz)
Zu
den
rege
lmäß
ig
ents
tehe
nden
Ü
bers
chüs
sen
wer
den
Ver
wen
dung
s-vo
rsch
läge
gem
acht
Es
wir
d be
wus
st
mit
den
Übe
rsch
üsse
n um
gega
ngen
, z. B
. R
isik
ovor
sorg
e fü
r ko
mm
ende
Jah
re
Zu
kam
eral
isti
-sc
hen
Zei
ten
wur
de
alle
Liq
uidi
tät
verb
rauc
ht
(„D
ezem
berf
iebe
r“)
Nac
hhal
tigke
it un
d V
orso
rge
wer
den
wir
klic
h pr
akti
zier
t
((1.
Ent
spre
chen
d ve
rstä
ndig
e G
esel
lsch
afte
r si
nd h
ier
offe
nsic
htli
ch
vorh
ande
n; 2
. Dop
pik
bew
irkt
Nac
hhal
tigk
eit)
)
08T
NW
SME
V18
-12
6
Abs
chre
ibun
gen
seit
1,5
Jahr
en
Dis
kuss
ion
über
Sp
iege
lung
in
Sond
erpo
sten
bi
slan
g un
gekl
ärt.
zur
Zei
t Abs
chre
i-bu
ngen
noc
h vo
ll au
fwan
dsw
irks
am
08
TN
WSM
EV
18-
130
Dop
pik
1999
ei
ngef
ührt
Inte
rvie
wpa
rtne
r ha
t den
Pro
zess
du
rchg
efüh
rt
08
TN
WSM
EV
18-
150
Liq
uidi
täts
-m
anag
emen
t
G
esch
äfts
führ
er
unte
rsch
reib
t pe
rsön
lich
jede
A
usga
be
Aus
gabe
entw
ick-
lung
im G
riff
, gut
er
Übe
rbli
ck
\0
8TN
WSM
EV
18-
152
Anl
agev
erm
ögen
Geb
äude
nic
ht
enth
alte
n
Eig
entu
m L
and
\0
8TN
WSM
EV
18-
154
Anhang 243
244 Anhang
Anhang 6: K
urzer Auszug aus der verdichteten E
xtraktionstabelle der Variable Internes R
echnungswesen
Tab. 36: B
eispiel verdichtete Extraktionstabelle Internes R
echnungswesen
Quelle: E
igene Erhebung; Q
uellenangaben fiktiv.
Sachbezug/ G
ültigkeitsumfang
Zeitraum
/ Z
eitpunkt A
kti-on/Sachverhalt
Ursache
Wirkung
Subjektive B
ewertung des
Interviewten
Eigenschaften/
Detailm
erkmale
Sonstiges/ ((K
omm
entar)) Q
uelle
Kostenstellen-
rechnung
Wird regelm
äßig praktiziert inklusive B
erichtswesen:
03, 08, 10, 14, 17
03: orientiert sich am
Organigram
m;
08: Spielstätten; 10: A
bteilungen; 14: 70 K
osten-stillen; 17: K
LR
des T
rägers
03O
SAL
GE
G35-56
08TN
WSM
EV
18-20 10T
BE
MG
GG
12-58 14T
BY
SKR
V08-36
17TB
WL
ME
G23-48
Kostenstellen-
verantwortung
K
ostenstellen-verantw
ortliche sind m
it Budgets
ausgestattet
Nur 10, 15:
regelmäßige
Kontrolle der IS
T-
Stände der Budgets in
Gesprächen
10TB
EM
GG
G12-60
15ON
WSK
RV
12-98 16T
SASG
SG19-102
khgbnuxu K
LR
2001
Vollkostenrech-
nung wurde
eingeführt und später w
ieder beendet
Einführung von
Um
lagen der E
nsembles gem
äß D
iensten, weitere
Um
lagen
Keine neuen
Erkenntnisse, keine
Planungsverbesse-
rung =>
Aufw
and nicht gerechtfertigt =
> w
ieder beendet
Hauptursache für
Einführung w
ar Z
eitgeist
z. B. w
urde A
ufwand für
Schneebeseitigung auch der Som
meroperette
belastet
15O
NW
SKR
V12-
102 15O
NW
SKR
V12-
104
KL
R
Für E
ffizienz-gew
inne werden
Einzelanalysen
erstellt, z. B.
Make-or-B
uy-E
ntscheidungen
Diese durchaus
vollkostenbasiert
16T
SASG
SG19-110
Literaturverzeichnis 245
Literaturverzeichnis
ADAMASCHEK, Bernd: Interkommunaler Leistungsvergleich: Leistung und Innovation
durch Wettbewerb. 2. Aufl., Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, 1997
ADE, Klaus: Finanzcontrolling im Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen.
In: Controller Magazin, Bd. 3/2007, S. 264-272
ADORNO, Theodor W.: Kultur und Verwaltung. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für
europäisches Denken, Bd. 2/1960, S. 101-121
ALLMANN, Uwe: Unternehmensführung in Kulturbetrieben. Hagen: Fernuniversität, 1998
ALMSTEDT, Matthias: Ganzheitliches computerbasiertes Controlling im öffentlichen
Theater. Göttingen: Unitext-Verlag, 1999 (Göttinger Wirtschaftsinformatik Bd. 27)
ARNDT, Hans-Wolfgang; RUDOLF, Walter: Öffentliches Recht. 13. Aufl., München:
Vahlen, 2000
BALS, Hansjürgen: Neues kommunales Finanz- und Produktmanagement. 2. Aufl.,
München u. a.: Jehle, 2008 (Die neue Kommunalverwaltung Bd. 10)
BARZELAY, Michael: The New Public Management: Improving Research and Policy
Dialogue. Berkeley u. a.: University of California Press, 2001
BAUMOL, William J.; BOWEN, William G.: Performing Arts – The Economic Dilemma.
New York: The Twentieth Century Fund, 1966
BECKER, Ralph; WEISE, Frank: Controlling für die Öffentliche Verwaltung – Innovative
Steuerungskonzepte in der Praxis. In: GLEICH, Ronald (Hrsg.); MÖLLER, Klaus (Hrsg.)
u. a.: Controllingfortschritte. Prof. Dr. Péter Horváth zum 65. Geburtstag. München:
Vahlen, 2002, S. 171-191
BENDIXEN, Peter: Einführung in das Kultur- und Kunstmanagement. 2. Aufl., Wiesbaden:
Westdeutscher Verlag, 2002
246 Literaturverzeichnis
BERMAN, Evan M.; BOWMAN, James S.; u. a.: Human Resource Management in Public
Service: Paradoxes, Processes, and Problems. 2. Aufl., Thousand Oaks: Sage, 2006
BEUTLING, Lutz: Controlling in Kulturbetrieben am Beispiel Theater. Hagen:
Fernuniversität Hagen, 1993
BIELFELDT, Friedrich: Die Konsequenzen des demographischen Wandels für den
hochkulturellen Sektor am Beispiel der Lübecker Museen. Berlin: WVB, 2009
BLANKE, Bernhard (Hrsg.); EINEMANN, Edgar (Hrsg.); PALM, Hermann (Hrsg.);
THÖRMER, Heinz (Hrsg.): Modernes Management für die Verwaltung. 2. Aufl.,
Hannover: Pinkvoss, 2005
BLÜMLE, Gerold (Hrsg.): Perspektiven einer kulturellen Ökonomik. Münster: LIT, 2004
BOERNER, Sabine: Führungsverhalten und Führungserfolg – ein Beitrag zu einer Theorie
der Führung am Beispiel des Musiktheaters. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2002
(Neue betriebswirtschaftliche Forschung 289)
BOETHIUS, Siv B.; WRANGSJÖ, Björn: Management der Kunst: Organisationsentwicklung
in einem Symphonie-Orchester. In: TREBESCH, Karsten (Hrsg.): Organisationsentwick-
lung. Stuttgart: Klett-Cotta, 2000, S. 330-351
BOGUMIL, Jörg; GROHS, Stephan; KUHLMANN, Sabine; OHM, Anna K.: Zehn Jahre Neues
Steuerungsmodell. Berlin: edition sigma, 2007 (Modernisierung des öffentlichen
Sektors Sonderband 29)
BOGUMIL, Jörg; HOLTKAMP, Lars; KIßLER, Leo; KUHLMANN, Sabine; REICHARD,
Christoph; SCHNEIDER, Karsten; WOLLMANN, Hellmut: Perspektiven kommunaler
Verwaltungsmodernisierung. Berlin: edition sigma, 2007 (Modernisierung des
öffentlichen Sektors Bd. 30)
BOGUMIL, Jörg; KUHLMANN, Sabine: Wirkungen lokaler Verwaltungsreformen:
Möglichkeiten und Brobleme der Performanzevalutation. In: JANN, Werner (Hrsg.);
RÖBER, Manfred (Hrsg.); u. a.: Public Management – Grundlagen, Wirkungen, Kritik.
Festschrift für Christoph Reichard zum 65. Geburtstag. Berlin: edition sigma, 2006a,
S. 349-370
Literaturverzeichnis 247
BOGUMIL, Jörg; KUHLMANN, Sabine: Zehn Jahre kommunale Verwaltungsmodernisie-
rung. Ansätze einer Wirkungsanalyse. In: JANN, Werner; BOGUMIL, Jörg; BOUCKAERT,
Geert; BUDÄUS, Dietrich; HOLTKAMP, Lars; KIßLER, Leo; KUHLMANN, Sabine;
MEZGER, Erika; REICHARD, Christoph; WOLLMANN, Hellmut: Status-Report Verwal-
tungsreform. Eine Zwischenbilanz nach zehn Jahren. 2. Aufl., Berlin: edition sigma,
2006, S. 51-63
BOLWIN, Rolf: Theater zwischen Reformwahn und Realität: Theater droht schleichender
Zerfall. In: Der Städtetag, Nr. 10/2003, S. 12-15
BOUCKAERT, Geert: Renewing Public Sector Performance Measurement. In: JANN,
Werner (Hrsg.); RÖBER, Manfred (Hrsg.); u. a.: Public Management – Grundlagen,
Wirkungen, Kritik. Festschrift für Christoph Reichard zum 65. Geburtstag. Berlin:
edition sigma, 2006, S. 119-131
BOUCKAERT, Geert; HALLIGAN, John: Managing Performance: International
Comparisons. London: Routledge, 2008
BOUCKAERT, Geert; VAN DOOREN, Wouter: Performance measurement and management
in public organizations. In: BOVAIRD, Tony (Hrsg.); LÖFFLER, Elke (Hrsg.): Public
Management and Governance. London: Routledge, 2003, S. 127-136
BOVAIRD, Tony (Hrsg.); LÖFFLER, Elke (Hrsg.): Public Management and Governance.
London: Routledge, 2003
BRAMSEMANN, Urs; HEINEKE, Carten; u. a.: Verhaltensorientiertes Controlling –
Konturierung und Entwicklungsstand einer Forschungsperspektive. In: Die Betriebs-
wirtschaft, Nr. 5/2004, S. 550-570
BREDE, Helmut: Grundzüge der Öffentlichen Betriebswirtschaftslehre. 2. Aufl.,
München: Oldenbourg, 2005
BREZINKA, Thomas: Orchestermanagement. Hagen: Fernuniversität, 2002
248 Literaturverzeichnis
BRÜHLMEIER, Daniel; HALDEMANN, Theo; MASTRONARDI, Theo; SCHEDLER, Kuno:
Politische Planung: Mittelfristige Steuerung in der wirkungsorientierten Verwaltungs-
führung. Bern: Verlag Paul Haupt, 2001
BUCHHOLTZ, Klaus: Verwaltungssteuerung mit Kosten- und Leistungsrechnung:
Internationale Erfahrungen, Anforderungen und Konzepte. Wiesbaden: Dt. Univ.-
Verlag, 2001
BUDÄUS, Dietrich (Hrsg.); CONRAD, Peter (Hrsg.); SCHREYÖGG, Georg (Hrsg.): New
Public Management. Berlin: de Gruyter, 1998 (Managementforschung Bd. 8)
BUDÄUS, Dietrich: Governance – begriffliche Abgrenzung. In: BUDÄUS, Dietrich (Hrsg.):
Governance von Profit- und Nonprofit-Organisationen in gesellschaftlicher Verant-
wortung. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2005, S. 2-13
BUDÄUS, Dietrich: Modernisierung des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesen. In:
JANN, Werner; BOGUMIL, Jörg; BOUCKAERT, Geert; BUDÄUS, Dietrich; HOLTKAMP,
Lars; KIßLER, Leo; KUHLMANN, Sabine; MEZGER, Erika; REICHARD, Christoph;
WOLLMANN, Hellmut: Status-Report Verwaltungsreform. Eine Zwischenbilanz nach
zehn Jahren. 2. Aufl., Berlin: edition sigma, 2006, S. 75-86
BUDÄUS, Dietrich: Prozesskostenrechnung in öffentlichen Unternehmen. In: EICHHORN,
Peter (Hrsg.); ENGELHARDT, Werner W. (Hrsg.): Standortbestimmung öffentlicher
Unternehmen in der sozialen Marktwirtschaft: Gedenkschrift für Theo Thiemeyer.
Baden-Baden: Nomos, 1994, S. 247-258
BUDÄUS, Dietrich: Public Management. 4. Aufl., Berlin: edition sigma, 1998
(Modernisierung des öffentlichen Sektors Bd. 2)
BUDÄUS, Dietrich; BEHM, Christiane; ADAM, Berit: Reformen des öffentlichen Haushalts-
und Rechnungswesens in Deutschland: Stand, Konzepte, Entwicklungsperspektiven
(Teil 1). In: Verwaltung und Management, 10. Jg., Nr. 5/2004, S. 228-233
BUSCHOR, Ernst (Hrsg.); SCHEDLER, Kuno (Hrsg.): Perspectives on Performance
Measurement and Public Sector Accounting. Bern u. a.: Haupt, 1994, S. VII-XVIII
Literaturverzeichnis 249
COASE, Ronald H.: The New Institutional Economics. In: Zeitschrift für die gesamte
Staatswissenschaft, Bd. 140/1984, S. 229-231
COENENBERG, Adolf G.; FISCHER, Thomas M.; GÜNTHER, Thomas: Kostenrechnung und
Kostenanalyse. 7. Aufl., Stuttgart: Schäffer Poeschel, 2009
CONRAD, Peter: Strategisches Personalmanagement in öffentlichen Verwaltungen. In:
ECKARDSTEIN, Dudo von (Hrsg.); RIDDER, Hans-Gerd (Hrsg.): Personalmanagement
als Gestaltungsaufgabe im Nonproft und Public Management. München: Rainer
Hampp Verlag, 2003, S. 251-270
DELFGAAUW, Josse; DUR, Robert: Incentives and Worker’s Motivation in the Public
Sector. Ohne Ortsangabe: Center for Economic Studies, 2004 (CESifo Working Paper
No. 1223)
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theater und Orchester in Deutschland. Köln:
Deutscher Bühnenverein, 2005a
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 1994/1995. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 1995
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 1995/1996. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 1996
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 1996/1997. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 1997
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 1997/1998. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 1998
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 1998/1999. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 1999
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 1999/2000. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 2000
250 Literaturverzeichnis
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 2000/2001. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 2001
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 2001/2002. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 2002
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 2002/2003. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 2003
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 2003/2004. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 2004
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 2004/2005. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 2005
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 2005/2006. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 2006
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN (Hrsg.): Theaterstatistik 2006/2007. Köln: Deutscher
Bühnenverein, 2007
DEUTSCHES INSTITUT FÜR URBANISTIK: Verwaltungsmodernisierung in deutschen
Kommunalverwaltungen – Eine Bestandsaufnahme. Berlin: Deutsches Institut für
Urbanistik, 2005
DIESING, Paul: Reason in Society. Five Types of Decisions and Their Social Conditions.
Urbana: University of Illinois Press, 1962
DIW (Hrsg.): Kultur als Wirtschaftsfaktor in Berlin. Berlin: Deutsches Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW), 2002
DIW (Hrsg.): Kultur als Wirtschaftsfaktor in Berlin. Berlin: Vistas, 1992
DOSE, Nicolai: Steuerungsmodelle, Neue. In: VOIGT, Rüdiger (Hrsg.); WALKENHAUS,
Ralf (Hrsg.): Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften, 2006, S. 339-344
Literaturverzeichnis 251
ECKARDSTEIN, Dudo von; RIDDER, Hans-Gerd: Anregungspotenziale für Nonprofit
Organisationen aus der wissenschaftlichen Diskussion über strategisches Personal-
management. In: ECKARDSTEIN, Dudo von (Hrsg.); RIDDER, Hans-Gerd (Hrsg.):
Personalmanagement als Gestaltungsaufgabe im Nonproft und Public Management.
München: Rainer Hampp Verlag, 2003, S. 11-32
EICHHORN, Peter: Herausforderungen für Führungskräfte in öffentlichen Unternehmen.
In: EICHHORN, Peter (Hrsg.); ENGELHARDT, Werner W. (Hrsg.): Standortbestimmung
öffentlicher Unternehmen in der sozialen Marktwirtschaft: Gedenkschrift für Theo
Thiemeyer. Baden-Baden: Nomos, 1994, S. 227-243
ERMERT, Karl (Hrsg.): Kultur als Entwicklungsfaktor. Wolfenbüttel: Bundesakademie für
kulturelle Bildung, 2002 (Wolfenbüttler Akademie-Texte Bd. 6)
FISCHER, Walter B.: Kunst vor Management. Zürich: Rüegger, 2004
FLICK, Uwe: Qualitative Sozialforschung. Hamburg: Rowohlt, 2007
FLURY, Reto: Gestaltungsregeln für eine Kosten- und Leistungsrechnung der Kantone
und Gemeinden – Ein systemorientierter Ansatz. Bamberg: Difo-Druck, 2002
(Dissertation Nr. 2610)
FREY, Bruno: Arts & Economics. 2. Aufl., Berlin u. a.: Springer, 2003
FRITSCH, Michael; WEIN, Thomas; EWERS, Hans-Jürgen: Marktversagen und
Wirtschaftspolitik: Mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns. 7. Aufl.,
München: Vahlen, 2007
FUDALLA, Mark; TÖLLE, Martin; WÖSTE, Christian; ZUR MÜHLEN, Manfred: Bilanzierung
und Jahresabschluss in der Kommunalverwaltung. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2007
FUDALLA, Mark; WÖSTE, Christian: Doppik schlägt Kameralistik. 4. Aufl., Köln: KPMG,
2005
FUDALLA, Mark; ZUR MÜHLEN, Manfred; WÖSTE, Christian: Doppelte Buchführung in
der Kommunalverwaltung. 3. Aufl., Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2007
252 Literaturverzeichnis
GANSCH, Christian: Vom Solo zur Sinfonie: Was Unternehmen von Orchestern lernen
können. Frankfurt a. Main: Eichborn, 2006
GEBERT, Diether; VON ROSENSTIEL, Lutz: Organisationspsychologie, 5. Aufl. Stuttgart:
Kohlhammer, 2002
GENTNER, Dedre (Hrsg.); STEVENS, Albert L. (Hrsg.): Mental Models. Hillsdale, NJ :
Erlbaum, 1983
GILLER, Jan: Marketing für Sinfonieorchester. Aachen: Shaker, 1995
GLÄSER, Jochen; LAUDEL, Grit: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. 2.
Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006
GREVE, Malte: Zielorientierte Steuerung öffentlicher Theater. Hamburg: Kovac, 2002
(Schriftenreihe Innovative betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bd. 130)
GRIMBERG, Michael: Öffentliche Betriebswirtschaftslehre. 3. Aufl., Ostbevern: Verlag
Karla Grimberg, 2004
HAHN, Dietger; HUNGENBERG, Harald: Planung und Kontrolle. 6. Aufl., Wiesbaden:
Gabler, 2001
HAIBER, Thomas: Controlling für öffentliche Unternehmen: Konzeption und instrumentel-
le Umsetzung aus der Perspektive des New Public Management. München: Vahlen,
1997
HALBLÜTZEL, Peter: Verwaltungsmodernisierung und Personalentwicklung. In: THOM,
Norbert (Hrsg.); ZAUGG, Robert J. (Hrsg.): Moderne Personalentwicklung: Mitarbei-
terpotenziale erkennen, entwickeln und fördern. Wiesbaden: Gabler, 2006, S. 343-352
HALDEMANN, Theo u. a.: Evaluationsstudien für ein tatsächlich wirkungsorientiertes
NPM. Bern: VERLAG, 2001
HAMANN, Thomas K.: Cultural Dynamics – Zur langfristigen Existenzsicherung von
Kulturorchestern in Deutschland und der Schweiz. Bamberg: Difo-Druck, 2005
Literaturverzeichnis 253
HARTUNG, Andreas: Controlling in öffentlichen Kulturbetrieben. Bonn: Kulturpolit.
Gesellschaft, 1998 (Den Wandel durch Fortbildung begleiten 2)
HAUTMANN, Peter; LEIPOLD, Georg; POPP, Michael; REISS, Silvia; RÖBKE, Thomas;
STROBEL, Matthias; VIERHEILIG, Otto: Reformprojekt Kulturverwaltung: Ein
praktischer Leitfaden und Erfahrungsbericht am Beispiel Erlangen und Nürnberg.
Bonn: Kulturpolitische Gesellschaft, 1998 (Den Wandel durch Fortbildung begleiten
1)
HEILBRUN, James; GRAY, Charles M.: The Economics of Art and Culture. Cambridge:
Cambridge University Press, 2001
HEINE, Bernd-Oliver; HIRSCH, Bernhard; HUFSCHLAG, Klaus; LESCH, Marc; MEYER,
Matthias; MÜLLER, Roman; PAEFGEN, Anne; PIEROTH, Guido: Zur Modellierung
ökonomischer Akteure mit begrenzten kognitiven Fähigkeiten – Anleitung zu einer
problemspezifischen Ausdifferenzierung des Homo oeconomicus. Vallendar: WHU,
2006 (WHU-Forschungspapier Bd. 110)
HEINEKE, Carsten: Kennzahlen als Instrument der Führung: eine sach-analytische
Untersuchung aus einer verhaltensorientierten Perspektive unter Einbeziehung
kommunikationstheoretischer Überlegungen. Hamburg: Kovac, 2005
HEINRICHS, Werner: Der Kulturbetrieb. Bielefeld: transcript, 2006
HEINRICHS, Werner: Kulturpolitik und Kulturfinanzierung: Strategien und Modelle für
eine politische Neuorientierung der Kulturfinanzierung. München: Beck, 1997a
HEINRICHS, Werner: Macht Kultur Gewinn? Baden-Baden: Nomos, 1997
HEINZE, Thomas (Hrsg.): Neue Ansätze im Kulturmanagement. Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften, 2004
HELBERGER, Christof (Hrsg.): Ökonomie der Hochschule, Bd. I. Berlin: Duncker &
Humblot, 1989 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 181/I)
254 Literaturverzeichnis
HELBERGER, Christof (Hrsg.): Ökonomie der Hochschule, Bd. II. Berlin: Duncker &
Humblot, 1989a (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 181/II)
HERRMANN, Henrike: Budgetkürzungen im Kulturbereich, untersucht am Beispiel
deutscher Orchester. Hamburg: Kovac, 2001 (Innovative Betriebswirtschaftliche
Forschung und Praxis Bd. 125)
HIEBER, Fritz: Öffentliche Betriebswirtschaftslehre: Grundlagen für das Management in
der öffentlichen Verwaltung. 5. Aufl., Sternenfels: Verlag Wissenschaft & Praxis, 2005
HOMANN, Karl; SUCHANEK, Andreas: Ökonomik – Eine Einführung. 2. Aufl., Tübingen:
Mohr Siebeck, 2005
HÜBLER, Olaf: Einführung in die empirische Wirtschaftsforschung. München:
Oldenbourg, 2005
HUNOLD, Claus: Kommunale Kostenrechnung. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2003
HUTTER, Michael: Kulturökonomik. Hagen: Fernuniversität Hagen, 1992
JACOBSHAGEN, Arnold (Hrsg.): Praxis Musiktheater. Laaber: Laaber-Verlag, 2002
JAEGER, Franz (Hrsg); STIER, Winfried (Hrsg.); FEW-HSG (Hrsg.): Kunst und Kommerz.
Chur u. a.: Rüegger, 2001
JANN, Werner (Hrsg.); RÖBER, Manfred (Hrsg.); u. a.: Public Management – Grundlagen,
Wirkungen, Kritik. Festschrift für Christoph Reichard zum 65. Geburtstag. Berlin:
edition sigma, 2006b
JANN, Werner: Einleitung: Instrumente, Resultate und Wirkungsen – die deutsche
Verwaltung im Modernisierungsschub? In: JANN, Werner; BOGUMIL, Jörg;
BOUCKAERT, Geert; BUDÄUS, Dietrich; HOLTKAMP, Lars; KIßLER, Leo; KUHLMANN,
Sabine; MEZGER, Erika; REICHARD, Christoph; WOLLMANN, Hellmut: Status-Report
Verwaltungsreform. Eine Zwischenbilanz nach zehn Jahren. 2. Aufl., Berlin: edition
sigma, 2006, S. 9-21
Literaturverzeichnis 255
JANN, Werner: Verwaltungsmodernisierung auf Bundesebene In: JANN, Werner;
BOGUMIL, Jörg; BOUCKAERT, Geert; BUDÄUS, Dietrich; HOLTKAMP, Lars; KIßLER,
Leo; KUHLMANN, Sabine; MEZGER, Erika; REICHARD, Christoph; WOLLMANN,
Hellmut: Status-Report Verwaltungsreform. Eine Zwischenbilanz nach zehn Jahren. 2.
Aufl., Berlin: edition sigma, 2006a, S. 100-111
JOHNSON-LAIRD, Philip N.: Mental Models. Cambridge: Cambridge University Press,
1983
JONES, David S.: Uses and Limitations of Performance Measurement in the Civil Service:
An Assessment from the Singapore and New Zealand Experiences. In: DENT, Mike
(Hrsg.); CHANDLER, John (Hrsg.); BARRY, Jim (Hrsg.): Questioning the New Public
Management. Ashgate: Aldershot, 2004, S. 191-205
JONES, Larry R.: Defining Public Management as an International Academic Field. In:
JANN, Werner (Hrsg.); RÖBER, Manfred (Hrsg.); u. a.: Public Management – Grundla-
gen, Wirkungen, Kritik. Festschrift für Christoph Reichard zum 65. Geburtstag. Berlin:
edition sigma, 2006, S. 109-117
KAUFMANN, Franz-Xaver: Rationalität hinter dem Rücken der Akteure: Soziologische
Perspektiven. In: SIEGENTHALER, Hansjörg (Hrsg.): Rationalität im Prozess kultureller
Evolution: Rationalitätsunterstellungen als eine Bedingung der Möglichkeit substan-
tieller Rationalität des Handelns. Tübingen: Mohr Siebeck, 2005 (Die Einheit der
Geisteswissenschaften 132), S. 93-129
KEIL, Alexander: Budgetierung und Controlling im Kulturbetrieb. In: RAUTER, Anton E.
(Hrsg.); KEMMETMÜLLER, Wolfgang (Hrsg.): Management in Profit- und Non-Profit-
Organisationen. Wien: Ueberreuter, 2001, S. 137-148
KETTIGER, Daniel: Der Diskurs zu NPM lebt weiter – Betrachtungen fünf Jahre danach.
In: MASTRONARDI, Philippe; SCHEDLER, Kuno: New Public Management in Staat und
Recht: Ein Diskurs. 2. Aufl., Bern: Verlag Paul Haupt, 2004, S. 201-224
256 Literaturverzeichnis
KETTIGER, Daniel: Die Forderungen von New Public Management an die Gesetzgebung.
In: KETTIGER, Daniel (Hrsg.): Wirkungsorientierte Verwaltungsführung und Gesetzge-
bung. Bern: Verlag Paul Haupt, 2000, S. 1-31
KETTL, Donald F.: The Global Public Management Revolution. 2. Aufl., Washington: The
Brookings Institution Press, 2005
KGST (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung): Führung und
Steuerung des Theaters. Köln: KGSt, 1989
KGST (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung): Von der
Kulturverwaltung zum Kulturmanagement im NSM. Köln: KGSt, 1997 (Bericht
3/1997)
KIESEL, Britta: Wirkungsorientierte Steuerung einer Landesverwaltung: Strategisches
Controllingkonzept für ein Bundesland. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2005
KILLIAN, Werner (Hrsg.); RICHTER, Peter (Hrsg.); TRAPP, Jan H. (Hrsg.): Ausgliederung
und Privatisierung in Kommunen. Berlin: edition sigma, 2006 (Modernisierung des
öffentlichen Sektors Sonderband 25)
KIRCHGÄSSNER, Gebhard: Homo Oeconomicus: Das ökonomische Modell individuellen
Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. 2.
Aufl., Tübingen: Mohr Siebeck, 2000
KISSLER, Leo; BOGUMIL, Jörg; GREIFENSTEIN, Ralph; WIECHMANN, Elke: Moderne Zeiten
im Rathaus? Berlin: edition sigma, 1997 (Modernisierung des öffentlichen Sektors
Sonderband 8)
KLEIN, Armin: Der exzellente Kulturbetrieb. 2. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften, 2008
KLIMECKI, Rüdiger; HABELT, Wolfgang: Führungskräfteentwicklung in öffentlichen
Verwaltungen: Konzeptionen und ihre verwaltungspolitische Integration in der
Bundesrepublik Deutschland und den USA. Universität Konstanz: Diskussionsbeitrag
der Fakultät für Verwaltungswissenschaft Nr. 6, 1993
Literaturverzeichnis 257
KLÜMPER, Bernd; MÖLLERS, Heribert; ZIMMERMANN, Ewald: Verwaltungsorganisation
und Personalwirtschaft. 11. Aufl., Wuppertal: Buchverlag Verwaltungs-BWL, 2004
KNAPPE, Robert: Die Haushaltsnotlage des Landes Berlin und die Auswirkungen auf die
Kulturbetriebe. Saarbrücken: Verlag Dr. Müller, 2007
KOCH, Rainer (Hrsg.); PETER, Conrad (Hrsg.): New Public Service: Öffentlicher Dienst
als Motor der Staats- und Verwaltungsmodernisierung. Wiesbaden: Gabler, 2003
KOCH, Rainer: Kontraktmanagement und Personalführung in öffentlichen Verwaltungen:
systemgerechte Entwicklung von Managementinstrumenten als Realisierungsbedin-
gungen von NPM Reformen. Hamburg: Institut für Verwaltungswissenschaft an der
Universität der Bundeswehr, 1996 (Beiträge zur Verwaltungswissenschaft 29)
KOCH, Rainer: New Public Management und Ausgestaltung des öffentlichen Personalwe-
sens. In: ECKARDSTEIN, Dudo von (Hrsg.); RIDDER, Hans-Gerd (Hrsg.): Personalma-
nagement als Gestaltungsaufgabe im Nonproft und Public Management. München:
Rainer Hampp Verlag, 2003, S. 271-291
KOCH, Rainer: Umbau Öffentlicher Dienste. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2004
KONIETZKA, Thomas; KÜPPERS, Hans-Georg: Neue Steuerung in der kommunalen
Kulturarbeit: Alternative Formen der Organisation und Finanzwirtschaft für
Kultureinrichtungen. Bonn: Kulturpolitische Gesellschaft, 1998 (Den Wandel durch
Fortschritt begleiten 3)
KONRAD, Elmar D. (Hrsg.): Unternehmertum und Führungsverhalten im Kulturbereich.
Münster: Waxmann, 2006
KONRAD, Elmar D.; GEMÜNDEN, Hans G.: Unternehmerische Gestaltung von
Kulturbetrieben. In: Zeitschrift für Führung und Organisation, Bd. 71/2002, S. 368-
375
KOPP, Daniel: New Public Management: Heil oder Segen? Möglichkeiten und Grenzen
aus ökonomischer Sicht. WWZ-Discussion Paper Nr. 9702, 1997
258 Literaturverzeichnis
KOSIOL, Erich: Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum. Reinbek:
Rowohlt, 1972
KRYSTEK, Ulrich; MOLDENHAUER, Ralf: Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmana-
gement. Stuttgart: Kohlhammer, 2007
KUHLMANN, Sabine (Hrsg.); BOGUMIL, Jörg (Hrsg.); WOLLMANN, Hellmut (Hrsg.):
Leistungsmessung und –vergleich in Politik und Verwaltung. Wiesbaden: VS Verlag
für Sozialwissenschaften, 2004
KUHLMANN, Sabine; WOLLMANN, Hellmut: Transaktionskosten von Verwaltungsrefor-
men: ein ‚missing link’ der Evaluationsforschung. In: JANN, Werner (Hrsg.); RÖBER,
Manfred (Hrsg.); u. a.: Public Management – Grundlagen, Wirkungen, Kritik.
Festschrift für Christoph Reichard zum 65. Geburtstag. Berlin: edition sigma, 2006b,
S. 371-391
KÜPPER, Hans-Ulrich; WEBER, Jürgen; u. a.: Zum Verständnis und Selbstverständnis des
Controlling. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Bd. 60/1990, S. 281-293
LANE, Jan-Erik: New Public Management. London: Routledge, 2000
LANE, Jan-Erik: State Management. London: Routledge, 2009
LIENHARD, Andreas (Hrsg.); RITZ, Adrian (Hrsg.); STEINER, Reto (Hrsg.); LADNER,
Andreas (Hrsg.): 10 Jahre New Public Management in der Schweiz: Bilanz, Irrtümer
und Erfolgsfaktoren. Bern; u. a.: Verlag Paul Haupt, 2005
LINDENBERG, Siegwart: Homo Socio-oeconomicus: The Emerge of a General Model of
Man in the Social Sciences. In: Journal of Institutional and Theoretical Economics,
Nr. 146(4)/1990, S. 727-748
LÖFFLER, Elke: Die Ökonomisierung des Staates – Versuch einer Begriffserklärung. In:
HARMS, Jens (Hrsg.); AMBROSIUS, Gerold (Hrsg.): Die Ökonomisierung des öffentli-
chen Sektors: Instrumente und Trends. Baden-Baden: Nomos, 2003, S. 19-26
Literaturverzeichnis 259
LÖFFLER, Elke: Leadership im öffentlichen Sektor – nicht nur eine Herausforderung für
Führungskräfte. In: KOCH, Rainer (Hrsg.); PETER, Conrad (Hrsg.): New Public
Service: Öffentlicher Dienst als Motor der Staats- und Verwaltungsmodernisierung.
Wiesbaden: Gabler, 2003a, S. 239-262
LÜDER, Klaus: Neues öffentliches Haushalts- und Rechnungswesen. Berlin: edition sigma,
2001 (Modernisierung des öffentlichen Sektors Bd. 18)
LUHMANN, Niklas: Soziologische Aufklärung, Band 1. 4. Aufl., Opladen: Westdeutscher
Verlag, 1974
MASTRONARDI, Philippe: New Public Management im Kontext unserer Staatsordnung .
Staatspolitische, staatsrechtliche und verwaltungsrechtliche Aspekte. In:
MASTRONARDI, Philippe; SCHEDLER, Kuno: New Public Management in Staat und
Recht: Ein Diskurs. 2. Aufl., Bern: Verlag Paul Haupt, 2004, S. 47-120
MAYR, Ernst: Eine neue Philosophie der Biologie. München: Piper, 1991
MAYRING, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. 9. Aufl., Weinheim: Deutscher Studien
Verlag, 2007
MEYER, Matthias: Akteursmodell und ökonomischer Ansatz – Eine Verhältnisbestimmung.
Vallendar: WHU, 2005 (WHU-Forschungspapier Bd. 106)
MEYER, Matthias; HEINE, Bernd-Oliver: Motivation und Einordnung des „Akteursmo-
dells“ – Überlegungen zur Integration von Anreizen und Kognition in der betriebs-
wirtschaftlichen Forschung. Vallendar: WHU, 2005 (WHU-Forschungspapier Bd.
105)
MÖRTH, Ingo: Kulturbetriebslehre. In: KEMMETMÜLLER, Wolfgang (Hrsg.); KOTEK,
Helmut (Hrsg.); PETERMANDL, Monika (Hrsg.); STIEGLER, Harald (Hrsg.): Erfolgspo-
tentiale von Klein- und Mittelbetrieben. Linz: Trauner, 1995, S. 429-448
MÜHLENKAMP, Holger: Öffentliche Unternehmen. München u. a.: Oldenbourg, 1994
260 Literaturverzeichnis
MÜLLER, Ulrich: Betriebswirtschaftslehre, öffentliche. In: VOIGT, Rüdiger (Hrsg.);
WALKENHAUS, Ralf (Hrsg.): Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, S. 33-36
MÜLLER, Ulrich: Controlling/Verwaltungscontrolling. In: VOIGT, Rüdiger (Hrsg.);
WALKENHAUS, Ralf (Hrsg.): Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften, 2006a, S. 62-68
NIEDERHOLTMEYER, Klaus: Die Bedeutung von Kunst und Kultur als Wirtschaftsfaktor.
Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik, 1993
O’HAGAN, John W.: The State and the Arts. Cheltenham u. a.: Edward Elgar, 1998
OECD (Hrsg.): Governance in Transition: Public Management Reforms in OECD
Countries. Paris: OECD, 1995
OECHSLE, Walter A.; VAANHOLT, Silke: Human Resource Management in der
öffentlichen Verwaltung. In: BUDÄUS, Dietrich (Hrsg.); CONRAD, Peter (Hrsg.);
SCHREYÖGG, Georg (Hrsg.): New Public Management. Berlin: de Gruyter, 1998, S.
151-190
OSSADNIK, Wolfgang: Rahmenbedingungen und Effizienzprobleme öffentlicher Theater.
In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Ausgabe 3/1987, S. 275-287
OSSADNIK, Wolfgang: Theatermanagement mittels Controlling. In: Zeitschrifft für
öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Ausgabe 2/1987a, S. 145-157
PARSONS, Talcott: Essays in Sociological Theory. Rev. Ed., New York: Free Press of
Glencoe, 1964
PITSCHAS, Rainer: Looking Behind New Public Management: „New“ Values of Public
Administration and the Dimensions of Personnel Management in the Beginning of the
21st Century. Speyer: Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung an der Deutschen
Hochschule für Verwaltungswissenschaften, 2004 (FÖV Discussion Papers 12)
Literaturverzeichnis 261
POLITT, Christopher; BOUCKAERT, Geert: Evaluation in Public-Sector Reform. In:
WOLLMANN, Hellmut (Hrsg.): Evaluation in Public Sector Reform. Concepts and
Practice in International Perspective. Cheltenham u. a.: Edward Elgar, 2003, S. 12-35
POLITT, Christopher; BOUCKAERT, Geert: Public Management Reform. A Comparative
Analysis. 2. Aufl., Oxford: Oxford University Press, 2004
POMMEREHNE, Werner W.; FREY, Bruno S.: Musen und Märkte. München: Vahlen, 1993
PRÄTORIUS, Rainer: Bürokratie. In: VOIGT, Rüdiger (Hrsg.); WALKENHAUS, Ralf (Hrsg.):
Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen-
schaften, 2006, S. 58-62
PRICEWATERHOUSECOOPERS (Hrsg.): Der reformierte öffentliche Haushalt. Stuttgart:
Kohlhammer, 2009
RAUHE, Hermann (Hrsg.); DEMMER, Christine (Hrsg.): Kulturmanagement. Berlin u. a.:
de Gruyter, 1994
REICHARD, Christoph (Hrsg.): Theater als Organisation – Bericht über eine Projektstudie
zu organisatorisch-administrativen Aspekten von Berliner Theatern. Berlin: Fachhoch-
schule für Verwaltung und Rechtspflege, 1989 (Beiträge aus dem FB 1, Nr. 10)
REICHARD, Christoph: „New Public Management“ als Auslöser zunehmender
Ökonomisierung der Verwaltung. In: HARMS, Jens (Hrsg.); REICHARD, Christoph
(Hrsg.): Die Ökonomisierung des öffentlichen Sektors: Instrumente und Trends.
Baden-Baden: Nomos, 2003, S. 119-144 (Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentli-
che Wirtschaft 50)
REICHARD, Christoph: Public Management. In: VOIGT, Rüdiger (Hrsg.); WALKENHAUS,
Ralf (Hrsg.): Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften, 2006, S. 282-286
262 Literaturverzeichnis
REICHARD, Christoph: Zur Naivität aktueller Konzepttransfers im deutschen Public
Management. In: EDELING, Thomas (Hrsg.); JANN, Werner (Hrsg.); u.a.: Öffentliches
und privates Management. Fundamentally Alike in All Unimportant Respects?
Opladen: Leske + Budrich, 1998 (Schriftenreihe Interdisziplinäre Organisations- und
Verwaltungsforschung 1), S. 33-70
REINERMANN, Heinrich: Neues Politik- und Verwaltungsmanagement: Leitbild und
theoretische Grundlagen. Speyer: Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaf-
ten, 2000 (Speyerer Arbeitshefte Bd. 130)
RICHTER, Reinhart (Hrsg.); SIEVERS, Norbert (Hrsg.); SIEWERT, Hans-Jörg (Hrsg.):
Unternehmen Kultur: Neue Strukturen und Steuerungsformen in der kommunalen
Kulturverwaltung. Essen: Klartext Verlag, 1995 (Edition Umbruch 7)
RIDDER, Hans-Gerd; Neumann, Sven: Personalplanung in Nonprofit Organisationen. In:
ECKARDSTEIN, Dudo von (Hrsg.); RIDDER, Hans-Gerd (Hrsg.): Personalmanagement
als Gestaltungsaufgabe im Nonproft und Public Management. München: Rainer
Hampp Verlag, 2003, S. 119-140
RIEBEL, Paul: Einzelkosten- und Deckungsbeitrags-Rechnung. 7. Aufl., Wiesbaden:
Gabler, 1994
RIEDER, Stefan: Leistungs- und Wirkungsmessung in NPM-Projekten. In: LIENHARD,
Andreas (Hrsg.); RITZ, Adrian (Hrsg.); STEINER, Reto (Hrsg.); LADNER, Andreas
(Hrsg.): 10 Jahre New Public Management in der Schweiz: Bilanz, Irrtümer und
Erfolgsfaktoren. Bern; u. a.: Verlag Paul Haupt, 2005, S. 149-159
RIEDER, Stefan; LEHMANN, Luzia: Evaluation of New Public Management Reforms in
Switzerland: Empirical Results and Reflections on Methodology. In: International
Public Management Review, Vol. 3/2002, Issue 2, S. 25-43
RITZ, Adrian: 10 Jahre Verwaltungsreform in den Schweizer Kantonen. In: LIENHARD,
Andreas (Hrsg.); RITZ, Adrian (Hrsg.); STEINER, Reto (Hrsg.); LADNER, Andreas
(Hrsg.): 10 Jahre New Public Management in der Schweiz: Bilanz, Irrtümer und
Erfolgsfaktoren. Bern; u. a.: Verlag Paul Haupt, 2005, S. 47-67
Literaturverzeichnis 263
RITZ, Adrian: Evaluation von Verwaltungsreformen. Evaluationsmodell und empirische
Ergebnisse zur Beurteilung institutioneller Reformen am Beispiel des New Public
Managements. Bern: IOP-Verlag, 2002 (IOP Arbeitsbericht 56)
ROGGENCAMP, Sibylle: Public Private Partnership. Frankfurt am Main u. a.: Lang, 1999
(Europäische Hochschulschriften Reihe 5, Bd. 2410)
ROMMEL, Jan; CHRISTIAENS, Johan; DEVOS, Carl: Rhetorics of Reform: The Case of New
Public Management as a Paradigm Shift. Gent: Universiteit Gent, 2005 (Working
Paper 2005/354)
RÖPER, Henning: Handbuch Theatermanagement. Köln; u. a.: Böhlau, 2001
SAß, Johannes: Neues kommunales Haushalts- und Rechnungswesen in Deutschland. In:
BUDÄUS, Dietrich (Hrsg.): Governance von Profit- und Nonprofit-Organisationen in
gesellschaftlicher Verantwortung. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2005, S. 355-378
SCHÄFER, Ingeborg-Eleonore: Wenn der Staat schwindsüchtig wird: Zu den Grenzen des
New Public Management. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Bonn:
Blätter-Verlag-Gesellschaft, Bd. 44/1999, S. 1101-1109
SCHÄFER, Klaus; VERMEULEN, Peter: Das Theater als Betrieb. Unna: LKD-Verlag, 1996
SCHEDLER, Kuno: Die betriebswirtschaftliche Sicht des NPM und seiner staatsrechtlichen
Elemente. In: MASTRONARDI, Philippe; SCHEDLER, Kuno: New Public Management in
Staat und Recht: Ein Diskurs. 2. Aufl., Bern: Verlag Paul Haupt, 2004, S. 121-156
SCHEDLER, Kuno: Die Systemanforderungen des NPM an Staat und Recht. In:
MASTRONARDI, Philippe; SCHEDLER, Kuno: New Public Management in Staat und
Recht: Ein Diskurs. 2. Aufl., Bern: Verlag Paul Haupt, 2004a, S. 1-46
SCHEDLER, Kuno: Wie entwickelte sich die internationale Debatte um das New Public
Management? In: JANN, Werner (Hrsg.); RÖBER, Manfred (Hrsg.); u. a.: Public
Management – Grundlagen, Wirkungen, Kritik. Festschrift für Christoph Reichard
zum 65. Geburtstag. Berlin: edition sigma, 2006, S. 95-108
264 Literaturverzeichnis
SCHEDLER, Kuno; PROELLER, Isabella: New Public Management. 3. Aufl., Bern: Verlag
Paul Haupt, 2006
SCHEIN, Edgar H.: Organizational Culture and Leadership. 3. Aufl., San Francisco:
Jossey-Bass, 2004
SCHMIDT, Hans-Jürgen: Betriebswirtschaftslehre und Verwaltungsmanagement. 6. Aufl.,
Heidelberg: C. F. Müller, 2004 (UTB für Wissenschaft Bd. 2227)
SCHMIDT, Jürgen: Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung. 7. Aufl., Berlin:
Erich Schmidt Verlag, 2006
SCHNEIDEWIND, Petra: Betriebswirtschaft für das Kulturmanagement. Bielefeld:
transcript, 2006
SCHNEIDEWIND, Petra: Entwicklung eines Theater-Managementinformationssystems.
Frankfurt am Main: Lang, 2000
SCHNEIDEWIND, Petra (Hrsg.); TRÖNDLE, Martin (Hrsg.): Selbstmanagement im
Musikbetrieb. Handbuch für Musikschaffende. Bielefeld: transcript, 2003
SCHNELL, Rainer; HILL, Paul B.; ESSER, Elke: Methoden empirischer Sozialforschung. 7.
Aufl., München: Oldenbourg, 2005
SCHUGK, Michael: Betriebswirtschaftliches Management öffentlicher Theater und
Kulturorchester. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 1996
SCHULENBURG, Susanne: Der Weg von der Verwaltung hin zum Unternehmen Museum.
In: KONRAD, Elmar D. (Hrsg.): Unternehmertum und Führungsverhalten im Kulturbe-
reich. Münster: Waxmann, 2006, S. 107-118
SCHULZE, Günther G.; ROSE, Anselm: Public Orchestra Funding in Germany – An
Empirical Investigation. In: Journal of Cultural Economics, Bd. 22/1998, S. 227-247
Literaturverzeichnis 265
SCHUPPERT, Gunnar F.: Gewährleistungsverwaltung. In: VOIGT, Rüdiger (Hrsg.);
WALKENHAUS, Ralf (Hrsg.): Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften, 2006a, S. 150-152
SCHWARZMANN, Winfried: Entwicklung eines Controllingkonzepts für deutsche
Musiktheater und Kulturorchester in öffentlicher Verantwortung. Aachen: Shaker,
2000
SIEGENTHALER, Hansjörg: Kulturelle Evolution, Tradition und Rationalität. In:
SIEGENTHALER, Hansjörg (Hrsg.): Rationalität im Prozess kultureller Evolution:
Rationalitätsunterstellungen als eine Bedingung der Möglichkeit substantieller
Rationalität des Handelns. Tübingen: Mohr Siebeck, 2005, S. 3-32 (Die Einheit der
Geisteswissenschaften 132)
SIMON, Herbert A.: Entscheidungsverhalten in Organisationen: Eine Untersuchung von
Entscheidungsprozessen in Management und Verwaltung. Übersetzung der 3.
englischsprachigen Aufl., Landsberg am Lech: Verlag Moderne Industrie, 1981
SPEIER, Frank: Die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in die Kommunalver-
waltung. Berlin: dissertation.de, 2002
STEIN, Frieder: Wirtschaftsplanung und –kontrolle öffentlicher Theater in der
Bundesrepublik Deutschland. Hamburg: Dissertation, 1982
STUDER, André: Managemententwicklung in einer öffentlichen Verwaltung. In: THOM,
Norbert (Hrsg.); ZAUGG, Robert J. (Hrsg.): Moderne Personalentwicklung: Mitarbei-
terpotenziale erkennen, entwickeln und fördern. Wiesbaden: Gabler, 2006, S. 353-368
SÜßMAIR, Augustin: Behavioral Accounting: Verhaltenstheoretische Grundlagen des
internen Rechnungswesens. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2000
SZIROTA, Herbert: Strategische Existenzsicherung öffentlicher Kulturbetriebe.
Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 1999
266 Literaturverzeichnis
THIEL, Markus: Die verwaltete Kunst. Rechtliche und organisatorische Aspekte
öffentlicher Kulturverwaltung. Frankfurt am Main: Lang, 2003 (Europäische Hoch-
schulschriften Reihe 2, Bd. 3583)
THOM, Norbert; RITZ, Adrian: Public Management. Innovative Konzepte zur Führung im
öffentlichen Sektor. 3. Aufl., Wiesbaden: Gabler, 2006
THROSBY, David: Economics and Culture. Cambridge: Cambridge University Press, 2001
THROSBY, David: The Production and Consumption of the Arts: A View of Cultural
Economics. In: Journal of Economic Literature, Vol. XXXII, Bd. 3/1994, S. 1-29
TIETZEL, Manfred: Literaturökonomik. Tübingen: Mohr, 1995
TONDORF, Karin: Leistungszulagen als Reforminstrument? 2. Aufl., Berlin: edition sigma,
1997 (Modernisierung des öffentlichen Sektors Bd. 7)
TOWSE, Ruth (Hrsg.): A Handbook of Cultural Economics. Cheltenham u. a.: Edward
Elgar, 2003
TRÖNDLE, Martin: Entscheiden im Kulturbetrieb: Integriertes Kunst- und Kulturmanage-
ment. Bern: h.e.p./Ott, 2006
VAKIANIS, Artemis: Besonderheiten des Managements von Kulturbetrieben anahnd des
Beispiels „Theater“. In: ZEMBYLAS, Tasos (Hrsg.); TSCHMUCK, Peter (Hrsg.):
Kulturbetriebsforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, S.
79-98
VANBERG, Victor J.: Rationalitätsprinzip und Rationalitätshypothesen: Zum methodologi-
schen Status der Theorie rationalen Handelns. Freiburg: Universität Freiburg,
Abteilung für Wirtschaftspolitik und Walter Eucken Institut, 2002 (Diskussionspapiere
zur Ordnungsökonomik Nr. 02/5)
VELTHUIS, Louis: Lineare Erfolgsbeteiligung: Grundprobleme der Agency-Theorie im
Licht des LEN-Modells. Heidelberg: Physica, 1998 (Physica-Schriften zur Betriebs-
wirtschaft, Bd. 66)
Literaturverzeichnis 267
WAGNER, Bernd: „Effiziente Theater?“ – Theaterreform als Strukturveränderung und
Sparmöglichkeit. In: RICHTER, Reinhart (Hrsg.); SIEVERS, Norbert (Hrsg.); SIEWERT,
Hans-Jörg (Hrsg.): Unternehmen Kultur: Neue Strukturen und Steuerungsformen in
der kommunalen Kulturverwaltung. Essen: Klartext Verlag, 1995, S. 195-216 (Edition
Umbruch 7)
WALK, Tilman: Ökonomische Betriebsführung und politische Einbindung öffentlicher
Kulturbetriebe. Konstanz: unveröffentlichte Diplomarbeit an der Universität Konstanz,
1992
WALKENHAUS, Ralf: Staat, Aktivierender. In: VOIGT, Rüdiger (Hrsg.); WALKENHAUS,
Ralf (Hrsg.): Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften, 2006, S. 319-325
WALKENHAUS, Ralf; VOIGT, Rüdiger: Verwaltungsreformen – Einführung in das
Problemfeld. In: VOIGT, Rüdiger (Hrsg.); WALKENHAUS, Ralf (Hrsg.): Handwörter-
buch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006,
S. XI-XXVIII
WEBER, Jürgen; GOTHE, Martin; SCHÄFFER, Utz: Mentale Modelle. In: WEBER, Jürgen
(Hrsg.); SCHÄFFER, Utz (Hrsg.): Rationalitätssicherung der Führung. Beiträge zu einer
Theorie des Controlling. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2001 (Schriften des Center for
Controlling & Management CCM 2), S. 105-111
WEBER, Jürgen; SCHÄFFER, Utz: Einführung in das Controlling. 12. Aufl., Stuttgart:
Schäffer Poeschel, 2008
WEBER, Jürgen; SCHÄFFER, Utz; LANGENBACH, Wilm: Gedanken zur Rationalitäts-
konzeption des Controlling. In: WEBER, Jürgen (Hrsg.); SCHÄFFER, Utz (Hrsg.):
Rationalitätssicherung der Führung. Beiträge zu einer Theorie des Controlling.
Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag, 2001 (Schriften des Center for Controlling & Manage-
ment CCM 2), S. 46-76
WEGNER, Manfred: Musik und Mammon. Baden-Baden: Nomos, 1999
268 Literaturverzeichnis
WINTER, Christian: Das Neue Steuerungsmodell in der öffentlichen Verwaltung: Chancen
und Risiken für die Arbeit von Gleichstellungsbeauftragten. Hamburg: Dashöfer, 2005
WÖHE, Günter; DÖRING, Ulrich: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.
20. Aufl., München: Vahlen, 2000
WOLLMANN, Hellmut (Hrsg.): Evaluation in Public-Sector Reform. Cheltenham u. a.:
Edward Elgar, 2003
ZEMBYLAS, Tasos (Hrsg.); TSCHMUCK, Peter (Hrsg.): Kulturbetriebsforschung.
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006
ZEMBYLAS, Tasos: Kulturbetriebslehre. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften,
2004
ZIMMER, Annette; PRILLER, Eckhard; HALLMANN, Thorsten: Zur Entwicklung des
Nonprofit Sektors und zu den Auswirkungen auf das Personalmanagement seiner
Organisationen. In: ECKARDSTEIN, Dudo von (Hrsg.); RIDDER, Hans-Gerd (Hrsg.):
Personalmanagement als Gestaltungsaufgabe im Nonproft und Public Management.
München: Rainer Hampp Verlag, 2003, S. 33-52
Quellenverzeichnis 269
Quellenverzeichnis
Bundeshaushaltsordnung (BHO). Elektronische Ressource, 2007
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bho/gesamt.pdf
Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (HGrG).
Elektronische Ressource, 2007
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/hgrg/gesamt.pdf
HEIMGARTNER, Martin ; DIETRICH, Andreas: Wirkungsorientierte Verwaltungsführung in
den Schweizer Kantonen. Ohne Ortsangabe : Elektronische Ressource, 2008
http://www.flag.admin.ch/d/dokumentation/downloads/dokumentation/publikationen/WOV_
Kantone_2008-12-18_d.pdf
LANDESREGIERUNG NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.): Bericht der Regierungskommission
Zukunft des öffentlichen Dienstes – Öffentlicher Dienst der Zukunft. Düsseldorf :
Elektronische Ressource, 2003
http://www.regierungskommission.nrw.de/imnrw/pdf/berrk.pdf
MERTENS, Gerald: Kulturorchester, Rundfunkensembles und Opernchöre. Bonn :
Elektronische Ressource, 2005
http://www.miz.org/static/themenportale/einfuehrungstexte_pdf/03_KonzerteMusiktheater/
mertens.pdf
RECHNUNGSHOF VON BERLIN (Hrsg.): Bericht gemäß § 99 LHO über den Stand der
Umsetzung des Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetzes (VGG) in den Senatsverwaltungen.
Berlin : Elektronische Ressource, 2006
http://www.berlin.de/imperia/md/content/rechnungshof2/berichtvggsenatsverwaltungen_1.pdf
STATISTISCHE ÄMTER DER LÄNDER UND DES BUNDES: Kulturfinanzbericht 2008. Wiesbaden :
Elektronische Ressource, 2008
http://www.statistikportal.de/Statistik-Portal/kulturfinanzbericht_2008.pdf
Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (BHO VV). Elektronische Ressource,
2007
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Integration/Downloads/EFF/027-
verwaltungsvorschriften-zur-bundeshaushaltsordnung.pdf