das neue versicherungsvertragsgesetz

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Page 1: Das neue Versicherungsvertragsgesetz
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Baumann/Sandkühler ⋅ Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Page 3: Das neue Versicherungsvertragsgesetz
Page 4: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Das neue Versicherungsvertragsgesetz Mit allen Änderungen ab 1.1.2008

von

Dr. Frank Baumann Ass. jur. Hans-Ludger Sandkühler

Haufe Mediengruppe

Freiburg ⋅ Berlin ⋅ München

Page 5: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte

bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-448-08353-8 Best.-Nr. 06624-0001

1. Auflage

© 2008 Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG,

Niederlassung München

Redaktionsanschrift: Postfach 1363, D 82142 Planegg/München

Hausanschrift: Fraunhoferstr. 5, D-82152 Planegg/München

Telefon 089 / 89517-0

www.haufe.de

[email protected]

Die Angaben entsprechen dem Wissensstand bei Redaktionsschluss im Januar 2008. Da Hinweise und

Fakten dem Wandel der Rechtsprechung und der Gesetzgebung unterliegen, kann für die vorliegenden

Angaben keine Haftung übernommen werden. Die Informationen sind nur für den persönlichen Gebrauch

des Lesers bestimmt. Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind

urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen

ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bear-

beitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektroni-

schen Systemen.

Redaktion und DTP: Ass. jur. Elvira Plitt, München

Umschlag: Kienle gestaltet, Stuttgart

Druck: Franz X. Stückle, 77955 Ettenheim

Zur Herstellung der Bücher wird nur alterungsbeständiges Papier verwendet.

Page 6: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vorwort

Mit dem Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, das am 1.1.2008 in Kraft getre-

ten ist, hat der Gesetzgeber innerhalb eines Jahres das dritte Reformwerk abgeschlossen, das in

seinen praktischen Auswirkungen die Versicherungswirtschaft unmittelbar berührt.

Bereits seit dem 22. Mai 2007 setzt das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittler-

rechts einen neuen Rechtsrahmen für die Versicherungsvermittlung in Deutschland. Zum

1.11.2007 hat das Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz die Anlageberatung unter Er-

laubnisvorbehalt gestellt und den Umgang und Vertrieb mit Finanzinstrumenten verschärft.

Das Versicherungsvertragsgesetz wird im Mai 2008 einhundert Jahre alt. Pünktlich zum run-

den Geburtstag hat sich der Gesetzgeber zu einer umfassenden Reform des Gesetzes ent-

schlossen, die für mehr Transparenz und Verbraucherschutz sorgt und die Rechtsvorschriften

an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts anpasst.

Mit der Reform werden die Vorschriften für den Versicherungsvertrag ganzheitlich moderni-

siert und die Vorgaben für den Absatz von Versicherungsprodukten verschärft. Wichtige Än-

derungen in der Praxis bringt die Einführung neuer Informationspflichten, die in die Praxis des

Vertragsschlusses hineinwirken und für den Verbraucher zu Kostentransparenz insbesondere

beim Abschluss von kostenintensiven Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Krankenversicherun-

gen führen.

Verbesserungen gibt es auch beim wirtschaftlich bedeutenden Segment der Lebensversiche-

rungen. Hier bringen die neuen Vorschriften eine Verbesserung des Versicherungsnehmers bei

den Überschüssen und Rückkaufswerten. Vor dem Abschluss von Versicherungsverträgen

werden Versicherungsnehmer zukünftig über die mit dem Abschluss der Versicherungsverträ-

ge verbundenen Kosten informiert.

Richtungsweisende Rechtsfortbildung wie zum Beispiel die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung

des Bundesgerichtshofs wurde übernommen und in den Regelungsbereich des Gesetzes inte-

griert.

Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes bedeutet insgesamt höhere Anforderungen ins-

besondere für die mit dem Vertrieb von Versicherungsprodukten befassten Personen. Im Zu-

sammenwirken mit den Anforderungen des Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsver-

mittlerrechts werden die neuen Vorschriften zu einer Professionalisierung dieses Personen-

kreises führen.

Dies setzt zwingend Kenntnisse der neuen Regelungen voraus. Die Praxis ist gefordert, sich

schnell einen Überblick über die wesentlichen Reformelemente zu verschaffen und mit den

neuen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes vertraut zu machen.

Der Anspruch dieses Buches ist es deshalb, eine schnelle, aber fundierte Information zur Um-

setzung des neuen Versicherungsvertragsgesetzes in der Praxis zu bieten.

Die Autoren haben dazu ihre Erfahrungen aus der Beschäftigung mit der Rechtsmaterie in den

letzten Jahren und insbesondere aus vielen Gesprächen und Veranstaltungen mit eingebracht.

Page 7: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Inhaltsverzeichnis A Einleitung und Überblick ......................................................................................................... 13

1 Einführung ........................................................................................................................ 13

2 Ziele der Reform............................................................................................................... 13

3 Gesetzgebungsverfahren................................................................................................... 14

4 Wichtige Änderungen der Reform im Überblick.............................................................. 14

4.1 Schnellüberblick ...................................................................................................... 14

4.2 Beratung und Information der Versicherungsnehmer ............................................. 15

4.2.1 Beratungspflichten des Versicherers .......................................................... 15

4.2.2 Informationspflichten des Versicherers ...................................................... 16

4.3 Einführung eines einheitlichen Widerrufsrechts ..................................................... 19

4.4 Aufgabe des Alles-oder-nichts-Prinzips .................................................................. 20

4.5 Änderungen bei vorvertraglichen Anzeigepflichten................................................ 21

4.6 Änderungen bei Form, Laufzeit und Prämie ........................................................... 23

4.6.1 Textform ..................................................................................................... 23

4.6.2 Laufzeit und Sonderkündigungsrecht ......................................................... 24

4.6.3 Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie......................................................... 24

4.7 Verjährung; Wegfall der Klagefrist ......................................................................... 25

4.7.1 Verjährung .................................................................................................. 25

4.7.2 Wegfall der Klagefrist ................................................................................ 25

4.8 Direktanspruch in der Pflichtversicherung .............................................................. 26

4.9 Modernisierung der Lebensversicherung ................................................................ 26

4.9.1 Überschussbeteiligung................................................................................ 27

4.9.2 Modellrechnung.......................................................................................... 29

4.9.3 Rückkaufswert ............................................................................................ 30

4.9.3.1 Deckungskapital statt Zeitwert ................................................................... 30

4.9.3.2 Frühstorno................................................................................................... 31

4.9.4 Transparenz bei Abschluss- und Vertriebskosten....................................... 31

4.9.4.1 In die Prämie einkalkulierte Kosten ........................................................... 31

4.9.4.2 Sonstige mögliche Kosten .......................................................................... 32

4.9.4.3 Übergangsregelung..................................................................................... 32

4.9.4.4 Betriebliche Altersversorgung .................................................................... 32

4.10 Inkrafttreten ............................................................................................................. 33

B Vorschriften für alle Versicherungszweige............................................................................. 34

1 Allgemeine Vorschriften................................................................................................... 34

1.1 Vertragsinhalte ........................................................................................................ 34

1.2 Zustandekommen des Versicherungsvertrages........................................................ 34

1.3 Beratungspflichten................................................................................................... 34

1.3.1 Anlassbezogene Befragungs- und Beratungspflicht § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. ................................................................................................... 35

1.3.2 Anlassbezogene Befragungs- und Beratungspflicht nach Abschluss des Vertrages .............................................................................................. 37

1.3.3 Dokumentationspflicht § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. .......... 37

1.3.4 Verzicht ...................................................................................................... 37

1.3.5 Schadensersatzpflicht ................................................................................. 38

1.3.6 Ausnahmen ................................................................................................. 38

Page 8: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Inhaltsverzeichnis 7

1.4 Informationspflichten .............................................................................................. 39

1.4.1 Inhalt der Information................................................................................. 39

1.4.2 Textform ..................................................................................................... 44

1.4.3 Rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers................................................................................ 44

1.4.4 Verzicht....................................................................................................... 46

1.4.5 Rechtsfolgen der Verletzung der Informationspflicht ................................ 46

1.5 Umsetzung der Informationspflichten, Vertragsschlussmodelle ............................. 46

1.5.1 Antragsmodell nach altem Recht................................................................ 47

1.5.2 Antragsmodell nach neuem Recht .............................................................. 47

1.5.3 Antragsmodell nach neuem Recht im Geschäftsverkehr mit Versicherungsmaklern ................................................................................ 48

1.5.4 Policenmodell nach altem Recht................................................................. 49

1.5.5 Verzichtslösung .......................................................................................... 50

1.5.6 Faktisches Policenmodell ........................................................................... 50

1.5.7 Bedingtes Antragsmodell............................................................................ 50

1.5.8 Invitatiomodell............................................................................................ 51

1.5.8.1 Ausdrückliche Annahme ............................................................................ 52

1.5.8.2 Konkludente Annahme durch Überweisung oder Lastschrift..................... 52

1.5.8.3 Annahmefiktion .......................................................................................... 53

1.5.8.4 Beginn des Widerrufsrechts........................................................................ 53

1.5.8.5 Abweichender Versicherungsschein........................................................... 53

1.5.8.6 Vorvertragliche Anzeigepflicht .................................................................. 54

1.5.8.7 Resümee...................................................................................................... 54

1.6 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers ............................................................. 54

1.6.1 Frist und Form ............................................................................................ 54

1.6.2 Ausnahmen ................................................................................................. 55

1.6.3 Rechtsfolgen des Widerrufs (§ 9VVG n. F.) .............................................. 55

1.7 Form ........................................................................................................................ 56

1.8 Vertragsbeginn und -ende........................................................................................ 56

1.9 Verjährung............................................................................................................... 57

2 Vorvertragliche Anzeigepflicht ........................................................................................ 57

2.1 Inhalt der Anzeigepflicht ......................................................................................... 57

2.2 Rücktritt ................................................................................................................... 58

2.2.1 Voraussetzungen......................................................................................... 58

2.2.2 Ausschluss des Rücktrittsrechts.................................................................. 58

2.2.3 Ausübung und Rechtsfolgen des Rücktritts............................................... 58

2.2.4 Beweislast ................................................................................................... 59

2.2.5 Erlöschen des Rücktrittsrechts.................................................................... 59

2.3 Kündigung ............................................................................................................... 59

2.3.1 Voraussetzungen......................................................................................... 59

2.3.2 Ausschluss des Kündigungsrechts .............................................................. 59

2.3.3 Ausübung und Rechtsfolgen der Kündigung.............................................. 60

2.3.4 Beweislast ................................................................................................... 60

2.3.5 Erlöschen des Kündigungsrechts ................................................................ 60

2.4 Vertragsanpassung § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG n. F.................................................... 60

2.4.1 Voraussetzungen......................................................................................... 60

2.4.2 Ausschluss des Anpassungsrechts .............................................................. 60

2.4.3 Ausübung des Anpassungsrechts................................................................ 61

Page 9: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

2.4.4 Beweislast ................................................................................................... 61

2.4.5 Erlöschen des Anpassungsrechts ................................................................ 61

2.5 Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung.................................... 61

2.6 Übersicht: Rechtsfolgen bei Verletzung im Überblick............................................ 62

3 Gefahrerhöhung ................................................................................................................ 62

3.1 Kündigung wegen Gefahrerhöhung......................................................................... 63

3.2 Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung .............................................................. 63

3.3 Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung................................................................ 64

4 Vertragliche Obliegenheiten ............................................................................................. 65

4.1 Kündigungsrecht des Versicherers .......................................................................... 65

4.2 Leistungsfreiheit des Versicherers........................................................................... 65

5 Prämie ............................................................................................................................... 66

5.1 Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie...................................................................... 66

5.2 Fälligkeit der Prämie ............................................................................................... 66

5.3 Zahlungsverzug bei Erstprämie ............................................................................... 66

5.4 Zahlungsverzug bei Folgeprämie ............................................................................ 67

5.5 Prämienanpassung ................................................................................................... 67

6 Fremde Rechnung............................................................................................................. 67

7 Vorläufige Deckung.......................................................................................................... 68

7.1 Eigenständiger Versicherungsvertrag...................................................................... 68

7.2 Informationspflichten .............................................................................................. 68

7.3 AVB......................................................................................................................... 69

7.4 Prämie...................................................................................................................... 69

7.5 Beendigung der vorläufigen Deckung..................................................................... 69

8 Laufende Versicherung..................................................................................................... 69

9 Versicherungsvermittler.................................................................................................... 70

9.1 Versicherungsvermittler im VVG ........................................................................... 70

9.2 Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers und Mitteilungspflicht............. 71

9.2.1 Beratungsgrundlage des Versicherungsmaklers ......................................... 71

9.2.2 Beratungsgrundlage des Versicherungsvertreters....................................... 74

9.3 Mitteilungspflicht zur Beratungsgrundlage ............................................................. 75

9.3.1 Inhalt der Mitteilungspflicht zur Beratungsgrundlage................................ 75

9.3.2 Zeitpunkt der Mitteilungspflicht................................................................. 76

9.3.3 Form der Mitteilung.................................................................................... 76

9.3.4 Verzicht ...................................................................................................... 77

9.3.5 Praktische Umsetzung ................................................................................ 78

9.4 Vertragsspezifische Beratungs- und Dokumentationspflichten............................... 79

9.4.1 Wünsche und Bedürfnisse des Kunden ...................................................... 79

9.4.2 Die anlassbezogene Fragepflicht ................................................................ 80

9.4.3 Die anlassbezogene Beratungspflicht ......................................................... 81

9.4.4 Notwendige Risikoanalyse ......................................................................... 82

9.4.5 Umfassende Risikoanalysen ....................................................................... 85

9.4.6 Rat und Begründung................................................................................... 87

9.4.7 Beratungsverzicht ....................................................................................... 89

9.4.8 Ausnahmefall Unternehmererklärung......................................................... 90

9.4.9 Beratung am Telefon oder im Internet........................................................ 91

9.4.10 Dokumentationspflichten............................................................................ 91

8 Inhaltsverzeichnis

Page 10: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Inhaltsverzeichnis 9

9.4.11 Struktur der Dokumentation ....................................................................... 92

9.4.12 Form der Dokumentation............................................................................ 93

9.4.13 Zeitpunkt der Übermittlung der Dokumentation ........................................ 94

9.4.14 Dokumentationsverzicht ............................................................................. 94

9.5 Schadenersatzpflicht ................................................................................................ 96

9.5.1 Versicherungsmakler .................................................................................. 97

9.5.2 Scheinmakler .............................................................................................. 98

9.5.3 Ausschließlichkeitsvertreter........................................................................ 98

9.5.4 Mehrfachvertreter ....................................................................................... 98

9.6 Ausnahmen .............................................................................................................. 98

9.7 Vertretungsmacht..................................................................................................... 99

C Vorschriften für die Schadensversicherung ......................................................................... 100

1 Allgemeine Vorschriften................................................................................................. 100

1.1 Über- und Unterversicherung ................................................................................ 100

1.2 Mehrfachversicherung ........................................................................................... 100

1.3 Fehlendes versichertes Interesse............................................................................ 101

1.4 Herbeiführung des Versicherungsfalls .................................................................. 101

1.5 Schadenabwehr- und Minderungspflicht............................................................... 102

1.6 Aufwendungsersatz und Schadenermittlungskosten ............................................. 103

1.7 Übergang von Ersatzansprüchen ........................................................................... 103

2 Sachversicherung ............................................................................................................ 104

2.1 Versicherungswert ................................................................................................. 104

2.2 Versicherung für Inbegriff von Sachen ................................................................. 104

2.3 Erweiterter Aufwendungsersatz ............................................................................ 104

2.4 Verzinsung der Entschädigung.............................................................................. 105

2.5 Kündigung nach Versicherungsfall ....................................................................... 105

2.6 Wiederherstellung und -beschaffung..................................................................... 105

2.7 Veräußerung der versicherten Sache ..................................................................... 106

2.8 Zwangsversteigerung, Erwerb eines Nutzungsrechts ............................................ 106

D Einzelne Versicherungszweige ............................................................................................... 107

1 Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F........................................................... 107

1.1 Allgemeine Vorschriften ....................................................................................... 107

1.1.1 Allgemeine Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers ..................... 107

1.1.2 Betriebshaftpflichtversicherung................................................................ 108

1.1.3 Rentenanspruch......................................................................................... 109

1.1.4 Fälligkeit ................................................................................................... 109

1.1.5 Mehrere Geschädigte ................................................................................ 110

1.1.6 Insolvenz des VN...................................................................................... 110

1.1.7 Verfügungen über den Freistellungsanspruch .......................................... 110

1.2 Ausschluss und Obliegenheiten............................................................................. 112

1.3 Kündigungsrecht.................................................................................................... 114

1.4 Halbzwingendes Recht. ......................................................................................... 114

1.5 Pflichtversicherung................................................................................................ 115

1.5.1 Generelle Anforderungen an den Versicherungsschutz............................ 117

1.5.2 Direktanspruch.......................................................................................... 118

1.5.3 Innenverhältnis der Gesamtschuldner....................................................... 120

Page 11: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

1.5.4 Außenverhältnis zum Dritten.................................................................... 120

1.5.5 Aufteilung der Versicherungssumme bei mehreren Anspruchsberechtigten ............................................................................. 122

1.5.6 Obliegenheiten des Dritten ....................................................................... 122

1.5.7 Rückgriff bei mehreren Versicherten ....................................................... 123

1.5.8 Rechtskrafterstreckung ............................................................................. 123

1.5.9 Sonstiges................................................................................................... 124

2 Rechtsschutzversicherung, §§ 126 – 130 VVG n. F. ...................................................... 124

2.1 Gegenstand der Leistungspflicht des Versicherers................................................ 124

2.1.1 Leistung des Versicherers......................................................................... 124

2.1.2 Rechtsschutzbaustein und Schadenabwicklungsunternehmen ................. 125

2.1.3 Freie Anwaltswahl .................................................................................... 125

2.2 Gutachterverfahren ................................................................................................ 126

2.3 Halbzwingendes Recht .......................................................................................... 126

3 Transportversicherung, §§ 130 – 141 VVG n. F. ........................................................... 126

3.1 Umfang der Versicherung ..................................................................................... 126

3.2 Obliegenheiten, Gefahränderung, Ausschlüsse ..................................................... 127

3.3 Aufwendungsersatz ............................................................................................... 129

3.4 Versicherungswert ................................................................................................. 129

3.5 Ausschlüsse ........................................................................................................... 129

3.6 Veräußerung .......................................................................................................... 130

3.7 Befreiung durch Zahlung der Versicherungssumme ............................................. 130

4 Gebäudefeuerversicherung, §§ 142 – 149 VVG n. F...................................................... 131

4.1 Anzeige- und Informationspflichten des Versicherers .......................................... 131

4.2 Kündigung durch VN ............................................................................................ 132

4.3 Übergang der Hypothek ........................................................................................ 132

4.4 Bestätigungs- und Auskunftspflicht des Versicherers ........................................... 132

4.5 Änderung von Anschrift und Name des Hypotheken-gläubigers.......................... 132

4.6 Andere Grundpfandrechte/Eigentümergrundpfandrechte ..................................... 133

5 Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. ............................................................... 133

5.1 Grundlagen ............................................................................................................ 133

5.2 Widerruf ................................................................................................................ 134

5.3 Überschussbeteiligung........................................................................................... 135

5.4 Kenntnis und Verhalten der versicherten Person................................................... 139

5.5 Altersangabe und Gefahränderung ........................................................................ 139

5.6 Bezugsberechtigung .............................................................................................. 140

5.7 Selbsttötung und Tötung durch Leistungsberechtigte ........................................... 141

5.8 Prämien- und Leistungsänderung, Bedingungsanpassung, prämienfreie Versicherung.......................................................................................................... 141

5.9 Kündigung ............................................................................................................. 143

5.10 Rückkaufswert ....................................................................................................... 144

5.11 Sonstiges................................................................................................................ 146

6 Berufsunfähigkeitsversicherung, §§ 172 – 177 VVG n. F.............................................. 147

6.1 Leistung des Versicherers...................................................................................... 147

6.2 Anerkenntnis.......................................................................................................... 148

6.3 Nachprüfung .......................................................................................................... 148

Inhaltsverzeichnis 10

Page 12: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Inhaltsverzeichnis 11

6.4 Sonstiges................................................................................................................ 148

7 Unfallversicherung, §§ 178 – 191 VVG n. F.................................................................. 148

7.1 Leistung des Versicherers...................................................................................... 149

7.2 Leistungspflicht des Versicherers für den Fall der Invalidität............................... 149

7.3 Anerkenntnis.......................................................................................................... 150

7.4 Neubemessung der Invalidität ............................................................................... 151

7.5 Sachverständigenverfahren, Schadensermittlungskosten ...................................... 151

7.6 Pflichtversicherung................................................................................................ 151

7.7 Sonstiges................................................................................................................ 151

8 Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. ............................................................. 152

8.1 Vertragstypische Leistungen ................................................................................. 153

8.2 Versicherte Person................................................................................................. 154

8.3 Sonstige anzuwendende Vorschriften.................................................................... 154

8.4 Versicherungsdauer ............................................................................................... 155

8.5 Wartezeiten............................................................................................................ 157

8.6 Kindernachversicherung........................................................................................ 157

8.7 Beihilfeempfänger ................................................................................................. 157

8.8 Bereicherungsverbot.............................................................................................. 158

8.9 Herbeiführung des Versicherungsfalls .................................................................. 158

8.10 Auskunftspflichten des Versicherers/ Schadensermittlungskosten ...................... 158

8.11 Prämien/Bedingungsanpassung und Tarifwechsel ................................................ 159

8.12 Kündigung ............................................................................................................. 160

8.13 Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses ......................................................... 162

8.14 Sonstiges................................................................................................................ 163

8.15 Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz................................................................ 163

8.15.1 Versicherungspflicht................................................................................. 164

8.15.2 Tarifwechsel ............................................................................................. 166

8.15.3 Kündigung durch Versicherungsnehmer .................................................. 167

8.15.4 Kündigung durch Versicherer................................................................... 167

9 Schlussvorschriften......................................................................................................... 167

9.1 Rückversicherung/Seeversicherung....................................................................... 167

9.2 Großrisiken/laufende Versicherung....................................................................... 168

9.3 Pensionskassen, kleinere Versicherungsvereine, Versicherungen mit kleinen Beträgen................................................................................................................. 168

9.4 Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit ...................................... 168

9.5 Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten ................................ 168

9.6 Schlichtungsstelle .................................................................................................. 169

9.7 Gerichtsstand ......................................................................................................... 170

10 Geltungsbereich, Inkrafttreten, Übergangsregelungen ................................................... 170

10.1 Fortgeltung der bisherigen Vorschriften über den 1.1.2009 hinaus ...................... 170

10.2 Geltung des neuen VVG bereits ab dem 1.1.2008................................................. 170

10.3 Keine Geltung des neuen VVG ............................................................................. 171

E Auswirkungen auf die Praxis ................................................................................................. 172

1 Versicherungsmakler ...................................................................................................... 172

1.1 Auswirkungen der VVG-Reform für die Beratungspraxis .................................... 172

1.2 Auswirkungen der VVG-Reform für die Vergütung............................................. 178

Page 13: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

1.2.1 Relation der Kostensysteme ..................................................................... 179

1.2.2 Erläuterung der Kostenpositionen in den Abschlusskosten...................... 180

1.2.3 Kommunikation der eigenen Dienstleistung............................................. 180

1.3 Auswirkung der VVG-Reform für die Haftung..................................................... 183

1.4 Fazit und Perspektive der Vermittlerart................................................................. 183

2 Vertreter (auch Mehrfachvertreter)................................................................................. 184

2.1 Auswirkungen der VVG-Reform für die Beratungspraxis .................................... 184

2.2 Auswirkung der VVG-Reform für die Vergütung................................................. 185

2.2.1 Relation der Kostensysteme ..................................................................... 186

2.2.2 Erläuterung der Kostenpositionen in den Abschlusskosten...................... 186

2.2.3 Kommunikation der eigenen Dienstleistung............................................. 187

2.3 Auswirkungen der VVG-Reform auf die Haftung ................................................ 188

2.4 Fazit und Perspektive ............................................................................................ 189

3 Vertriebe ......................................................................................................................... 189

4 Banken ............................................................................................................................ 190

5 Versicherungsunternehmen ............................................................................................ 190

6 Verbundsysteme ............................................................................................................. 191

F Änderungen des EGVVG ....................................................................................................... 192

1 Grundsatz........................................................................................................................ 192

2 Vollmacht des Versicherungsvertreters/Krankenversicherung....................................... 193

3 Verjährung ...................................................................................................................... 193

4 Lebensversicherung/Berufsunfähigkeitsversicherung .................................................... 194

5 Rechte der Gläubiger von Grundpfandrechten ............................................................... 194

6 Versicherungsverhältnisse nach § 190 VVG .................................................................. 195

G Weitere Änderungen............................................................................................................... 195

Literaturverzeichnis........................................................................................................................ 196

Anhang ............................................................................................................................................. 197

1 Das ändert sich durch das neue VVG (Auszüge)............................................................ 197

2 VVG n. F. ....................................................................................................................... 202

3 Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV) .......................................................... 287

Stichwortverzeichnis ....................................................................................................................... 293

Inhaltsverzeichnis 12

Page 14: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

A Einleitung und Überblick

1 Einführung

Zum 1. Januar 2008 ist das Recht der Versicherungsverträge umfassend neu geregelt worden.

Das bisherige Versicherungsvertragsgesetz (VVG) stammt aus dem Jahre 1908 und ist im Lau-

fe der Jahre vom Gesetzgeber stellenweise geändert und durch die Rechtsprechung immer

wieder ergänzt worden. Nach der Einschätzung des Gesetzgebers konnte den Bedürfnissen ei-

nes modernen Verbraucherschutzes nur noch eine Gesamtreform des Versicherungsvertrags-

gesetzes vollständig gerecht werden.

Zentrale Felder der Reform sind beispielsweise und nicht abschließend die Beratungs-, Auf-

klärungs- und Informationspflichten der Versicherer, gesetzliche Mindeststandards für einzel-

ne Versicherungszweige (Rechtsschutzversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Pflicht-

versicherung), neue Vorschriften zu Form, Laufzeit und Prämie, Neuordnung des Widerrufs-

rechts und der vorvertraglichen Anzeigepflichten sowie die Modernisierung der Lebensversi-

cherung.

Die nachfolgenden Ausführungen im Teil A sollen dem eiligen Leser aus der Praxis einen ers-

ten Überblick über die aus Sicht der Verfasser wichtigsten Änderungen im Versicherungsver-

tragsgesetz geben.

Die Teile B bis D geben den Inhalt des neuen Versicherungsvertragsrechts in gedrängter Dar-

stellung und auf die Belange der Praxis abgestimmt wieder. Im Interesse eines leichteren Ver-

ständnisses orientiert sich die Darstellung möglichst nah am Aufbau des VVG n. F.

Der Teil E beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Reform auf die Belange und die Ar-

beitsprozesse der mit dem Absatz von Versicherungsverträgen beschäftigten Marktteilnehmer.

2 Ziele der Reform

Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes soll den Verbraucherschutz verbessern und

insbesondere dem Verbraucher mehr Transparenz bescheren.

Ein weiteres Ziel der Reform besteht darin, das Versicherungsvertragsrecht wieder mit der

rechtspolitischen Fortentwicklung und Wirklichkeit zu harmonisieren. Dazu zählt etwa die In-

tegration der rechtsfortbildenden Rechtsprechung (z. B. Auge und Ohr, Relevanztheorie, Ein-

schränkungen der Leistungsfreiheit für nicht kausale Obliegenheitsverletzungen) oder die

Neuaufnahme gesetzlicher Bestimmungen für in der Praxis besonders relevante Bereiche (vor-

läufige Deckung, Berufsunfähigkeitsversicherung). Von der Harmonisierung ebenso betroffe-

ne Bereiche sind das Schuldrechtmodernisierungsgesetz von 2002 sowie Vorgaben der dritten

Generation der Versicherungsrichtlinien der Europäischen Union.

Aufgrund der Umsetzungserfordernisse europäischer Richtlinien (Fernabsatz und Vermittler-

richtlinie) musste das VVG bereits im Zuge des Reformvorhabens mehrfach geändert werden,

zuletzt durch das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19. Dezem-

ber 2006, mit dem ab dem 22. Mai 2007 die §§ 42a bis 42k VVG (Versicherungsvermittler)

ins VVG eingefügt worden sind.

Page 15: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

14 Einleitung und Überblick

A Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Nicht-

berücksichtigung der stillen Reserven bei der Überschussbeteiligung in der Lebensversiche-

rung und des Bundesgerichtshofs zur Berechnung des Rückkaufswertes bei der Lebensversi-

cherung resultierte außerdem die Notwendigkeit, die Themen Überschussbeteiligung und stille

Reserven sowie die Berechnung des Rückkaufswertes im Sinne der Rechtsprechung verbrau-

chergerecht neu zu ordnen.

3 Gesetzgebungsverfahren

Bereits Mitte 2000 wurde vom Bundesministerium der Justiz eine Kommission aus Experten

aus Wissenschaft, Rechtsprechung und Versicherungspraxis eingesetzt, die ohne inhaltliche

Vorgaben des Gesetzgebers unter Beachtung der Reformziele eine Gesetzesreform vorbereiten

sollte.

Die Kommission legte am 19. April 2004 ihren Abschlussbericht vor, der einen kompletten

Vorschlag zur Neufassung des VVG nebst umfänglicher Begründung enthält.

Der dem Präsidenten des Deutschen Bundestages am 20.12.2006 übermittelte Regierungsent-

wurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts übernimmt die grundsätzli-

chen Überlegungen der VVG-Kommission und berücksichtigt zudem die vom Bundesverfas-

sungsgericht angestellten Überlegungen.

Am 5.7.2007 wurde das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom Deutschen

Bundestag verabschiedet und am 29. November 2007 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Am 21. Dezember wurde zudem die auf der Grundlage der Ermächtigung in § 7 Abs. 2 VVG

n. F. erlassene, lang erwartete und im Vorfeld kontrovers diskutierte Verordnung über Infor-

mationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-

InfoV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Sie enthält wesentliche Regelungen für die dem

Versicherungsnehmer zu übermittelnden Informationen, insbesondere über die mit dem Ab-

schluss von Lebens- und Krankenversicherungen verbundenen Abschlusskosten.

Die Reform tritt zum 1.1.2008 in Kraft. Für die VVG-InfoV gilt eine Übergangsfrist bis zum

30. Juni 2008.

4 Wichtige Änderungen der Reform im Überblick

4.1 Schnellüberblick

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick:

� Beratung und Information der Versicherungsnehmer

� Einführung eines einheitlichen Widerrufsrechts

� Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips

� Änderungen bei vorvertragliche Anzeigepflichten

� Änderungen bei Form, Laufzeit und Prämie

� Verjährung; Wegfall der Klagefrist

Page 16: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 15

A� Direktanspruch in der Pflichtversicherung

� Modernisierung der Lebensversicherung

� Inkrafttreten

4.2 Beratung und Information der Versicherungsnehmer

4.2.1 Beratungspflichten des Versicherers

Das bisherige VVG enthält keine Vorschriften für Versicherer über die Beratung des Versiche-

rungsnehmers vor Abschluss eines Versicherungsvertrags. Für Versicherungsvermittler (Ver-

sicherungsmakler und Versicherungsvertreter) bestehen seit dem 22. Mai 2007 gesetzlich vor-

gegebene Beratungspflichten und Dokumentationspflichten. Sie müssen den Versicherungs-

nehmer anlassbezogen nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen, ihn beraten, den Rat

begründen und dies dokumentieren.

Mit dem VVG n. F. werden nun auch Versicherer in derselben Weise zur anlassbezogenen Be-

ratung der Versicherungsnehmer und zur Dokumentation verpflichtet:

Nunmehr muss der Versicherer den Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluss nach seinen

Wünschen und Bedürfnissen befragen, soweit nach

� der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen

� der Person des Versicherungsnehmers

� der Situation des Versicherungsnehmers

hierfür ein Anlass besteht.

Ferner muss der Versicherer den Versicherungsnehmer

� unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand

und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie

beraten und die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat angeben

(§ 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.).

Bei der Befragung des Kunden nach seinen Wünschen und Bedürfnissen geht es darum, die

meist laienhaften Vorstellungswelt des Kunden in eine am tatsächlichen Versicherungsbedarf

des Kunden ausgerichteten und möglichen Versicherungsschutzlösung aufzulösen.

Der Versicherer soll in die Lage versetzt werden, sich die für eine bedarfsgerechte Beratung

notwendigen Auskünfte zu beschaffen. Insbesondere wenn der Kunde keine hinreichenden

Angaben zu seinen Wünschen und zu seinem Bedarf macht, ist der Versicherer gefordert

nachzufragen.

Page 17: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

16 Einleitung und Überblick

A

Hinweis

In der Praxis wird unter Beratungsanlass häufig nur eine spartenbezogene Beratung im Unter-

schied zur Rundumberatung (Haushaltsanalyse, Gewerbeanalyse) verstanden. Das ist zu kurz

gegriffen, da auch bei der spartenbezogenen Beratung (z. B. Hausratversicherung) je nach Per-

son oder Situation des Kunden oder Schwierigkeit der Versicherung die Befragung und Bera-

tung den jeweiligen konkreten Umständen anzupassen ist.

Beispiel

Wenn ein Türke im Büro des Versicherungsvermittlers Kraftfahrtversicherung abschließt und

dafür Deckung benötigt, besteht Veranlassung nachzufragen, ob bei einer mit dem zu versi-

chernden Kraftfahrzeug durchgeführten Fahrt in die Türkei die Möglichkeit besteht, dass dabei

der europäische Teil der Türkei verlassen wird, weil für diesen Fall eine besondere Deckung

notwendig werden kann.

Praxistipp

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die Risikoanalyse für die verschiedenen Sparten zu

standardisieren und regelmäßig und gründlich durchzuführen.

Während sich die Beratungspflichten der Vermittler auf den Zeitraum bis zum Abschluss des

Versicherungsvertrags beschränken, sind Versicherer nach neuem Recht auch zur Beratung

des Versicherungsnehmers während der Laufzeit verpflichtet, soweit sich hierfür ein Anlass

bietet.

Die Beratungspflichten der Versicherer bestehen nicht, wenn der Versicherungsvertrag

über einen Versicherungsmakler oder im Wege des Fernabsatzes vermittelt wird.

Schaltet der Versicherer Versicherungsvertreter in den Absatz von Versicherungsverträgen

ein, überschneiden sich gesetzliche Beratungspflichten des Versicherers und des Versiche-

rungsvertreters. Hier wird der Versicherungsvertreter mit der Erfüllung eigener Pflichten

zugleich auch die Pflichten des Versicherers erfüllen.

In Praxis können aber je nach Fallgestaltung vertragliche Beratungspflichten entstehen, für die

Versicherer oder Vermittler einstehen müssen.

4.2.2 Informationspflichten des Versicherers

In der Praxis werden Versicherungsverträge bislang überwiegend in der Weise geschlossen,

dass der Versicherungsnehmer einen vom Versicherer vorbereiteten Antrag auf Abschluss

eines Versicherungsvertrages unterschreibt, den der Versicherer – bei Vorliegen der für die

Annahme des Versicherers notwendigen Voraussetzungen – annimmt.

Wenn der Versicherungsnehmer dabei mit dem Antrag und vor seiner Unterschrift bereits

alle vorgeschriebenen Informationen und Versicherungsbedingungen erhalten hat,

kommt der Vertrag zustande, wenn der Versicherer die Annahme erklärt und dem Versiche-

rungsnehmer die Versicherungspolice übermittelt. Üblicherweise wird dies als Vertragsschluss

nach dem „Antragsmodell“ bezeichnet.

Page 18: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 17

AMeistens erhält der Versicherungsnehmer aber die für ihn wichtigen Informationen und Versi-

cherungsbedingungen in der Praxis erst mit der Annahmeerklärung des Versicherers, d. h. re-

gelmäßig mit dem Versicherungsschein. In diesen Fällen wird das als Vertragsschluss nach

dem „Policenmodell“ bezeichnet. Dies ist nach bisherigem Recht gem. § 5a VVG zulässig

gewesen, weil dem Versicherungsnehmer ein befristetes Widerspruchrecht zustand, bis zu des-

sen Ablauf der Versicherungsvertrag schwebend unwirksam war und der Versicherungsneh-

mer so die Vertragsinformationen ohne endgültige Vertragsbindung prüfen konnte.

Der Gesetzgeber verpflichtet nun den Versicherer, dem Versicherungsnehmer

� rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung

� seine Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen

sowie

� weitere Informationen nach Maßgabe der gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F. erlassenen Verord-

nung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informations-

pflichtenverordnung – VVG-InfoV)

� in Textform

� entsprechend dem eingesetzten Kommunikationsmittel klar und verständlich

mitzuteilen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.).

Der Versicherer muss also dem Versicherungsnehmer sämtliche den Versicherungsvertrag

betreffenden Informationen übermitteln, bevor der Versicherungsnehmer seine Vertragser-

klärung abgibt (§ 7 VVG n. F.). Erforderlich ist vor allem, dass die Information rechtzeitig

vor der Vertragserklärung des Kunden erfolgt.

Der Begriff der Rechtzeitigkeit entstammt dem Fernabsatzrecht. Die Übermittlung einer In-

formation ist deshalb dann als rechtzeitig anzusehen, wenn der Informationsempfänger die

Möglichkeit hat, von dem Inhalt der Information Kenntnis zu nehmen.

Für die Bestimmung der Rechtzeitigkeit der neuen Informationspflichten kommt es also dar-

auf an, dass der Kunde die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Das wird

vielfach bezweifelt, wenn die Informationen zugleich mit dem Antrag dem Kunden zur Unter-

schrift vorgelegt werden.

Eine am Kundeninteresse orientierte Auslegung des Begriffs der Rechtzeitigkeit könnte in der

Praxis deshalb dazu führen, dass ein Vermittlungsgeschäft zwei Kundenbesuche erfordert:

Erster Besuch für Beratung und Information, zweiter Besuch nach Bedenkzeit für den Kunden

zur Antragsaufnahme.

Textform bedeutet, dass die Information in Form eines Druckstücks oder digital, also durch

CD, USB-Stick oder E-Mail erfolgen kann.

Die VVG-InfoV unterscheidet zwischen Informationspflichten, die

� bei jedem Versicherungsvertrag (§ 1 VVG-InfoV)

� bei der Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und der Unfallversicherung

mit Prämienrückgewähr zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV (§ 2 VVG-

InfoV)

� bei der Krankenversicherung zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV (§ 3

VVG-InfoV)

Page 19: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

18 Einleitung und Überblick

A dem Versicherungsnehmer vor seiner Vertragserklärung zur Verfügung gestellt werden müs-

sen, und verpflichtet den Versicherer zusätzlich,

� dem Versicherungsnehmer ein sogenanntes Produktinformationsblatt mit Informatio-

nen, die für den Abschluss oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages von besonderer

Bedeutung sind, zur Verfügung zu stellen (§ 4 VVG-InfoV). Ein Produktinformations-

blatt ist aber nur dann auszuhändigen, wenn der Versicherungsnehmer ein Verbrau-

cher gem. § 13 BGB ist. Gegenüber Gewerbetreibenden besteht diese Verpflichtung nicht.

Die für die Praxis bedeutsamste Neuerung in der Lebens- und Krankenversicherung ist

die Verpflichtung zur Offenlegung der einkalkulierten Abschluss- und Vertriebskosten

in Euro. Nach bisherigem Recht kamen Lebensversicherungsverträge in der Regel zustande,

ohne dass der Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner bindenden Vertragserklärung über das

Ausmaß der mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages entstehenden Kosten informiert

war.

Nach neuem Recht muss der Versicherer bei Lebensversicherung- und Krankenversiche-

rungsverträgen den Versicherungsnehmer vor dessen Abgabe seiner Vertragserklärung in

Textform über die Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten und sonstiger möglicher

Kosten informieren (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 VVG InfoV).

Außerdem ist der Versicherer verpflichtet, bei Telefongesprächen seine Identität und den

Zweck des Kontakts zu Beginn des Gesprächs offenzulegen (§ 5 Abs. 1 VVG-InfoV). Unter

besonderen Voraussetzungen kann sich der Versicherer im Übrigen in dem Gespräch auf einen

Teil der Informationen nach § 1 VVG-InfoV beschränken (§ 5 Abs. 2 VVG-InfoV).

Während der Laufzeit des Versicherungsvertrages obliegen dem Versicherer ferner be-

stimmte Informationspflichten nach Maßgabe des § 6 VVG-InfoV.

Ausnahmsweise dürfen die Informationen gem. § 7 VVG n. F.

� die Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen

� die Informationen gem. § 1 VVG-InfoV

� die Informationen gem. § 2 oder § 3 VVG-InfoV

� das Produktinformationsblatt gem. § 4 VVG-InfoV

zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer schnellen

Versicherungsschutz benötigt und deshalb telefonisch den Vertrag schließt oder durch ei-

ne gesonderte schriftliche Erklärung auf die Information vor Abgabe seiner Vertragserklä-

rung verzichtet. Die Informationen müssen in diesen Fällen unverzüglich nach Vertrags-

schluss nachgeholt werden.

Die Ausnahme wird damit begründet, dass der „mündige Verbraucher“ in der Lage sei, zu ent-

scheiden, ob er die eigentlich vor seiner Vertragserklärung zu überlassenden Informationen

zunächst durchsehen möchte, um danach zu entscheiden, welchen Versicherungsvertrag er

schließen wolle oder ob er sofortigen Versicherungsschutz haben und die Details des Vertrags

erst nach seiner Vertragserklärung erhalten und zur Kenntnis nehmen wolle.

Mit der Bestimmung des § 7 VVG n. F., dass die dort genannten Informationen dem Versiche-

rungsnehmer rechtzeitig vor seiner Vertragserklärung mitgeteilt werden müssen, wird das bis-

herige Policenmodell faktisch abgeschafft. Das (leicht modifizierte) Antragsmodell wird

zum Leitbild des neuen Versicherungsvertragsrechts. Der Gesetzgeber begründet dies mit der

Page 20: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 19

Abeabsichtigten Verbesserung des Verbraucherschutzes. Dem Verbraucher werde so Gelegen-

heit gegeben, sich vor Abgabe einer Vertragserklärung mit den Einzelheiten des Vertrags ver-

traut zu machen.

Die Abschaffung des bewährten und eingeführten Policenmodells wird von der Praxis kri-

tisch gesehen, weil die Verpflichtung zur Übermittlung aller vertragsrelevanten Informationen

an den Versicherungsnehmer vor seiner Vertragserklärung einerseits sehr hohe logistische

Anforderungen an den Versicherungsvertrieb bedeutet und andererseits der Kundennutzen

der Informationsübermittlung bezweifelt wird.

Die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen bedeuten in der Praxis einen Umfang von 50

Seiten Text und mehr (sog. Antragsbücher). Die bisherigen Erfahrungen der Versiche-

rungswirtschaft über den Umgang des Kunden mit Vertragsinformationen (Kleingedrucktes)

legt die Vermutung nahe, dass das Vorverlegen der Informationsübermittlung nicht dazu füh-

ren wird, dass Versicherungsnehmer die Informationen auch tatsächlich zur Kenntnis neh-

men.1

Für das neue Recht wird deshalb auch das sogenannte Invitatiomodell diskutiert, bei dem die

Akteure bei Antrag und Annahme ausgetauscht werden:

Der Versicherungsnehmer nennt dem Versicherer oder dem Vermittler seine Wünsche und

Bedürfnisse und bittet den Versicherer auf der Basis der zur Verfügung gestellten Daten um

ein Angebot zum Abschluss eines Versicherungsvertrages. Die Erklärung des Versicherungs-

nehmers bleibt ohne rechtlichen Bindungswillen und ist deshalb kein Antrag, sondern eine

invitatio ad offerendum. Der Versicherer prüft das Risiko, fertigt die Police aus und übermit-

telt sie dem Versicherungsnehmer. Der Versicherer unterbreitet damit zugleich dem Versi-

cherungsnehmer den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags, den der Kunde

durch ausdrückliche Erklärung oder konkludent annehmen kann.2 Die Vertragsinformationen

werden dem Versicherungsnehmer bei dieser Verfahrenweise mit dem Antrag des Versiche-

rers und der Police übermittelt. Noch ist nicht abzusehen, welches Modell zukünftig die Praxis

bestimmen wird.

4.3 Einführung eines einheitlichen Widerrufsrechts

Die bisher an verschiedenen Stellen des VVG geregelten Lösungsrechte des Versicherungs-

nehmers werden vereinheitlicht und jetzt neu durch ein allgemeines Widerrufsrecht des Ver-

sicherungsnehmers ersetzt (§§ 8, 9 VVG n. F.).

Danach kann der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung innerhalb einer Frist von zwei

Wochen ohne Begründung in Textform widerrufen. Der Widerruf kann also per Brief, Fax

oder E-Mail erklärt werden.

Bei der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage (§ 152

Abs. 1 VVG n. F.).

Die Widerrufsfrist beginnt jeweils mit dem Zugang der Police sowie aller relevanter Ver-

tragsbestimmungen und Informationen einschließlich einer deutlich gestalteten Belehrung über

das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs. Der Inhalt der Widerrufsbeleh-

rung wird durch Rechtsverordnung festgelegt; für den Zugang der Unterlagen ist der Versiche-

rer beweispflichtig (§ 8 Abs. 2 VVG n. F.).

1 Vgl. dazu vor allem die Zweifel von Römer, zu den Informationspflichten nch dem neuen VVG, Vers R2007, 618. 2 Ausführlich Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715 ff.

Page 21: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

20 Einleitung und Überblick

A Ist die Belehrung ordnungsgemäß erfolgt, erhält der Kunde im Falle des Widerrufs seine be-

reits gezahlten Prämien zurück. Hat der Versicherungsschutz bereits vor Ablauf der Wider-

rufsfrist begonnen, kann der Versicherungsnehmer nur den auf die Zeit nach Zugang des Wi-

derrufs entfallenden Prämienanteil zurückverlangen (§ 9 Satz 1 VVG n. F.). In der Lebensver-

sicherung erhält der Versicherungsnehmer zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der

Überschussanteile nach § 169 VVG n. F. (§ 152 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.).

Ist die Belehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt, kann der Versicherungsnehmer zusätzlich

die Prämie für das erste Versicherungsjahr verlangen, wenn er noch keine Leistungen aus dem

Versicherungsvertrag in Anspruch genommen hat (§ 9 Satz 2 VVG n. F.). In der Lebensversi-

cherung muss der Versicherer in diesem Fall entweder den Rückkaufswert einschließlich der

Überschussanteile auskehren oder die für das erste Jahr gezahlte Prämie zurückzahlen, wenn

dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist (§ 152 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).

Ausgenommen vom Widerrufsrecht bleiben:

� Kurzfristige Versicherungen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat

� Verträge über vorläufige Deckung (Ausnahme: Fernabsatzverträge)

� Verträge bei Pensionskassen, die auf arbeitsvertraglichen Regelungen beruhen (Ausnah-

me: Fernabsatzverträge)

� Verträge über Großrisiken im Sinne des Artikels Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EGVVG.

4.4 Aufgabe des Alles-oder-nichts-Prinzips

Im bisherigen VVG führte die Verletzung von Anzeigepflichten (§§ 16 ff. VVG), von vertrag-

licher oder gesetzlicher Obliegenheiten und des Verbots der Gefahrerhöhung (§§ 6, 23 ff. und

71 VVG) sowie bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls (§§ 61 f. VVG) durch den Ver-

sicherungsnehmer regelmäßig zur Leistungsfreiheit des Versicherers und damit zum Verlust

des Versicherungsschutzes beim Versicherungsnehmer.

Dem System lag in der Regel das sog. Alles-oder-nichts-Prinzip zugrunde: Entweder volle

vertragliche Versicherungsleistung oder Leistungsfreiheit des Versicherers. Auf den ersten

Blick eine scheinbare einfache Regelung, weil die Leistungsfreiheit nach Feststellung einer

Vertragsverletzung und eines hinreichenden Verschuldens des Versicherungsnehmers ohne

Weiteres und insgesamt eintrat. Tatsächlich erforderte sie aber eine exakte Feststellung des

Verschuldens, weil die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, zwischen bedingtem

Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit oder zwischen grober und einfacher Fahrlässigkeit für

den Wegfall oder den Erhalt des Versicherungsschutzes von entscheidender Bedeutung war.

Im Ergebnis führte dieses Prinzip aber gerade bei ähnlich gelagerten Fällen mit nur graduellen

Unterschieden im Verschulden zu gegensätzlichen Rechtsfolgen: In dem einen Fall voller Ver-

sicherungsschutz und in dem anderen, fast identischen Fall völlige Leistungsfreiheit. Zur

Vermeidung systembedingter Rechtsfolgen, die den Umständen des Einzelfalls nicht mehr ge-

recht werden konnten, hat die Rechtssprechung in solchen Situationen die Schwelle der groben

Fahrlässigkeit teilweise nach oben verschoben.

Das VVG n. F. sieht deshalb den Wegfall des Alles-oder-nichts-Prinzips vor. Dabei be-

schränkt sich das Gesetz nicht auf Korrekturen bei den einzelnen Vorschriften, sondern führt

für sämtliche Verletzungen vertraglicher Pflichten und Obliegenheiten des Versiche-

rungsnehmers (Anzeige von Gefahrumständen, Verbot der Gefahrerhöhung) ein weitgehend

Page 22: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 21

Aeinheitliches und damit besser verständliches Systemen von Rechtsfolgen ein, das die Inte-

ressen der Beteiligten angemessen berücksichtigt.

Die zentralen Inhalte des neuen Systems bestehen aus folgenden Elementen:

� Keine Leistungsfreiheit bei einfacher Fahrlässigkeit

� Leistungsfreiheit nur möglich bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz

Leistungsfreiheit als Rechtsfolge bleibt grundsätzlich möglich, setzt aber immer grobe

Fahrlässigkeit oder Vorsatz voraus.

In einigen Fällen wird Leistungsfreiheit durch Kündigungs- oder Vertragsanpassungsrech-

te ersetzt.

� Kausalitätserfordernis für Leistungsfreiheit

Leistungsfreiheit setzt grundsätzlich voraus, dass das Handeln des Versicherungsnehmers

kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistung des Versiche-

rers war.

Davon ausgenommen bleibt nur betrügerisches Verhalten des Versicherungsnehmers vor

und nach dem Versicherungsfall: Diese führt ausnahmsweise, auch wenn es nicht kausal

geworden ist, zur Leistungsfreiheit.

� Quotelung bei grober Fahrlässigkeit

Bei grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen Obliegenheiten kann

der Versicherer seine Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens kürzen

� Leistungsfreiheit bei Vorsatz

Vorsätzliche Verstöße führen – soweit Kausalität vorliegt – immer zur Leistungsfreiheit.

� Belehrungspflichten des Versicherers

Der Versicherungsnehmer soll nicht von der Leistungsfreiheit überrascht werden: Es wer-

den Belehrungspflichten des Versicherers eingeführt, die den Versicherungsnehmer war-

nen und ihn zu richtigem Verhalten anhalten sollen.

� Einheitliche Beweislastregelung

Vermutung grober Fahrlässigkeit. Die Beweislast für Vorsatz trägt der Versicherer. Die

Beweislast für leichte Fahrlässigkeit liegt beim Versicherungsnehmer.

Versicherungsnehmer muss nachweisen, dass sein Verhalten nicht kausal für den eingetre-

tenen Schaden war (Kausalitätsgegenbeweis).

Auf die Ausgestaltung des neuen Systems wird in den einzelnen Abschnitten (Vorvertragliche

Anzeigepflichten, Gefahrerhöhung, vertragliche Obliegenheiten, Herbeiführung des Versiche-

rungsfalls) näher eingegangen.

4.5 Änderungen bei vorvertraglichen Anzeigepflichten

Wie schon bisher hat der Versicherungsnehmer auch zukünftig vorvertragliche Anzeige-

pflichten, die dem Versicherer die Prüfung des zu versichernden Risikos ermöglichen.

Page 23: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

22 Einleitung und Überblick

A Bisher musste der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten

Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, anzeigen. Die Anzeigepflicht be-

stand unabhängig von Fragen des Versicherers bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Nunmehr muss der Versicherungsnehmer

� bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung

� solche gefahrerhebliche Umstände anzeigen, nach denen der Versicherer ausdrücklich in

Textform gefragt hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.).

Maßgeblicher Zeitpunkt ist nicht mehr der Vertragsschluss, sondern die Abgabe der Ver-

tragserklärung des Kunden. Die wichtigste Änderung besteht darin, dass der Versiche-

rungsnehmer nur noch solche Umstände anzeigen muss, nach denen der Versicherer aus-

drücklich gefragt hat. Denn damit liegt die Einschätzung, welche Umstände für die Gefahr-

tragung durch den Versicherer von Bedeutung sind, nicht mehr im Risikobereich des Versi-

cherungsnehmers, sondern im Risikobereich des Versicherers. Für die Versicherer wird dies

bedeuten, die Fragen zum Risiko genauer und ausführlicher zu stellen.

Eine Nachmeldepflicht nach Antragstellung besteht nur noch, wenn der Versicherer dazu

ausdrücklich in Textform auffordert (§ 19 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Eine spontane Nach-

meldepflicht über möglicherweise eingetretene Gefahränderungen nach Antragsstellung be-

steht demnach nicht mehr.

Die Rechtsfolgen einer Verletzung vorvertraglicher Anzeigpflichten sind insgesamt verbrau-

chergerechter ausgestaltet.

Ein Rücktrittsrecht des Versicherers besteht nur noch, wenn der Versicherungsnehmer die

vorvertragliche Anzeigepflicht grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat (§ 19 Abs. 2, 3

VVG n. F.).

Bei einfacher fahrlässiger oder schuldloser (arg. § 19 Abs. 4 Satz 2, 2. HS VVG n. F.) An-

zeigepflichtverletzung kann der Versicherer den Versicherungsvertrag dagegen nur mit einer

Frist von einem Monat mit Wirkung für die Zukunft kündigen (§ 19 Abs. 3 Satz 2

VVG n. F.).

Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grober Fahrlässigkeit (nicht bei Vorsatz!) und

das Kündigungsrecht des Versicherers bei einfacher Fahrlässigkeit sind ausgeschlossen,

wenn der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände,

wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte (§ 19 Abs. 4 Satz 1 VVG n. F.). Dem

Versicherungsnehmer bleibt es überlassen, insoweit den Kausalitätsgegenbeweis zu führen.

Auf Verlangen des Versicherers werden die „andere Bedingungen“ bei einfacher Fahrlässig-

keit des Versicherungsnehmers rückwirkend (§ 19 Abs. 4 Satz 2, 1. HS VVG n. F.), bei

schuldloser Anzeigepflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode (§ 19 Abs. 4

Satz 2, 2. HS) Vertragsbestandteil.

Erhöht sich dadurch die Prämie um mehr als 10 Prozent oder verlangt der Versicherer einen

Risikoausschluss, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach

Zugang der Mitteilung des Versicherers fristlos kündigen (§ 19 Abs. 6 VVG n. F.).

Rücktritts-, Kündigungs- und Vertragsgestaltungsrechte des Versicherers setzten voraus, dass

� der Versicherer den Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss über die Rechtsfolgen einer

Anzeigepflichtverletzung ordnungsgemäß belehrt hat (§ 19 Abs. 5 Satz 1 VVG n. F.) und

Page 24: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 23

A� dem Versicherer bzw. dem Versicherungsvertreter (Auge und Ohr!) der nicht angezeigte

Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige unbekannt war (Kausalität; § 19 Abs. 4

Satz 2 VVG n. F.).

Ist im Falle eines Rücktrittes der Schadenfall bereits eingetreten, ist der Versicherer leistungs-

frei, wenn zwischen der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung und

dem eingetretenen Schaden ein Ursachenzusammenhang (Kausalität) besteht. Der Versiche-

rungsnehmer kann den Kausalitätsgegenbeweis führen.

Rücktritts-, Kündigungs- und Vertragsgestaltungsrechte des Versicherers erlöschen nach Ab-

lauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss (§ 21 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.), in der Krankenver-

sicherung nach Ablauf von drei Jahren (§ 194 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F.). Bei vorsätzlicher oder

grob fahrlässiger Verletzung verlängert sich die Frist von fünf auf zehn Jahre (§ 21 Abs. 3 Satz

2 VVG n. F.)

Bei arglistiger Täuschung kann der Versicherer den Vertrag anfechten (§ 22 VVG n. F.).

Verletzung Anzeigepflicht Rechtsfolgen

Ohne Verschulden Kündigung oder Vertragsanpassung

Einfache Fahrlässigkeit Kündigung oder Vertragsanpassung

Grobe Fahrlässigkeit Rücktritt oder Vertragsanpassung

Vorsatz Rücktritt

Arglist Anfechtung

4.6 Änderungen bei Form, Laufzeit und Prämie

4.6.1 Textform

Auch im neuen Versicherungsvertragsrecht bleibt es bei der grundsätzlichen Formfreiheit

von Versicherungsverträgen. Wie bisher können Versicherungsverträge auch zukünftig form-

los geschlossen werden.

Für bestimmte Erklärungen der Vertragsparteien war bisher dennoch Schriftform vorgeschrie-

ben (z. B. § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG). Derartige Schriftformerfordernisse werden im neuen Ver-

sicherungsvertragsrecht weitgehend durch Textform (§ 126b BGB) ersetzt. Ist Textform vor-

geschrieben, muss die Erklärung auf Papier oder elektronisch zur dauerhaften Wiedergabe

(Diskette, CD, USB-Stick, E-Mail oder ähnliches) in Schriftzeichen abgegeben werden, die

Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Un-

terschrift oder anders, etwa durch Abschlussfloskel und Name in Druckbuchstaben erkennbar

gemacht werden.

Mit der weitgehenden Ersetzung der Schriftform durch Textform ist der Anschluss des Versi-

cherungsvertragsrechts an die moderne elektronische Kommunikation vollzogen.

Beispiele für Textform:

� Widerruf und Widerspruch des Versicherungsnehmers

� Informationen und Belehrungen des Versicherers

Page 25: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

24 Einleitung und Überblick

A � Fragen nach gefahrerheblichen Umständen bei Antragsaufnahme

� Folgeprämienmahnung

� Informationen des Versicherungsvermittlers gegenüber dem Versicherungsnehmer

Schriftform kann von den Parteien weiterhin für bestimmte Erklärungen vereinbart werden.

Sie muss eingehalten werden bei

� Verzicht des Versicherungsnehmers auf Beratung, Dokumentation, Vertragsinformationen

(§ 6 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, 2. HS, § 61 Abs. 2 VVG n. F.)

� Geltendmachen der Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung (§ 21

Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.),

� Bevollmächtigung des Versicherungsvermittlers zur Entgegennahme von Leistungen, die

für den Versicherungsnehmer bestimmt sind (§ 64 VVG n. F.),

� Einwilligung der versicherten Person zum Abschluss einer Todesfall- bzw. einer Unfall-

versicherung (§§ 150 Abs. 2, 179 Abs. VVG n. F.).

4.6.2 Laufzeit und Sonderkündigungsrecht

Die bisherige „Mittagsregel“ (§ 7 VVG) wird aufgehoben. Versicherungsverträge beginnen

nunmehr regelmäßig um 0 Uhr des Tages, an dem der Vertrag geschlossen wird, und enden

um 24 Uhr des letzten Tages der Vertragslaufzeit. Vertragliche Abweichungen bleiben mög-

lich.

Auch das neue Versicherungsvertragsrecht kennt keine grundsätzliche Beschränkung der Ver-

tragslaufzeiten von Versicherungsverträgen. Den Vertragsparteien bleibt es daher weiterhin

unbenommen, Mehrjahresverträge (fünf oder zehn Jahre) abzuschließen. Zum Schutz des Ver-

sicherungsnehmers vor überlangen Laufzeiten gewährt § 11 Abs. 4 VVG n. F. dem Versiche-

rungsnehmer ein nicht abdingbares Sonderkündigungsrecht zum Schluss des dritten oder

jedes darauffolgenden Jahres mit einer Frist von drei Monaten.

4.6.3 Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie

Wichtigste Neuerung im Prämienrecht des VVG n. F. ist die Aufgabe des Prinzips der Un-

teilbarkeit der Prämie. Nach diesem Prinzip gebührte dem Versicherer auch bei außerordent-

licher Beendigung z. B. durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherungsvertrages im lau-

fenden Versicherungsjahr die komplette Jahresprämie. Diese Regelung hat den Versiche-

rungsnehmer in vielen Fällen unangemessen benachteiligt und ist deshalb zu Recht abge-

schafft worden.

An ihre Stelle ist nun eine Pro-rata-temporis-Regel getreten, nach der der Prämienanspruch

des Versicherers mit dem Zeitraum des geleisteten Versicherungsschutzes korrespondiert (§ 39

Abs. 1 VVG n. F.). Endet ein Versicherungsvertrag vorzeitig, etwa durch Kündigung nach ei-

nem Versicherungsfall (§§ 92, 111 VVG), Erwerberkündigung (§ 96 VVG), oder Kündigung

nach Prämienanpassung oder Leistungssenkung (§ 40 VVG), steht dem Versicherer nicht mehr

die volle Prämie der laufenden Versicherungsperiode, sondern nur ein zeitanteiliger Prämien-

anspruch zu.

Wird das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt wegen § 19 Abs. 2 VVG n. F. (vorvertrag-

liche Anzeigepflichtverletzung) oder durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung been-

Page 26: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 25

Adet, steht dem Versicherer die Prämie aber bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder

Anfechtungserklärung zu (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

Tritt der Versicherer wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Einmal- oder Erstprämie zurück,

kann der Versicherer – auch ohne Risikotragung – eine angemessene Geschäftsgebühr ver-

langen (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VVG n. F.).

Neu im Prämienrecht ist die Anpassung der Fälligkeitsvorschriften (§ 33 Abs. 1 VVG n. F.)

an das allgemeine Widerrufsrecht gem. § 8 VVG n. F.: Fälligkeit der Erstprämie zwei Wochen

nach Zugang des Versicherungsscheins. Der Versicherungsnehmer soll noch nicht zur Zahlung

der Prämie verpflichtet sein, solange er noch widerrufen kann.

Zudem muss der Versicherer den Versicherungsnehmer nach neuem Recht auf die Rechtsfol-

gen der nicht rechtzeitigen Zahlung der Einmal- oder Erstprämie hinweisen (§ 37 Abs. 2 Satz

2 VVG n. F.).

Neu ist schließlich auch die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, die Leistungsfreiheit des

Versicherers wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Einmal- oder Erstprämie durch den Nach-

weis mangelnden Verschuldens zu vermeiden (§ 37 Abs. 2 VVG n. F.).

4.7 Verjährung; Wegfall der Klagefrist

4.7.1 Verjährung

Die bisherigen Verjährungsvorschrift des § 12 Abs. 1 VVG wird aufgehoben. Damit gelten

auch im Versicherungsvertragsrecht die allgemeinen Vorschriften zur Verjährung schuld-

rechtlicher Ansprüche, die mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts allgemein

eingeführt worden sind.

Die bisher geltende Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen von zwei Jah-

ren – bei der Lebensversicherung von fünf Jahren – wird damit durch die Regelfrist von drei

Jahren des § 195 BGB ersetzt.

Auch für den Beginn der Verjährung gelten nun die allgemeinen Vorschriften und damit das

sog. subjektive System, das den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren mit

der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Per-

son des Schuldners verknüpft.

Gem. § 199 BGB setzt der Beginn der Verjährung neben der Kenntnis des Gläubigers von den

den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners ferner voraus, dass

der Anspruch entstanden (Fälligkeit) ist.

4.7.2 Wegfall der Klagefrist

Auch die bisher in § 12 Abs. 3 VVG geregelte Klagefrist von sechs Monaten ist ersatzlos

aufgehoben worden. Die Vorschrift ist vielfach kritisiert worden, weil sie dem Versicherer die

Möglichkeit verschaffte, die Verjährungsfrist zum Nachteil des Versicherungsnehmers einsei-

tig zu verkürzen.

Page 27: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

26 Einleitung und Überblick

A 4.8 Direktanspruch in der Pflichtversicherung

Sofern eine Pflicht zum Abschluss eines Haftpflichtversicherungsertrags besteht, soll der ge-

schädigte Dritte gem. § 115 VVG n. F. einen Direktanspruch gegen den Versicherer haben,

wenn

� es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversiche-

rungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt (wie bisher schon) oder

� über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder man-

gels Masse abgewiesen wurde oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist

oder

� wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.

Im Übrigen bleibt es bei den bisherigen Regeln (§ 158b ff. VVG).

Die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, für alle Pflichtversicherungen einen Direkt-

anspruch einzuführen, konnte sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen.

Ein Direktanspruch gegen den Versicherer sichert dem Geschädigten im Schadenfall im Rah-

men der Versicherungssummen einen verhandlungs- und zahlungsbereiten und zahlungsfähi-

gen Schuldner und sorgt so für eine erleichterte Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.

4.9 Modernisierung der Lebensversicherung

Ein zentraler Bestandteil der VVG-Reform ist die Modernisierung der Lebensversicherung.

Sie bringt der Branche nachhaltige Änderungen und hat deshalb besondere öffentliche Auf-

merksamkeit erfahren.

Unter den Oberbegriff der Lebensversicherung werden Kapital- und Rentenversicherungen

auf den Todes- und/oder Erlebensfall zusammengefasst. Je nach Vertragsgestaltung wird im

Todesfall und/oder Erlebensfall eine Kapitalzahlung (Kapitalversicherung) oder eine

(Leib-)Rente fällig.

In der Praxis sind insbesondere Mischformen von besonderer Bedeutung, bei denen Hinter-

bliebenenabsicherung für den Todesfall und private Altersvorsorge für den Erlebensfall bei

Ablauf der Versicherung kombiniert werden. Bei diesen Lebensversicherungen sind die von

dem Versicherungsnehmer insbesondere für den Altersvorsorgebereich aufzuwendenden Prä-

mien vergleichsweise hoch, da Beitragsanteile vom Versicherer angespart werden müssen, um

im Alter die private Altersversorgung in Form einer Kapitalleistung auszahlen zu können.

Die Beitragsanteile für die Altersversorgung werden vom Versicherer im eigenen Deckungs-

stock (klassische Kapital- oder Rentenversicherungen) oder in Investmentfonds (Fondspolicen

oder fondsgebundene Kapital- oder Rentenversicherungen) angelegt.

Die Lebensversicherung ist im Markt stark verbreitet und hat sich zu einem der wichtigsten

Geschäftsbereiche der Versicherungswirtschaft entwickelt. Fast die Hälfte der Prämienein-

nahmen der deutschen Versicherer im Inlandsgeschäft entfällt auf die Lebensversicherung.

Da die für die Altersvorsorge bestimmten Beitragsanteile, die ausweislich der Angaben des

Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft in 2004 bereits etwa 625 Mrd. Euro

betrugen, vom Versicherer am Kapitalmarkt angelegt werden, konnten sich die Versicherer so

zu einem wesentlichen Player am deutschen Kapitalmarkt entwickeln.

Page 28: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 27

AObwohl die Kapital bildende Lebensversicherung so im privaten Altervorsorgebereich einen

besonderen Stellenwert erreichen konnte, hat sich an ihrer derzeitigen Form massive Kritik

entzündet.

Insbesondere Verbraucherschützer kritisieren, dass

� die Abschlusskosten zu hoch seien

� die Abschlusskosten zum großen Teil zu Beginn des Vertrags anfallen

� die Rückkaufswerte bei Kündigung des Vertrages in den ersten Jahren deshalb zu niedrig

seien

� die Überschussbeteiligung die stillen Reserven des Versicherer nicht berücksichtige

� der Verbraucher die Aufteilung der Prämie in Risiko-, Kosten- und Sparanteil nicht er-

kennen könne

� der Verbraucher die Berechnung der Überschussbeteiligung und der Rückkaufswerte nicht

einschätzen könne

� und ihm dadurch ein Vergleich mit anderen Anlage-Absicherungsmöglichkeiten nicht

möglich sei.

Die massive Kritik sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfas-

sungswidrigkeit der Nichtberücksichtigung der stillen Reserven bei der Überschussbeteiligung

in der Lebensversicherung und des Bundesgerichtshofs zur Berechnung des Rückkaufswertes

bei der Lebensversicherung haben den Gesetzgeber veranlasst, die versicherungsvertraglichen

Rahmenbedingungen der Lebensversicherung gründlich und verbrauchergerecht zu reformie-

ren.

Hinweis

Von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen gelten die Vorschriften über die Lebensversiche-

rung für alle Formen von Lebensversicherungen.

4.9.1 Überschussbeteiligung

Lebensversicherungen haben wegen ihres Versorgungscharakters meist eine sehr lange Ver-

tragsdauer. Bei den Versicherungen mit Kapitalbildung sind es im Schnitt 26 Jahre.

Versicherer müssen deshalb bei der Kalkulation ihres Leistungsversprechens die langen

Laufzeiten berücksichtigen. Da sich zukünftige Entwicklungen der Rechnungsgrundlagen (Ri-

siko, Kosten, Kapitalmarkt) nicht sicher abschätzen lassen, wird der Versicherer sein Leis-

tungsversprechen und die vom Versicherungsnehmer dafür zu zahlende Prämie vorsichtig

bestimmen.

Die vorsichtige Kalkulation der garantierten Werte in der gemischten Kapitalversicherung

führt in der Regel dazu, dass bei Ablauf des Vertrages tatsächlich zu erreichende Leistungen

zum Teil deutlich über den garantierten Werten liegen.

Deshalb splitten Versicherer bei der Lebensversicherung ihre vertraglichen Leistungen in ei-

nen garantierten und einen nicht garantierten Teil auf. Im nicht garantierten Teil wird eine

Überschussbeteiligung in Aussicht gestellt, deren tatsächliche Höhe unverbindlich bleibt.

Page 29: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

28 Einleitung und Überblick

A Für Verträge, in denen der Versicherer eine Überschussbeteiligung eingeräumt hat, gelten be-

sondere aufsichtsrechtliche Regeln.

Die Überschussbeteiligung ist für den Versicherungsnehmer in der Praxis bedeutsam, weil

sie bei langen Laufzeiten die garantierte Leistung übersteigen kann.

Im bisherigen VVG war die Überschussbeteiligung nicht geregelt.

Nunmehr verpflichtet § 153 Abs. 1 VVG n. F. den Versicherer, den Versicherungsnehmer in

der Lebensversicherung an dem

� Überschuss und

� an den Bewertungsreserven

� zu beteiligen. Die neue Überschussbeteiligung besteht daher aus den Elementen Über-

schuss und Bewertungsreserven. Neu ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer an

den Bewertungsreserven zu beteiligen ist, die der Versicherer nach § 54 der Versiche-

rungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung (Art. 6 des Gesetzes zur Reform des

Versicherungsvertragsrechts) im Anhang ausweisen muss.

Hinweis

Bewertungsreserven ergeben sich aus der Differenz zwischen den vom Versicherer angesetzten

Buchwerten seiner Kapitalanlagen und den höheren Marktwerten von Kapitalanlagen, sog. stil-

len Reserven. Sie galten bisher als zusätzlicher Puffer zur Abfederung der langfristigen Garan-

tien im Lebensversicherungsgeschäft. Die Beteiligung des Versicherungsnehmers an den stillen

Reserven wurde seit langem von den Verbraucherschützern gefordert und vom Bundesverfas-

sungsgericht als notwendig erkannt.

Eine Überschussbeteiligung kann allerdings durch ausdrückliche Vereinbarung – dann aber

nur insgesamt – ausgeschlossen werden.

Für die Ermittlung des Überschusses eines Versicherungsunternehmens sind wie bisher die

entsprechenden handelsrechtlichen Vorschriften maßgebend. Die aufsichtsrechtlichen Be-

stimmungen (§ 81c VAG, ZRQuotenV) bleiben unberührt.

Die Beteiligung des Versicherungsnehmers ist nach einem verursachungsorientierten Ver-

fahren durchzuführen (§ 153 Abs. 2 VVG n. F.). Das bedeutet, dass der Versicherer den Be-

trag, den er aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen als Beteiligung an den Über-

schüssen der vergangenen Jahren sowie den Betrag, den er als Direktgutschrift unmittelbar aus

dem handelsrechtlich ermittelten Überschuss entnimmt, dem einzelnen Versicherungsnehmer

nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik verursachensorientiert zugewiesen

werden.

Dazu genügt es beispielsweise, dass der Versicherer einen Verteilungsmodus verwendet, der

die Verträge der Versicherungsnehmer in verschiedenen Gruppen zusammenfasst und die zu

verteilenden Beträge unter Berücksichtigung des Verursachungsprinzips einer dieser Gruppen

zuordnet und dem einzelnen Vertrag dann mittelbar als rechnerischen Anteil an dem Betrag

der Gruppe gutschreibt.

Die Bewertungsreserven sind vom Versicherer jährlich neu zu ermitteln und nach einem

verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen (§ 153 Abs. 3 Satz 1

VVG n. F.). Die Ermittlung orientiert sich an § 54 der Versicherungsunternehmens-

Page 30: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 29

ARechnungslegungsverordnung. Die so ermittelten stillen Reserven sind dem Versicherungs-

nehmer bei Beendigung des Vertrages zu 50 % zuzuteilen und auszuzahlen (§ 153 Abs. 3

Satz 2 VVG n. F.). Der Versicherungsnehmer hat daher erst einen Anspruch auf Beteiligung

der zugeordneten Reserven bei Beendigung des Vertrages durch Kündigung oder Zeitablauf.

Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV muss der Versicherer den Versicherungsnehmer während

der Laufzeit des Vertrages jährlich eine Information über den Stand der Überschussbeteili-

gung und das Ausmaß des garantierten Anteils der Überschussbeteiligung zur Verfügung

stellen.

Der Versicherungsnehmer hat gegen den Versicherer im Übrigen einen Anspruch auf jährli-

che Information über die Entwicklung seiner vertraglichen Ansprüche unter Einbeziehung

der Überschussbeteiligung mit ihren Bestandteilen Überschuss und Bewertungsreserven

(§ 155 Satz 1 VVG n. F.).

4.9.2 Modellrechnung

In der bisherigen Praxis stellen Versicherer den Versicherungsnehmern vielfach sog. Beispiel-

rechnungen zur Verfügung, die den Versicherer über die mögliche zukünftige Vertragsent-

wicklung informieren soll. Denn der Versicherungsnehmer hat bei Verträgen mit Überschuss-

beteiligung regelmäßig ein großes Interesse daran, schon bei der Vertragsvorbereitung zu er-

fahren, welche Leistungen er von dem Versicherer über die garantierten Leistungen hinaus

erwarten kann.

Die bisherige Praxis der Gestaltung und Übermittlung der Beispielsrechnungen ist gesetzlich

nicht geregelt und nach den bisherigen Erfahrungen in einem besonderen Maße missbrauchs-

anfällig. Auch wenn der Versicherungsnehmer deutlich auf die Unverbindlichkeit hingewie-

sen wird, sieht er in der Beispielsrechnung eine sachverständige Prognose, obwohl sie gerade

dies nicht sein soll und kann.

Zur Vermeidung von Missbräuchen und zum Schutz des Versicherungsnehmers verpflichtet

nun § 154 Abs. 1 VVG n. F. den Versicherer zur Erstellung einer normierten Modellrech-

nung, wenn er im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte

Angaben über mögliche Überschüsse (Beispielsrechnung) macht.

In der Modellrechnung muss der Versicherer die mögliche Ablaufleistung des Vertrags unter

Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen

Zinssätzen darstellen.

Gemäß § 2 Abs. 3 ist die vom Versicherer zu übermittelnde Modellrechnung mit folgenden

Zinssätzen darzustellen:

� dem Höchstrechnungszinssatz, multipliziert mit 1,67,

� dem Zinssatz nach Nr. 1 zzgl. eines Prozentpunktes und

� dem Zinspunkt nach Nr. 1 abzgl. eines Prozentpunktes.

Beispiel

Aktueller Höchstrechnungszins 2,25 % multipliziert mit 1,67 � 3,76 %

� zuzüglich eines Prozentpunktes � 4,76 %

� abzüglich eines Prozentpunktes � 2,76 %

Page 31: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

30 Einleitung und Überblick

A Ausgenommen von der Verpflichtung zu Übermittlung einer Modellrechnung bleiben Risi-

koversicherungen und fondsgebundene Lebensversicherungen (§ 154 Abs. 1 Satz 2

VVG n. F.). Bei fondgebundenen Lebensversicherungen richtet sich die Wertentwicklung des

Vertrages nicht nach dem Überschuss und den Bewertungsreserven des Lebensversicherungs-

unternehmens, sondern nach der Entwicklung der in der fondsgebundenen Lebensversicherung

enthaltenen Investmentfondsanteile.

In der Modellrechnung muss der Versicherer den Versicherungsnehmer ausdrücklich darauf

hinweisen, dass

� es sich bei der Modellrechnung nur um ein Rechenmodell handelt, dem fiktive Annahmen

zugrunde liegen, und

� der Versicherungsnehmer aus der Modellrechnung keine vertraglichen Ansprüche gegen

den Versicherer ableiten kann (§ 154 Abs. 2 VVG n. F.).

Die Höhe der zu verwendenden Zinssätze richten sich nach § 2 VVG-InfoV.

4.9.3 Rückkaufswert

Wegen der im Durchschnitt sehr langen Laufzeiten der Lebensversicherungsverträge besteht in

der Praxis aufgrund der Änderungen wirtschaftlicher Verhältnisse oder wirtschaftlicher Ziel-

setzungen häufig das Bedürfnis, den Versicherungsvertrag vor dem planmäßigen Ablauf zu

beenden. Diesem Bedürfnis des Versicherungsnehmers wird dadurch Rechnung getragen, dass

ihm das Recht eingeräumt wird, den Lebensversicherungsvertrag während der Laufzeit or-

dentlich zu kündigen oder in eine beitragsfreie Versicherung umzuwandeln (§§ 165, 174

VVG). Diese Rechte bleiben im neuen VVG erhalten.

Im Hinblick auf die gegenüber den bisherigen Berechnungsverfahren des Rückkaufsrechts

vorgebrachte Kritik, die intransparente Berechnung und die unzureichende Höhe des Rück-

kaufswertes hindere in der Praxis den Versicherungsnehmer, von seinen vorzeitigen Vertrags-

lösungsrechten tatsächlich Gebrauch zu machen, hat sich der Gesetzgeber veranlasst gesehen,

die Regelung des Rückkaufswertes erheblich zu ändern.

4.9.3.1 Deckungskapital statt Zeitwert

Nach neuem Recht ist der Versicherer verpflichtet, im Falle eines anfallenden Rückkaufs statt

des bisher geltenden „Zeitwerts“ (§ 176 Abs. 3 Satz 1 VVG) das nach den anerkannten Re-

geln der Versicherungsmathematik mit den Berechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation

zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital auszuzahlen

(§169 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.).

Nur bei fondsgebundenen Lebensversicherungen bleibt es wie bisher bei der Zeitwertberech-

nung (§ 196 Abs. 4 VVG n. F.).

Es soll damit erreicht werden, dass an die Stelle des Zeitwertes eine möglichst klare und nach-

vollziehbare Berechnung des Rückkaufswertes, die sowohl den Interessen des Versicherungs-

nehmers wie des Versicherers entspricht, nicht über Gebühr belastet zu werden oder unange-

messene Vorteile zu erzielen. Gleichzeitig soll die Transparenz im Hinblick auf die Berech-

nung des Rückkaufswertes verbessert werden.

Page 32: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 31

A4.9.3.2 Frühstorno

Die im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages entstehen-

den Kosten (Abschluss- und Vertriebskosten) fallen üblicherweise bei Vertragsbeginn an

und werden mit den ersten Prämien des Versicherungsnehmers verrechnet (sog. Zillmer-

Verfahren). Deckungskapital entsteht so erst nach der Tilgung der Abschlusskosten. Das hat

dazu geführt, dass bei einer Kündigung in den ersten Jahren oft kein oder nur ein geringer

Rückkaufswert ausgezahlt werden konnte. Wegen der gegen diese Praxis gerichteten Kritik

dürfen nach neuem Recht die Abschluss- und Vertriebskosten bei der Ermittlung des De-

ckungskapitals nicht voll abgezogen werden, sondern sind auf die ersten fünf Vertragsjahre

zu verteilen (§ 169 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Durch dieses Verfahren wird von Anfang an ein

Mindestrückkaufswert erreicht. Kunden, die früh ihren Versicherungsvertrag kündigen, wer-

den im Verhältnis zum alten Recht deutlich besser gestellt.

Ein Stornoabzug von dem Rückkaufswert ist nur zulässig, wenn er vereinbart, beziffert und

angemessen ist (§ 169 Abs. 5 Satz 1 VVG n. F.). Die Vereinbarung eines Abzugs für noch

nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam (§ 169 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F.).

Der Rückkaufswert des Lebensversicherungsvertrages und das Ausmaß, in dem er garantiert

ist, sind dem Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner Vertragserklärung mitzuteilen (§ 169

Abs. 3 Satz 2, § 2 Abs. 1 Nr. 4 VVG-InfoV).

Die neuen Vorschriften zum Rückkaufswert finden nach Artikel 4 Abs. 2 IGVVG n. F. auf

Altverträge keine Anwendung.

4.9.4 Transparenz bei Abschluss- und Vertriebskosten

Nach bisherigem Recht kamen Lebensversicherungsverträge in der Regel zustande, ohne dass

der Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner bindenden Vertragserklärung über das Ausmaß

der mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages entstehenden Kosten informiert war. In

vielen Fällen ist dem Versicherungsnehmer das wahre Ausmaß der Kostenbelastung erst of-

fenbar geworden, wenn er den Versicherungsvertrag früh gekündigt hat und kein oder nur ein

geringer Rückkaufswert zur Auszahlung gelangte.

Nach neuem Recht muss der Versicherer bei Lebensversicherungsverträgen den Versiche-

rungsnehmer vor dessen Abgabe seiner Vertragserklärung in Textform über die Höhe der

in die Prämie einkalkulierten Kosten und sonstiger möglicher Kosten informieren (§ 7

Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 VVG InfoV).

Nach dieser Regelung sind alle für den konkret angebotenen Versicherungsvertrag entste-

henden Kosten im Einzelnen anzugeben. Dabei ist zwischen den in die Prämie einkalkulierten

Kosten und möglichen sonstigen Kosten, die einmalig oder aus besonderem Anlass entstehen

können, zu unterscheiden.

4.9.4.1 In die Prämie einkalkulierte Kosten

Zu dieser Position gehören insbesondere die Abschluss- und Vertriebskosten und sonstige

Kosten, die in die Prämie einkalkuliert werden und damit den Versicherungsnehmer belasten.

Nach langem Streit hat der Verordnungsgeber entschieden, dass nicht die tatsächlichen Auf-

wände, sondern die rechnungsmäßig angesetzten Kosten anzugeben sind, wobei laufende

Zuschläge zur Deckung von Abschlussaufwendungen (sog. Amortisationszuschläge, in der

Versicherungsmathematik „Alpha-Gamma-Kosten“) mit auszuweisen sind.

Page 33: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

32 Einleitung und Überblick

A Die Kosten sind in Euro auszuweisen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VVG InfoV). Damit soll erreicht

werden, dass der Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages darüber informiert ist,

welchen Betrag er effektiv als in den Prämien enthaltenen Kostenanteil an den Versiche-

rer zahlen muss. Deshalb seien, so die Verordnungsbegründung, lediglich prozentuale Anga-

ben oder Berechnungsgrundlagen unzureichend, weil der Versicherungsnehmer die Höhe der

Kosten unmittelbar und ohne weitere besondere Berechnung erkennen können soll. Die kon-

krete Angabe in einem Euro-Betrag sei besser verständlich und aus Gründen der Transparenz

geboten. Der Verordnungsgeber weist ausdrücklich darauf hin, dass die Forderung, den

Verbraucher durch konkrete Angaben in verständlicher Weise über die mit einem Geschäft

verbundenen Kosten zu informieren, von vielen Seiten seit langem erhoben und in zunehmen-

den Maße auch durch Gesetz und Rechtssprechung betont werde.

Die Abschlusskosten sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG InfoV grundsätzlich als einheitlicher

Vertrag auszuweisen, während alle anderen in die Prämie einkalkulierten Kosten als An-

teil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Zeit ausgewiesen werden können. Die Un-

terscheidung muss in der Darstellung deutlich werden.

Beispiel aus der Verordnungsbegründung

Für diesen Vertrag sind Abschlusskosten und weitere Kosten zu entrichten, die in der kalkulier-

ten Prämie von jährlich xxx € bereits enthalten sind. Diese Kosten bestehen aus einem einmali-

gen Betrag von yyy € und weiteren Beträgen von jährlich zzz € für eine Laufzeit von 25 Jah-

ren.

4.9.4.2 Sonstige mögliche Kosten

Sonstige mögliche Kosten, insbesondere Kosten, die einmalig oder aus besonderem Anlass

entstehen können, sind solche, die dem Versicherungsnehmer aufgrund des eingegangenen

Verhältnisses entstehen und nicht in die Prämie einkalkuliert sind. Dazu gehören beispiels-

weise Kosten für die Ausstellung einer Ersatzurkunde oder Ähnliches.

Auch die sonstigen möglichen Kosten sind gemäß § 2 Abs. 2 VVG-InfoV in Euro anzugeben.

4.9.4.3 Übergangsregelung

Eine Übergangsregelung für so genannte Altverträge findet sich in Artikel 2 des Gesetzes

(Änderung des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag; neuer Ar-

tikel 4 Abs. 1 und 2). In Artikel 6 des Gesetzes werden die erforderlichen bilanzrechtlichen

Änderungen vorgenommen.

4.9.4.4 Betriebliche Altersversorgung

Die betriebliche Altersversorgung fällt grundsätzlich unter die Regelung des Versicherungs-

vertragsrechts, soweit dabei Lebensversicherungsverträge geschlossen werden. Um den Be-

sonderheiten der betrieblichen Altersversorgung Rechnung zu tragen, wird sie bei einzelnen

Vorschriften des VVG n. F. ausgenommen (vgl. etwa § 150 Abs. 2 Satz 1, § 211 VVG n. F.).

Page 34: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Wichtige Änderungen der Reform im Überblick 33

A4.10 Inkrafttreten

Das Versicherungsvertragsgesetz ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Es gilt dann für alle

neu abgeschlossenen Verträge. Ab dem 1. Januar 2009 gelten die neuen Vorschriften auch für

Altverträge. Wegen der Ausnahme- und Übergangsvorschriften vergleiche unten Kapitel D 10,

S. 171 ff. und F, S. 193 ff.

Zahlreiche Versicherer haben erklärt, das neue Versicherungsvertragsrecht auf Altverträge

schon 2008 anzuwenden, wenn es für den Versicherungsnehmer eine Verbesserung bedeutet.

Im Folgenden werden die neuen Vorschriften im Zusammenhang und in gedrängter Form

mitgeteilt. Die Darstellung orientiert sich zum besseren Verständnis am Gesetzesaufbau, wo-

bei Schwerpunkte an den Stellen gesetzt sind, die für die Praxis besonders bedeutsam erschei-

nen.

Page 35: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

B Vorschriften für alle Versicherungszweige

1 Allgemeine Vorschriften

1.1 Vertragsinhalte

Mit einem Versicherungsvertrag verpflichtet sich der Versicherer, ein bestimmtes Risiko des

Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt

des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat (§ 1 Satz 1 VVG n. F.). Demgegenüber

ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prä-

mie) zu leisten (§ 1 Satz 2 VVG n. F.). Damit sind die wechselseitigen Hauptleistungspflich-

ten in einem Versicherungsvertrag abschließend beschrieben.

Der Versicherer übernimmt demnach negative wirtschaftliche Folgen ungewisser Ereignisse

im ursprünglichen Risikobereich des Versicherungsnehmers gegen Bezahlung einer fest ver-

einbarten Prämie (Risikotransfer gegen Entgelt). Die bisherige Unterscheidung zwischen

Schadenversicherung und Personenversicherung wird dabei aufgegeben.

Wie bisher unterscheidet auch das VVG n. F. bei den Pflichten des Versicherungsnehmers

zwischen echten Rechtspflichten (Prämienzahlung!) und vertraglichen und gesetzlichen Ob-

liegenheiten (§§ 19 ff. VVG n. F.). Obliegenheiten sind im Unterschied zu echten Rechts-

pflichten nicht einklagbar; ihre Verletzung durch den Versicherungsnehmer führt daher nur zu

Rücktritts-, Kündigungs- oder Anpassungsrechten.3

1.2 Zustandekommen des Versicherungsvertrages

Für das Zustandekommen und den Abschluss von Versicherungsverträgen gelten wie bisher

die allgemeinen Regelungen über Willenserklärungen und Verträge (§§ 116 ff., 145 ff. BGB).

Ein Versicherungsvertrag erfordert deshalb wie andere zivilrechtliche Verträge auch regelmä-

ßig zwei übereinstimmende Willenserklärungen – Antrag und Annahme. In der Regel erklärt

der Versicherungsnehmer einen Antrag im Sinne des § 145 BGB, den der Versicherer – nach

erfolgter Risikoprüfung – annimmt oder ablehnt.

Üblicherweise wird beim Abschluss insbesondere von Standardverträgen so verfahren.

Im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss sind vom Versicherer aber besondere Beratungs-

und Informationspflichten zu beachten, die der Gesetzgeber im VVG n. F. umfassend neu ge-

regelt hat.

1.3 Beratungspflichten

In der bisherigen Fassung des VVG gab es keine Vorschriften, die den Versicherer selbst ver-

pflichteten, den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages zu beraten.

Allerdings hat die Rechtsprechung bisher schon eine Beratungspflicht des Versicherers nach

allgemeinen Vertragsgrundsätzen dann angenommen, wenn das Beratungsbedürfnis des Versi-

3 Vgl. im Einzelnen unten Abschnitt B 2, B 3, B 4.

Page 36: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 35

Bcherungsnehmers für den Versicherer evident und die Beratung durch den Versicherer möglich

und zumutbar war.4

Für Versicherungsvermittler gelten demgegenüber bereits seit dem 22. Mai 2007 umfassende

eigenständige Beratungspflichten.5

1.3.1 Anlassbezogene Befragungs- und Beratungspflicht § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.

Mit dem VVG n. F. werden nun auch Versicherer zur anlassbezogenen Beratung der Versiche-

rungsnehmer und zur Dokumentation verpflichtet:

Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer

– soweit aufgrund der konkreten Umstände für den Versicherer ein erkennbarer Anlass dazu

besteht – nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, ihn zu beraten und die

Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben.

Bei der Erfassung der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden geht es darum, die meist laien-

hafte Vorstellungswelt des Kunden zu einer am tatsächlichen Versicherungsbedarf des Kunden

ausgerichteten und möglichen Versicherungsschutzlösung in Beziehung zu setzen.

Die Wünsche des Kunden sind seine subjektiven Vorstellungen, die er in das Beratungsge-

spräch mitbringt. Sie können je nach Vorkenntnissen und intellektueller Struktur des Kunden

laienhaft und sehr allgemein gehalten sein und sich noch gar nicht oder erst wenig auf den Ab-

schluss eines bestimmten Versicherungsvertrages konkretisiert haben. Die Befragung des Kun-

den nach seinen Wünschen bildet den Einstieg in den Beratungsprozess. Im Ergebnis kommt

es darauf an, die vom Kunden laienhaft geäußerten Wünsche in eine bedarfsgerechte Versiche-

rungsschutzlösung zu überführen.

Der Versicherer schuldet keine umfassende Befragung (Haushaltsanalyse). Vielmehr bestim-

men sich Art, Umfang und Intensität der Befragungspflicht nach dem vom Kunden gesetzten

Anlass.

Beispiel

Kunde wendet sich an den Versicherer mit der Bitte um ein Angebot für eine private Haft-

pflichtversicherung. Verbraucherschützer haben im Gesetzgebungsverfahren gefordert, in sol-

chen Fällen müsse der Versicherer bei Verbrauchern eine komplette Haushaltsanalyse durch-

führen. Das hat der Gesetzgeber zu Recht nicht aufgegriffen.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob und ggfs. in welchem Umfang Anlass für eine Befragung

besteht, sind die

� Komplexität des Produkts (Schwierigkeit, die angebotenen Versicherung zu beurteilen)

� die Person

� die Situation des Versicherungsnehmers (Risikoumfeld).

Der Versicherer soll in die Lage versetzt werden, sich die für eine bedarfsgerechte Beratung

notwendigen Auskünfte zu erschaffen. Insbesondere wenn der Kunde keine hinreichenden

4 Vergl. Marlow/Spuhl, II 3 a am Ende, S. 24. 5 Bislang §§ 42b ff. VVG, jetzt §§ 60 ff. VVG n. F.; vgl. im Einzelnen unten Abschnitt B 9, S. 71 ff.

Page 37: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

36 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Angaben zu seinen Wünschen und zu seinem Bedarf macht, ist der Versicherer gefordert

nachzufragen.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. enthält neben der Verpflichtung des Versicherers, den Versiche-

rungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, auch die Verpflichtung,

den Versicherungsnehmer zu beraten. Auch Inhalt und Umfang der Beratungspflicht richten

sich nach dem vom Kunden gesetzten Anlass. Im Unterschied zur Befragung kann aber bei der

Bemessung von Art und Umfang der Beratung ein „angemessenes Verhältnis zwischen Bera-

tungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie“ berücksichtigt wer-

den. Dahinter steht die Überlegung, dass eine geringe Prämienhöhe in der Regel ein wenig

komplexes Standardprodukt indiziert, das keine umfängliche Beratung erfordert.

Da die sonstigen Kriterien „Komplexität“ und „Risikoumfeld“ durch das Kriterium der „An-

gemessenheit“ aber nicht eingeschränkt werden, kann es dennoch sein, dass bei Versicherun-

gen mit niedrigen Prämien zum Beispiel wegen der Komplexität des Produktes ein erhöhter

Beratungsaufwand erforderlich wird.

Hinweis

In der Praxis wird unter Beratungsanlass häufig nur eine spartenbezogene Beratung im Unter-

schied zur Rundumberatung (Haushaltsanalyse, Gewerbeanalyse) verstanden. Das ist zu kurz

gegriffen, da auch bei der spartenbezogenen Beratung (z. B. Hausratversicherung) je nach Per-

son oder Situation des Kunden oder Schwierigkeit der Versicherung die Befragung und Bera-

tung den jeweiligen konkreten Umständen anzupassen ist.

Beispiel

Wenn ein Türke im Büro des Versicherungsvermittlers Kraftfahrtversicherung abschließt und

dafür Deckung benötigt, besteht Veranlassung nachzufragen, ob bei einer mit dem zu versi-

chernden Kraftfahrzeug durchgeführten Fahrt in die Türkei die Möglichkeit besteht, dass dabei

der europäische Teil der Türkei verlassen wird, weil für diesen Fall eine besondere Deckung

notwendig werden kann.

Praxistipp

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die Risikoanalyse für die verschiedenen Sparten zu

standardisieren und regelmäßig und gründlich durchführen.

Die neue Beratungspflicht der Versicherer ist in der Praxis von den vom Versicherer einge-

setzten Angestellten oder Versicherungsvertretern (§ 59 Abs. 2 VVG n. F.) umzusetzen.

Beim Einsatz von Versicherungsvertretern überschneiden sich die gesetzlichen Beratungs-

pflichten des Versicherers und die gesetzlichen Beratungspflichten des Versicherungsvertre-

ters. Hier wird der Versicherungsvertreter mit der Erfüllung eigener Pflichten zugleich auch

die Pflichten des Versicherers erfüllen.

Wird der Versicherungsvertrag von einem Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 3 VVG n. F.) ver-

mittelt, gelten die Beratungspflichten für den Versicherer nicht (§ 6 Abs. 6 VVG n. F.).

Page 38: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 37

B1.3.2 Anlassbezogene Befragungs- und Beratungspflicht nach Abschluss des

Vertrages

Im Unterschied zu den Beratungspflichten der Versicherungsvermittler, die nur in der Zeit bis

zum Abschluss des Versicherungsvertrages bestehen (vergleiche § 61 Abs. 1 VVG n. F.), be-

steht die Verpflichtung zur anlassbezogenen Beratung für Versicherer auch während der

Dauer des Versicherungsverhältnisses (§ 6 Abs. 4 Satz 1 VVG n. F.). Während der Dauer

des Versicherungsverhältnisses entsteht die Beratungspflicht, wenn für den Versicherer ein

Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist.

Beispiel

Versicherer und Versicherungsnehmer vereinbaren den Abschluss einer gemischten Kapital-

versicherung, die ein vom Versicherer gleichzeitig gewährtes und zur Tilgung ausgesetztes

endfälliges Darlehen ablösen soll. Während der Laufzeit der Kapitalversicherung wird ersicht-

lich, dass die ursprünglich ins Auge gefassten Ablaufleistungen der Versicherung nicht ausrei-

chen, um das Darlehen bei Ablauf zu tilgen. Hier wird für den Versicherer ein Anlass zur dies-

bezüglichen Information und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar

1.3.3 Dokumentationspflicht § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.

Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer nicht nur anlassbezogen nach seinen Wün-

schen und Bedürfnissen befragen und beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten

Versicherung erteilten Rat angeben, sondern dies auch unter Berücksichtigung der Komplexi-

tät des angebotenen Versicherungsvertrages dokumentieren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

Dies könnte man möglicherweise so verstehen, dass der Versicherer verpflichtet sei, den ge-

samten Befragungs- und Beratungsprozess zu dokumentieren. Insoweit stellt § 6 Abs. 2 Satz 1

VVG n. F.) klar, dass dem Versicherungsnehmer nur der erteilte Rat und die Gründe für den

Rat klar und verständlich vor Abschluss des Vertrages in Textform zu übermitteln sind.

Ausnahmsweise dürfen diese Angaben mündlich übermittelt werden, wenn dies dem Wunsch

des Versicherungsnehmers entspricht oder wenn der Versicherer vorläufige Deckung gewährt.

Dann sind die Angaben unverzüglich nach Vertragsschluss dem Versicherungsnehmer in Text-

form zu übermitteln. Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn ein Vertrag nicht zustande

kommt und bei Verträgen über vorläufige Deckung von Pflichtversicherungen.

1.3.4 Verzicht

Der Versicherungsnehmer kann gegenüber dem Versicherer auf die Beratung und Dokumenta-

tion durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, wenn er vom Versicherer in der

Erklärung ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass sich ein Verzicht nachteilig auf

die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherer einen

Schadensersatzanspruch geltend zu machen (§ 6 Abs. 3 VVG n. F.). Dahinter steht die Überle-

gung, dass ein mündiger Verbraucher nicht zwangsberaten werden soll. Gegen diese gesetzlich

eingeräumte Verzichtsmöglichkeit auf Beratung und Dokumentation ist ebenso wie gegen die

entsprechende Verzichtsmöglichkeit bei den Beratungs- und Dokumentationspflichten der

Versicherungsvermittler massive Kritik erhoben worden. Die Kritiker befürchten, dass durch

eine systematische Anwendung von Verzichtsformeln in der Praxis die neuen Beratungs- und

Dokumentationspflichten der Versicherer ausgehöhlt werden.

Page 39: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

38 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B 1.3.5 Schadensersatzpflicht

Der Versicherer ist dem Versicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er seine

Beratungs- und Dokumentationspflicht nicht erfüllt, der Versicherer die Pflichtverletzung zu

vertreten hat und dem Kunden durch die Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist (§ 6

Abs. 5 VVG n. F.).

1.3.6 Ausnahmen

Die Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherers bestehen nicht bei Versiche-

rungsverträgen

� über ein Großrisiko (Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 Einführungsgesetz zum VVG)

� die von einem Versicherungsmakler vermittelt werden

� die im Fernabsatz im Sinne des § 312 b des BGB abgeschlossen werden.

Der Versicherungsmakler wird – anders als der Versicherungsvertreter – für den Versiche-

rungsnehmer tätig (§ 59 Abs. 3 VVG n. F.). Deshalb darf der Versicherer – so die Gesetzesbe-

gründung – im Fall der Einschaltung eines Versicherungsmaklers davon ausgehen, dass der

Versicherungsmakler seine eigene gegenüber dem Versicherungsnehmer obliegende Fra-

ge- und Beratungspflicht erfüllt. In diesen Fällen sei es nicht erforderlich, auch dem Versi-

cherer eine entsprechende Verpflichtung aufzuerlegen. Deshalb ist die Beratungspflicht des

Versicherers ausgeschlossen, sofern der Vertrag von einem Versicherungsmakler vermittelt

wird.

Dies gilt auch für die Beratungspflicht des Versicherers während der Vertragslaufzeit.

Dies könnte möglicherweise problematisch sein, wenn der Versicherungsmakler mit dem

Kunden vereinbart hat, dass nach Abschluss des Versicherungsvertrages keine weiteren

Beratungspflichten des Versicherungsmaklers bestehen.

Derartige Vereinbarungen sind im Wege einer Individualvereinbarung grundsätzlich mög-

lich. Ein Ausschluss von Beratungspflichten nach Abschluss des Versicherungsvertrages im

Wege des mit dem Kunden geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages dürfte regelmäßig an

AGB-rechtlichen Problemen scheitern.

Nach dem Selbstverständnis der wesentlichen Versicherungsmaklerverbände gehört es übli-

cherweise zu den berufsständischen Pflichten des Versicherungsmaklers, den Kunden auch

während der Laufzeit des Versicherungsvertrages zu beraten.

Ein Vertragsschluss im Wege des Fernabsatzes liegt vor, wenn der Versicherungsvertrag oh-

ne persönliche Beratung und unter ausschließlicher Verwendung von Fernabsatzmitteln (Post,

Fax, Telefon, E-Mail, Internet) geschlossen wird. In diesen Fällen entfallen die Beratungs- und

Dokumentationspflichten des Versicherers.

Hinweis

Bei Abschluss eines Versicherungsvertrages im Wege des Fernabsatzes entfallen nur die Bera-

tungs- und Dokumentationspflichten des Versicherers. Ist bei dem Abschluss des Versiche-

rungsvertrages ein Versicherungsvermittler eingeschaltet, so bleiben dessen Beratungs- und

Dokumentationspflichten gemäß § 61 Abs. 1 VVG n. F. bestehen. Dies gilt insbesondere, wenn

Versicherungsvermittler Internetportale bereitstellen, über die der Kunde Versicherungsverträ-

ge abschließen kann.

Page 40: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 39

B1.4 Informationspflichten

In der Praxis werden Versicherungsverträge bislang überwiegend in der Weise geschlossen,

dass der Versicherungsnehmer einen vom Versicherer vorbereiteten Antrag auf Abschluss

eines Versicherungsvertrages unterschreibt, den der Versicherer – bei Vorliegen der für die

Annahme des Versicherers notwendigen Voraussetzungen – annimmt.

Wenn der Versicherungsnehmer dabei mit dem Antrag und vor seiner Unterschrift bereits

alle vorgeschriebenen Informationen und Versicherungsbedingungen erhalten hat,

kommt der Vertrag zustande, wenn der Versicherer die Annahme erklärt und dem Versiche-

rungsnehmer die Versicherungspolice übermittelt. Üblicherweise wird dies als Vertragsschluss

nach dem „Antragsmodell“ bezeichnet.

Meistens erhält der Versicherungsnehmer deshalb die für ihn wichtigen Informationen und

Versicherungsbedingungen in der Praxis meist erst mit der Annahmeerklärung des Versiche-

rers, d. h. regelmäßig mit dem Versicherungsschein. Diese Fälle werden als Vertragsschluss

nach dem „Policenmodell“ bezeichnet. Dies ist gem. § 5a VVG a. F. zulässig gewesen.

Die bisher teilweise im öffentlichen Recht (§ 10a VAG – Verbraucherinformation) und im

Versicherungsvertragsrecht (§ 48b VVG a. F.– Fernabsatzverträge) geregelten Informations-

pflichten der Versicherungsunternehmen werden nunmehr in § 7 VVG n. F. unmittelbar

und umfassend geregelt.

Die neuen Informationspflichten gelten für alle Versicherungsverträge ohne grundsätzliche

Differenzierung nach Vertriebswegen oder Adressaten.

Der Gesetzgeber verpflichtet nun den Versicherer, dem Versicherungsnehmer

� rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung

� seine Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen

sowie

� weitere Informationen nach Maßgabe der gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F. erlassenen Verord-

nung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflich-

tenverordnung – VVG-InfoV)

� in Textform

� entsprechend dem eingesetzten Kommunikationsmittel klar und verständlich

� mitzuteilen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Der Versicherer muss demnach dem Versiche-

rungsnehmer sämtliche den Versicherungsvertrag betreffenden Informationen übermit-

teln, bevor der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung abgibt (§ 7 VVG n. F.).

Die Information kann also in Form eines Druckstücks, einer CD, eines USB-Sticks oder

einer E-Mail erfolgen.

1.4.1 Inhalt der Information

Der Inhalt der zu übermittelnden Informationen bestimmt sich nach § 7 Abs. 1 VVG n. F. und

§ 7 Abs. 2 VVG n. F. in Verbindung mit der VVG-InfoV. Dabei unterscheidet der Gesetzge-

ber zwischen

� den Vertragsbestimmungen des Versicherers einschließlich der allgemeinen Versiche-

rungsbedingungen und den

Page 41: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

40 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B � weiteren Informationen nach Maßgabe der gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F. erlassenen Ver-

ordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informations-

pflichtenverordnung – VVG-InfoV)

§ 7 Abs. 2 VVG n. F. ermächtigt und verpflichtet das Bundesministerium der Justiz (Verord-

nungsgeber), in einer Rechtsverordnung zum Zweck einer umfassenden Information des

Versicherungsnehmers festzulegen,

� welche Einzelheiten des Vertrags, insbesondere zum Versicherer, zur angebotenen Leis-

tung und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie zum Bestehen eines Wi-

derrufsrechts, dem Versicherungsnehmer mitzuteilen sind,

� welche weiteren Informationen dem Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung,

insbesondere über die zu erwartenden Leistungen, ihre Ermittlung und Berechnung, über

eine Modellrechnung, über den Rückkaufswert und das Ausmaß, in dem er garantiert ist,

sowie über die Abschluss- und Vertriebskosten, soweit eine Verrechnung mit Prämien er-

folgt, und über sonstige Kosten, mitzuteilen sind,

� welche weiteren Informationen bei der Krankenversicherung, insbesondere über die Prä-

mienentwicklung und -gestaltung sowie die Abschluss- und Vertriebskosten, mitzuteilen

sind,

� was dem Versicherungsnehmer mitzuteilen ist, wenn der Versicherer mit ihm telefonisch

Kontakt aufgenommen hat,

� was der Versicherer während der Laufzeit des Vertrages mitteilen muss,

� in welcher Art und Weise die Informationen zu erteilen sind.

Am 21. Dezember 2007 wurde dazu die erwartete und im Vorfeld kontrovers diskutierte Ver-

ordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informations-

pflichtenverordnung – VVG-InfoV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Die Verordnung übernimmt im Wesentlichen unverändert die bislang in den Anlagen zum

VAG und VVG enthaltenen Regelungen. Die neuen Informationspflichten gelten nun einheit-

lich für alle Versicherungsverträge.

Wesentliche Neuerungen finden sich in den Vorschriften zu den Informationspflichten in der

Lebensversicherung (§ 2 Abs. 2 und 3 VVG-InfoV; Angabe der Abschlusskosten in Euro; nor-

mierte Modellrechnung) und zum Produktinformationsblatt (§ 4 VVG-InfoV).

Die VVG-InfoV unterscheidet zwischen Informationspflichten, die

� bei jedem Versicherungsvertrag (§ 1 VVG-InfoV)

� bei der Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und der Unfallversiche-

rung mit Prämienrückgewähr zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV

(§ 2 VVG-InfoV)

� bei der Krankenversicherung zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV (§ 3

VVG-InfoV)

dem Versicherungsnehmer vor seiner Vertragserklärung zur Verfügung gestellt werden

müssen, und verpflichtet den Versicherer zusätzlich,

� dem Versicherungsnehmer ein sogenanntes Produktinformationsblatt mit Informatio-

nen, die für den Abschluss oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages von besonderer

Page 42: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 41

BBedeutung sind, zur Verfügung zu stellen (§ 4 VVG-InfoV). Ein Produktinformations-

blatt ist aber nur dann auszuhändigen, wenn der Versicherungsnehmer ein Verbrau-

cher gem. § 13 BGB ist. Gegenüber Gewerbetreibenden besteht diese Verpflichtung nicht.

Außerdem ist der Versicherer verpflichtet,

� bei Telefongesprächen seine Identität und den Zweck des Kontaktes zu Beginn des Ge-

sprächs offenzulegen (§ 5 Abs. 1 VVG-InfoV). Unter besonderen Voraussetzungen kann

sich der Versicherer im Übrigen in dem Gespräch auf einen Teil der Informationen nach

§ 1 VVG-InfoV beschränken (§ 5 Abs. 2 VVG-InfoV).

� Während der Laufzeit des Versicherungsvertrages obliegen dem Versicherer ferner be-

stimmte Informationspflichten nach Maßgabe des § 6 VVG-InfoV.

Bei allen Versicherungsverträge gilt im Einzelnen:

Bei allen Versicherungszweigen muss der Versicherer insgesamt 20 Informationen zur Ver-

fügung stellen, die sich aus

� Informationen zum VU (Nr. 1 – 5)

� Informationen zur angebotenen Leistung (Nr. 6 – 11)

� Informationen zum Vertrag (Nr. 12 – 18)

� Informationen zum Rechtsweg (Nr. 19 – 20)

� zusammensetzen.

Beispiel

Identität und Anschrift des VU, Merkmale und Gesamtpreis der Versicherungsleistung, Anga-

ben zu Zustandekommen, Beginn, Dauer, Widerrufsrecht, Laufzeit, Zahlung, Erfüllung, Been-

digung u. a.

Hinweis

Soweit die Mitteilung der Informationen durch Übermittlung der Vertragsbestimmungen ein-

schließlich der AVB erfolgt, müssen die Informationen nach Abs. 1 Nr. 3, 13 und 15) gegen-

über den anderen Informationen in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form ge-

staltet sein (§ 1 Abs. 2 VVG-InfoV)

Bei der Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und der Unfallversicherung

mit Prämienrückgewähr muss der Versicherer gem. § 2 VVG-InfoV zusätzlich zu den In-

formationen gem. § 1 VVG-InfoV noch weitere Informationen zur Verfügung stellen:

� Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Abschlusskosten als einheitlicher

Gesamtbetrag in Euro und die übrigen einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprä-

mie

� Angaben zu möglichen sonstigen Kosten

� Angaben über die für die Überschussermittlung und -beteiligung geltenden Berechnungs-

grundsätze

Page 43: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

42 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B � Angabe der Rückkaufswerte

� Angaben zur Prämienfreistellung oder -reduzierung

� das Ausmaß der Garantien der Rückkaufswerte oder der beitragsfreien Summen

� bei fondsgebundenen Versicherungen Angaben über die der Versicherung zugrunde lie-

genden Fonds und die Art der darin enthaltenden Vermögenswerte

� allgemeine Angaben über Steuerregelungen für Lebensversicherungen.

Die für die Praxis bedeutsamste Neuerung in der Lebensversicherung ist die Verpflichtung

zur Offenlegung der einkalkulierten Abschluss- und Vertriebskosten in Euro. Nach bis-

herigem Recht kamen Lebensversicherungsverträge in der Regel zustande, ohne dass der Ver-

sicherungsnehmer vor Abgabe seiner bindenden Vertragserklärung über das Ausmaß der mit

dem Abschluss des Versicherungsvertrages entstehenden Kosten informiert war.

Nach neuem Recht muss der Versicherer bei Lebensversicherungsverträgen den Versiche-

rungsnehmer vor dessen Abgabe seiner Vertragserklärung in Textform über die Höhe der

in die Prämie einkalkulierten Kosten und sonstiger möglicher Kosten informieren (§ 7

Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 VVG InfoV).

Nach dieser Regelung sind alle für den konkret angebotenen Versicherungsvertrag entste-

henden Kosten im Einzelnen anzugeben. Dabei ist zwischen den in die Prämie einkalkulierten

Kosten und möglichen sonstigen Kosten, die einmalig oder aus besonderem Anlass entstehen

können, zu unterscheiden.

Zu der Position der in die Prämie einkalkulierten Kosten gehören insbesondere die Ab-

schluss- und Vertriebskosten und sonstige Kosten, die in die Prämie einkalkuliert werden

und damit den Versicherungsnehmer belasten. Nach langem Streit hat der Verordnungsgeber

entschieden, dass nicht die tatsächlichen Aufwände, sondern die rechnungsmäßig ange-

setzten Kosten anzugeben sind, wobei laufende Zuschläge zur Deckung von Abschlussauf-

wendungen (sog. Amortisationszuschläge, in der Versicherungsmathematik „Alpha-Gamma-

Kosten“) mit auszuweisen sind.

Die Kosten sind in Euro auszuweisen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VVG InfoV). Damit soll erreicht

werden, dass der Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages darüber informiert ist,

welchen Betrag er effektiv als in den Prämien enthaltenen Kostenanteil an den Versiche-

rer zahlen muss. Deshalb seien, so die Verordnungsbegründung, lediglich prozentuale Anga-

ben oder Berechnungsgrundlagen unzureichend, weil der Versicherungsnehmer die Höhe der

Kosten unmittelbar und ohne weitere besondere Berechnung erkennen können soll. Die kon-

krete Angabe in einem Euro-Betrag sei besser verständlich und aus Gründen der Transparenz

geboten. Der Verordnungsgeber weist ausdrücklich darauf hin, dass die Forderung, den

Verbraucher durch konkrete Angaben in verständlicherweise über die mit einem Geschäft ver-

bundenen Kosten zu informieren, von vielen Seiten seit langem erhoben und in zunehmendem

Maße auch durch Gesetz und Rechtssprechung betont werde.

Die Abschlusskosten sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG InfoV grundsätzlich als einheitlicher

Vertrag auszuweisen, während alle anderen in die Prämie einkalkulierten Kosten als An-

teil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Zeit ausgewiesen werden können. Die Un-

terscheidung muss in der Darstellung deutlich werden.

Page 44: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 43

B

Beispiel

Für diesen Vertrag sind Abschlusskosten und weitere Kosten zu entrichten, die in der kalkulier-

ten Prämie von jährlich xxx € bereits enthalten sind. Diese Kosten bestehen aus einem einmali-

gen Betrag von yyy € und weiteren Beträgen von jährlich zzz € für eine Laufzeit von 25 Jah-

ren.

Sonstige mögliche Kosten, insbesondere Kosten die einmalig oder aus besonderem Anlass

entstehen können, sind solche, die dem Versicherungsnehmer aufgrund des eingegangenen

Verhältnisses entstehen und nicht in die Prämie einkalkuliert sind. Dazu gehören beispiels-

weise Kosten für die Ausstellung einer Ersatzurkunde oder Ähnliches.

Auch die sonstigen möglichen Kosten sind gemäß § 2 Abs. 2 VVG-InfoV in Euro anzugeben.

Bei der Krankenversicherung gilt zusätzlich:

Bei der Krankenversicherung muss der Versicherer gem. § 3 VVG-InfoV zusätzlich zu den

Informationen gem. § 1 VVG-InfoV noch weitere Informationen zur Verfügung stellen:

� Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Abschlusskosten als einheitlicher

Gesamtbetrag in Euro und die übrigen einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprä-

mie

� Angaben zu möglichen sonstigen Kosten

� Angaben über die Auswirkungen steigender Krankheitskosten auf die zukünftige Bei-

tragsentwicklung

� Hinweise auf die Möglichkeiten zur Beitragsbegrenzung im Alter

� Warnhinweis auf fehlende Wechselmöglichkeiten in die gesetzliche Krankenversicherung

im fortgeschrittenen Alter

� Hinweis auf gesundheits- oder beitragsbedingte Wechselprobleme innerhalb der privaten

Krankenversicherung im fortgeschrittenen Alter

� Übersicht über die Beitragsentwicklung der letzen zehn Jahre

� Für die Krankenversicherung gelten die Ausführungen zum Kostenausweis in der Lebens-

versicherung sinngemäß

� Bei Verträgen mit Verbrauchern gilt zusätzlich:

Das gem. § 4 VVG-InfoV einem Verbraucher auszuhändigende Produktinformationsblatt

ist eine Zusammenfassung von Informationen, die für den Abschluss oder die Erfüllung des

Versicherungsvertrages von besonderer Bedeutung sind. Es muss folgende Informationen

enthalten:

� Art des Versicherungsvertrages

� Risikobeschreibung und -ausschlüsse

� Angaben zu Prämie, Fälligkeit, Zeitraum

� Leistungsausschlüsse

� Obliegenheiten und Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung

Page 45: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

44 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B � Beginn und Ende des Versicherungsschutzes

� Möglichkeiten der Beendigung

Bei der Lebensversicherung muss das Produktinformationsblatt zusätzlich auf die vom Ver-

sicherer gem. § 154 Abs. 1 VVG n. F. zu übermittelnde Modellrechnung verweisen; bei der

Lebensversicherung, der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Krankenversicherung muss

das Produktinformationsblatt zusätzlich die Abschluss- und Vertriebskosten sowie die sons-

tigen Kosten jeweils in Euro gesondert ausweisen.

Bis zum 30. Juni 2008 können die Versicherer die Informationspflichten der VVG-InfoV noch

wie bisher erfüllen.

1.4.2 Textform

Die Vertragsinformationen müssen dem Kunden in Textform (§ 126b BGB) und in einer dem

eingesetzten Kommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich mitgeteilt

werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG n. F.). Dem Erfordernis der Textform genügen gedruck-

te Broschüren wie auch digitale Datenträger wie etwa CD oder DVD, USB-Stick oder E-Mail.

Zurzeit wird in der Branche darüber nachgedacht, ganze Bedingungssammlungen zu Broschü-

ren oder CDs zusammen zufassen. Dass die Übermittlung von unübersichtlichen und für eine

Vielzahl von Verträgen geltenden vorvertraglichen Informationen an den Kundenbedürfnissen

vorbeigeht, ist zu Recht kritisiert worden.

Wenn der Versicherungsvertrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers telefonisch oder un-

ter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels geschlossen wird, das die Information

in Textform vor der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers nicht gestattet, muss die In-

formation unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden.

Der Versicherer muss die Informationen in Textform vorlegen. Die Informationen können also

auch digital zur Verfügung gestellt werden (Diskette, CD, USB-Stick, E-Mail o. ä.).

1.4.3

Die Informationen müssen dem Versicherungsnehmer ferner „rechtzeitig vor Abgabe von des-

sen Vertragserklärung“ (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.) übermittelt werden. In der Praxis wird

vor allem die Frage diskutiert, welcher Zeitpunkt der Übermittlung der Informationen noch als

rechtszeitig im Sinne der neuen Vorschrift angesehen werden kann. Insbesondere konzentriert

sich die Diskussion auf die Frage, ob die Übermittlung der Informationen noch als rechtzeitig

angesehen werden kann, wenn sie zeitgleich mit dem Antrag auf Abschluss eines Versiche-

rungsvertrages dem Kunden vorgelegt werden und der Kunde zugleich aufgefordert wird, „den

Antrag rechts unten zu unterschreiben“.

Der Begriff der Rechtzeitigkeit entstammt dem Fernabsatzrecht. Die Übermittlung einer In-

formation ist deshalb dann als rechtzeitig anzusehen, wenn der Informationsempfänger die

Möglichkeit hat, von dem Inhalt der Information Kenntnis zu nehmen.

nehmers Rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungs-

Page 46: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 45

B

Beispiel

Die Buchung eines Fluges über das Internet ist in der Regel nur möglich, wenn der Kunde

während des Buchungsprozesses die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters akzep-

tiert. Der Kunde wird aufgefordert, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu akzeptieren.

Dazu wird ihm die Möglichkeit angeboten, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu lesen

oder zu drucken. Akzeptiert der Kunde die Bedingungen nicht, wird der Vorgang abgebrochen.

Der Kunde kann aber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptieren, ohne sie tatsächlich

gelesen zu haben. Es reicht aus, wenn er die Möglichkeit dazu hatte.

Für die Bestimmung der Rechtzeitigkeit der neuen Informationspflichten kommt es also darauf

an, dass der Kunde die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Das wird viel-

fach bezweifelt, wenn die Informationen zugleich mit dem Antrag dem Kunden zur Unter-

schrift vorgelegt werden.

Eine am Kundeninteresse orientierte Auslegung des Begriffs der Rechtzeitigkeit könnte in der

Praxis dann aber dazu führen, dass ein Vermittlungsgeschäft zwei Kundenbesuche erfordert:

erster Besuch für Beratung und Information, zweiter Besuch nach Bedenkzeit für den Kunden

zur Antragsaufnahme.

Es gibt aber Überlegungen, dass bei „einfachen“ Produkten (gemeint sind damit wohl private

Kompositversicherungsverträge) die Aushändigung der Vertragsinformationen unmittelbar vor

der Unterzeichnung noch als rechtzeitig im Sinne der neuen Vorschriften angesehen werden

könnten, wenn die Vertragsinformationen so formuliert seien, dass der Kunde innerhalb kür-

zester Zeit von ihnen Kenntnis nehmen und sie bei seiner Entscheidungsfindung berücksichti-

gen könne. In diesem Fall könnte sich ein zweiter Besuch erübrigen. Ob die Gerichte dies so

akzeptieren werden, ist ungewiss. Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs bleibt der

Rechtsprechung überlassen. Diese wird sich bei ihren Entscheidungen am Zweck der Vor-

schrift orientieren, nämlich den Kunden vor kurzfristigen Entscheidungsfragen ohne hinrei-

chende Information zu schützen.

Möglicherweise bietet aber die Verwendung des jetzt nach § 4 VVG-InfoV vorgeschriebenen

Produktinformationsblattes Erleichterungen beim Umgang mit dem Merkmal der rechtzeitigen

Information. Die Übermittlung des Produktinformationsblattes soll dem Versicherungsnehmer

ermöglichen, sich anhand einer gedrängten Darstellung einen Überblick über die wesentlichen

Informationen des Vertrages zu schaffen, die aus Sicht des Versicherungsnehmers für die

Auswahl eines geeigneten Produktes im Zeitpunkt der Entscheidungsfondung von Bedeutung

sind. Mit dem Produktinformationsblatt erhält der Versicherungsnehmer somit die Möglich-

keit, vor Antragsstellung zu einem Versicherungsvertrag mit einem Blick kurz und knapp die

wesentlichen Vertragsinhalte zu erfassen und sich ggf. über weitere Einzelheiten an den ent-

sprechenden Stellen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu informieren.

Wenn der Versicherungsnehmer nach Kenntnisnahme des Produktinformationsblattes keinen

weiteren Informationsbedarf hat, erscheint es unrealistisch und möglicherweise sogar überzo-

gen, dem Versicherungsnehmer darüber hinaus noch weitere Fristen zur Möglichkeit der In-

formationsaufnahme und -verarbeitung einzuräumen. Mit der dargelegten Zweckbestimmung

der Vorschriften zum Produktinformationsblatt hilft der Gesetzgeber bei der Auslegung des

Merkmals der „rechtzeitigen“ Information. Das Produktinformationsblatt kann schnell erfasst

werden und verhilft dem Kunden zu einer Basisinformation über den Vertrag. Deshalb sollte

es zumindest bei „einfachen“ Produkten ausreichen, die Aushändigung der Vertragsinforma-

Page 47: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

46 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B tionen einschließlich des Produktinformationsblattes unmittelbar vor der Unterzeichnung des

Antrags durch den Versicherungsnehmer als „rechtzeitig“ im Sinne des § 7 Abs. 1 VVG n. F.

anzusehen.

In komplexeren Sparten wie der Lebens- und Krankenversicherung sind Versicherer aber gut

beraten, ihren Geschäftsprozessen ausreichende Bedenkzeiten für die Kunden zugrunde zu le-

gen.

1.4.4 Verzicht

Der Versicherungsnehmer kann auf die Information vor Abgabe seiner Vertragserklärung aus-

drücklich durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten; dann muss die Information

unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 3 VVG n. F.).

Die Verzichtsmöglichkeit wird damit begründet, den mündigen Verbraucher vor Informatio-

nen zu schützen, die er nicht wünscht. Dennoch wird auch die Möglichkeit des Verzichts auf

die Informationen heftig kritisiert. Eine gewisse praktische Hürde bedeutet die ausdrücklich

verlangte „gesonderte schriftliche Erklärung“. Dafür ist ein gesondertes Dokument erforder-

lich.

1.4.5 Rechtsfolgen der Verletzung der Informationspflicht

Ausdrückliche Sanktionen für den Fall einer Verletzung der Informationspflicht nach § 7

VVG n. F. sind im Gesetz nicht vorgesehen. Das bedeutet, dass ein Versicherungsvertrag, der

unter Verstoß gegen die Informationspflichten zustande gekommen ist, grundsätzlich wirksam

ist.

Der Zugang der Informationen ist aber eine der Voraussetzungen für den Beginn der Wider-

rufsfrist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VVG n. F. Bei Verletzung der Informationspflicht beginnt die

Widerrufsfrist unter Umständen nicht zu laufen. Mögliche Folge wäre ein ewiges Widerrufs-

recht des Versicherungsnehmers.

Möglicherweise führt die Verletzung der Informationspflichten auch zu Schadenersatzansprü-

chen des Versicherungsnehmers nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (§§ 311, 280 BGB),

wenn durch die nicht oder fehlerhaft erfolgte Information dem Versicherungsnehmer ein

Schaden entstanden ist.

Wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen

nicht (!) rechtzeitig zur Verfügung gestellt hat, werden diese im Zweifel auch nicht Bestandteil

des Versicherungsvertrages gemäß § 305 Abs. 2 BGB, so dass der Versicherer sich darauf

nicht berufen kann.

1.5

Die neuen Informationspflichten des VVG ändern die bisherigen Regeln für den Abschluss

von Versicherungsverträgen mit nachhaltigen Folgen für die Praxis der Versicherungsvermitt-

lung. Dies gibt Anlass, die Änderungen und praktischen Folgen mit Blick auf den derzeitigen

Diskussionsstand darzustellen.

Nach bisherigem Recht können Versicherungsverträge im Wege des Antragsmodells oder des

Policenmodells abgeschlossen werden.

modelle Umsetzung der Informationspflichten, Vertragsschluss-

Page 48: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 47

B1.5.1 Antragsmodell nach altem Recht

Beim Antragsmodell werden die vertragsbezogenen Versicherungsbedingungen und

Verbraucherinformationen dem Kunden mit den Antragsunterlagen zur Verfügung gestellt.

Die Information über die Vertragsinhalte erfolgt also vor der Antragserklärung des Kunden.

Der Kunde erhält die Gelegenheit, sich vor seiner Antragserklärung über die wesentlichen

Vertragsinhalte zu informieren. Ist der Kunde mit den Vertragsmodalitäten nicht einverstan-

den, wird er den Antrag erst gar nicht stellen und somit keine vertragliche Bindung eingehen.

In der bisherigen Praxis gliedert sich der Vermittlungsprozess beim Antragsmodell grob et-

wa in folgende Phasen:

� Beratung

� Kunde entscheidet sich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages

� Versicherungsvermittler übergibt dem Kunden

Ο Vertragsbestimmungen einschließlich AVB

Ο Verbraucherinformationen gem. § 10a VAG

� Kunde unterschreibt Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages

� Versicherer prüft das Risiko

� Versicherer nimmt Antrag an und verschickt die Police oder lehnt den Antrag ab

1.5.2 Antragsmodell nach neuem Recht

Im neuen Recht bleibt das Antragsmodell grundsätzlich erhalten. Im Unterschied zum bisheri-

gen muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer

� rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung

� neben den Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedin-

gungen weitere Informationen nach Maßgabe der VVG-InfoV

mitteilen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Die Unterschiede liegen zum einem im Zeitpunkt

(rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung) und zum anderen in der Art der Informati-

onen (Informationen gem. VVG-InfoV).

In der zukünftigen Praxis wird sich daher der Vermittlungsprozess beim Antragsmodell

grob etwa in folgende Phasen gliedern:

� Beratung

� Kunde entscheidet sich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages

� Versicherungsvermittler übergibt dem Kunden

Ο Vertragsbestimmungen einschließlich AVB

Ο Informationen gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F.

• Info gem. § 1 VVG-InfoV

• zusätzlich Info gem. § 2 VVG-InfoV bei Lebensversicherungen

• zusätzlich Info gem. § 3 VVG-InfoV bei Krankenversicherungen

Page 49: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

48 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B • Produktinformationsblatt gem. § 4 VVG-InfoV bei Verbrauchern

Ο rechtzeitig (Problem: Rechtzeitigkeit der Übermittlung; zweiter Besuch erforderlich?)

� Kunde unterschreibt Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages

� Versicherer prüft das Risiko

� Versicherer nimmt Antrag an und verschickt die Police oder lehnt den Antrag ab.

Das Antragsmodell ist das neue Leitbild des Versicherungsvertragsrechts. Versicherer und

Versicherungsvermittler müssen ihre Prozesse daran ausrichten. Weil das Antragsmodell zum

einen hohe logistische Anforderungen für Versicherungsvermittler und Versicherer bereithält

und überdies im Vermittlungsprozess wegen des Erfordernisses der „Rechtzeitigkeit“ mögli-

cherweise zwei Kundenbesuche erfordert, wird in der Branche intensiv diskutiert, ob es dazu

nicht Alternativen gibt.

1.5.3 Antragsmodell nach neuem Recht im Geschäftsverkehr mit Versiche-rungsmaklern

Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung der Informationspflichten des Versicherers keine

Unterscheidungen hinsichtlich der verschiedenen „Vertriebswege“ vorgenommen. Dennoch ist

im Maklergeschäft die besondere Stellung des Versicherungsmaklers zu berücksichtigen.

Dieser ist nicht nur der treuhänderähnliche Sachwalter des Versicherungsnehmers, der als

Vertrauter und Berater die Interessen des Kunden wahrzunehmen hat,6 sondern in aller Regel

auch mit Vertretungsmacht für den Kunden ausgestattet und damit rechtsgeschäftlicher

Vertreter. Die Vollmacht ist entweder ausdrücklich oder konkludent erteilt und bevollmäch-

tigt den Makler, Versicherungsverträge im Namen und mit Wirkung für den Kunden abzu-

schließen oder zu kündigen.7 Der Umfang der Vollmacht ist durch Auslegung nach Treu und

Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen.8 An den Seeplätzen wird

vom Vorliegen der Maklervollmacht grundsätzlich ausgegangen, die Vorlage einer Makler-

vollmacht im Geschäftsverkehr mit Versicherungsunternehmen nicht verlangt.

Kann der bevollmächtigte Makler den Kunden aufgrund einer Vertretungsmacht beim Ab-

schluss des Versicherungsvertrages rechtlich wirksam vertreten, bestehen keine Bedenken,

dem Makler als bevollmächtigten Vertreter auch die Vertragsinformationen rechtswirk-

sam zu übermitteln. Die Kenntnis des bevollmächtigten Maklers wird nach allgemeinem

Stellvertretungsrecht dem Versicherungsnehmer zugerechnet (§ 166 Abs. 1 BGB).

Es kommt im Maklergeschäft also nur darauf an, dass dem bevollmächtigten Makler die In-

formationen zugegangen sind. Der Makler vertritt den Kunden bei der Entgegennahme

der Vertragsinformationen. Ob die Informationen durch Druckstücke, digitale Datenträger

oder im Internetportal des Versicherers (Intranet) zur Verfügung gestellt werden, ist unerheb-

lich. Es liegt auf der Hand, dass das Vertretermodell das Handling mit den Vertragsinformati-

onen wesentlich erleichtert.

Fraglich ist, ob Versicherer das Bestehen der Vollmacht jeweils nachprüfen müssen. Aus Mak-

lersicht ist es erstrebenswert, nicht für jede Entgegennahme von Vertragsinformationen eine

Vollmacht vorlegen zu müssen. Wenn der Kunde einen Makler beauftragt, wird er den Makler

im Regelfall ausdrücklich oder konkludent bevollmächtigen. Es sollte sich daher eine allge-

6 BGH, Urteil vom 22.5.1985, NJW 1985, S. 2595 f. 7 Ausführlich Baumann, Versicherungsvermittlung durch Versicherungsmakler, 1998, S. 143 ff.; Matusche, Pflicht und Haftung

des Versicherungsmaklers, 4. Auflage 1995, Kap. 3 E II: 8 Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, nach § 48 Rdn. 8:

Page 50: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 49

Bmeine Rechtsüberzeugung bilden, dass ein Makler den Kunden nur dann rechtsgeschäftlich

vertritt, wenn er entsprechend bevollmächtigt ist.

In den Maklerverbänden wird erwogen, sich entsprechende Standesregeln zu geben. In der

Zwischenzeit sollte es genügen, wenn Makler den Versicherern – etwa als Sideletter zu Cour-

tagezusagen – zusichern, den Kunden nur bei Vorliegen einer Vertretungsmacht zu vertreten.

Die damit verbundenen Risiken für Versicherer bleiben gering und überschaubar.

Wenn Versicherer dennoch – möglicherweise während einer Übergangs- oder Testphase – die

Vorlage einer Vollmacht für notwendig halten, ist darauf zu verweisen, dass die Bevollmäch-

tigung in der Regel mit Ausnahme des § 174 S. 1 BGB keiner Form bedarf (§ 167 Abs. 2

BGB). Im Geschäftsverkehr ist damit die Vorlage einer Vollmachtskopie mehr als ausrei-

chend.

1.5.4 Policenmodell nach altem Recht

In der bisherigen Praxis hat das Antragsmodell nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Statt-

dessen hat sich überwiegend das Policenmodell durchgesetzt.

Beim Policenmodell erhält der Versicherungsnehmer die vertragsbezogenen Versicherungs-

bedingungen und Verbraucherinformationen erst zusammen mit der Police. Der Versiche-

rungsvertrag kommt mit den übermittelten Inhalten zustande, wenn der Versicherungsnehmer

nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen widerspricht. Wenn der

Versicherungsnehmer mit den Vertragsmodalitäten nicht einverstanden ist, muss er – anders

als beim Antragsmodell – aktiv werden und dem Vertragsschluss widersprechen.

In der bisherigen Praxis gliedert sich der Vermittlungsprozess beim Policenmodell grob et-

wa in folgende Phasen:

Beratung

� Kunde entscheidet sich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages

� Kunde unterschreibt Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages

� Versicherer prüft das Risiko

� Versicherer nimmt Antrag an und verschickt die Police oder lehnt den Antrag ab

� Police enthält

Ο Vertragsbestimmungen einschließlich AVB

Ο Verbraucherinformationen gem. § 10a VAG

� Widerspruch des Kunden bleibt aus, Vertrag kommt (rückwirkend) zustande.

Es liegt auf der Hand, dass das Policenmodell praktische Vorteile bietet. Der Vermittler wird

in seiner logistischen Organisation entlastet, weil er die für das jeweilige Vermittlungsgeschäft

notwendigen Vertragsunterlagen nicht vorhalten muss. Außerdem bringt das Verfahren aus

Sicht des Versicherers Rechtssicherheit, weil die Aushändigung der „richtigen“ Vertragsunter-

lagen bei diesem Modell ausschließlich in seinem Herrschaftsbereich bleibt.

Das Policenmodell ist nach neuem Recht faktisch nicht mehr möglich, weil die Vertragsin-

formationen nunmehr dem Kunden rechtzeitig vor seiner Vertragserklärung übermittelt wer-

den müssen.

Page 51: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

50 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Es gibt dennoch Überlegungen, wie auch im neuen Recht am herkömmlichen Policenmodell

festgehalten werden könnte.

1.5.5 Verzichtslösung

Nach § 7 Abs. 1 S. 3 VVG n. F. kann der Versicherungsnehmer schriftlich auf die Information

vor Antragserklärung verzichten. Dahinter steht die Überlegung, dass niemandem die Informa-

tionen aufgezwungen werden sollen.9 Verzichtet der Versicherungsnehmer auf die Informatio-

nen gem. § 7 Abs. 1 und 2 VVG n. F., können die Informationen dem Versicherungsnehmer –

wie bisher – mit der Police zur Verfügung gestellt werden. Dann bliebe das Handling des Po-

licenmodells erhalten. Es ist aber zweifelhaft, ob auf der Basis einer vom Gesetzgeber als

Ausnahme vorgesehenen Regelung (Verzicht) ein Geschäftsmodell aufgesetzt werden kann,

dass die Ausnahme zur Regel erhebt. Die Verzichtsmöglichkeit könnten Versicherer zum An-

lass nehmen, schriftliche Verzichtserklärungen vorzubereiten, sie vom Kunden unterzeichnen

zu lassen und im Übrigen wie bisher nach dem Policenmodell zu verfahren. Gegen eine derar-

tige Instrumentalisierung der für den Einzelfall vorgesehenen Verzichtsmöglichkeit steht der

erklärte Wille des Gesetzgebers, das Policenmodell abschaffen zu wollen. Ein beharrlicher

Verstoß dagegen könnte einen Missstand gem. § 81 VAG indizieren,10 der ein Einschreiten der

Aufsichtsbehörde auslösen würde.

1.5.6 Faktisches Policenmodell

Die nicht rechtzeitige Information des Versicherungsnehmers führt dazu, dass die Widerrufs-

frist von zwei Wochen erst zu laufen beginnt, wenn dem Versicherungsnehmer die vorvertrag-

lichen Informationen zugegangen sind. Die Übermittlung der Vertragsinformationen erst mit

der Police würde zu einer Verschiebung der Widerrufsfrist führen. Dies und die daraus resul-

tierenden Stornorisiken könnten aus Versicherersicht als hinnehmbar erscheinen, wenn damit

das Policenmodell in der Praxis gehalten werden könnte. Gegen eine derartige Instrumentali-

sierung dieser Verfahrensweise bestehen aber dieselben Bedenken wie bei der Verzichtslö-

sung. Es ist der erklärte Wille des Gesetzgebers, das Policenmodell abschaffen zu wollen. Die

Vorgehensweise würde ebenso einen Missstand gem. § 81 VAG indizieren, der ein Einschrei-

ten der Aufsichtsbehörde zur Folge hätte.

1.5.7 Bedingtes Antragsmodell

Teilweise wird auch ein Modell der bedingten Antragserklärung diskutiert. Bei diesem Modell

macht der Versicherungsnehmer seine Bindung an den (wie bisher gestellten) Antrag davon

abhängig, dass ihm in bestimmter Frist die erforderlichen Unterlagen vom Versicherer zur

Verfügung gestellt werden und er – wiederum in bestimmter Frist – den Antrag nicht wider-

ruft. Die Bindungswirkung gegenüber dem Versicherungsnehmer entsteht erst mit Eintritt der

Bedingungen, dann aber automatisch.11

Dieses Modell soll einen zweiten Vermittlerbesuch vermeiden helfen.

In der automatischen Bindungswirkung bei Eintritt der Bedingungen liegt zugleich die Schwä-

che dieses Modells. Ebenso wie beim bisherigen Policenmodell muss der Kunden nach Erhalt

der Unterlagen aktiv werden, wenn er die Bindung nicht möchte. Genau das soll mit den neuen

Informationspflichten gerade vermieden werden.

9 Begründung des Regierungsentwurfs, S. 151. 10 Römer, VersR 2006, S. 740, 741. 11 Baumann, Es gibt den dritten Weg, VW 2007, S. 1955.

Page 52: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 51

B1.5.8 Invitatiomodell

In der bisherigen Praxis ist es üblich, dass der Kunde den Antrag auf Abschluss eines Versi-

cherungsvertrags stellt und der Versicherer den Antrag annimmt und eine Police erstellt. Die

Bestimmungen des derzeitigen Rechts sind auf diese Verfahrensweise abgestimmt.

Es ist jedoch auch denkbar, die Verhältnisse umzukehren. Das ist beim so genannten In-

vitatiomodell der Fall: Der Versicherungsnehmer nennt dem Versicherer oder dem Vermittler

seine Wünsche und Bedürfnisse und bittet den Versicherer auf der Basis der zur Verfügung

gestellten Daten um ein Angebot zum Abschluss eines Versicherungsvertrages. Die Erklärung

des Versicherungsnehmers bleibt ohne rechtlichen Bindungswillen und ist deshalb kein An-

trag, sondern eine invitatio ad offerendum. Der Versicherer prüft das Risiko, fertigt die Poli-

ce aus und übermittelt sie dem Versicherungsnehmer. Der Versicherer unterbreitet damit

zugleich dem Versicherungsnehmer den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags,

den der Kunde durch ausdrückliche Erklärung oder konkludent annehmen kann.12 Die Ver-

tragsinformationen werden dem Versicherungsnehmer bei dieser Verfahrenweise mit dem An-

trag des Versicherers und der Police übermittelt. Das ist rechtzeitig im Sinne des § 7 Abs. 1

VVG n. F., weil die Vertragserklärung des Versicherungsnehmers nun in der Annahme und

nicht wie sonst im Antrag besteht. Dadurch, dass der Gesetzgeber das Erfordernis der Recht-

zeitigkeit auf die „Vertragserklärung“ bezieht und nicht auf den „Antrag“, entspricht diese Va-

riante grundsätzlich den neuen gesetzlichen Vorschriften.

In der zukünftigen Praxis wird sich daher der Vermittlungsprozess beim Invitatiomodell

grob etwa in folgende Phasen gliedern:

Beratung

� Aufnahme der für eine Angebotsaufforderung notwendigen Daten

� Aufforderung zur Angebotsabgabe an Versicherer (invitatio)

� Risikoprüfung

� Versicherer lehnt ab oder erstellt und versendet Antrag und Police mit

Ο Vertragsbestimmungen einschließlich AVB

Ο Informationen gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F.

• Info gem. § 1 VVG-InfoV

• zusätzlich Info gem. § 2 VVG-InfoV bei Lebensversicherungen

• zusätzlich Info gem. § 3 VVG-InfoV bei Krankenversicherungen

• Produktinformationsblatt gem. § 4 VVG-InfoV bei Verbrauchern

� Kunde entscheidet sich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages und erklärt die

Annahme

Der Vorteil des Invitationsmodells liegt darin, die Handlingvorteile des Policenmodells zu er-

halten. Außerdem ist nur ein Beratungstermin zur Aufnahme der Wünsche und Bedürfnisse

des Kunden erforderlich.

Anders als bei dem Policenmodell bleibt der Kunde bei dieser Verfahrenweise ohne vertragli-

che Verpflichtung, solange er nicht die kompletten Vertragsinformationen erhalten und das

Angebot des Versicherers angenommen hat. Ob der durchschnittliche Versicherungsnehmer in 12 Ausführlich Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715 ff.

Page 53: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

52 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B der Praxis die durch die Umkehrung von Angebot und Annahme bedingten formalen Unter-

schiede verstehen kann und wird, obwohl die tatsächliche Abwicklung des Vertragsschlusses

der bisherigen Praxis fast entspricht, muss bezweifelt werden. Für Versicherungsvermittler be-

deutet das Invitationsmodell mehr Aufwand in der Kundenberatung, weil das neue Verfahren

dem Kunden so erklärt werden muss, dass es auch verstanden wird. Zusätzlich werden Versi-

cherungsvermittler daran mitwirken müssen, die Annahmeerklärung des Kunden zu erlangen.

Versicherungsmakler mit Vertretungsmacht können den Kunden auch bei der Annahme

des Vertrages vertreten.

Dem Invitatiomodell begegnen in der Praxis zahlreiche rechtliche und vor allem praktische

Probleme.

1.5.8.1 Ausdrückliche Annahme

Nach dem Invitatiomodell kommt der Vertrag nur zustande, wenn der Kunde die Annahme des

Vertragsangebots erklärt. Das ist rechtlich einfach, der Kunde muss nur eine vorbereitete An-

nahmeerklärung unterzeichnen und zurücksenden. Eines der wichtigsten praktischen Probleme

wird aber der Umstand sein, dass der Kunde in seiner Laiensphäre die juristischen Unterschie-

de im Vergleich zur früheren Abwicklung nicht erkennen wird. Wie bisher kommt die Versi-

cherungspolice, nur heute soll sie nur ein Angebot sein? Warum soll nun noch etwas zurück-

gesandt werden? Vielfach wird der Kunde die Police abheften im Glauben, der Vertrag sei

schon zustande gekommen. Zwar ist aus dem Bereich der Direktversicherer bekannt, dass sich

die Rücklaufquote von Kunden unterzeichneten Vertragserklärungen durch Einsatz von Incen-

tivanreizen (Tankgutschein, Verlosung etc.) deutlich steigern lässt. Dennoch sind vernünftige

Zweifel angebracht, ob Kunden Annahmeerklärungen durchgängig akzeptieren und verwen-

den werden.

1.5.8.2 Konkludente Annahme durch Überweisung oder Lastschrift

Die Annahmeerklärung des Kunden kann auch konkludent durch schlüssiges Tun erfolgen.

Wenn der Kunde etwa nach Erhalt des Angebots und der Vertragsunterlagen die vom Versi-

cherer angeforderte Prämie überweist, bringt der Kunde damit zum Ausdruck, dass er mit dem

Abschluss des Versicherungsvertrages einverstanden ist. Mit der Vornahme der Überweisung

erklärt der Kunde somit die Annahme des Versicherungsangebots des Versicherers durch

schlüssiges Tun.

In der Praxis werden aber 70 oder gar 80 Prozent der Versicherungsprämien durch Lastschrift

eingezogen. Anders als bei einer Überweisung, die aktives Tun voraussetzt, gibt es beim Ge-

schehenlassen der Abbuchung keine äußere Anhaltspunkte, die auf eine entsprechende Wil-

lensbildung des Kunden zum Abschluss des Vertrages schließen lassen. Das Geschehenlassen

der Abbuchung dürfte daher als konkludente Annahmeerklärung nicht ausreichen.13 In seiner

Entscheidung vom 22.05.1991 hat der BGH14 zwar das Dulden einer Lastschrift durch das

Versicherungsunternehmen einmal als konkludente Annahmeerklärung anerkannt. Die die

Entscheidung tragenden Gründe waren aber durch die besonderen Umstände des Einzelfalls

bedingt. Insbesondere wirkte sich die dortige Anerkennung einer konkludenten Annahmeer-

klärung durch Geschehenlassen einer Lastschrift zu Gunsten des Versicherungsnehmers aus.

Es ist problematisch, diese Rechtsprechung zu verallgemeinern.15 Insbesondere ist zu beden-

ken, dass die rechtliche Konstruktion des Invitatiomodells bedingt, dass die Einverständniser- 13 Gaul, Zum Abschluss des Versicherungsvertrages, VersR 2007, S. 21, 24. 14 VersR 1991, 910 f. 15 Gaul, Zum Abschluss des Versicherungsvertrages, VersR 2007, S. 21, 24.

Page 54: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 53

Bklärung zum Lastschriftverfahren rechtswirksam wird, bevor der eigentliche Versicherungs-

vertrag eben durch das Geschehenlassen der Lastschrift zustande kommt. Vor diesem Hinter-

grund ist nicht anzunehmen, dass die Rechtssprechung eine solche Konstruktion ohne Not

marktweit anerkennen wird.

1.5.8.3 Annahmefiktion

Schließlich ist es denkbar, die Annahme des Kunden durch Vereinbarung einer Vertragsab-

schluss-Fiktionsklausel im Stadium der Vertragsverhandlungen zu konstruieren, z. B. bei der

Aufnahme der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden und der Aufbereitung der für eine An-

gebotsanforderung erforderlichen Daten.16 Aufgrund einer solchen Klausel gilt dann der Ver-

trag als abgeschlossen, wenn der Kunde nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach Zugang

der Police oder nach Durchführung des Lastschrifteinzugs widerspricht. Derartige Fiktions-

klauseln rufen allerdings AGB-rechtliche Bedenken17 auf, weil sie gegen den Grundsatz ver-

stoßen, dass Schweigen keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert besitzt. Es gibt jedoch

Ausnahmen von diesem Grundsatz. So geht das VVG etwa in § 5 durchaus davon aus, dass

Schweigen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert besitzen kann. Es gibt daher auch Stimmen,

die sich über AGB-rechtliche Bedenken hinwegsetzen und für Fiktionsklauseln plädieren.18 Im

Ergebnis käme es zu einem leicht modifizierten Policenmodell auf der Basis einer Annahme-

fiktion. Formalrechtlich möglicherweise zulässig, fraglich ist aber, ob der Kunde das versteht

und ob die Verfahrensweise mit dem Zweck des Gesetzes in Einklang zu bringen ist.

1.5.8.4 Beginn des Widerrufsrechts

Das rechtliche Leitbild des VVG n. F. ist das Antragsmodell. Alle Vorschriften des VVG n. F.

sind darauf abgestimmt. Das Invitatiomodell bringt systematische Probleme, weil es nicht mit

allen Vorschriften des VVG n. F. harmoniert. So ist beispielsweise ungeklärt, wann beim Invi-

tatiomodell die Widerrufsfrist nach § 8 Abs. 2 VVG n. F. beginnen soll. Erhält der Kunde den

Versicherungsschein nebst Vertragsinformationen und Belehrung, kann – obwohl die Voraus-

setzungen des § 8 Abs. 2 VVG s2008 scheinbar erfüllt sind – die Widerrufsfrist nicht zu laufen

beginnen, weil der Kunde zu diesem Zeitpunkt rechtlich noch gar nicht gebunden ist. Abhilfe

kann hier nur die Fiktionslösung19 schaffen, der aber die oben genannten Bedenken gegenü-

berstehen.

1.5.8.5 Abweichender Versicherungsschein

Probleme ergeben sich auch, wenn das Versicherungsangebot des Versicherers von den Anga-

ben bei der Aufnahme der Wünsche und Bedürfnisse abweicht und sich dadurch die Kundensi-

tuation verschlechtert. Beim Antragsmodell ist der Kunde über § 5 VVG geschützt: Der Versi-

cherer muss gem. § 5 Abs. 2 S. 2 VVG Abweichungen vom Antrag durch eine schriftliche

Mitteilung oder einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein kenntlich machen („rö-

ten“) oder die Angaben im Antrag gelten. § 5 VVG ist beim Invitatiomodell nicht anwendbar,

weil der Versicherungsschein mangels Antrag des Kunden gar nicht abweichen kann. Der

Kunde bleibt insoweit ungeschützt. Das widerspricht dem Sinn des Gesetzes. Es ist zumindest

zu überlegen, ob nicht der Schutzgedanke des § 5 VVG sich auch auf Abweichungen im Ver-

tragangebot des Versicherers erstrecken sollte. Im Maklergeschäft ergibt sich in diesem Be-

reich enormes Haftungspotential, weil dem Makler im Zweifel auch die Prüfung und Überwa-

16 So etwa Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715, 718. 17 Zur AGB-Problematik ausführlich Schimikowski. 18 Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715, 719. 19 Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715, 716.

Page 55: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

54 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B chung obliegt, ob das vom Versicherer vorgelegte verbindliche Vertragsangebot auch den in

der Angebotsanforderung (Invitatio) im Detail festgelegten Wünschen entspricht. Für den

Makler wird diese Pflicht wesentlich dadurch erschwert, dass der Versicherer Abweichungen

in seinem Antrag von der ihm übermittelten Angebotsanforderung des Kunden nicht kenntlich

machen muss.

1.5.8.6 Vorvertragliche Anzeigepflicht

Gem. § 19 VVG n. F. ist der Kunde bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung verpflichtet, dem

Versicherer erhebliche Gefahrenumstände mitzuteilen. Beim Antragsmodell endet die Anzei-

gepflicht mit dem Antrag des Kunden. Beim Invitatiomodell endet die Anzeigepflicht erst mit

der Annahmeerklärung des Kunden. Im Unterschied zum Antragsmodell bleiben Änderungen

der Gefahrenumstände, beispielsweise Verschlechterungen des Gesundheitszustandes, wäh-

rend der Zeit der Risikoprüfung des Versicherers anzeigepflichtig. Makler sind gut beraten,

Kunden auf diese Problematik hinzuweisen und im Zweifel das Antragsmodell zu favorisieren.

1.5.8.7 Resümee

Die rechtlichen Probleme des Invitatiomodells sind vielleicht formaliter zu lösen. Wie die

praktischen Probleme gelöst werden sollen, ist im Moment nicht absehbar. Makler werden aus

Vorsichtsgründen das Antragsmodell favorisieren und dabei auf ihre Vertretungsmacht setzen.

1.6 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers

Im bisherigen Recht waren Lösungsrechte des Versicherungsnehmers an verschiedenen Stel-

len des Versicherungsvertragsgesetzes geregelt (Widerspruchs-, Widerrufs- und Rücktritts-

rechte gemäß §§ 8 Abs. 4, 8 Abs. 5, 5a, 48c und 5 VVG a. F.).

Die Lösungsrechte werden vereinfacht und jetzt neu durch ein einheitliches und allgemeines

Widerrufsrecht ersetzt (§ 8 VVG n. F.), das für die Anwendungspraxis Erleichterungen brin-

gen wird. Das Widerrufsrecht nach § 8 VVG n. F. gilt einheitlich für alle Versicherungsneh-

mer und alle Vertriebswege. Es unterscheidet nicht zwischen natürlichen und juristischen Per-

sonen. Ebenso wenig bestehen Unterschiede im Hinblick auf die Art des Zustandekommens

des Versicherungsvertrags.

Lediglich die Regelung des § 5 VVG bleibt unverändert erhalten.

1.6.1 Frist und Form

Der Versicherungsnehmer kann nunmehr seine Vertragserklärung ohne Angabe von Gründen

innerhalb von zwei Wochen in Textform widerrufen (§ 8 Abs. 1 VVG n. F.). Der Widerruf

kann also per Brief, Fax oder E-Mail erklärt werden.

Bei der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage (§ 152

Abs. 1 VVG n. F.).

Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem der Versicherungsnehmer

� den Versicherungsschein,

� die Vertragsinformationen gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 VVG n. F.,

Page 56: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 55

B� sowie eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfol-

gen des Widerrufs

erhalten hat (§ 8 Abs. 2 VVG n. F.)

Der Inhalt der Widerrufsbelehrung wird durch Rechtsverordnung festgelegt; für den Zugang

der Unterlagen ist der Versicherer beweispflichtig (§ 8 Abs. 2 VVG n. F.).

1.6.2 Ausnahmen

Das Widerrufsrecht ist ausgeschlossen, bei Versicherungsverträgen mit einer geringeren

Laufzeit als ein Monat, bei Versicherungsverträgen über vorläufige Deckung, soweit es sich

nicht um Fernabsatzverträge im Sinne des § 312 b BGB handelt, bei Versicherungsverträgen

mit Pensionskassen, die auf arbeitsvertraglichen Regelungen beruhen und bei Versicherungs-

verträgen über ein Großrisiko im Sinne des Artikel 10, Abs. 1 Satz 1 Einführungsgesetz VVG.

Das Widerrufsrecht ist ebenso ausgeschlossen bei Versicherungsverträgen, die von beiden

Vertragsparteien auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers vollständig erfüllt

sind, bevor der Versicherungsnehmer ein Widerrufsrecht geltend machen will.

1.6.3 Rechtsfolgen des Widerrufs (§ 9VVG n. F.)

Die Rechtsfolgen des Widerrufs richten sich nach § 9 VVG n. F., sofern der Versicherungs-

schutz vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat. Ist dies nicht der Fall, richten sich die

Rechtsfolgen des Widerrufs nach allgemeinen Regeln (§§ 357, 346 ff. BGB).

Ist die Belehrung ordnungsgemäß erfolgt, erhält der Kunde also im Falle des Widerrufs seine

bereits gezahlten Prämien zurück. Hat der Versicherungsschutz bereits vor Ablauf der Wider-

rufsfrist begonnen, kann der Versicherungsnehmer nur den auf die Zeit nach Zugang des Wi-

derrufs entfallenden Prämienanteil zurückverlangen (§ 9 Satz 1 VVG n. F.). Der Widerruf

wirkt also nur für die Zukunft.

Bei Lebensversicherungen hat der Versicherer abweichend von § 9 Satz 1 VVG n. F. gemäß

§ 152 Abs. 2 VVG n. F. auch den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach

§ 169 VVG n. F. zu zahlen.

Ist die Belehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt, kann der Versicherungsnehmer zusätzlich

die Prämie für das erste Versicherungsjahr verlangen, wenn er noch keine Leistungen aus dem

Versicherungsvertrag in Anspruch genommen hat (§ 9 Satz 2 VVG n. F.). In der Lebensversi-

cherung muss der Versicherer in diesem Fall entweder den Rückkaufswert einschließlich der

Überschussanteile auskehren oder die für das erste Jahr gezahlte Prämie zurückzahlen, wenn

dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist (§ 152 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).

Sind die Unterlagen gar nicht oder nur unvollständig oder mit einer falschen Belehrung dem

Versicherungsnehmer zugegangen, steht dem Versicherungsnehmer danach im Zweifel ein

„ewiges Widerrufsrecht“ zu. Bei großen zeitlichen Abständen zwischen dem Vertragsbeginn

und dem vom Kunden unter Berufung auf sein ewiges Widerrufsrecht ausgesprochenen Wi-

derruf kommt allenfalls eine Verwirkung gemäß § 242 BGB in Betracht.

Page 57: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

56 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B 1.7 Form

Auch im neuen Versicherungsvertragsrecht bleibt es bei der grundsätzlichen Formfreiheit

von Versicherungsverträgen. Wie bisher können Versicherungsverträge auch zukünftig form-

los geschlossen werden.

Für bestimmte Erklärungen der Vertragsparteien war bisher dennoch Schriftform vorgeschrie-

ben (z. B. § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a. F.). Derartige Schriftformerfordernisse werden im neuen

Versicherungsvertragsrecht weitgehend durch Textform (§ 126b BGB) ersetzt. Ist Textform

vorgeschrieben, muss die Erklärung auf Papier oder elektronisch zur dauerhaften Wiedergabe

(Diskette, CD, USB-Stick, E-Mail oder ähnliches) in Schriftzeichen abgegeben werden, die

Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Un-

terschrift oder anders, etwa durch Abschlussfloskel und Name in Druckbuchstaben erkennbar

gemacht werden.

Mit der weitgehenden Ersetzung der Schriftform durch Textform ist der Anschluss des Versi-

cherungsvertragsrechts an die moderne elektronische Kommunikation vollzogen.

Beispiele für Textform:

� Widerruf und Widerspruch des Versicherungsnehmers

� Informationen und Belehrungen des Versicherers

� Fragen nach gefahrerheblichen Umständen bei Antragsaufnahme

� Folgeprämienmahnung

� Informationen des Versicherungsvermittlers gegenüber dem Versicherungsnehmer

Schriftform kann von den Parteien weiterhin für bestimmte Erklärungen vereinbart werden.

Sie muss eingehalten werden bei

� Verzicht des Versicherungsnehmers auf Beratung, Dokumentation, Vertragsinformationen

(§ 6 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, 2. HS, § 61 Abs. 2 VVG n. F.)

� Geltendmachen der Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung (§ 21

Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.),

� Bevollmächtigung des Versicherungsvermittlers zur Entgegennahme von Leistungen, die

für den Versicherungsnehmer bestimmt sind (§ 64 VVG n. F.),

� Einwilligung der versicherten Person zum Abschluss einer Todesfall- bzw. einer Unfall-

versicherung (§§ 150 Abs. 2, 179 Abs. VVG n. F.).

1.8 Vertragsbeginn und -ende

Versicherungsverträge beginnen nach neuem Recht regelmäßig um 0 Uhr des Tages, an dem

der Vertrag geschlossen wird, und enden um 24 Uhr des letzten Tages der Vertragslaufzeit (§

10 VVG n. F.). Die bisherige „Mittagsregel“ (§ 7 VVG) wird aufgehoben. Vertragliche Ab-

weichungen bleiben möglich.

Wie bisher kann der Versicherungsvertrag vorsehen, dass der Versicherungsschutz vor dem

Zeitpunkt des Vertragsschlusses beginnt (§ 2 VVG n. F., Rückwärtsversicherung).

Page 58: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vorvertragliche Anzeigepflicht 57

BIm Hinblick auf die Laufzeiten gibt es auch im neuen Versicherungsvertragsgesetz keine

grundsätzlichen Beschränkungen. Es bleibt also weiterhin möglich, Mehrjahresverträge (fünf

oder zehn Jahre) abzuschließen. Allerdings gewährt § 11 Abs. 4 VVG n. F. zum Schutz des

Versicherungsnehmers vor überlangen Laufzeiten ein nicht abdingbares Sonderkündigungs-

rechts zum Schluss des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres mit einer Frist von drei Mo-

naten.

1.9 Verjährung

Die bisherige Verjährungsvorschrift des § 12 Abs. 1 VVG wird aufgehoben. Damit gelten

auch im Versicherungsvertragsrecht die allgemeinen Vorschriften zur Verjährung schuld-

rechtlicher Ansprüche, die mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts allgemein

eingeführt worden sind.

Die bisher geltende Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen von zwei Jah-

ren – bei der Lebensversicherung von fünf Jahren – wird damit durch die Regelfrist von drei

Jahren des § 195 BGB ersetzt.

Auch für den Beginn der Verjährung gelten nun die allgemeinen Vorschriften und damit das

sog. subjektive System, das den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren mit

der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Per-

son des Schuldners verknüpft.

Gem. § 199 BGB setzt der Beginn der Verjährung neben der Kenntnis des Gläubigers von den

den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners ferner voraus, dass

der Anspruch entstanden (Fälligkeit) ist.

Auch die bisher in § 12 Abs. 3 VVG geregelte Klagefrist von sechs Monaten ist ersatzlos

aufgehoben worden. Die Vorschrift ist vielfach kritisiert worden, weil sie dem Versicherer die

Möglichkeit verschaffte, die Verjährungsfrist zum Nachteil des Versicherungsnehmers einsei-

tig zu verkürzen.

2 Vorvertragliche Anzeigepflicht

2.1 Inhalt der Anzeigepflicht

Im Bereich der vorvertraglichen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers hat es erhebliche

Änderungen gegeben. Nach bisherigem Recht musste der Versicherungsnehmer bis zum Zeit-

punkt des Vertragsschlusses ungefragt alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände anzei-

gen. Der Gesetzgeber hat dazu in der Gesetzbegründung ausgeführt, dass diese Regelung nicht

hinreichend die berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers berücksichtige. Insbeson-

dere sei die Beurteilung, ob ein Umstand gefahrerheblich ist, für den Versicherungsnehmer un-

ter Umständen sehr schwierig, so dass ihm ein unangemessenes Risiko aufgebürdet werde.

Nach der Neuregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. muss der Versicherungsnehmer

grundsätzlich nur noch bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung

� die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag

mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und

Page 59: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

58 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B � nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat,

dem Versicherer anzeigen.

Nach Abgabe seiner Vertragserklärung hat der Versicherungsnehmer nur dann Gefahrumstän-

de mitzuteilen, wenn der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers,

aber vor der Vertragsannahme in Textform nachfragt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

Die vom Versicherer erfragten Umstände müssen objektiv gefahrerheblich sein. Die Beweis-

last für die Anzeigeobliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers trifft den Versicherer

(§ 49 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.).

Bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Wege des sogenannten Invitatiomodells ist dar-

auf zu achten, dass hier die Vertragserklärung des Versicherungsnehmers erst die Annahme

des Angebots des Versicherers ist. Demzufolge verschiebt sich der Endzeitpunkt der Anzeige-

pflicht deutlich nach hinten. Der Versicherungsnehmer bleibt in diesen Fällen auch während

der Zeit der Risikoprüfung durch den Versicherer zur Anzeige der gefahrerheblichen Umstän-

de, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hatte, verpflichtet.

Im Falle einer Verletzung der Anzeigepflicht kommen je nach den Umständen des Einzelfalls

unterschiedliche Rechtsfolgen zur Anwendung. In Betracht kommen Rücktritt, Kündigung,

Anfechtung oder eine Vertragsanpassung.

2.2 Rücktritt

2.2.1 Voraussetzungen

Bei Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung kann der Versicherer vom Vertrag zurücktre-

ten, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig ver-

letzt hat (§ 19 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht reicht leichte

Fahrlässigkeit nicht mehr aus (jetzt: Kündigungsrecht).

Der Rücktritt setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch

� eine gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung

hingewiesen hat.

2.2.2 Ausschluss des Rücktrittsrechts

Das Rücktrittsrechts des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei

Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen

hätte (§ 19 Abs. 4 Satz 1 VVG n. F.).

Das Rücktrittsrecht ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten

Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (§ 19 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F.).

2.2.3 Ausübung und Rechtsfolgen des Rücktritts

Will der Versicherer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen, muss er es innerhalb eines

Monats ab dem Zeitpunkt, an dem er von der in Rede stehenden Anzeigepflichtverletzung

Kenntnis erlangt hat, geltend machen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Der Rücktritt muss da-

bei schriftlich erklärt werden, Textform reicht in diesem Fall nicht. Die Ausübung des Rück-

Page 60: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vorvertragliche Anzeigepflicht 59

Btrittsrechts ist außerdem zu begründen. Im Rahmen der Monatsfrist nach § 21 Abs. 1 Satz 1

KVVG n. F. kann der Versicherer weitere Begründungen nachschieben.

Ist der Rücktritt wirksam erklärt, wird der Versicherungsvertrag ex tunc beseitigt (§ 346

BGB).

Grundsätzlich muss der Versicherer daher für einen zwischenzeitlich eingetretenen Schaden-

fall nicht leisten. Dies gilt nicht, wenn die nicht angezeigten Gefahrumstände weder für den

Eintritt des Versicherungsfalls noch für den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers

kausal waren oder der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat (§ 21 Abs. 2 Satz 2

VVG n. F.).

2.2.4 Beweislast

Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit und den Umstand der Gefahrerheblichkeit hat das

Versicherungsunternehmen zu beweisen. Die Kausalität der nicht angezeigten Gefahrumstän-

de für den eingetretenen Schaden wird vermutet. Der Versicherungsnehmer kann den Kausali-

tätsgegenbeweis antreten.

Vorsätzliches bzw. grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers wird vermutet. Der

Versicherungsnehmer muss demnach beweisen, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig

gehandelt hat.

2.2.5 Erlöschen des Rücktrittsrechts

Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. erlischt das Rücktrittsrecht des Versicherers nach Ablauf

von fünf Jahren nach Vertragsschluss. Im Bereich der Krankenversicherung verkürzt sich die

Frist auf drei Jahre (§ 194 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F.).

Bei vorsätzlicher oder arglistiger Anzeigepflichtverletzung kann der Versicherer innerhalb von

zehn Jahren zurücktreten.

2.3 Kündigung

2.3.1 Voraussetzungen

Bei Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung kann der Versicherer den Versicherungsvertrag

unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen, wenn der Versicherungsnehmer we-

der vorsätzlich noch grob fahrlässig seine Pflicht verletzt hat (§ 19 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.).

Das Kündigungsrecht entsteht also bei schuldloser einfach fahrlässiger Pflichtverletzung des

Versicherungsnehmers.

Die Kündigung setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch

� eine gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung

hingewiesen hat.

2.3.2 Ausschluss des Kündigungsrechts

Das Kündigungsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei

Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen

hätte (§ 19 Abs. 4 Satz 1 VVG n. F.).

Page 61: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

60 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Das Kündigungsrecht ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeig-

ten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (§ 19 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F.).

2.3.3 Ausübung und Rechtsfolgen der Kündigung

Will der Versicherer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen, muss er es innerhalb ei-

nes Monats ab dem Zeitpunkt, an dem er von der in Rede stehenden Anzeigepflichtverletzung

Kenntnis erlangt hat, geltend machen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Die Kündigung muss

dabei schriftlich erklärt werden, Textform reicht in diesem Fall nicht. Die Ausübung des

Kündigungsrechts ist außerdem zu begründen. Im Rahmen der Monatsfrist nach § 21 Abs. 1

Satz 1 VVG n. F. kann der Versicherer weitere Begründungen nachschieben.

Ist die Kündigung wirksam erklärt, wird der Versicherungsvertrag mit Ablauf der Kündi-

gungsfrist beendet.

2.3.4 Beweislast

Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit und den Umstand der Gefahrerheblichkeit hat das

Versicherungsunternehmen zu beweisen. Die Kausalität der nicht angezeigten Gefahrumstän-

de für den eingetretenen Schaden wird vermutet. Der Versicherungsnehmer kann den Kausali-

tätsgegenbeweis antreten.

Der Versicherungsnehmer muss beweisen, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig – al-

so einfach fahrlässig oder schuldlos gehandelt hat.

2.3.5 Erlöschen des Kündigungsrechts

Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 erlischt das Kündigungsrecht des Versicherers nach Ablauf von

fünf Jahren nach Vertragsschluss. Im Bereich der Krankenversicherung verkürzt sich die Frist

auf drei Jahre (§ 194 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F.).

2.4 Vertragsanpassung § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG n. F.

2.4.1 Voraussetzungen

Ist das Rücktrittsrecht oder das Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen, weil er den

Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingun-

gen, geschlossen hätte, kann der Versicherer verlangen, dass die anderen Bedingungen, z. B.

Leistungs-Ausschluss oder Prämienerhöhung, rückwirkend Vertragsbestandteil werden.

Ist die Pflichtverletzung vom Versicherungsnehmer nicht zu vertreten, werden die anderen

Bedingungen erst ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

Das Anpassungsrecht setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch

� eine gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung

hingewiesen hat.

2.4.2 Ausschluss des Anpassungsrechts

Das Anpassungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahr-

umstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (§ 19 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F.).

Page 62: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vorvertragliche Anzeigepflicht 61

B2.4.3 Ausübung des Anpassungsrechts

Will der Versicherer von seinem Anpassungsrecht Gebrauch machen, muss er es innerhalb ei-

nes Monats ab dem Zeitpunkt, an dem er von der in Rede stehenden Anzeigepflichtverletzung

Kenntnis erlangt hat, geltend machen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Das Anpassungsverlan-

gen muss dabei schriftlich erklärt werden, Textform reicht in diesem Fall nicht. Die Aus-

übung des Anpassungsrechts ist außerdem zu begründen. Im Rahmen der Monatsfrist nach

§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. kann der Versicherer weitere Begründungen nachschieben.

2.4.4 Beweislast

Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit und den Umstand der Gefahrerheblichkeit hat das

Versicherungsunternehmen zu beweisen. Die Kausalität der nicht angezeigten Gefahrumstän-

de für den eingetretenen Schaden wird vermutet. Der Versicherungsnehmer kann den Kausali-

tätsgegenbeweis antreten.

Vorsätzliches bzw. grobfahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers werden vermutet.

Der Versicherungsnehmer muss demnach beweisen, dass er weder vorsätzlich noch grobfahr-

lässig gehandelt hat.

2.4.5 Erlöschen des Anpassungsrechts

Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 erlischt das Anpassungsrecht des Versicherers nach Ablauf von fünf

Jahren nach Vertragsschluss. Im Bereich der Krankenversicherung verkürzt sich die Frist auf

drei Jahre (§ 194 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F.).

2.5 Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung

Das Recht des Versicherers, den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung gemäß

§ 123 BGB anzufechten, bleibt nach § 22 VVG n. F. unberührt. Die Anfechtung muss inner-

halb eines Jahres seit Kenntnis der Täuschung erfolgen (§ 124 BGB). Die Anfechtung führt

zur Leistungsfreiheit des Versicherers (§ 142 BGB).

Page 63: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

62 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B 2.6 Übersicht: Rechtsfolgen bei Verletzung im Überblick

Fragen nach gefahrerheblichen Umständen

VU beweist Verletzung der Anzeigeobliegenheit

VU hat VN korrekt belehrtUnzulängliche Belehrung :

kein Rücktrittsrecht

VN kann Vorsatznicht widerlegen

VN kann Vorsatz, nicht grobe Fahrlässigkeit widerlegen

VN widerlegt grobe Fahrlässigkeit:

Kündigungsrecht

RücktrittsrechtVN beweist Vertrags-abschluss zu anderen

Bedingungen nicht

VN beweistVertragsabschlusszu anderen Bed.

VU verlangtRückwirkenden

Ausschluss

Rücktrittsrechtkein

RücktrittsrechtVU versäumtÄnd. zu verl.

3 Gefahrerhöhung

Die geänderten Regelungen zur Gefahrerhöhung (§ 23 ff. VVG n. F.) bringen eine Vereinfa-

chung der bisherigen Vorschriften und orientieren sich an den einheitlichen Grundsätzen für

die Leistungsfreiheit.

Auch das neue Recht enthält keine Definition der Gefahrerhöhung, es wird aber an der Unter-

scheidung zwischen subjektiver, also vom Versicherungsnehmer gewollter oder veranlasster,

Gefahrerhöhung und objektiver, also vom Versicherungsnehmer ungewollter oder nicht veran-

lasster, Gefahrerhöhung beibehalten. Im Einzelnen:

Nach Abgabe seiner Vertragserklärung darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des

Versicherers keine Gefahrerhöhung selbst vornehmen oder einem Dritten gestatten (subjektive

Gefahrerhöhung, § 23 Abs. 1 VVG n. F.).

Eine nachträglich erkannte und deswegen schuldlose subjektive Gefahrerhöhung muss der

Versicherungsnehmer unverzüglich dem Versicherer anzeigen (nachträglich erkannte subjek-

tive Gefahrerhöhung, § 23 Abs. 2 VVG n. F.).

Im Unterschied zur subjektiven Gefahrerhöhung kennt der Versicherungsnehmer bei der nach-

träglich erkannten subjektiven Gefahrerhöhung zwar die Umstände, die die Gefahrerhöhung

begründen, wertet sie aber zunächst nicht als Gefahrerhöhung.

Beispiel

Der Schornsteinfeger informiert den Versicherungsnehmer, dass der von ihm eingebaute Ka-

minofen nicht abgenommen werden kann.

Page 64: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Gefahrerhöhung 63

BTritt eine Gefahrerhöhung unabhängig von dem Willen des Versicherungsnehmers nach Ab-

gabe seiner Vertragserklärung ein (objektive Gefahrerhöhung), ist der Versicherungsnehmer

verpflichtet, die Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, nachdem er

Kenntnis von der Gefahrerhöhung erlangt hat (§ 23 Abs. 3 VVG n. F.).

Die Rechtsfolgen bei Gefahrerhöhung richten sich nach §§ 23–26 VVG n. F. Dabei regelt § 24

VVG n. F. die Kündigungsmöglichkeit des Versicherers, § 25 VVG n. F. gibt dem Versicherer

die Möglichkeit, anstelle einer Kündigung eine höhere Prämie oder ein Leistungsausschluss zu

verlangen. § 26 VVG n. F. regelt schließlich die Leistungsfreiheit. Auch die Rechtsfolgen bei

Gefahrerhöhung orientieren sich an dem neuen System von Rechtsfolgen für Verletzungen

fachlicher Verpflichtungen und Obliegenheiten des Versicherungsnehmers.

Das Kündigungs-, Prämienerhöhungs- und Ausschlussrecht ermöglicht dem Versicherer eine

Reaktion auf die durch subjektive Gefahrerhöhung geänderte Geschäftsgrundlage. Die Leis-

tungsfreiheit stellt dagegen eine Sanktion der subjektiven Gefahrerhöhung und der Verletzung

der Anzeigepflicht bei nachträglich erkannter subjektiver und objektiver Gefahrerhöhung dar.

3.1 Kündigung wegen Gefahrerhöhung

Bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen subjektiven Gefahrerhöhung im Sinne des

§ 23 Abs. 1 VVG n. F. kann der Versicherer den Versicherungsvertrag fristlos kündigen (§ 24

Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Bei einfacher Fahrlässigkeit muss der Versicherer eine Kündigungs-

frist von einem Monat einhalten (§ 24 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit werden vermutet.

Kann sich der Versicherungsnehmer davon entlasten, muss der Versicherer das Vorliegen ein-

facher Fahrlässigkeit beweisen.

Bei nachträglich erkannter subjektiver Gefahrerhöhung im Sinne des § 24 Abs. 2 VVG n. F.

und bei objektiver Gefahrerhöhung im Sinne des § 24 Abs. 3 VVG n. F. kann der Versicherer

den Versicherungsvertrag ebenfalls mit einer Frist von einem Monat kündigen (§ 24 Abs. 2

VVG n. F.).

Das Kündigungsrecht des Versicherers wegen Gefahrerhöhung erlischt generell, wenn es nicht

innerhalb eines Monats ab Kenntnis des Versicherers von der Gefahrerhöhung ausgeübt wird

oder wenn die Gefahrerhöhung beseitigt ist (§ 24 Abs. 3 VVG n. F.).

3.2 Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung

Anstelle des Kündigungsrechts kann der Versicherer ab dem Zeitpunkt der Gefahrerhöhung

eine höhere Prämie verlangen oder die Absicherung der höheren Gefahr ausschließen (§ 25

Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.).

Prämienerhöhungs- bzw. Ausschlussrecht setzen voraus, dass die Voraussetzungen einer Kün-

digung gemäß § 24 VVG n. F. vorliegen. Der Versicherer soll die Möglichkeit haben, grund-

sätzlich an dem Versicherungsvertrag festzuhalten, aber auf die Gefahrerhöhung durch Ver-

tragsänderung zu reagieren.

Das Recht auf Prämienerhöhung oder Ausschluss erlischt ebenfalls, wenn es nicht innerhalb

eines Monats ab Kenntnis des Versicherers von der Gefahrerhöhung ausgeübt wird oder wenn

die Gefahrerhöhung beseitigt ist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

Page 65: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

64 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Für den Fall, dass der Versicherer von seinem Recht auf Prämienerhöhung Gebrauch macht

und sich aufgrund dessen die Prämie um mehr als 10 Prozent erhöht, oder für den Fall, dass

der Versicherer die Absicherung der höheren Gefahr ausschließt, kann der Versicherungsneh-

mer den Vertrag innerhalb eines Monats ab Zugang des Versichererverlangens fristlos kündi-

gen (§ 25 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Darauf muss der Versicherer hinweisen, wenn er von sei-

nem Recht auf Prämienerhöhung oder Gefahrenausschluss Gebrauch macht (§ 25 Abs. 2 Satz

2 VVG n. F.).

3.3 Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung

Bei Eintritt des Versicherungsfalls nach einer subjektiven Gefahrerhöhung wird der Versiche-

rer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die subjektive Gefahrerhöhung vorsätzlich

herbeigeführt hat (§ 26 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.).

Hat der Versicherungsnehmer die subjektive Gefahrerhöhung grob fahrlässig herbeigeführt,

kann der Versicherer seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versiche-

rungsnehmers entsprechenden Verhältnis (Quotelung) kürzen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

Der Versicherer muss das Vorliegen des Vorsatzes beweisen. Grob fahrlässiges Handeln des

Versicherungsnehmers wird vermutet. Der Versicherungsnehmer kann sich davon entlasten.

Gelingt ihm dies nicht, muss der Versicherer im Hinblick auf sein Quotelungsrechts die

Schwere des Verschuldens beweisen.

Der Versicherer bleibt auf jeden Fall zur Leistung verpflichtet, wenn die Gefahrerhöhung nicht

für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich (Kau-

salitätsgegenbeweis für Versicherungsnehmer möglich) war (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG n. F.)

oder wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls keine rechtzeitige Kündigung des Versicherers

erfolgte (§ 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG n. F.).

Tritt im Falle einer nachträglich erkannten subjektiven Gefahrerhöhung im Sinne des § 23

Abs. 2 VVG n. F. oder im Falle einer objektiven Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs. 3

VVG n. F. ein Schadenfall später als einen Monat ab dem Zeitpunkt ein, an dem die unverzüg-

liche Anzeige des Versicherungsnehmers hätte erfolgen müssen, wird der Versicherer leis-

tungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung vorsätzlich herbeigeführt hat

(§ 26 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.).

Bei grober Fahrlässigkeit hat der Versicherer wieder das Recht, die Leistung nach der schwere

der Schuld des Versicherungsnehmers zu quoteln; leichte Fahrlässigkeit kann nach dem neuen

System nicht zur Leistungsfreiheit führen (§ 26 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).

Im Unterschied zur Leistungsfreiheit wegen subjektiver Gefahrerhöhung wird bei nachträglich

erkannter subjektiver oder objektiver Fahrlässigkeit Vorsatz vermutet. Der Versicherungs-

nehmer muss sich also hier sowohl von der Vorsatzvermutung wie von der Vermutung der

groben Fahrlässigkeit entlasten (§ 26 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.), für die Schwere des Verschul-

dens bei grober Fahrlässigkeit bleibt der Versicherer beweispflichtig.

Der Versicherer bleibt auf jeden Fall zur Leistung verpflichtet, wenn die Gefahrerhöhung nicht

für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich (Kau-

salitätsgegenbeweis für Versicherungsnehmer möglich) war (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG n. F.)

oder wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls keine rechtzeitige Kündigung des Versicherers

erfolgte (§ 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG n. F.).

Page 66: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vertragliche Obliegenheiten 65

B4 Vertragliche Obliegenheiten

Auch die Rechtsfolgen bei Verletzung vertraglicher Obliegenheiten richten sich im Wesentli-

chen an den neuen Grundsätzen für die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Pflichten

und Obliegenheiten aus. Das Recht der vertraglichen Obliegenheiten ist nunmehr in § 28

VVG n. F. geregelt. Eine Definition der Obliegenheiten findet nach wie vor nicht statt, so dass

es in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Ausschlüssen und verhüllten Obliegenheiten bei

den bisherigen Grundsätzen der Rechtsprechung bleibt.

Bei Verletzung vertraglicher Obliegenheiten kann der Versicherer den Versicherungsvertrag

kündigen oder ganz oder teilweise leistungsfrei werden lassen.

4.1 Kündigungsrecht des Versicherers

Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit vor

Eintritt eines Versicherungsfalls kann der Versicherer den Versicherungsvertrag innerhalb ei-

nes Monats ab Kenntnis des Versicherers von der Obliegenheitsverletzung kündigen (§ 28

Abs. 1 VVG n. F.).

Leichte Fahrlässigkeit bleibt ohne Rechtsfolge, es sei denn, dass die einfach fahrlässige Oblie-

genheitsverletzung zugleich eine Gefahrerhöhung bedeutet. In diesem Fall kann der Versiche-

rer den Versicherungsvertrag gemäß § 24 VVG n. F. kündigen.

4.2 Leistungsfreiheit des Versicherers

Die bisherige Unterscheidung in § 6 VVG zwischen Obliegenheitsverletzungen vor und nach

Eintritt des Versicherungsfalls wird bei den neuen Regeln zur Leistungsfreiheit bei Verletzung

einer vertraglichen Obliegenheit aufgegeben.

Verletzt der Versicherungsnehmer vorsätzlich eine vertragliche Obliegenheit, wird der Versi-

cherer grundsätzlich leistungsfrei (§ 28 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.).

Verletzt der Versicherungsnehmer die vertragliche Obliegenheit grob fahrlässig, kann der

Versicherer seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers

entsprechenden Verhältnis kürzen (§ 28 Abs. 2 Satz 2 1. Absatz VVG n. F.).

Die Beweislast für das Vorliegen von Vorsatz liegt beim Versicherer. Grobe Fahrlässigkeit des

Versicherungsnehmers wird dagegen vermutet, der Versicherungsnehmer muss sich deshalb

entlasten. Die Beweislast für die Schwere des Verschuldens bei grober Fahrlässigkeit liegt

wiederum beim Versicherer.

Der Versicherer bleibt auch im Falle einer vorsätzlichen oder einer grob fahrlässigen Verlet-

zung vertraglicher Obliegenheiten zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Oblie-

genheit weder für den Eintritt noch für die Feststellung des Versicherungsfalles oder für die

Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers kausal ist (§ 28 Abs. 3

Satz 1 VVG n. F.). Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig

verletzt hat.

Die wegen Vorsatz vollständige oder wegen grober Fahrlässigkeit teilweise Leistungsfreiheit

des Versicherers tritt bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden

Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit nur ein, wenn der Versicherer den Versicherungs-

nehmer entsprechend in Textform belehrt hat (§ 28 Abs. 4 VVG ).

Page 67: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

66 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B 5 Prämie

5.1 Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie

Wichtigste Neuerung im Prämienrecht des VVG n. F. ist die Aufgabe des Prinzips der Un-

teilbarkeit der Prämie. Nach diesem Prinzip gebührte dem Versicherer auch bei außerordent-

licher Beendigung z. B. durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherungsvertrages im lau-

fenden Versicherungsjahr die komplette Jahresprämie. Diese Regelung hat den Versiche-

rungsnehmer in vielen Fällen unangemessen benachteiligt und ist deshalb zu Recht abge-

schafft worden.

An ihre Stelle ist nun eine Pro-rata-temporis-Regel getreten, nach der der Prämienanspruch

des Versicherers mit dem Zeitraum des geleisteten Versicherungsschutzes korrespondiert (§ 39

Abs. 1 VVG n. F.). Endet ein Versicherungsvertrag vorzeitig, etwa durch Kündigung nach ei-

nem Versicherungsfall (§§ 92, 111 VVG), Erwerberkündigung (§ 96 VVG) oder Kündigung

nach Prämienanpassung oder Leistungssenkung (§ 40 VVG), steht dem Versicherer nicht mehr

die volle Prämie der laufenden Versicherungsperiode, sondern nur ein zeitanteiliger Prämien-

anspruch zu.

Wird das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt wegen § 19 Abs. 2 VVG n. F. (vorvertrag-

liche Anzeigepflichtverletzung) oder durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung been-

det, steht dem Versicherer die Prämie aber bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder

Anfechtungserklärung zu (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

Tritt der Versicherer wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Einmal- oder Erstprämie zurück,

kann der Versicherer – auch ohne Risikotragung – eine angemessene Geschäftsgebühr ver-

langen (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VVG n. F.).

5.2 Fälligkeit der Prämie

Ist in dem Versicherungsvertrag eine Einmalprämie vereinbart, muss der Versicherer sie un-

verzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins zahlen. Sind

laufende Prämien vereinbart, muss der Versicherungsnehmer die erste Prämie unverzüglich

nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins zahlen (§ 33 Abs. 1

VVG n. F.).

Bei der Lebensversicherung ist die Einmalprämie oder die Erstprämie unverzüglich nach Ab-

lauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen (§ 152 Abs. 3

VVG n. F.).

Im Prämienrecht sind damit die Fälligkeitsvorschriften an die neuen Vorschriften des allge-

meinen Widerrufsrechts angepasst worden. Der Versicherungsnehmer soll noch nicht zur Zah-

lung der Prämie verpflichtet sein, solange er den Versicherungsvertrag noch widerrufen kann.

5.3 Zahlungsverzug bei Erstprämie

Unterlässt der Versicherungsnehmer die rechtzeitige Zahlung der Einmalprämie oder der ers-

ten Prämie, so bleibt der Versicherer zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt (§ 37 Abs. 1

VVG n. F.).

Page 68: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Fremde Rechnung 67

BNeu ist, dass der Versicherer nur zum Rücktritt berechtigt ist, wenn der Versicherungsnehmer

die Nichtzahlung auch zu vertreten hat. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls (z. B.

falsche Buchung beim Versicherer).

Im Schadenfall ist der Versicherer dann leistungsfrei. Dies setzt voraus, dass der Versicherer

den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälli-

gen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung der Prämie auf-

merksam gemacht hat (§ 37 Abs. 2 VVG n. F.).

Der Versicherungsnehmer hat demgegenüber die Möglichkeit, die Leistungsfreiheit des Versi-

cherers wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Prämie durch den Nachweis mangelnden Ver-

schuldens zu vermeiden (§ 37 Abs. 2 VVG n. F.).

5.4 Zahlungsverzug bei Folgeprämie

Die Vorschriften für den Zahlungsverzug bei Folgeprämien entsprechen im Wesentlichen dem

bisherigem Recht. Wenn der Versicherungsnehmer eine Folgeprämie nicht rechtzeitig zahlt, ist

der Versicherer berechtigt, den Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zah-

lungsfrist von mindesten zwei Wochen zu bestimmen (§ 38 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.).

Nach Fristablauf kann der Versicherer den Vertrag fristlos kündigen, wenn der Versicherungs-

nehmer mit der Zahlung des Beitrags in Verzug ist (§ 38 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.).

Bei Eintritt eines Schadenfalls ist der Versicherer nach Fristablauf leistungsfrei (§ 38 Abs. 2

VVG n. F.).

Neu ist, dass die vom Versicherer ausgesprochene Kündigung unwirksam wird, wenn der Ver-

sicherungsnehmer die Prämie bezahlt (§ 38 Abs. 3 Satz 3 VVG n. F.). Dies hat aber auf die

Leistungsfreiheit des Versicherers bei einem eingetretenen Schadenfall keinen Einfluss.

5.5 Prämienanpassung

Wenn der Versicherer aufgrund einer Anpassungsklausel während der Laufzeit des Vertrages

die Prämie erhöht, ohne dass der Umfang des Versicherungsschutzes entsprechend angepasst

wird, kann der Versicherungsnehmer wie bisher den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zu-

gang der Mitteilung des Versicherers kündigen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.).

Neu ist, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer auf dieses Kündigungsrecht ausdrück-

lich hinweisen muss (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

6 Fremde Rechnung

Die Versicherung für fremde Rechnung war bisher im Abschnitt über die Schadensversiche-

rung in den §§ 74 – 80 VVG geregelt. Die Vorschriften über die Versicherung für fremde

Rechnung sind nunmehr in den allgemeinen Teil des VVG n. F. verschoben und erstrecken

sich dadurch jetzt auf alle Versicherungszweige. Die Vorschriften sind in den §§ 43 – 48

VVG n. F. enthalten, die inhaltlich mit dem bisherigen Recht übereinstimmen.

Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer den Versi-

cherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen schließt (§ 43 Abs. 1 VVG n. F.).

Page 69: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

68 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Wie bisher stehen bei einer Versicherung für fremde Rechnung die Rechte aus dem Versiche-

rungsvertrag dem Versicherten zu (§ 44 Abs. 1 VVG n. F.).

Allerdings kann er über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag nur ausnahmsweise verfü-

gen, nämlich wenn der Versicherungsnehmer zustimmt oder wenn der Versicherte im Besitz

des Versicherungsscheins ist (§ 44 Abs. 2 VVG n. F.).

Demgegenüber kann der Versicherungsnehmer über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag

grundsätzlich im eigenen Namen verfügen (§ 45 Abs. 1 VVG n. F.). Ist ein Versicherungs-

schein ausgestellt, darf der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung vom Versicherer

nur annehmen oder die Rechte des Versicherten übertragen, wenn der Versicherte zugestimmt

hat oder der Versicherungsnehmer im Besitz des Versicherungsscheins ist (§ 45 Abs. 2

VVG n. F.).

Der Versicherer muss an den Versicherungsnehmer nur leisten, wenn der Versicherte zuge-

stimmt hat (§ 45 Abs. 3 VVG n. F.).

Das Verhalten und die Kenntnis des Versicherten werden dem Versicherungsnehmer wie ei-

genes Verhalten oder eigene Kenntnis zugerechnet, wenn dies rechtlich von Bedeutung ist

(§ 47 Abs. 1 VVG n. F.).

Für die Lebensversicherung, die Unfallversicherung und die Krankenversicherung gelten Son-

derregelungen, wenn der Versicherungsnehmer nicht die versicherte Person ist, da es sich

nicht notwendig um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt.

7 Vorläufige Deckung

Die Vereinbarung einer vorläufigen Deckung hat in der Praxis erhebliche Bedeutung, weil

vielfach ein Interesse besteht, Versicherungsschutz schon vor Abschluss eines bestimmten

Versicherungsvertrages einzurichten. Die vorläufige Deckung war bisher gesetzlich nicht ge-

regelt. Ihre rechtlichen Rahmenbedingungen wurden in der Praxis entwickelt und werden nun

in den §§ 49 – 52 VVG n. F. kodifiziert. Dabei werden die in der Praxis entwickelten Rah-

menbedingungen im Wesentlichen übernommen.

7.1 Eigenständiger Versicherungsvertrag

Bei der Vereinbarung einer vorläufigen Deckung handelt es sich wie bisher um einen eigen-

ständigen Versicherungsvertrag, für den grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften des Versi-

cherungsvertragsgesetzes und insbesondere auch die neuen Beratungspflichten des § 6

VVG n. F. gelten.

7.2 Informationspflichten

Es ist aber zulässig, dass der Versicherer mit dem Versicherungsnehmer vereinbart, dass die

Informationen nach § 7 VVG n. F. nur auf Anforderung und spätestens mit dem Versiche-

rungsschein vom Versicherer zu übermitteln sind, sofern es sich nicht um einen Fernabsatzver-

trag im Sinne des § 312 BGB handelt (§ 49 Abs. 1 VVG n. F.).

Formvorschriften für diese Vereinbarung gelten nicht, so dass sie konkludent geschlossen

werden kann.

Page 70: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Laufende Versicherung 69

B7.3 AVB

Wenn in Folge dieser Vereinbarung die allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versi-

cherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht übergeben werden, werden die vom Versicherer üb-

licherweise verwendeten Bedingungen ohne ausdrücklichen Hinweis Vertragsbestandteil (§ 49

Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.).

Wenn nicht geklärt werden kann, welche Bedingungen für den Vertrag gelten sollen, werden

die für den Versicherungsnehmer günstigsten Versicherungsbedingungen Vertragsbestandteil

(§ 49 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).

7.4 Prämie

Kommt der Hauptvertrag nicht zustande, muss der Versicherungsnehmer eine Prämie für die

vorläufige Deckung nur zahlen, wenn dies zuvor vereinbart worden ist (§ 50 VVG n. F., der

Anspruch besteht dann pro rata temporis).

Der Versicherungsschutz bei einem Vertrag über vorläufige Deckung beginnt grundsätzlich

unabhängig von der Zahlung einer Erstprämie. Soll der Beginn des Versicherungsschutzes von

der Zahlung einer Prämie abhängig gemacht werden, muss dies zuvor ausdrücklich vereinbart

werden (§ 51 Abs. 1 VVG n. F.).

7.5 Beendigung der vorläufigen Deckung

Der Vertrag über die vorläufige Deckung endet, wenn

� der Hauptvertrag oder ein weiterer Vertrag über vorläufige Deckung mit gleichartigem

Versicherungsschutz beginnt (§ 52 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.)

� ein Hauptvertrag oder ein weiterer Vertrag über vorläufige Deckung mit einem anderen

Versicherer geschlossen worden ist (§ 52 Abs. 2 VVG n. F.)

� der Vertrag durch eine Vertragspartei gekündigt worden ist (§ 52 Abs. 4 VVG n. F.)

� der Hauptvertrag widerrufen worden ist (§ 52 Abs. 3 VVG n. F.).

8 Laufende Versicherung

Die Vorschriften zur laufenden Versicherung (§§ 53 bis 58 VVG n. F.) sind neu. Seit der Auf-

hebung der alten Fassung des § 187 VVG im Jahre 1990 war die laufende Versicherung im

VVG nicht mehr geregelt.

Eine laufende Versicherung liegt vor, wenn in einem Vertrag das versicherte Interesse bei Ver-

tragsschluss nur der Gattung nach bezeichnet und erst später, nach seinem Entstehen, dem

Versicherer mit den Einzelrisiken aufgegeben wird (§ 53 Satz 1 VVG n. F.). Der Versiche-

rungsnehmer ist dann verpflichtet, die versicherten Risiken oder die vereinbarte Prämien-

grundlage unverzüglich anzumelden oder jeweils Deckungszusage zu beantragen.

Diese Vertragsgestaltung der laufenden Versicherung erfordert erhebliche Abweichungen von

den Bestimmungen des Allgemeinen Teils des VVG. Deshalb sind sie in ihren Grundzügen im

Gesetz selbst festgelegt worden.

Page 71: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

70 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Es bleibt allerdings dabei, dass alle Vorschriften für die laufende Versicherung dispositiv sind.

Dies betrifft insbesondere die Rechtsfolgen bei einer Verletzung der Anmeldepflicht (§ 54

VVG n. F.) oder sonstiger Obliegenheiten (§§ 57, 58 VVG n. F.).

9 Versicherungsvermittler

Das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 22. Mai 2007 hat bereits

im vergangenen Jahr die § 42a bis 42k ins bisherige VVG eingefügt. Die Regelungen bleiben

im VVG n. F. unverändert, nur die Nummerierung der Vorschriften hat sich geändert.

9.1 Versicherungsvermittler im VVG

Im den §§ 59 bis 62 VVG n. F. sind die vertrags- und beratungssituationsspezifischen Bera-

tungs-, Informations- und Dokumentationspflichten der Versicherungsvermittler geregelt. Je

nach Regelungsbereich sind alle Versicherungsvermittler oder nur einzelne Vermittlertypen

betroffen.

In § 59 VVG n. F. wird der Begriff des Versicherungsvermittlers definiert. Dabei wird der in

Art. 2 Nr. 5 der EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie verwendete funktionale Vermittlerbe-

griff, der unterschiedliche Vermittlertypen umfasst, nicht ins deutsche Recht übernommen.

Stattdessen unterscheidet die Definition des § 59 Abs. 1 VVG n. F. zwischen Versicherungs-

vertretern und Versicherungsmaklern. Dies wird damit begründet, dass aufgrund der unter-

schiedlichen Ausrichtung der vom Vermittler gem. Art. 12 der EU-Versicherungsrichtlinie zu

erteilenden Auskünfte eine klare Abgrenzung der Funktionen der Vermittler erforderlich sei.

Danach sind Versicherungsvermittler im Sinne des VVG n. F. Versicherungsvertreter und

Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 1 VVG n. F.). Der in den Vorschriften der Gewerbeordnung

verankerte Grundsatz der Polarisierung zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsver-

treter findet hier seine logische Fortsetzung.

Als Versicherungsvertreter gilt, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertre-

ter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen

(§ 59 Abs. 2 VVG n. F.).

Versicherungsvertreter können einen oder mehrere Versicherer vertreten. Demzufolge gelten

auch sog. Mehrfachagenten als Versicherungsvertreter im Sinne des § 59 Abs. 2 VVG n. F.

Die gewerberechtliche Unterscheidung zwischen Versicherungsvertretern mit Erlaubnis, pro-

duktakzessorischen Versicherungsvertretern mit Erlaubnisbefreiung und erlaubnisfreien Aus-

schließlichkeitsvertretern hat für die zivilrechtlichen Beratungs-, Informations- und Dokumen-

tationspflichten im VVG n. F. keine Bedeutung.

Versicherungsmakler ist dagegen, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung

oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder

von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein (§ 59 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.).

Der Versicherungsmakler unterscheidet sich also wesentlich in dem Punkt vom Versiche-

rungsvertreter, dass er vom Kunden und nicht vom Versicherer beauftragt wird und somit das

Vermittlungsgeschäft nicht für einen Versicherer, sondern im Interesse des Versicherungs-

nehmers tätigt (§ 58 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Seine Beratung erfolgt daher nicht auf der

Grundlage eines Vertretervertrages, sondern auf der Grundlage der mit dem Kunden getroffe-

nen Vereinbarung.

Page 72: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 71

BAls Versicherungsmakler gilt auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein

erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler gem. Satz 1 (§ 59 Abs. 3 Satz 2

VVG n. F.).

Diese Regelung betrifft die schon erwähnten, in der Praxis nicht seltenen Fälle, in denen der

Versicherungsvermittler im Verhältnis zum Kunden lediglich den Anschein erzeugt, Makler

zu sein, obwohl dies tatsächlich gar nicht der Fall ist. Der Kunde wird über Abhängigkeiten

und Marktzugangsmöglichkeiten getäuscht. Deshalb soll er wirksam geschützt werden. Den

wie ein Makler auftretenden Vermittler treffen daher uneingeschränkt alle Maklerpflichten, für

deren Erfüllung er auch haftungsrechtlich einzustehen hat.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Versicherungsvermittler wie ein Makler auftritt, ist die

Perspektive des verständigen Verbrauchers. Drängt sich dem Kunden also der Eindruck auf,

der Versicherungsvermittler handele nicht als Agent für einen oder mehrere Versicherer, son-

dern unabhängig, wird der Vermittler wie ein Makler behandelt. Die Rechtsprechung kam in

der Vergangenheit mit diesen Erwägungen in ähnlich gelagerten Fällen schon zu entsprechen-

den Ergebnissen.

9.2 Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers und Mittei-lungspflicht

Die in der (gewerberechtlichen) Erstinformation enthaltene Angabe zum Vermittlerstatus be-

inhaltet eine klare Information über die Interessengebundenheit des Vermittlers und seiner Zu-

ordnung entweder ins Lager des Kunden (Versicherungsmakler) oder des oder der Versiche-

rungsunternehmen (Versicherungsvertreter) und bedeutet damit zugleich eine Weichenstellung

für die sogenannte Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers.

Der Begriff Beratungsgrundlage meint die Basis, auf der der Versicherungsvermittler seine

Beratungsleistung erbringt. Dazu gehören:

Marktgrundlage: Gemeint ist, welcher Markt dem Versicherungsvermittler im Einzelnen zur

Verfügung steht. Der Markt ist die Summe der jeweils angebotenen Versicherungsverträge

und der Versicherer. Dieser kann beschränkt sein, beispielsweise für den Versicherungsvertre-

ter auf diejenigen Versicherer, mit denen er Agenturverträge abgeschlossen hat.

Informationsgrundlage: Gemeint ist, welche Informationen dem Versicherungsvermittler

über den Markt und dessen Versicherungslösungen zur Verfügung stehen. Die Informations-

grundlage kann gegenüber der Marktgrundlage beschränkt sein auf bestimmte Versicherer und

bestimmte Versicherungsverträge. Umgekehrt kann sie auch weiter sein als die Marktgrundla-

ge, beispielsweise beim Versicherungsvertreter, der sich über die von ihm vertretenen Versi-

cherer hinaus weitere Informationen beschafft.

9.2.1 Beratungsgrundlage des Versicherungsmaklers

Für Versicherungsmakler gilt der Grundsatz der objektiven, ausgewogenen Marktunter-

suchung. Er ist gem. § 60 Abs. 1 VVG n. F. verpflichtet, „seinem Rat eine hinreichende An-

zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grun-

de zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, wel-

cher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfül-

len“. In einzelnen Fällen kann der Makler aber hiervon abweichen und seine Marktauswahl

beschränken (§ 60 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).

Page 73: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

72 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Diese aufgrund der Verwendung von ausfüllungsbedürftigen Begriffen sehr allgemein gehal-

tene Vorschrift wirft verschiedene Rechtsfragen auf, die an dieser Stelle nicht vertieft, aber

zumindest angesprochen werden sollen. Schon in der Gesetzesbegründung wird darauf ver-

wiesen, dass sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt, welche Anforde-

rungen sich im Einzelnen für Art und Umfang der vom Versicherungsmakler vorzunehmenden

Marktuntersuchung ergeben. Konkret stellen sich für den Versicherungsmakler verschiedene

Fragen:

� Welche Versicherer bilden den Markt? Zählen dazu auch Internetversicherer oder Direkt-

versicherer? Zählen dazu auch Versicherer, die mit Maklern nicht zusammenarbeiten, weil

sie eine spezielle Vertriebsstruktur haben? Zählen dazu auch Versicherer, die zwar gene-

rell mit Maklern, nicht aber mit dem gegenüber dem Kunden verpflichteten Makler zu-

sammenarbeiten wollen?

� Quantitativ: Wie viele Versicherer gelten in welchen Sparten als hinreichend? Dies ist re-

lativ einfach zu bestimmen bei Exotensparten, die kaum ein Versicherer anbietet. Wer im

großindustriellen Bereich Versicherungsschutz verkauft oder in Sparten und Produktberei-

chen wie der Kreditversicherung, speziellen Formen der Transportversicherung, Haken-

lastversicherung, speziellen Formen der Betriebshaftpflicht, Vermögensschadenhaft-

pflicht, Kunstversicherung, speziellen Risiken wie Diskotheken u. a., wird einen Markt

mit einigen wenigen Versicherern vorfinden, die das Produkt überhaupt anbieten. Dann ist

die Auswahl einfach. Wie aber sieht es im „normalen“ klein- und mittelständischen Ge-

werbegeschäft und im „normalen“ Privatkundengeschäft aus, wo teilweise Hunderte von

Anbietern in Frage kommen?

� Qualitativ: Nach welchen Kriterien hat die Marktuntersuchung zu erfolgen? Produktquali-

täten, Servicequalitäten, Gesellschaftsqualitäten? Müssen Makler Ratings erstellen oder

kaufen? Müssen bisherige Kriterien wie Preis, Bedingungen, Service, Größe, Erfahrung,

Schnelligkeit, Kapazität, Know-how etc. berücksichtigt werden?

� Welche Art oder Technik der Untersuchung ist erforderlich? Muss jeder Makler nun Ver-

gleichsprogramme kaufen? Repräsentieren die Programme den Markt? Oder muss der

Makler vor jedem Rat eine Ausschreibung durchführen? Oder reicht ein einmal im Quartal

durchgeführter Vergleich von Tarifen in einer Sparte?

Positiv gewendet: Wenn der Versicherungsmakler sich eine fachliche Grundlage verschaffen

soll, die ihn in die Lage versetzt, eine sachgerechte, den individuellen Bedürfnissen des Kun-

den entsprechende Empfehlung für einen konkreten Versicherungsvertrag abzugeben, dann

bedeutet das auch:

� Es müssen nicht „alle“ Angebote oder „alle“ Versicherer berücksichtigt werden.

� Es muss nicht die beste (was ist das überhaupt?) oder die billigste Versicherung sein; sie

muss vielmehr „nur“ geeignet sein, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Das wird in der

Regel immer der Fall sein, wenn der Makler einen individuellen Versicherungsschutz zu

einem angemessenen Preis vermittelt. Wir hatten eingangs schon darauf hingewiesen, dass

es keineswegs die Pflicht des Maklers ist, die „günstigste“ oder „beste“ Versicherung zu

suchen, auch wenn interessierte Marktteilnehmer dies immer wieder behaupten. Daran hat

sich auch durch die neuen Vorschriften nichts geändert. Es gilt mittlerweile als gesichert,

dass der in Großbritannien nur für bestimmte Bereiche (kapitalbildende Versicherungen

und Kapitalanlagen) entwickelte Grundsatz „Best Advice“ im deutschen Versicherungs-

maklerrecht nicht gilt und dort auch nicht hineingelesen werden kann. Will man den an-

Page 74: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 73

Bgelsächsischen Sprachgebrauch bemühen, gilt in Deutschland nicht „Best Advice“, son-

dern „Suitable Advice“, also eine passende, angemessene Beratung!

� Gelingt es dem Versicherungsmakler, die Kundeninteressen zu befriedigen, stellen sich

die Fragen nach der Art und Weise der Marktuntersuchung nicht mehr.

� Hauptanliegen des Maklers muss es also sein, dem Kunden einen passenden Versiche-

rungsschutz zu verschaffen! Dies ist übrigens schon heute die zentrale Pflicht der Versi-

cherungsmakler.20

Die oben aufgeworfenen Fragen werden letztlich in Gerichtsentscheidungen beantwortet wer-

den. Es sollen dennoch einfache Handlungsempfehlungen vorschlagen werden:

Praxistipp: „Objektive, ausgewogene Marktuntersuchung“

Markt

Makler könnten die Auffassung vertreten, dass Direktversicherer, Internetversicherer und Ver-

sicherer, die nicht mit Maklern zusammenarbeiten, von vornherein gar nicht zum „Makler-

markt“ gehören. Dann muss der Makler sie bei seiner Marktuntersuchung nicht berücksichti-

gen. Es ist aber empfehlenswert, damit offensiv und transparent umzugehen, indem mit dem

Kunden im Maklervertrag vereinbart wird, dass diese Versicherer unberücksichtigt bleiben,

ggf. auch Versicherer, die nicht der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen. Alle

anderen Versicherer muss der Makler im Zweifel grundsätzlich berücksichtigen, auch wenn er

mit ihnen keine Courtagezusage unterhält. Das Problem des mangelnden Zugangs zu einigen

Versicherern (Stichwort A-, B-, C-Makler) kann nur von den Maklern selbst (Etablierung ge-

eigneter Verbundsysteme, nicht Pools!) gelöst werden.

Quantitative Marktuntersuchung

In Marktsegmenten, in denen nur wenige Versicherer aktiv sind (Bsp.: Kredit, Heilwesen, Ver-

mögensschaden) sollten bei der Marktuntersuchung im Zweifel alle aktiven Versicherer be-

rücksichtigt werden, soweit sie zum Maklermarkt zählen.

In den übrigen Segmenten sollten von den bundesweit tätigen Versicherern möglichst viele,

von den regional tätigen möglichst alle berücksichtigt werden. Es kann auch eine geringere

Anzahl genügen, wenn der Makler in dem jeweiligen Segment über hinreichendes Erfahrungs-

wissen verfügt und er glaubhaft machen kann, wie er das Erfahrungswissen aktuell hält.

Qualitative Marktuntersuchung

Dieser Punkt meint, nach welchen objektiven Kriterien die Marktuntersuchung zu erfolgen hat.

Die Projektgruppe „Auswahlkriterien für den Rat des Maklers“ des Arbeitskreises EU-

Vermittlerrichtlinie Dokumentation hat drei relevante Gruppen von Auswahlkriterien be-

stimmt: Gesellschaftsqualität, Produktqualität und Servicequalität, je nach Versicherungsbe-

reich mit unterschiedlicher Gewichtung. Hieraus sind vorläufig insgesamt neun Einzelkriterien

entwickelt worden, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Sparte hohe, niedrige oder keine

Relevanz für die Auswahlentscheidung entfalten können. Im Rahmen der Darstellung zu der

Begründung des Maklerrats gehen wir noch einmal ausführlicher auf die Kriterien ein.21 Im

Übrigen verweisen wir wegen der Einzelheiten auf das Internetportal des Arbeitskreises.22

20 BGH IV a ZR 190/83 „Sachwalter“, vgl. Teil B, Kap. 9.5.1, S. 97. 21 Vgl. unten Kap. 9.4.6. 22 www.vermittlerprotokoll.de.

Page 75: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

74 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Durchführungstipps

Als Untersuchungsverfahren bieten sich kundenbezogene Individualmarktuntersuchungen oder

generelle Marktuntersuchungen an. Ist zu erwarten, dass der Versicherer eine individuelle

Quotierung für das Risiko vornehmen wird, wie zum Beispiel in der Regel im komplexeren

gewerblichen Geschäft, wird der Makler die risikorelevanten Daten den in Frage kommenden

Versicherern zur Verfügung stellen und um eine individuelle Quotierung bitten. Die Gesamter-

gebnisse der Ausschreibung sind zugleich das Ergebnis der Marktuntersuchung.

Je weniger zu erwarten ist, dass Versicherer von ihren in Tarifwerken zur Verfügung gestellten

Standardquotierungen abweichen werden, desto eher bieten sich vom Einzelfall losgelöste

generelle Untersuchungsverfahren an, die nicht für jeden einzelnen Kunden wiederholt werden

müssen. Ob diese Untersuchungen mit Tarifvergleichsrechner oder auf andere Art und Weise

(etwa durch Sammlung von Vergleichen in Fachmedien oder durch Vergleiche von Verbund-

systemen) erfolgen, ist dabei zweitrangig. Wichtig ist, dass Makler für die wesentlichen Ge-

schäftsvorfälle ihres eigenen Büros entsprechende Verfahren festlegen, regelmäßig überprüfen

und optimieren.

Hinweis

Viele Makler verlassen sich bei ihrer Versicherer- und Produktauswahl auf Maklerpools, Ser-

vicegesellschaften oder auch auf Softwareanbieter, zum Beispiel im Bereich der Vergleichs-

programme. Bedacht werden sollte, dass damit allein häufig nicht die Pflicht zur objektiven

Marktuntersuchung erfüllt wird! Denn Pools und Servicegesellschaften haben häufig schon al-

lein aus wirtschaftlichen Gründen nur ein begrenztes Angebot. Und den Herstellern von Ver-

gleichssoftware können Fehler unterlaufen. Der Makler muss also ergänzend eigene Informa-

tionen einholen und im Zweifel belegen können, dass er eine eigene Marktuntersuchung

durchgeführt hat.

Die Verpflichtung zur objektiven, ausgewogenen Marktuntersuchung gilt auch für Vermittler,

die den Anschein erwecken, sie seien Makler.23

Beispiel

Ein Ausschließlichkeitsvertreter möchte seinen Status verschleiern und behauptet dem Kunden

gegenüber, er könne aus der ganzen Fülle des Marktes schöpfen und unterschiedlichste Ange-

bote machen. Auch in seiner Visitenkarte gibt er keinen Hinweis darauf, dass er einem be-

stimmten Versicherer gegenüber verpflichtet ist. Der Kunde konnte auch aus dem Gesprächs-

verlauf keine Rückschlüsse ziehen, dass der Vertreter „zu dick aufgetragen“ hat.

Versicherungsvertreter werden in solchen Fällen – auch haftungsrechtlich (!) – wie Versiche-

rungsmakler behandelt.

9.2.2 Beratungsgrundlage des Versicherungsvertreters

Versicherungsvertreter können ihrem Rat aufgrund der Beauftragung durch Versicherungsver-

treter oder Versicherungsunternehmen naturgemäß nur Versicherungsverträge von Versiche-

23 Siehe dazu bereits oben S. 72.

Page 76: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 75

Brern zugrunde legen, für die sie tätig sind. Die Beratungsgrundlage hängt also davon ab, ob sie

nur für einen einzigen Versicherer ausschließlich oder für mehrerer Versicherer tätig sind.

Die (theoretische) Beratungsgrundlage des Mehrfachvertreters ist also grundsätzlich umso

größer, je mehr Versicherungsunternehmen er vertritt. Er ist aber nicht verpflichtet, die Breite

seiner Marktgrundlage ständig zu nutzen.

9.3 Mitteilungspflicht zur Beratungsgrundlage

Der Versicherungsnehmer soll künftig in die Lage versetzt werden, sich ein Urteil über die

fachliche Kompetenz und Interessengebundenheit des Vermittlers zu bilden, das Vertragsan-

gebot zu beurteilen und seine Entscheidung in Kenntnis der wesentlichen Umstände zu treffen,

bevor er selbst seine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung (in der Regel Antrag oder

Deckungsaufgabe) abgibt. Dazu zählt zum einen die Information, ob der Vermittler an einen

oder mehrere Versicherer gebunden ist, und zum anderen, ob die getroffene Auswahl der Ver-

sicherer und Produkte grundsätzlich den Markt abdeckt oder nur eine beschränkte Auswahl

desselben darstellt.

Während die Verpflichtung des Maklers zur Berücksichtigung einer hinreichenden Anzahl von

Versicherungsverträgen und Versicherern als selbstverständlich gilt und er daher den Kunden

darüber nicht ausdrücklich aufklären muss, gelten für den Versicherungsvertreter und den

Versicherungsmakler, der seine Marktauswahl einschränkt, besondere Pflichten zur Mit-

teilung der Beratungsgrundlage. Sie „haben dem Versicherungsnehmer mitzuteilen, auf wel-

cher Markt- und Informationsgrundlage sie ihre Leistung erbringen, und die Namen der

ihrem Rat zu Grunde gelegten Versicherer anzugeben. Außerdem hat der Versicherungs-

vertreter mitzuteilen, für welche Versicherer er seine Tätigkeit ausübt und ob er für diese

ausschließlich tätig wird“.

9.3.1 Inhalt der Mitteilungspflicht zur Beratungsgrundlage

Den Versicherungsmakler, der seine Verpflichtung zur objektiven, ausgewogenen Marktun-

tersuchung im Einzelfall einschränkt, indem er den Versicherungsnehmer ausdrücklich auf ei-

ne eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.),

trifft eine besondere Mitteilungspflicht:

Er muss dem Versicherungsnehmer mitteilen,

� auf welcher Markt- und Informationsgrundlage er seine Leistung erbringt und

� die Namen der seinem Rat zugrunde gelegten Versicherer angeben (§ 42b Abs. 2 Satz 1

VVG).

Wichtig

Beschränkt der Versicherungsmakler seine Beratungsgrundlage, dann muss er diese beschränk-

te Beratungsgrundlage seinem Kunden ausdrücklich mitteilen!

Page 77: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

76 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Der Versicherungsvertreter muss

� mitteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage er seine Leistung erbringt, und

� die Namen der seinem Rat zugrunde gelegten Versicherer angeben und

� darüber informieren, für welche Versicherer er seine Tätigkeit ausübt, und

� darlegen, ob er für diese ausschließlich tätig ist (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 VVG n. F.).

Wichtig

Versicherungsvertreter müssen dem Kunden immer ihre Beratungsgrundlage mitteilen!

9.3.2 Zeitpunkt der Mitteilungspflicht

Die Informationen zur Beratungsgrundlage haben Versicherungsmakler, die den Kunden ge-

mäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. auf eine eingeschränkte Auswahl hingewiesen haben, und

alle Versicherungsvertreter dem Kunden vor Abgabe von dessen Vertragserklärung zu über-

mitteln (§§ 60 Abs. 2, 62 Abs. 1 VVG n. F.). Mit der Vertragserklärung ist in der Regel der

Antrag oder die Deckungsaufgabe gemeint.

Sinn dieser Zeitpunktbestimmung ist, dass der Kunde erfährt, auf welcher Grundlage das ihm

gemachte Angebot erstellt wurde, bevor er sich endgültig hierfür entscheidet und seine Wil-

lenserklärung abgibt. Dahinter steckt die richtige Vermutung, dass die Entscheidung des Kun-

den auch davon abhängen kann, auf welcher Beratungsgrundlage das Angebot erstellt wurde.

Beispiel

Der Kunde wird von einem Mehrfachagenten zum Thema Riester-Rente beraten. Dabei benutzt

der Mehrfachagent das besonders übersichtlich gelungene Verkaufsförderungsmaterial von

Versicherer A und bietet der Einfachheit halber auch diesen Versicherer anschließend an. Der

Kunde entscheidet sich dafür in der Erwartungshaltung, dies sei auch der für seinen Bedarf am

besten geeignete Versicherer unter den zehn verschiedenen Lebensversicherern, die der Mehr-

fachagent nach eigenen Angaben vertritt. Tatsächlich hätte aber das Angebot eines anderen der

zehn Versicherer wesentlich besser den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden entsprochen.

Hätte er das gewusst, hätte er eine andere Kaufentscheidung getroffen.

9.3.3 Form der Mitteilung

Die Information zur Beratungsgrundlage ist in Textform zu übermitteln (§ 62 Abs. 1

VVG n. F.). Die Informationen zur Beratungsgrundlage dürfen davon abweichend auch münd-

lich gegeben werden, wenn der Kunde dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer ei-

ne vorläufige Deckung gewährt (§ 62 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.).

Allerdings müssen die Informationen dann „unverzüglich nach Vertragsschluss, spätestens mit

dem Versicherungsschein“ dem Kunden in Textform nachgereicht werden. Dies gilt nicht für

Verträge über vorläufige Deckung bei Pflichtversicherungen (§ 62 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).

Page 78: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 77

B

Beispiel

Ein Kunde wünscht eine Ausstellungsversicherung für eine am selben Tag beginnende Kunst-

ausstellung. Es soll vorläufige Deckung ab sofort gewährt werden. Der Versicherungsvermitt-

ler teilt dem Kunden mündlich die Markt- und Informationsgrundlage sowie die Namen der

Versicherer mit, die er bei der Auswahl der Ausstellungsversicherung zugrunde gelegt hat.

Nach endgültiger Annahme der Versicherung und Erstellung der Police übermittelt er dem

Kunden diese Mitteilungen in Textform zusammen mit der Police.

Von der Pflicht zur Nachholung der Mitteilung zur Beratungsgrundlage wiederum ausgenom-

men sind Pflichtversicherungen.

Beispiel

Ein Kunde beantragt bei einem Mehrfachvertreter eine Kfz-Haftpflichtversicherung, erhält eine

Versicherungsbestätigung und damit vorläufigen Deckungsschutz. Auf welcher Grundlage der

Mehrfachvertreter den Versicherer und das Produkt ausgewählt hat, teilt er mündlich mit. Da

es sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung um eine Pflichtversicherung handelt, muss er diese

Information nicht noch einmal nachträglich mitteilen.

9.3.4 Verzicht

Der Kunde kann auf die Mitteilung zur Beratungsgrundlage nach § 60 Abs. 3 VVG n. F. ver-

zichten. Dies muss er durch eine gesonderte schriftliche Erklärung vollziehen, die Textform

reicht für einen Verzicht nicht aus.

Wichtig

Die gesonderte schriftliche Erklärung muss

� eigenständig neben anderen Dokumenten stehen, das heißt, sie darf auf keinen Fall in den

Antrag integriert, in Verbraucherinformationen versteckt oder sonst mit einer anderen In-

formation vermischt werden,

� schriftlich sein, das heißt auf einem papiergebundenen Dokument. Damit verbieten sich

Erklärungen per E-Mail, per Text- oder Bilddatei, per SMS oder sonst einem nicht papier-

gebundenen Weg.

Hinweis

Eine Verzichtserklärung integriert in ein Antragsformular oder in Verbraucherinformationen ist

damit unwirksam. Es muss sich um eine eigenständige Urkunde handeln, die vom Kunden ei-

genhändig zu unterschreiben ist. Laut Begründung ist die Formvorschrift auch als Warnhinweis

für den Kunden zu verstehen, um ihm seinen Verzicht bewusst vor Augen zu führen.

Page 79: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

78 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B 9.3.5 Praktische Umsetzung

Für die praktische Umsetzung gibt es verschiedene Wege, hier einige Beispiele:

� Maklervertrag24 (gilt nur für Versicherungsmakler)

Es ist bereits dargestellt worden, dass ein Versicherungsmakler seine Beratungsgrundlage

grundsätzlich nicht mitteilen muss. Sollte er aber „in einzelnen Fällen“ von seiner Bera-

tungsgrundlage abweichen und diese beschränken, ist der Maklervertrag ein möglicher

Weg. Darin wird vereinbart, welche Pflichten der Makler bereit ist zu übernehmen. So be-

steht Klarheit gerade über die Beratungsgrundlage, zudem hat der Kunde dem ausdrück-

lich durch seine Unterschrift zugestimmt.

Der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“ hat dazu zwei Vorschläge

entwickelt, zum einen den umfassenden Maklervertrag, der alle Versicherungsverträge

eines Kunden einbezieht, sowie den Maklereinzelauftrag, der nur eine bestimmte Versi-

cherung betrifft, die vom Makler vermittelt werden soll.

� Informationsblatt

Ein weiterer praktikabler Weg ist, ein Informationsblatt für den Kunden zu erstellen, so-

fern die Beratungsgrundlage in der Regel die gleiche ist, also nicht von Beratungsfall zu

Beratungsfall variiert. Das Informationsblatt hat den Vorteil, dass weitere Erläuterungen

notwendig sind, die dem Kunden einen zusätzlichen Nutzen bringen.

� Deckblatt zu Angeboten

Ein weiterer praktikabler Weg ist, die Mitteilung zur Beratungsgrundlage in ein Deckblatt

zu den schriftlichen Versicherungsangeboten zu integrieren. Das hat den Vorteil, dass der

unmittelbare Bezug der Beratungsgrundlage zu den gemachten Angeboten besonders deut-

lich wird und die Mitteilung weniger leicht verloren geht.

Praxistipp

Bei Mehrfachvertretern kann die Zahl der vertretenen Versicherer so groß sein, dass eine über-

sichtliche Darstellung wie im oben erwähnten Informationsblatt nicht mehr möglich ist. Au-

ßerdem ist es für einen Kunden nicht unbedingt hilfreich, wenn er z. B. eine Berufsunfähig-

keitsversicherung nachfragt, zu erfahren, welche Sach-, Rechtsschutz-, Kranken-, Kredit- oder

sonstigen Versicherer der Mehrfachvertreter noch vertritt. Um dennoch dem Gesetz zu genü-

gen, kann es ein praktikabler Weg sein, die vollständige Liste aller vertretenen Versicherer auf

der Rückseite des Deckblatts abzudrucken. Wichtig: Auch der Mehrfachvertreter kann durch

die Angabe der Namen der seinem Rat zugrunde gelegten Versicherer seine durch die Liste der

vertretenen Versicherer indizierte Beratungsgrundlage verkürzen. Dies muss so transparent

sein, dass es den Anforderungen der „Perspektive des verständigen Verbrauchers“ standhält!

� Mitteilung in der Beratungsdokumentation

Denkbar ist es auch, die Mitteilung zur Beratungsgrundlage in die Beratungsdokumenta-

tion aufzunehmen. Das setzt voraus, dass die Beratungsdokumentation dem Kunden ins-

gesamt vor Abgabe seiner Vertragserklärung (Antrag) ausgehändigt wird.

24 Diese Lösung kommt nur in Betracht, wenn Kunde und Makler sich schon in diesem frühen Stadium darüber einig sind, einen

Maklervertrag zu schließen. In der Praxis kommt es häufig erst in einem späteren Stadium, meist erst nach der eigentlichen versicherungsvertragsspezifischen Beratung, zum Maklerauftrag.

Page 80: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 79

B

Praxistipp

Sofern die Beratungsdokumentation erst später ausgehändigt werden soll, muss die Mitteilung

zur Beratungsgrundlage unabhängig davon vor Antragstellung in einer der anderen erwähnten

Formen erbracht werden. Dennoch kann sie allein schon zur Nachweissicherung ihres Zugangs

zusätzlich in die Beratungsdokumentation aufgenommen werden.

Wichtig

Die Mitteilung der Beratungsgrundlage über die Beratungsdokumentation ersetzt jedoch nicht

die vom Gesetz geforderte Mitteilung vor Antragstellung. Wenn der Kunde damit einverstan-

den ist, kann aber von der mündlichen Mitteilung Gebrauch gemacht und die Nachholung per

Beratungsprotokoll vorgenommen werden. Wichtig ist dann allerdings, dass das Beratungspro-

tokoll nicht erst zum letztmöglichen Zeitpunkt an den Kunden übermittelt wird, sondern mög-

lichst frühzeitig, am besten noch im Beratungsgespräch oder unmittelbar danach.

9.4 Vertragsspezifische Beratungs- und Dokumentationspflichten

Die Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers für das eigentli-

che versicherungsfachliche Beratungs- und Vermittlungsgespräch sind in § 61 VVG n. F. ge-

regelt.

Um eine sach- und bedarfsgerechte Beratungs- und Vermittlungspraxis im Interesse der Kun-

den zu erreichen, werden alle Versicherungsvermittler verpflichtet, den Versicherungsnehmer

– soweit aufgrund der konkreten Umstände für den Versicherungsvermittler ein erkennbarer

Anlass dazu besteht – nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, ihn zu beraten

und die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben sowie

dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu do-

kumentieren (§ 61 Abs. 1 VVG n. F.).

Hinweis

Durch das Gesetz entstehen so eigenständige Vermittlerpflichten. Dies ist für Versicherungs-

vertreter neu! Wenn sie von einem Versicherer z. B. mit der Vermittlung von Unfallversiche-

rungen beauftragt sind und sich insoweit gegenüber dem Kunden als Erfüllungsgehilfen des

Versicherers zu erkennen geben, sind sie dennoch von Gesetzes wegen verpflichtet, den Kun-

den nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen.

9.4.1 Wünsche und Bedürfnisse des Kunden

Bei der Erfassung der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden geht es für den Versicherungs-

vermittler darum, die meist laienhafte Vorstellungs(wunsch)welt des Kunden zu einer am tat-

sächlichen Bedarf ausgerichteten und möglichen Versicherungsschutzlösung in Beziehung zu

setzen.

Die Wünsche des Kunden sind dabei seine subjektiven Vorstellungen, die er in das Bera-

tungsgespräch mitbringt. Sie können je nach Vorkenntnissen und intellektueller Struktur des

Kunden laienhaft und sehr allgemein gehalten sein und sich erst wenig oder noch gar nicht auf

Page 81: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

80 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B den Abschluss eines bestimmten Versicherungsvertrags konkretisiert haben. Es ist natürlich

denkbar, dass seine Vorstellungen bereits auf einen konkreten Versicherungsvertrag gerichtet

sind. Das bedeutet aber nicht zugleich, dass der ins Auge gefasste Versicherungsvertrag über-

haupt zur Erfüllung seiner eigentlichen Wünsche geeignet ist. Dies muss der Vermittler he-

rausfinden. Gemeint sind im Übrigen immer nur die konkreten Wünsche des Kunden, die den

Anlass für das Beratungsgespräch gegeben haben. Nicht gemeint sind dagegen Wünsche und

Ziele des Kunden, die er in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erfüllen bzw. erreichen will.

Derartige Fragestellungen bilden neben umfänglichen anderen Daten häufig die Grundlage

von seriöser oder vorgeschobener ganzheitlicher Finanzplanung. Im Normalfall wird der Kun-

de im Gespräch mit Versicherungsvermittlern seine Lebensplanung nur versicherungsschutz-

bezogen besprechen.

Die Befragung des Kunden nach seinen Wünschen ist also die erste Aufgabe des Vermittlers.

Sie bietet ihm die Möglichkeit, den Beratungsanlass zu klären und bildet so den Einstieg in

den Beratungsprozess.

Ein Bedürfnis ist das Verlangen oder der Wunsch, einem empfundenen und/oder tatsächlichen

Mangel Abhilfe zu schaffen. Die natürlichen Grenzen der Bedürfnisbefriedigung sind die am

Markt erhältlichen Lösungen sowie die Kaufkraft des Kunden. Die Schnittmenge von Bedürf-

nissen, Marktangeboten und Kaufkraft des Kunden bildet den Bedarf. Es kommt also darauf

an, im Gespräch mit dem Kunden den durch Versicherungsschutzlösungen abdeckbaren Be-

darf des Kunden zu ermitteln.

Gerade in Versicherungsangelegenheiten haben viele Menschen überhaupt kein Mangelbe-

wusstsein. Es kann daher vorkommen, dass Kunden weder Wünsche noch Bedürfnisse äußern,

obwohl sich in ihren Lebensumständen Risiken verbergen, die nach allgemeiner Überzeugung

existenziell bedrohlich sind. Dann kommt es weiter darauf an, dem Kunden die Risikobedro-

hung zu erklären. Der aus den Bedürfnissen des Kunden abgeleitete Bedarf erfordert daher

einer objektivierenden Komponente.

Im Ergebnis ist der Versicherungsvermittler also gefordert, die vom Kunden laienhaft geäußer-

ten Wünsche und Bedürfnisse in eine dem tatsächlichen objektiven Bedarf des Kunden ent-

sprechende Versicherungsschutzlösung zu überführen. Häufig ist es dazu zunächst notwendig,

ganze Bedarfsfelder mit dem Kunden zu besprechen, wenn der Kundenwunsch verschiedene

Versicherungsschutzlösungen indiziert.

Letztlich kommt es also darauf an, dass es dem Vermittler gelingt, im Gespräch den noch so

laienhaft geäußerten Wunsch des Kunden mit einem Versicherungsvertrag in Beziehung zu

setzen, der geeignet ist, den tatsächlichen Bedarf nach Risikovorsorge zu decken. Gegebenen-

falls muss der Vermittler gedanklich immer wieder Äußerungen des Kunden und mögliche

und geeignete Bedarfsdeckungen abgleichen.

9.4.2 Die anlassbezogene Fragepflicht

Art, Umfang und Intensität der Befragungspflicht bestimmen sich nach dem vom Kunden ge-

setzten Anlass.

Der Vermittler soll den Versicherungsnehmer nur insoweit nach seinen Wünschen und Be-

dürfnissen befragen, „soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurtei-

len, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht“

(§ 61 Abs. 1 Satz. 1 VVG n. F.).

Page 82: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 81

BMaßgeblich für die Beurteilung, ob und ggf. in welchem Umfang Anlass für eine Befragung

besteht, sind zum einen die Komplexität des Produkts, zum anderen die Person und die Situ-

ation des Versicherungsnehmers (Risikoumfeld).

Der Vermittler soll in die Lage versetzt werden, sich die für eine bedarfsgerechte Beratung

notwendigen Auskünfte zu verschaffen. Insbesondere wenn der Kunde keine hinreichenden

Angaben zu seinen Wünschen und seinem Bedarf macht, ist der Versicherungsvermittler ge-

fordert, nachzufragen.

Zusammengefasst müssen immer Fragen gestellt werden, wenn ein Anlass dazu erkennbar

ist! Die Fragepflicht soll aber nicht als Ausforschungspflicht missverstanden werden. Es liegt

auf der Hand, dass mit dem durch Fragen gesteuerten Verlauf des Beratungsgesprächs auch

der Inhalt der Beratungsdokumentation vorgezeichnet wird, sodass also die Fragestellung we-

sentlichen Einfluss auf die Beratungsdokumentation des Vermittlers hat.

Der Sinn hinter den anlassabhängig gestellten Fragen kann nur sein, Informationen zu erhal-

ten, auf deren Basis später ein Rat abgegeben wird. Die „Brücke“ zwischen gestellten Fragen

und abgegebenem Rat bildet im Gesetz die Beratung – § 61 Abs. VVG n. F. nennt diese drei

Pflichten in ihrer sachlogischen Abfolge.

9.4.3 Die anlassbezogene Beratungspflicht

Gem. § 61 Abs. 1 Satz. 1 VVG n. F. muss der Vermittler den Versicherungsnehmer nicht nur

nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen, sondern ihn auch beraten. Auch Inhalt

und Umfang der Beratungspflicht richten sich nach dem vom Kunden gesetzten Anlass.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob und ggf. in welchem Umfang Anlass für eine Beratung be-

steht, sind also wiederum die Komplexität des Produkts sowie die Person und die Situation

des Versicherungsnehmers (Risikoumfeld).

Im Unterschied zur Befragungspflicht kann bei der Bestimmung von Art und Umfang der Be-

ratungspflicht ein weiteres Merkmal berücksichtigt werden. Es soll „ein angemessenes Ver-

hältnis zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden

Prämie“ gewahrt werden. Dahinter steht die Überlegung, dass eine geringe Prämienhöhe in

der Regel ein wenig komplexes Standardprodukt indiziert, das keine langwierige Beratung er-

fordert. Der Gesetzgeber will zum Ausdruck bringen, dass vom Vermittler nicht unbillig er-

wartet wird, dass er gegen alle kaufmännischen Restriktionen verstoßen und übertriebene Be-

ratungsleistungen erbringen soll, auch wenn keine Aussicht auf angemessene Vergütung be-

steht.

Die übrigen Kriterien Komplexität und Risikoumfeld werden durch das Kriterium der An-

gemessenheit aber nicht eingeschränkt. Das bedeutet wiederum, dass auch bei Versicherungen

mit niedrigen Prämien z. B. wegen der Komplexität des Produkts ein erhöhter Beratungsauf-

wand erforderlich sein kann.

Dem Kriterium des „angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und Prämien-

höhe“ begegnen in der Praxis durchgreifende Bedenken. Faktisch wird es kaum Produkte ge-

ben, die wirklich als „einfach“ einzustufen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versi-

cherungsnehmer über wenig Erfahrung im Umgang mit Versicherungen verfügt und ihm der

Umgang aufgrund seiner Situation auch nicht leicht fällt. Und eine falsche Einschätzung geht

im Zweifel zulasten des Vermittlers.

Page 83: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

82 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Hinweis

Der Vermittler sollte sich bei seinem Beratungsaufwand nicht darauf verlassen, die beschriebe-

ne Einschränkung anwenden zu können. Es kann ihm später vorgeworfen werden, trotz gerin-

ger Prämienhöhe zu wenig Beratung geleistet zu haben.

Zusammengefasst muss der Vermittler also immer fragen und beraten, wenn ein Anlass dazu

erkennbar ist!

Mit der gesetzlichen Verpflichtung einer anlassbezogenen Befragung und Beratung geht die

deutsche Umsetzung im Übrigen über den Wortlaut der Richtlinie hinaus, nach der der Ver-

mittler lediglich die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden „anzugeben“ hat. Danach müsste

der Vermittler die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden nur dokumentieren, soweit sie ihm

vom Kunden oder auf andere Weise bekannt werden.

Der deutsche Gesetzgeber nimmt aber die Umsetzung der Vermittlerrichtlinie zum Anlass, die

von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur anlassbezogenen Befragungs- und Bera-

tungspflicht zu kodifizieren. Streng genommen bildet damit die anlassbezogene Befragungs-

und Beratungspflicht kein rechtliches Novum, sondern nur die gesetzliche Festschreibung ei-

ner bisher schon wiederholt von der Rechtsprechung angenommenen Verpflichtung.

9.4.4 Notwendige Risikoanalyse

Im Versicherungsvertragsgesetz wird der Vermittler „nur“ zur Erfassung von Wünschen und

Bedürfnissen des Kunden verpflichtet. Dazu gehört es, anlassbezogen den Versicherungsbe-

darf des Kunden festzustellen. Dies ist nur durch eine situationsspezifische, systematische Ri-

sikoerfassung möglich. Es stellt sich somit die Frage, wie die systematische Erfassung des je-

weils notwendigen Versicherungsbedarfs organisiert werden kann.

Im Zuge der anlassbezogenen Befragung und Beratung kommt es darauf an, den vom Kunden

laienhaft geäußerten Wunsch in eine geeignete Versicherungsschutzlösung zu überführen. Die

Bedarfsermittlung muss daher so ausgerichtet und organisiert sein, dass dadurch Beziehungen

zu am Markt verfügbaren Versicherungsschutzlösungen hergestellt werden. Nur so ist es mög-

lich, Bedarf und Versicherungsvertrag zu harmonisieren.

Die Befragung durch den Vermittler muss also systematisch auf den Abschluss von Versiche-

rungsverträgen gerichtet sein. Soweit der Kundenwunsch Bedarfssituationen erkennen lässt,

die gleich mehrere und nicht miteinander konkurrierende Versicherungsschutzlösungen berüh-

ren, müssen die betroffenen Bedarfsfelder so in Einzelbedarfe aufgeteilt werden, dass sie mit

Versicherungsverträgen gedeckt werden können.

Es bietet sich also an, Risikofragebögen zu entwickeln, die diesen Anforderungen genügen.

Der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“25 hat sich damit beschäftigt und

stellt bereits erste Fragebögen zur systematischen Erfassung von Versicherungsbedarf zur Ver-

fügung.

Versicherungsmakler müssen wegen ihrer Verpflichtung zur ausgewogenen, objektiven

Marktuntersuchung generell ihre Risikoanalyse unternehmensneutral durchführen. Der not-

wendige Umfang der Risikoanalyse korrespondiert mit der jeweiligen Beratungsgrundlage.

25 Der Arbeitskreis wurde von den Berufsverbänden/Servicegesellschaften BVK, CHARTA Börse für Versicherungen AG,

germanBroker.net, Institut der Versicherungsmakler, Verband der Fairsicherungsmakler und VVV gegründet. Unterstützt wird der Arbeitskreis von diversen Versicherungsunternehmen.

Page 84: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 83

B

Hinweis

Versicherungsmakler sind auch nach der Rechtsprechung des BGH verpflichtet, einen „indivi-

duellen und passenden Versicherungsschutz zu besorgen“ (BGH IV a ZR 190/83; Sachwalter).

Sie müssen deshalb bei der Identifizierung und Bewertung von Kundenrisiken berücksichtigen,

ob und ggf. welche Deckungsmöglichkeiten der Markt für diese Risiken bereithält. Für die Ri-

sikoanalyse reicht daher ein Fragebogen nicht aus, der etwa im Bereich der Privathaftpflicht-

versicherung nicht nach einem Risikomerkmal fragt, das zwar nicht der für die Vermittlung

vorgesehene, wohl aber andere Versicherer am Markt versichern würden.

Die Bögen des Arbeitskreises sind auf die Bedürfnisse von Versicherungsmaklern zuge-

schnitten und berücksichtigen daher Versicherungsschutzlösungen aus der Breite des Marktes.

In einem Markt, in dem mittlerweile jeder Versicherer versucht, sich der Vergleichbarkeit zu

entziehen, ist die Entwicklung von unternehmensneutralen Risikoanalysebögen schwierig.

Deshalb hat der Arbeitskreis in einzelnen Breitensparten sogenannte Mindeststandards defi-

niert. Darunter ist die bedingungsgemäße Beschreibung eines Versicherungsschutzes zu ver-

stehen, der bestimmte Mindestinhalte voraussetzt. Die für einzelne Sparten beschriebenen

Mindestinhalte bilden die Grundlage für die Fragen im Risikoanalysebogen. Die Inhalte der

Mindeststandards werden als gegeben vorausgesetzt, sodass sich eine differenzierte Befragung

in ihrem Bereich erübrigt.

Der notwendige Umfang der Risikoanalysebögen konnte so im Rahmen gehalten werden. Der

Arbeitskreis geht davon aus, dass sich die Bögen im Alltag der Makler zum Standard entwi-

ckeln. Dies setzt voraus, dass sie durch praktischen Einsatz weiter optimiert und vom Arbeits-

kreis weiter gepflegt werden.

Ihr Einsatz bietet Maklern zwei entscheidende Vorteile: Die systematische Erfassung der

Kundenrisiken bildet zum einen einen zentralen Beitrag zur Haftungsminimierung. Zum an-

deren werden relevante Risiken nicht vergessen.

Wir hatten bereits oben darauf hingewiesen, dass der notwendige Beratungsumfang des Versi-

cherungsvermittlers von der Komplexität abhängt. Die Komplexität hat zwei Seiten, eine pro-

duktorientierte und eine kundenorientierte. Je weniger Vorkenntnisse der Kunde hat, desto hö-

her kann der Komplexitätsgrad sein und desto intensiver muss die Beratung erfolgen. Da die

Risikoanalysebögen des Arbeitskreises nicht zwischen dem informierten und dem weniger in-

formierten Kunden unterscheiden, ist in der Risikoanalyse das Merkmal der Komplexität au-

tomatisch berücksichtigt.

Für Versicherungsvertreter sind die Bögen nur bedingt geeignet. Sie haben ja aufgrund des

Zusammenhangs zwischen Beratungsgrundlage und Ausrichtung der Risikoanalyse die Mög-

lichkeit, ihre Risikoanalyse im Hinblick auf Deckungsmöglichkeiten der von ihnen vertretenen

Versicherungsunternehmen zu beschränken.

Der Umfang der Risikoanalyse wird dabei in der Praxis unterschiedlich ausfallen. Während

der Ausschließlichkeitsvertreter lediglich prüft, ob im Angebot seines Versicherers ein oder

mehrere zu den Wünschen und dem Bedarf des Kunden passende Verträge und Tarife vorhan-

den sind, muss der Mehrfachvertreter unter Umständen – in Abhängigkeit von seiner gegen-

über dem Kunden kommunizierten Beratungsgrundlage – bereits mehrere Versicherer mit ih-

ren Leistungen vergleichen.

Page 85: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

84 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Die Risikoanalysebögen können als Anlage zur Beratungsdokumentation verwendet werden,

die dadurch entlastet wird. Der Kunde kann dann genau nachlesen, welche Angaben er ge-

macht hat und warum es daraufhin zu einem bestimmten Versicherungsvorschlag gekommen

ist. Auf der Basis der Risikoanalyse wird der Vermittler im Zuge der anlassbezogenen Bera-

tung gemeinsam mit dem Kunden die vorgefundenen Risiken bewerten (eigentliche Risiko-

analyse) und die Deckungsvarianten verschiedener in Betracht kommender Versicherungsarten

erörtern.

Beispiel

Ein Versicherungsvertreter ist ausschließlich für die Proximus-Versicherungen tätig. Sein Kun-

de äußert den Wunsch, seinen Hausrat zu versichern. Als Bedarf stellt der Vertreter den Versi-

cherungswert von 50.000 Euro sowie die Risikoverhältnisse fest. Der Versicherungsvertreter

stellt fest, dass der Kunde ein objektives Vermögensrisiko von 50.000 Euro hat, das durch eine

Hausratversicherung abdeckbar ist.

Der vorstehende Beispielfall ist relativ einfach, weil der Wunsch des Kunden eindeutig ist und

mit der objektiven Bedarfslage übereinstimmt, sodass die in Frage kommende Versicherungs-

art leicht zu benennen ist. Etwas schwieriger wird es im nachfolgenden Fall:

Beispiel

Derselbe Versicherungsvertreter ist beim selben Kunden zu Gast und bemerkt einen Hund. Er

fragt, ob dieser haftpflichtversichert sei, worauf ihm der Kunde antwortet, dass er keinerlei

Haftpflichtversicherung besitze. Der Vertreter erkennt jetzt als Bedarfslage neben dem Vermö-

gensrisiko des Hausrats auch dasjenige von Schadenersatzansprüchen, und zwar nicht nur aus

der Hundehaltung, sondern generell aus privaten Risiken. Er nimmt eine Risikobewertung nach

denkbarer Schadenhöhe vor und klärt den Kunden auf, dass ein Haftpflichtrisiko grundsätzlich

unbegrenzt ist. Demgegenüber ordnet er dem auf 50.000 Euro begrenzten Vermögensrisiko des

Hausrats eine nachgelagerte Priorität zu. Als in Frage kommende Versicherungsarten benennt

er die Privathaftpflicht-, die Hundehalterhaftpflicht- sowie die Hausratversicherung.

Im Fall des Versicherungsvertreters mit seiner beschränkten Beratungsgrundlage ist die Sach-

lage immer noch eindeutig. Schwieriger kann es für einen Versicherungsmakler mit grundsätz-

lich nicht beschränkter Beratungsgrundlage werden:

Beispiel

Ein Versicherungsmakler berät einen Privatkunden, der eine Absicherung des Risikos des Ein-

kommensverlusts wünscht. Die Bereitschaft des Kunden, hierfür Geld auszugeben, ist aller-

dings auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Aus den Fragen zur Person kann der Versiche-

rungsmakler zudem erkennen, dass die Gesundheitssituation des Kunden in bestimmten Versi-

cherungsbereichen Schwierigkeiten mit den Zeichnungsrichtlinien bestimmter Versicherer er-

warten lässt. Er erläutert dem Kunden die verschiedenen Möglichkeiten von Berufsunfähig-

keits-, Erwerbsunfähigkeits-, Grundfähigkeits-, Pflegeergänzungs- oder Unfallversicherung

und priorisiert diese gemeinsam mit dem Kunden nach Umfang der Leistung bei schweren Er-

krankungen und mutmaßlichem Kostenaufwand. Anschließend analysiert der Versicherungs-

makler mithilfe von Produktvergleichsprogrammen und Anfragen bei Versicherern hinsichtlich

deren Zeichnungsrichtlinien und stellt fest, welche Versicherer zu welchen Prämien überhaupt

Page 86: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 85

Bfür die vorrangig priorisierten Lösungen in Frage kommen und benennt dem Kunden daraufhin

die Erwerbsunfähigkeits- und die Grundfähigkeitsversicherung als für ihn vorrangig in Frage

kommende Versicherungsarten, als nachrangig in Frage kommende Versicherungsarten die

Pflegeergänzungs- und eine kleine Unfallversicherung. Die Berufsunfähigkeitsversicherung

scheidet wegen der Vorerkrankungen und daraus folgend nicht akzeptabler Leistungsaus-

schlüsse aus.

Wichtig

Bei Weitem nicht in jeder Beratungssituation wird die empfohlene Versicherung vollkommen

den Wünschen des Kunden entsprechen. Versicherungsvertreter werden schon unter verkäufe-

rischen Aspekten dem Kunden auch zu Versicherungsverträgen raten, für die ein objektiver

Bedarf besteht, die aber zunächst nicht dem Wunsch des Kunden entsprachen.

Beispiel

Der Versicherungsvertreter stellt im Verkaufsgespräch fest, dass der Kunde keine Privathaft-

pflichtversicherung besitzt. Der Kunde wollte eigentlich nur seinen Hausrat versichern. Der

Versicherungsvertreter überzeugt ihn, dass das Risiko eines Haftpflichtschadens noch bedeu-

tender ist und deshalb der Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung dringend anzuraten ist.

Wichtig

Versicherungsmakler müssen sogar auf den Kunden einwirken, wenn er objektiv einen Bedarf

hat, dessen Absicherung aber zumindest zunächst nicht seinem Wunsch entspricht. Hier ist der

Makler als Sachwalter gefordert, sich zu bemühen, den Kunden von dem objektiv gebotenen

Versicherungsbedarf zu überzeugen (Vermutung der letztlich vernünftigen Entscheidung des

Kunden).

Beispiel

Ein Versicherungsmakler erkennt im Beratungsgespräch mit seinem Gewerbekunden, dass die

Betriebsbeschreibung von dessen Betriebshaftpflichtversicherung unvollständig ist und wichti-

ge Tätigkeiten des Betriebs unversichert sind. Der Betriebsinhaber hat Bedenken gegen eine

Ausweitung, weil dies mit einer erheblich höheren Prämie verbunden ist. Der Makler überzeugt

den Kunden, dass ein vollständiger Betriebshaftpflichtschutz für das Unternehmen existenziell

wichtig ist.

9.4.5 Umfassende Risikoanalysen

Die Risikoanalyse muss sich nicht zwangsläufig auf die anlassbezogen notwendige Bedarfs-

ermittlung beschränken. Es kann durchaus geboten sein, weitere Fragen zu stellen und dadurch

selbst Anlässe zu setzen, mit dem Kunden über bestimmte Bedarfe und dafür geeignete Versi-

cherungen zu sprechen. Bewährt hat sich dafür im Privatkundenbereich die Versorgungsana-

lyse, die auch als Versicherungs-TÜV, Haushaltsanalyse oder -check und unter vielen anderen

Page 87: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

86 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Begriffen bekannt ist. Im gewerblichen Bereich vergleichbar ist ebenfalls ein Komplettcheck

möglich, für den der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“ eine Arbeitshilfe

„Gewerbematrix“ zur Verfügung gestellt hat.

Hier eine beispielhafte Übersicht:

� Vorhandene Versicherungen (Art, Versicherer, Produktbezeichnung, Leistungen, Beginn-

und Ablaufdaten, Prämie/Beitrag etc.)

� Vorhandenes Vermögen und Sachwerte

� Rentenberechnung/Altersvorsorgeanalyse

� Übersicht über Versorgungs-/Bedarfslücken

� Vorschläge für

Ο neu zu ordnende Verträge und Vertragsbestandteile

Ο überflüssige Verträge und Vertragsbestandteile

Ο fehlende Verträge und Vertragsbestandteile

Ο Priorisierung des Abschlusses nach den Wünschen des Kunden und seinen finanziellen

Möglichkeiten

Über die konkreten Wünsche des Kunden aus dem aktuellen Beratungsanlass hinaus kann au-

ßerdem erfragt werden:

� Einstellung zur Risikotragung, zum Beispiel das Interesse an der Absicherung existenz-

zerstörender oder auch existenzgefährdender oder zusätzlich grundsätzlich selbst tragbarer

Risiken

� Grundsätzliche Bereitschaft zur Selbstbeteiligung

� Einstellung zum Preis-/Leistungsverhältnis, wie bedeutsam für den Kunden der Preis und

die Qualität und Quantität der Leistung ist

Damit erhält der Vermittler wertvolle Hinweise für seine Versicherungsvorschläge, nach wel-

chen Kriterien er diese aussuchen und welche Argumente er dem Kunden dazu nennen kann.

Wichtig

Es ist aber zu beachten, dass nicht jeder Kunde in der Lage sein wird, die abstrakte Frage nach

der Bereitschaft zur Risikotragung und zur Preissensibilität eindeutig zu beantworten, und bei

einer konkreten Produktauswahl unter Umständen andere Maßstäbe anlegt.

Page 88: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 87

B

Beispiel

Ein Kunde gibt an, dass ihm ein günstiger Preis seiner Gebäudeversicherung überaus wichtig

ist und er durchaus bereit ist, in angemessenem Rahmen Selbstbeteiligungen zu tragen. Da-

raufhin bietet ihm der Vermittler eine Gebäudeversicherung mit einem „mageren“ Deckungs-

konzept ohne Mitversicherung der Ableitungsrohre außerhalb des Gebäudes sowie mit einer

Selbstbeteiligung im Schadensfall von einem Prozent der Versicherungssumme an. Es kommt

zu einem schweren Sturmschaden und später zu einem Rohrbruch des Ableitungsrohres im

Garten. Der Sturmschaden wird zwar reguliert, aber nach Abzug von 4.000 Euro Selbstbeteili-

gung. Der Rohrbruch mit seinen 6.000 Euro Folgekosten wird nicht übernommen. Der Kunde

ist höchst verärgert und wirft dem Vermittler vor, dass er ihn nicht angemessen darüber aufge-

klärt hat, dass er für nur 40 Euro Mehrprämie im Jahr ohne Selbstbeteiligung und für weitere

60 Euro auch gegen Rohrbruch der Ableitungsrohre versichert gewesen wäre. Er hätte sich

selbstverständlich sofort für die um insgesamt 100 Euro höhere Prämie entschieden, wenn ihm

das bekannt gewesen wäre.

Das Beispiel zeigt übrigens, wie bedeutsam die Fragestellung und vor allem deren Dokumen-

tation sind. Wenn der Vermittler in diesem Fall die zuvor gestellten Fragen und die Antworten

des Kunden darauf dokumentiert hat, kann er zumindest nachweisen, grundsätzlich seinen

Vermittlerpflichten Genüge getan zu haben. Deutlich besser wäre allerdings gewesen, wenn

der Vermittler dem Kunden alternative Angebote gemacht hätte, bei denen sich der Kunde in

Kenntnis der Preisunterschiede bewusst für die „magere“ Variante mit Selbstbeteiligung hätte

entscheiden können und dies auch so dokumentiert worden wäre.

9.4.6 Rat und Begründung

Gem. § 60 Abs. 1 Satz VVG n. F. sind alle Versicherungsvermittler verpflichtet, die Gründe

für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Die Begründungspflicht

bezieht sich damit auf den im Ergebnis der anlassbezogen erfolgten Beratung erteilten finalen

Rat auf Abschluss eines konkreten Versicherungsvertrags.

Auf Basis der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden, der Risikobewertung und der Nennung

der in Frage kommenden Versicherungsarten gibt der Versicherungsvermittler einen konkreten

Rat ab und begründet diesen.

Beispiel

Der Versicherungsvertreter empfiehlt den Abschluss einer Hausratversicherung bei der von

ihm vertretenen Versicherungsgesellschaft, weil die Hausratversicherung das festgestellte

Vermögensrisiko des Hausrats abdeckt und diese Absicherung auch den Wünschen des Kun-

den entspricht.

Zum Umfang der Begründung des abgegebenen Rats gibt es keine gesetzlichen Vorgaben.

Nach dem Sinn der Beratungs- und Dokumentationspflichten soll der Kunde eine Information

erhalten, auf Grund derer er später nachvollziehen kann, warum er welche Kaufentscheidung

getroffen hat.

Dabei gelten für Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler unterschiedliche Begrün-

dungsanforderungen. Ein Ausschließlichkeitsvermittler muss nur über das Produkt seines

Page 89: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

88 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Unternehmens informieren und muss nicht begründen, warum er einen Versicherungsvertrag

seines eigenen Unternehmens empfiehlt.

Beim Versicherungsmakler ist dagegen die Votierung für ein bestimmtes Versicherungs-

unternehmen ein entscheidender Punkt. Er muss daher seine Empfehlung vor allem unter Be-

rücksichtigung von Preis und Leistung einschließlich aller für den Kunden relevanten Kri-

terien begründen.

Der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“ hat für Versicherungsmakler ne-

ben den Risikoanalysebögen eine weitere Hilfestellung entwickelt. Die „Auswahlkriterien für

den Rat des Maklers“ sollen den Makler in die Lage versetzen, „den Rat für das von ihm emp-

fohlene Versicherungsprodukt gegenüber dem Versicherungsnehmer mit Hilfe objektiver

Auswahlkriterien (…) zu begründen“, so der Arbeitskreis.

Mit dieser Zielsetzung wurden zahlreiche objektive Kriterien identifiziert und benannt. Als

grundsätzlich relevant angesehen werden

� Finanzstärke,

� Insolvenzsicherungsfonds,

� Bedingungen,

� Preis,

� Rentabilität/Anlagerisiko,

� Kalkulation,

� Antragsgestaltung,

� Service und

� Tarifmerkmale.

Diese Kriterien werden je nach Sparte unterschiedlich gewichtet. Daraus ist ein Schema ent-

standen, bei welchen Sparten oder Produkten diese Kriterien „hoch relevant“ (H), „niedrig re-

levant“ (N) oder „irrelevant“ (-) sind.

Kriterium Sach- inkl.

Transport Haftpflicht

Rechts-

schutz Kfz Kranken

Finanzstärke N N N N H

Insolvenz-

sicherungsfonds - - - - H

Bedingungen

H H H

H

(Haftpflicht

N)

H

Preis H H H H H

Rentabilität/

Anlagerisiko - - - - N

Kalkulation N N N N H

Antragsgestaltung N N N N H

Page 90: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 89

BKriterium

Sach- inkl.

Transport Haftpflicht

Rechts-

schutz Kfz Kranken

Service N N N N N

Tarifmerkmale H H H H H

Kriterium Unfall Risiko-

Leben

Berufsun-

fähigkeit/

Dread

Disease

Klassische

Renten/

Lebens-

vers.

Fonds/

Rente/

Leben

Finanzstärke N N H H N

Insolvenz-

sicherungsfonds - H H H H

Bedingungen H N H H H

Preis H H H - -

Rentabilität/

Anlagerisiko - - - H H

Kalkulation N H H H H

Antragsgestaltung N H H

LV: H

Rente: N

LV: H

Rente: N

Service N N N N N

Tarifmerkmale H H H H H

Der Arbeitskreis hält die Kriterien mit hoher Relevanz für solche, die bei der Produktauswahl

und der Begründung der Produktauswahl gegenüber dem Kunden unbedingt beachtet werden

sollten. Diejenigen mit niedriger Relevanz können optional hinzugezogen werden, beispiels-

weise, wenn der Kunde hierauf besonderen Wert legt oder der Makler über besondere Infor-

mationen verfügt.

Viele der Kriterien wie Finanzstärke, Insolvenzsicherungsfonds, Bedingungen, Preis, Rentabi-

lität/Anlagerisiko, Kalkulation, Antrag und Tarifmerkmale kann der Makler durch eigene Re-

cherchen und die Nutzung von Analysesoftware und von Rating-Informationen feststellen. Für

manche Kriterien wie insbesondere den Service gibt es zum einen Ergebnisse aus Maklerbe-

fragungen, aber auch die eigene praktische Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Versiche-

rern spielt hier eine wichtige Rolle.

9.4.7 Beratungsverzicht

Der Kunde kann gemäß § 61 Abs. 2 VVG n. F. auf die Beratung oder die Dokumentation ver-

zichten. Dies muss er durch eine gesonderte schriftliche Erklärung vollziehen, in der er au-

ßerdem vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich die-

ser Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Kunden auswirken kann, gegen den Versi-

cherungsvermittler einen Schadenersatzanspruch nach § 63 VVG n. F. geltend zu machen.

In der Regel wird ein Beratungsverzicht weder dem Vermittler noch dem Kunden Vorteile

bringen.

Page 91: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

90 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Es kann Fälle geben, in denen der Kunde auf eine Beratung verzichten möchte, zum Beispiel:

� Der Kunde hat sich bereits ausreichend von anderen Vermittlern beraten lassen und möch-

te nur ein Gegenangebot einholen.

� Der Kunde hat sich über das Internet und andere Quellen informiert und glaubt, nun aus-

reichend über Versicherungen Bescheid zu wissen.

� Ein Kunde hat gute Erfahrungen mit einem bestimmten Versicherer und dessen Produkten

gemacht und ist nicht daran interessiert, über andere Versicherer oder andere Produkte

aufgeklärt zu werden.

Auch wenn das Gesetz den Vermittler anlassbezogen zwingt, nach den Wünschen des Kunden

zu fragen, heißt das nicht, dass diese auch vorbehaltlos akzeptiert werden müssen. Wenn der

Vermittler beispielsweise vom Kunden mit dem Wunsch auf einen Verzicht konfrontiert wird,

weil er sich bereits bestens informiert glaubt, kann der Vermittler die Beratung ablehnen, weil

er nicht überprüfen und sicherstellen kann, dass der Kunde ein wirklich für seine Bedarfssitua-

tion geeignetes Produkt erhält.

Praxistipp

In solchen Situationen bewährt sich immer wieder, den Kunden gezielt mit Fachfragen zu kon-

frontieren und zu testen, ob er wirklich „Bescheid weiß“. Das im Internet oder anderswo ange-

lesene Halbwissen bricht dann schnell in sich zusammen. Manche Kunden sehen dann ein, dass

sie doch besser eine Beratung in Anspruch nehmen sollten, die anderen lässt man besser zie-

hen, denn mit denen wird man garantiert später wenig Freude und viel Ärger haben!

Wenn hingegen das Motiv eine gute Erfahrung in der Vergangenheit ist und sich keine neuen

Erkenntnisse ergeben haben, den Versicherer oder das Produkt anders zu bewerten, spricht

nichts dagegen, dem Kunden dieses Produkt erneut zu vermitteln.

Wichtig

Der Beratungsverzicht soll auf seltene Ausnahmefälle beschränkt werden. Das ist die Botschaft

der Formvorschrift, die die ohnehin schon als Warnfunktion verstandene Form einer Urkunde

um eine warnende Rechtsbelehrung ergänzt. Damit verbietet sich in jedem Fall, den Bera-

tungsverzicht in einem Antragsformular, Verbraucherinformationen o. Ä. zu integrieren. Es

muss ein separates Schriftstück erstellt und vom Kunden eigenhändig unterschrieben werden.

Eine zu häufige Verwendung des Beratungsverzichts könnte auch als Indiz gewertet werden,

dass sich der Versicherungsvermittler damit absichtlich seiner Beratungsverpflichtung entzie-

hen will, was seine Rechtsposition nachhaltig schwächt, wenn er sich gegen Schadenersatzan-

sprüche nach § 63 VVG n. F. zu verteidigen hat.

9.4.8 Ausnahmefall Unternehmererklärung

Die bisherigen Ausführungen zum Beratungsverzicht galten im Wesentlichen für den Umgang

mit Verbrauchern. Im Verhältnis zu gewerblichen Kunden kann dagegen der Einsatz von Be-

ratungsverzichtserklärungen helfen, bewährte Strukturen der Vermittlungstätigkeit vor allem

im Maklergeschäft beizubehalten. Insbesondere im gewerblichen Geschäft von Versiche-

rungsmaklern ist es nahezu üblich, dass Unternehmer und Versicherungsvermittler einmal im

Page 92: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 91

BGeschäftsjahr zum sogenannten „Jahresgespräch“ zusammenkommen, in dem Risiko- und

Marktveränderungen besprochen und ein Maßnahmenplan beschlossen wird, der in der Folge-

zeit vom regelmäßig bevollmächtigten Versicherungsmakler umgesetzt wird. Das Verfahren

des Jahresgesprächs hat sich bewährt, sein Handling ist Kunden wie Maklern vertraut. Die

Dokumentation des Jahresgesprächs einschließlich des Maßnahmenplans durch den Makler

(schon aus Haftungsgründen) gilt als selbstverständlich. Das ganzheitlich auf das Unterneh-

men des Kunden angelegte Konzept des Jahresgesprächs unterscheidet sich von den neuen ge-

setzlichen einzelvertragsbezogenen Beratungspflichten erheblich. Eine Umstellung der Bera-

tungspraxis würde in solchen Fällen umfangreiche organisatorische Änderungen im Workflow

vieler Vermittler bedeuten. In diesen Fällen ist zu überlegen, ob nicht sogenannte „Unterneh-

mererklärungen“ verwendet werden können, die zu Beginn der Geschäftsbeziehung mit dem

Kunden einen Verzicht auf die neuen Beratungspflichten vereinbaren, aber die umfassende

Beratung im Jahresgespräch beibehalten.

9.4.9 Beratung am Telefon oder im Internet

Für den Fall einer telefonischen Beratung oder einer Beratung über die Internetplattform eines

Versicherungsvermittlers sieht das Gesetz keine Besonderheiten vor. Das bedeutet, dass der

Versicherungsvermittler auch in diesen Fällen verpflichtet ist, den Kunden anlassbezogen nach

seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, ihn zu beraten sowie die Gründe für jeden zu

einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben.

Ein Beratungsverzicht wird in der Regel aus praktischen Gründen nicht in Betracht kommen,

da die Wirksamkeit des Verzichts wie soeben dargestellt von der schriftlichen Erklärung des

Kunden abhängig ist. Dies ist praktisch nicht zu gewährleisten. Entweder müsste der Kunde

dem Vermittler die schriftliche Verzichtserklärung vor der Beratung übermitteln, oder der

Vermittler müsste sicherstellen, dass der telefonisch oder im Internet erklärte Beratungsver-

zicht schriftlich bestätigt wird. In Ausnahmefällen mag das funktionieren; für den Vermitt-

lungsalltag ist das Modell untauglich.

9.4.10 Dokumentationspflichten

Gem. § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. sind Versicherungsvermittler verpflichtet, die Befragung

nach Wünschen und Bedürfnissen, die Beratung und die Gründe für jeden zu einer bestimmten

Versicherung erteilten Rat unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versiche-

rungsvertrags zu dokumentieren.

Die Dokumentationspflicht bezweckt, den Kunden darüber zu informieren, warum welche

Versicherungsverträge basierend auf seinen persönlichen Wunschvorstellungen und seinem

Bedarf für ihn sinnvoll sind. In der Praxis wird die vom Gesetz geforderte Dokumentation

häufig vereinfacht mit dem Begriff „Protokoll“ gleichgesetzt.

Dokumentation meint in der Regel die systematische Aufbereitung von Informationen, wäh-

rend unter Protokoll meist die Niederschrift eines Gesprächs verstanden wird, die zu Beweis-

zwecken unterschrieben wird.

Die vom Gesetz verlangte Dokumentation besteht nach dem derzeitigen Stand der Diskussion

aus den Elementen Wünsche und Bedürfnisse, Rat und Begründung. Unterschriften sind

nicht gefordert. Ein echtes Beratungsprotokoll wird daher nicht verlangt.26

26 Der in der Praxis gleichwohl eingebürgerte Begriff des „Beratungsprotokolls“ muss daher immer mit diesen Einschränkungen

verstanden werden.

Page 93: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

92 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Das Beratungsgespräch mit dem Kunden, in dem er anlassbezogen hinsichtlich seiner Wün-

sche und Bedürfnisse befragt und dazu beraten wurde, seine Risiken analysiert, bewertet und

auch in Abhängigkeit von den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden priorisiert worden

sind, ist mit seinen wesentlichen Beratungsinhalten zu dokumentieren. Dabei spielt es keine

Rolle, ob diese Dokumentation fortlaufend parallel zum Beratungsgespräch oder abschließend

und zusammenfassend am Ende durchgeführt wird.

Der Kunde erhält so die Möglichkeit,

� nachzuvollziehen, ob seine Auskünfte richtig und vollständig waren,

� bei Bedarf ergänzende oder korrigierende Angaben nachzuliefern,

� zu verstehen, warum die angebotenen Verträge zu seinen Wünschen und zu seinem Bedarf

passen und

� zu erkennen, dass er zum Produktkauf nicht überredet wurde, sondern dies für seine Situa-

tion eine angemessene Entscheidung war.

9.4.11 Struktur der Dokumentation

Die Struktur der Beratungsdokumentation richtet sich nach der Struktur des bislang dargestell-

ten Beratungsgesprächs:

1. Wünsche und Bedürfnisse des Kunden

1.1. Kundenwünsche/Anlass der Beratung

1.2. Kundenbedarf

2. Rat und Begründung

Hinsichtlich des Umfangs gibt es keine Vorschriften.

� Die Dokumentation sollte ein Ergebnis- und kein Verlaufsprotokoll sein, also nicht jeden

einzelnen Diskussionsstand wiedergeben. Das wäre unwirtschaftlich, verwirrend und deut-

lich über das hinausgehend, was das Gesetz verlangt.

� Neben den genannten Inhalten sollte die Dokumentation folgende weitere Inhalte enthal-

ten, die sich in Haftungsfällen als hilfreich erweisen könnten:

Ο Namen und Anschrift der Gesprächsteilnehmer

Ο Ggf. die Erstinformation

Ο Ggf. die Mitteilung zur Beratungsgrundlage

Ο Entscheidung des Kunden, insbesondere wenn sie vom Rat des Maklers abweicht,

und die Gründe, die er hierfür genannt hat

Ο Ort, Datum, Unterschrift des Vermittlers

Ο Kenntnisnahmeerklärung des Kunden

Ο Bei Versicherungsmaklern kann das Protokoll gleichzeitig als Maklervertrag ausge-

staltet werden, wenn nur eine einzelne Versicherung vermittelt werden soll. Dann sind

auch Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, eine Datenschutzerklärung sowie die

Beauftragung des Maklers (Maklerauftrag) zur Vermittlung dieser Versicherung als

Legitimation gegenüber dem Versicherer aufzunehmen.

Page 94: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 93

BPraxistipp

Auch wenn das Gesetz es nicht ausdrücklich vorsieht, ist es empfehlenswert, auch wichtige

Fragen des Kunden zu seinem Bedarf und zu Leistungsmerkmalen der ihm angebotenen Versi-

cherungen und die Antworten darauf zu dokumentieren.

Beispiel

Der Kunde interessiert sich für eine private Krankenvollversicherung und stellt einen Antrag.

Im Beratungsgespräch fragt er den Vermittler, ob er nun die Mitgliedschaft in der gesetzlichen

Krankenkasse kündigen kann. Der Vermittler erläutert ihm, dass er dies erst tun soll, wenn er

eine unwiderrufliche und uneingeschränkte Annahmeerklärung des Krankenversicherers vor-

liegen hat. Der Kunde missachtet diesen Rat und kündigt seine Mitgliedschaft. Unglücklicher-

weise hat er eine Vorerkrankung, wegen der der private Krankenversicherer die Annahme sei-

nes Antrags ablehnt. Auch andere Versicherer lehnen ab, er steht ohne Versicherungsschutz da.

Der Kunde stellt daraufhin Schadenersatzansprüche wegen der nicht ersetzten Krankheitskos-

ten gegen den Vermittler.

Dieses Beispiel zeigt, wie wertvoll eine Dokumentation der Frage des Kunden und der Ant-

wort des Vermittlers sein kann. Denn die Beratungsdokumentation könnte im Streitfall zeigen,

dass der Vermittler den Kunden richtig und sachgerecht beraten hat und der entstandene Scha-

den sogar auf die Missachtung des Rates zurückzuführen ist.27

Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Gesprächssituationen und letzten Endes sehr unter-

schiedlich ergiebige Kunden, gemessen an den Verkaufs- und den Verdienstmöglichkeiten des

Vermittlers. Der Gesetzgeber stellt hier keine unmöglichen Anforderungen, auch entgegen be-

triebswirtschaftlichen Notwendigkeiten übertriebene Befragungen und Dokumentierungen

durchzuführen. Unterscheiden Sie hier

� standardisierbare Verkaufssituationen wie zum Beispiel typische Privatkundenberatungen

und Verkaufsgespräche bei Kleinunternehmen und

� nicht standardisierbare Verkaufssituationen wie zum Beispiel komplexe Beratungen ver-

mögender Privatkunden, außergewöhnliche Beratungssituationen oder Beratungen von

mittelständischen und von Großunternehmen.

9.4.12 Form der Dokumentation

Die Beratungsdokumentation ist dem Kunden klar und verständlich und in Textform zu über-

mitteln (§ 62 Abs. 1 VVG n. F.). Im Hinblick auf das Erfordernis „klar und verständlich“ soll-

ten „Fachchinesisch“, zu kurze und aussagelose oder umgekehrt übertrieben lange und mit De-

tails „vollgestopfte“ Ausführungen vermieden werden.

Die Informationen dürfen auch mündlich übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer

dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer vorläufige Deckung gewährt. Dann müs-

sen die Informationen allerdings „unverzüglich nach Vertragsschluss, spätestens mit dem Ver-

sicherungsschein“ in Textform nachgeliefert werden (§ 62 Abs. 2 VVG n. F.).

27 Vergleiche im Einzelnen unten Abschnitt 9.5, S. 96 ff.

Page 95: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

94 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Hauptanwendungsfall der mündlichen Übermittlung dürfte die telefonisch durchgeführte Be-

ratung sein. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass ein Beratungsverzicht in der Regel

ausscheiden wird. Ausweg ist dann die telefonische Beratung mit anschließendem „Nachrei-

chen“ der Dokumentation.

Bei der Versicherungsvermittlung über das Internet findet in der Regel keine mündliche

Kommunikation statt, sodass die Möglichkeit des Nachlieferns entfällt, es sei denn, dass die

Vermittlung über das Internet durch eine telefonische Beratung begleitet wird.

9.4.13 Zeitpunkt der Übermittlung der Dokumentation

Die Beratungsdokumentation ist dem Kunden vor Abschluss des Vertrages zu übermitteln

(§ 62 Abs. 1 VVG n. F.). Maßgeblich ist also der Abschluss des Vertrags.

Wichtig

Beim bisher noch möglichen Policenmodell reichte es aus, wenn die Beratungsdokumentation

mit der Police dem Kunden zugesandt wurde.

Bei dem modifizierten Antragsmodell ist die Beratungsdokumentation dem Kunden auszuhän-

digen, bevor er die Police erhält.

Beim Invitatiomodell kann die Beratungsdokumentation zusammen mit der Police und dem

Antrag des Versicherers übermittelt werden.

Wenn es darum geht, die zwar gesetzlich nicht vorgeschriebene, aber haftungsmäßig sinnvolle

Unterschrift des Kunden unter die Dokumentation zu erhalten, sollte die Dokumentation be-

reits mit dem Antrag dem Kunden vorgelegt werden.

9.4.14 Dokumentationsverzicht

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass der Kunde entweder auf die Beratung oder auf

die Dokumentation oder auf beides verzichten kann, wenn er dies unter den genannten Vo-

raussetzungen schriftlich erklärt. Ebenso ist deutlich geworden, dass ein Beratungsverzicht im

Vermittlungsalltag die Ausnahme bleiben sollte.

Dies gilt grundsätzlich auch für den Dokumentationsverzicht. Der Versicherungsvermittler

sollte sich darüber im Klaren sein, dass mit dem Dokumentationsverzicht zugleich auch jede

mit einer Dokumentation möglicherweise verbundene Nachweisgelegenheit über Gesprächs-

inhalte verloren geht.

Der Verzicht ist daher in der Regel mit vielen Nachteilen für den Versicherungsvermittler ver-

bunden, da er auch den späteren Nachweis erschwert, dass die Vermittlerpflichten erfüllt wor-

den sind. Versicherungsvertreter riskieren, dass ihr Versicherungsunternehmen Sanktionen er-

greift, wenn es in Zusammenhang mit Beratungsschäden zu Vorwürfen und Schadenersatzfor-

derungen gegen den Versicherer kommt, von denen der Vermittler weder sich noch seinen

Versicherer gerade wegen des Verzichts entlasten kann. Versicherungsmakler riskieren, dass

sie sich gegen Vorwürfe fehlerhafter Beratung und damit gegen Schadenersatzansprüche nicht

wehren können, die unmittelbar von ihnen selbst zu bezahlen sind.

Page 96: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 95

B

Wichtig

Der Vermittler sollte für sich eine Dokumentation anlegen, in der er festhält, welchen Wunsch

der Kunde geäußert hat und wie der Vermittler diesem nachgekommen ist.

Ausnahme „Unternehmererklärung“

Auf die Ausführungen zur Unternehmererklärung oben im Zusammenhang mit dem Bera-

tungsverzicht wird Bezug genommen. Die aus den dort genannten Gründen verwendete Unter-

nehmererklärung wird konsequenterweise auch beinhalten, dass die gesetzlich vorgeschriebe-

ne Dokumentation durch die bewährte Dokumentation des Jahresgesprächs ersetzt wird (§ 61

Abs. 2 VVG n. F.).

Beispiel: Beratungs- und Dokumentationsverzicht

Kundenwunsch

Der Kunde _________ (Name) wünscht ausdrücklich eine ________-Versicherung vom Ver-

sicherungsunternehmen _________ (Name).

Auf eine Beratung und Dokumentation wird ausdrücklich verzichtet.

Hinweis

Herr/Frau _________ (Name) ist darauf hingewiesen worden, dass sich der Beratungsverzicht

nachteilig auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadenersatzanspruch

wegen Verletzung von Beratungs- und Dokumentationspflichten geltend zu machen.

Ort, Datum

Unterschriften: (Vermittler) (Kunde)

Hinweis

Auch wenn der Beratungs- und Dokumentationsverzicht gesetzlich zugelassen ist, bestehen

hinsichtlich der Verwendung vorformulierten Textes generell AGB-rechtliche Bedenken. Es ist

also darauf zu achten, dass ein Verzicht – wenn überhaupt – immer ausdrücklich und individu-

ell mit dem Kunden vereinbart wird.

Page 97: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

96 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B Beispiel: Beratungsdokumentation

Firma

Weber Versicherungsmakler

Hauptstr. 3

44789 Bochum

Beraterin: Annette Weber

Kunde: Arndt Remagen

Adresse privat: Adresse geschäftlich:

Kohlenstr. 22 Kohlenstr. 24

44789 Bochum 44789 Bochum

Das Beratungsgespräch fand statt am 05.10.2008 von 10 Uhr bis 11 Uhr in den Privaträumen

des Kunden unter der Adresse: Kohlenstr. 22, 44789 Bochum.

Teilnehmer auf Kundenseite war: Arndt Remagen. Die Beratung wurde durchgeführt von:

Annette Weber.

1. Wünsche und Bedürfnisse des Kunden

1.1. Kundenwünsche/Anlass der Beratung: Die Gesprächsinitiative ging vom Kunden

aus. Der Kunde wünscht eine Gebäudeversicherung.

1.2 Bedarf: Der Kundenbedarf ergibt sich aus der beiliegenden Risikoanalyse Gebäu-

deversicherung.

2. Rat und Begründung

Empfohlen wird der Abschluss einer Gebäudeversicherung Tarif Komfort bei der Proxi-

mus Versicherung AG. Der Kunde wünscht ausdrücklich dieses Produkt und diesen Ver-

sicherer, weil er nach eigenen Angaben mit dem Versicherer bisher schon sehr gute Er-

fahrungen gemacht hat.

3. Beschränkung der Beratungsgrundlage:

Der Rat stützt sich nicht auf eine ausgewogene Marktuntersuchung, sondern auf eine ein-

geschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl. Im Einzelnen wurden die Produkte fol-

gender Versicherer berücksichtigt: Auf Kundenwunsch nur Proximus Versicherung AG.

Bochum, den 05.10.2009 ________________________________ (Annette Weber, Weber Versicherungsmakler)

Beratungsdokumentation erhalten und zur

Kenntnis genommen.

Bochum, den 05.10.2009 ___________________________

(Arndt Remagen)

9.5 Schadenersatzpflicht

Gem. § 63 VVG n. F. sind Versicherungsvermittler zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der

dem Versicherungsnehmer durch eine Verletzung einer Informations-, Beratungs- und/oder

Dokumentationspflicht nach §§ 60 oder 61 VVG n. F. entsteht.

Page 98: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 97

B9.5.1 Versicherungsmakler

Für Versicherungsmakler bringt die neue Haftungsvorschrift aufgrund ihrer ohnehin schon be-

stehenden umfassenden Sachwalterhaftung keine neuen materiellen Haftungstatbestände.

Das Recht des Versicherungsmaklers ist weitgehend durch die Rechtsprechung des Bundesge-

richtshofs geprägt. Dieser hat mit dem sogenannten Sachwalterurteil (BGH vom 22.5.1985, IV

ZR 190/83) die wesentlichen Grundlagen für die rechtliche Einordnung des Versicherungs-

maklers prägnant zusammengefasst. Die Entscheidung bestimmt bis heute die Rechtsprechung

der Instanzgerichte.

Der Versicherungsmakler ist mit dem Versicherungsnehmer über einen Geschäftsbesorgungs-

auftrag vertraglich verbunden und wird deshalb als sein Interessenvertreter angesehen. Der

BGH bezeichnet den Versicherungsmakler als den „treuhänderähnlichen Sachwalter“ seiner

Kunden.

Je nach Umfang des Maklerauftrags hat er

� einzelne oder alle Risiken des Versicherungsnehmers zu analysieren,

� den ggf. vorhandenen Versicherungsschutz zu überprüfen,

� für neu abzuschließende Versicherungsverträge den Markt zu befragen und die in Betracht

kommenden Anbieter auf Kompetenz und Zahlungsfähigkeit im Hinblick auf die abzu-

schließenden Versicherungsverträge zu überprüfen,

� die angebotenen Versicherungsschutzlösungen im Hinblick auf ihre Geeignetheit für die

beim Kunden vorgefundene Risikosituation zu untersuchen,

� beim Abschluss eines Versicherungsvertrags die Dokumentierung zu überwachen,

� im weiteren Verlauf den Vertrag zu betreuen,

� im Schadenfall für sachgerechte Schadenanzeige zu sorgen,

� bei der Schadenregulierung die Interessen des Versicherungsnehmers zu vertreten.

Die schuldhafte Verletzung einer dieser Pflichten kann Schadenersatzansprüche des Kunden

aus dem mit dem Versicherungsmakler geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag auslösen.

Die neue Haftungsnorm des § 63 VVG n. F. tritt neben (!) die weiterhin bestehende „Sachwal-

terhaftung“ des Versicherungsmaklers. Schadenersatzansprüche wegen etwaiger Verletzung

vertraglicher Pflichten können zusätzlich auf die neue Norm gestützt werden. Eine Verschär-

fung des Haftungsrechts ist damit nicht verbunden.

Dennoch wird die neue Norm an prominenter Stelle im Vermittlerrecht dazu führen, dass das

Thema Haftung zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten wird, sodass perspekti-

visch mit einer deutlichen Steigerung der Haftungsfälle zu rechnen ist.

Page 99: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

98 Vorschriften für alle Versicherungszweige

B 9.5.2 Scheinmakler

Versicherungsvermittler, die sich am Markt wie Versicherungsmakler gerieren, haften bisher

meist schon wie Versicherungsmakler.28 Durch die Kombinationswirkung der §§ 59 Abs. 3

Satz 2 VVG n. F. (Scheinmakler) und 60 VVG n. F. (Schadensersatzpflicht) werden sich hier

noch deutlich mehr als bei den Versicherungsmaklern selbst zukünftig die Schadensfälle häu-

fen.

Scheinmakler sollten sich im Übrigen auch des Problems bewusst sein, das entsteht, wenn die

Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung die Scheinmaklertätigkeit nicht abdeckt!

9.5.3 Ausschließlichkeitsvertreter

Abgesehen von der Scheinmaklerhaftung, der sich auch Ausschließlichkeitsvertreter aussetzen

können, haften Versicherungsvertreter nur in ganz seltenen Ausnahmefällen für etwaige Bera-

tungsfehler selbst. In der Regel haftet das vertretene Versicherungsunternehmen für Fehler ih-

res Vertreters.

Die Vorschrift des § 63 VVG n. F. bedeutet für Versicherungsvertreter nun eine neue, eigen-

ständige Haftungsnorm, die bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen eine persönliche Haftung

anordnet. Dabei löst jede zu vertretene Verletzung der Informations-, Beratungs- und/oder

Dokumentationspflicht nach §§ 60 oder 61 VVG n. F. (originäre, eigenständige Vermittler-

pflichten!), die beim Versicherungsnehmer zu einem Schaden geführt hat, eine Schadenersatz-

verpflichtung aus.

9.5.4 Mehrfachvertreter

Bei Mehrfachagenten sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Während der Phase ihrer Tä-

tigkeit, in der sie den Kunden ohne Bezug und ohne Vertragsanbahnung zu einem konkreten

Versicherungsunternehmen beraten, ist ihre Tätigkeit der eines Versicherungsmaklers ähnlich.

Beratungsfehler werden mangels Zuordnung zu einem bestimmten Versicherer im Zweifel ih-

nen selbst zugeordnet. Ist eine konkrete Vertragsanbahnung mit einem Versicherer begonnen,

wird eine Haftung des Versicherers für die Pflichtverletzungen in Betracht kommen, die nach

diesem Zeitpunkt begangen wurden. Stellt der Mehrfachagent im Verhältnis zum Kunden sei-

ne Mehrfachagententätigkeit nicht hinreichend deutlich heraus, kann neben die Haftung des

Versicherungsunternehmens die Scheinmaklerhaftung des Mehrfachagenten selbst treten.

Die Vorschrift des § 63 VVG n. F. bedeutet für Mehrfachvertreter also nur insoweit eine neue,

eigenständige Haftungsnorm mit der Folge der persönlichen Haftung, als sie nach den darge-

stellten Grundsätzen nicht ohnehin schon selbst haften.

9.6 Ausnahmen

Die Vorschriften über die Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten der §§ 59

bis 68 VVG n. F. gelten nicht für die Vermittlung von Versicherungsverträgen über Großrisi-

ken im Sinne des Artikels 10 Abs. 1 Satz 2 EGVVG und nicht für Versicherungsvermittler im

Sinne des § 34d Abs. 9 Gero (§§ 65, 66 VVG n. F.).

28 Siehe dazu bereits oben S. 72 und 76.

Page 100: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsvermittler 99

B9.7 Vertretungsmacht

Die Vorschriften über die gesetzliche Vertretungsmacht der Versicherungsvertreter (§§ 69 –

73) sind wie bisher sowohl auf Abschluss- wie auch auf Vermittlungsvertreter anzuwenden.

Die zum Teil neugefassten Vorschriften kodifizieren nun die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung

des Bundesgerichtshofs.

Page 101: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

C Vorschriften für die Schadensversicherung

1 Allgemeine Vorschriften

Die allgemeinen Vorschriften für die Schadensversicherung sind nun in den §§ 74 – 87

VVG n. F. geregelt.

1.1 Über- und Unterversicherung

Im Falle einer Überversicherung, bei der die Versicherungssumme den Wert des versicherten

Interesses (Versicherungswert) erheblich übersteigt, können sowohl der Versicherer wie auch

der Versicherungsnehmer wie bisher die Herabsetzung der Versicherungssumme auf den Ver-

sicherungswert verlangen. Die Prämie wird dann mit sofortiger Wirkung entsprechend herab-

gesetzt (§ 74 Abs. 1 VVG n. F.). Eine erhebliche Überversicherung liegt in der Regel vor,

wenn sie 10 Prozent der Versicherungssumme übersteigt.

Hat der Versicherungsnehmer die Überversicherung beabsichtigt, um sich einen rechtswidri-

gen Vorteil daraus zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig. Der Versicherer hat dennoch gegen

den Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung der Prämie bis zu dem Zeitpunkt, an

dem er von den Umständen Kenntnis erlangt, die die Nichtigkeit des Vertrages begründen

(§ 74 Abs. 2 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht schuldet der Versicherungs-

nehmer nicht mehr die volle Jahresprämie. Dass der Versicherungsnehmer überhaupt eine

Prämie bezahlen muss, obwohl er wegen der Nichtigkeit des Vertrages keinen Versicherungs-

schutz hatte, ist gerechtfertigt, weil sonst der Versuch des Versicherungsnehmers, sich einen

rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, folgenlos bliebe.

Im Falle einer Unterversicherung, bei der die Versicherungssumme erheblich niedriger ist als

der Versicherungswert, ist der Versicherer im Schadenfall wie bisher nur insoweit zur Leis-

tung verpflichtet, wie es dem Verhältnis der Versicherungssumme zum Versicherungswert

entspricht (§ 75 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht kann der Versicherer den

Einwand der Unterversicherung nur erheben, wenn sie erheblich, also in der Regel größer als

10 Prozent ist.

1.2 Mehrfachversicherung

Ist ein Interesse bei mehreren Versicherern gegen dieselbe Gefahr versichert, muss der Versi-

cherungsnehmer diesen Umstand wie bisher den jeweiligen Versicherern unter Angabe des

Namens des oder der anderen Versicherer und der Versicherungssumme anzeigen (§ 77 VVG

n. F.).

Übersteigen die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert, haften die Versi-

cherer als Gesamtschuldner mit ihren jeweils vertraglichen Leistungen – insgesamt aber nur

bis zur Höhe des Schadens des Versicherungsnehmers (§ 78 Abs. 1 VVG n. F.) – und sind ein-

ander entsprechend ihrer Leistungsverpflichtungen zum Ausgleich verpflichtet (§ 78 Abs. 2

VVG n. F.).

Hat der Versicherungsnehmer die Mehrfachversicherung mit der Absicht herbeigeführt, sich

einen rechtswidrigen Vorteil daraus zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig. Der Versicherer

Page 102: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 101

Chat dennoch gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung der Prämie bis zu

dem Zeitpunkt, an dem er von den Umständen Kenntnis erlangt, die die Nichtigkeit des Ver-

trages begründen (§ 78 Abs. 3 VVG n. F.)

Die Regelung des § 78 VVG n. F. stimmt im Wesentlichen mit dem bisherigen Recht überein.

Der Begriff der Doppelversicherung ist aber durch den präziseren Begriff der Mehrfachversi-

cherung ersetzt worden. Auf ein allgemeines Bereicherungsverbot wird bisher verzichtet.

Wenn der Versicherungsnehmer mit dem Abschluss eines Vertrages ohne sein Wissen eine

Mehrfachversicherung herbeigeführt hat, kann er wie bisher verlangen, dass der später abge-

schlossene Vertrag aufgehoben oder reduziert wird. Die Änderungen werden sofort wirksam

und nicht mehr wie bisher zum Ablauf der Versicherungsperiode.

1.3 Fehlendes versichertes Interesse

Fehlt das versicherte Interesse bei Beginn der Versicherung, ist der Versicherungsnehmer wie

bisher nicht zur Zahlung der Prämie verpflichtet (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Der Versi-

cherer kann aber eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen (§ 80 Abs. 1 Satz 2

VVG n. F.).

Fällt das versicherte Interesse später weg, muss der Versicherungsnehmer die Prämie nur bis

zu dem Zeitpunkt zahlen, an dem der Versicherer von dem Wegfall erfährt (§ 80 Abs. 2

VVG n. F.).

Wenn der Versicherungsnehmer ein nicht bestehendes Interesse mit der Absicht versichert,

sich einen rechtswidrigen Vorteil daraus zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig. Der Versiche-

rer hat gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung der Prämie bis zu dem

Zeitpunkt, an dem er von den Umständen Kenntnis erlangt, die die Nichtigkeit des Vertrages

begründen (§ 80 Abs. 3 VVG n. F.).

1.4 Herbeiführung des Versicherungsfalls

Wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt, ist der Versi-

cherer wie bisher nicht zur Leistung verpflichtet (§ 81 Abs. 1 VVG n. F.).

Beispiel

Der Versicherungsnehmer versenkt sein Kraftfahrzeug, um Liquidität zu erhalten.

Wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, ist der

Versicherer – im Unterschied zum bisherigen Recht – nur insoweit zur Leistung verpflichtet,

als es der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entspricht (§ 81 Abs. 2

VVG n. F.).

Hier wird also wie bei grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzungen oder Gefahrerhöhungen

das bisherige Alles-oder-nichts-Prinzip durch das neue Quotelungsverfahren ersetzt, das den

Schutzinteressen des Versicherungsnehmers Rechnung tragen und zu mehr Einzelfallgerech-

tigkeit führen soll.

Page 103: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

102 Vorschriften für die Schadensversicherung

C

Beispiel

Versicherungsnehmer lässt eine brennende Kerze unbeaufsichtigt zurück.

Versicherungsnehmer verlässt die Wohnung, ohne die Fenster im EG zu schließen.

Versicherungsnehmer raucht im Bett und schläft ein.

Die Beweislast für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit und für die Schwere des Verschuldens

bei grober Fahrlässigkeit liegt beim Versicherer.

In der Praxis wird die Anwendung der neuen Vorschriften erfordern, dass zunächst festgestellt

wird, ob grobe Fahrlässigkeit vorgelegen hat. Erst dann stellt sich die Frage nach der Schwere

der Schuld.

Je nach Fallgestaltung kann es vorkommen, dass ein Sachverhalt zugleich mehrere grob fahr-

lässige Verstöße gegen verschiedene Obliegenheiten auslöst. Dann kann es zu einer mehrfa-

chen Quotelung kommen.

Noch ungeklärt ist, ob die Quotelung im Einzelfall bei besonders schwerem Verschulden zu

vollständiger Leistungsfreiheit führen kann.

1.5 Schadenabwehr- und Minderungspflicht

Bei Eintritt eines Versicherungsfalls ist der Versicherungsnehmer wie bisher verpflichtet, nach

Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen (§ 82 Abs. 1

VVG n. F.). Es bleibt also dabei, dass die Rettungsobliegenheit in der Schadensversicherung

allgemein erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls entsteht und sich nicht auf den Zeit-

punkt vorerstreckt, an dem der Versicherungsfall unmittelbar bevorsteht (anders in der Sach-

versicherung, vgl. § 90 VVG n. F.).

Dabei hat der Versicherungsnehmer wie bisher Weisungen des Versicherers zu befolgen sowie

Weisungen einzuholen, wenn dies nach den Umständen möglich ist (§ 82 Abs. 2 Satz 1

VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht gilt dies nunmehr aber nur, wenn es dem

Versicherungsnehmer auch zumutbar ist, die Weisungen des Versicherers zu befolgen bzw.

Weisungen einzuholen.

Beispiel

Versicherer erteilt im Rahmen einer Kraftfahrtkaskoversicherung die Weisung, das beschädigte

Fahrzeug des Versicherungsnehmers in einer bestimmten Werkstatt zu reparieren, die keine

Vertragswerkstatt des Kraftfahrzeugherstellers ist, und gefährdet dadurch die Werksgarantie

des Versicherungsnehmers.

Verletzt der Versicherungsnehmer seine Schadenabwehr- und Minderungspflicht vorsätzlich

oder verstößt der Versicherungsnehmer vorsätzlich gegen zumutbare Weisungen des Versiche-

rers, wird der Versicherer leistungsfrei (§ 82 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.).

Verletzt der Versicherungsnehmer seine Schadenabwehr- und Minderungspflicht grob fahrläs-

sig oder verstößt der Versicherungsnehmer grob fahrlässig gegen zumutbare Weisungen des

Versicherers, kann der der Versicherer seine Leistung entsprechend der Schwere des Ver-

schuldens des Versicherungsnehmers kürzen (§ 82 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Im Unterschied

Page 104: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Allgemeine Vorschriften 103

Czum bisherigen Recht wird im Bereich der groben Fahrlässigkeit das Alles-oder-nichts-Prinzip

durch das neue Quotelungsverfahren ersetzt.

Der Versicherer muss Vorsatz beweisen, grobe Fahrlässigkeit wird vermutet (§ 82 Abs. 3 Satz

2 VVG n. F.). Für die Schwere des Verschuldens ist der Versicherer beweispflichtig.

Entsprechend dem neuen System der Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen bleibt

der Versicherer auch bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Rettungsobliegenheitsver-

letzung zur Leistung verpflichtet, wenn die Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des

Versicherungsfalls oder für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht nicht ur-

sächlich war, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat arglistig gehandelt (§ 82 Abs. 4

VVG n. F.). Die Beweislast für die fehlende Kausalität der Obliegenheitsverletzung liegt beim

Versicherungsnehmer (Kausalitätsgegenbeweis).

1.6 Aufwendungsersatz und Schadenermittlungskosten

Wie bisher hat der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die

er im Rahmen seiner Schadenabwehr- und Minderungspflicht bei Eintritt des Versicherungs-

falls den Umständen nach für geboten halten durfte (Rettungskosten, § 83 Abs. 1 Satz 1

VVG n. F.).

Im Unterschied zum bisherigen Recht darf der Versicherer aber seine Leistung im Falle einer

Quotelung entsprechend kürzen (§ 83 Abs. 2 VVG n. F.). Das heißt, dass im Falle teilweiser

Leistungsfreiheit (§ 82 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.) auch der Aufwendungsersatz entsprechend

gekürzt werden darf. Entsprechendes gilt auch für die Schadenermittlungskosten (§ 85 Abs. 3

VVG n. F.).

1.7 Übergang von Ersatzansprüchen

In den Fällen, in denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat und

dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten einen Ersatzanspruch zusteht, geht dieser ge-

gen den Dritten wie bisher auf den Versicherer über (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.).

Nach bisherigem Recht war es dem Versicherungsnehmer untersagt, den Ersatzanspruch oder

ein zur Sicherung des Anspruchs dienendes Recht aufzugeben (Aufgabeverbot). Nunmehr

wird stattdessen eine Obliegenheit zur Sicherung des Ersatzanspruchs und zur Mitwirkung bei

dessen Durchsetzung eingeführt (§ 86 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Dadurch wird dem Interesse

des Versicherer Rechnung getragen, sich wegen seiner dem Versicherungsnehmer erbrachten

Leistung bei dem ersatzpflichtigen Dritten schadlos zu halten.

Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, wird der Versicherer leis-

tungsfrei, wenn er wegen der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers keinen Er-

satz vom Dritten erhält (§ 86 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).

Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit grob fahrlässig, ist der Versicherer be-

rechtigt, seine Leistung entsprechend der Schwere der Schuld des Versicherungsnehmers zu

kürzen (§ 86 Abs. 2 Satz 3 VVG n. F.).

Der Versicherer muss Vorsatz beweisen, grobe Fahrlässigkeit wird vermutet (§ 82 Abs. 3 Satz

2 VVG n. F.). Für die Schwere des Verschuldens ist der Versicherer beweispflichtig.

Wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person richtet, mit der er

bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang des Ersatzan-

Page 105: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

104 Vorschriften für die Schadensversicherung

C spruches gegen diese Person – soweit diese den Schaden nicht vorsätzlich verursacht hat – auf

den Versicherer von diesem nicht geltend gemacht werden (§ 86 Abs. 3 VVG n. F.). Damit

wird das bisher geltende sogenannte Familienprivileg auf alle Personen erweitert, mit denen

der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Schadeneintritts in häuslicher Gemeinschaft lebt.

2 Sachversicherung

Die allgemeinen Vorschriften für die Sachversicherung sind nun in den §§ 88 bis 99

VVG n. F. geregelt. Hier finden sich insgesamt nur geringfügige Änderungen.

2.1 Versicherungswert

Als Versicherungswert gilt in der Sachversicherung der Betrag, den der Versicherungsnehmer

zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstel-

lung der versicherten Sache in neuwertigem Zustand unter Abzug eines altersbedingten Min-

derwertes aufzuwenden hat, soweit nichts anderes vereinbart wird (§ 88 VVG n. F.). Diese

Vorschrift bestimmt nunmehr – unter Anlehnung an die bisherigen Vorschriften für die Feuer-

versicherung (§§ 86, 88 VVG) – als Versicherungswert für den gesamten Bereich der Sachver-

sicherung den Zeitwert.

Abweichende vertragliche Regelungen z. B. über heute in der Praxis fast übliche Neuwertver-

sicherung, bei der kein Abzug neu für alt erfolgt, bleiben ausdrücklich vorbehalten („soweit

nicht anderes vereinbart“).

2.2 Versicherung für Inbegriff von Sachen

Ist eine Versicherung für einen Inbegriff von Sachen genommen, umfasst sie wie bisher je-

weils die dem Inbegriff zugehörigen Sachen (§ 89 Abs. 1 VVG n. F.).

Hinweis

Unter einem Inbegriff versteht man die Gesamtheit von Sachen, die in einem räumlichen Zu-

sammenhang stehen und durch Zuordnung zu einem bestimmten Zweck miteinander verbun-

den sind, z. B. Hausrat.

Die Inbegriffsversicherung erstreckt sich auf die Sachen der Personen, mit denen der Versi-

cherungsnehmer bei Schadeneintritt in häuslicher Gemeinschaft lebt oder die bei Schadenein-

tritt für den Versicherungsnehmer am Versicherungsort einen Dienst erledigen (§ 89 Abs. 2

Satz 1 VVG n. F.). Damit wird die Inbegriffsversicherung im neuen Recht auf die Sachen Drit-

ter erweitert, bei denen die Voraussetzungen des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder des

Dienstverhältnisses vorliegen.

2.3 Erweiterter Aufwendungsersatz

Wenn der Versicherungsnehmer zur Abwendung eines unmittelbar bevorstehenden Versiche-

rungsfalls oder zur Minderung in seinen Auswirkungen Aufwendungen macht, hat er nunmehr

auch für diesen Fall einen Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 90 VVG n. F.).

Page 106: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Sachversicherung 105

CBeispiel

Versicherungsnehmer vermeidet einen Zusammenstoß seines Kraftfahrzeuges mit Haarwild

und beschädigt dabei sein Fahrzeug.

Diese Vorschrift ist neu und kodifiziert für die gesamte Sachversicherung die von der Recht-

sprechung entwickelte sogenannte „Vorerstreckungstheorie“, nach der dem Versicherungs-

nehmer Aufwendungen für die Abwendung eines unmittelbar bevorstehenden Schadenfalls er-

setzt werden. Die neue Regelung hat das Ziel, den Eintritt von Schäden möglichst zu verhin-

dern. Die Vorerstreckung gilt aber nur in der Sachversicherung und wirkt auch nur im Hin-

blick auf die Verpflichtung des Versicherers zum Aufwendungsersatz. Eine Vorverlegung der

Rettungsobliegenheit gem. § 82 VVG n. F. soll damit ausdrücklich nicht verbunden sein.

2.4 Verzinsung der Entschädigung

Ist der Versicherer zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, muss der Versicherer die

Entschädigung nach Ablauf eines Monats seit Anzeige des Versicherungsfalls mit vier Prozent

verzinsen, soweit der Versicherer nicht aus andern Rechtsgründen zu höheren Zinsen ver-

pflichtet ist (§91 Satz 1 VVG n. F.). Damit wird die Verzinsungspflicht, die bisher nur für die

Feuerversicherung galt (§ 94 VVG), auf die gesamte Sachversicherung erweitert.

Solange der Schaden wegen Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht festgestellt werden

kann, bleibt der Lauf der Frist allerdings gehemmt (§ 91 Satz 2 VVG n. F.).

2.5 Kündigung nach Versicherungsfall

Nach Eintritt eines Versicherungsfalls können sowohl der Versicherungsnehmer als auch der

Versicherer das Versicherungsverhältnis kündigen (§ 92 Abs. 1 VVG n. F.) Die Kündigung ist

nur bis zum Ablauf eine Monats nach Abschluss der Verhandlungen über die Entschädigung

zulässig, wobei der Versicherer eine Frist von einem Monat einzuhalten hat (§ 92 Abs. 2

VVG n. F.).

Das bisher nur für die Feuerversicherung (§ 96 VVG) geltende Sonderkündigungsrecht wird

damit auf die gesamte Sachversicherung erweitert. Dies ist interessengerecht, weil bei Sach-

versicherungen generell ein Bedürfnis der Vertragsparteien besteht, nach einem Schadenfall

das Versicherungsverhältnis zu beenden.

2.6 Wiederherstellung und -beschaffung

Wenn in dem Versicherungsvertrag eine Wiederherstellungsklausel vereinbart ist, nach der der

Versicherer nur bei Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache ver-

pflichtet ist, einen Teil der Entschädigung zu leisten, kann der Versicherungsnehmer die Leis-

tung über den Zeitwert hinaus nur verlangen, wenn die Wiederherstellung oder die Wiederbe-

schaffung gesichert ist (§ 93 Satz 1 VVG n. F.). Die bisher nur für die Gebäudeversicherung

geltende Vorschrift des § 97 VVG gilt damit inhaltlich nunmehr für alle Sachversicherungen.

Eine tatsächliche Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung ist nicht erforderlich.

Neu ist die Rückzahlungsverpflichtung des Versicherungsnehmers bei Nichtwiederherstellung.

Über den Zeitwert hinausgehende Zahlungen des Versicherers muss der Versicherungsnehmer

Page 107: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

106 Vorschriften für die Schadensversicherung

C dann zurückzahlen, wenn er seiner Wiederherstellung- oder Wiederbeschaffungspflicht nicht

in angemessener Zeit nachgekommen ist (§ 93 Satz 2 VVG n. F.). Eine Zahlung des Versiche-

rers an den Versicherungsnehmer ohne Sicherstellung der Wiederherstellung oder Wiederbe-

schaffung ist einem Hypothekengläubiger oder einem anderen Grundpfandrechtsgläubiger ge-

genüber nur wirksam, wenn dies mit dem Hypothekengläubiger oder dem anderen Grund-

pfandrechtsgläubiger abgestimmt ist (§ 94 VVG n. F.).

In der Sachversicherung wird der Versicherungswert vielfach als Neuwert vereinbart, so dass

der Versicherer im Schadenfall verpflichtet ist, ggfs. eine höhere Entschädigung als den Zeit-

wert zu leisten. Deshalb werden in solchen Fällen regelmäßig Wiederherstellungsklauseln ver-

einbart.

2.7 Veräußerung der versicherten Sache

Wenn die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert wird, tritt wie bisher der

Erwerber anstelle des Versicherungsnehmers in die sich aus dem Versicherungsvertrag erge-

benden Rechte und Pflichten ein (§ 95 Abs. 1 VVG n. F.). Diese Regelung entspricht inhalt-

lich und im Wesentlichen unverändert der bisherigen Vorschrift des § 69 VVG.

Der Versicherer kann im Falle einer Veräußerung innerhalb eines Monats ab seiner Kenntnis

von der Veräußerung der versicherten Sache dem Erwerber das Versicherungsverhältnis mit

einer Frist von einem Monat kündigen (§ 96 Abs. 2 VVG n. F.).

Der Erwerber kann demgegenüber innerhalb eines Monats nach Erwerb der versicherten Sache

oder innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Versicherung der versicherten Sache den

Versicherungsvertrag kündigen (§ 96 Abs. 2 VVG n. F.)

Bei Kündigung des Versicherungsverhältnisses ist der Veräußerer zur Zahlung der Prämie

verpflichtet. Der Erwerber haftet nicht für die Prämie (§ 96 Abs. 3 VVG n. F.).

Die Regelung der Kündigungsrechte entsprechen im Wesentlichen der bisherigen Vorschrift

des § 70 VVG. § 96 Abs. 3 weicht insofern vom bisherigen Recht ab, als die Vorschrift den

Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie berücksichtigt.

Veräußerer und Erwerber sind verpflichtet, die Veräußerung unverzüglich anzuzeigen (§ 97

Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht trifft die Obliegenheit, die

Veräußerung anzuzeigen, nunmehr auch ausdrücklich den Erwerber.

Ist die Anzeige der Veräußerung nicht erfolgt, wird der Versicherer leistungsfrei, wenn der

Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt erfolgt, an dem die Anzeige hät-

te erfolgt sein müssen (§ 97 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Neu ist, dass der Versicherer – etwa

durch Offenlegung seiner Annahmerichtlinien – zusätzlich darlegen muss, dass er den Vertrag,

den er mit dem Veräußerer geschlossen hatte, so mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte.

2.8 Zwangsversteigerung, Erwerb eines Nutzungsrechts

Die neuen Vorschriften über die Veräußerung der versicherten Sache sind entsprechend anzu-

wenden, wenn das Eigentum an der versicherten Sache im Wege der Zwangsvollstreckung

übergeht oder ein Dritter aufgrund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines

ähnlichen Verhältnisses die Berechtigung erwirbt, versicherte Bodenerzeugnisse zu beziehen

(§ 99 VVG n. F.). Die Vorschrift erweitert die bisherige Regelung des § 73 VVG auf den

Übergang des Fruchtziehungsrechts auf einen Dritten.

Page 108: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

D Einzelne Versicherungszweige

Nachfolgend werden die wichtigsten Veränderungen in den einzelnen Versicherungszweigen

dargestellt, wobei sich die Darstellung im Wesentlichen an der Systematik des Gesetzes orien-

tiert.

1 Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.

Für die Haftpflichtversicherung hat sich durch die VVG-Reform einiges geändert. Dies betrifft

nicht nur diejenigen Versicherungsverträge, zu deren Abschluss der Versicherungsnehmer

verpflichtet ist (sog. Pflichtversicherungen), sondern auch sämtliche auf freiwilliger Basis ab-

geschlossene Haftpflichtversicherungsverträge.

1.1 Allgemeine Vorschriften

Die allgemeinen Vorschriften der Haftpflichtversicherung werden in den §§ 100 – 112 VVG

n. F. behandelt. Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen kleinen Überblick über die neu-

en Vorschriften ermöglichen.

1.1.1 Allgemeine Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers

Gem. § 100 VVG n. F. hat der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer einen Freistel-

lungsanspruch. Das ist inhaltlich allerdings nichts Neues. Der Wortlaut des § 149 VVG a. F.

soll an die in der Praxis aufgrund der AHB übliche Leistungspflicht des Versicherers ange-

passt werden. Die Vorschrift tritt demzufolge an die Stelle des bisher in § 149 VVG a. F. gere-

gelten Anspruchs.29 In Anlehnung an die bisherige in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AHB getroffene Rege-

lung wird klargestellt, dass der Versicherer auch die Haftpflichtfrage an sich überprüfen und

unberechtigte Ansprüche abwehren muss. Auch dies ist in der Sache nichts Neues, denn hierzu

war der Haftpflichtversicherer bereits nach dem bis zum 31.12.2007 geltenden Recht ver-

pflichtet. 30

§ 100 VVG n. F. enthält jedoch bewusst keine Definition des Versicherungsfalls, da dieser ge-

rade in der Haftpflichtversicherung sehr unterschiedlich definiert ist. So wird z. B. zwischen

� dem Schadensereignis,

� dem Rechtsverstoß,

� dem Planungsfehler,

� dem Inverkehrbringen eines Produkts,

� der erstmaligen Feststellung des Schadens

� oder auch der Anspruchserhebung unterschieden.31

29 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85, linke Spalte. 30 Vgl. BGHZ 15, 154; Johannsen in Versicherungsrechtshandbuch, § 24, Rz. 10 m.w.N.; Prölss/Martin – Voit/Knappmann

§ 149, Rz. 4. 31 Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 149, Rz. 12.

Page 109: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

108 Einzelne Versicherungszweige

D All dies bleibt auch in Zukunft möglich, die §§ 100 ff. VVG n. F. verwenden den Begriff des

Schadensereignisses in einem umfassenden Sinne, der alle Versicherungsfälle in den unter-

schiedlichen Arten der Haftpflichtversicherung erfassen soll.32

§ 101 VVG n. F. stellt klar, dass die Haftpflichtversicherung auch die gerichtlichen und außer-

gerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der durch einen Dritten geltend gemachten An-

sprüche entstehen, umfasst, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten

ist.

Ferner umfasst die Haftpflichtversicherung die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten

Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, wel-

che die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge ha-

ben könnte. Dabei muss der Versicherer die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers

vorschießen. An dieser Regelung ändert sich auch dann nichts, wenn die oben aufgeführten

Kosten zusammen mit den Aufwendungen, die der Versicherer zur Freistellung des Versiche-

rungsnehmers erbringen musste, die vereinbarte Versicherungssumme übersteigen.

Dies gilt auch für die Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer ver-

anlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet.

In § 101 Abs. 3 VVG n. F. wird klargestellt, dass der Versicherer auch eine etwaig zu erbrin-

gende Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus ei-

ner gerichtlichen Entscheidung bewirken muss. Diese Verpflichtung besteht grundsätzlich nur

bis zum Betrag der Versicherungssumme, es sei denn, der Versicherer ist nach

§ 101 Abs. 2 VVG n. F. über diesen Betrag hinaus verpflichtet, dann tritt der Versicherungs-

summe der Mehrbetrag hinzu. Keine Verpflichtung, eine Sicherheitsleistung oder Hinterle-

gung zu bewirken, besteht dann, wenn der Versicherer den Anspruch des Dritten dem Versi-

cherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt. Die Regelung ist sachlich unverändert

und bringt gegenüber § 150 Abs. 3 VVG nichts Neues.33

Der bisherige § 150 Abs. 1 S. 2 VVG ist wegen der Neufassung des § 100 VVG n. F. entbehr-

lich.

1.1.2 Betriebshaftpflichtversicherung

Die Betriebshaftpflichtversicherung ist zukünftig in § 102 VVG n. F. geregelt.

Die bisherige Regelung des § 151 VVG wird gem. § 102 Abs. 1 VVG n. F. auf alle Arbeit-

nehmer sowie die Mitglieder des Leitungsorgans des Unternehmens erstreckt, wie dies bisher

schon in den verwendeten AVB geschehen ist.34

§ 102 Abs. 2 VVG n. F. stimmt mit dem bisherigen § 151 Abs. 2 VVG überein. Wird das Un-

ternehmen – der Gesetzgeber hat sich im Hinblick auf die Terminologie des HGB für den Beg-

riff des Unternehmens statt des Betriebs entschieden – veräußert oder auf Grund eines Nieß-

brauchs, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernom-

men, so tritt der Dritte anstelle des Versicherungsnehmers in die während der Dauer seiner Be-

rechtigung sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Der

Betrieb oder mehrere organisatorisch verbundene Betriebe können demselben Unternehmen

dienen.35 In Abgrenzung zur Privathaftpflichtversicherung ist immer ein innerer ursächlicher

32 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85, linke Spalte. 33 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85; vgl. zur alten Regelung des § 150 III VVG Prölss/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2,

§ 150, Rz. 15. 34 Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 151, Rz. 10, 11. 35 Vgl. Römer/Langheid – Langheid VVG, 2. Auflage, § 151, Rz. 1.

Page 110: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. 109

DZusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb erforderlich, so dass ein lediglich gelegentlich des

Geschäftsbetriebes eintretender Haftpflichtumstand nicht versichert ist.36

Eine sachliche Änderung ergibt sich aus der Verweisung auf § 97 VVG n. F., der gegenüber

dem bisherigen § 71 Abs. 1 S. 2 VVG geändert wird. Nach § 97 Abs. 1 VVG n. F. kann sich

der Versicherer bei unterlassener Anzeige der Übertragung des Unternehmens nur dann mit

Erfolg auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er nachweist, dass er den mit dem Veräußerer be-

stehenden Haftpflichtversicherungsvertrag mit dem Erwerber des Unternehmens nicht ge-

schlossen hätte.

1.1.3 Rentenanspruch

Ist der Versicherungsnehmer dem Dritten zur Zahlung einer Rente verpflichtet, so ist der Ver-

sicherer gem. § 107 Abs. 1 VVG n. F. nur zur Zahlung eines verhältnismäßigen Teils der Ren-

te verpflichtet, wenn die Versicherungssumme den Kapitalwert der Rente nicht erreicht.

Nach § 107 Abs. 2 VVG n. F. erstreckt sich die Verpflichtung des Versicherers auch auf die

Leistung der Sicherheit, wenn der Versicherungsnehmer für die von ihm geschuldete Rente

dem Dritten kraft Gesetzes Sicherheit zu leisten hat, wobei auch hier § 107 Abs. 1 VVG n. F.

entsprechend gilt. Die Vorschrift des § 107 VVG n. F. bringt in der Sache gegenüber der bis-

herigen Regelung des § 155 VVG nichts Neues.

1.1.4 Fälligkeit

Die Fälligkeit des Deckungsanspruchs wird zukünftig in § 106 VVG n. F. geregelt, der den

teilweise missverständlich formulierten § 154 Abs. 1 VVG ersetzt.37 Unklarheiten entstanden

vor allen Dingen deshalb, weil die gesetzliche Vorschrift des § 154 VVG die Fälligkeit des

Freistellungs- und Zahlungsanspruchs regelte, beide Elemente des einheitlichen Deckungsan-

spruchs aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig wurden.38

Nach § 106 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. hat der Versicherer den Versicherungsnehmer innerhalb

von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender

Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festge-

stellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen. Damit wird klargestellt, dass ein Ur-

teil, Anerkenntnis oder Vergleich bezüglich des Anspruchs des Dritten die Fälligkeit des Frei-

stellungsanspruchs des Versicherungsnehmers nur herbeiführen kann, wenn die Feststellung

des Anspruchs des Dritten mit bindender Wirkung auch für den Versicherer erfolgt, denn die-

ser muss die Möglichkeit haben, die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs zu über-

prüfen.

Wenn der Versicherungsnehmer den Dritten mit für den Versicherer bindender Wirkung be-

friedigt hat, so hat der Versicherer gem. § 106 Abs. 1 S. 2 VVG n. F. die Entschädigung inner-

halb von zwei Wochen nach der Befriedigung des Dritten an den Versicherungsnehmer zu

zahlen. Kosten, die nach § 101 VVG n. F. zu ersetzen sind, muss der Versicherer gem.

§ 106 S. 3 VVG n. F. innerhalb von zwei Wochen nach der Mitteilung der Berechnung zahlen.

Diese Vorschrift ist sachlich nicht neu,39 sollte aber gerade auch Versicherungsmaklern Veran-

lassung geben, zügig dem Versicherer verauslagte Kosten mitzuteilen.

36 Vgl. BGH VersR 1987, 1181. 37 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 86. 38 Vgl. Prölls/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 154, Rz. 1 ff. 39 Vgl. § 154 Abs. 1 S. 2 VVG.

Page 111: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

110 Einzelne Versicherungszweige

D 1.1.5 Mehrere Geschädigte

§ 109 VVG n. F. stimmt sachlich mit dem bisherigen § 156 Abs. 3 VVG überein.

Ist der Versicherungsnehmer gegenüber mehreren Dritten verantwortlich und übersteigen de-

ren Ansprüche die Versicherungssumme, so muss der Versicherer diese Ansprüche nach dem

Verhältnis ihrer Beträge erfüllen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des

§ 109 S. 2 VVG n. F., wonach sich bei Erschöpfung der Versicherungssumme ein bei der Ver-

teilung nicht berücksichtigter Dritter nicht nachträglich auf § 108 Abs. 1 VVG n. F. berufen

darf, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht gerechnet hat und

auch nicht rechnen musste. Nach § 108 Abs. 1 VVG n. F. sind Verfügungen des Versiche-

rungsnehmers über den Freistellungsanspruch gegen den Versicherer dem Dritten gegenüber

unwirksam. Auf diese Vorschrift wird weiter unten noch detailliert eingegangen werden.

1.1.6 Insolvenz des VN

Die insolvenzrechtliche Sonderregelung des § 157 VVG wird in § 110 VVG n. F. beibehalten.

Der Dritte kann wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs so-

mit abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers ver-

langen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet

worden ist. Mit dieser Vorschrift wird verhindert, dass der geschädigte Dritte im Fall der In-

solvenz des Versicherungsnehmers leer ausgeht oder auf die Insolvenzquote verwiesen werden

kann. Das Absonderungsrecht entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, als Abson-

derungsberechtigter nimmt der Dritte nicht am Insolvenzverfahren teil.40

Für Pflichtversicherungen ist die Sonderregelung in § 115 I Nr. 2 VVG n. F. zu beachten.

1.1.7 Verfügungen über den Freistellungsanspruch

Gem. § 108 Abs. 1 VVG n. F. sind Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Freistel-

lungsanspruch gegen den Versicherer dem Dritten gegenüber unwirksam. Eine Verfügung ist

wie auch sonst jede Handlung, die unmittelbar auf Änderung, Übertragung, Belastung oder

Vernichtung der Entschädigungsforderung gerichtet ist.41 Das kann zum Beispiel sein:

� Entgegennahme der Entschädigung durch den Versicherungsnehmer,

� Vergleich,

� Verzicht,

� Minderung der Deckungssumme durch Entgegennahme von Kosten unter Anrechnung

darauf.42

Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht dabei gem. § 108 Abs. 1 S. 2 VVG n. F. eine Verfü-

gung im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung gleich. Die Abtretung des

Freistellungsanspruchs an den Dritten kann gem. § 108 Abs. 2 VVG n. F. nicht durch Allge-

meine Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden.

In Abweichung vom bisherigen § 156 Abs. 1 VVG wird das Verfügungsverbot auf den gesam-

ten Freistellungsanspruch erweitert. Das ist nur konsequent, denn der Freistellungsanspruch ist

40 Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 157, Rz. 3; Römer/Langheid – Langheid, Fn. 7, § 157, Rz. 1. 41 Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 156, Rz. 4. 42 Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 156, Rz. 4.

Page 112: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. 111

Dwesentlicher Bestandteil des Deckungsanspruchs, was auch in dem neuen § 100 VVG zum

Ausdruck kommt.

Nach der neuen Regelung des § 108 Abs. 2 VVG n. F. ist ein in AVB geregeltes generelles

Abtretungsverbot unwirksam. Der Gesetzgeber hat die hiervon abweichende Regelung des

§ 7 Nr. 3 AHB für nicht interessengerecht gehalten, weil der Versicherungsnehmer durchaus

ein Interesse daran haben könne, den Geschädigten an den Versicherer zu verweisen.43 Die

neue Vorschrift des § 108 Abs. 2 VVG bewirkt demzufolge, dass der schädigende Versiche-

rungsnehmer seinen Befreiungsanspruch gegen den Versicherer an den geschädigten Dritten

abtreten kann, so dass dieser letztendlich seinen Anspruch direkt gegen den Versicherer gel-

tend machen kann.

Die Vereinbarung eines Abtretungsverbotes ist allerdings, wie sich aus dem eindeutigen Wort-

laut des § 108 Abs. 2 VVG n. F. ergibt, nicht ausgeschlossen, wenn sie durch eine Individual-

vereinbarung zwischen den Parteien erfolgt. Dies dürfte in der Praxis der Ausnahmefall blei-

ben, denn von einer Individualvereinbarung kann nur die Rede sein, wenn der Verwender den

in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition

stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen ein-

räumt.44 Ob Maklerbedingungen AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB sind, ist umstritten.45

Klammert das Abtretungsverbot den Dritten aus, so bleibt es zulässig. Dies muss sich aber

eindeutig aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen ergeben. Zweifel bei der Auslegung

des Abtretungsverbots gehen zu Lasten des Verwenders, also des Versicherers.

In der forensischen Praxis wird § 108 Abs. 2 VVG n. F. eine erhebliche Bedeutung bekom-

men, denn nach der Abtretung des Befreiungsanspruchs, der sich in der Hand des Dritten in

einen Zahlungsanspruch verwandelt, kann der Versicherungsnehmer die Position eines Zeugen

einnehmen, wenn der Dritte den Zahlungsanspruch gegen den Versicherer durchsetzt.46

Befürchtungen, durch die Neuregelung des § 108 Abs. 2 VVG würden Manipulationen und

Kollusionen Tür und Tor geöffnet, sind in dieser Allgemeinheit allerdings nicht begründet.

Nach der bisherigen Prozesslage konnte der auf Manipulation bedachte Versicherungsnehmer

trotz des bestehenden Anerkenntnisverbots ein „mittelbares“ prozessuales Anerkenntnis her-

beiführen, indem er die von dem geschädigten Dritten im Haftungsprozess vorgetragenen, den

Schadenersatzanspruch begründenden Umstände bestätigte oder schlicht und ergreifend nicht

bestritt. Derart zugestandene Tatsachen sind der gerichtlichen Überprüfung entzogen, selbst

wenn es sich um ein bewusst unwahres Geständnis handelt.47

Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung nur für den Fall eines kollusiven Zusammenwirkens

der Parteien zu Lasten eines Dritten, hier des Haftpflichtversicherers, angenommen. Allerdings

musste in diesem Fall die Unwahrheit des Vortrags feststehen.48

Im Deckungsprozess war der Versicherer mit seiner Einwendung der vorsätzlichen Herbeifüh-

rung und/oder der Einwilligung des geschädigten Dritten in die Verletzungshandlung wegen

der Bindungswirkung des Haftpflichturteils ausgeschlossen.49

Tritt nach erfolgter Abtretung des Deckungsanspruchs der Versicherungsnehmer nun nicht

mehr als Partei des Haftungsprozesses, sondern als Zeuge auf, so ist seine Rolle als Zeuge in 43 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 87. 44 Vgl. MünchKommBGB/Basedow, § 305, Rz. 34. 45 Vgl. zum Meinungsstand Prölss/Martin – Prölss, Vorbem. I, Rz. 15. 46 Vgl. Lange, RuS 2007, 401, 403. 47 Vgl. Langheid, VersR 2007, 865, 868. 48 Vgl. BGH VersR 1970, 826. 49 Vgl. Langheid, VersR 2007, 865, 868.

Page 113: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

112 Einzelne Versicherungszweige

D einem kombinierten Haftungs-/Deckungsprozess des geschädigten Dritten gegen den Versi-

cherer eher schwächer, denn eine Zeugenaussage ist für das Gericht nicht verbindlich, sondern

durch das Gericht zu würdigen. Der Tatrichter muss im Rahmen seiner Überzeugungsbildung

alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und ist dabei durchaus in der Lage, einer Zeu-

genaussage keinen Glauben zu schenken, wenn nämlich andere Tatumstände überzeugend ei-

nen anderen Sachverhalt ergeben.50

Außerdem muss der geschädigte Dritte nach Abtretung des Deckungsanspruchs gegenüber

dem Versicherer das Vorliegen des Haftungsgrundes im Wege des Vollbeweises beweisen. Er

muss daher bei dem Tatrichter eine derart hohe Überzeugung herbeiführen, dass der von ihm

vorgetragene Sachverhalt mit einem Maß an Gewissheit feststeht, das vernünftigen Zweifeln

Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen. Verbleiben hier Zweifel, so geht dies

zu Lasten des geschädigten Dritten. Wenn man somit berücksichtigt, dass nach der bisherigen

Rechtslage ein unwahres Geständnis den Tatrichter bindet, so stellt die oben beschriebene

Prozesssituation eher einer Verbesserung im Sinne einer objektivierten Wahrheitsfindung

dar.51

Auch nach Abtretung des Deckungsanspruchs bleibt die gegen den Versicherer erhobene Kla-

ge eine Deckungsklage, in der zwar auch grundsätzlich die Frage der Haftung geklärt werden

kann, doch macht dies den Deckungsprozess nicht zu einem Haftpflichtprozess.52 Entschei-

dungen im Deckungsprozess führen daher auch nicht zu einer Bindungswirkung für den Haft-

pflichtprozess.53

1.2 Ausschluss und Obliegenheiten

§ 103 VVG n. F. ersetzt die bisherige Regelung des § 152 VVG. Er stellt klar, dass sich der

Vorsatz anders als z. B. bei § 823 BGB nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf die

Schadenfolgen beziehen muss, um deckungsschädliche Auswirkungen zu haben. Das war nach

der bisherigen Regelung des § 152 VVG unklar. 54

Beispiel

A und B geraten in einem Wirtshaus in eine Schlägerei. B ist Brillenträger, der A schlägt dem

B mit der Faust ins Gesicht. Dabei zersplittert die Brille, ein Brillensplitter dringt tief in das

Auge des B ein mit der Folge, dass dieser auf dem Auge erblindet. Ohne Zweifel hat A den B

vorsätzlich geschlagen, ob er aber auch die Folge der Erblindung mit in seinen Vorsatz aufge-

nommen hat, wäre im Einzelfall zu klären.

An der Definition des Vorsatzes hat sich auch nach der VVG-Reform nichts geändert. Vorsatz

ist demnach Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges, wobei bedingter Vorsatz genügt.

Der VN muss den Erfolg als möglich vorausgesehen und für den Fall des Eintritts gebilligt ha-

ben, wenn auch nicht in allen Einzelheiten.55

Die Vorschrift des § 103 VVG n. F. ist gem. § 112 VVG abdingbar (auch durch AVB), denn

§ 103 VVG n. F. wird in § 112 VVG n. F. nicht erwähnt. Die Parteien des Versicherungsver-

50 Vgl. Zöller – Greger, § 286 ZPO, Rz. 13. 51 Vgl. Langheid, VersR 2007, 865, 869. 52 Vgl. Lange, a. a. O. 53 Vgl. Lange, RuS 2007, 401, 404; Langheid, VersR 2007, 865, 867. 54 Vgl. Marlow/Spuhl, S. 127; Römer, VersR 2006, 865. 55 Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 152, Rz. 2.

Page 114: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. 113

Dtrags haben demzufolge die Möglichkeit, einen Leistungsausschluss auch bei milderen Schuld-

formen (z. B. grobe Fahrlässigkeit) zu vereinbaren. Ein solcher Ausschluss dürfte allerdings

am Markt kaum durchsetzbar sein. Er stellt eine Verkürzung des vom Gesetzgeber gewollten

Versicherungsschutzes dar.

Nach § 104 Abs. 1 VVG n. F. hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer innerhalb einer

Woche die Tatsachen anzuzeigen, die seine Verantwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur

Folge haben könnten. Macht der Dritte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer

geltend, so muss der Versicherungsnehmer dies innerhalb einer Woche, gerechnet ab der Gel-

tendmachung, dem Versicherer anzeigen. Diese Regelung stimmt mit dem bisherigen

§ 153 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VVG überein.

Für den Beginn der Frist nach § 104 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. kommt es auf den Zeitpunkt an, zu

dem der Versicherungsnehmer weiß oder damit rechnet, dass er von einem Dritten wegen der

den eingetretenen Schaden verursachenden Tatsachen in Anspruch genommen werden kann.

Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, Prozesskos-

tenhilfe beantragt oder ihm gerichtlich der Streit verkündet, so muss er auch dies dem Versi-

cherer unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern, anzeigen, § 104 Abs. 2 S. 1 VVG

n. F. Dies gilt auch, wenn gegen den Versicherungsnehmer wegen des den Anspruch begrün-

denden Schadenereignisses ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Der Begriff des Schadenereignisses ist weit auszulegen. Verfahren, die sich nicht gegen den

Versicherungsnehmer, sondern gegen einen Mitversicherten richten, erfasst die Vorschrift

nicht.56 Die in § 104 Abs. 2 S. 1 VVG n. F. geregelten Zeitpunkte werden sich im Zweifelsfal-

le präzise nachhalten lassen. Für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gem.

§ 104 Abs. 2 S. 2 VVG n. F. gilt dies aber in aller Regel nicht.

Gem. § 104 Abs. 3 VVG n. F. genügt zur Wahrung der Fristen nach §§ 104 Abs. 1 und 2 VVG

n. F. die rechtzeitige Absendung der Anzeige, für die Fristwahrung kommt es daher nicht auf

den Zeitpunkt des Zugangs an. Gleichwohl muss die Anzeige dem Versicherer natürlich zuge-

hen.

Nach § 104 Abs. 3 S. 2 VVG n. F. gilt § 30 Abs. 2 VVG n. F. entsprechend. Der Versicherer

kann sich demzufolge nicht auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Anzeigeobliegenheit

berufen, wenn er anderweitig von den anzeigepflichtigen Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Dar-

über hinaus gilt bei Verletzung der Anzeigepflicht § 28 VVG n. F., wenn vertraglich eine ent-

sprechende Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Anzeige vorgesehen ist, wovon im

Regelfall ausgegangen werden kann.

Nach § 105 VVG n. F. ist eine Vereinbarung, wonach der Versicherer leistungsfrei ist, wenn

ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen An-

spruch anerkennt, unwirksam. Dies stellt eine wesentliche Neuerung dar, denn ein solches die

Leistungsfreiheit begründendes Anerkenntnisverbot ist heute regelmäßig in Haftpflichtversi-

cherungsbedingungen enthalten (z. B. § 5 Nr. 5 AHB 2004 i. V. m. § 6 I AHB 2004) und hat

sehr große praktische Bedeutung.57 Das bisherige in § 154 Abs. 2 VVG geregelte Anerkennt-

nis- und Befriedigungsverbot ist gefallen, da der Gesetzgeber diese Regelung auch unter Be-

rücksichtigung der Interessen des Versicherers für unangemessen gehalten hat, weil der Versi-

cherungsnehmer seinen Befreiungsanspruch nicht durch Anerkenntnis oder Befriedigung auch

insoweit verlieren soll, als er ohne sein voreiliges Verhalten bestanden hätte. 58

56 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85, rechte Spalte. 57 Vgl. BGH VersR 2004, 634; OLG Hamm VersR 2996, 829. 58 Vgl. BT Drucksache 16/3945, S. 86.

Page 115: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

114 Einzelne Versicherungszweige

D Allerdings soll § 105 VVG n. F. dem Versicherungsnehmer nicht die Befugnis einräumen, zu

Gunsten des Dritten den Versicherer zu belasten, denn dies ginge auch auf Kosten der Versi-

chertengemeinschaft. Anerkenntnis und Befriedigung sollen lediglich ohne Einfluss auf den

Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer bleiben. Verspricht der

Versicherungsnehmer demzufolge dem Dritten mehr, als diesem nach materiellem Haftungs-

recht zusteht, so geht dieser Mehrbetrag immer zu Lasten des Versicherungsnehmers. Der

Versicherer muss den Versicherungsnehmer also nur von dem Anspruch freistellen, den der

Geschädigte ohne das Anerkenntnis gehabt hätte.

Beispiel

Der VN schädigt einen Dritten und verursacht einen Schaden in Höhe von objektiv 10.000 €.

Der Dritte errechnet aber einen Schadenersatz in Höhe von 15.000 €, den der VN aufgrund der

langjährigen Geschäftsverbindung mit dem Dritten anerkennt. Der Versicherer ist nur ver-

pflichtet, 10.000 € zu zahlen.

Selbstverständlich hat der Versicherer die Möglichkeit, die anerkannte Forderung auch für das

Deckungsverhältnis zu akzeptieren.

Im Ergebnis werden haftpflichtrechtliche Einwendungen im Deckungsprozess zukünftig eine

weitaus größere Rolle spielen. Die Prozessführungsautonomie des Versicherers wird verkürzt.

1.3 Kündigungsrecht

Gem. § 111 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. kann jede Vertragspartei das Versicherungsverhältnis kün-

digen, wenn der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls den Anspruch des Ver-

sicherungsnehmers auf Freistellung anerkannt oder zu Unrecht abgelehnt hat. Dies gilt gem.

§ 111 Abs. 1 S. 2 VVG n. F. auch dann, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die

Weisung erteilt hat, es zum Rechtsstreit über den Anspruch des Dritten kommen zu lassen.

Gem. § 111 Abs. 2 VVG n. F. ist die Kündigung nur innerhalb eines Monats seit Anerkennung

oder Ablehnung des Freistellungsanspruchs oder seit Rechtskraft des im Rechtsstreit mit dem

Dritten ergangenen Urteils zulässig.

Die Verweisung auf die Parallelregelung in § 92 Abs. 2 S. 2 und 3 VVG n. F. über die Aus-

wirkungen des Kündigungsrechts dient der redaktionellen Vereinfachung. Die Kündi-

gungsregelung des § 111 Abs. 1 VVG n. F. stimmt sachlich mit § 158 Abs. 1 VVG überein,

berücksichtigt darüber hinaus aber auch den neuen Wortlaut des § 100 VVG n. F. Der Gesetz-

geber hat in § 111 Abs. 1 VVG n. F. nunmehr klargestellt, dass der Versicherungsnehmer bei

Leistungsverweigerung des Versicherers zur Kündigung nur berechtigt ist, wenn der Versiche-

rungsnehmer tatsächlich einen Freistellungsanspruch gegen den Versicherer hat. Die bisher in

§ 156 Abs. 3 VVG getroffene Regelung entfällt, vielmehr gilt nun § 39 Abs. 1 VVG n. F.

Auch hier ist der Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie demnach aufgegeben worden.

1.4 Halbzwingendes Recht.

Die oben dargestellten Vorschriften sind im Wesentlichen halbzwingend. Wie bereits oben

ausgeführt, gilt dies nicht für § 103 VVG n. F. Diese Vorschrift ist abdingbar. Nicht abdingbar

sind auch die besonderen Vorschriften über die Pflichtversicherung in den §§ 113 – 124 VVG

n. F.

Page 116: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. 115

D1.5 Pflichtversicherung

Die Pflichtversicherung ist, soweit die Haftpflichtversicherung betroffen ist, in den §§ 113 –

124 VVG n. F. geregelt. Die Vorschriften sind zwingend, was aus der Rechtsnatur der Vor-

schriften folgt und aus diesem Grunde vom Gesetzgeber nicht noch einmal ausdrücklich klar-

gestellt wurde.59

Pflichtversicherungen kommen in der Praxis häufig vor. Nicht alle Pflichtversicherungen be-

treffen die Haftpflichtversicherung. Auch andere Sparten kennen Pflichtversicherungen. Ex-

emplarisch seien genannt:

Unfallbereich

� Versicherung für Teilnehmer an klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln und Medizinpro-

dukten am Menschen (§ 40 AMG und § 20 MPG)

� Passagier-Unfallversicherung (§ 50 LuftVG)

Transportgüter

� Gewerblicher Güterkraftverkehr (§ 7 GüKG)

Haftpflicht für Landfahrzeuge mit eigenem Antrieb

� Kfz-Haftpflicht für Kraftfahrzeughalter (§ 1 PflVG)

� Ausländische Kraftfahrzeuge (§ 1 AuslPflVG)

� Abfalltransport (§ 7 TgV)

� Betrieb von privaten Eisenbahnen (§ 26 AEG)

Luftfahrzeughaftpflicht

� Luftverkehrsunternehmen (§ 2 LuftVG)

Binnensee- und Fluss-Schifffahrt

� Ölschadenhaftpflicht im Seeverkehr (§ 2 ÖlSG)

� Sportboote (Anlage 7 zu § 9 Sportbootvermietungs-Verordnung)

Allgemeine Haftpflicht

� Abgassonder-Untersuchungen und Sicherheitsprüfungen durch anerkannte Kfz-Werk-

stätten (§ 47 StVZO)

� Anerkennung von Lehrgängen (§ 33 1. SprengV)

� Abfallverbringung (§ 7 AbfVerbrG)

� Produkthaftpflicht für Arzneimittelhersteller (§§ 88 und 94 AMG)

� Beförderung gefährlicher Güter (§ 3 GGbefG)

� Betreiber umweltgefährdender Anlagen (§ 19 UmweltHG)

� Betreiber von gentechnischen Anlagen (§ 36 GenTG)

59 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 87.

Page 117: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

116 Einzelne Versicherungszweige

D � Betreiber von Schießstätten (§ 27 WaffG)

� Betreuungsvereine (§ 1908 f. BGB)

� Betriebssicherheit/Überwachungsstellen (§ 21 BetrSichV)

� Bewachungsgewerbe (§ 34a GewO)

� Bodenabfertigungs-Dienste auf Flugplätzen (§ 3 BADV)

� Deponien (§ 19 DepV)

� Eichwesen/Prüfstelle (§ 63 Eichordnung)

� Entsorgungsfachbetriebe (§ 6 EfbV)

� Gassystem-Einbauprüfungen und Gasanlagen-Prüfungen durch Kfz-Betriebe (Anlage VII-

Ia StVZO)

� Jäger (§ 17 Bundesjagdgesetz)

� Kernkraftwerke und sonstige Besitzer von Kernbrennstoffen (§ 13 AtG)

� Krankenpflegeschüler/Lernschwestern (§ 8 KrPflV)

� Lohnsteuerhilfevereine (§ 25 StBerG)

� Makler und Bauträger (§ 2 MaBV)

� Notare (§§ 19a und 67 BNotO)

� Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige (§ 36 GewO)

� Patentanwälte (§ 45 PatAnwO)

� Pharmazeutische Unternehmer (§§ 88 und 94 AMG)

� Prüfingenieur für Baustatik (§ 15 BauPÜAnO)

� Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen (§ 7 BauPGHeizkesselV)

� Rechtsanwälte (§ 51 BRAO, § 7 EuRAG)

� Schaustellergeschäfte (§ 55f GewO)

� Überwachungsstellen nach Geräte- und Produktsicherheits-Gesetz (§ 17 GPSG)

� Steuerberater, -bevollmächtigte, Steuerberatungs-Gesellschaften (§ 67 StBerG)

� Technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (§ 3 GPSG)

� Träger der Entwicklungshilfe zugunsten Entwicklungshelfer (§ 6 EhfG)

� Überwachungsorganisationen (Anlage VIIIb StVZO)

� Versicherungsvermittler und -berater (§ 9 VersVermV)

� Waffenschein, Schießerlaubnis (§ 4 WaffG)

� Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften (§§ 1 und 2 WPBHV)

Page 118: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. 117

D� Zertifizierungsanbieter (§ 9 SigV)

� Zwangsverwalter (§ 1 ZwVwV)

Die nachfolgenden Vorschriften betreffen nur die als Pflichtversicherung ausgestaltete Haft-

pflichtversicherung.

1.5.1 Generelle Anforderungen an den Versicherungsschutz

Gem. § 113 Abs. 1 VVG n. F. ist eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Ver-

pflichtung durch Rechtsvorschrift besteht, mit einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten

Versicherungsunternehmen abzuschließen.

§ 113 Abs. 1 VVG n. F. enthält demzufolge eine Legaldefinition der Pflichtversicherung. Es

muss sich um eine Haftpflichtversicherung handeln, zu deren Abschluss eine Verpflichtung

durch Rechtsvorschrift besteht. Die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversiche-

rung kann sich nicht nur aus einem Gesetz im formellen Sinne, sondern auch aus

� einer Rechtsverordnung,

� einer Satzung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder

� einer EU-Verordnung

ergeben.

§ 113 Abs. 1 VVG n. F. stellt klar, dass ein Vertrag über eine Pflichtversicherung auch bei ei-

nem Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des europäischen Wirtschafts-

raums gem. § 110 a VAG genommen werden kann.

Nach § 113 Abs. 2 VVG n. F. hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer unter Angabe der

Versicherungssumme zu bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift ent-

sprechende Pflichtversicherung besteht. Diese Vorschrift stimmt sachlich mit § 158 b

Abs. 2 VVG überein, wobei § 158 Abs. 2 S. 2 VVG gestrichen ist.

§ 113 Abs. 3 VVG n. F. stellt klar, dass die Vorschriften des Abschnitts 2 über die Pflichtver-

sicherung auch insoweit anzuwenden sind, als der Versicherungsvertrag eine über die vorge-

schriebene Mindestanforderungen hinausgehende Deckung gewährt.

Beispiel

Ein Versicherungsvermittler schließt eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungs-

summe von 4 Mio. € für jeden Schadenfall und 8 Mio. € für alle Schadenfälle eines Jahres ab.

§ 113 Abs. 3 VVG n. F. schließt den Abschluss getrennter Versicherungsverträge nicht aus. In

vielen Bereichen ist der Abschluss getrennter Versicherungsverträge derzeit schon üblich, so

werden durchaus für bestimmte Haftpflichtrisiken zusätzlich zu der Grunddeckung sog. Ob-

jektdeckungen gewährt.

§ 114 Abs. 1 VVG n. F. regelt die für Pflichtversicherungen geltende Mindestversicherungs-

summe, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist. Diese beträgt

� 250.000,00 € je Versicherungsfall und

� 1 Mio. € für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres.

Page 119: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

118 Einzelne Versicherungszweige

D Nach § 114 Abs. 2 VVG n. F. kann der Versicherungsvertrag Inhalt und Umfang der Pflicht-

versicherung näher bestimmen, soweit dadurch die Erreichung des jeweiligen Zwecks der

Pflichtversicherung nicht gefährdet wird und durch Rechtsvorschrift nicht ausdrücklich etwas

anderes bestimmt ist.60 Nach § 114 Abs. 2 S. 1 VVG n. F. bleibt es demzufolge aber auch in

Zukunft zulässig, Vereinbarungen über Begrenzungen des Versicherungsschutzes durch Risi-

koausschlüsse oder Selbstbehalte zu treffen. Allerdings darf die Begrenzung der Deckung eben

nicht dazu führen, dass der mit der Einführung einer Pflichtversicherung verfolgte Zweck, der

zumindest auch in der Sicherung der Interessen des Geschädigten liegt, nicht mehr erreicht

werden kann.61 Die Interessen des Geschädigten werden demzufolge bei einer Inhaltskontrolle

der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Pflichtversicherungen zugrunde liegen, in

Zukunft eine besondere Bedeutung bekommen.

Nach § 114 Abs. 2 S. 2 VVG n. F. kann ein Selbstbehalt des Versicherungsnehmers dem An-

spruch des Dritten nach § 115 Abs. 1 i. V. m. § 117 Abs. 1 VVG n. F. nicht entgegengehalten

und gegenüber einer mitversicherten Person nicht geltend gemacht werden. Der Versicherer

muss den Dritten ohne Abzug eines Selbstbehaltes entschädigen und bei einem etwaigen

Rückgriff bei dem Versicherungsnehmer dessen Insolvenzrisiko tragen. Der Selbstbehalt hat

demzufolge im Rahmen der Pflichtversicherung nur eine Wirkung im Innenverhältnis.

1.5.2 Direktanspruch

Die Einführung eines Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer ist

eine weitere wesentliche Änderung in der Haftpflichtversicherung. Sie ist das Kernstück der

VVG-Reform im Bereich der Pflichtversicherung.62

Nach § 115 Abs. 1 VVG n. F. kann der Dritte seinen Anspruch auf Schadenersatz auch gegen

den Versicherer direkt geltend machen,

1. wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer dem Pflichtversiche-

rungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder

2. wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder

der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insol-

venzverwalter bestellt worden ist oder

3. wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.

Das ursprüngliche Vorhaben der Bundesregierung, bei Pflichtversicherungen einen allgemei-

nen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer einzuführen, wurde damit nicht

umgesetzt.63

Für die Auslegung des Begriffs „unbekannt“ kann auf Auslegungsergebnisse bzgl. des ent-

sprechenden Begriffs in § 185 I ZPO zurückgegriffen werden. Unbekannt ist demnach der

Aufenthalt des Versicherungsnehmers, wenn er nicht nur dem geschädigten Dritten, sondern

allgemein unbekannt ist. Der Geschädigte muss demnach alle Möglichkeiten ausgeschöpft ha-

ben, um den Aufenthalt des Versicherungsnehmers zu ermitteln.64 An die Feststellung der

60 Vorschriften zum Inhalt einer Pflichtversicherung enthält zum Beispiel § 9 VersVermV. 61 Vor diesem Hintergrund ist z. B. die in Vermögenschadenhaftpflichtversicherungsverträgen von Versicherungsvermittlern

häufig anzutreffende Angehörigenklausel bedenklich, denn warum sollte ein Angehöriger eines Versicherungsvermittlers weniger schutzbedürftig sein.

62 Vgl. Marlow/Spuhl, S. 131. 63 Vgl. hierzu BT-Drucksache 16/3945, S. 25. 64 Vgl. Marlow/Spuhl, S. 132.

Page 120: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. 119

DVoraussetzungen sind durchweg hohe Anforderungen zu stellen. Eingehende, aber nicht un-

zumutbare Ermittlungen und Nachweise sind nötig. Stets erforderlich sind:

� Auskünfte der Meldebehörde,

� des letzten Vermieters bzw. früheren Hausgenossen und

� etwa bekannter Verwandter,

� im Einzelfall kann eine Nachfrage beim

Ο Zustellpostamt,

Ο Nachmieter,

Ο Nachbarn und

Ο letzten Arbeitgeber geboten sein.

Ο Gleiches gilt für eine Anfrage

• bei einer Haftanstalt,

• bei der Polizeidienststelle sowie

• bei Sozialversicherungsbehörden.65

Dabei besteht der Direktanspruch im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem

Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des

§ 117 Abs. 1 bis 4 VVG n. F. Versicherer und ersatzpflichtiger Versicherungsnehmer haften

gem. § 115 Abs. 1 S. 4 VVG n. F. als Gesamtschuldner. Das bedeutet, dass der Gläubiger die

Leistung nach seinem Belieben von jedem der Gesamtschuldner ganz oder zu einem Teil for-

dern kann. Sind die besonderen Voraussetzungen eines Direktanspruchs erfüllt, so kann der

Dritte demnach nicht nur den Versicherungsnehmer, sondern auch dessen Haftpflichtversiche-

rer in Anspruch nehmen. Dies wird in der Praxis eine große Bedeutung bekommen, denn oft

sträubt sich der Geschädigte, den Versicherungsnehmer persönlich in Regress zu nehmen. Da

zu dem hinter diesem stehenden Haftpflichtversicherer in der Regel keine besondere persönli-

che Beziehung besteht, wird der neu eingeführte Direktanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit

zu einem gesteigerten Prozessaufkommen führen.

Gem. § 115 Abs. 1 S. 3 VVG n. F. muss der Versicherer den Schadenersatz in Geld leisten.

Die Vorschrift führt in der Sache auch wirtschaftlich einen Direktanspruch, wie er in der Kfz-

Haftpflichtversicherung bereits besteht, generell für alle Pflichtversicherungen, allerdings mit

den oben beschriebenen Einschränkungen ein. Das hat zur Folge, dass für diesen Bereich die

Trennung zwischen Haftpflichtprozess und Deckungsprozess aufgehoben wird.

Der Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 VVG n. F. unterliegt gem. § 115 Abs. 2 S. 1 VVG n. F.

der gleichen Verjährung wie der Schadenersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versiche-

rungsnehmer. § 115 Abs. 2 VVG n. F. führt insgesamt zu einem Gleichlauf der Verjährungs-

frist des Direktanspruchs einerseits und des gegen den Versicherungsnehmer bestehenden

Schadenersatzanspruchs andererseits.

65 Vgl. Zöller – Stöber, § 185 ZPO, Rz. 2.

Page 121: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

120 Einzelne Versicherungszweige

D 1.5.3 Innenverhältnis der Gesamtschuldner

Nach § 116 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. ist im Verhältnis der Gesamtschuldner (nach

§ 115 Abs. 1 S. 4 VVG n. F.) zueinander der Versicherer allein verpflichtet, soweit er dem

Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Diese

Vorschrift betrifft also das sogenannte Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und

Versicherer. Besteht im Innenverhältnis keine Eintrittspflicht des Versicherers, so regelt

§ 116 Abs. 1 S. 2 VVG n. F., dass in ihrem Verhältnis zueinander der Versicherungsnehmer

allein verpflichtet ist.

Schließlich kann der Versicherer gem. § 116 Abs. 1 S. 3 VVG n. F. Ersatz derjenigen Auf-

wendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Diese Vor-

schrift regelt demzufolge ebenfalls das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern und

übernimmt die Regelungen des § 3 Nr. 9 PflVersG in § 116 Abs. 1 und 2 VVG n. F. bzw. des

§ 3 Nr. 10 S. 2 PflVersG in § 116 Abs. 1 S. 3 VVG n. F.

Die Verjährung der sich aus § 116 Abs. 1 VVG n. F. ergebenden Ansprüche beginnt nach

§ 116 Abs. 2 VVG n. F. mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch des Dritten erfüllt

wird. Die Verjährungsfrist beträgt somit abweichend vom bisherigen § 3 Nr. 11 S. 1 PflVersG

in Anlehnung an § 195 BGB drei Jahre.

1.5.4 Außenverhältnis zum Dritten

Dem Direktanspruch des Dritten nach § 115 VVG n. F. kann nicht entgegengehalten werden,

dass der Versicherer dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer nicht oder nur teilweise zur

Leistung verpflichtet ist, § 117 Abs. 1 VVG n. F.

Diese Vorschrift entspricht von ihrer Zielrichtung her dem bereits heute für die Pflichtversi-

cherung geltenden § 158 c Abs. 1 VVG und regelt demzufolge die Rechtsverhältnisse bei ei-

nem sogenannten kranken Versicherungsverhältnis. Für Einwendungen, die den Umfang des

vertraglichen Versicherungsschutzes betreffen, gilt allerdings die Vorschrift des

§ 117 Abs. 3 VVG n. F. Auch der Fall des § 103 VVG n. F. (keine Leistungspflicht wegen

vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls) wird daher von § 117 Abs. 3 VVG n. F.

und nicht von § 117 Abs. 1 VVG n. F. erfasst.66

Die in § 117 Abs. 2 VVG n. F. getroffene Regelung stimmt sachlich mit dem bisherigen

§ 3 Nr. 5 PflVersG überein. Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des

Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, kann dem Direktanspruch des geschädigten Dritten

nur entgegengehalten werden, wenn das Schadenereignis später als einen Monat nach dem

Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem der Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stel-

le angezeigt hat. Dies gilt nach § 117 Abs. 2 S. 2 VVG n. F. auch, wenn das Versicherungs-

verhältnis durch Zeitablauf endet. Dabei beginnt der Lauf der o. g. Frist nicht vor Beendigung

des Versicherungsverhältnisses.

Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur

Folge hat oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses durch Zeitablauf kann dem Di-

rektanspruch des Dritten auch dann entgegengehalten werden, wenn vor dem Zeitpunkt des

Schadenereignisses der hierfür zuständigen Stelle die Bestätigung einer entsprechend den

Rechtsvorschriften abgeschlossenen neuen Versicherung zugegangen ist. Die oben beschrie-

benen Vorschriften des § 117 Abs. 2 VVG n. F. gelten nicht, wenn eine zur Entgegennahme

der Anzeige nach S. 1 zuständige Stelle nicht bestimmt ist.

66 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 89.

Page 122: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. 121

D§ 117 Abs. 3 VVG n. F. stimmt sachlich mit § 158 c Abs. 3 und 4 VVG, § 3 Nr. 6

1. Hs. PflVersG überein. In den oben beschriebenen Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versi-

cherer demzufolge nur im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme und der

von ihm übernommenen Gefahr zur Leistung verpflichtet. Er ist leistungsfrei, soweit der Dritte

Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversi-

cherungsträger erlangen kann. Eine Sonderregelung zu dem vorgenannten Satz ist für die Kfz-

Haftpflichtversicherung in dem neu gefassten § 3 PflVersG enthalten.67 Im Übrigen gilt, dass

sich die nach § 117 Abs. 3 S. 1 VVG n. F. maßgebliche Mindestversicherungssumme in erster

Linie nach der die Pflichtversicherung anordnenden Rechtsnorm, hilfsweise nach

§ 114 Abs. 1 VVG n. F. bestimmt.

Nach § 117 Abs. 3 S. 1 VVG n. F. können Risikoausschlüsse dem Direktanspruch des Dritten

entgegengehalten werden, da die Leistungspflicht des Versicherers nicht weitergehen kann als

bei einem ordnungsgemäßen Versicherungsverhältnis. Aufgabe der die Versicherungspflicht

anordnenden Stelle ist es aber, den notwendigen Umfang des zu vereinbarenden Versiche-

rungsschutzes festzulegen und dabei auch unter Berücksichtigung des mit der Einführung ver-

folgten Schutzzwecks zu entscheiden, ob und ggf. welche Risikoausschlüsse vereinbart wer-

den dürfen. Auch an dieser Stelle wird zu berücksichtigen sein, dass Zweck der Pflichtversi-

cherung immer auch ist, dem Geschädigten einen verhandlungs- und zahlungsbereiten weitge-

hend insolvenzsicheren Schuldner zu sichern.68

Bestätigt der Versicherer gegenüber dem Dritten zu Unrecht das Bestehen einer vorgeschrie-

benen Versicherung, so kann dies zu einer Haftung des Versicherers gegenüber dem Dritten

auf Schadenersatz führen.

Die Vorschrift des § 117 Abs. 4 VVG n. F. stimmt sachlich mit § 158 c Abs. 5 VVG a. F. ü-

berein. Trifft die Leistungspflicht des Versicherers nach Abs. 1 oder Abs. 2 mit einer Ersatz-

pflicht auf Grund fahrlässiger Amtspflichtverletzung zusammen, wird die Ersatzpflicht nach

§ 839 Abs. 1 BGB im Verhältnis zum Versicherer nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Vor-

aussetzungen für die Leistungspflicht des Versicherers vorliegen. § 117 Abs. 4 S. 1 VVG n. F.

gilt allerdings nicht, wenn der Beamte nach § 839 BGB persönlich haftet. Damit hat der Ge-

setzgeber ein Auslegungsproblem im Sinne der Rechtsprechung des BGH entschieden. Die

Vorschrift betrifft allerdings nur das Innenverhältnis zwischen dem Haftpflichtversicherer ei-

nerseits und der haftenden Körperschaft andererseits.

Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, so endet das Ver-

sicherungsverhältnis gem. § 117 Abs. 5 S. 1 VVG n. F. mit Ablauf eines Monats, nachdem der

Insolvenzverwalter diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Bis zu diesem

Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam. Ist eine zur Entgegennahme der

Anzeige nach § 117 Abs. 5 S. 1 VVG n. F. zuständige Stelle nicht bestimmt, endet das Versi-

cherungsverhältnis einen Monat nach der Benachrichtigung des Versicherungsnehmers von

der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wobei die Benachrichtigung der Textform bedarf.

Diese Regelung ist erforderlich, um zum einen der für die Überwachung der Versicherungs-

pflicht zuständigen Stelle zu ermöglichen, in angemessener Zeit die sich aus der Beendigung

67 § 3 PflichtVersG-neu lautet: „Ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, weil

das Fahrzeug den Bau- und Betriebsvorschriften der Straßenverkehrszulassungsverordnung nicht entsprach oder von einem unberechtigten Fahrer oder von einem Fahrer ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt wurde, kann der Versicherer den Dritten abweichend von § 117 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes nicht auf die Möglichkeit verweisen, Ersatz seines Schadens von einem Dritten oder einem Sozialversicherungsträger zu erlangen. Soweit der Dritte jedoch von einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 von der Versicherungspflicht befreiten Fahrzeughalter Ersatz seines Schadens verlangen kann, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers.“

68 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 89.

Page 123: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

122 Einzelne Versicherungszweige

D des Versicherungsverhältnisses ergebenden Konsequenzen zu ziehen, und auf der anderen Sei-

te aber sicherzustellen, dass auch während dieser Zeit der mit der Versicherungspflicht be-

zweckte Opferschutz gewährleistet ist.

1.5.5 Aufteilung der Versicherungssumme bei mehreren Anspruchsberechtigten

Übersteigen die Ansprüche auf Schadenersatz, der auf Grund desselben Schadenereignisses zu

leisten ist, die Versicherungssumme, so wird gem. § 118 Abs. 1 VVG n. F. die Versicherungs-

summe nach folgender Rangfolge und bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge

an die Ersatzberechtigten ausgezahlt:

1. Ansprüche wegen Personenschäden, soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, von ei-

nem anderen Versicherer als dessen Haftpflichtversicherer, einem Sozialversicherungsträger

oder einem sonstigen Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können,

2. Ansprüche wegen sonstiger Schäden natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts,

soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, einem anderen Versicherer als dessen Haft-

pflichtversicherer oder einem Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können,

3. Ansprüche, die nach Privatrecht auf Versicherer oder sonstige Dritte wegen Personen- oder

sonstiger Schäden übergegangen sind,

4. Ansprüche, die auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind,

5. alle sonstigen Ansprüche.

Ist die Versicherungssumme unter Berücksichtigung nachrangiger Ansprüche erschöpft, so

kann sich gem. § 118 Abs. 2 VVG n. F. ein vorrangig zu befriedigender Anspruchsberechtig-

ter, der bei der Verteilung nicht berücksichtigt worden ist, nicht nachträglich auf

§ 118 Abs. 1 VVG n. F. berufen, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieses An-

spruchs nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste. Diese Vorschrift ist erforderlich,

weil im Einzelfall Schadenfälle vorliegen können, deren Volumen die gesetzlich vorgeschrie-

bene Mindestversicherungssumme übersteigt. Mit § 118 Abs. 2 VVG n. F. soll vermieden

werden, dass das Verteilungsverfahren nachträglich korrigiert werden muss. Dies würde zu in

der Praxis kaum lösbaren Rückabwicklungsproblemen führen.69

1.5.6 Obliegenheiten des Dritten

Der Dritte hat ein Schadenereignis, aus dem er einen Direktanspruch herleiten will, gem.

§ 119 Abs. 1 VVG n. F. dem Versicherer innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem

Schadenereignis Kenntnis erlangt hat, in Textform anzuzeigen, wobei die rechtzeitige Absen-

dung zur Fristwahrung genügt. Macht der Dritte den Anspruch gegen den Versicherungsneh-

mer gerichtlich geltend, so hat er dies dem Versicherer gem. § 119 Abs. 2 VVG n. F. unver-

züglich, also ohne schuldhaftes Verzögern, in Textform anzuzeigen. Schließlich kann der Ver-

sicherer von dem Dritten Auskünfte verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadenereig-

nisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Dazu gehört auch das Beibringen von Bele-

gen, soweit deren Beschaffung dem Dritten billigerweise zugemutet werden kann,

§ 119 Abs. 3 S. 1 und 2 VVG n. F.

§ 119 Abs. 1 VVG n. F. stimmt mit der bisherigen Regelung in § 3 Nr. 7 PflVersG überein.

69 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 89.

Page 124: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. 123

DIst dem Dritten unverschuldet nicht bekannt, wer Haftpflichtversicherer ist, so ist die Fristver-

säumung unverschuldet. § 119 Abs. 2 VVG n. F. entspricht inhaltlich dem bisherigen

§ 158 d Abs. 2 VGG. Lediglich das Schriftformerfordernis wird, wie auch sonst an vielen Stel-

len des VVG, durch die Textform ersetzt. § 119 Abs. 3 VVG n. F. entspricht sachlich

§ 158 d Abs. 3 VVG, auf den der bisherige § 3 Nr. 7 S. 2 PflVersG verweist.

Verletzt der Dritte schuldhaft die oben beschriebenen Obliegenheiten nach § 119 Abs. 2 oder

3 VVG n. F., so beschränkt sich die Haftung des Versicherers nach den §§ 115 und

117 VVG n. F. auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheit zu leisten

gehabt hätte, sofern der Dritte vorher ausdrücklich und in Textform auf die Folgen der Oblie-

genheitsverletzungen hingewiesen worden ist. Diese Vorschrift stimmt sachlich mit

§ 158 e Abs. 1 VVG i. V. m. § 3 Nr. 7 S. 2 PflVersG überein. §§ 119, 120 VVG n. F. sollten in

der Regulierungspraxis keine Schwierigkeiten bereiten, denn der Dritte, der seinen Direktan-

spruch gegen den Versicherer durchsetzen will, wird schon im eigenen Interesse bestrebt sein,

möglichst bald aussagekräftige Belege vorzulegen, damit die Regulierung erfolgen kann.

1.5.7 Rückgriff bei mehreren Versicherten

Ist bei einer Versicherung für fremde Rechnung der Versicherer dem Versicherungsnehmer

gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet, so kann er dies nach § 123 Abs. 1 VVG n. F. einem

Versicherten, der zur selbstständigen Geltendmachung seiner Rechte aus dem Versicherungs-

vertrag befugt ist, nur entgegenhalten, wenn die der Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Um-

stände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicher-

ten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt waren. Der Umfang der Leis-

tungspflicht nach § 123 Abs. 1 VVG n. F. bestimmt sich gem. § 123 Abs. 2 VVG n. F. nach

§ 117 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F., wobei § 117 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F. nicht anzuwenden ist.

§ 117 Abs. 4 VVG n. F. ist nach § 123 Abs. 2 VVG n. F. entsprechend anzuwenden.

Soweit der Versicherer nach § 123 Abs. 1 VVG n. F. leistet, kann er beim Versicherungsneh-

mer Rückgriff nehmen, § 123 Abs. 3 VVG n. F. Diese Vorschriften stimmen sachlich mit

§ 158 i VVG überein. Die Vorschriften des § 123 Abs. 1 – 3 VVG neu sind entsprechend an-

zuwenden, wenn die Frist nach § 117 Abs. 2 Satz 1 und 2 VVG n. F. noch nicht abgelaufen ist

oder der Versicherer die Beendigung des Versicherungsverhältnisses der hierfür zuständigen

Stelle nicht angezeigt hat, § 123 Abs. 4 VVG n. F. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift

wird somit gegenüber § 158 i VVG erweitert. Hintergrund ist, dass die bisherige Regelung des

§ 158 i VVG dem Mitversicherten Versicherungsschutz gewährte, wenn der Versicherer we-

gen einer von diesem nicht zu vertretenden und ihm auch nicht bekannten Pflicht- oder Oblie-

genheitsverletzung dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei, dem geschädigten Drit-

ten gegenüber aber leistungspflichtig war. Diese Regelung setzt allerdings ein bestehendes

Versicherungsverhältnis voraus und gewährt dem Mitversicherten, der von der Beendigung

des Versicherungsverhältnisses keine Kenntnis hatte, demzufolge keinen Versicherungsschutz.

In Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof hat der Gesetzgeber dieses Ergebnis für un-

angemessen gehalten. Der Mitversicherte soll nach dem Wunsch des Gesetzgebers auch in der

für Pflichtversicherungen geltenden Nachhaftungszeit grundsätzlich Versicherungsschutz ge-

nießen. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn ihm die Beendigung des Pflichtversicherungsver-

hältnisses mindestens grob fahrlässig unbekannt war.

1.5.8 Rechtskrafterstreckung

Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz

des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil gem. § 124 Abs. 1 VVG n. F., wenn es zwischen

Page 125: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

124 Einzelne Versicherungszweige

D dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zu Gunsten des Versicherungsnehmers, wenn

es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zu Gunsten des Versi-

cherers. Ist der Anspruch des Dritten gegenüber dem Versicherer durch rechtskräftiges Urteil,

Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden, so muss der Versicherer, gegen den von dem

Versicherer Ansprüche auf Grund des § 116 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. geltend gemacht werden,

diese Feststellung gegen sich gelten lassen, es sei denn, der Versicherer hat die Pflicht zur

Abwehr unbegründeter Entschädigungsansprüche sowie zur Minderung oder zur sachgemäßen

Feststellung des Schadens schuldhaft verletzt, § 124 Abs. 2 VVG n. F.

§ 124 Abs. 1 VVG n. F. übernimmt den bisherigen § 3 Nr. 8 PflVersG, § 124 Abs. 1 VVG

n. F. entspricht dem bisherigen § 3 Nr. 10 Satz 1 PflVersG. Die Vorschrift enthält demzufolge

keine sachlich neue Regelung.

1.5.9 Sonstiges

Nach § 121 VVG n. F. ist § 35 VVG (Aufrechnungsbefugnis des Versicherers mit einer Prä-

mienforderung) gegenüber Dritten nicht anzuwenden. Im Hinblick auf die generelle Einfüh-

rung des Direktanspruchs bei Pflichtversicherungen hat der Gesetzgeber den Ausschluss der

Aufrechnungsbefugnis des Versicherers für sachgerecht gehalten. Selbstverständlich ist es

dem Versicherer aber belassen, gegen die Forderung des Dritten mit eigenen Ansprüche gegen

diesen Dritten aufzurechnen. Diese Situation wird von § 121 VVG n. F. nicht erfasst.

Nach § 122 VVG n. F. sind die §§ 95 – 98 VVG n. F. über die Veräußerung der versicherten

Sache entsprechend anzuwenden. Diese Vorschrift entspricht § 158 h Satz 1 VVG n. F.

2 Rechtsschutzversicherung, §§ 126 – 130 VVG n. F.

Die Rechtsschutzversicherung ist im neuen VVG in den Vorschriften der §§ 126 – 130 VVG

n. F. geregelt.

2.1 Gegenstand der Leistungspflicht des Versicherers

Was im Einzelnen aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrags geschuldet ist, wird weit-

gehend durch Allgemeine Rechtsschutzbedingungen geregelt. Die Vorschriften der §§ 125 –

127 VVG n. F. stellen daher nur einen allgemeinen Rahmen dar. Das ist nicht neu, denn auch

bisher war die Rechtsschutzversicherung in den §§ 158 l – o VVG nur rudimentär geregelt.

2.1.1 Leistung des Versicherers

Gem. § 125 VVG n. F. ist der Rechtsschutzversicherer verpflichtet, die für die Wahrnehmung

der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen

Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen. Diese Vorschrift ist neu und beschreibt un-

ter Anlehnung an die Formulierungen ähnlicher ARB den üblicherweise mit der Rechtsschutz-

versicherung verfolgten wirtschaftlichen Zweck. Eine gesetzliche Definition der Rechts-

schutzversicherung enthält § 125 VVG n. F. allerdings nicht. Auch wird der Versicherungsfall

bei der Rechtsschutzversicherung gesetzlich nicht durch § 125 VVG n. F. geregelt. Neue Ver-

sicherungs- und Leistungsformen bleiben daher möglich.70 Die nähere Ausgestaltung des

Rechtsschutzversicherungsvertrags erfolgt wie bisher weitgehend durch ARB.

70 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 91, linke Spalte.

Page 126: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Rechtsschutzversicherung, §§ 126 – 130 VVG n. F. 125

D2.1.2 Rechtsschutzbaustein und Schadenabwicklungsunternehmen

Werden Gefahren aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung neben anderen Gefahren

versichert, müssen im Versicherungsschein der Umfang der Deckung in der Rechtsschutzver-

sicherung und die hierfür zu entrichtende Prämie gesondert ausgewiesen werden,

§ 126 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. Diese Vorschrift ist nicht neu, sondern entspricht dem bisheri-

gen § 158 l VVG. Sie hat an sich mit der Überschrift „Schadenabwicklungsunternehmen“

nichts zu tun, insofern ist § 126 I 1 VVG n. F. eher verwirrend.

Der Versicherer hat die Möglichkeit, ein selbstständiges Schadenabwicklungsunternehmen mit

der Leistungsbearbeitung zu beauftragen. Ist dies der Fall, so muss dieses gem. § 126 Abs. 1

Satz 2 VVG n. F. im Versicherungsschein bezeichnet werden.

Ansprüche auf die Versicherungsleistung aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag kön-

nen, wenn der Versicherer ein selbstständiges Schadenabwicklungsunternehmen mit der Leis-

tungsbearbeitung beauftragt hat, nur gegen dieses geltend gemacht werden, wobei der Titel

dann allerdings für und gegen den Rechtsschutzversicherer wirkt und § 727 ZPO entsprechend

anzuwenden ist, § 126 Abs. 2 Satz 1 – 3 VVG n. F. Schuldner der Versicherungsleistung bleibt

allerdings der Versicherer, es wird nur eine gesetzliche Prozessstandschaft des Schadenab-

wicklungsunternehmens begründet.71

Die Vorschrift enthält keine wesentlichen Neuerungen, sondern entspricht im Abs. 1 dem bis-

herigen § 158 l Abs. 1 VVG und in Abs. 2 dem bisherigen § 158 l Abs. 2 VVG. Klarstellend

heißt es in § 126 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F., dass es sich um ein selbstständiges Schadenabwick-

lungsunternehmen und nicht etwa um eine ausgegliederte Abteilung eines Rechtsschutzversi-

cherers handeln muss.

2.1.3 Freie Anwaltswahl

Aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungs-

vertrag trägt, kann der Versicherungsnehmer zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwal-

tungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, frei wählen,

§ 127 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. Dies gilt nach § 127 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. auch dann, wenn

der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen

in Anspruch nehmen kann.

Klarstellend regelt der Gesetzgeber in § 127 Abs. 2 VVG n. F., dass Rechtsanwalt auch derje-

nige ist, der berechtigt ist, unter einer der in der Anlage zu § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit

europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 09. März 2000 in der jeweils geltenden Fas-

sung genannten Bezeichnung beruflich tätig zu werden.

§ 127 Abs. 1 VVG n. F. entspricht dem bisherigen § 158 m Abs. 1 VVG. Der Gesetzgeber hat

sich damit nach wie vor für den Grundsatz der freien Anwaltswahl entschieden.72 Dies gilt

auch entgegen dem Vorschlag der VVG-Kommission für Sammelverfahren. § 127 Abs. 2

VVG n. F. entspricht dem bisherigen § 158 m Abs. 2 VVG.

71 Vgl. Prölss/Martin – Armbrüster, § 158l, Rz. 4. 72 Vgl. Prölss/Martin – Armbrüster, § 158m, Rz. 1.

Page 127: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

126 Einzelne Versicherungszweige

D 2.2 Gutachterverfahren

Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der

rechtlichen Interessen nach Auffassung des Rechtsschutzversicherers keine hinreichende Aus-

sicht auf Erfolg bietet oder mutwillig ist, muss der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfah-

ren oder ein Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorsehen, in dem

Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags über die Er-

folgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden, § 128

Satz 1 VVG n. F.

Auf dieses Recht muss der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leis-

tungspflicht hinweisen, § 128 Satz 2 VVG neu. Unterbleibt dieser Hinweis oder sieht der Ver-

sicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor, so gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versi-

cherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt gem. § 128 Satz 3 VVG n. F.

Die Vorschrift übernimmt inhaltlich unverändert den bisherigen § 158 n VVG. Als ein anderes

Verfahren kommt z. B. der in den ARB vorgesehene Stichentscheid in Betracht, sofern die

Regelung für den Versicherungsnehmer von Vorteil ist.73

2.3 Halbzwingendes Recht

Von den §§ 126 – 128 VVG n. F. kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewi-

chen werden, § 129 VVG n. F. Demzufolge handelt es sich hierbei um halbzwingende Vor-

schriften, was dem bisherigen § 158 o VVG entspricht.

3 Transportversicherung, §§ 130 – 141 VVG n. F.

Der Anwendungsbereich des dritten Kapitels des VVG bleibt für die Transportversicherung

wie im bisherigen Recht begrenzt. Der Bereich der Seeversicherung wird wie bisher aus dem

Anwendungsbereich des VVG ausgeklammert.74 Auch bei der Luftfahrtversicherung bleibt es

hinsichtlich des Anwendungsbereichs grundsätzlich beim geltenden Recht. Die Parteien kön-

nen im Rahmen der Parteiautonomie regeln, ob und inwieweit die Regeln der Transportversi-

cherung auch auf die Luftfahrtgüter- und die Luftfahrtkaskoversicherung anzuwenden sind.75

3.1 Umfang der Versicherung

Nach § 130 Abs. 1 VVG n. F. trägt der Versicherer bei der Versicherung von Gütern gegen die

Gefahren der Beförderung zu Lande oder auf Binnengewässern sowie der damit verbundenen

Lagerung alle Gefahren, denen die Güter während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind.

Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass die Transportversicherung auch die Gefahren der Lage-

rung der Güter, sofern diese mit der Beförderung verbunden ist, erfasst. Wenn nichts anderes

vereinbart wird, sieht das Gesetz somit nach wie vor eine Allgefahrendeckung vor.

Bei der Versicherung eines Schiffes gegen die Gefahr einer Binnenschifffahrt trägt der Versi-

cherer nach § 130 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. alle Gefahren, denen das Schiff während der Dauer

73 Vgl. Prölss/Martin – Armbrüster, § 158n, Rz.1. 74 Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 129, Rz. 5 ff. 75 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 91.

Page 128: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Transportversicherung, §§ 130 – 141 VVG n. F. 127

Dder Versicherung ausgesetzt ist. § 130 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. entspricht dem bisherigen

§ 129 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.

Der Versicherer haftet nach § 130 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. auch für den Schaden, den der

Versicherungsnehmer infolge eines Zusammenstoßes von Schiffen oder eines Schiffes mit fes-

ten oder schwimmenden Gegenständen dadurch erleidet, dass er den einem Dritten zugefügten

Schaden zu ersetzen hat. Damit bleibt die Schiffsversicherung auch nach neuem Recht Be-

standteil der Transportversicherung, um deren Einheit nicht zu gefährden, obwohl der Sache

nach § 130 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. ein Risiko regelt, das an sich zur Haftpflichtversicherung

gehört. § 130 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. regelt wie bisher die Vorschrift des § 129 Abs. 2

Satz 2 VVG a. F. die Kollisionshaftpflicht in der Binnenschifffahrt, die nur in Verbindung mit

der Flusskaskoversicherung gültig ist. Erweiternd wird der Fall erfasst, dass der Schaden durch

einen Zusammenstoß des Schiffes mit einem Gegenstand verursacht wird. Im Übrigen kann

die Haftpflicht gegenüber Dritten aus Schiffsunfällen nicht als Transportversicherung gedeckt

werden.

Die Versicherung gegen die Gefahren der Binnenschifffahrt umfasst die Beiträge zur großen

Haverei, soweit durch die Haverei-Maßnahme ein vom Versicherer zu ersetzender Schaden

abgewendet werden sollte, § 130 Abs. 3 VVG n. F. § 130 Abs. 3 VVG n. F. stimmt sachlich

mit der bisherigen Regelung des § 133 Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. überein.

3.2 Obliegenheiten, Gefahränderung, Ausschlüsse

Abweichend von § 19 Abs. 2 VVG n. F. ist bei der Verletzung der Anzeigepflicht der Rück-

tritt des Versicherers gem. § 131 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. ausgeschlossen. Der Versicherer

kann vielmehr innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt ab Kenntniserlangung von dem

nicht oder nicht richtig angezeigten Umstand den Vertrag kündigen und die Leistung verwei-

gern. In der Transportversicherung ist es üblich, die Verletzung der Anzeigepflicht mit Leis-

tungsfreiheit des Versicherers zu sanktionieren. § 19 Abs. 2 VVG n. F. soll für die Transport-

versicherung kein falsches gesetzliches Leitbild schaffen.

Der Versicherer bleibt allerdings zur Leistung verpflichtet, soweit der nicht oder nicht richtig

angezeigte Umstand nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang

der Leistungspflicht war. Dem Versicherungsnehmer steht somit der Kausalitätsgegenbeweis

zu. Die Anmeldepflicht nach § 53 VVG n. F. für die laufende Versicherung wird nicht von

§ 131 Abs. 1 VVG n. F. erfasst.

Gem. § 131 Abs. 2 VVG n. F. kann der Versicherungsnehmer den Vertrag kündigen, wenn der

Versicherer die Leistung verweigert. Dies gilt auch für den Fall der berechtigten Kündigung.

Nach § 131 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. erlischt das Kündigungsrecht, wenn es nicht innerhalb

eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, zu welchem dem Versicherungsnehmer die

Entscheidung des Versicherers, die Leistung zu verweigern, zugeht. Auch hier ist das Kündi-

gungsrecht demzufolge fristgebunden.

Nach § 132 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. darf der Versicherungsnehmer in Abweichung von

§ 23 VVG n. F. die Gefahr erhöhen oder in anderer Weise ändern und die Änderung durch ei-

nen Dritten gestatten. Allerdings hat er die Gefahränderung gem. § 132 Abs. 1 Satz 2 VVG

n. F. dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Unterlässt er dies, so ist der Versicherer nach

§ 132 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall

nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen.

Page 129: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

128 Einzelne Versicherungszweige

D Zur Leistung verpflichtet bleibt der Versicherer auch in diesem Fall, wenn die Anzeigepflicht

weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt wurde oder die Gefahrerhöhung nicht ursäch-

lich für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht war. Abwei-

chend von § 24 VVG n. F. ist der Versicherer nach § 132 Abs. 3 VVG n. F. nicht berechtigt,

den Vertrag wegen einer Gefahrerhöhung zu kündigen. Hintergrund der Privilegierung des

Versicherungsnehmers in den Fällen der Gefahränderung ist der Umstand, dass bei einem

Transport häufig Gefahränderungen auftreten können, auf die der Versicherungsnehmer aber

keinen Einfluss hat.76 Er hat deshalb ein berechtigtes Interesse am Fortbestand des Versiche-

rungsschutzes. Die Interessen des Versicherers werden nach Auffassung des Gesetzgebers

durch die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Gefahränderung und der vertraglich auszu-

bedingenden Möglichkeit der Prämienanpassung berücksichtigt.

§ 132 Abs. 2 VVG n. F. sieht als Grundsatz bei einer Verletzung der Anzeigepflicht nach Ge-

fahrerhöhung die Leistungsfreiheit des Versicherers vor, wobei es abweichend von

§ 26 Abs. 1 und 2 VVG n. F. bei der Transportversicherung wegen ihres teilweise starken in-

ternationalen Bezugs beim bisherigen Alles- oder Nichts-Prinzip bleiben soll. Als nicht ge-

rechtfertigt hat der Gesetzgeber ferner das Kündigungsrecht des Versicherers nach § 24 Abs. 1

und 2 VVG n. F. in der Transportversicherung gesehen und mit § 132 Abs. 3 VVG n. F. dem-

zufolge eine Sonderregelung geschaffen.77

Werden die Güter mit einem Beförderungsmittel anderer Art als vereinbart befördert oder um-

geladen, obwohl ein direkter Transport vereinbart ist, so ist der Versicherer nach

§ 133 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. nicht zur Leistung verpflichtet. Entsprechendes gilt, wenn aus-

schließlich ein bestimmtes Beförderungsmittel oder ein bestimmter Transportweg vereinbart

ist, § 133 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. Der Versicherer bleibt gem. § 133 Abs. 2 VVG n. F. zur

Leistung verpflichtet, wenn nach Beginn der Versicherung die Beförderung ohne Zustimmung

des Versicherungsnehmers oder infolge eines versicherten Ereignisses geändert oder aufgege-

ben wird. § 132 VVG n. F. (Gefahränderung) ist dabei anzuwenden.

Nach § 133 Abs. 3 VVG n. F. umfasst die Versicherung in den Fällen des Abs. 2 die Kosten

der Umladung oder der einstweiligen Lagerung sowie die Mehrkosten der Weiterbeförderung.

Die Regelung beruht auf dem Regelungsgehalt des § 137 VVG n. F. und entspricht Nr. 6 der

DTV Güterversicherungsbedingungen 2000. § 133 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. stellt klar, dass ei-

ne Gefahränderung vorliegt.

Ist für die Beförderung der Güter kein bestimmtes Beförderungsmittel vereinbart, so muss der

Versicherungsnehmer, soweit er auf dessen Auswahl Einfluss hat, nach § 134 Abs. 1 VVG

n. F. Beförderungsmittel einsetzen, die für die Aufnahme und Beförderung der Güter geeignet

sind.

Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig, so ist

der Versicherer nach § 134 Abs. 2 VVG n. F. leistungsfrei, es sei denn, die Verletzung war

nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls und den Umfang der Leistungspflicht.

Auch hier hat der Versicherungsnehmer demzufolge gem. § 134 Abs. 2 VVG n. F. den Kausa-

litätsgegenbeweis. Denkbar ist natürlich auch, dass der Versicherungsnehmer zunächst nichts

von der mangelnden Eignung des Beförderungsmittels weiß. Erlangt er diese Kenntnis, so hat

er diesen Umstand dem Versicherer unverzüglich gem. § 134 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. anzu-

zeigen, wobei, wie § 134 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F., der auf § 132 VVG n. F. verweist, zu ent-

nehmen ist, auch hierin eine Gefahränderung zu sehen ist. In § 134 Abs. 2 VVG n. F. hat der

76 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 92. 77 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 92.

Page 130: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Transportversicherung, §§ 130 – 141 VVG n. F. 129

DGesetzgeber aus den oben beschriebenen Gründen in Abweichung von §§ 28, 81 VVG n. F.

das Alles- oder Nichts-Prinzip beibehalten.

3.3 Aufwendungsersatz

Aufwendungen, die dem Versicherungsnehmer zur Abwendung oder Minderung des Schadens

entstehen, sowie die Kosten für die Ermittlung und Feststellung eines Schadens hat der Versi-

cherer auch insoweit zu erstatten, als sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versi-

cherungssumme übersteigen, § 135 Abs. 1 VVG n. F.

§ 135 Abs. 1 VVG n. F. geht über die geltenden Bestimmungen des § 144 Abs. 1 VVG n. F.

und § 29 ADS hinaus, weil die Kosten für die Ermittlung und Feststellung des Schadens vor-

behaltlich abweichender Vereinbarungen nicht nur in der Güterversicherung, sondern auch

dann zu erstatten sind, wenn sie die Höchstgrenze der Versicherungssumme überschreiten.

Sind Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung oder zur Ermittlung und Feststellung

des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch einen Versicherungs-

fall beschädigten Sache gemacht oder sind Beiträge zur großen Haverei geleistet oder ist eine

persönliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Entrichtung solcher Beiträge ent-

standen, so hat der Versicherer den Schaden, der durch einen späteren Versicherungsfall ver-

ursacht wird, ohne Rücksicht auf die von ihm zu erstattenden früheren Aufwendungen oder

Beiträge zu ersetzen, § 135 Abs. 2 VVG n. F. § 135 Abs. 2 VVG n. F. entspricht den Rege-

lungen des § 144 Abs. 2 VVG n. F. und des § 37 Abs. 2 ADS.

3.4 Versicherungswert

Gem. § 136 Abs. 1 VVG n. F. gilt als Versicherungswert der gemeine Handelswert und in des-

sen Ermangelung der gemeine Wert, den die Güter am Ort der Absendung bei Beginn der Ver-

sicherung haben, wobei Versicherungskosten, Kosten, die bis zur Annahme der Güter durch

den Beförderer entstehen, und die endgültig bezahlte Fracht addiert werden.

Der gemeine Handelswert ist der objektive Wert auf der Handelsstufe des Ersatzberechtigten,

bei einem Verkäufer also der Verkaufswert einschließlich eines etwaigen Gewinns.78 Dieser

Wert gilt auch bei Eintritt des Versicherungsfalls als Versicherungswert gem.

§ 136 Abs. 2 VVG n. F. Kommen Güter beschädigt am Ablieferungsort an, so ist nach

§ 136 Abs. 3 VVG n. F. Versicherungswert der Wert, den sie an diesem Ort im unbeschädig-

ten Zustand hätten, abzüglich des Wertes, den sie dort im beschädigten Zustand haben. Der

dem Verhältnis der Wertminderung zu ihrem Wert in unbeschädigtem Zustand entsprechende

Bruchteil des Versicherungswerts gilt als Betrag des Schadens. § 136 Abs. 1 und 2 VVG n. F.

übernehmen sachlich die Regelungen des § 140 Abs. 1 und 2 VVG n. F. § 136 Abs. 3 VVG

n. F. entspricht dem bisherigen § 140 Abs. 3 VVG n. F.

3.5 Ausschlüsse

Nach § 137 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der

Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeiführt. Im

Bereich der Transportversicherung hat der Gesetzgeber demzufolge das Alles- oder Nichts-

Prinzip aus den bereits oben beschriebenen Gründen beibehalten. Gem. § 137 Abs. 2 VVG

78 Vgl. BGH NJW – RR 93,1371.

Page 131: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

130 Einzelne Versicherungszweige

D n. F. hat der Versicherungsnehmer das Verhalten der Schiffsbesatzung bei der Führung des

Schiffes nicht zu vertreten. Das Verhalten der Schiffsbesatzung wird dem Versicherungsneh-

mer somit nicht zugerechnet. Wie zu verfahren ist, wenn der Versicherungsnehmer auch Kapi-

tän des Schiffes ist, kann durch AVB geregelt werden.79

Nach § 138 VVG n. F. ist der Versicherer nicht zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, der

daraus entsteht, dass das Schiff in einem nicht fahrtüchtigen Zustand oder nicht ausreichend

ausgerüstet oder personell ausgestattet die Reise antritt. Dies gilt auch für einen Schaden, der

nur eine Folge der Abnutzung des Schiffes in gewöhnlichem Gebrauch ist. Die Vorschrift

übernimmt inhaltlich den bisherigen § 132 VVG n. F.

3.6 Veräußerung

Ist eine versicherte Sache, für die eine Einzelpolice oder ein Versicherungszertifikat ausge-

stellt worden ist, veräußert worden, so haftet der Erwerber abweichend von § 95 VVG n. F.

nicht für die Prämie, § 139 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.

Der Versicherer kann sich gegenüber dem Erwerber nicht auf Leistungsfreiheit wegen Nicht-

zahlung der Prämie oder Nichtleistung einer Sicherheit berufen. Ein Ausnahmefall liegt vor,

wenn der Erwerber den Grund für die Leistungspflicht kannte oder hätte kennen müssen.

Nach § 139 Abs. 2 VVG n. F. ist der Versicherer in Abweichung von § 96 VVG n. F. nicht be-

rechtigt, das Versicherungsverhältnis wegen Veräußerung der versicherten Güter zu kündigen.

In Abweichung von § 97 VVG n. F. ist der Versicherungsnehmer gem. § 139 Abs. 3 VVG

n. F. nicht verpflichtet, dem Versicherer die Veräußerung anzuzeigen.

§ 139 Abs. 2 und 3 VVG n. F. entsprechen den bisherigen Regelungen des § 142 VVG.

Wird ein versichertes Schiff veräußert, so endet gem. § 140 VVG n. F. abweichend von

§ 95 VVG n. F. die Versicherung mit der Übergabe des Schiffes an den Erwerber, für unter-

wegs befindliche Schiffe mit der Übergabe an den Erwerber im Bestimmungshafen. Wie bis-

her soll demzufolge das Kündigungsrecht des Versicherers zeitlich in seiner Wirkung auf die

Beendigung der Reise bei der Schiffsversicherung beschränkt werden.

3.7 Befreiung durch Zahlung der Versicherungssumme

Nach § 141 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls berech-

tigt, sich durch Zahlung der Versicherungssumme von allen weiteren Verbindlichkeiten zu be-

freien. Er bleibt zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die zur Abwendung und zur Minderung

des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der versicherten Sache aufge-

wendet worden sind, bevor er seine Erklärung, dass er sich durch die Zahlung der Versiche-

rungssumme befreien wolle, dem Versicherungsnehmer zugegangen ist.

Das Recht des Versicherers, sich durch Zahlung der Versicherungssumme zu befreien, erlischt

gem. § 141 Abs. 2 VVG n. F., wenn die Erklärung dem Versicherungsnehmer nicht innerhalb

einer Woche nach dem Zeitpunkt zugeht, zu dem der Versicherer Kenntnis von dem Versiche-

rungsfall und seinen unmittelbaren Folgen erlangt hat.

Dieser sog. Abandon dient dem Schutz des Versicherers gegen die Ausdehnung seiner Haf-

tung über die vereinbarte Versicherungssumme hinaus. Mit der Erklärung des Abandon und

79 Vgl. hierzu Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 130, Rz. 3 ff.

Page 132: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Gebäudefeuerversicherung, §§ 142 – 149 VVG n. F. 131

DLeistung der Versicherungssumme befreit sich der Versicherer von künftig entstehenden Kos-

ten der Schadenminderung wie der Herstellung oder Ausbesserung. Der Gesetzgeber hat es im

Interesse des Versicherungsnehmers als notwendig angesehen, das Recht auf eine bestimmte

Frist nach erlangter Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls zu beschränken.80

4 Gebäudefeuerversicherung, §§ 142 – 149 VVG n. F.

Die §§ 142 – 149 VVG n. F. enthalten einige Spezialvorschriften der Gebäudeversicherung,

die nachfolgend kurz dargestellt werden.

4.1 Anzeige- und Informationspflichten des Versicherers

Nach § 142 Abs. 1 VVG n. F. hat der Versicherer bei der Gebäudefeuerversicherung einem

Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, unverzüglich in Textform anzuzei-

gen, wenn die einmalige oder die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt oder dem Versiche-

rungsnehmer für die Zahlung einer Folgeprämie eine Frist bestimmt wird. Dies gilt nach

§ 142 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. auch dann, wenn das Versicherungsverhältnis nach Ablauf der

Frist wegen unterbliebener Zahlung der Folgeprämie gekündigt wird.

Die in § 142 Abs. 1 VVG n. F. geregelte Anzeigepflicht des Versicherers gilt auch dann, wenn

die einmalige oder die erste Prämie vom Versicherungsnehmer nicht rechtzeitig gezahlt wird.

Der Hypothekengläubiger soll nach dem Wunsch des Gesetzgebers die Möglichkeit haben,

nicht nur bei Nichtzahlung einer Folgeprämie, sondern auch schon bei Zahlungsverzug für den

notwendigen Versicherungsschutz zu sorgen. Auch bei § 142 Abs. 1 VVG n. F. hat der Ge-

setzgeber die bisherige Schriftform durch Textform ersetzt.

Gem. § 142 Abs. 2 VVG n. F. hat der Versicherer den Eintritt des Versicherungsfalls inner-

halb einer Woche, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, einem Hypothekengläubiger, der

seine Hypothek angemeldet hat, in Textform anzuzeigen, es sei denn, der Schaden ist unbe-

deutend.

Bei nicht rechtzeitiger Zahlung einer Folgeprämie bleibt der Versicherer gegenüber einem

Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, bis zum Ablauf eines Monats ab

dem Zeitpunkt zur Leistung verpflichtet, zu welchen der Hypothekengläubiger die Bestim-

mung der Zahlungsfrist oder, wenn diese Mitteilung unterblieben ist, die Kündigung mitgeteilt

worden ist, § 143 Abs. 1 VVG n. F. § 143 Abs. 1 VVG n. F. übernimmt den bisherigen

§ 102 Abs. 2 Satz 2 VVG.

Gem. § 143 Abs. 2 VVG n. F. wird die Beendigung des Versicherungsverhältnisses gegenüber

einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, erst mit dem Ablauf von

zwei Monaten wirksam, nachdem ihm die Beendigung und, sofern diese noch nicht eingetreten

war, der Zeitpunkt der Beendigung durch den Versicherer mitgeteilt worden ist oder er auf an-

dere Weise hiervon Kenntnis erlangt hat. Dies gilt nicht, wenn das Versicherungsverhältnis

wegen unterbliebener Prämienzahlung durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherers oder

durch Kündigung des Versicherungsnehmers, welcher der Hypothekengläubiger zugestimmt

hat, beendet wird. § 143 Abs. 2 VVG n. F. stimmt sachlich im Wesentlichen mit § 103

Abs. 1 VVG a. F. überein.

§ 143 Abs. 3 VVG n. F. entspricht sachlich § 103 Abs. 2 VVG a. F. § 142 Abs. 2 Satz 1 VVG

n. F. gilt entsprechend für die Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen dem Versicherer und 80 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 93.

Page 133: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

132 Einzelne Versicherungszweige

D dem Versicherungsnehmer, durch die der Umfang des Versicherungsschutzes vermindert wird

oder nach welcher der Versicherer nur verpflichtet ist, die Entschädigung zur Wiederherstel-

lung des Gebäudes zu zahlen.

§ 143 Abs. 4 VVG n. F. weicht lediglich hinsichtlich der Frist nach Satz 2 von § 103 Abs. 3

VVG a. F. ab. Die Nichtigkeit eines Versicherungsvertrages kann gegenüber einem Hypothe-

kengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, nicht geltend gemacht werden. Das Versi-

cherungsverhältnis endet jedoch ihm gegenüber nach Ablauf von 2 Monaten, nachdem ihm die

Nichtigkeit durch den Versicherer mitgeteilt worden ist oder er auf andere Weise von der

Nichtigkeit Kenntnis genommen hat.

4.2 Kündigung durch VN

Hat ein Hypothekengläubiger seine Hypothek angemeldet, ist eine Kündigung des Versiche-

rungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer unbeschadet des § 92 Abs. 1 VVG n. F.

und § 96 Abs. 2 VVG n. F. nur wirksam, wenn der Versicherungsnehmer mindestens einen

Monat vor Ablauf des Versicherungsvertrages nachgewiesen hat, dass zu dem Zeitpunkt, zu

dem die Kündigung spätestens zulässig war, das Grundstück nicht mit der Hypothek belastet

war oder dass der Hypothekengläubiger der Kündigung zugestimmt hat. Die Zustimmung

kann nach § 144 Satz 2 VVG n. F. nicht ohne ausreichenden Grund verweigert werden.

Die Vorschrift entspricht sachlich der bisherigen Regelung des § 106 VVG. Der Hypotheken-

gläubiger soll von vornherein in das Kündigungsverfahren einbezogen werden, da der Versi-

cherer nach § 143 Abs. 2 VVG n. F. noch zwei Monate nach der Information des Hypotheken-

gläubigers über die Vertragsbeendigung in der Haftung bleibt.

4.3 Übergang der Hypothek

Soweit der Versicherer den Hypothekengläubiger nach § 143 VVG n. F. befriedigt, geht die-

se auf ihn über, § 145 Satz 1 VVG n. F. Der Übergang kann nicht zum Nachteil eines gleich-

oder nachstehenden Hypothekengläubigers geltend gemacht werden, dem gegenüber die

Leistungspflicht des Versicherers bestehen geblieben ist. Diese Regelung entspricht sachlich

dem bisherigen § 104 VVG, wobei die bisher vorgesehene Leistungspflicht des Versicherers

gegenüber dem Hypothekengläubiger in den Fällen des § 102 Abs. 1 VVG entfällt.

4.4 Bestätigungs- und Auskunftspflicht des Versicherers

Nach § 146 VVG n. F. ist der Versicherer verpflichtet, einem Hypothekengläubiger, der seine

Hypothek angemeldet hat, die Anmeldung zu bestätigen und auf Verlangen Auskunft über das

Bestehen von Versicherungsschutz sowie über die Höhe der Versicherungssumme zu erteilen.

Die Vorschrift stimmt mit § 107 VVG überein.

4.5 Änderung von Anschrift und Name des Hypotheken-gläubigers

Hat der Hypothekengläubiger dem Versicherer eine Änderung seiner Anschrift oder seines

Namens nicht mitgeteilt, ist § 13 VVG auf die Anzeigen oder Mitteilungen des Versicherers

nach den §§ 142 und 143 VVG n. F. entsprechend anzuwenden. Durch diese Vorschrift wird

der bisherige § 107 a VVG ersetzt.

Page 134: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. 133

D4.6 Andere Grundpfandrechte/Eigentümergrundpfandrechte

Ist das Grundstück mit einer Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast belastet, sind die

§§ 142 – 147 VVG n. F. gem. § 148 VVG n. F. entsprechend anzuwenden. Die durch die

§§ 142 – 148 VVG n. F. begründeten Rechte können nicht zu Gunsten von Hypotheken,

Grundschulden oder Rentenschulden, die dem Versicherungsnehmer zustehen (Eigentümer-

grundpfandrechte), geltend gemacht werden. § 148 VVG n. F. ersetzt den bisherigen

§ 107 b VVG, § 149 VVG n. F. den bisherigen § 107 c VVG.

5 Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F.

Das neue VVG hat für Lebensversicherungsverträge erhebliche Änderungen zur Folge. Im

Entwurf der Bundesregierung (vgl. BT-Drucksache 16/3945) vom 20.12.2006 werden die Än-

derungen im Bereich der Lebensversicherung als zentraler Punkt der VVG-Reform beschrie-

ben. Die Lebensversicherung ist zukünftig in den §§ 150 – 171 VVG n. F. geregelt.

Die Lebensversicherung ist nach Beitragseinnahmen die größte Einzelsparte der

Versicherungswirtschaft. Sie hat herausragende Bedeutung als Teil der existenziellen

Vorsorge, insbesondere der Alters- und der Hinterbliebenenvorsorge. Damit ist aber auch eine

besondere Verantwortung verbunden, wie die Bundesregierung in der Begründung zum Regie-

rungsentwurf auch deutlich gemacht hat. Lebensversicherungskunden gehen langfristige Ver-

pflichtungen ein, die zudem einen erheblichen Anteil ihres Einkommens beanspruchen.

Handlungszwang ergab sich für den Gesetzgeber durch verschiedene Urteile der höchsten

deutschen Gerichte aus dem Jahr 2005:

� Das Bundesverfassungsgericht hat in drei Urteilen am 26.7.200581 grundlegende Anforde-

rungen an die Transparenz des Produktes Lebensversicherung formuliert und gefor-

dert, bis zum 31.12.2007 entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen. Die viel dis-

kutierte Offenlegung von Abschluss- und Vertriebskosten, aber auch die Änderung der

Berechnung der Überschussbeteiligung gehen auf die Urteile der Verfassungsrichter zu-

rück.

� Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit einem Urteil vom 12.10.200582 erneut mit der

Berechnung des Rückkaufswerts in der Lebensversicherung auseinandergesetzt und

klargestellt, dass auch früh stornierende Kunden Anspruch auf einen Mindestrückkaufs-

wert haben.

5.1 Grundlagen

Die Lebensversicherung kann gemäß § 150 Abs. 1 VVG n. F. auf die Person des Versiche-

rungsnehmers oder eines anderen genommen werden. Diese Vorschrift stimmt mit der bisheri-

gen Regelung § 159 Abs. 1 VVG n. F. überein und dient der Klarstellung, dass es sich bei ei-

ner Lebensversicherung sowohl um eine Versicherung auf eigene Rechnung als auf fremde

Rechnung handeln kann. Die Vorschrift ist gemäß § 176 VVG n. F. auch auf die Berufsunfä-

higkeitsversicherung anzuwenden.

Wird die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen und übersteigt die

vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten, so ist gemäß § 150

81 Vgl. BVerfG VersR 2006, 1127; VersR 2006, 1105. 82 Vgl. BGH VersR 2005, 1670.

Page 135: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

134 Einzelne Versicherungszweige

D Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. zur Wirksamkeit des Vertrages die schriftliche Einwilligung des an-

deren erforderlich.

Diese Regelung gilt allerdings nicht bei Kollektiv-Lebensversicherungen im Bereich der be-

trieblichen Altersvorsorge, § 150 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz VVG n. F. Bei der Bezeich-

nung Kollektiv-Lebensversicherung handelt es sich um einen neueren aufsichtsrechtlichen

Begriff, der an die Stelle des bisher allgemein gebräuchlichen Begriffs der Gruppenversiche-

rung getreten ist. Bei derartigen Verträgen fehlt es an dem für das Einwilligungserfordernis

maßgeblichen Schutzbedürfnis der versicherten Person. Eine weitere Ausnahme regelt § 211

Abs. 2 VVG n. F. für regulierte Pensionskassen.

Wird die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen, der geschäftsunfähig

oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder für den ein Betreuer bestellt ist, und steht die

Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu,

so kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, § 150 Abs. 2

Satz 2 VVG n. F.

Nach der Regelung des § 150 Abs. 3 VVG n. F. bedarf es der Einwilligung des Kindes, wenn

ein Elternteil die Versicherung auf die Person des minderjährigen Kindes nimmt, nur dann,

wenn nach dem Vertrag der Versicherer auch bei Eintritt des Todes vor der Vollendung des 7.

Lebensjahres zur Leistung verpflichtet sein soll und die für diesen Fall vereinbarte Leistung

den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt. Diese Regelung stimmt mit dem

bisherigen § 159 Abs. 3 VVG überein. Soweit die Aufsichtsbehörde einen bestimmten

Höchstbetrag für die gewöhnlichen Beerdigungskosten festgesetzt hat, so ist dieser maßgeb-

lich, § 150 Abs. 4 VVG n. F. Die Vorschrift entspricht der alten Regelung des § 159 Abs. 4

VVG.

Nach § 151 VVG n. F. wird durch die Vereinbarung einer ärztlichen Untersuchung der versi-

cherten Person ein Recht des Versicherers, die Vornahme einer solchen Untersuchung zu ver-

langen, nicht begründet. Diese Vorschrift ist nicht neu, sondern entspricht der bisherigen Re-

gelung des § 160 VVG.

5.2 Widerruf

Der Widerruf des Versicherungsnehmers ist in § 152 VVG n. F. für die Lebensversicherung

gesondert geregelt.

Nach § 152 Abs. 1 VVG n. F. beträgt die Widerrufsfrist in Abweichung von § 8 Abs. 1 Satz 1

VVG n. F. 30 Tage. Der Beginn der Widerrufsfrist bestimmt sich allerdings nach der allge-

meinen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.

In Abweichung von § 9 Satz 1 VVG n. F. hat der Versicherer gemäß § 152 Abs. 2 Satz 1 VVG

n. F. im Falle des Widerrufs auch den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile

nach § 169 VVG n. F. zu zahlen. Im Fall des § 9 Satz 2 VVG n. F. (Versicherer hat keinen

Hinweis gem. § 9 S. 1 VVG erteilt) muss der Versicherer den Rückkaufswert einschließlich

der Überschussanteile oder, wenn dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist, die für das

erste Jahr gezahlten Prämien erstatten, § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.

Die Sonderregelung des § 152 Abs. 2 Satz 1 VVG beruht auf der Vorgabe des Art. 7 der Fern-

absatzrichtlinie II. Die Sonderregelung in § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG wurde getroffen, weil der

Versicherer nach § 9 Satz 1 VVG n. F. nur die nach Zugang des Widerrufs vom Versiche-

rungsnehmer noch geleisteten Prämien erstatten muss, sofern der Versicherungsschutz verein-

Page 136: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. 135

Dbarungsgemäß schon vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Dies würde bei Lebensversiche-

rungen der in § 169 Abs. 1 VVG n. F. bezeichneten Art dazu führen, dass der Versicherer dem

widerrufenden Versicherungsnehmer den Rückkaufswert nicht auskehren muss, den dieser bei

einer Kündigung des Versicherungsvertrages beanspruchen könnte. Dieses als unbillig emp-

fundene Ergebnis soll mit der abweichenden Regelung vermieden werden.83 Liegen die Vor-

aussetzungen des § 9 Satz 2 erster HS VVG n. F. vor und hat der Versicherungsnehmer noch

keine Leistungen des Versicherers in Anspruch genommen, so steht ihm das in § 152 Abs. 2

Satz 2 VVG geregelte Wahlrecht zu.

Abweichend von § 33 Abs. 1 VVG n. F. ist die einmalige oder die erste Prämie unverzüglich

nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen, § 152 Abs. 3

VVG n. F. Da nach § 152 Abs. 1 VVG n. F. die Widerrufsfrist 30 Tage beträgt, wird für die

Lebensversicherung der Zeitpunkt der Prämienfälligkeit entsprechend angepasst.

5.3 Überschussbeteiligung

Nach § 153 Abs. 1 VVG n. F. steht dem Versicherungsnehmer eine Beteiligung an dem Über-

schuss und den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschuss-

beteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen, wobei die Überschussbetei-

ligung gemäß § 153 Abs. 1 letzter HS VVG n. F. nur insgesamt ausgeschlossen werden kann.

Diese Regelung ist neu. Das geltende VVG regelt die Überschussbeteiligung nicht ausdrück-

lich. Der in § 153 Abs. 1 letzter HS VVG n. F. geregelte Ausschluss der Überschussbeteili-

gung kann zwar durch Aufnahme einer entsprechenden Klausel in den allgemeinen Lebens-

versicherungsbedingungen vereinbart werden, allerdings muss der Versicherer das Transpa-

renzgebot beachten. Auch wird ein Versicherungsvertrag ohne Überschussbeteiligung kaum

von einem Versicherungsvermittler empfohlen werden können, wenn es marktüblich ist, eine

Überschussbeteiligung anzubieten.

Im Übrigen wird der Begriff der Überschussbeteiligung erheblich erweitert. Während sich der

Begriff der Überschussbeteiligung bisher allein auf den sich aus dem Jahresabschluss erge-

benden Überschuss bezog, muss der Versicherungsnehmer nun entsprechend den Vorgaben

des Bundesverfassungsgerichts auch an den Bewertungsreserven beteiligt werden, die nach

Maßgabe des neuen § 54 der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung im

Anhang auszuweisen sind. Ausdrücklich hatte das BVerfG dem Gesetzgeber vorgegeben,

Vorkehrungen dafür zu treffen, dass stille Reserven bei Vermögenswerten, die mithilfe der

Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer gebildet worden sind, bei der Berechnung des

Rohüberschusses berücksichtigt werden.

Bei den Bewertungsreserven handelt es sich um den Unterschiedsbetrag zwischen dem

Buchwert und dem aktuellen Marktwert des Lebensversicherers und seiner Anlagemittel.

Ist dieser positiv, spricht man von stillen Reserven, ist er negativ, von stillen Lasten.

83 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 95.

Page 137: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

136 Einzelne Versicherungszweige

D

Beispiel

Ein Lebensversicherer hat Beiträge seiner VN in eine 10-jährige Anleihe investiert, die er für

1.000.000 Euro erworben hat. Zum Bilanzstichtag könnte die Anleihe für 1.100.000 Euro ver-

kauft werden. Der Lebensversicherer bilanziert nach dem sogenannten Niederstwertprinzip

(§ 252 HGB) und führt diese Anleihe in den Aktiva seiner Bilanz mit einem Wert von

1.000.000 Euro auf, solange er diese nicht verkauft hat und damit den Gewinn realisieren

konnte. Das bedeutet, dass der Lebensversicherer eine stille Reserve von 100.000 Euro auf-

weist.

Diese stillen Reserven beruhen zwar auf den Beitragszahlungen der VN, so dass eine Beteili-

gung hieran ebenso wie an den ausgewiesenen, realisierten Gewinnen gerechtfertigt erscheint.

Andererseits sind stille Reserven aber nicht garantiert, da sie noch nicht realisiert wurden.

Dass diese sehr schnell zusammenschmelzen oder sogar in größere stille Lasten umschlagen

können, hat die Börsenkrise Anfang des Jahrzehnts deutlich gezeigt.

Beispiel

Ein Lebensversicherer hat einen Teil der Beiträge seiner VN in Aktien investiert wegen der

Aussicht auf höhere Renditen. Diese hat er zu 1.000.000 Euro gekauft. Im ersten Jahr ist der

Aktienkurs gestiegen, der Versicherer könnte die Aktien zum Kurs von 1.200.000 Euro verkau-

fen. Er bilanziert diese aber nach dem Niederstwertprinzip zum Anschaffungskurs von

1.000.000 Euro. Im zweiten Jahr kommt es zu einem Börsencrash, die Aktien verlieren einen

großen Teil ihres Wertes und wären nur noch zu 600.000 Euro verkäuflich. Bis der Lebensver-

sicherer dies bilanziert, treten stille Lasten in Höhe von 1.000.000 Euro – 600.000 Euro =

400.000 Euro auf.

Stille Reserven sind daher unabdingbar, um Schwankungen in der Wertentwicklung ausglei-

chen und die sehr langfristigen Garantien im Lebensversicherungsgeschäft sicherstellen zu

können.

Die Überschussbeteiligung muss nach § 153 Abs. 2 VVG n. F. nach einem verursachungs-

orientierten Verfahren durchgeführt werden, andere vergleichbare angemessene Verteilungs-

grundsätze können vereinbart werden. Das bedeutet, dass wie bisher gleichartige Versiche-

rungsverträge nach anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätzen zu Bestandsgrup-

pen und Gewinnverbänden zusammengefasst werden können und sich die Verteilung des

Überschusses auf diese Bestandsgruppen und Gewinnverbände daran zu orientieren hat, in

welchem Umfang die Gruppe oder der Gewinnverband zur Entstehung des Überschusses bei-

getragen hat.84

Schon wegen der Komplexität des Sachverhalts führen die neuen Regelungen über die Über-

schussbeteiligung nicht per se dazu, dass die Transparenz der Überschussbeteiligung wesent-

lich verbessert wird.85

§ 153 VVG n. F. definiert die Begriffe „Bewertungsreserve“ und „Überschuss“ nicht. Zum

Überschuss und letztlich zur Frage der Buchwerte der Kapitalanlagen verweist die Begrün-

dung des Regierungsentwurfs auf den Jahresabschluss, der nach dem jeweils maßgeblichen

84 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 96; näher zum Begriff der Verursachenorientierung: Engeländer, Überschussbeteiligung nach

dem Regierungsentwurf zum VVG, VersR 2007, 155, 157 f. 85 Vgl. Engeländer, NVersZ 2000, 401; Engeländer, VersR 2007, 155, 165.

Page 138: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. 137

DRecht des Sitzstaats aufgestellt worden ist. Es handelt sich um Abschlüsse auf der Grundlage

der EU-Richtlinien 91/674/EWG und 2003/51/EG.86 Damit ist klargestellt, dass mit Über-

schuss der handelsrechtlich festgestellte Rohüberschuss im Jahresabschluss des Versiche-

rungsunternehmens gemeint ist. Der Überschuss wird damit allein durch das Handelsrecht be-

stimmt.

Bezüglich der Bewertungsreserve stellt die Gesetzesbegründung klar, dass nur die Bewer-

tungsreserven der Kapitalanlagen gemeint sind. Die Differenzierung zwischen der früher er-

hobenen Forderung nach Verursachungsgerechtigkeit und Verursachungsorientierung spiegelt

den kollektiven Charakter der Überschussbeteiligung wider, deren Beachtung auch eine Forde-

rung des Bundesverfassungsgerichts ist.87 Verursachungsorientierung bedeutet demnach, dass

nicht der vom einzelnen Vertrag in getrennter Rechnung erwirtschaftete Überschuss zurück

gewährt wird.88

Dieses Verfahren unterscheidet sich demnach grundsätzlich von dem Verfahren z. B. in der

fondsgebundenen Lebensversicherung oder auch dem z. B. in Belgien üblichen Überschussbe-

teiligungsverfahren, wo für jede Beitragszahlung streng die Wertentwicklung der damit er-

worbenen Kapitalanlagen verfolgt wird und die Versicherungsnehmer exakt dementsprechend

am Überschuss beteiligt werden, als die individuelle Wertschwankungen der Kapitalanlagen

auch tatsächlich ohne jeden Ausgleich individuell zugewiesen werden.89

Die Ermittlung der Beteiligung an den Bewertungsreserven erfolgt in zwei zu unterscheiden-

den Schritten. Einmal jährlich müssen die Bewertungsreserven bestimmt und rechnerisch dem

Versicherungsnehmer nach einem verursachensorientierten Verfahren zugeordnet werden.

Zum anderen erfolgt bei Beendigung des Vertrags eine Zuteilung und Auszahlung, für die das

Gesetz einen bestimmten Mindestbetrag festlegt, in dessen Höhe der individuelle Versiche-

rungsnehmer mit der Vertragsbeendigung einen besonderen, gesetzlich begründeten Rechtsan-

spruch erhält. Die Höhe dieses Anspruchs bestimmt sich nach dem für den Zeitpunkt des Aus-

scheidens maßgeblichen durch das verursachungsorientierte Verfahren bestimmten Wert, nicht

unbedingt durch den zuletzt im ersten Schritt bestimmten jährlichen Wert.

Es werden nicht die Bewertungsreserven selbst ausgeschüttet. Vielmehr wird die Entwicklung

sowohl der Bewertungsreserven als auch des Vertrags seit der letzten rechnerischen Zuord-

nung nach § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. innerhalb des anzuwendenden verursachungsorien-

tierten Verfahrens berücksichtigt. Um die Immunisierung gegen Schwankungen der Kapital-

märkte angemessen erreichen zu können, ist eine ausreichend hohe Rückstellung für Beitrags-

rückerstattung erforderlich. Hierzu sollten nach Auffassung in der Literatur die Vorschriften in

§ 28 Abs. 6 und 7 RechVersV, insbesondere aber auch § 21 Abs. 2 Nr. 1 KStG den neuen Be-

dürfnissen angepasst werden.90

Dass das verursachungsorientierte Verfahren tatsächlich etwas Statisches ist, das, einmal an-

gewandt, dauerhaft widerspruchsfrei praktiziert werden kann, dürfte zweifelhaft sein. Die Zu-

sammensetzung des Bestands kann sich ebenso ändern wie die Verhältnisse, z. B. im Handels-

recht. Ein einmal praktiziertes verursachungsorientiertes Verfahren kann demzufolge im Laufe

der Jahrzehnte seine Verursachungsorientierung durchaus verlieren.91

86 Vgl. Engeländer, VersR 2007, 155, 157. 87 Vgl. Engeländer, a. a. O. 88 Vgl. Engeländer, a. a. O. 89 Vgl. Engeländer, VersR 2007, 155, 158. 90 Vgl. Engeländer, VersR 2007, 155, 159. 91 Vgl. Engeländer, VersR 2007, 155, 161.

Page 139: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

138 Einzelne Versicherungszweige

D Der Versicherer hat die Bewertungsreserven nach § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. jährlich zu

ermitteln und nach dem oben erwähnten verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zu-

zuordnen. Die Ermittlung bestimmt sich nach der Regelung des § 54 der Versicherungsunter-

nehmens-Rechnungslegungsverordnung. Der Versicherungsnehmer muss jährlich über seinen

Anteil an den Bewertungsreserven informiert werden, eine entsprechende Verpflichtung des

Versicherers wird in der VVG-InfoVO festgelegt.

Einen unbedingten Anspruch auf Beteiligung an den zugeordneten Bewertungsreserven er-

wirbt der Versicherungsnehmer oder in den Fällen des § 159 VVG n. F. der als bezugsberech-

tigt bezeichnete Dritte aber nicht sofort, sondern erst bei Beendigung des Vertrages durch

Zeitablauf oder Kündigung. Dies ergibt sich aus § 153 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F., wonach bei

der Beendigung des Vertrages der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zuge-

teilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt wird. Eine frühere Zuteilung kann zwischen

Versicherungsnehmer und Versicherer allerdings nach § 153 Abs. 3 Satz 2 letzter HS VVG

n. F. vereinbart werden. Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Kapitalausstattung bleiben unbe-

rührt, § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG n. F.

Die ausdrücklich vorgesehene Vereinbarung anderer Grundsätze muss ebenfalls zu einem an-

gemessenen Ergebnis führen. Der Versicherer hat daher die Möglichkeit, Grundsätze zu ver-

einbaren, die zwar nicht streng verursachungsorientiert, gleichwohl aber angemessen sind. Al-

lerdings müssen die in diesem Falle formulierten AVB auch die gesetzliche Vorgabe der An-

gemessenheit wahren, dieses Kriterium ist ausdrücklich in § 153 Abs. 2 VVG n. F. aufge-

nommen worden.

Bei Rentenversicherungen ist die Beendigung der Ansparphase der nach § 153 Abs. 3 Satz 2

VVG n. F. maßgebliche Zeitpunkt.

Durch diese getroffene Regelung wird berücksichtigt, dass den sog. stillen Reserven eines

Versicherers eine wichtige Rolle als Risikopuffer zukommt, damit er Schwankungen des Kapi-

talmarkts ausgleichen kann. Bei der Beteiligung des Versicherungsnehmers an den Überschüs-

sen ist nämlich nicht nur das Interesse des einzelnen Versicherungsnehmers, sondern auch das

Interesse der übrigen Versicherten als Risikogemeinschaft zu berücksichtigen.

Bei Verträgen mit Überschussbeteiligung hat der Versicherungsnehmer regelmäßig ein Inte-

resse daran, schon vor Vertragsabschluss zu erfahren, welche Leistungen er vom Versicherer

über die garantierten Leistungen hinaus zu erwarten hat. Auch für den Vermittler eines Le-

bensversicherungsvertrages ist diese Information wichtig. Macht der Versicherer im Zusam-

menhang mit dem Angebot oder dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte Angaben

zur Höhe von möglichen Leistungen über die vertraglich garantierten Leistungen hinaus, so

muss er demzufolge gemäß § 154 Abs. 1 VVG n. F. dem Versicherungsnehmer eine Modell-

rechnung übermitteln, bei der die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung der Rech-

nungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen dargestellt

wird.

Hiervon ausgenommen sind Risikoversicherungen und Verträge, die Leistungen der in § 54 b

Abs. 1 und 2 des VAG bezeichneten Art vorsehen. Zwar ist auch mit dieser Zusatzinformation

eine Fehlinformation des Versicherungsnehmers nicht per se ausgeschlossen, er hat aber je-

denfalls eine vertretbare Berechnung der möglichen Entwicklung seiner Ablaufleistung.

Page 140: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. 139

DDie in der Vorschrift angesprochenen Zinssätze werden durch die VVG-InfoVO geregelt. Sie

betragen nach § 2 Abs. 3 des VVG-InfoV

a) Höchstrechnungszinssatz, multipliziert mit 1,67,

b) Zinssatz wie bei a), zuzüglich 1 %,

c) Zinssatz wie bei a), abzüglich 1 %.

Nach § 154 Abs. 2 VVG n. F. muss der Versicherer den Versicherungsnehmer klar und ver-

ständlich darauf hinweisen, dass es sich bei der in § 154 Abs. 1 VVG n. F. geregelten Modell-

rechnung nur um ein Rechenmodell handelt, dem fiktive Annahmen zugrunde liegen und aus

dem der Versicherungsnehmer keine vertraglichen Ansprüche gegen den Versicherer ableiten

kann. Dadurch soll vermieden werden, dass der Versicherungsnehmer glaubt, er könne sich

auf Versicherungsleistungen in der berechneten Höhe verlassen.92

Wurde eine Versicherung mit Überschussbeteiligung vereinbart, so hat der Versicherer den

Versicherungsnehmer jährlich in Textform über die Entwicklung seiner Ansprüche unter Ein-

beziehung der Überschussbeteiligung zu unterrichten, § 155 Satz 1 VVG n. F. Darüber hinaus

muss er nach § 155 Satz 2 VVG n. F. den Versicherungsnehmer auf Abweichungen der tat-

sächlichen Entwicklung von den anfänglichen Angaben hinweisen, wenn er bezifferte Anga-

ben zur möglichen zukünftigen Entwicklung der Überschussbeteiligung gemacht hat.

Mit dieser Vorschrift trägt der Gesetzgeber dem Interesse des Versicherungsnehmers Rech-

nung, während der bei Lebensversicherungen teilweise sehr langen Vertragslaufzeit Klarheit

über die Entwicklung seiner Ansprüche zu erhalten. Die Vorschrift gilt nicht nur für die gesi-

cherten Zahlungen, die über die ursprünglich garantierten Leistungen hinausgehen, sondern

auch für die Abweichungen der tatsächlichen von der bei Vertragsschluss in Aussicht gestell-

ten Entwicklung der Leistung des Versicherers. Der Versicherer braucht allerdings keine neue,

aktualisierte Modellrechnung zu übermitteln.93

5.4 Kenntnis und Verhalten der versicherten Person

Gemäß § 156 VVG ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch dessen Kennt-

nis und Verhalten zu berücksichtigen, soweit nach dem VVG die Kenntnis und das Verhalten

des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind.

Diese Vorschrift übernimmt inhaltlich unverändert die bisherige Regelung des § 161 VVG.

Sie ist erforderlich, da Lebensversicherungen regelmäßig auf den Tod eines anderen genom-

men werden, aber es sich nicht um Versicherungen auf fremde Rechnung im Sinne der Vor-

schriften der §§ 43 ff. VVG n. F. handelt und deshalb § 47 VVG n. F. nicht anwendbar ist.

5.5 Altersangabe und Gefahränderung

Wenn das Alter der versicherten Person unrichtig angegeben wurde, so verändert sich nach

§ 157 Satz 1 VVG n. F. die Leistung des Versicherers nach dem Verhältnis, in welchem die

dem wirklichen Alter entsprechende Prämie zu der vereinbarten Prämie steht. Wegen der Ver-

letzung der Anzeigepflicht kann der Versicherer in diesem Fall nur vom Vertrag zurücktreten,

wenn er den Vertrag bei richtiger Altersangabe nicht geschlossen hätte.

92 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 97. 93 Vgl. a. a. O.

Page 141: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

140 Einzelne Versicherungszweige

D Diese Vorschrift ist zum Teil neu, denn § 162 VVG regelte nur den Fall, dass das Alter der

versicherten Person zu niedrig angegeben wurde. Der seltene Fall einer zu hohen Altersangabe

bleibt hingegen ungeregelt. 94

Änderungen der Gefahr sind in der Lebensversicherung in § 158 VVG n. F. gesondert gere-

gelt. Nach § 158 Abs. 1 VVG n. F. liegt eine Gefahrerhöhung nur bei einer solchen Änderung

der Gefahrumstände vor, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen

werden sollen, wobei diese Vereinbarung überdies der Textform bedarf.

Auf eine Gefahrerhöhung kann sich der Versicherer nach § 158 Abs. 2 VVG n. F. außerdem

nicht mehr berufen, wenn seit der Gefahrerhöhung fünf Jahre verstrichen sind. Dies gilt aller-

dings nicht, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 VVG n. F. vorsätz-

lich oder gar arglistig verletzt hat, in diesem Fall gilt eine 10-Jahresfrist, § 158 Abs. 2 VVG

n. F.

§ 41 VVG ist nach § 158 Abs. 3 VVG neu mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Prämien-

herabsetzung nur wegen solcher Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die

ebenfalls ausdrücklich als Gefahrminderung zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Ge-

fahrerhöhung und Gefahrminderung sind in der Lebensversicherung oft schwer voneinander

abzugrenzen, deshalb muss bei Vertragsschluss eindeutig festgelegt werden, unter welchen

Umständen eine Prämienänderung vereinbart werden soll.

5.6 Bezugsberechtigung

Nach § 159 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherungsnehmer im Zweifel berechtigt, auch ohne

Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen und an die

Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Diese Vorschrift übernimmt inhalt-

lich unverändert die bisherige Regelung des § 166 Abs. 1 VVG. Sie gilt für alle Lebensversi-

cherungen.

Ein widerruflich Bezugsberechtigter erwirbt nach § 159 Abs. 2 VVG n. F. das Recht auf die

Leistung des Versicherers erst mit Eintritt des Versicherungsfalls, ein unwiderruflich Bezugs-

berechtigter hingegen nach § 159 Abs. 3 VVG bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberech-

tigter. Erfolgt demzufolge im Versicherungsvertrag die Benennung des Bezugsberechtigten als

unwiderruflich, so soll dieser das Recht auf die Leistung schon von Anfang an erwerben. Die-

se Fallkonstellation kann in Betracht kommen, wenn der Versicherungsnehmer den Bezugsbe-

rechtigten z. B. schon bei Abschluss des Vertrages endgültig sichern will. Eine vertraglich ab-

weichende Regelung ist gemäß § 171 VVG n. F. möglich.

Wenn mehrere Personen ohne Bestimmung ihrer Anteile als Bezugsberechtigte bezeichnet

sind, so können Schwierigkeiten auftreten, zu welchen Anteilen sie bezugsberechtigt sind. Aus

diesem Grunde bestimmt § 160 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F., dass sie zu gleichen Teilen bezugs-

berechtigt sind, wobei der von einem Bezugsberechtigten nicht erworbene Anteil den übrigen

Bezugsberechtigten anwächst, § 160 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.

Soll die Leistung des Versicherers hingegen nach dem Tod des Versicherungsnehmers den Er-

ben des Versicherungsnehmers zukommen, so sind dies im Zweifel diejenigen, die zur Zeit

des Todes als Erben berufen sind, und zwar nach dem Verhältnis ihrer Erbteile. Dabei hat die

Ausschlagung der Erbschaft auf die Berechtigung keinen Einfluss, auch der die Erbschaft

94 Für eine analoge Anwendung in diesem Fall Prölss/Martin – Kollhosser, § 162, Rz. 2.

Page 142: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. 141

DAusschlagende behält somit seinen Anspruch auf die Leistung des Versicherers, § 160 Abs. 2

VVG n. F.

Wird das Recht auf die Leistung des Versicherers von dem bezugsberechtigten Dritten hinge-

gen nicht erworben, so steht es dem Dritten zu. Dies entspricht der bisherigen in § 168 VVG

getroffenen Regelung. Auch wenn der Fiskus als Erbe berufen ist, steht ihm gleichwohl ein

Bezugsrecht im Sinne des § 160 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. nicht zu, dies ist in § 160 Abs. 4

VVG n. F. ausdrücklich geregelt.

5.7 Selbsttötung und Tötung durch Leistungsberechtigte

Ein Lebensversicherer ist leistungsfrei, wenn bei einer Versicherung für den Todesfall die ver-

sicherte Person vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versicherungsvertrags einen

Suizid begeht, § 161 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. Eine Ausnahme liegt nur dann vor, wenn der

Suizid in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung

der Geistestätigkeit begangen wurde, was vom Versicherer zu beweisen ist. Die Dreijahresfrist

kann nach § 161 Abs. 2 VVG n. F. durch eine Einzelvereinbarung, also nicht durch AVB, er-

höht werden.

Auch wenn der Versicherer nach § 161 Abs. 1 VVG n. F. leistungsfrei ist, so muss er gleich-

wohl den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG zahlen, § 161

Abs. 3 VVG n. F. Letzteres ist wie bisher halbzwingend, § 171 VVG n. F.

Der Versicherer ist ebenfalls nicht eintrittspflichtig, wenn bei einer Versicherung für den To-

desfall, die auf einen anderen als den Versicherungsnehmer genommen wurde, der Versiche-

rungsnehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod des anderen herbei-

führt. Wurde ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, so gilt diese Bezeichnung als nicht

erfolgt, wenn dieser vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod der versicherten

Person herbeiführte, § 162 Abs. 2 VVG n. F. Diese Vorschrift übernimmt inhaltlich unverän-

dert § 170 VVG.

5.8 Prämien- und Leistungsänderung, Bedingungsanpassung, prämienfreie Versicherung

Nach § 163 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer bei Erfüllung der folgenden Voraussetzungen

zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt:

� Der Leistungsbedarf darf sich nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber

den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämien geändert haben.

� Die nach den berichtigten Berechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie muss ange-

messen und erforderlich sein, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu

gewährleisten, und

� ein unabhängiger Treuhänder muss die Rechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen

der Nr. 1 und 2 überprüft und bestätigt haben.

Die Mitwirkung eines unabhängigen Treuhänders entfällt gem. § 163 Abs. 4 VVG n. F., wenn

die Neufestsetzung oder die Herabsetzung der Versicherungsleistung der Genehmigung der

Aufsichtsbehörde bedarf.

Page 143: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

142 Einzelne Versicherungszweige

D Eine Neufestsetzung der Prämie ist selbst bei Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen

ausgeschlossen,

� wenn die Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt der Erst- oder Neukalkulation unzurei-

chend kalkuliert waren und

� ein ordentlicher und gewissenhafter Aktuar dies hätte erkennen müssen, § 163 Abs. 1

Satz 2 VVG n. F.

Der Versicherer soll demnach nicht die Nachteile einer unzureichenden Risikoeinschätzung

auf den Versicherungsnehmer abwälzen können.

Ist der Versicherer zur Prämienerhöhung berechtigt, so kann der Versicherungsnehmer nach

§ 163 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. anstelle der Prämienerhöhung auch die Herabsetzung der Ver-

sicherungsleistung verlangen. Handelt es sich um eine prämienfreie Versicherung, so kann der

Versicherer unter den Voraussetzungen des § 163 Abs. 1 VVG n. F. die Herabsetzung der Ver-

sicherungsleistung vornehmen.

§ 163 Abs. 1 VVG n. F. regelt ein gesetzliches Recht des Versicherers zur Prämienanpassung,

auch wenn eine entsprechende vertragliche Klausel in den allgemeinen Versicherungsbedin-

gungen nicht enthalten ist. Derartige Klauseln, die als Prämienanpassungsrecht auch in ande-

ren Fällen vorliegen, werden durch die Vorschrift zwar nicht ausgeschlossen, unterliegen aber

der üblichen AGB-rechtlichen Kontrolle.

Eine inhaltliche Änderung der Voraussetzungen für die Neufestsetzung der Prämie gegenüber

§ 172 VVG a. F. sieht die Vorschrift nicht vor. Eine Anpassung der Prämie ist allerdings aus-

geschlossen, wenn diese erkennbar unzureichend kalkuliert wurde.

Die Neufestsetzung der Prämie und die Herabsetzung der Versicherungsleistungen werden zu

Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder die Her-

absetzung der hierfür maßgeblichen Gründe einem Versicherungsnehmer folgt, § 163 Abs. 3

VVG n. F.

Eine Bedingungsanpassung ist dem Lebensversicherer nach Maßgabe des § 164 VVG n. F.

möglich. Die Vorschrift ersetzt die bisherige Vorschrift des § 172 Abs. 2 VVG, die einige Fra-

gen offen lässt und zu Auslegungsschwierigkeiten geführt hat.95 Ist eine Bestimmung in all-

gemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch höchstrichterliche Entscheidung

oder bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt worden, so kann der Versicherer

diese durch eine neue Regelung ersetzen,

� wenn dies zur Fortführung des Vertrages notwendig ist

� oder das Festhalten an dem Vertrag ohne neue Regelung für eine Vertragspartei auch unter

Berücksichtigung der Interessen der anderen Vertragspartei eine unzumutbare Härte dar-

stellen würde.

§ 164 Abs. 1 VVG n. F. verlangt für eine Bedingungsanpassung zunächst einen bestandskräf-

tigen Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde oder der Kartellbehörde oder eine höchstrichterli-

che Entscheidung des BGH oder eine rechtskräftige Entscheidung eines Oberlandesgerichts.

Der Versicherer kann demzufolge nicht in eigener Verantwortung über die Unwirksamkeit ei-

ner Bedingung entscheiden.

Die neue Regelung ist nach § 164 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. nur wirksam, wenn sie unter Wah-

rung des Vertragsziels die Belange der Versicherungsnehmer angemessen berücksichtigt. Sie 95 Vgl. Prölss/Martin – Kollhosser, § 172, Rz. 17 ff.

Page 144: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. 143

Dwird nach § 164 Abs. 2 VVG n. F. zwei Wochen, nachdem die neue Regelung und die hierfür

maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer mitgeteilt wurden, Vertragsbestandteil.

Die Anpassung wirkt allerdings nur für die Zukunft, die Vertragsparteien können aber einen

anderen Zeitpunkt für das Wirksamwerden, z. B. rückwirkend zum Vertragsschluss, vereinba-

ren, sofern dieser für den Vertragspartner nicht nachteilig ist.96

Die Vorschrift gilt über § 176 VVG n. F. und § 203 Abs. 4 VVG n. F. auch für die Berufsun-

fähigkeits- und die Krankenversicherung. Eine allgemeine Anpassungsklausel für die anderen

Versicherungszweige sieht das VVG hingegen nicht vor. Dies hätte einen nach Auffassung des

Gesetzgebers nicht akzeptablen Eingriff in bestehende Verträge bedeutet.

Nach § 165 Abs. 1 VVG kann der Versicherungsnehmer jederzeit für den Schluss der laufen-

den Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versiche-

rung verlangen, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungsleistung erreicht wird. Ist

dies nicht der Fall, so hat der Versicherer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 VVG den auf die Versiche-

rung entfallenden Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG aus-

zuzahlen.

Die prämienfreie Leistung muss nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit

den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation unter Zugrundelegung des Rückkaufswerts

nach § 169 Abs. 3-5 VVG n. F. berechnet und im Vertrag für jedes Versicherungsjahr angege-

ben werden. Die prämienfreie Leistung ist nach § 165 Abs. 3 VVG n. F. für den Schluss der

laufenden Versicherungsperiode unter Berücksichtigung von Prämienrückständen zu berech-

nen, die Ansprüche des Versicherungsnehmers aus der Überschussbeteiligung bleiben aller-

dings unberührt. § 165 Abs. 2 VVG n. F. verweist für die Berechnung der prämienfreien Ver-

sicherungsleistung somit ergänzend auf § 169 Abs. 3 – 5 VVG n. F., um einen Gleichlauf der

Berechnung mit dem Rückkaufswert im Falle der Kündigung sicherzustellen.

5.9 Kündigung

Gemäß § 166 Abs. 1 VVG n. F. wandelt sich mit der Kündigung des Versicherungsverhältnis-

ses durch den Versicherer die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um, wobei

§ 165 VVG n. F. auf die Umwandlung angewendet wird.

Kündigt der Versicherer wegen Verzuges mit der Zahlung der Folgeprämie und tritt der Versi-

cherungsfall nach der Kündigung ein, so ist der Versicherer nach § 166 Abs. 2 VVG n. F. zu

der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versiche-

rungsfalls die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte. Setzt der

Lebensversicherer dem Versicherungsnehmer zur Zahlung der Folgeprämie eine Frist, so muss

er den Versicherungsnehmer auch über die Rechtsfolge der eintretenden Umwandlung der

Versicherung informieren, § 166 Abs. 3 VVG.

Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und

Arbeitnehmer abgeschlossen wurde, muss der Versicherer die versicherte Person über die Be-

stimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 VVG n. F. und die eintretende Umwandlung der

Versicherung in Textform informieren und außerdem eine Zahlungsfrist von mindestens zwei

Monaten einräumen. Der Gesetzgeber hat hier einen besonderen Schutz der bezugsberechtig-

ten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgesehen.

96 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 101.

Page 145: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

144 Einzelne Versicherungszweige

D Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der lau-

fenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlan-

gen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht, wobei die Kosten der Um-

wandlung der Versicherungsnehmer zu bezahlen hat, § 167 VVG n. F. Die Vorschrift betrifft

die Umwandlung der Lebensversicherung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes.

Das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers ist in der Lebensversicherung in § 168 VVG

n. F. geregelt. Muss er laufende Prämien zahlen, so kann er das Versicherungsverhältnis jeder-

zeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen, § 168 Abs. 1 VVG n. F.

Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich um einen Versicherungsvertrag handelt, der für die Al-

tersvorsorge bestimmt ist und bei dem der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer eine

Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen hat, § 168 Abs. 3 erster HS

VVG. Der Wert der vom Ausschluss der Verwertbarkeit betroffenen Ansprüche darf die in

§ 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bestimmten Beträge nicht übersteigen.

Bei einer Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der

Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, steht das Kündigungsrecht dem Versicherungsneh-

mer auch dann zu, wenn eine Einmalprämie vereinbart ist, § 168 Abs. 2 VVG n. F. Damit ist

der Anwendungsbereich des bisherigen § 165 Abs. 2 VVG auf alle Lebensversicherungen, die

Versicherungsschutz für ein Risiko bieten, bei dem der Eintritt der Leistungspflicht gewiss ist,

erweitert worden.

5.10 Rückkaufswert

Wie bereits oben ausgeführt, stellt die Neuregelung für die Berechnung des Rückkaufswertes

einen wesentlicher Baustein der VVG-Reform dar.97 Der BVerfG hatte z. B. in seinem Urteil

vom 26.7.2005 moniert, dass dem Versicherungsnehmer in den ersten Jahren im Falle vorzei-

tiger Vertragsbeendigung trotz hoher Prämienzahlungen nur ein außerordentlich niedriger

Rückkaufswert zur Verfügung steht.98 Der BGH hatte durch Urteil vom 12.10.2005 klarge-

stellt, dass der Rückkaufswert bei Kündigung einen Mindestwert nicht unterschreiten darf.99

Der BGH ist für den Fall der Kündigung von einem Mindestwert in Höhe der Hälfte des unge-

zillmerten Deckungskapitals ausgegangen.

Nach der VVG-Reform ist von Folgendem auszugehen: Kündigt der Versicherungsnehmer ei-

ne Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Ver-

pflichtung des Versicherers gewiss ist oder wird eine solche Versicherung durch Rücktritt oder

Anfechtung des Versicherers aufgehoben, so muss der Versicherer den Rückkaufswert zahlen,

§ 169 Abs. 1 VVG n. F. Die durch den Versicherer erfolgte Kündigung wird somit ausge-

klammert. Insoweit ist nach § 166 Abs. 1 VVG n. F. nur die Umwandlung in eine prämienfreie

Versicherung vorgesehen.

Auch Rücktritt und Anfechtung durch den Versicherungsnehmer erfasst § 169 Abs. 1 VVG

n. F. nicht, in diesen Fällen wird der Vertrag nach allgemeinen Regeln abgewickelt.

Nach § 169 Abs. 2 VVG n. F. ist der Rückkaufswert außerdem nur insoweit zu zahlen, als die-

ser die Leistung bei einem Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht übersteigt.

Der danach nicht gezahlte Teil des Rückkaufswertes wird für eine prämienfreie Versicherung

verwendet. Etwas anderes gilt für den Fall des Rücktritts oder der Anfechtung durch den Ver-

97 Vgl. allgemein Engeländer, VersR 2007, 1297. 98 Vgl. BVerfG VersR 2005,1109. 99 Vgl. BGH VersR 2005, 1565.

Page 146: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. 145

Dsicherer, hier ist nach § 169 Abs. 2 Satz 3 VVG n. F. der volle Rückkaufswert zu zahlen. Die

Auszahlung des Rückkaufswerts soll somit auf die Ausnahmefälle beschränkt werden, bei de-

nen der nach den Absätzen 3 – 6 berechnete Rückkaufswert höher als die Versicherungsleis-

tung zum Zeitpunkt der Kündigung ist.

Die Kernvorschrift zur Berechnung des Rückkaufswerts ist § 169 Abs. 3 VVG n. F. In § 169

Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. wird der Rückkaufswert als das nach den anerkannten Regeln der

Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss

der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung definiert.

Bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses muss dies mindestens der Betrag des De-

ckungskapitals sein, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und

Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt, wobei die aufsichtsrechtlichen Rege-

lungen über die Höchstzillmersätze unberührt bleiben. Damit ist an die Stelle des Zeitwerts ei-

ne möglichst klare und nachvollziehbare Berechnung des Rückkaufswerts getreten, die einer-

seits dem Versicherungsnehmer bei der Inanspruchnahme des Kündigungsrechts den durch die

gezahlten Prämien angesparten Wert des Vertrages gewährt, andererseits den Versicherer aber

weder über seine bereits entstandenen Verpflichtungen hinaus belastet noch ihm gestattet,

Vorteile aus der Tatsache der Kündigung zu ziehen.

Eine andere Regelung gilt gemäß § 169 Abs. 4 VVG n. F. für fondsgebundene Versicherungen

und andere Versicherungen, die Leistungen der in § 54 b des VAG bezeichneten Art vorsehen,

hier wird der Rückkaufswert als der nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik

berechnete Zeitwert der Versicherung definiert.

§ 169 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. regelt darüber hinaus die sog. Frühstornofälle, bei denen die

bisherige Praxis zur Berechnung des Rückkaufswertes dazu führte, dass zumindest in den ers-

ten zwei Vertragsjahren kein Rückkaufswert vorhanden war. Dies hat der Gesetzgeber als un-

angemessen angesehen. Dem kündigenden Versicherungsnehmer soll auch in diesen Fällen ein

Mindestrückkaufswert zustehen.100 Darüber hinaus sind Stornoabzüge gemäß § 169 Abs. 5

VVG n. F. nur berechtigt, wenn sie vereinbart, beziffert und angemessen sind und es sich nicht

um nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten handelt, § 169 Abs. 5 Satz 1 VVG n. F.

Die Regelung knüpft an das sog. Riester-Modell nach dem durch Art. 7 des Gesetzes vom

5.7.2004 geänderten Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz vom 26.6.2001 an. Die Vor-

schrift wird flankiert durch die VVG-InfoV, wonach der Versicherungsnehmer vor Abgabe

seiner Vertragserklärung über die Höhe und Verteilung der ihn belastenden Abschluss- und

Vertriebskosten zu informieren ist.

100 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 102.

Page 147: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

146 Einzelne Versicherungszweige

D

Beispiel

Ein VN kündigt nach zwei Jahren seine auf 20 Jahre abgeschlossene Lebensversicherung, in

die er 3.000 Euro jährlich oder insgesamt 6.000 Euro einbezahlt hat. Der Vermittler hatte 40

Promille Abschlussprovision erhalten, dazu kamen weitere 10 Promille sonstiger Abschluss-

kosten. Das Deckungskapital wurde um 20 Jahre x 3.000 Euro = 60.000 Euro Beitragssumme x

50 Promille = 3.000 Euro reduziert. Nach bisheriger Vorgehensweise hätte der VN einen Rück-

kaufswert von 4.000 Euro eingezahlte Prämien – 3.000 Euro Abschlusskosten = 1.000 Euro er-

halten.

Nach neuem Recht hat der Versicherer zunächst die Abschlusskosten auf 40 Promille x 60.000

Euro Beitragssumme = 2.400 Euro zu begrenzen und diese rechnerisch auf fünf Jahre zu vertei-

len, so dass sich der Stornoabzug wie folgt reduziert: 2.400 Euro Abschlusskosten : 5 Jahre x 2

Jahre tatsächliche Versicherungsdauer = 960 Euro. Der VN hat danach Anspruch auf einen

Rückkaufswert von 4.000 Euro eingezahlte Prämien – 960 Euro Stornoabzug = 3.040 Euro. In

diesem Beispiel wurden zur Vereinfachung weder die Kosten des Risikoschutzes abgezogen

noch eventuelle, anteilige Überschussanteile berücksichtigt, wie es bei einer nach versiche-

rungsmathematischen Methoden der Berechnung des Deckungskapitals erforderlich wäre.

Wenn der Versicherer seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen

Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum hat, so kann er für die

Berechnung des Rückkaufswerts anstelle des Deckungskapitals den in diesem Staat vergleich-

baren anderen Bezugswert zugrunde legen. Diese Vorschrift berücksichtigt diejenigen Fälle, in

denen das auf derartige Versicherer anwendbare Recht ein Deckungskapital im Sinne von

§ 169 Abs. 3 VVG n. F. nicht kennt.

Nach § 169 Abs. 6 VVG n. F. kann der Versicherer den Rückkaufswert angemessen herabset-

zen, soweit dies erforderlich ist, um eine Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer

auszuschließen. Dies gilt insbesondere, wenn die dauernde Erfüllbarkeit der sich aus den Ver-

sicherungsverträgen ergebenden Verpflichtungen gefährdet ist. Allerdings ist auch in diesem

Fall die Herabsetzung jeweils auf ein Jahr befristet, § 169 Abs. 6 Satz 1 VVG n. F. Der Versi-

cherer hat daher nur unter bestimmten eng begrenzten Voraussetzungen eine Befugnis, den

nach § 169 Abs. 3 VVG n. F. berechneten Rückkaufswert zu kürzen.

Nach § 169 Abs. 7 VVG n. F. hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer zusätzlich zu

dem nach § 169 Abs. 3 – 6 VVG n. F. berechneten Rückkaufswert die diesem bereits zugeteil-

ten Überschussanteile, sofern sie nicht bereits in dem Rückkaufswert enthalten sind, sowie den

nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehenen

Schlussüberschussanteil zu zahlen.

5.11 Sonstiges

Wird in die Versicherungsforderung ein Arrest vollzogen oder eine Zwangsvollstreckung vor-

genommen oder wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers

eröffnet, kann der namentlich bezeichnete Bezugsberechtigte mit Zustimmung des Versiche-

rungsnehmers an seiner Stelle in den Versicherungsvertrag eintreten, § 178 Abs. 1 Satz 1

VVG. Diese Vorschrift stimmt inhaltlich mit dem bisherigen § 177 VVG überein.

Tritt der Bezugsberechtigte ein, so hat er die Forderungen der betreibenden Gläubiger oder der

Insolvenzmasse bis zur Höhe des Betrages zu befriedigen, dessen Zahlung der Versicherungs-

Page 148: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Berufsunfähigkeitsversicherung, §§ 172 – 177 VVG n. F. 147

Dnehmer im Falle der Kündigung des Versicherungsverhältnisses vom Versicherer verlangen

könnte.

Ist ein Bezugsberechtigter nicht oder nicht namentlich bezeichnet, so steht das gleiche Recht

gemäß § 170 Abs. 2 VVG n. F. dem Ehegatten oder Lebenspartner und den Kindern des Ver-

sicherungsnehmers zu. Der Eintritt muss dem Versicherer nach § 170 Abs. 3 VVG n. F. inner-

halb eines Monats angezeigt werden, nachdem der Eintrittsberechtigte von der Pfändung

Kenntnis erlangt hat oder das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Nach § 171 VVG n. F. sind die §§ 152 Abs. 1 und 2, 153 – 155, 157, 158, 161 und 163 – 170

VVG halbzwingend. Ferner kann für das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Umwand-

lung nach § 165 VVG n. F. oder für seine Kündigung nach § 168 VVG n. F. die Schrift- oder

die Textform vereinbart werden.

6 Berufsunfähigkeitsversicherung, §§ 172 – 177 VVG

n. F.

Die Regelung der Berufsunfähigkeitsversicherung im VVG ist neu. Neben den §§ 172 – 177

VVG n. F. sind über § 176 VVG n. F. die §§ 150 – 170 VVG n. F. entsprechend anzuwenden,

soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.

Die §§ 173 – 176 VVG n. F. gelten darüber hinaus entsprechend für alle Versicherungsverträ-

ge, bei denen der Versicherer für eine dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine

Leistung verspricht. Dies gilt nicht für die Unfallversicherung und die Krankenversicherungs-

verträge, die das Risiko der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zum Gegenstand haben,

§ 177 Abs. 1 und 2 VVG n. F. Versicherungsverträge im Sinne des § 177 Abs. 1 VVG sind

z. B. Erwerbsunfähigkeitsversicherungsverträge.

6.1 Leistung des Versicherers

Nach § 172 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer verpflichtet, für eine nach Beginn der Versi-

cherung eingetretene Berufsunfähigkeit die vereinbarten Leistungen zu erbringen. Üblicher-

weise sind dies die Zahlung einer Rente und/oder Befreiung von der Beitragspflicht.

Die Berufsunfähigkeit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung wird in § 172 Abs. 2

VVG n. F. erstmalig legaldefiniert. Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so

wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körper-

verletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls ganz oder teilweise voraussicht-

lich auf Dauer nicht mehr ausüben kann. Erfasst werden sollen auch Tätigkeiten, die keinem

bestimmten Lehrberuf entsprechen.101 Nicht entscheidend ist der bei Antragstellung oder Ver-

tragsschluss ausgeübte Beruf, sondern die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit in ih-

rer konkreten Ausprägung. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung zum Begriff der Be-

rufsunfähigkeit.102

Damit hängt die Berufsunfähigkeit nach dem Leitbild des Gesetzgebers zunächst einmal nicht

davon ab, ob die versicherte Person auch eine andere Tätigkeit ausüben kann oder tatsächlich

ausübt, die sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten ausüben kann und ihrer bisherigen

Lebensstellung entspricht. Allerdings kann dieses zusätzliche Merkmal einer bedingungsge-

101 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 105. 102 Vgl. z. B. OLG Hamm VersR 1998, 442.

Page 149: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

148 Einzelne Versicherungszweige

D mäßen Berufsunfähigkeit nach § 172 Abs. 3 VVG n. F. vereinbart werden. Die bislang in den

meisten Versicherungsbedingungen enthaltenen Verweisungsregelungen sind demnach auch

nach der VVG-Reform grundsätzlich zulässig.

6.2 Anerkenntnis

Nach § 173 VVG n. F. muss der Versicherer nach einem Leistungsantrag bei Fälligkeit in

Textform erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt, wobei das Anerkenntnis gemäß

§ 173 Abs. 2 VVG n. F. nur einmal zeitlich begrenzt werden darf und bis zum Ablauf der Frist

bindend ist. Mit dieser Regelung trägt der Gesetzgeber dem schützenswerten Interesse des

Versicherungsnehmers Rechnung, bald eine Erklärung des Versicherers zu bekommen, ob die-

ser die vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen bereit ist. Der BU-Versicherer kann

nach der Neuregelung ein Anerkenntnis nicht mehr mit dem Vorbehalt einer Verweisung auf

eine andere mögliche Tätigkeit erklären, wie es derzeit noch viele Bedingungen vorsehen. Er

darf er sein Anerkenntnis zwar zeitlich, dies aber nur einmal begrenzen. Kettenanerkenntnisse

sind daher nicht mehr zulässig. Die Vorschrift des § 173 VVG n. F. hat auch deshalb besonde-

re Bedeutung, weil sie die einzige ist, die qua Gesetz auch für bestehende Berufsunfähigkeits-

verträge gilt.

6.3 Nachprüfung

Stellt der Versicherer im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens fest, dass die Voraussetzun-

gen der Leistungspflicht entfallen sind, so wird er gemäß § 174 Abs. 1 VVG n. F. nur leis-

tungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.

Das Erfordernis einer Änderungsmitteilung in Textform sehen nicht alle Bedingungswerke

vor, tatsächlich werden Änderungsmitteilungen allerdings üblicherweise in Textform oder

auch schriftlich versandt. Leistungsfreiheit tritt dabei nach § 174 Abs. 2 VVG n. F. frühestens

mit dem Ablauf des 3. Monats nach Zugang der in § 174 Abs. 1 VVG n. F. geregelten Ände-

rungsmitteilung ein. Dies entspricht der Regelung in vielen Bedingungen (vgl. z. B. § 7 Abs. 4

BB – BUZ 94).

Die Regelungen des Nachprüfungsverfahrens schließen die Anwendung der §§ 19 ff. VVG

n. F. ebenso wenig aus wie eine Anfechtung des Anerkenntnisses oder des Versicherungsver-

trages. Sie regeln lediglich die besonderen Voraussetzungen, unter denen sich der BU-

Versicherer im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens von seiner Leistungspflicht lösen kann.

6.4 Sonstiges

Die §§ 173 – 174 VVG sind halbzwingend gemäß § 175 VVG.

7 Unfallversicherung, §§ 178 – 191 VVG n. F.

Die Unfallversicherung ist in den §§ 178 – 191 VVG n. F. geregelt. Der Gesetzgeber hat an

vielen Stellen Detailveränderungen vorgenommen. Die §§ 178 – 190 VVG n. F. sind gemäß

§ 191 VVG n. F. nur zum Teil zwingend, von den §§ 178 Abs. 2 Satz 2 und 181, 186 – 188

VVG n. F. kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person

abgewichen werden.

Page 150: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Unfallversicherung, §§ 178 – 191 VVG n. F. 149

D7.1 Leistung des Versicherers

Nach § 178 Abs. 1 VVG ist bei einer Unfallversicherung der Versicherer leistungspflichtig,

wenn sich ein Unfall der versicherten Person oder ein anderes, dem Unfall gleichgestelltes Er-

eignis ereignet.

Dabei liegt ein Unfall gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. vor, wenn die versicherte Person

durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesund-

heitsschädigung erleidet, die Unfreiwilligkeit wird nach § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. bis

zum Beweis des Gegenteils vermutet. Der Gesetzgeber verlangt somit in Übereinstimmung

mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine plötzliche Einwirkung.103 Dem

zeitlichen Element des Geschehens wird keine vorrangige oder ausschlaggebende Bedeutung

beigemessen. Die im bisher geregelten § 180 a Abs. 1 VVG enthaltene Vermutungsregelung

wird in § 178 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. übernommen.

Eine Unfallversicherung kann nach § 179 Abs. 1 VVG für den Eintritt des Unfalls des Versi-

cherungsnehmers oder einer anderen Person genommen werden. Ist Letzteres der Fall, so gilt

die Versicherung im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen, § 179 Abs. 1 Satz 2

VVG n. F.

Wird die Versicherung für den Unfall eines anderen von dem Versicherungsnehmer für eigene

Rechnung genommen, so muss dieser andere zur Wirksamkeit des Vertrages zustimmen. Ist er

geschäftsfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder ist für ihn ein Betreuer bestellt

und steht die Vertretung in der seine Person betreffenden Angelegenheit dem Versicherer zu,

so kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, § 179 Abs. 2

VVG n. F.

Nach § 179 Abs. 3 VVG n. F. sind Kenntnis und das Verhalten des anderen zu berücksichti-

gen, wenn im Falle des § 179 Abs. 2 VVG n. F. Kenntnis und Verhalten des Versicherungs-

nehmers von rechtlicher Bedeutung sind.

Auf eine Gefahrerhöhung kann sich der Unfallversicherer nach § 181 Abs. 1 VVG n. F. nur

berufen, wenn es um eine Änderung von solchen Umständen geht, die nach ausdrücklicher

Vereinbarung, die der Textform bedarf, als Gefahrerhöhung angesehen werden sollen.

Die Vorschrift ist neu und lehnt sich an die für Lebensversicherungen geltende Regelung des

§ 164 VVG n. F. an. Für den praktisch wichtigsten Fall des Berufswechsels bedeutet dies, dass

der Versicherer dem Versicherungsnehmer sein geltendes Berufsgruppenverzeichnis übermit-

teln muss, das dann die Grundlage für die Vereinbarung in Textform bildet.104 Ergeben sich im

Falle einer Gefahrerhöhung nach dem geltenden Tarif des Versicherers bei unveränderter

Prämie niedrigere Versicherungsleistungen, so gelten diese mit Ablauf eines Monats nach Ein-

tritt der Gefahrerhöhung als vereinbart, § 181 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. Darüber hinausgehende

Rechte kann der Versicherer nur geltend machen, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahr-

erhöhung arglistig nicht angezeigt hat. Für den umgekehrten Fall einer verminderten Gefahr

besteht im Hinblick auf § 41 VVG n. F. kein zusätzlicher Regelungsbedarf.

7.2 Leistungspflicht des Versicherers für den Fall der Invalidität

Haben die Parteien des Unfallversicherungsvertrags eine Leistungspflicht des Versicherers für

den Fall der Invalidität vereinbart, so schuldet der Unfallversicherer die vereinbarten Leistun-

103 Vgl. z. B. BGH VersR 88, 952; Prölss/Martin – Knappmann, § 1 AUB 94, Rz. 5 ff. 104 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 108.

Page 151: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

150 Einzelne Versicherungszweige

D gen im vereinbarten Umfang, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versi-

cherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist, wobei eine dauerhafte Beeinträchti-

gung vorliegt, wenn diese voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Ände-

rung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann, § 180 VVG n. F.

Das weicht zumindest von der jüngeren Rechtsprechung ab, wonach es genügt, dass nach ärzt-

licher Prognose die Beeinträchtigung mindestens und nicht länger als drei Jahre nach dem Un-

fall andauern wird, wobei spätere nicht absehbare Veränderungen unbeachtlich sind.105

Unfallversicherungsverträge, die Leistungen an einen bestimmten Grad der Beeinträchtigung

anknüpfen, werden von dieser Regelung nicht betroffen, sondern nur diejenigen, bei denen für

den Fall der Invalidität Leistungen versprochen werden und der Versicherungsvertrag eben

keine näheren Regelungen enthält. Eine Veränderung der Leistungsvoraussetzungen mit Wir-

kung für bestehende Verträge sieht das VVG nicht vor.

Ist vereinbart, dass der Anspruch auf die vereinbarten Leistungen des Unfallversicherers ent-

fällt oder sich mindert, wenn Krankheiten oder Gebrechen bei der durch den Versicherungsfall

verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben, so muss der Versi-

cherer die Voraussetzung des Wegfalls oder der Minderung des Anspruchs nachweisen, § 182

VVG n. F. Diese Vorschrift übernimmt die üblicherweise in den AUB enthaltene entsprechen-

de Regelung und bezweckt lediglich, die schon bisher geltende Beweislast festzuschreiben. 106

Sie ist auf andere Tatbestände, die zu einer Verminderung der Versicherungsleistung führen,

nicht entsprechend anzuwenden. Sie gilt dem Wortlaut nach nicht nur für den Anspruch auf

Invaliditätsentschädigung, hat dort aber die größte Bedeutung.

Nach § 186 VVG n. F. muss der Versicherer den Versicherungsnehmer auf vertragliche An-

spruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinweisen.

Unterbleibt dieser Hinweis, so kann sich der Versicherer auf ein Fristversäumnis nicht beru-

fen, § 186 Satz 1 und 2 VVG n. F. Diese Vorschrift gilt nicht nur für den Anspruch auf Invali-

ditätsentschädigung, hat hier aber eine besondere Bedeutung, weil in der Rechtspraxis die

Nichtbeachtung gerade der in den AUB geregelten Frist zur rechtzeitigen Geltendmachung der

Invaliditätsansprüche häufig zum Streit führt.107 Versicherungsnehmer übersehen immer wie-

der die sich aus den AVB ergebende Notwendigkeit der ärztlichen Feststellung und der Gel-

tendmachung des Anspruchs innerhalb eines begrenzten Zeitraums. Damit es nicht wie in der

Vergangenheit darauf ankommt, ob im Einzelfall das Verstreichen der Fristen unschädlich ist,

weil die Berufung auf das Fristversäumnis treuwidrig ist, sieht der Gesetzgeber eine besondere

Belehrungspflicht vor.

7.3 Anerkenntnis

Nach § 187 Abs. 1 VVG hat der Versicherer nach einem Leistungsantrag innerhalb eines Mo-

nats nach Vorlage der zu dessen Beurteilung erforderlichen Unterlagen in Textform zu erklä-

ren, ob und in welchem Umfang er seine Leistungspflicht anerkennt.108 Die Frist beträgt 3

Monate, wenn eine Invaliditätsleistung beantragt wird. Erkennt der Versicherer den Anspruch

an oder haben sich Versicherungsnehmer und Versicherer über Grund und Höhe des An-

spruchs geeinigt, so wird die Leistung nach § 187 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. innerhalb von zwei

Wochen fällig. Diese Abweichung von § 14 VVG n. F. gilt aber nur in dem gesetzlich geregel-

105 Vgl. OLG Hamm NVersZ 99,566; Prölss/Martin – Kollhosser, § 7 AUB 94, Rz. 5, Marlow, RuS 2007, 353, 361. 106 Vgl. z. B. die Regelung in § 8 AUB 94 und Ziffer 3 AUB 99. 107 Vgl. zu dieser Problematik allgemein Prölss/Martin – Knappmann, § 7 AUB 94, Rz. 7 ff. 108 Vgl. schon die Regelung in Ziffer 9.1 AUB 99.

Page 152: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Unfallversicherung, §§ 178 – 191 VVG n. F. 151

Dten Fall der Einigung oder des Anerkenntnisses. Steht die Leistungspflicht nur dem Grunde

nach fest, so muss der Versicherer einen angemessenen Vorschuss leisten, wenn der Versiche-

rungsnehmer diesen verlangt, § 187 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.109 Diese Vorschrift greift eine in

vielen AUB enthaltene Klausel auf. Sie stellt damit gegenüber der bisherigen Rechtspraxis

keine wesentliche Neuregelung dar.

7.4 Neubemessung der Invalidität

Sind Leistungen für den Fall der Invalidität vereinbart, so kann jede Vertragspartei den Invali-

ditätsgrad jährlich, längstens aber bis zu drei Jahre nach Eintritt des Unfalls neu bemessen las-

sen, § 188 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. In der Kinderunfallversicherung kann die Frist, innerhalb

derer eine Neubemessung verlangt werden kann, nach § 188 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. verlän-

gert werden. Die zum Teil in den Versicherungsbedingungen enthaltene Klausel, wonach der

Versicherungsnehmer das Recht auf Neubemessung der Invalidität verliert, wenn er es nicht

innerhalb einer bestimmten Frist ausübt oder sich vorbehält, weicht für den Versicherungs-

nehmer nachteilig von der Regelung des § 188 Abs. 1 Satz 1 VVG ab und ist daher unwirk-

sam.

Mit der Erklärung des Versicherers über die Leistungspflicht ist der Versicherungsnehmer ü-

ber das Recht zu unterrichten, den Grad der Invalidität neu bemessen zu lassen. Wenn dies un-

terbleibt, so kann sich der Versicherer auf eine Verspätung des Verlangens des Versicherungs-

nehmers, den Grad der Invalidität neu zu bemessen, nicht berufen, § 188 Abs. 2 Satz 1 und 2

VVG n. F. Diese Vorschrift ist neu und berücksichtigt, dass in der Unfallversicherung zum ei-

nen der Versicherungsnehmer ein Interesse hat, alsbald eine Invaliditätsentschädigung zu er-

halten, andererseits aber die Einschätzung des Grades der Invalidität nach Ablauf eines be-

stimmten Zeitraums durchaus schwanken kann.110

7.5 Sachverständigenverfahren, Schadensermittlungskosten

Nach § 189 VVG n. F. sind die §§ 84 und 85 Abs. 1 und 3 VVG n. F. entsprechend anzuwen-

den. Dieser Verweis ist aus den oben erwähnten Gründen erforderlich.

7.6 Pflichtversicherung

Besteht für den Abschluss einer Unfallversicherung eine gesetzliche Verpflichtung, so muss

der Versicherer dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme bescheini-

gen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Unfallversicherung be-

steht. Diese Vorschrift übernimmt inhaltlich unverändert die bisherige Regelung des § 185

Abs. 2 in Verbindung mit § 158 b Abs. 2 VVG. Die Vorschrift ist zwingend.

7.7 Sonstiges

Nach § 183 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer nicht eintrittspflichtig, wenn im Falle des

§ 179 Abs. 2 VVG n. F. der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder durch eine widerrechtliche

Handlung den Versicherungsfall herbeiführt. Es handelt sich um einen Sondervorschrift ge-

genüber § 81 VVG n. F., der auf die Unfallversicherung auch als Schadenversicherung nicht 109 Angemessen ist der Betrag, der voraussichtlich mindestens gezahlt werden muss, vgl. Prölss/Martin – Knappmann, § 11 AUB

94, Rz. 14. 110 Zur Regelung in § 11 AUB 94 vgl. Prölss/Martin – Knappmann, § 11 AUB 94, Rz. 8 ff.

Page 153: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

152 Einzelne Versicherungszweige

D anzuwenden ist.111 Gleiches gilt nach § 183 Abs. 2 VVG, wenn ein Dritter als Bezugsberech-

tigter bezeichnet ist und der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Versi-

cherungsfall herbeiführt, in diesem Fall gilt die Bezeichnung des Dritten als Bezugsberechtig-

ten als nicht erfolgt.

Die Vorschriften der §§ 82 und 83 VVG n. F. (Obliegenheit zur Abwendung und Minderung

des Schadens und erweiterter Aufwendungsersatz) sind nach § 184 VVG n. F. auf die Unfall-

versicherung nicht anzuwenden, da die allgemeinen Vorschriften über die Rettungsobliegen-

heit für die Unfallversicherung als nicht angemessen erscheinen.112 Ohnehin könnten die §§ 82

und 83 VVG n. F. nur dann gelten, wenn die Unfallversicherung nicht als Summen-, sondern

als Schadenversicherung ausgestaltet ist. Allerdings hat der Versicherer trotz der Vorschrift

des § 184 VVG n. F. die Möglichkeit, Obliegenheiten zur Verminderung der Folgen eines Un-

falls vertraglich zu vereinbaren, wobei derartige Klauseln selbstverständlich auch einer AGB-

rechtlichen Kontrolle standhalten müssen.113

Ist als Leistung des Versicherers die Zahlung eines Kapitals vereinbart, so werden die §§ 159

und 160 VVG n. F. entsprechend angewendet, § 185 VVG n. F.

8 Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F.

Die Krankenversicherung ist in den §§ 192 – 208 VVG n. F. geregelt. In der Begründung des

Regierungsentwurfs werden zwei Komplexe hervorgehoben: Managed Care und Alterungs-

rückstellungen.

Unter den Begriff „Managed Care“ wird eine Vielzahl unterschiedlicher Arten von Maßnah-

men zur Kostensteuerung subsumiert. Sachlich werden die Hauptgruppen „Leistungsmanage-

ment“ und „Managed Care im engeren Sinne“ unterschieden.

Unter den Begriff des Leistungsmanagements fallen alle Maßnahmen des Versicherers, die mit

der Erbringung der von ihm geschuldeten tariflichen Leistungen gegenüber dem Versiche-

rungsnehmer zusammenhängen (z. B. Feststellung, ob die erbrachten Behandlungsleistungen

medizinisch notwendig waren). Zum „Managed Care im engeren Sinn“ gehören Maßnahmen

zur Kosten und Qualitätssteuerung, die vor oder unmittelbar bei der Erbringung der medizini-

schen Leistung wirken (z. B. Desease Management = Behandlung schwerer chronischer Er-

krankungen).

Das neue VVG verzichtet zunächst auf eine allgemeine Regelung, die einen vertraglichen An-

spruch zur Übertragung der Alterungsrückstellungen vorsieht.114

Die private Krankenversicherung ist mit rund 29 Milliarden Euro Beitragseinnahmen nach der

Lebensversicherung (78 Milliarden Euro) der zweitgrößte Versicherungszweig. Über 8

Millionen VN haben eine Vollversicherung und damit rund ein Zehntel aller Deutschen.

Weitaus mehr haben eine Zusatzversicherung abgeschlossen, die in der Regel Leistungen der

gesetzlichen Krankenversicherung ergänzen bzw. Leistungslücken ausfüllen.

Die Krankenversicherung unterliegt stärker noch als die Lebensversicherung staatlichem

Einfluss. Der Gesetzgeber schafft den Rahmen, in dem die private Krankenversicherung

(PKV) agieren kann, greift allerdings auch immer wieder regulierend in das Marktgeschehen

111 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 108. 112 Vgl. a. a. O. 113 Vgl. z. B. die Regelungen in § 9 AUB 94. 114 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 55.

Page 154: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. 153

Dein. Dies gilt aktuell in besonderem Maß für das „GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz“, das

meist einfach als Gesundheitsreform bezeichnet wird und am 1.4.2007 in Kraft getreten ist.

8.1 Vertragstypische Leistungen

In § 192 VVG n. F. werden die vertragstypischen Leistungen des Krankenversicherers be-

schrieben.

Nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. ist bei der Krankheitskostenversicherung der Krankenversiche-

rer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die medizinisch notwendige

Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarten Leistungen

einschließlich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeun-

tersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen

zu erstatten.

Dies gilt allerdings nach § 192 Abs. 2 VVG n. F. insoweit nicht, als die Aufwendungen für die

Heilbehandlung oder sonstige Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrach-

ten Leistungen stehen. Letzteres ist neu. Mit § 192 Abs. 2 VVG n. F. hat der Gesetzgeber klar-

gestellt, dass Übermaß-Vergütungen ausgeschlossen sind. Ein allgemeines Wirtschaftlich-

keitsgebot, wie von der VVG-Kommission vorgeschlagen, sieht § 192 Abs. 2 VVG n. F. nicht

vor.

Nach § 192 Abs. 3 VVG n. F. können als Inhalt der Krankheitskostenversicherung auch zu-

sätzliche Dienstleistungen vereinbart werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Leis-

tungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. stehen. Exemplarisch werden genannt:

� die Beratung über Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. sowie über die Anbieter sol-

cher Leistungen,

� die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von Leistungen

nach § 192 Abs. 1 VVG n. F.,

� die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von Leistungen nach § 192

Abs. 1 VVG n. F.,

� die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen

fehlerhafter Erbringung der Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. und der sich hieraus

ergebenden Folgen und

� die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. mit deren Er-

bringern.

Diese Vorschrift ist neu und stellt klar, dass auch solche Tätigkeiten des Versicherers im

Rahmen eines Leistungsmanagements zum Gegenstand eines Krankenversicherungsvertrags

gemacht werden können, die dem Service oder der Beratung und Unterstützung des Versiche-

rungsnehmers im Zusammenhang mit der Erbringung versicherter Leistungen dienen. Einige

dieser Leistungen werden bereits heute von Krankenversicherern erbracht. Die Vorschrift ist

nicht abschließend.115

Die vertragstypischen Leistungen des Versicherers bei einer Krankenhaustagegeldversiche-

rung werden in § 192 Abs. 4 VVG n. F. beschrieben. Hiernach ist der Versicherer verpflichtet,

115 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 110.

Page 155: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

154 Einzelne Versicherungszweige

D bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld

zu leisten. Die Vorschrift übernimmt den bisherigen § 178 b Abs. 2 VVG.

Nach § 192 Abs. 5 VVG n. F. ist der Krankentagegeldversicherer verpflichtet, den als Folge

von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das

vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen. Auch diese Vorschrift ist nicht neu, sondern ent-

spricht § 178 b Abs. 3 VVG a. F.

Die Pflegekrankenversicherung ist in § 192 Abs. 6 VVG n. F. geregelt. Bei ihr ist der Versi-

cherer verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendun-

gen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das

vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetagegeldversicherung). Auch bei der Pflegekostenversi-

cherung gilt das Verbot der Übermaßvergütung, § 192 Abs. 6 Satz 2 VVG n. F. Die Regelun-

gen des SGB XI über die private Pflegeversicherung bleiben unberührt.

8.2 Versicherte Person

Nach § 193 Abs. 1 VVG n. F. kann die Krankenversicherung auf die Person des Versiche-

rungsnehmers oder eine andere Person genommen werden. Versicherte Person ist diejenige,

auf welche die Versicherung genommen wird. Dies entspricht der bisherigen Regelung des

§ 178 a Abs. 1 und 2 Satz 1 VVG und stellt klar, dass es sich um eine Versicherung entweder

auf eigene oder auf fremde Rechnung handeln kann. Die Vorschrift des § 193 Abs. 2 VVG

n. F., wonach bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch dessen Kenntnis und

Verhalten zu berücksichtigen sind, soweit nach dem VVG die Kenntnis und das Verhalten des

Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, entspricht dem bisherigen § 178 a

Abs. 3 Satz 2 VVG.

8.3 Sonstige anzuwendende Vorschriften

§ 194 VVG n. F. regelt, inwieweit sonstige Vorschriften außerhalb der §§ 192 – 208

VVG n. F. auf die Krankenversicherung angewendet werden können.

Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt

wird, sind nach § 194 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. die §§ 74 – 80 und 82 – 87 VVG n. F. anzu-

wenden. Für die §§ 23 – 27 und 29 VVG n. F. gilt dies hingegen nicht.

§ 19 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 VVG n. F. ist auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden,

wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat. Ab-

weichend von § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. beläuft sich die Frist für die Geltendmachung der

Rechte des Versicherers außerdem nicht auf fünf, sondern auf drei Jahre, § 194 Abs. 4 Satz 4

VVG n. F. Diese Abweichung trägt der besonderen sozialen Bedeutung der Krankenversiche-

rung für den Versicherungsnehmer Rechnung. Das gilt allerdings nicht, wenn dieser vorsätz-

lich oder arglistig gehandelt hat, dann gilt die allgemeine Ausschlussfrist von 10 Jahren.

§ 38 VVG n. F. ist nach § 194 Abs. 2 VVG n. F. nicht uneingeschränkt, sondern nur mit der

Maßgabe anzuwenden, dass die Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. mindestens

zwei Monate betragen muss. Einen weiteren Schutz sieht der Gesetzgeber in § 194 Abs. 2

Satz 2 VVG vor, wonach der Versicherer den Versicherungsnehmer zusätzlich zu den Anga-

ben nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG darauf hinweisen muss, dass

� der Abschluss einer neuen Krankenversicherung nach der Kündigung des Versicherers

nach § 38 Abs. 3 VVG für den Versicherungsnehmer mit einer neuen Gesundheitsprü-

Page 156: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. 155

Dfung, einer Einschränkung des Umfangs des bisherigen Versicherungsschutzes sowie einer

höheren Prämie verbunden sein kann,

� Bezieher von Arbeitslosengeld II unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 des SGB II

einen Zuschuss zu den Beiträgen erhalten können, die sie für eine private Kranken- oder

Pflegeversicherung zahlen,

� der Träger der Sozialhilfe unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und 3 SGB XII Bei-

träge zur privaten Kranken- oder Pflegeversicherung übernehmen kann.

Diese Regelung ist neu und trägt ebenfalls der besonderen Bedeutung, die dem Krankenversi-

cherungsschutz für den Privatversicherten zukommt, Rechnung. Die Verlängerung der Frist

bei Zahlungsverzug dient dem Schutz des Versicherungsnehmers in wirtschaftlichen Notlagen.

Die Fristverlängerung hat der Gesetzgeber auch als für den Versicherer und die Versicherten-

gemeinschaft zumutbar angesehen.116

Nach § 194 Abs. 3 VVG n. F. ist § 86 Abs. 1 und 2 VVG n. F. entsprechend anzuwenden,

wenn dem Versicherungsnehmer oder einer versicherten Person ein Anspruch auf Rückzah-

lung ohne rechtlichen Grund gezahlter Entgelte gegen den Erbringer von Leistungen zusteht,

für die der Versicherer aufgrund des Versicherungsvertrags Erstattungsleistungen erbracht hat.

Diese Vorschrift ist neu und betrifft den gesetzlichen Übergang von Ersatzansprüchen. Da

§ 86 VVG n. F. auf den Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung überhöhter Entgelte nicht

angewendet werden kann, war diesbezüglich eine ausdrückliche Regelung erforderlich. Die in

§ 86 Abs. 2 VVG n. F. eingeführte Mitwirkungspflicht des Versicherungsnehmers wurde da-

bei entsprechend übernommen. Dies gilt nicht für § 86 Abs. 3 VVG n. F., weil dessen Schutz-

gedanke nicht auf den Fall übertragen werden kann, dass die in häuslicher Gemeinschaft mit

dem Versicherungsnehmer lebende Person mit diesem einen Behandlungsvertrag geschlossen

hat.117

Die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung (§§ 43 – 48 VVG n. F.) sind

nach § 194 Abs. 4 VVG n. F. nur mit der Maßgabe anzuwenden, dass ausschließlich die versi-

cherte Person die Versicherungsleistung verlangen kann, wenn der Versicherungsnehmer sie

gegenüber dem Versicherer in Textform als Empfangsberechtigte der Versicherungsleistung

benannt hat und die Benennung widerruflich oder unwiderruflich erfolgt ist.

Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann der Versicherungsnehmer die Versicherungsleis-

tung verlangen. Einer Vorlage des Versicherungsscheins bedarf es nicht.

8.4 Versicherungsdauer

Die substitutive Krankenversicherung ist nach § 195 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. vorbehaltlich

der Regelungen des § 195 Abs. 2 und 3 und der §§ 196, 199 VVG n. F. unbefristet. Dies gilt

auch, wenn eine nicht substitutive Krankenversicherung vorliegt, die nach Art der Lebensver-

sicherung betrieben wird.

Die substitutive Krankenversicherung ist nun in § 195 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. als diejenige

Krankenversicherung legaldefiniert, die ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversi-

cherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann.

116 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S.111. 117 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S.111.

Page 157: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

156 Einzelne Versicherungszweige

D § 194 Abs. 1 Satz 2 VVG ist neu und erstreckt den Grundsatz der Unbefristetheit auch auf die

nicht substitutive Krankenversicherung, die nach Art der Lebensversicherung betrieben wird.

Diese Gleichstellung entspricht der aufsichtsrechtlichen Regelung in §§ 12 Abs. 5, 12 Abs. 1

VAG.

Bei Ausbildungs-, Auslands-, Reise- und Restschuldkrankenversicherungen können Vertrags-

laufzeiten nach § 195 Abs. 2 VVG n. F. vereinbart werden. Diese Vorschrift ist nicht wesent-

lich neu, erweitert allerdings die Befristungsmöglichkeit des § 178 a Abs. 4 Satz 3 VVG a. F.

auf die Restschuldkrankenversicherung.

Eine Befristungsmöglichkeit sieht der Gesetzgeber in § 195 Abs. 3 VVG n. F. auch vor bei ei-

ner Krankenversicherung einer Person mit befristetem Aufenthaltstitel für das Inland. In die-

sem Fall kann vereinbart werden, dass die Krankenversicherung spätestens nach fünf Jahren

endet.

Ist eine kürzere Laufzeit vereinbart, kann ein gleichartiger neuer Vertrag nur mit einer Höchst-

laufzeit geschlossen werden, die unter Einschluss der Laufzeit des abgelaufenen Vertrages al-

lerdings fünf Jahre nicht überschreitet, was auch gilt, wenn der neue Vertrag mit einem ande-

ren Versicherer geschlossen wird. Die in § 195 Abs. 3 VVG n. F. geregelten Personen kehren

mit großer Sicherheit in überschaubarer Zeit wieder in ihr Heimatland zurück und benötigen

deshalb nur einen befristeten Krankenversicherungsschutz, der wegen des Fehlens des lang-

fristigen Alterungsrisikos auch keiner Kalkulation und Alterungsrückstellungen bedarf.

Befristungen der Krankentagegeldversicherung sind in § 196 VVG n. F. geregelt. Nach § 196

Abs. 1 VVG n. F. kann bei einer Krankentagegeldversicherung vereinbart werden, dass die

Versicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres der versicherten Person endet. In diesem

Fall kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen, dass dieser den Antrag auf

Abschluss einer mit Vollendung des 65. Lebensjahres beginnenden neuen Krankentagegeld-

versicherung annimmt, die spätestens mit Vollendung des 70. Lebensjahres endet. Dies trägt

vor allen Dingen dem Umstand Rechnung, dass selbstständig und freiberuflich Beschäftigte

den Beginn des Ruhestandes nicht fest planen können.

Nach § 196 Abs. 1 Satz 3 VVG n. F. muss der Versicherer den Versicherungsnehmer auf die-

ses Recht frühestens sechs Monate vor dem Ende der Versicherung unter Beifügung des Wort-

lauts dieser Vorschrift in Textform hinweisen.

Wird der Antrag bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres ge-

stellt, hat der Versicherer den Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeit zu ge-

währen, soweit der Versicherungsschutz nicht höher oder umfassender ist als im bisherigen

Tarif. Erfüllt der Versicherer diese Informationspflicht nicht oder wird der Antrag vor Vollen-

dung des 66. Lebensjahres gestellt, so gilt die oben genannte Regelung des § 196 Abs. 1 Satz 4

VVG n. F. entsprechend, wobei die Versicherung dann mit Zugang des Antrags beim Versi-

cherer beginnt. Der Versicherer ist allerdings nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versi-

cherungsfall schon vor Zugang des Antrags eingetreten ist.

§ 195 Abs. 1 Satz 2 und 4 VVG n. F. gelten entsprechend, wenn in unmittelbarem Anschluss

an eine Versicherung nach Abs. 1 Satz 4 oder Abs. 2 Satz 1 eine neue Krankentagegeldversi-

cherung beantragt wird, die spätestens mit Vollendung des 75. Lebensjahres endet. Die Partei-

en können außerdem nach § 196 Abs. 4 VVG n. F. ein späteres Lebensjahr als in den Vor-

schriften des § 196 Abs. 1 – 3 VVG n. F. vereinbaren. Die Regelung trägt dem Umstand

Rechnung, dass die starren Grenzen von 65, 70 bzw. 75 Lebensjahren schon heute teilweise

nicht mehr der Wirklichkeit des Rentenrechts entsprechen und somit einer sich abzeichnenden

Entwicklung zu einem höheren Renteneintrittsalter Rechnung getragen werden kann.

Page 158: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. 157

D8.5 Wartezeiten

Die Vereinbarung von Wartezeiten ist in § 197 VVG n. F. geregelt. Soweit sie vereinbart wer-

den, dürfen sie nach § 197 Abs. 1 VVG für Krankheitskosten-, Krankenhaustagegeld- und

Krankentagegeldversicherung als allgemeine Wartezeit drei Monate und als besondere Warte-

zeit für Entbindung, Psychotherapie, Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kieferorthopädie 8 Mo-

nate nicht überschreiten.

Bei der Pflegekrankenversicherung darf die Wartezeit drei Jahre nicht überschreiten. Diese

Vorschrift ist nicht neu, sondern übernimmt den bisherigen § 178 c VVG.

§ 197 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. gilt nur für die freiwillige Pflegeversicherung, für die Pflege-

pflichtversicherung ist hingegen die Wartezeitregelung im SGB XI maßgeblich.

8.6 Kindernachversicherung

§ 198 Abs. 1 bis 3 VVG n. F. entsprechen den bisherigen § 178 d Abs. 1 – 3 VVG.

Besteht am Tag der Geburt für mindestens einen Elternteil eine Krankenversicherung, so ist

der Versicherer verpflichtet, dessen neugeborenes Kind ab Vollendung der Geburt ohne Risi-

kozuschläge und Wartezeiten zu versichern, wenn die Anmeldung zur Versicherung spätestens

zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend erfolgt, § 198 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.

Allerdings besteht diese Verpflichtung nur insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz

des Neugeborenen nicht höher und nicht umfassender als der des versicherten Elternteils ist.

Der Geburt des Kindes steht die Adoption gleich, wenn das Kind im Zeitpunkt der Adoption

noch minderjährig ist.

Der Versicherer ist berechtigt, einen Risikozuschlag höchstens bis zur einfachen Prämienhöhe

zu vereinbaren, wenn eine höhere Gefahr besteht, § 198 Abs. 2 VVG n. F. Der Versicherer ist

ferner berechtigt, als Voraussetzung für die Versicherung des Neugeborenen oder des Adop-

tivkindes eine Mindestversicherungsdauer des Elternteils zu vereinbaren, die allerdings drei

Monate nicht übersteigen darf, § 198 Abs. 3 VVG n. F.

Eine Neuregelung ist in § 198 Abs. 4 VVG n. F. enthalten, wonach die Absätze 1 – 3 für die

Auslands- und Reisekrankenversicherung nicht gelten, soweit für das Neugeborene oder für

das Adoptivkind anderweitiger oder privater gesetzlicher Krankenversicherungsschutz im In-

land oder Ausland besteht.

8.7 Beihilfeempfänger

Die Vorschrift des § 199 Abs. 1 VVG n. F., wonach bei einer Krankheitskostenversicherung

einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen des öffentlichen

Dienstes vereinbart werden kann, dass sie mit der Versetzung der versicherten Person in den

Ruhestand im Umfang der Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes endet, ist neu.

§ 199 Abs. 2 VVG n. F. erweitert die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer die Prä-

mien neu festsetzen kann. Ändert sich bei einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe

nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes der Beihilfebemessungssatz oder entfällt der

Beihilfeanspruch, so hat der Versicherungsnehmer Anspruch darauf, dass der Versicherer den

Versicherungsschutz im Rahmen der bestehenden Krankheitskostentarife so anpasst, dass da-

durch der veränderte Beihilfebemessungssatz oder der weggefallene Beihilfeanspruch ausge-

Page 159: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

158 Einzelne Versicherungszweige

D glichen wird. Wird der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Änderung gestellt, so hat

der Versicherer den angepassten Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten

zu gewähren.

8.8 Bereicherungsverbot

Das in § 200 VVG n. F. geregelte Bereicherungsverbot, wonach die Gesamterstattung die Ge-

samtaufwendungen nicht übersteigen darf, wenn die versicherte Person wegen desselben Ver-

sicherungsfalles einen Anspruch gegen mehrere Erstattungsverpflichtete hat, ist neu. Es wird

klargestellt, dass die Gesamterstattungsleistungen aus privater und gesetzlicher Krankenversi-

cherung, privater Pflegepflichtversicherung, sozialer Pflegeversicherung und Beihilfe die Ge-

samtaufwendungen des Versicherten nicht übersteigen dürfen. Dabei ist eine vorrangige Ein-

trittspflicht nicht geregelt.

Das Bereicherungsverbot bezieht sich nur auf Krankenversicherungen, die Schadenversiche-

rungen sind, nicht aber auch auf Summenversicherungen.

8.9 Herbeiführung des Versicherungsfalls

Nach § 201 VVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer oder die

versicherte Person vorsätzlich die Krankheit oder den Unfall bei sich selbst herbeigeführt hat.

Diese Vorschrift entspricht dem bisherigen § 178 l VVG. Sie stellt eine Sonderregelung zu

§ 81 VVG n. F. dar, der auf die Krankenversicherung nicht angewendet werden kann, § 194

Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.

8.10 Auskunftspflichten des Versicherers/ Schadensermittlungskosten

Nach § 202 VVG n. F. ist der Versicherer verpflichtet, auf Verlangen des Versicherungsneh-

mers oder der versicherten Person einem von ihm benannten Arzt oder Rechtsanwalt Auskunft

über und Einsicht in Gutachten oder Stellungnahmen zu geben, die er bei der Prüfung seiner

Leistungspflicht über die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung eingeholt hat. Der

Auskunftsanspruch kann nur von der jeweils betroffenen Person oder ihrem gesetzlichen Ver-

treter geltend gemacht werden. Hat der Versicherungsnehmer das Gutachten oder die Stel-

lungnahme auf Veranlassung des Versicherers eingeholt, hat der Versicherer die entstandenen

Kosten zu erstatten.

Das Auskunftsrecht wird mit § 202 VVG n. F. nunmehr auch einem vom Versicherungsneh-

mer oder der versicherten Person benannten Rechtsanwalt eingeräumt und schließt ein Recht

auf Einsichtnahme in Gutachten und Stellungnahmen mit ein.118 Ferner ist nachvollziehbar,

dass der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer einen Kostenerstattungsanspruch hat,

wenn er selbst das Gutachten oder die Stellungnahme auf Veranlassung des Versicherers ein-

geholt hat. Dies wird nun ausdrücklich in § 202 Satz 3 VVG neu geregelt.

118 Die Auskunftspflicht des Versicherers besteht selbstverständlich auch gegenüber dem vom Versicherungsnehmer oder der

versicherten Person benannten Arzt. Dies war zwar bisher schon der Fall gem. § 178m VVG, jedoch in einem geringeren Umfang.

Page 160: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. 159

D8.11 Prämien/Bedingungsanpassung und Tarifwechsel

Bei einer Krankenversicherung, bei der die Prämie nach Art der Lebensversicherung berechnet

wird, kann der Versicherer nach § 203 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. nur die entsprechend den ver-

sicherungstechnischen Berechnungsgrundlagen nach den §§ 12, 12 a und 12 e in Verbindung

mit § 12 c VAG zu berechnende Prämie verlangen. Die Möglichkeit, mit Rücksicht auf ein er-

höhtes Risiko einen angemessenen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss zu verein-

baren, bleibt unberührt.

Dies entspricht weitgehend dem bisherigen § 178 g Abs. 1 VVG. Neu ist die Bezugnahme auf

§ 12 e VAG, der die Erhebung des Beitragszuschlags für Altverträge regelt.

Die Voraussetzung, unter denen der Versicherer die Prämie neu festsetzen kann, regelt § 203

Abs. 2 VVG n. F. Ist hiernach bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungs-

recht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, so ist der Versicherer bei

einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation

maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten

Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern

ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prä-

mienanpassung zugestimmt hat. Dabei darf auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt

angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden, wenn dies ver-

einbart ist.

Maßgebliche Rechnungsgrundlagen in dem vorgenannten Sinne sind die Versicherungsleis-

tungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge

und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 12 b

Abs. 1 – 2 a in Verbindung mit einer aufgrund des § 12 c des VAG erlassenen Rechtsverord-

nung. In Abweichung vom bisherigen § 178 g Abs. 2 Satz 1 VVG wird nicht auf die Verände-

rung des Schadenbedarfs, sondern auf die Veränderung einer für die Prämienkalkulation maß-

geblichen Rechnungsgrundlage abgestellt, die wiederum in § 203 Abs. 2 Satz 3 VVG n. F.

festgelegt ist. Auch Veränderungen der Sterbewahrscheinlichkeiten, die sich aus den jeweils

aktualisierten Sterbetafeln ergeben, sollen eine Beitragsanpassung ermöglichen.

Nach § 203 Abs. 3 VVG n. F. ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzu-

sehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens berechtigt, die allgemeinen

Versicherungsbedingungen und die Tarifbestimmungen den veränderten Verhältnissen anzu-

passen, wenn die Änderungen zur hinreichenden Wahrung der Belange des Versicherungs-

nehmers erforderlich erscheinen und ein unabhängiger Treuhänder die Voraussetzungen für

die Änderungen überprüft und ihre Angemessenheit bestätigt hat. Dies gilt allerdings nur,

wenn bei einer Krankenversicherung im Sinne des § 203 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. das ordent-

liche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist.

§ 203 Abs. 2 VVG n. F. übernimmt im Wesentlichen den bisherigen § 178 g Abs. 3 Satz 1

VVG. Wie bisher wird daher die Mitwirkung eines unabhängigen Treuhänders bei der Anpas-

sung der AVB und der Tarifbestimmungen an veränderte Verhältnisse im Gesundheitswesen

vorgeschrieben. Dies gilt nicht, wenn eine unwirksame Bedingung angepasst werden muss, da

es hier im Wesentlichen um eine rechtliche Beurteilung geht und sich insoweit das Treuhän-

derverfahren nicht bewährt hat.119

Nach § 203 Abs. 5 VVG n. F. werden die Neufestsetzung der Prämien und die Änderungen

nach den Absätzen 2 und 3 des § 203 VVG n. F. zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der

119 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 113.

Page 161: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

160 Einzelne Versicherungszweige

D auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen

Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

Die Voraussetzungen eines Tarifwechsels richten sich nach § 204 VVG n. F. Bei einem beste-

henden unbefristeten Versicherungsverhältnis kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer

verlangen, dass dieser nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 des VAG in Verbindung mit einer Rechtsver-

ordnung nach § 12 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des VAG Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit

gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte

und der Alterungsrückstellung annimmt.

Soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher

oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleistung

einen Risikoausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine War-

tezeit verlangen. Der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung eines Risikozuschlags und

eine Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsaus-

schluss vereinbart.

Die Vorschrift übernimmt im bisherigen § 178 f VVG n. F. und ergänzt ihn durch einen Ver-

weis auf die aufsichtsrechtlichen Vorschriften, die das Nähere zur Gleichartigkeit der Tarife

und zur Anrechnung der Alterungsrückstellung regeln.

8.12 Kündigung

Die Kündigung des Versicherungsnehmers ist in § 205 VVG n. F., diejenige des Versicherers

in § 206 VVG n. F. geregelt.

Nach § 205 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. kann der Versicherungsnehmer bei einer Krankheitskos-

ten- und einer Krankenhaustagegeldversicherung vorbehaltlich einer vereinbarten Mindestver-

sicherungsdauer ein Krankenversicherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als einem

Jahr eingegangen ist, zum Ende des ersten Jahres oder des darauf folgenden Jahres unter Ein-

haltung einer Frist von drei Monaten kündigen. Dabei kann die Kündigung nach § 205 Abs. 1

Satz 2 VVG n. F. auf einzelne versicherte Personen oder Tarife beschränkt werden. Dies ent-

spricht der bisherigen Regelung des § 178 h Abs. 1 VVG.

Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig, so

kann der Versicherungsnehmer binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht ei-

ne Krankheitskosten-, eine Krankentagegeld- oder eine Pflegekrankenversicherung sowie eine

für diese Versicherungen bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der

Versicherungspflicht kündigen. Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Versicherungsneh-

mer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten

nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der

Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten.

Macht der Versicherungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, so steht dem Versi-

cherer die Prämie nur bis zu diesem Zeitpunkt zu. Später kann der Versicherungsnehmer das

Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versiche-

rungspflicht nachweist. Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familien-

versicherung oder der nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beam-

tenrechtlichen oder ähnlichen Dienstverhältnis gleich.

Die Vorschrift übernimmt im Wesentlichen den bisherigen § 178 h Abs. 2 VVG. Allerdings

wird die Frist für die rückwirkende Kündigung von bisher zwei auf drei Monate verlängert.

Page 162: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. 161

DDies hat der Gesetzgeber für sachgerecht gehalten, da bei Fristbeginn nicht auf die Kenntnis

vom Eintritt der Versicherungspflicht abgestellt wird.120

§ 205 Abs. 2 Satz 1 erster HS VVG n. F. erweitert den Anwendungsbereich der Vorschrift auf

Anwartschaftsversicherungen, die vor einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder Pflege-

krankenversicherung abgeschlossen worden sind. § 205 Abs. 2 Satz 1 zweiter HS VVG führt

eine Nachweispflicht für den Eintritt der Versicherungspflicht ein, deren schuldhafte Verlet-

zung die Unwirksamkeit der Kündigung des Versicherungsnehmers zur Folge hat.

Erhöht der Versicherer aufgrund einer Anpassungsklausel die Prämie oder vermindert er die

Leistung, so kann der Versicherungsnehmer hinsichtlich der betroffenen versicherten Person

innerhalb eines Monats nach Zugang der Änderungsmitteilung mit Wirkung für den Zeitpunkt

kündigen, zu dem die Prämienerhöhung oder die Leistungsminderung wirksam werden soll,

§ 205, ab Abs. 4, Satz 1 VVG n. F.

Hat sich der Versicherer vorbehalten, die Kündigung auf einzelne versicherte Personen oder

Tarife zu beschränken und macht er von dieser Möglichkeit dann auch Gebrauch, so kann der

Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Aufhe-

bung auch des übrigen Teils der Versicherung zu dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Kün-

digung wirksam wird. Dies gilt entsprechend, wenn der Versicherer die Anfechtung oder den

Rücktritt nur für einzelne versicherte Personen oder Tarife erklärt. In diesen Fällen kann der

Versicherungsnehmer die Aufhebung zum Ende des Monats verlangen, in dem ihm die Erklä-

rung des Versicherers zugegangen ist, § 205 Abs. 5 Satz 2 und 3 VVG n. F.

Die §§ 203 Abs. 3 – 5 VVG n. F. entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 178 h Abs. 3 – 5

VVG.

Die Kündigungsrechte des Krankenversicherers sind in § 206 VVG n. F. gesondert geregelt.

Die ordentliche Kündigung einer substitutiven Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder

Pflegekrankenversicherung durch den Versicherer ist nach § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.

ausgeschlossen. Das gilt ferner für eine Krankenhaustagegeldversicherung, die neben einer

Krankheitskostenvollversicherung besteht.

Eine Krankentagegeldversicherung, für die kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszu-

schuss des Arbeitgebers besteht, kann der Versicherer hiervon abweichend in den ersten drei

Jahren unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Versicherungsjah-

res kündigen. Diese Vorschrift entspricht dem bisherigen § 178 i Abs. 1 VVG. Es wird klarge-

stellt, dass sich der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts auf die substitutive Kran-

kenversicherung beschränkt.

Für die ordentliche Kündigung einer nicht substitutiven Krankenversicherung gilt allerdings

§ 206 Abs. 1 VVG n. F. gemäß § 206 Abs. 2 VVG n. F. entsprechend, wenn diese nach Art

der Lebensversicherung betrieben wird. Diese Vorschrift ist neu und aufgenommen worden

aufgrund des übereinstimmenden Schutzzwecks.121 Liegen bei einer Krankheitskostenvollver-

sicherung oder einer Krankenhaustagegeldversicherung die Voraussetzungen des § 206 Abs. 1

VVG nicht vor, kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis nur innerhalb der ersten drei

Versicherungsjahre zum Ende eines Versicherungsjahres kündigen, wobei die Kündigungsfrist

drei Monate beträgt, § 206 Abs. 3 Satz 1 und 2 VVG n. F. Diese Vorschrift ist nicht neu, son-

dern entspricht dem bisherigen § 178 i Abs. 2 VVG.

120 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 114. 121 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 114.

Page 163: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

162 Einzelne Versicherungszweige

D Nach § 206 Abs. 4 VVG n. F. sind die versicherten Personen berechtigt, die Fortsetzung des

Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versicherungsnehmers zu erklä-

ren, wenn eine Krankheitskostenversicherung oder eine Pflegekrankenversicherung vom Ver-

sicherer wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers wirksam gekündigt wird. Die

Prämie ist ab Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses zu leisten. Die versicherten Personen

sind vom Versicherer über die Kündigung und das Recht nach Satz 1 in Textform zu informie-

ren, wobei dieses Recht zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person

Kenntnis von diesem Recht erlangt hat, endet. Diese Vorschrift ist neu und dient dem notwen-

digen Schutz der versicherten Personen in den Fällen, in denen der Versicherer das Vertrags-

verhältnis nach § 38 Abs. 3 VVG n. F. aufgrund Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers

kündigt. Nach Auffassung des Gesetzgebers muss jede versicherte Person das Recht haben, die

für sie bestehende Krankheitskostenversicherung und Pflegekrankenversicherung fortzusetzen

und sich damit den existenziell wichtigen Krankenversicherungsschutz zu erhalten.

Gemäß § 206 Abs. 5 VVG ist die ordentliche Kündigung eines Gruppenversicherungsvertrags,

der Schutz gegen das Risiko Krankheit enthält, durch den Versicherer zulässig, wenn die ver-

sicherten Personen die Krankenversicherung unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbe-

nen Rechte und der Alterungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingun-

gen der Einzelversicherung fortsetzen können. § 206 Abs. 4 Satz 2 und 3 VVG n. F. gilt in

diesen Fällen entsprechend. § 205 Abs. 5 Satz 1 VVG n. F. stimmt inhaltlich mit dem bisheri-

gen §§ 178 i Abs. 3 VVG überein.

8.13 Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses

Endet das Versicherungsverhältnis durch den Tod des Versicherungsnehmers, so sind die ver-

sicherten Personen gemäß § 207 VVG n. F. berechtigt, binnen zwei Monaten nach dem Tod

des Versicherungsnehmers die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung

des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären.

Nach § 207 Abs. 2 VVG n. F. gilt dies entsprechend, wenn der Versicherungsnehmer das Ver-

sicherungsverhältnis insgesamt oder für einzelne versicherte Personen kündigt. Die Kündigung

ist allerdings gemäß § 207 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. nur wirksam, wenn die versicherte Person

von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat.

Handelt es sich bei dem gekündigten Vertrag um einen Gruppenversicherungsvertrag und wird

kein neuer Versicherungsnehmer benannt, sind die versicherten Personen berechtigt, das Ver-

sicherungsverhältnis unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alte-

rungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversiche-

rung fortzusetzen. Dieses Recht endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicher-

te Person von diesem Recht Kenntnis erlangt hat.

Die in § 207 Abs. 2 Satz 3 VVG getroffene Regelung zur Kündigung eines Gruppenversiche-

rungsvertrages knüpft an die Regelung des § 206 Abs. 5 VVG-E an und soll die Interessen der

versicherten Personen dann wahren, wenn die Gruppenspitze einen Gruppenversicherungsver-

trag beendet.

Verlegt eine versicherte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Mitgliedsstaat

der europäischen Union oder einen anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäi-

schen Wirtschaftsraum, setzt sich das Versicherungsverhältnis mit der Maßgabe fort, dass der

Versicherer höchstens zu denjenigen Leistungen verpflichtet bleibt, die er bei einem Aufent-

halt im Inland zu erbringen hätte, § 207 Abs. 3 VVG n. F. Diese Vorschrift ist neu und er-

Page 164: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. 163

Dstreckt entsprechend der bisherigen Praxis in der Krankenversicherung die ausnahmslose Por-

tabilität eines in Deutschland abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrags innerhalb des

europäischen Wirtschaftsraums auch auf den Fall, dass die versicherte Person ihren Lebens-

mittelpunkt verlegt.

8.14 Sonstiges

Die §§ 194 bis 199 und 201 – 207 VVG sind halbzwingend gemäß § 208 Satz 1 VVG n. F. Für

die Kündigung des Versicherungsnehmers nach § 205 VVG kann die Schrift- oder die Text-

form vereinbart werden gemäß § 208 Satz 2 VVG n. F.

8.15 Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz

Kernpunkte dieses Gesetzes, soweit sie die private Krankenversicherung berühren, sind:

� Es gilt eine von einem auf drei Jahre verlängerte Frist, die Arbeitnehmer mit einem

Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze einzuhalten haben, ehe sie in die

private Krankenversicherung wechseln können.

� Seit dem 1.7.2007 müssen private Krankenversicherer bisher unversicherte Personen,

soweit sie nicht eindeutig der Gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen sind, in den

modifizierten Standardtarif aufnehmen, der Leistungen etwa auf dem Niveau der

gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Risikozuschläge dürfen nicht erhoben werden.

Der Beitrag ist auf den Höchstbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt.

� Der modifizierte Standardtarif ist als Vorstufe für die Einführung der allgemeinen

Versicherungspflicht am 1.1.2009 anzusehen. Die privaten Krankenversicherer müssen

dann einen Basistarif anbieten; der Standardtarif wird in den Basistarif überführt.

� Der Wechsel des Krankenversicherers wird erleichtert. Ab 1.1.2009 beginnende

Vollversicherungstarife müssen eine übertragbare Alterungsrückstellung vorsehen,

zumindest in der anteiligen Höhe, wie sie auch in einem Basistarif einkalkuliert wäre.

� Im ersten Halbjahr 2009 erhalten Privatversicherte und freiwillig Versicherte einmalig die

Möglichkeit zum Wechsel in den Basistarif eines Anbieters ihrer Wahl.

� Die GKV kann seit 2007 mit eigenen Wahltarifen unmittelbar mit der PKV konkurrieren.

Dies wird teilweise bereits umgesetzt, beispielsweise mit Selbstbehalts- und

Kostenerstattungstarifen, Wahlleistungen für stationäre Versorgung u.a.

Viele dieser Änderungen sind systemwidrig:

� Die PKV kalkuliert nach dem Äquivalenzprinzip. Dieses muss sie jedoch für den

modifizierten Standardtarif und den Basistarif durchbrechen und dort nicht zum Risiko

äquivalente Beiträge nehmen – womit indirekt die Versichertengemeinschaft zur

solidarischen Übernahme der nicht gedeckten Kosten verpflichtet wird.

� Für private Versicherer gilt eigentlich das grundgesetzlich geschützte Prinzip der

Vertragsfreiheit. Dieses wird ebenfalls mit dem Annahmezwang im Standard- und dem

Basistarif außer Kraft gesetzt.

Die Wahltarife widersprechen dem Grundprinzip der GKV als solidarisch finanzierter

Krankenversicherung. Durch die Einführung von Selbstbehaltstarifen und ähnlichen An-

Page 165: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

164 Einzelne Versicherungszweige

D reizen wird ein Ungleichgewicht geschaffen zwischen den – wenigen – Gesunden, die

Beiträge einsparen und den übrigen Versicherten, die die fehlenden Beiträge mitttragen

müssen.

Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über das GKV-WettbewerbsstärkungsG (nachfolgend

GKV-WSG) gegeben werden. Wesentliche Folge des GKV-WSG ist, dass das bisherige Mo-

dell der privaten Krankenversicherung in vielen Punkten an die Sozialversicherung angenähert

wird.122 Die neuen Vorschriften des VVG treten am 1.1.2009 in Kraft. Auch bestehende Ver-

sicherungsverträge werden von den Neuregelungen erfasst. Dies hat Zweifel an der Vereinba-

rung mit den in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG geregelten Grundrechten bei Teilen der Litera-

tur hervorgerufen.123 Nachfolgend werden die dann geltenden Neuregelungen des VVG als

VVG-2009 bezeichnet.

8.15.1 Versicherungspflicht

Mit § 193 Abs. 2 VVG-2009 wird eine allgemeine Versicherungspflicht für Personen mit

Wohnsitz im Inland im Sinne einer Grundabsicherung in der Krankheitskostenversicherung

eingeführt. Diese Versicherungspflicht besteht auch für die von der Person gesetzlich vertrete-

nen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können. Die Versicherungspflicht

erstreckt sich auf

� eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante

und stationäre Heilbehandlung umfasst

� und bei der für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten Selbstbehalte für ambulante

und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige

Auswirkung von kalenderjährlich 5.000 € begrenzt ist.

� Für Beihilfeberechtigte ergeben sich die möglichen Selbstbehalte durch eine sinngemäße

Anwendung des durch den Beihilfesatz nicht gedeckten Prozentanteils auf den Höchstbe-

trag von 5.000 €.

Ausnahmen von der Versicherungspflicht bestehen für

� in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig oder gesetzlich versicherte Personen,

� Beihilfe- und Heilfürsorgeberechtigte im Umfang der jeweiligen Berechtigung,

� Asylbewerber,

� Sozialhilfeempfänger .

Ein vor dem 1.4.2007 vereinbarter Krankheitskostenversicherungsvertrag genügt den Anforde-

rungen des § 193 Abs. 3, Satz 1 VVG-2009.

Wird der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Versicherungspflicht

beantragt, ist ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dieser beträgt gem. § 193 Abs. 4 VVG-2009

� einen Monatsbeitrag für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung,

� ab dem sechsten Monat für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein

Sechstel eines Monatsbeitrags.

Nach § 193 Abs. 5 VVG-2009 ist der Versicherer verpflichtet,

122 Vgl. Marlow/Spuhl, S. 185. 123 Vgl. Marlow/Spuhl, S. 196; Boetius VersR 2007, 431.

Page 166: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. 165

D� allen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten

� innerhalb von 6 Monaten nach Einführung des Basistarifs,

� innerhalb von 6 Monaten nach Beginn der im SGB V vorgesehenen Wechselmöglichkeit

im Rahmen ihres freiwilligen Versicherungsverhältnisses,

� allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversi-

cherung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach 193 Abs. 5 Nr. 1 oder

Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 VVG-2009 gehören und die nicht bereits eine private Krank-

heitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen

Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach § 193 Abs. 3 VVG-2009

genügt,

� Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben, soweit sie zur

Erfüllung der Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG-2009 ergänzenden Versicherungs-

schutz benötigen,

� allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die eine private Krankenversicherung im

Sinne des Absatzes 3 mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versi-

cherer vereinbart haben und deren Vertrag nach dem 31.12.2008 abgeschlossen wird,

eine Versicherung im Basistarif zu gewähren.

Ist der Krankheitskostenversicherungsvertrag vor dem 1.1.2009 abgeschlossen, kann bei

Wechsel oder Kündigung des Vertrags der Abschluss eines Vertrags im Basistarif beim eige-

nen oder einem anderen Versicherungsunternehmen unter Mitnahme der Alterungsrückstel-

lungen nur bis zum 30.6.2009 verlangt werden. Der Antrag muss bereits dann angenommen

werden, wenn bei einer Kündigung eines Vertrags bei einem anderen Versicherer die Kündi-

gung nach § 205 Abs. 1 Satz 1 VVG-2009 noch nicht wirksam geworden sind. Der Antrag

darf nur dann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert

war oder der Versicherer

� den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat o-

der

� vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen An-

zeigepflicht zurückgetreten ist.

Ist der Versicherungsnehmer in einer der Versicherungspflicht genügenden Versicherung mit

einem Beitrag in Höhe von Prämienanteilen für 2 Monate in Rückstand, hat ihn der Versiche-

rer gem. § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG-2009 zu mahnen. Ist der Rückstand 2 Wochen nach Zugang

der Mahnung noch höher als der Prämienanteil für einen Monat, stellt der Versicherer das Ru-

hen der Versicherung fest. Das Ruhen tritt drei Tage nach dem Zugang dieser Mitteilung beim

Versicherungsnehmer ein, § 193 Abs. 6 Satz 1 – 3 VVG 2009. Allerdings muss der Versiche-

rungsnehmer in der Mahnung noch auf diese Folge hingewiesen worden sein. Das Ruhen en-

det, wenn

� alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt

sind

� oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfsbedürftig im Sinne

SGB II oder XII wird.

Page 167: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

166 Einzelne Versicherungszweige

D Während der Ruhenszeit haftet der Versicherer ausschließlich für Aufwendungen, die zur Be-

handlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutter-

schaft erforderlich sind. Bei einer Versicherung im Basistarif kann der Versicherer verlangen,

dass Zusatzversicherungen ruhen, wenn und solange ein Versicherter auf die Halbierung des

Beitrags angewiesen ist.

8.15.2 Tarifwechsel

Die Besonderheiten des Tarifwechsels sind in § 204 VVG-2009 geregelt:

Nach § 204 Abs. 1 VVG-2009 kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen,

dass dieser

� Anträge auf Wechsel in einen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrech-

nung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt.

Soweit die Leistungen des Tarifs, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher

oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleis-

tung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit

auch einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen.

Den Risikozuschlag kann der Versicherungsnehmer durch einen entsprechenden Aus-

schluss abwenden. Der Wechsel in den Basistarif des Versicherers unter Anrechnung der

aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung ist nur möglich, wenn

Ο die bestehende Krankheitskostenversicherung nach dem 1.1.2009 abgeschlossen wurde

oder

Ο der Versicherungsnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder das 55. Lebensjahr

noch nicht vollendet hat, aber die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente

der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt und diese Rente beantragt hat oder ein Ru-

hegehalt nach beamtenrechtlichen oder vergleichbaren Vorschriften bezieht oder hilfe-

bedürftig nach dem SGB II ist oder

Ο die bestehende Krankheitskostenversicherung vor dem 1.1.2008 abgeschlossen wurde

und der Wechsel in den Basistarif vor dem 1.7.2009 beantragt wurde.

Bei einem bestehenden Versicherungsverhältnis kann der Versicherungsnehmer ferner gem.

§ 204 Absatz 1 Nr. 2 VVG-2009 verlangen,

� bei einer Kündigung des Vertrags und dem gleichzeitigem Abschluss eines neuen Vertra-

ges, der ganz oder teilweise den im gesetzliche Sozialversicherungssystem vorgesehenen

Krankenversicherungsschutz ersetzen kann, bei einem anderen Krankenversicherer:

Ο die kalkulierte Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, dessen Leistungen

dem Basistarif entsprechen, an den neuen Versicherer zu übertragen, sofern die gekün-

digte Krankheitskostenversicherung nach dem 1.1.2009 abgeschlossen wurde,

Ο bei einem Abschluss eines Vertrags im Basistarif die kalkulierte Alterungsrückstellung

des Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem Basistarif entsprechen, an den neu-

en Versicherer zu übertragen, sofern die gekündigte Krankheitskostenversicherung vor

dem 1.1.2009 abgeschlossen wurde und die Kündigung vor dem 1.7.2009 erfolgte.

Soweit die Leistungen in dem Tarif, aus dem der Versicherungsnehmer wechseln will, höher

oder umfassender als im Basistarif sind, kann der Versicherungsnehmer vom bisherigen Versi-

cherer die Vereinbarung eines Zusatztarifs verlangen, in dem die über den Basistarif hinausge-

Page 168: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Schlussvorschriften 167

Dhende Alterungsrückstellung anzurechnen ist. Auf die Ansprüche nach Satz 1 und 2 kann nicht

verzichtet werden.

§ 204 Abs. 1 VVG-2009 gilt nicht für befristete Versicherungsverhältnisse, § 204 Abs. 2

VVG-2009. Wird der Versicherungsvertrag nach Art der Lebensversicherung betrieben, haben

der Versicherungsnehmer und die versicherte Person das Recht, einen gekündigten Versiche-

rungsvertrag in Form der Anwartschaftsversicherung fortzuführen.

Unklar ist, ob ein Wechsel in den Basistarif ohne Mitnahme der Alterungsrückstellungen mög-

lich ist, wenn der Wechsel nicht bis zum 30.6.2009 beantragt wurde, aber auch die Vorausset-

zungen des § 204 Abs. 1 Ziff. 1 VVG-2009 erfüllt sind.124

8.15.3 Kündigung durch Versicherungsnehmer

Nach § 205 Abs. 6 VVG-2009 kann der Versicherungsnehmer eine Versicherung, die die An-

forderungen an eine Versicherungspflicht erfüllt, nur dann kündigen, wenn er bei einem ande-

ren Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht

genügt. Die Kündigung wird erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die

versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist.

8.15.4 Kündigung durch Versicherer

Nach § 206 Abs. 1 VVG-2009 ist jede Kündigung der Krankheitskostenversicherung, die die

Anforderungen des § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG-2009 erfüllt, ausgeschlossen.

Dies gilt auch für die ordentliche Kündigung einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und

einer Pflegekrankenversicherung, wenn die Versicherung ganz oder teilweise den im gesetzli-

chen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz er-

setzen kann.

Sie ist weiterhin ausgeschlossen für eine Krankentagegeldversicherung, die neben einer

Krankheitskostenversicherung besteht, § 206 Abs. 1 Satz 3 VVG-2009. Eine Krankentage-

geldversicherung, für die kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeit-

gebers besteht, kann der Versicherer abweichend in den ersten drei Jahren unter Einhaltung ei-

ner Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Versicherungsjahres kündigen. Die Reich-

weite des Ausschlusses des Kündigungsrechts ist umstritten.125

9 Schlussvorschriften

9.1 Rückversicherung/Seeversicherung

Nach § 209 VVG n. F. gilt das VVG nicht für die Rückversicherung und die Versicherung ge-

gen die Gefahren der Seeschifffahrt (Seeversicherung).

Soweit die Rückversicherung betroffen ist, verweist der Gesetzgeber auf die Tatsache, dass im

Rückversicherungsgeschäft keine unmittelbaren Beziehungen zwischen dem Versicherungs-

nehmer des Erstversicherers und dem Rückversicherer bestehen.126 124 Vgl. hierzu Marko in Marlow/Spuhl, S. 190, der die Auffassung vertritt, für die Einräumung eines derart systemwidrigen

Tarifwechselrechts ohne Mitgabe der Alterungsrückstellungen bedürfe es angesichts des Ausnahmecharakters einer solchen Regelung einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, die jedoch fehlt.

125 Vgl. Marlow/Spuhl, S. 194 mit weiteren Nachweisen. 126 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 115.

Page 169: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

168 Einzelne Versicherungszweige

D 9.2 Großrisiken/laufende Versicherung

Die Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach diesem Gesetz sind auf die in Art. 10 Abs. 1

Satz 2 EGVVG genannten Großrisiken und auf laufende Versicherungen nicht anzuwenden,

§ 210 VVG n. F.

Die Seeversicherung sollte nach dem VVG-Entwurf der VVG-Reformkommission noch in das

neue VVG integriert werden. Hiervon hat der Gesetzgeber abgesehen, weil die dispositiven

Regelungen des Seeversicherungsrechts ohnehin weitgehend durch AVB gesondert geregelt

seien.127

9.3 Pensionskassen, kleinere Versicherungsvereine, Versicherun-gen mit kleinen Beträgen

Für Versicherungen bei Pensionskassen im Sinne des § 118 b Abs. 3 und 4 des VAG, Versi-

cherungen, die bei einem Verein gekommen werden, der als kleinerer Verein im Sinne des

VAG anerkannt ist, Lebensversicherungen und Unfallversicherungen mit kleineren Beiträgen

gelten die §§ 37, 38, 165, 166, 168 und 169 VVG n. F. nicht, soweit mit Genehmigung der

Aufsichtsbehörde in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abweichende Bestimmun-

gen getroffen sind.

Auf die in Abs. 1 Nr. 1 des § 211 VVG n. F. genannten Pensionskassen sind ferner nicht an-

zuwenden die §§ 6 – 9, 111, 150 Abs. 2 – 4, 152 Abs. 1 und 2 VVG n. F. Für die §§ 7 – 9 und

152 Abs. 1 und 2 VVG n. F. gilt dies nicht für Fernabsatzverträge im Sinne des § 312 b Abs. 1

und 2 des BGB.

Ferner ist § 153 VVG n. F. nicht anzuwenden, soweit mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde

in den AVB eine abweichende Bestimmung getroffen ist. § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. wird

ferner nicht auf Sterbekassen angewendet. Sind für Versicherungen mit kleineren Beträgen im

Sinne von Abs. 1 Nr. 3 und 4 abweichende Bestimmungen getroffen, kann deren Wirksamkeit

nicht unter Berufung darauf angefochten werden, dass es sich nicht um Versicherungen mit

kleineren Beträgen handelt, § 211 Abs. 3 VVG n. F.

9.4 Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit

Besteht während einer Elternzeit ein Arbeitsverhältnis gemäß § 1 a Abs. 4 des Betriebsrenten-

gesetzes fort und wird eine vom Arbeitgeber zugunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeit-

nehmers abgeschlossene Lebensversicherung wegen Nichtzahlung der während der Elternzeit

fälligen Prämien in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt, kann die Arbeitnehmerin

oder der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung der Elternzeit ver-

langen, dass die Versicherung zu den vor der Umwandlung vereinbarten Bedingungen fortge-

setzt wird, § 212 VVG n. F.

9.5 Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten

Nach § 213 Abs. 1 VVG n. F. darf die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch

den Versicherer nur bei

� Ärzten,

127 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 115.

Page 170: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Schlussvorschriften 169

D� Krankenhäusern und

� sonstigen Krankenanstalten, Pflegeheimen und Pflegepersonen,

� anderen Personenversicherern und gesetzlichen Krankenkassen sowie

� Berufsgenossenschaften und

� Behörden

erfolgen und ist nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten für die Beurteilung des zu versi-

chernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich ist und die betroffene Person eine

Einwilligung erteilt hat.

Die Einwilligung kann vor Abgabe einer Vertragserklärung erteilt werden, § 213 Abs. 2 Satz 1

VVG n. F. Allerdings ist die betroffene Person vor der Datenerhebung zu unterrichten und

kann der Erhebung widersprechen. Nach § 213 Abs. 3 VVG n. F. kann die betroffene Person

jederzeit verlangen, dass eine Erhebung von Daten nur erfolgt, wenn jeweils in die einzelne

Erhebung eingewilligt worden ist. Auf diese Rechte muss die betroffene Person nach § 213

Abs. 4 VVG n. F. hingewiesen werden, § 213 Abs. 4 VVG n. F.

9.6 Schlichtungsstelle

Gemäß § 214 Abs. 1 VVG n. F. kann das Bundesjustizministerium im Einvernehmen mit dem

Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz privat-

rechtlich organisierte Einrichtungen als Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Streitbeile-

gung in folgenden Fällen einrichten:

� Bei Versicherungsverträgen mit Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB

� zwischen Versicherungsvermittlern oder Versicherungsberatern und Versicherungsneh-

mern im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen.

Die Beteiligten können diese Schlichtungsstelle anrufen, wobei der Rechtsweg unberührt

bleibt.

Nach § 214 Abs. 2 VVG n. F. können privatrechtlich organisierte Einrichtungen als Schlich-

tungsstelle nur anerkannt werden, wenn sie hinsichtlich ihrer Antworten und Vorschläge oder

entscheidungsunabhängig keinen Weisungen unterworfen sind und in organisatorischer und

fachlicher Hinsicht die Aufgaben erfüllen können.

Sie sind gemäß § 214 Abs. 3 VVG n. F. verpflichtet, jede Beschwerde über einen Versicherer

oder einen Versicherungsvermittler, einen Vermittler nach § 66 VVG n. F. und Versiche-

rungsberater zu beantworten.

Sie können nach § 214 Abs. 4 VVG n. F. von dem Versicherungsvermittler, dem Vermittler

nach § 66 VVG n. F. oder dem Versicherungsberater ein Entgelt erheben. Von dem Versiche-

rungsnehmer kann nur bei offensichtlich missbräuchlichen Beschwerden ein Entgelt erlangt

werden, wobei die Höhe des Entgelts im Verhältnis zum Aufwand der anerkannten Schlich-

tungsstelle stehen muss. Wird keine privatrechtlich organisierte Einrichtung als Schlichtungs-

stelle anerkannt, können einer Bundesoberbehörde oder einer Bundesanstalt die Aufgaben der

Schlichtungsstelle durch Rechtsverordnung zugewiesen werden und deren Verfahren sowie

die Erhebung von Gebühren und Auslagen geregelt werden.

Page 171: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

170 Einzelne Versicherungszweige

D 9.7 Gerichtsstand

Die bislang geltende Vorschrift des § 48 VVG wird abgeschafft und durch § 215 VVG n. F.

ersetzt. Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist dem-

nach auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Kla-

geerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt

hat.

Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht sogar ausschließlich zuständig

gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG n. F.

Der Gerichtsstand der Widerklage ist gemäß § 215 Abs. 2 VVG n. F. auf Widerklagen der an-

deren Partei nicht anzuwenden.

Eine von § 215 Abs. 1 VVG n. F. abweichende Vereinbarung ist nur für den Fall zulässig, dass

der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufent-

halt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher

Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

10 Geltungsbereich, Inkrafttreten, Übergangsregelungen Die neuen Vorschriften des Versicherungsvertraggesetzes 2008 sind am 1.1.2008 in Kraft ge-

treten. Ab diesem Zeitpunkt gilt das neue VVG für alle ab diesem Zeitpunkt geschlossenen

Versicherungsverträge.

Nach einer Übergangsfrist von einem Jahr gelten die Vorschriften des neuen Versicherungs-

vertragsgesetzes ab dem 1.1.2009 auch für Altverträge, die vor dem Inkrafttreten des VVGs

abgeschlossen worden sind. Die Versicherer haben während der Übergangsfrist die Möglich-

keit, ihre Versicherungsbedingungen mit Wirkung zum 01.01.2009 anzupassen.

Für einige Bereiche gelten folgende Ausnahmen:

10.1 Fortgeltung der bisherigen Vorschriften über den 1.1.2009 hinaus

Die bisherigen Vorschriften des alten Versicherungsvertragsgesetzes gelten in folgenden Fäl-

len auch über den 1.1.2009 hinaus:

� die Vorschriften über vorvertragliche Anzeigepflichten (§§ 16 ff. VVG) für Anzeigeoblie-

genheitsverletzungen in Verträgen, die vor dem Inkrafttreten des neuen VVG bereits ge-

schlossen oder beantragt waren

� für Versicherungsfälle, die bis zum 31.12.2008 in einem Altvertrag eingetreten sind

� für Rechte von Grundpfandrechtsgläubigern, die ihre rechte bis zum 31.12.2008 angemel-

det haben (Artikel 5 Abs. 1 EG VVG n. F.).

10.2 Geltung des neuen VVG bereits ab dem 1.1.2008

Ohne Übergangsfrist gelten die neuen Vorschriften des VVG für Altverträge in folgenden Be-

reichen

� Neuregelung über Vertretungsmacht (Artikel 2 Nr. 1 EG VVG n. F.)

Page 172: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Geltungsbereich, Inkrafttreten, Übergangsregelungen 171

D� Regelung der Krankenversicherung in §§ 192 bis 208 VVG n. F. unter den Voraussetzun-

gen des Artikels 2 Nr. 2 EG VVG n. F. (die durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbe-

werbs in der gesetzlichen Krakenversicherung veranlassten Neuregelungen der Kranken-

versicherungen treten erst zum 01.01.2009 in Kraft; Artikel 12 Abs. 2 EG VVG n. F.)

� in der Lebensversicherung gelten ohne Übergangsfrist die Neuregelung über die Über-

schussbeteiligung nach § 153 VVG n. F. auch für Altverträge mit vereinbarter Über-

schussbeteiligung (Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 EG VVG n. F.)

� ebenso gelten in der Lebensversicherung ohne Übergangsfrist die Neuregelungen zur prä-

mienfreien Versicherung und Kündigung des Versicherers in den §§ 165, 166 VVG n. F.

(Artikel 4, Absatz 2 EG VVG n. F.).

10.3 Keine Geltung des neuen VVG

Die Neuregelung zur Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung (§ 153 VVG n. F.) gilt

auch nach dem 31.12.2008 nicht für Altverträge (Artikel 4, Abs. 1 Satz 1 EG VVG n. F.).

Auch die Vorschrift des § 169 VVG n. F. zum Rückkaufswert findet nach dem 31.12.2008 auf

Altverträge keine Anwendung, auch soweit auf ihn verwiesen wird. Für diese Verträge ist

§ 174 VVG weiterhin anzuwenden (Artikel 4, Abs. 2 EG VVG).

Ebenso wenig gelten die neuen Vorschriften über die Berufsunfähigkeit für Altverträge nicht

(Artikel 4 Abs. 3 EG VVG n. F.; Ausnahmen: § 173 VVG n. F.).

Page 173: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

E Auswirkungen auf die Praxis

Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes wird in der Praxis in alle Bereiche der Ab-

wicklung von Versicherungsverträgen hineinwirken. Dabei werden die neuen Informations-

pflichten nachhaltig alle Bereiche des Vertragsschlusses und der damit zusammenhängenden

Geschäftsprozesse der Versicherungsunternehmen und der Versicherungsvermittler beeinflus-

sen. Die Vorschriften zur Offenlegung der Vertriebskosten werden zudem die derzeitigen Ver-

gütungssysteme berühren.

1 Versicherungsmakler

Bei Versicherungsmaklern, die als Sachwalter des Versicherungsnehmers in besonderer Ver-

antwortung stehen, wirken die neuen Vorschriften in nahezu alle Bereiche.

Gerade bei der Kundenberatung sind Kenntnisse der rechtlichen Änderungen nahezu unver-

zichtbar. Die Geschäftsprozesse der Versicherungsmakler werden gerade im Bereich der Kun-

denberatung nachhaltig von den neuen Vorschriften betroffen. Die Offenlegung der Ab-

schlusskosten wird in der Kundenberatung für Gesprächsstoff sorgen. Möglicherweise führen

die Änderungen der versicherungsvertraglichen Grundlagen auch zu neuen Haftungspotentia-

len bei Versicherungsmaklern. Jedenfalls dann, wenn in Unkenntnis oder fehlerhafter Anwen-

dung der neuen Vorschriften etwa der Obliegenheiten Beratungsfehler gegenüber den Versi-

cherungsnehmer vorkommen.

1.1 Auswirkungen der VVG-Reform für die Beratungspraxis

Die klassische Dienstleistung des Versicherungsmaklers besteht aus folgenden Elementen:

� Risikoerfassung und -bewertung

� Versicherungsschutzerfassung und -bewertung

� Risikotransfer

� Vertragsbetreuung

� Schadenassistenz

Im Hinblick auf die Neuordnung der Vertragsschlussvorschriften bedarf insbesondere der

Prozess bis zum Abschluss eines Versicherungsvertrages einer näheren Betrachtung:

Beim ersten geschäftlichen Kundenkontakt wird der Versicherungsmakler in Erfüllung seiner

statusbezogenen gewerberechtlichen Verpflichtung zur Erstinformation gemäß § 11 VersVermV

dem Kunden seine Erstinformation übermitteln.

Im nächsten Schritt wird er in Erfüllung seiner anlassbezogenen Befragungs- und Beratungs-

pflicht zunächst den Beratungsanlass klären, die zu versichernden Risiken erfassen und bewer-

ten. Danach werden der oder die vorgefundenen Versicherungsverträge auf das vorgefundene

Risiko gespiegelt und bewertet.

Im Anschluss daran wird der Makler dem Versicherungsnehmer einen konkreten Rat (Vor-

schlag zum Abschluss eines Versicherungsvertrages, „Angebot“) erteilen und den Versiche-

Page 174: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsmakler 173

Erungsnehmer um eine Entscheidung im Hinblick auf den Abschluss des Versicherungsvertra-

ges bitten.

Hat sich der Kunde nun grundsätzlich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages ent-

schieden, sind die neuen Informationspflichten nach § 7 VVG n. F. zu beachten. Es soll noch

einmal besonders darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um Informationspflichten

des Versicherungsunternehmens und nicht um Informationspflichten der Versicherungsver-

mittler handelt.

Erfolgt der Abschluss eines Versicherungsvertrages unter Zuhilfenahme von Versicherungsver-

mittlern (Versicherungsmakler, Versicherungsvertreter), hat der Versicherer gemäß § 7

VVG n. F. dafür Sorge zu tragen, dass seine (sic!) Informationspflichten auch erfüllt werden.

Im Rechtsverkehr mit Versicherungsmaklern sind dabei zwei Fallgestaltungen zu unterschei-

den:

� Der Versicherungsmakler ist im Auftrag des Versicherungsnehmers tätig (§ 59 Abs. 3

Satz 1 VVG n. F.) und gleichzeitig rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungs-

nehmers (§ 164 Abs. 1 BGB).

� Der Versicherungsmakler ist im Auftrag des Kunden tätig, aber nicht sein rechtsge-

schäftlicher Vertreter.

Im Normalfall wird der Versicherungsmakler nicht nur im Auftrag des Versicherungsnehmers

tätig, sondern zugleich auch als rechtgeschäftlicher Vertreter des Kunden. In diesen Fällen

sind vom Versicherungsunternehmen im Hinblick auf seine Informationspflichten gemäß § 7

VVG n. F. keine besonderen Maßnahmen zu ergreifen. Es reicht aus, wenn das Versiche-

rungsunternehmen den Versicherungsmakler als rechtsgeschäftlichen Vertreter des Versiche-

rungsnehmers die Informationen nach § 7 VVG n. F. in Textform zur Verfügung stellt. Dabei

ist es unerheblich, ob diese Informationen dem Versicherungsmakler über ein Extranet des

Versicherers, via E-Mail oder via Beratungstechnologie übermittelt werden.

Die dem Makler und rechtsgeschäftlichen Vertreter des Versicherungsnehmers zugegangenen

Informationen werden dem Kunden zugerechnet; damit hat das Versicherungsunternehmen

seine Pflicht erfüllt.

Während überwiegend davon ausgegangen wird, dass der Versicherungsnehmer mit der Be-

auftragung eines Versicherungsmaklers sogar konkludent dem Versicherungsmakler eine

Vollmacht erteilt, sind in der Praxis – zumal immer mehr Versicherungsmakler auch im Pri-

vatkundenbereich tätig sind – vermehrt Fälle denkbar, bei denen der Versicherungsnehmer ei-

nen Versicherungsmakler mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen beauftragt, ohne

ihn gleichzeitig auch als seinen rechtsgeschäftlichen Vertreter in Versicherungsangelegenhei-

ten zu bestimmen. In diesen Fällen muss das Versicherungsunternehmen Sorge tragen, dass

dem Versicherungsnehmer vor Abgabe von dessen Vertragserklärung die nach § 7 VVG n. F.

vorgeschriebenen Mitteilungen übermittelt werden. In der Gesetzesbegründung wird dazu aus-

geführt, dass der Versicherer über in der Praxis übliche Rahmenvereinbarungen zwischen Ver-

sicherungsunternehmen und Versicherungsmaklern (Courtagezusagen, Courtagevereinbarun-

gen, Courtageabkommen etc.) die dem Versicherer obliegende Verpflichtung nach § 7

VVG n. F. auf den Versicherungsmakler übertragen könne. Diese Formulierung ist angesichts

der klaren Zuordnung des Versicherungsmaklers in die Sphäre des Versicherungsnehmers

problematisch, aber in einzelnen Fällen wohl nicht zu vermeiden.

Für den Fall, dass der Makler als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsnehmers be-

vollmächtigt ist, erweist sich diese Regelung als überflüssig, da die dem Versicherungsmakler

Page 175: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

174 Auswirkungen auf die Praxis

E übermittelten Informationen – wie ausgeführt – dem Versicherungsnehmer bereits als zuge-

gangen zugerechnet werden.

Bei den Geschäftsprozessen ist nunmehr zwischen Versicherungsmaklern mit Vollmacht und

Versicherungsmaklern ohne Vollmacht zu unterscheiden.

Versicherungsmakler ohne Vollmacht werden in der Regel nach der Entscheidung des Kunden

über den Abschluss eines Versicherungsvertrages diesem nun die Vertragsbestimmungen und

die AVB sowie die Informationen nach der Informationspflichtenverordnung VVG InfoV

übermitteln.

Der Kunde wird sodann die Antragsfragen beantworten und den Antrag unterschreiben. We-

gen des oben schon näher beschriebenen Erfordernisses der Rechtzeitigkeit kann es sinnvoll

sein, zwischen der Übermittlung der Vertragsinformationen und der Unterschrift des Antrags

etwas Zeit verstreichen zu lassen, sodass ggf. ein zweiter Besuch erforderlich werden würde.

Der Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages wird vom Versicherungsmakler an

den Versicherer weitergeleitet. Dort wird das versicherungstechnische Risiko geprüft und ggf.

der Antrag angenommen und eine Police erstellt. AVBs und sonstige Vertragsbestimmungen

sind der Police nicht beizufügen, weil diese dem Versicherungsnehmer ja schon vor seiner An-

tragserklärung übermittelt worden sind. Infolgedessen wird die Police an den Versicherungs-

nehmer ohne weitere Anlagen übersendet.

Neuer Beratungsprozess – Antragsmodell Makler

ohne Vollmacht

KontaktErstinformation

übermitteln

Beratungsanlass

klären

Risiko erfassen &

bewerten

Versicherungs-

schutz erfassen &

bewerten

Konkreter Rat

(Vorschlag,

„Angebot“)

(innere)

Entscheidung des

Kunden

RisikoprüfungPolice ohne

Unterlagen

Vertragsbe-

stimmungen &

AVB

Information Bera-

tungsgrundlage

(ggfs.)

Beratungsdoku-

mentation

(sinnvoll)

Info nach §7 (2)

VVG

Annahme

durch VU

ggf. 2.

Besuch!

Antrag

ggf.

Dokumentation

Objektive, ausge-

wogene Markt-

untersuchung

Page 176: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsmakler 175

EWird der Versicherungsmakler gleichzeitig als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versiche-

rungsnehmers tätig, ändert sich an dem Beratungsprozess bis zum Zeitpunkt der grundsätzli-

chen Entscheidung des Kunden für den Abschluss eines Versicherungsvertrages nichts. Ent-

scheidet sich der Kunde nun gleichzeitig dafür, den Versicherungsmakler als rechtsgeschäftli-

chen Vertreter zu bevollmächtigen, ist es notwendig, den Versicherungsmakler nun mit einer

entsprechenden Vollmacht auszustatten.

Hinweis

Eine Änderung der bisher von Versicherungsmaklern verwendeten Vollmachtsformular ist aus

rechtlichen Gründen nicht erforderlich. Zur Klarstellung und zur Vermeidung von Diskussio-

nen mit Versicherern über den Umfang der Vollmacht kann folgende Formulierung helfen:

Hiermit erteile ich [Name, Anschrift des Kunden] (Vollmachtgeber) der Firma [Name, An-

schrift] (Versicherungsmakler) oder ihrer Rechtsnachfolgerin Vollmacht, in meinem Namen

� Versicherungsverträge abzuschließen, zu ändern oder zu kündigen,

� Erklärungen zu Versicherungsverträgen abzugeben oder entgegenzunehmen,

� bei der Schadensabwicklung für vom Versicherungsmakler vermittelte oder betreu-

te Versicherungen mitzuwirken,

� Zahlungen aus Abrechnungen oder Schadensabwicklungen entgegenzunehmen,

� Auskünfte bei Sozialversicherungsträgern einzuholen und Untervollmachten auszu-

stellen.

Ort, Datum, Unterschrift Vollmachtgeber

Die Übermittlung der Vertragsinformationen gemäß § 7 VVG n. F. ist dann aus den oben ge-

nannten Gründen nicht mehr erforderlich, weil die Kenntnis des Versicherungsmaklers dem

Vertretenen zugerechnet wird. Der Versicherungsmakler kann nun im Namen des Versiche-

rungsnehmers einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages stellen (Deckungsno-

te, Deckungsauftrag). Bei der Versicherung von biometrischen Risiken ist es in der Praxis

sinnvoll und empfehlenswert, die Gesundheitserklärung des Kunden separat zu erfassen und

von ihm separat unterschreiben zu lassen. Die Antragsunterlagen werden nun dem Versicherer

zur Risikoprüfung zugeleitet, der bei positivem Ergebnis der Risikoprüfung den Versiche-

rungsvertrag annehmen wird. Der Versicherer wird eine Police erstellen und die Police dem

Versicherungsnehmer oder dem Versicherungsmakler zuleiten. Vertragsinformationen müssen

der Police nicht beigefügt werden, weil sie dem Kunden ja schon zugegangen sind.

Page 177: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

176 Auswirkungen auf die Praxis

E

Neuer Beratungsprozess – Antragsmodell / Makler

mit Vollmacht

KontaktErstinformation

übermitteln

Beratungsanlass

klären

Risiko erfassen &

bewerten

Versicherungs-

schutz erfassen &

bewerten

Konkreter Rat

(Vorschlag,

„Angebot“)

(innere)

Entscheidung des

Kunden

Antrag,

ggf.

Dokumentation

Risikoprüfung

Police

mit/ohne

Unterlagen

Annahme

durch VU

*Hinweis: Makler nimmt Informationen nach § 7 VVG für Versicherungsnehmer entgegen

Objektive, ausge-

wogene Markt-

untersuchung

Beratungs-

pflichten!

Vollmacht*

In der Praxis kann dies aber zu Problemen führen, wenn weder in den Unterlagen des Versi-

cherungsnehmers noch in den Unterlagen des Versicherungsmaklers eine klare Zuordnung der

Vertragsinformationen vorgenommen werden kann. Deshalb ist es empfehlenswert, dass der

Versicherer der Police alle notwendigen Vertragsinformationen beifügt. Nach dem derzeitigen

Kenntnisstand wird bei vielen Versicherern so verfahren werden.

Andernfalls obliegt dem Versicherungsmakler eine besondere Sorgfaltspflicht, sicherzustellen,

dass im Schadenfall zweifelsfrei festgestellt werden kann, welche Vertragsbedingungen dem

in Rede stehenden Versicherungsvertrag zugrunde liegen.

Es liegt auf der Hand, dass dieses Verfahren für Versicherungsmakler, die gleichzeitig rechts-

geschäftliche Vertreter ihrer Kunden sind, in der Praxis entscheidende Handling-Vorteile bie-

tet. Insbesondere dem Merkmal der Rechtzeitigkeit wird wirksam Rechnung getragen, ohne

dass unbedingt ein zweiter Besuch erforderlich wird. Gleichzeitig birgt dieses Verfahren natür-

lich für den Versicherungsmakler besondere Sorgfaltspflichten, da es in seinem Verantwor-

tungsbereich liegt, ob und welche Informationen er aufgrund seines zwischen ihm und dem

Kunden bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages an den Versicherungsnehmer weiterleiten

muss. Dies wird je nach Absprache zwischen den Parteien und dem Informationsbedürfnis des

Versicherungsnehmers von Fall zu Fall unterschiedlich zu beurteilen sein.

Bei Anwendung des Invitatiomodells ist ebenfalls zwischen Makler mit und ohne Vollmacht

zu unterscheiden:

Page 178: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsmakler 177

E

(innere)

Entscheidung des

Kunden

Datenaufnahme &

Angebots-

anforderung

Neuer Beratungsprozess – Invitatiomodell / Makler

KontaktErstinformation

übermitteln

Beratungsanlass

klären

Risiko erfassen &

bewerten

Versicherungs-

schutz erfassen &

bewerten

Konkreter Rat

(Vorschlag,

„Angebot“)

Risikoprüfung

Annahme

durch Makler

für VN

ggf. 2.

Besuch!

Angebot!

Objektive, ausge-

wogene Markt-

untersuchung

Beratungs-

dokumentation

(sinnvoll)

Policenerstellung & Versand

mit Unterlagen:

Vertragsbe-

stimmungen

AVB

Beratungsdoku-

mentation

Info nach §7 (2)

VVG

(innere)

Entscheidung des

Kunden

Datenaufnahme &

Angebots-

anforderung

Neuer Beratungsprozess – Invitatiomodell / Makler

KontaktErstinformation

übermitteln

Beratungsanlass

klären

Risiko erfassen &

bewerten

Versicherungs-

schutz erfassen &

bewerten

Konkreter Rat

(Vorschlag,

„Angebot“)

RisikoprüfungAnnahme

durch VN

ggf. 2.

Besuch!

Angebot!

Objektive, ausge-

wogene Markt-

untersuchung

Beratungs-

dokumentation

(sinnvoll)

Policenerstellung & Versand

mit Unterlagen:

Vertragsbe-

stimmungen

AVB

Beratungsdoku-

mentation

Info nach §7 (2)

VVG

Im Rechtsverkehr mit Versicherungsunternehmen ergeben sich zunehmend Schwierigkeiten

durch Nachträge für Courtagezusagen. Versicherer versuchen auf diesem Weg, ihre eigene In-

formationspflicht auf Versicherungsmakler zu übertragen. Dies dürfte regelmäßig mit dem

Status des Versicherungsmaklers als Sachwalter seines Kunden nicht vereinbar sein. Dies gilt

jedenfalls dann, wenn der Makler rechtsgeschäftlicher Vertreter des Kunden ist.

Page 179: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

178 Auswirkungen auf die Praxis

E 1.2 Auswirkungen der VVG-Reform für die Vergütung

Ob und in welcher Art und Weise die neuen Transparenzvorschriften im Lebens- und Kran-

kenversicherungsbereich die Vergütung der Versicherungsmakler beeinflussen werden, ist zur

Zeit noch nicht abzusehen. Es gibt große und international tätige Maklerhäuser, die im An-

schluss an die Spitzeraffäre in den Vereinigten Staaten schon seit Jahren ihre Vergütung kom-

plett gegenüber den Kunden offenlegen und damit gut gefahren sind.

Ob die Mehrheit der kleinen und mittelständischen Maklerbetriebe die Offenlegung der Ver-

triebskosten bei Lebens- und Krankenversicherungen ebenso unproblematisch umsetzen kön-

nen, scheint eher zweifelhaft. Gerade im Umgang mit Verbrauchern als Versicherungsneh-

mern werden die Informationen über die Abschlusskosten zu erheblichen Gesprächsbedarf

führen. Der Umstand, dass die tatsächlichen Kosten der Versicherungsverträge bisher den

Versicherungsnehmern aufgrund der verdeckten Vergütung verborgen geblieben sind, dürfte

dazu geführt haben, dass bei den Versicherungsnehmern keine oder nur unvollständige Vor-

stellungen darüber bestehen, mit welchen Größenordnungen Lebens- und Krankenversiche-

rungsverträge mit Abschlusskosten belastet sind. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Der Ver-

sicherungsvermittler bietet dem Kunden einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Laufzeit

von 30 Jahren und einer monatlichen Zahlungsverpflichtung von 100 € an. Betragen die rech-

nungsmäßigen Abschlusskosten dieses Vertrages vier Prozent, wären demzufolge gegenüber

dem Kunden 1.440 € rechnungsmäßige Abschlusskosten auszuweisen. Der Kunde wird diese

Information aus seiner Laiensphäre in falsche Zusammenhänge bringen und im Zweifel davon

ausgehen, dass es sich dabei um die Vergütung des Versicherungsvermittlers handle. Mögli-

cherweise wird er sogar die Höhe der Summe ins Verhältnis zu der vom Versicherungsver-

mittler aufgewendeten Beratungszeit setzen und so auf einen horrenden Stundenlohn kommen.

Der Verbraucher ist nicht darüber informiert, dass auch beim Versicherungsunternehmen Ab-

schlusskosten entstehen, und er weiß auch nicht bzw. will auch nicht wissen, wie viel vergeb-

liche Beratungsgespräche der Versicherungsvermittler durchführen musste, um diesen einen

Anschluss nun vornehmen zu können, um damit einen Beitrag zur Kostendeckung zu erzielen.

So viele betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind von einem Verbraucher nicht zu erwarten.

Deshalb ist damit zu rechnen, dass in einem zunehmenden Maße Kunden die offengelegten

Abschlusskosten in Stundenlohn umrechnen und dadurch Begehrlichkeiten beim Kunden ge-

weckt werden. Derartige Begehrlichkeiten werden befeuert durch Bestrebungen der Verbrau-

cherschutzorganisationen, das bestehende Provisionsabgabeverbot bei Versicherungsvermitt-

lern abzuschaffen. Tatsächlich ist das Provisionsabgabeverbot europarechtlich kaum haltbar.

Es ist deshalb damit zu rechnen, dass in naher Zukunft das Provisionsabgabeverbot in

Deutschland fällt.

Versicherungsvermittler müssen also davon ausgehen, zukünftig mit ihren Kunden in Ver-

handlungen über die Höhe einer Beteiligung an den Abschlusskosten zu treten. Es ist auch

nicht auszuschließen, dass Versicherungsvermittler untereinander in einen Wettbewerb über

die Höhe von Beteiligungen an den Abschlusskosten treten werden. Perspektivisch wird der

Deckungskostenbeitrag des Versicherungsvermittlers bei Abschluss von Lebens- und Kran-

kenversicherungen immer kleiner.

Darüber hinaus entwickeln die neuen Vorschriften eine Ausstrahlwirkung auf das gesamte

Vergütungssystem. Erste Signale aus Brüssel sorgen mit dem Ergebnis der Sektorenuntersu-

chung für weiteren Druck auf die gegenwärtigen Vergütungssysteme.

Möglicherweise steht das gesamte derzeitige Courtagesystem im Maklerbereich auf dem Prüf-

stand. In anderen europäischen Ländern ist bereits die Courtagezahlung durch den Versicherer

Page 180: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsmakler 179

Eabgelöst worden durch die Bezahlung von Vergütungen durch den Kunden. Dies hat dazu ge-

führt, dass die Vergütungen für Versicherungsvermittler insgesamt nach unten korrigiert wor-

den sind.

Wenn das gegenwärtige Vergütungssystem nur ansatzweise gehalten werden soll, ist es erfor-

derlich, auf jeden Fall mehr Transparenz zu schaffen. Es ist deshalb für Versicherungsmakler

existenziell wichtig, die neuen Transparenzvorschriften zu akzeptieren und damit konstruktiv

umzugehen. Das bedeutet, im Verhältnis zum Kunden deutlich mehr Argumentationsaufwand

im Hinblick auf die Rechtfertigung der Abschlusskosten, bietet aber zugleich die Chance, die

Dienstleistung des Versicherungsmaklers dem Kunden gegenüber deutlicher zu kommunizie-

ren.

Es gilt daher, eine Strategie zu entwickeln, mit der die offengelegten Abschlusskosten dem

Kunden erklärt und der Dienstleistungsapparat des Versicherungsmaklers übermittelt werden

kann.

Eine derartige Strategie könnte drei Elemente beinhalten:

1.2.1 Relation der Kostensysteme

In einem ersten Schritt muss der Kunde darüber informiert werden, dass der Umstand, dass zu

Beginn der Vertragslaufzeit einmalige hohe Abschlusskosten entstehen, für sich genommen

nicht zwingend einen Nachteil darstellt. Der Kunde muss also darüber informiert werden, dass

eine andere Kostenverteilung bei einem Konkurrenzprodukt mit niedrigeren Abschlusskosten

und dafür höheren laufenden Kosten durchaus wesentlich nachteiliger für den Versicherungs-

nehmer sein kann. Von entscheidender Bedeutung ist es also, die Anfangsvermutung des Ver-

sicherungsnehmers zu widerlegen, dass hohe Abschlusskosten zwingend ein schlechtes Pro-

dukt indizieren. Es hat sich bewährt, in solchen Situationen den Kunden zwei verschiedene

Kostensysteme gegenüberzustellen, aus denen ersichtlich ist, dass ein Versicherungsvertrag

mit laufenden Kosten für den Versicherungsnehmer viel nachteiliger sein kann als ein Versi-

cherungsvertrag mit hohen Einmalkosten zu Beginn des Vertrages.

Alternative 1

Einmalbeitrag: 100.000 EUR

Einmalige Kosten: 6.000 EUR

Zuzüglich laufende Kosten

0,5% des gebildeten Kapitals

Alternative 2

Einmalbeitrag: 100.000 EUR

Einmalige Kosten: 0 EUR

Zuzüglich laufende Kosten

2,0% des gebildeten Kapitals

Ergebnis (bei einer unterstellten Bruttoperformance i.H.v. 8,0% und 20 Jahren Laufzeit)

399.298 EUR

(Rendite nach Kosten: 7,17%)320.714 EUR

(Rendite nach Kosten: 6,00%)

Wunsch nach Transparenz – oder:

Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht

Welches Produkt

ist „besser“?

Page 181: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

180 Auswirkungen auf die Praxis

E 1.2.2 Erläuterung der Kostenpositionen in den Abschlusskosten

Im nächsten Schritt muss der Kunde darüber informiert werden, welche Leistungen den in den

Versicherungstarif einkalkulierten Abschlusskosten gegenüberstehen. Neben den Vergütungen

für Versicherungsvermittler entstehen beim Versicherungsunternehmen für den Abschluss

neuer Versicherungsverträge auch zahlreiche interne Kosten: dies sind zum Beispiel Kosten

für die

� Erfassung und Speicherung der Antragsdaten

� Finanzielle Risikoprüfung, ggf. externe Bonitätsprüfung (Creditreform etc.).

� Gesundheitsprüfung:

Ο Auswertung der Gesundheitsfragen durch professionelle Risikoprüfer

Ο SWD-Anfragen und SWD-Auskünfte

Ο Anforderungen von Arztberichten und ärztlichen Zeugnissen

Ο Auswertung von Arztberichten und ärztlichen Zeugnissen durch professionelle

Risikoprüfer

Ο Rückfragen bei unklaren Angaben

Ο Anforderung zusätzlicher Fragebögen (z. B. unklares Berufsbild)

Ο Kontrolle der Wiedervorlage fehlender bzw. nachzureichender Unterlagen

Ο Erstellung und Versand der Versicherungspolice

Ο Provisionszahlung an den Versicherungsvermittler

Ο Bearbeitung von Vorabanfragen und Probepolicierung

Ο Ausbildung der Risikoprüfer etc.

In der Praxis empfiehlt sich hier die Verwendung eines Formulars, in dem Dienstleistungsele-

mente des Versicherungsunternehmens im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsver-

trägen beispielhaft aufgeführt sind.

1.2.3 Kommunikation der eigenen Dienstleistung

Letzter und wichtiger Part der Strategie ist die intensive, verständliche und glaubhafte Kom-

munikation der Dienstleistung des Versicherungsmaklers. Hier liegt die Chance des Versiche-

rungsmaklers, dem Kunden die einzelnen Elemente des Dienstleistungskataloges des Versi-

cherungsmaklers zu kommunizieren. Derartige Dienstleistungselemente sind zum Beispiel:

� Know-how – Bevorratung

� Schaden-/Leistungsfälle

� Kundengespräch

� Beratung und Information

� Analyse des Kundenbedarfs

� Marktanalyse

� Marktbeobachtung

� Investition in Mitarbeiter, EDV, Büro

Page 182: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsmakler 181

E� Abschluss- und Rückfragen

� Konkrete Angebotserstellung

� Kontrolle der Police

� Kundenbetreuung während der Laufzeit

� Aktuelle Informationen

� Modifikationen

� Aktualisierung

� Eindeckung des Risikos beim Versicherer etc.

Know-How-

Bevorratung

Kundengespräch

– Beratung und

Information

Analyse des

Kundenbedarfs

Konkrete

Angebotserstellung

Eindeckung des

„Risikos“ beim

Versicherer

Marktanalyse

Abschluss und

Rückfragen

Kontrolle der

Police

Kundenbetreuung

während der

Laufzeit

Aktuelle

Informationen

Marktbeobachtung

Investition in

Mitarbeiter, EDV,

Büro

Modifikationen /

Aktualisierungen

Schaden-/

Leistungsfälle

Vermittler müssen sich vorbereiten: Tipps für ihre

Argumentation

� Intensive, verständliche und glaubhafte Kommunikation der

Dienstleistung des Vermittlers erforderlich

� Dienstleistungselemente (Auszug)

Ein konkretes Berechnungsbeispiel erleichtert dabei die Kommunikation.

In diesem konkreten Berechnungsbeispiel könnte der vom Versicherungsmakler aufgewendete

Zeitbedarf für das eigentliche Beratungsgespräch (inkl. der Vor- und Nachberatung) aufge-

führt werden sowie die für die gesamte Laufzeit hochgerechnete erforderliche Nachbearbei-

tung des Versicherungsvertrages.

Im nächsten Schritt sollte vom Versicherungsmakler ein Stundensatz kalkuliert werden, der

seine von der Bürogröße, der eingesetzten Technik und dem eingesetzten Personal abhängigen

Kosten plus einer Unternehmermarge repräsentiert. Der ermittelte Gesamtzeitbedarf multipli-

ziert mit dem kalkulierten Stundensatz ergibt in der Regel eine Summe, die nicht selten kaum

geringer ist als die ausgewiesenen Abschlusskosten.

Page 183: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

182 Auswirkungen auf die Praxis

E Vermittler müssen sich vorbereiten: Tipps für ihre

Argumentation

– Konkretes Berechnungsbeispiel

– Zeitbedarf für Beratungsgespräch 8 h (inkl. Vor- und Nachbereitung)

– Nacharbeit während der Laufzeit 12 h

– Zeiteinsatz 20 h

– Stundensatz (Beispiel) 100 Euro

– Ergebnis: Kosten für Beratung 2.000 Euro

– Botschaft: Je qualifizierter die Beratung, desto mehr Akzeptanz!

Je intensiver die Kommunikation der eigenen Dienstleistung beim Kunden erfolgt, desto eher

ist der Kunde bereit, eine qualifizierte Beratung und Vermittlung wertzuschätzen. Dabei gilt:

Je qualifizierter die Beratung beim Kunden ankommt, desto eher ist der Kunde bereit, Ab-

schlusskosten zu akzeptieren.

Die zukünftige Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahren zwingt Versicherungsmakler

ohnehin zu weiteren betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Die Verteilung der Abschlusskos-

ten auf fünf Jahre bedeutet im Zweifel entweder weniger Courtage pro Zahlungsperiode oder

eine längere Haftungsdauer bei diskutierten Courtagen.

Deshalb ist es notwendig, sich im Versicherungsmaklerbüro mit betriebswirtschaftlichen Kal-

kulationen zu beschäftigen. Dazu gehört es, die Kosten pro Kunde, den Umsatz pro Kunde, die

Kosten pro Beratungsgespräch und letztlich den Ertrag bzw. Deckungsbeitrag pro Kunden zu

ermitteln.

Bei vielen Vermittlern werden möglicherweise defizitäre Kundenbeziehungen bei diesen Be-

rechnungen aufscheinen.

Solchermaßen betriebswirtschaftliche Überlegungen bieten gleichzeitig die Grundlage, sich

mit neuen Vergütungslösungen betriebswirtschaftlich zu beschäftigen.

Aufgrund des schon dargestellten Drucks auf die gegenwärtigen Vergütungssysteme steigt das

Bedürfnis nach Honorarlösungen. Für Versicherungsmakler ist seit dem 22. Mai 2007 im

Rahmen des § 34d Abs. 1 GewO eine Versicherungsberatung gegen Honorar bei Gewerbe-

kunden zulässig. Es wird nicht schaden, mit Honorarlösungen zu experimentieren.

In Geschäften mit Verbrauchern bleibt die „Honorarberatung“ rechtlich problematisch. Hier ist

zu überlegen, ob und in welcher Art und Weise eine Kooperation mit Versicherungsberatern

oder Versicherungsberaterfirmen möglich ist.

Page 184: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsmakler 183

E1.3 Auswirkung der VVG-Reform für die Haftung

Durch die VVG-Reform ist weder für Versicherungsunternehmen noch für Versicherungsver-

mittler materiell rechtlich ein neues Haftungssystem installiert worden. Dennoch wird die Haf-

tung der Versicherungsvermittler zukünftig im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Das hat damit

zu tun, dass die Medien im Zuge der VVG-Reform sich mehr oder weniger intensiv mit den

neuen Rechtsvorschriften beschäftigt haben. Dabei finden insbesondere die neuen Beratungs-

pflichten der Versicherungsvermittler zunehmendes Interesse. Aufgrund des gestiegenen Inte-

resses der Öffentlichkeit ist damit zu rechnen, dass auch immer mehr Rechtsanwälte sich mit

diesem – bisher meist unbekannten – Rechtsbereich beschäftigen. Der Umstand, dass für die

Versicherungsvermittler neuerdings eine Versicherungspflicht besteht, wird diesen Trend ver-

stärken, weil für Versicherungsnehmer im Zweifel dann auch beim Versicherungsvermittler

„was zu holen ist“.

Dies wird sich insbesondere auf dem Berufsstand der Versicherungsmakler auswirken. Sie

haften im Zweifel für Fehler aus der Ausübung ihrer Tätigkeit selbst. Für Versicherungsmak-

ler ist es deshalb unabdingbar, sich intensiv mit Pflichten- und Haftungsmanagement zu be-

schäftigen. Dazu zählt in erster Linie, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, ob man den An-

forderungen dieses Berufsstandes auch gewachsen ist.

Grundsätzlich sollten Versicherungsmakler ihre Dienstleistung nur in bereichen anbieten, in

denen sie über entsprechende Sachkunde verfügen. In der vertraglichen Vereinbarung mit

Kunden muss der Umfang der vom Makler übernommenen Pflichten genau festgelegt werden.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, die einzelnen Prozesse im Büro des Versicherungsmaklers auf

Fehleranfälligkeit zu überprüfen und ggf. zu verbessern. Im Haftungsmanagement gehört fer-

ner eine sorgfältige Dokumentation aller Tätigkeiten des Versicherungsmaklers dazu (die im

Interesse des Versicherungsnehmers eingerichtete gesetzliche Dokumentationspflicht der Ver-

sicherungsvermittler dürfte dazu nicht ausreichen!).

Für eventuelle dennoch eintretende Schadenfälle ist darauf zu achten, dass die Haftpflichtver-

sicherung auch dem Risikoprofil des Versicherungsmaklers entspricht.

1.4 Fazit und Perspektive der Vermittlerart

Für Versicherungsmakler ist es erforderlich, dass sie sich mit den neuen Vorschriften des Ver-

sicherungsvertragsgesetzes vertraut machen. Das Vertriebsversicherungsvertragsrecht gehört

zu der Kernmaterie, mit der der Versicherungsmakler täglich umgehen muss. Aufgrund der

schon mit dem Vermittlergesetz eingeführten neuen Vorschriften wird es auch im Bereich der

Versicherungsmakler zu einer Marktbereinigung kommen. Es wird sich nicht vermeiden las-

sen, dass einige Berufsangehörige den neuen Anforderungen des Marktes nicht mehr genügen

und sich deshalb vom Markt verabschieden werden. Es ist abzusehen, dass es einen Trend zur

Professionalisierung der Maklerschaft und einen Trend zu größeren Einheiten geben wird. Es

dürfet zukünftig kaum möglich sein, den Beruf des Versicherungsmaklers in Form einer Ein-

Personen-Firma auszuführen. Es sei denn, dass eine starke Spezialisierung vorliegt.

Qualitätsorientierte Versicherungsmakler mit profundem Know-how und kontrollierten Ge-

schäftsprozessen werden aber die Gewinner der VVG-Reform sein. Der Kunde will Unabhän-

gigkeit, die nur der Versicherungsmakler bieten kann.

Page 185: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

184 Auswirkungen auf die Praxis

E 2 Vertreter (auch Mehrfachvertreter)

Auch bei Versicherungsvertretern sind Kenntnisse der rechtlichen Änderungen, die das VVG

durch die Reform erfahren hat, in der Kundenberatung nahezu unverzichtbar. Auch die Ge-

schäftsprozesse der Versicherungsvertreter werden im Bereich der Kundenberatung von den

neuen Vorschriften betroffen. Die Offenlegung der Abschlusskosten trifft die Versicherungs-

vertreter in gleicher Weise wie Versicherungsmakler. Haftungsprobleme werden sich bei Aus-

schließlichkeitsvertretern wegen der in der Regel erfolgten Haftungsübernahme durch das ver-

tretene Versicherungsunternehmen kaum bemerkbar machen. Etwas anderes wird für Mehr-

fachvertreter gelten. Diese erwecken durch ihr tatsächliches Auftreten in der Öffentlichkeit

häufig den Eindruck, sie würden ihre Leistungen wie Versicherungsmakler erbringen. Dadurch

entsteht ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko.

2.1 Auswirkungen der VVG-Reform für die Beratungspraxis

Bei Versicherungsvertretern entfällt naturgemäß die Möglichkeit, sich von Kunden mit einer

Vollmacht bevollmächtigen zu lassen. Deshalb stellt sich für Versicherungsvertreter nur die

Frage, ob die Versicherungsvermittlung im Wege des modifizierten Antragsverfahrens oder im

Wege des Invitatiomodells abgewickelt werden soll.

Ausschließlichkeitsvertreter haben mangels Alternativen ohnehin keine Wahl, sondern müssen

das Vertragsschlussverfahren umsetzen, was ihr jeweils vertretenes Versicherungsunterneh-

men ihnen vorgibt. Die logistischen Anforderungen beim Antragsverfahren dürften sich wegen

der Ausschließlichkeitsverbindung im Rahmen halten.

Es ist zu erwarten, dass sich Ausschließlichkeitsvertreter relativ schnell in die von ihrem ver-

tretenen Versicherungsunternehmen vorgegebenen formalen Regeln einfinden werden.

Neuer Beratungsprozess – Antragsmodell / Vertreter

KontaktErstinformation

übermitteln

Beratungsanlass

klären

Risiko erfassen &

bewerten

Versicherungs-

schutz erfassen &

bewerten

Konkreter Rat

(Vorschlag,

„Angebot“)

(innere)

Entscheidung des

Kunden

RisikoprüfungPolice ohne

Unterlagen

Vertragsbe-

stimmungen &

AVB

Information Bera-

tungsgrundlage

(zwingend!)

Beratungsdoku-

mentation

(sinnvoll)

Info nach §7 (2)

VVG

Annahme

durch VU

ggf. 2.

Besuch!

Antrag

ggf.

Dokumentation

Page 186: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vertreter (auch Mehrfachvertreter) 185

E

(innere)

Entscheidung des

Kunden

Datenaufnahme &

Angebots-

anforderung

Neuer Beratungsprozess – Invitatiomodell / Vertreter

KontaktErstinformation

übermitteln

Beratungsanlass

klären

Risiko erfassen &

bewerten

Versicherungs-

schutz erfassen &

bewerten

Konkreter Rat

(Vorschlag,

„Angebot“)

RisikoprüfungAnnahme

durch VN

Information Bera-

tungsgrundlage

(ggf.)

Beratungsdoku-

mentation

(sinnvoll)

Policenerstellung & Versand

mit Unterlagen:

Vertragsbe-

stimmungen &

AVB

Information Bera-

tungsgrundlage

Beratungsdoku-

mentation

Info nach §7 (2)

VVG

ggf. 2.

Besuch!

Angebot!

Eine erfolgreiche Tätigkeit in der Ausschließlichkeit wird voraussetzen, dass neben verkäufe-

rischen Fähigkeiten auch substanzielle Kenntnisse im Bereich des neuen Versicherungsver-

tragsrechts vorhanden sind. Deshalb ist es für Ausschließlichkeitsvertreter wichtig, sich nicht

nur an die neuen Vertragsschlussmodelle zu gewöhnen, sondern sich intensiv mit dem gesam-

ten Reformkonzept des Versicherungsvertragsgesetzes auseinanderzusetzen.

Dies gilt für Mehrfachvertreter gleichermaßen. Bei den Vertragsschlussmodellen ist damit zu

rechnen, dass Mehrfachvertreter tendenziell das Invitatiomodell bevorzugen werden. Die

Wahrscheinlichkeit steigt mit der Anzahl der vertretenen Versicherungsunternehmen. Schon

bei zehn vertretenen Versicherungsunternehmen dürfte es eine logistische Herausforderung

bedeuten, die für das Antragsmodell jeweils notwendigen Vertragsinformationen in aktueller

Fassung rechtzeitig dem Kunden vor dessen Vertragserklärung zu übermitteln.

2.2 Auswirkung der VVG-Reform für die Vergütung

Im Bereich der Vermittlung von Lebens- und Krankenversicherungen ist damit zu rechnen,

dass auch bei den Versicherungsvertretern die Offenlegung der Abschlusskosten zu Diskussi-

onen mit Versicherungsnehmern führen wird.

Die von Vertreterverbänden zum Teil vorgebrachte Argumentation, der Kunde treffe seine

Entscheidung für ein Versicherungsprodukt nach dem Ausmaß des Versicherungsschutzes und

der Prämie, keinesfalls aber nach der Höhe der eingerechneten Provisionen, greift zu kurz.

Angesichts des Umstands, dass den Kunden bisher mehrheitlich die wahre Dimension der im

Lebens- und Krankenversicherungsbereich gezahlten Abschlussprovisionen verborgen geblie-

ben sind, wird für Aha-Effekte sorgen, Begehrlichkeiten beim Kunden wecken und perspekti-

visch möglicherweise das Provisionsabgabeverbot in Frage stellen, wie es von den Verbrau-

cherschutzverbänden schon lange gefordert wird.

Page 187: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

186 Auswirkungen auf die Praxis

E Es ist also auch für Versicherungsvertreter notwendig, eine Argumentationsstrategie für die

Rechtfertigung der zukünftig dem Kunden gegenüber offenzulegenden Kosten zu entwickeln.

Die Strategie von Versicherungsvertretern zur Argumentation basiert grundsätzlich auf den-

selben Überlegungen wie die Strategie von Versicherungsmaklern, wenn auch der Dienstleis-

tungskatalog nicht eins zu eins vergleichbar ist. Es ist also auch für Versicherungsvertreter

empfehlenswert, mit einer gestuften Strategie den Kundenbegehrlichkeiten zu begegnen.

Die Strategie für Vertreter besteht ebenfalls aus drei Elementen:

2.2.1 Relation der Kostensysteme

In einem ersten Schritt muss der Kunde darüber informiert werden, dass der Umstand, dass zu

Beginn der Vertragslaufzeit einmalige hohe Abschlusskosten entstehen, für sich genommen

nicht zwingend einen Nachteil darstellt. Der Kunde muss also darüber informiert werden, dass

eine andere Kostenverteilung bei einem Konkurrenzprodukt mit niedrigeren Abschlusskosten

und dafür höheren laufenden Kosten durchaus wesentlich nachteiliger für den Versicherungs-

nehmer sein kann. Von entscheidender Bedeutung ist es also, die Anfangsvermutung des Ver-

sicherungsnehmers zu widerlegen, dass hohe Abschlusskosten zwingend ein schlechtes Pro-

dukt indizieren. Es hat sich bewährt, in solchen Situationen dem Kunden zwei verschiedene

Kostensysteme gegenüberzustellen, aus denen ersichtlich ist, dass ein Versicherungsvertrag

mit laufenden Kosten für den Versicherungsnehmer viel nachteiliger sein kann als ein Versi-

cherungsvertrag mit hohen Einmalkosten zu Beginn des Vertrages.

Alternative 1

Einmalbeitrag: 100.000 EUR

Einmalige Kosten: 6.000 EUR

Zuzüglich laufende Kosten

0,5% des gebildeten Kapitals

Alternative 2

Einmalbeitrag: 100.000 EUR

Einmalige Kosten: 0 EUR

Zuzüglich laufende Kosten

2,0% des gebildeten Kapitals

Ergebnis (bei einer unterstellten Bruttoperformance i.H.v. 8,0% und 20 Jahren Laufzeit)

399.298 EUR

(Rendite nach Kosten: 7,17%)320.714 EUR

(Rendite nach Kosten: 6,00%)

Wunsch nach Transparenz – oder:

Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht

Welches Produkt

ist „besser“?

2.2.2 Erläuterung der Kostenpositionen in den Abschlusskosten

Im nächsten Schritt muss der Kunde darüber informiert werden, welche Leistungen den in den

Versicherungstarif einkalkulierten Abschlusskosten gegenüberstehen. Neben den Vergütungen

für Versicherungsvermittler entstehen beim Versicherungsunternehmen für den Abschluss

neuer Versicherungsverträge auch zahlreiche interne Kosten: dies sind zum Beispiel Kosten

für die

Page 188: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vertreter (auch Mehrfachvertreter) 187

E� Erfassung und Speicherung der Antragsdaten

� Finanzielle Risikoprüfung, ggf. externe Bonitätsprüfung (Creditreform etc.).

� Gesundheitsprüfung:

Ο Auswertung der Gesundheitsfragen durch professionelle Risikoprüfer

Ο SWD-Anfragen und SWD-Auskünfte

Ο Anforderungen von Arztberichten und ärztlichen Zeugnissen

Ο Auswertung von Arztberichten und ärztlichen Zeugnissen durch professionelle

Risikoprüfer

Ο Rückfragen bei unklaren Angaben

Ο Anforderung zusätzlicher Fragebögen (z. B. unklares Berufsbild)

Ο Kontrolle der Widervorlage fehlender bzw. nachzureichender Unterlagen

Ο Erstellung und Versand der Versicherungspolice

Ο Provisionszahlung an den Versicherungsvermittler

Ο Bearbeitung von Vorabanfragen und Probepolicierung

Ο Ausbildung der Risikoprüfer etc.

In der Praxis empfiehlt sich hier die Verwendung eines Formulars, in dem Dienstleistungsele-

mente des Versicherungsunternehmens im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsver-

trägen beispielhaft aufgeführt sind.

2.2.3 Kommunikation der eigenen Dienstleistung

Letzter und wichtiger Part der Strategie ist die intensive, verständliche und glaubhafte Kom-

munikation der Dienstleistung des Versicherungsvertreters. Auch der Vertreter kann dem

Kunden seinen Dienst kommunizieren. Seine Dienstleistungselemente sind zum Beispiel:

� Know-how – Bevorratung

� Schaden-/Leistungsfälle

� Kundengespräch

� Beratung und Information

� Analyse des Kundenbedarfs

� Investition in Mitarbeiter, EDV, Büro

� Abschluss- und Rückfragen

� Konkrete Angebotserstellung

� Kontrolle der Police

� Kundenbetreuung während der Laufzeit

� Aktuelle Informationen

� Modifikationen

� Aktualisierung

Page 189: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

188 Auswirkungen auf die Praxis

E � Eindeckung des Risikos beim Versicherer etc.

Ein konkretes Berechnungsbeispiel erleichtert dabei die Kommunikation.

In diesem konkreten Berechnungsbeispiel könnte der vom Versicherungsvertreter aufgewen-

dete Zeitbedarf für das eigentliche Beratungsgespräch (inkl. der Vor- und Nachberatung) auf-

geführt werden sowie die für die gesamte Laufzeit hochgerechnete erforderliche Nachbearbei-

tung des Versicherungsvertrages.

Im nächsten Schritt sollte vom Versicherungsvertreter ein Stundensatz kalkuliert werden, der

seine von der Bürogröße, der eingesetzten Technik und dem eingesetzten Personal abhängigen

Kosten plus einer Unternehmermarge repräsentiert. Der ermittelte Gesamtzeitbedarf multipli-

ziert mit dem kalkulierten Stundensatz ergibt in der Regel eine Summe, die nicht selten kaum

geringer ist als die ausgewiesenen Abschlusskosten.

Vermittler müssen sich vorbereiten: Tipps für ihre

Argumentation

– Konkretes Berechnungsbeispiel

– Zeitbedarf für Beratungsgespräch 8 h (inkl. Vor- und Nachbereitung)

– Nacharbeit während der Laufzeit 12 h

– Zeiteinsatz 20 h

– Stundensatz (Beispiel) 100 Euro

– Ergebnis: Kosten für Beratung 2.000 Euro

– Botschaft: Je qualifizierter die Beratung, desto mehr Akzeptanz!

Je intensiver die Kommunikation der eigenen Dienstleistung beim Kunden erfolgt, desto eher

ist der Kunde bereit, eine qualifizierte Beratung und Vermittlung wertzuschätzen. Dabei gilt:

Je qualifizierter die Beratung beim Kunden ankommt, desto eher ist der Kunde bereit, Ab-

schlusskosten zu akzeptieren.

Die zukünftige Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahren zwingen Versicherungsvertre-

ter ohnehin zu weiteren betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Die Verteilung der Abschluss-

kosten auf fünf Jahre bedeutet im Zweifel entweder weniger Courtage pro Zahlungsperiode

oder eine längere Haftungsdauer bei diskutierten Courtagen.

Deshalb ist es notwendig, sich im Versicherungsvertreterbüro mit betriebswirtschaftlichen

Kalkulationen zu beschäftigen. Dazu gehört es, die Kosten pro Kunde, den Umsatz pro Kunde,

die Kosten pro Beratungsgespräch und letztlich den Ertrag bzw. Deckungsbeitrag pro Kunde

zu ermitteln.

2.3 Auswirkungen der VVG-Reform auf die Haftung

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass durch die VVG-Reform weder für Versiche-

rungsunternehmen noch für Versicherungsvermittler materiell rechtlich ein neues Haftungs-

system installiert worden ist. Dennoch ist damit zu rechnen, dass die Haftung der Versiche-

rungsvermittler zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerät.

Beim Ausschließlichkeitsvertreter wird diese Gefahr ausgesprochen gering bleiben. In der Re-

gel haftet für den Versicherungsvertreter das vertretene Versicherungsunternehmen. Zwar be-

Page 190: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vertriebe 189

Esteht grundsätzlich für den Versicherungsvertreter bei Verletzung seiner eigenen Beratungs-

und Dokumentationspflichten grundsätzlich ein Haftungsrisiko. In der Praxis wird in solchen

Fällen aber im Zweifel ein Versicherungsunternehmen bis auf Ausnahmen dieses Haftungsri-

siko im konkreten Einzelfall decken.

Deutlich anders sieht die Situation bei Mehrfachvertretern aus. Das hat damit zu tun, das

Mehrfachvertreter in einem zunehmenden Maße in der Öffentlichkeit auftreten wie Versiche-

rungsmakler. Gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F. gilt als Versicherungsmakler, wer gegen-

über dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er bringe seine Leistung als Versiche-

rungsmakler nach Satz 1. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Versicherungsvermittler

Leistungen wie ein Versicherungsmakler erbringt, ist die Perspektive des durchschnittlichen

verständigen Versicherungsnehmers. Aus dieser Perspektive wird in der Laiensphäre des Ver-

sicherungsnehmers aus einem Mehrfachvertreter häufig ein Versicherungsmakler, wenn der

Versicherungsvertreter seine agenturvertraglichen Bindungen gegenüber Versicherungsunter-

nehmen nicht deutlich herausstellt.

2.4 Fazit und Perspektive

Auch für Versicherungsvertreter ist es erforderlich, dass sie sich mit den neuen Vorschriften

des Versicherungsvertragsgesetzes vertraut machen. Das Versicherungsvertragsrecht gehört zu

der Kernmaterie, mit der Versicherungsvertreter täglich umgehen. Auch bei Versicherungsver-

tretern wird es aufgrund der neuen Rahmenbedingungen zu einem Bereinigungsprozess kom-

men. Hier ist es weniger die drohende Haftung, die Teilnehmer aus dem Markt drängen wird,

als vielmehr der Qualitätsstandard, der für eine erfolgreiche Tätigkeit als Versicherungsvertre-

ter gerade bei den Bindungen im Ausschließlichkeitsvertrieb unbedingt erforderlich ist.

Perspektivisch ist damit zu rechnen, dass sich der Trend bei den Ausschließlichkeitsvertretun-

gen zu sogenannten „Unternehmensagenturen“ verstärken wird. Dadurch entstehen teilweise

erfolgreich am Markt agierende Einheiten, bei denen gute Ausbildung, hohes Know-how, ver-

käuferisches Geschick und intensive Unterstützung des vertretenen Versicherungsunterneh-

mens für den Erfolg sorgen.

Insgesamt ist aber damit zu rechnen, dass der Anteil der Ausschließlichkeitsvertreter weiter

nachgeben wird.

Mehrfachvertreter werden sich perspektivisch entscheiden, ob sie – nicht nur wegen des Haf-

tungspotentials – in die Maklerschaft wechseln oder in die Ausschließlichkeit zurückkehren.

3 Vertriebe

Strukturierte Versicherungsvertriebe können aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen

nur als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter Versicherungen vermitteln. Des-

halb gelten für strukturierte Vertriebe die Ausführungen zu Versicherungsmaklern bzw. Versi-

cherungsvertretern gleichermaßen.

Die Mehrheit der strukturierten Vertriebe agiert als Ausschließlichkeitsvertreter (z. B. DVA

AG) oder als Mehrfachvertreter (z. B. AWD). Gerade die großen Vertriebe werden bei der

Umsetzung der Beratungsprozesse Vorteile haben, da sie technisch auf sehr hohem Niveau

entwickelt sind. Deshalb spielt es für Vertriebe keine wesentliche Rolle, ob sie nach dem An-

tragsmodell oder nach dem Invitatiomodell Versicherungsverträge vermitteln.

Page 191: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

190 Auswirkungen auf die Praxis

E Es ist bekannt, dass große Vertriebe technisch sehr eng mit Versicherungsunternehmen ver-

zahnt sind, so dass die Abläufe schnell und kosteneffizient abgewickelt werden können.

Dem stehen auf der anderen Seite Probleme mit der Offenlegung der Abschlusskosten in Le-

bens- und Krankenversicherung gegenüber. Da viele Vertriebe nach dem Provisionsmaximie-

rungsprinzip Versicherungsverträge vermitteln, sind sie von der Offenlegungspflicht auch am

intensivsten betroffen. Dies gilt umso mehr, als gerade untere Struktureinheiten mangels Er-

fahrung im Umgang mit Kunden sich schwertun werden, die Abschlusskosten gegenüber dem

Kunden argumentativ zu vertreten. Da insbesondere die unteren Struktureinheiten häufig mit

sehr geringen Provisionssätzen abgespeist werden, werden insbesondere Branchenneulinge

durch das Missverhältnis der gegenüber dem Kunden offenzulegenden Abschlusskosten und

den eigenen Provisionssätzen irritiert. Überhaupt wird die Rekrutierung von Strukturnach-

wuchs schwieriger werden. Versicherungsverkauf ohne Fachwissen ist nach den neuen gesetz-

lichen Rahmenbedingungen nicht mehr möglich. Strukturnachwuchs kann daher regelmäßig

nur als Tippgeber fungieren und muss, um in der Struktur Fuß zu fassen, eine Ausbildung zum

Versicherungsfachmann durchlaufen.

4 Banken

Die Versicherungsvermittlung durch Banken als Versicherungsvermittler gilt als schlafender

Riese. Das hat damit zu tun, dass Banken über einen hervorragenden Kundenzugang verfügen.

Banken agieren entweder als Versicherungsvertreter oder als Versicherungsmakler, so dass auf

die jeweiligen Ausführungen zu Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern verwie-

sen werden kann. Aufgrund des vergleichsweise hohen Qualitätsniveaus verbunden mit dem

hervorragenden Kundenzugang gilt der Bankenvertrieb neben dem Maklervertrieb als der Ge-

winner der Versicherungsvertragsgesetzreform.

5 Versicherungsunternehmen

Für die Versicherungsunternehmen bedeutet die Umsetzung der Informationspflichten hohe

logistische Anforderungen. Da sich bisher kein Vertragsschlussmodell als Königsweg hervor-

heben konnte, bietet die Mehrheit der Versicherungsunternehmen am deutschen Markt beide

Modelle an. Das hat bei den Versicherungsunternehmen zu hohem finanziellem Aufwand ge-

führt, der möglicherweise tendenziell für ein leichtes Steigen der Versicherungsprämien sor-

gen wird.

Die Absatzsteuerung von Versicherungsverträgen durch Versicherungsunternehmen wird

durch die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen zunehmend schwieriger. Bisher ist es den

Versicherungsunternehmen auch im Bereich der sogenannten ungebundenen Versicherungs-

vermittler (ein eigentlich rechtlich unzulässiger Sammelbegriff für Mehrfachvertreter und Ver-

sicherungsmakler) gelungen, über die Gestaltung der Provisionszahlungen und sonstiger An-

reizsysteme den Absatz von Versicherungsprodukten steuern. Dies wird nun nicht mehr so

leicht funktionieren. Hohe Provisionen verteuern die Produkte und führen zu hohen Ab-

schlusskosten, die gerechtfertigt werden müssen. In der Produktentwicklung müssen Versiche-

rer sich also entscheiden, ob sie eher kostenbelastete Produkte entwickeln wollen. Im Zweifel

ist davon auszugehen, dass die Medien beim Ausweis hoher Abschlusskosten immer ein

schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis sehen wollen.

Bei der Auswahl der Vertriebspartner wird es wie bisher unterschiedliche Philosophien geben.

Page 192: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Verbundsysteme 191

EIm Bereich der Versicherungsmakler und der Versicherungsmehrfachvertreter ist damit zu

rechnen, dass die Versicherungsunternehmen sich vermehrt an Qualitätsvermittler halten wer-

den. Es ist deutlich zu erkennen, dass Versicherungsunternehmen in diesen Vertriebssegmen-

ten bemüht sind, ihre Geschäftsprozesse den Bedürfnissen dieser Vermittlergruppe anzupas-

sen.

Die mit dem neuen Recht verbundenen Unsicherheiten und Mehraufwendungen bei der Scha-

denregulierung werden zu einem Kostenschub führen.

6 Verbundsysteme

Verbünde, Pools und Servicegesellschaften gelten als Eisbringer für viele kleine Vermitt-

lungsunternehmen. Der Zulauf zu solchen Verbundssystemen ist nach Umsetzung der Vermitt-

lerrichtlinie stark angestiegen. Es ist offensichtlich, dass viele Vermittlerunternehmen allein

nicht in der Lage sind, den neuen Herausforderungen zu begegnen.

Es ist aber zu bedenken, dass insbesondere bei Pools zunächst einmal durch ihre Tätigkeit eine

weitere Kostenbelastung auf der Produktseite entsteht und darüber hinaus für die Umsetzung

der neuen Vertragschlussmodelle hohe Summen investiert werden müssen, um die technischen

Anforderungen zu meistern, die notwendig sind, die Geschäftsprozesse schlank abzuwickeln.

Bei diesen Voraussetzungen werden einige Pools scheitern. Sie haben zwar im Moment einen

großen Zulauf, werden aber perspektivisch Rechtfertigungsnöte bekommen, wenn sie außer

Pooling keine weiteren Services anbieten.

Servicegesellschaften mit einem breiten Dienstleistungsangebot neben dem eigentlichen Poo-

ling sind deutlich besser aufgestellt. Solche Unternehmen werden perspektivisch den gesamten

Bereich der kleinen Versicherungsvermittler aufnehmen, unabhängig davon, ob die Servicege-

sellschaften mehrheitlich Versicherern, Versicherungsvermittlern oder Dritten gehören.

Page 193: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

F Änderungen des EGVVG

1 Grundsatz

Gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG ist auf

� Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des neuen VVG am 1.1.2008 ent-

standen sind,

das alte VVG bis zum 31.12.2008 grundsätzlich anzuwenden.

Aus dieser Regelung folgt im Umkehrschluss, dass auf Versicherungsverhältnisse, die ab dem

1.1.2008 entstanden sind, das neue VVG angewendet werden muss. Entstanden ist das Versi-

cherungsverhältnis, wenn der Versicherungsvertrag zustandegekommen ist. Nicht entschei-

dend ist hingegen der materielle Versicherungsbeginn.

Beispiel

Antrag im November 2007, Annahme in Dezember 2007, materieller Versicherungsbeginn

1.1.2008 � altes Recht bis zum 31.12.2008

Zur Erinnerung: Im Versicherungsverhältnis sind zu unterscheiden:

� Formeller Versicherungsbeginn: Das ist der Zeitpunkt der Einigung zwischen den Parteien

des Versicherungsvertrags. Wann diese konkret erfolgt ist, hängt auch von dem gewählten

Vertragsabschlussmodell ab.

� Materieller Versicherungsbeginn: Das ist der Zeitpunkt, ab dem der Versicherer Versiche-

rungsschutz gewährt. Dieser Zeitpunkt kann auch vor oder nach dem formellen Versiche-

rungsbeginn liegen.

� Technischer Versicherungsbeginn: Das ist der Zeitpunkt, ab wann die Prämienzahlungs-

pflicht des Versicherungsnehmers einsetzt.128

Wie bereits oben ausgeführt, kommt es hier auf den formellen Versicherungsbeginn an.

Der in Art. 1 Abs. 1 EGVVG geregelte Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Geht

es z. B. um die Erfüllung von Anzeigepflichten, so kann es selbstverständlich nur auf diejeni-

gen Vorschriften ankommen, die der VN beachten musste, als er die Anzeigepflicht zu erfül-

len hatte. Hellseherische Fähigkeiten werden von niemandem verlangt.

Beispiel

VN stellt am 1.9.2007 einen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, der

einen Monat später angenommen wird, und beantwortet die Gesundheitsfragen falsch. Dies

kommt anlässlich der Prüfung eines im Jahre 2010 angezeigten Leistungsfalls heraus:

� Hinsichtlich der Tatbestandsregelung gilt altes Recht, die Rechtsfolgenregelungen richten

sich nach neuem Recht.129

128 Vgl. allgemein Prölss/Martin – Prölss, § 2, Rz. 1.

Page 194: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Vollmacht des Versicherungsvertreters/Krankenversicherung 193

F

Beispiel

VN stellt am 1.12.2007 einen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, der

am 1.2.2008 angenommen wird. Auch hier hatte der VN bei Antragstellung die Gesundheits-

fragen falsch beantwortet, was sich im Rahmen der Leistungsprüfung im Jahr 2010 heraus-

stellt.

� Hinsichtlich der Tatbestandsregelung gilt auch hier altes Recht, allerdings mit der Beson-

derheit, dass den Versicherer ab dem 1.1.2008 eine Nachfrageobliegenheit trifft.

Oben Gesagtes gilt nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG nicht,

� wenn bei diesen Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist.

In diesem Fall ist insoweit das alte VVG auch über den 31.12.2008 hinaus anzuwenden.

Nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG n. F. kann der Versicherer seine AVB für Altverträge mit Wir-

kung zum 1.1.2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des VVG abweichen und er dem

Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der

Unterschiede spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilt.

Gemäß Art. 1 Abs. 4 EGVVG n. F. ist § 12 Abs. 3 VVG auf Fristen nach § 12 Abs. 3 VVG,

die vor dem 1.1.2008 begonnen haben, auch nach dem 1.1.2008 anzuwenden. Diese Vorschrift

klärt die zwischenzeitlich aufgeworfene Frage, ob eine im Jahr 2007 gesetzte Ausschlussfrist

auch nach dem 1.1.2008 weiterläuft.

2 Vollmacht des Versicherungsvertreters/-

Krankenversicherung

Diesbezüglich sind in Art. 2 EGVVG folgende Neuregelungen getroffen:

Auf Altverträge sind folgende Vorschriften bereits ab dem 1.1.2008 anzuwenden:

� §§ 69 – 73 VVG n. F. über die Vertretungsmacht des Versicherungsvertreters und der in

§ 73 VVG n. F. erfassten Vermittler

� die §§ 192 – 208 VVG n. F. für die Krankenversicherung, wenn der Versicherer dem Ver-

sicherungsnehmer die aufgrund dieser Vorschriften geänderten allgemeinen Versiche-

rungsbedingungen und Tarifbestimmungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede

spätestens einen Monat vor dem Zeitpunkt in Textform mitgeteilt hat, zu dem die Ände-

rungen wirksam werden sollen.

3 Verjährung

Für die Verjährung ist Folgendes geregelt:

Nach Art. 3 Abs. 1 EGVVG n. F. wird § 195 BGB auf Ansprüche angewendet, die am

1.1.2008 noch nicht verjährt sind. Wenn die Verjährungsfrist nach § 195 BGB länger ist als

die Frist nach § 12 Abs. 1 VVG a. F., dann ist die Verjährung mit dem Ablauf der in § 12

Abs. 1 VVG a. F. bestimmten Frist vollendet.

129 Vgl. auch Marlow/Spuhl, S. 47.

Page 195: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

194 Änderungen des EGVVG

F

Beispiel

Am 1.1.2008 ist von der zweijährigen Verjährungsfrist ein Jahr abgelaufen. Ohne die VVG-

Reform wäre der Anspruch gegen den Versicherer also mit Ablauf des 31.12.2008 verjährt.

Nach neuem VVG liefe die dreijährige Verjährungsfrist an sich ein Jahr länger, aufgrund der

obigen Regelung gilt hier aber die kürzere Frist.

Ist die Verjährungsfrist nach § 195 BGB kürzer als die Frist nach § 12 Abs. 1 VVG a. F., wird

die kürzere Frist vom 1.1.2008 an berechnet. Läuft jedoch die längere Frist nach § 12 Abs. 1

VVG a. F. früher als die Frist nach § 195 BGB ab, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der

längeren Frist vollendet.

Beispiel

Am 1.1.2008 ist von der fünfjährigen Verjährungsfrist ein Jahr abgelaufen. Ohne die VVG-

Reform wäre der Anspruch gegen den Versicherer also mit dem Ablauf des 31.12.2011 ver-

jährt. Nach neuem VVG liefe die dreijährige Verjährungsfrist schon am 31.12.2010 aus, des-

halb tritt mit Ablauf dieses Tags auch Verjährung ein.

Dies gilt entsprechend für Fristen, die für die Geltendmachung oder den Erwerb oder Verlust

eines Rechts maßgebend sind, Art. 3 Abs. 4 EGVVG n. F. Die in dieser Vorschrift geregelten

Fälle betreffen Fristen, die für die Geltendmachung oder den Erwerb oder den Verlust eines

Rechts maßgeblich sind wie z. B. § 158 Abs. 2 VVG-E. Sie gelten hingegen nicht für Fristen,

die wie z. B. die Ausschlussfrist nach § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG-E erstmalig eingeführt wer-

den.130

4 Lebensversicherung/Berufsunfähigkeitsversicherung

Diesbezüglich ist in Art. 4 EGVVG folgende Sonderregelung getroffen:

§ 153 VVG n. F. ist auf Altverträge nicht anzuwenden, wenn eine Überschussbeteiligung nicht

vereinbart worden ist, ansonsten gilt § 153 VVG n. F. ab dem 1.1.2008 auch für Altverträge,

wobei vereinbarte Verteilungsgrundsätze als angemessen gelten. § 169 VVG n. F. ist auf Alt-

verträge nicht anzuwenden, sondern § 176 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung.

Auf Altverträge über eine Berufsunfähigkeitsversicherung werden die §§ 172, 174 – 177 VVG

nicht angewendet.

5 Rechte der Gläubiger von Grundpfandrechten

Hier ist in Art. 5 EGVVG folgende Sonderregelung getroffen:

Rechte, die Gläubigern von Grundpfandrechten gegenüber dem Versicherer nach den

§§ 99 – 107 c des VVG a. F. zustehen, bestimmen sich auch nach dem 31.12.2008 nach diesen

Vorschriften, wobei die Anmeldung eines Grundpfandrechts beim Versicherer nur bis zum

31.12.2008 erklärt werden kann.

130 Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 119.

Page 196: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsverhältnisse nach § 190 VVG 195

FHypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und Reallasten, die in der Zeit vom 1.1.1943 bis

zum 30.6.1994 zu Lasten von Grundstücken begründet worden sind, für die eine Gebäudever-

sicherung bei einer öffentlichen Anstalt unmittelbar kraft Gesetzes oder infolge eines gesetzli-

chen Zwangs bei einer solchen Anstalt genommen worden ist und die nach der Verordnung

zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der im Bundes-

gesetzblatt Teil III, Gliederungs-Nr.: 7632-1-1 veröffentlichten bereinigten Fassung als ange-

meldet im Sinne der §§ 99 – 106 des VVG gelten, sind, wenn das Versicherungsverhältnis

nach Überleitung in ein vertragliches Versicherungsverhältnis aufgrund des Gesetzes zur Ü-

berleitung landesrechtlicher Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22.7.1993 fortbesteht, zur

Erhaltung der durch die Fiktion begründeten Rechte bis spätestens 31.1.2008 beim Versicherer

anzumelden.

Die durch die Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versiche-

rungsvertrag begründete Fiktion erlischt mit Ablauf des 31.12.2008. Damit soll der Schutz der

Gläubiger von Grundpfandrechten bei der Gebäudefeuerversicherung für Altverträge nicht

eingeschränkt werden. Ihnen wird eine zusätzliche Übergangsfrist bis zum 31.12.2008 einge-

räumt, innerhalb derer sie ihr Grundpfandrecht beim Versicherer noch anmelden und dadurch

eine geschützte Rechtsposition erlangen können.

6 Versicherungsverhältnisse nach § 190 VVG

Das VVG gilt nicht für Versicherungsverträge im Sinne des § 190 VVG a. F. (Versicherungs-

verhältnisse bei Innungsunterstützungskassen und Berufsgenossenschaften). Für Großrisiken

wird nun eine völlige Rechtswahlfreiheit eingeführt.

G Weitere Änderungen

Das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes ändert auch weitere Vorschriften

zum Beispiel im HGB oder dem VAG. Von den Darstellungen dieser Änderungen wird abge-

sehen.

Page 197: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Literaturverzeichnis

Beckmann/Matusche – Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 1. Auflage 2004

Boetius, Gegen die Wand – Der Basistarif der Gesundheitsreform bricht Europa – und Verfas-

sungsrecht, VersR 2007, 431 ff

Engeländer, Die Neuregelung des Rückkaufs durch das VVG 2008

Engeländer, Überschussbeteiligung nach dem Regierungsentwurf zum VVG, VersR 2007,

155 ff.

Lange, Das Zusammenspiel von Anerkenntnis und Abtretung in der Haftpflichtversicherung

nach der VVG-Reform, RuS 2007, 401

Langheid, Tücken in den §§ 100 ff. VVG – RegE, VersR 2007, 865 ff.

Marlow, Die private Unfallversicherung – Aktuelles aus Rechtsprechung, Praxis und VVG-

Reform, RuS 2007, 353

Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt, 2. Auflage 2007

Münchener Kommentar zum BGB, Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil §§ 241 – 432,

5. Auflage 2007

Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004

Römer, Zu ausgewählten Problemen der VVG-Reform nach dem Referentenentwurf vom 13.

März 2006, VersR 2006, 865 ff.

Römer, Zu den Informationspflichten nach dem neuen VVG, VersR 2007, 618

Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, 2. Auflage 2003

Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007,

715 ff.

Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Auflage 2007

Page 198: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Anhang

1 Das ändert sich durch das neue VVG (Auszüge)

Autor: Matthias Beenken

Regelung

(§ VVG-neu)

Altes VVG Neues VVG

Beratung des VN

(§§ 6, 59 ff. VVG)

• Versicherer: Keine besonderen Regelungen

• Vermittler: Seit 22.5.2007 Anlassbezogene Befragungs-, Beratungs- und Dokumentati-onspflicht beim Vertragsab-schluss, Ausnahme: Großrisi-ken

• Versicherer: Anlassbezogene Befragungs-, Beratungs- und Dokumentationspflicht beim Vertragsabschluss und anlassbezoge-ne Beratungspflicht während des Vertrags-verhältnisses. Ausnahmen: maklervermit-telte Verträge, Fernabsatz, Großrisiken

• Vermittler: wie bisher

Information des

VN (§ 7 VVG)

• Antragsmodell (§ 10a VAG) ist der Regelfall

• Policenmodell (§ 5a VVG) ist zulässig, verbunden mit be-sonderem Widerspruchsrecht

• Antragsmodell ist der Regelfall, Informati-onen müssen rechtzeitig vor Antragstellung übermittelt werden

• Policenmodell entfällt

• Alternative Invitatiomodell als umgedreh-tes Antragsmodell, das eine besondere Zu-stimmung des VN erforderlich macht

• Verzichtsmöglichkeit durch gesonderte schriftliche Erklärung

Widerrufsrecht des

VN (§§ 8, 152

VVG)

Unterschiedliche Widerrufs- und

Widerspruchsrechte je nach Ver-

triebsweg, verwendetem Antrags-

verfahren sowie Produktart (Le-

bens- und Gebäudeversicherung

abweichende Regelungen)

Einheitliches Widerrufsrecht von

• 2 Wochen

• 30 Tagen in der Lebensversicherung

Beginn und Ende

der Versicherung

(§ 10 VVG)

• Jeweils 12 Uhr mittags

• In der Krankenversicherung abweichend 0 Uhr/24 Uhr

• Einheitlich 0 Uhr/24 Uhr

• Aber abdingbar über die Versicherungsbe-dingungen

Vertragsdauer (§

11 VVG)

VN kann max. 5 Jahre gebunden

werden (Ausnahmen: Lebens- und

Krankenversicherung)

VN kann max. 3 Jahre gebunden werden (Aus-

nahmen: Lebens- und Krankenversicherung)

Verjährung und

Klagefrist (§§ 195,

199 BGB)

• Ansprüche aus Versiche-rungsverträgen verjähren nach 2 (Lebensversicherung: 5) Jah-ren

• Leistungsfreiheit, wenn nicht innerhalb von 6 Monaten ge-gen Leistungsablehnung ge-klagt wird

• Ansprüche aus Versicherungsverträgen verjähren nach 3 Jahren

• Frist beginnt aber erst ab Entstehen des Anspruchs und Kenntnis des VN von die-sem

• Keine Klagefrist mehr

Page 199: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

198 Anhang

Regelung

(§ VVG-neu)

Altes VVG Neues VVG

Vorvertragliche

Anzeigepflicht (§

19 VVG)

• VN muss gefahrerhebliche Umstände mitteilen

• Bis zum Vertragsschluss

• Rücktrittsrecht bei Verschul-den

• Keine „Verjährung“ der Rech-te

• VN muss nur mitteilen, wonach er aus-drücklich in Textform gefragt wird

• Nur bis zur Antragstellung, es sei denn, der Versicherer fragt erneut

• Rücktrittsrecht nur bei Vorsatz; bei grober Fahrlässigkeit nur wenn der Versicherer den Vertrag sonst nicht geschlossen hätte

• „Verjährung“ nach 5 (Krankenversiche-rung: 3) Jahren, bei Vorsatz und Arglist nach 10 Jahren

Gefahrerhöhung (§

23 VVG)

• Fristloses Kündigungsrecht bei schuldhaftem Pflichtver-stoß, sonst 1 Monat Kündi-gungsfrist

• Leistungsfreiheit bei schuld-haftem Pflichtverstoß außer bei fehlender Kündigung so-wie bei fehlender Relevanz

• Fristloses Kündigungsrecht bei vorsätzli-chem oder grob fahrlässigem Pflichtver-stoß, 1 Monat Kündigungsfrist bei einfa-cher Fahrlässigkeit

• Leistungsfreiheit nur bei Vorsatz und Re-levanz

• Kürzungsrecht bei grober Fahrlässigkeit und Relevanz

Vertragliche Ob-

liegenheiten (§ 28

VVG)

• Fristloses Kündigungsrecht bei schuldhaftem Pflichtver-stoß, sonst 1 Monat Kündi-gungsfrist

• Leistungsfreiheit bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit au-ßer bei fehlender Relevanz

• Fristloses Kündigungsrecht bei vorsätzli-chem oder grob fahrlässigem Pflichtver-stoß

• Leistungsfreiheit nur bei Vorsatz und Re-levanz

• Kürzungsrecht bei grober Fahrlässigkeit und Relevanz

Fälligkeit der Prä-

mie (§ 33 VVG)

Sofort nach Abschluss des Ver-

trags und Zugang des Versiche-

rungsscheins

Unverzüglich nach Ablauf von 2 Wochen nach

Zugang des Versicherungsscheins

Zahlungsverzug

Erstprämie (§ 37

VVG)

• Rücktrittsrecht des Versiche-rers

• Rücktrittsfiktion, wenn Erst-prämie nicht innerhalb von 3 Monaten geltend gemacht wird

• Leistungsfreiheit

• Rücktrittsrecht des Versicherers, außer VN hat Nichtzahlung nicht zu vertreten

• Keine Rücktrittsfiktion mehr

• Leistungsfreiheit, wenn Versicherer den VN darauf besonders aufmerksam gemacht hat und wenn die Nichtzahlung vom VN zu vertreten ist

Zahlungsverzug

Folgeprämie (§§

38, 194 VVG)

• Zahlungsfrist 2 Wochen (Ge-bäudeversicherung: 1 Monat)

• Zahlungsfrist 2 Wochen (Krankenversiche-rung: 2 Monate und besondere Mitteilun-gen)

Vorzeitige Ver-

tragsbeendigung (§

39 VVG)

„Unteilbarkeit der Prämie“: Trotz

vorzeitiger Beendigung steht Ver-

sicherer volle Prämie des laufen-

den Versicherungsjahres zu

Zeitanteiliger Prämienanspruch des Versiche-

rers für die Zeit bis zur Beendigung des Ver-

trags (Ausnahmen bei Rücktritt und Anfech-

tung)

Page 200: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Das ändert sich durch das neue VVG 199

Regelung

(§ VVG-neu)

Altes VVG Neues VVG

Vorläufige De-

ckung (§§ 49-52

VVG)

Bisher nicht geregelt Eigenständiger Vertrag:

• Informationspflicht kann nachgeholt wer-den

• Im Streitfall gelten die für den VN güns-tigsten Bedingungen

• Zeitanteiliger Prämienanspruch

• Bei Nichtzustandekommen des Hauptver-trags meist ausdrückliche Kündigung er-forderlich

Kenntnis des Ver-

treters (§ 70 VVG)

Die Kenntnis eines Vermittlungs-

agenten von für den Vertrag erheb-

lichen Umständen steht derjenigen

des Versicherers nicht gleich

Die Kenntnis eines Vertreters von für den Ver-

trag erheblichen Umständen steht derjenigen

des Versicherers gleich, außer der Vertreter hat

diese Kenntnis privat und ohne Zusammenhang

mit betreffendem Versicherungsvertrag erlangt

Unterversicherung

(§ 75 VVG)

Schadenersatz kann gekürzt wer-

den in dem Verhältnis, in dem der

Versicherungswert die Versiche-

rungssumme übersteigt

Schadenersatz kann nur bei erheblicher Unter-

schreitung (in der Regel mind. 10%) in dem

Verhältnis gekürzt werden, in dem der Versi-

cherungswert die Versicherungssumme über-

steigt

Herbeiführung des

Versicherungsfalls

(§ 81 VVG)

Leistungsfreiheit bei Vorsatz oder

grober Fahrlässigkeit

Leistungsfreiheit bei Vorsatz, Kürzungsrecht

bei grober Fahrlässigkeit

Schaden-

Abwendungs- und

-minderungspflicht

(§ 82 VVG)

• Minderungs- und Weisungs-folgepflicht

• Leitungsfreiheit bei vorsätzli-cher Verletzung; bei grob fahrlässiger Verletzung nur bei Relevanz

• Minderungs- und Weisungsfolgepflicht, soweit zumutbar

• Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Verlet-zung nur bei Relevanz (Ausnahme: Arglist)

• Kürzungsrecht des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit und bei Relevanz

Veräußerung (§ 95

VVG)

• Kündigungsrecht mit soforti-ger Wirkung oder zum Ende der laufenden Versicherungs-periode

• Prämienzahlungspflicht bis zum Ende der laufenden Ver-sicherungsperiode

• Kündigungsrecht mit sofortiger Wirkung oder zum Ende der laufenden Versiche-rungsperiode

• Prämienzahlungspflicht bis zum Eingang der Erwerberkündigung

Anerkenntnisver-

bot Haftpflicht (§

105 VVG)

Ein Verbot der Anerkennung oder

Befriedigung von Ansprüchen

ohne Zustimmung des Versicherers

ist unwirksam, wenn der VN dies

nicht ohne offenbare Unbilligkeit

verweigern konnte

Ein Verbot der Anerkennung oder Befriedigung

von Ansprüchen ohne Zustimmung des Versi-

cherers ist unwirksam

Page 201: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

200 Anhang

Regelung

(§ VVG-neu)

Altes VVG Neues VVG

Verfügungen über

den Freistellungs-

anspruch (§ 108

VVG)

In den AHB wird üblicherweise

die Abtretung des Freistellungsan-

spruchs an den Anspruchsteller

ausgeschlossen

Eine Abtretung des Freistellungsanspruchs an

den Anspruchsteller kann nicht durch AVB

ausgeschlossen werden

Direktanspruch

Pflichtversicherung

(§ 115 VVG)

Direktanspruch bisher im PflVG

für die Kfz-

Haftpflichtversicherung geregelt

Direktanspruch des Geschädigten besteht

• in der Kfz-Haftpflichtversicherung

• bei Insolvenz des VN

• bei unbekanntem Aufenthaltsort des VN

Überschussbeteili-

gung (§ 153 VVG)

Bisher nicht geregelt • Anspruch auf Überschussbeteiligung, au-ßer diese wird insgesamt ausgeschlossen

• Enthält Beteiligung am Überschuss und der jährlich zu ermittelnden Bewertungsreser-ven

• Bei Vertragsende stehen VN 50% der Be-wertungsreserve zu

Modellrechnung

(§ 154 VVG)

Bisher nicht geregelt Macht der Versicherer Angaben zur möglichen

Überschussleistung, muss er eine Modellrech-

nung mit 3 normierten Zinssätzen erstellen

Jährliche Unter-

richtung (§ 155

VVG)

Bisher nicht geregelt Bei Versicherungen mit Überschussbeteiligung

jährliche Mitteilung zur Entwicklung der An-

sprüche einschließlich Abweichungen zu ur-

sprünglichen Angaben

Bedingungsanpas-

sung (§§ 164, 176,

203 VVG)

Unwirksame Bestimmungen in

Versicherungsbedingungen (Le-

bens-, Berufsunfähigkeits- und

Krankenversicherung) können

nach Zustimmung durch einen

Treuhänder ersetzt werden.

Durch höchstrichterliche Entscheidung oder

bestandskräftige Verwaltungsakte (z. B. der

BaFin) unwirksame Bestimmungen in Allge-

meinen Versicherungsbedingungen können

vom Versicherer selbst durch angemessene

neue ersetzt werden.

Rückkaufswert

(§ 169 VVG)

• Rückkaufswert auf Basis des Zeitwerts

• Versicherer ist zu einem Ab-zug berechtigt, wenn er ver-einbart und angemessen ist

• Rückkaufswert auf Basis des Deckungska-pitals

• Abschluss- und Vertriebskosten dürfen begrenzt auf den Höchstzillmersatz (40%o) und verteilt über die ersten 5 Vertragsjahre abgezogen werden

• Weiterer Abzug nur, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist und nicht zur Deckung ungetilgter Abschluss- und Ver-triebskosten dient

Berufsunfähig-

keitsversicherung

(§§ 172-177 VVG)

Bisher nicht besonders geregelt Bestimmungen zu: Leistung, Anerkenntnis,

Leistungsfreiheit, anzuwendende Vorschriften.

Verweisungen müssen besonders vereinbart

werden.

Page 202: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Das ändert sich durch das neue VVG 201

Regelung

(§ VVG-neu)

Altes VVG Neues VVG

Leistungen der

Krankenversiche-

rung (§ 192 VVG)

Medizinisch notwendige Aufwen-

dungen

Medizinisch notwendige Aufwendungen, die

zudem nicht in auffälligem Missverhältnis zu

den erbrachten Leistungen stehen (Übermaß-

verbot). Zusätzlich können Beratungs- u. ä.

Dienstleistungen Gegenstand der Krankheits-

kostenversicherung sein

Befristung Kran-

kentagegeldversi-

cherung (§ 196

VVG)

Bisher nicht besonders geregelt KTG kann auf Alter 65 befristet werden, der

VN hat aber ein zweimaliges Verlängerungs-

recht um je 5 Jahre, auf das erste muss er be-

sonders hingewiesen werden

Beihilfeempfänger

(§ 199 VVG)

Bisher nicht geregelt Eine automatische Beendigung des bei Verset-

zung bin den Ruhestand nicht mehr benötigten

Teils der privaten Krankheitskostenversiche-

rung kann vereinbart werden. Bei Beihilfesatz-

änderungen besteht ein Anspruch auf Vertrags-

anpassung, bei Antrag innerhalb von 6 Monaten

ohne Risikoprüfung und Wartezeiten

Bereicherungsver-

bot (§ 200 VVG)

Bisher nicht geregelt Gesamterstattung bei mehreren Erstattungsver-

pflichteten darf die Aufwendungen nicht über-

steigen

Eintritt der Versi-

cherungspflicht (§

205 VVG)

Zwei Monate nach Eintritt außer-

ordentliches Kündigungsrecht

Drei Monate nach Eintritt außerordentliches

Kündigungsrecht; Nachweispflicht innerhalb

von 2 Monaten

Fortsetzung der

Lebensversiche-

rung nach der El-

ternzeit (§ 212

VVG)

Bisher nicht geregelt Ein während der Elternzeit prämienfrei gestell-

ter Entgeltumwandlungsvertrag kann innerhalb

von 3 Monaten nach Beendigung der Elternzeit

fortgesetzt werden

Versicherungs-

pflicht (§ 193 VVG

in der Fassung ab

1.1.2009)

Bisher nicht geregelt • Allgemeine Versicherungspflicht für alle Deutschen außer die über die GKV oder die freie Heilfürsorge versicherbaren Per-sonen

• Wechselrecht im 1. Halbjahr 2009 in den Basistarif, ggf. unter Anrechnung teilwei-ser Alterungsrückstellungen

• Leistungspflicht für akute Behandlungen selbst bei Nichtzahlung Folgeprämie

• Teilportabilität der Alterungsrückstellun-gen

Schlichtungsstelle

(§ 214 VVG)

Seit 22.5.2007 für Streitigkeiten

mit Versicherungsvermittlern

Für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und

Versicherer sowie VN und Versicherungsver-

mittlern

Page 203: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

202 Anhang

2 VVG n. F.

Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts

Vom 23. November 2007

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Gesetz über den Versicherungsvertrag

(Versicherungsvertragsgesetz – VVG)

Teil 1

Allgemeiner Teil

Kapitel 1

Vorschriften für alle Versicherungszweige

Abschnitt 1

Allgemeine Vorschriften

§ 1

Vertragstypische Pflichten

Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des

Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt

des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflich-

tet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.

§ 2

Rückwärtsversicherung

(1) Der Versicherungsvertrag kann vorsehen, dass der Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt

des Vertragsschlusses beginnt (Rückwärtsversicherung).

(2) Hat der Versicherer bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis, dass der Eintritt

eines Versicherungsfalles ausgeschlossen ist, steht ihm ein Anspruch auf die Prämie nicht zu.

Hat der Versicherungsnehmer bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis, dass ein

Versicherungsfall schon eingetreten ist, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.

(3) Wird der Vertrag von einem Vertreter geschlossen, ist in den Fällen des Absatzes 2 sowohl

die Kenntnis des Vertreters als auch die Kenntnis des Vertretenen zu berücksichtigen.

(4) § 37 Abs. 2 ist auf die Rückwärtsversicherung nicht anzuwenden.

§ 3

Versicherungsschein

(1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer einen Versicherungsschein in Textform,

auf dessen Verlangen als Urkunde, zu übermitteln.

Page 204: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 203

(2) Wird der Vertrag nicht durch eine Niederlassung des Versicherers im Inland geschlossen,

ist im Versicherungsschein die Anschrift des Versicherers und der Niederlassung, über die der

Vertrag geschlossen worden ist, anzugeben.

(3) Ist ein Versicherungsschein abhandengekommen oder vernichtet, kann der Versicherungs-

nehmer vom Versicherer die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins verlangen. Unter-

liegt der Versicherungsschein der Kraftloserklärung, ist der Versicherer erst nach der Kraftlos-

erklärung zur Ausstellung verpflichtet.

(4) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit vom Versicherer Abschriften der Erklärungen

verlangen, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Benötigt der Versicherungsneh-

mer die Abschriften für die Vornahme von Handlungen gegenüber dem Versicherer, die an ei-

ne bestimmte Frist gebunden sind, und sind sie ihm nicht schon früher vom Versicherer über-

mittelt worden, ist der Lauf der Frist vom Zugang des Verlangens beim Versicherer bis zum

Eingang der Abschriften beim Versicherungsnehmer gehemmt.

(5) Die Kosten für die Erteilung eines neuen Versicherungsscheins nach Absatz 3 und der Ab-

schriften nach Absatz 4 hat der Versicherungsnehmer zu tragen und auf Verlangen vorzu-

schießen.

§ 4

Versicherungsschein auf den Inhaber

(1) Auf einen als Urkunde auf den Inhaber ausgestellten Versicherungsschein ist § 808 des

Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden.

(2) Ist im Vertrag bestimmt, dass der Versicherer nur gegen Rückgabe eines als Urkunde aus-

gestellten Versicherungsscheins zu leisten hat, genügt, wenn der Versicherungsnehmer erklärt,

zur Rückgabe außerstande zu sein, das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis, dass die Schuld

erloschen sei. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsschein der Kraftloserklä-

rung unterliegt.

§ 5

Abweichender Versicherungsschein

(1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers

oder den getroffenen Vereinbarungen ab, gilt die Abweichung als genehmigt, wenn die Vor-

aussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines

Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht.

(2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins

darauf hinzuweisen, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsneh-

mer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform wider-

spricht. Auf jede Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen ist der Versiche-

rungsnehmer durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam zu ma-

chen.

(3) Hat der Versicherer die Verpflichtungen nach Absatz 2 nicht erfüllt, gilt der Vertrag als mit

dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen.

(4) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherungsnehmer darauf verzichtet, den Vertrag we-

gen Irrtums anzufechten, ist unwirksam.

Page 205: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

204 Anhang

§ 6

Beratung des Versicherungsnehmers

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebo-

tene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situa-

tion hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch

unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und

der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden

zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung

der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer den erteilten Rat und die Gründe hierfür

klar und verständlich vor dem Abschluss des Vertrags in Textform zu übermitteln. Die Anga-

ben dürfen mündlich übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer dies wünscht oder

wenn und soweit der Versicherer vorläufige Deckung gewährt. In diesen Fällen sind die An-

gaben unverzüglich nach Vertragsschluss dem Versicherungsnehmer in Textform zu übermit-

teln; dies gilt nicht, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt und für Verträge über vorläufige

Deckung bei Pflichtversicherungen.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1

und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer aus-

drücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit

auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend

zu machen.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der

Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nach-

frage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Der Versicherungsnehmer kann

im Einzellfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versiche-

rungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht,

wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des Arti-

kels 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz nicht anzu-

wenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versi-

cherungsmakler vermittelt wird oder wenn es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn

des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs handelt.

§ 7

Information des Versicherungsnehmers

(1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Ver-

tragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbe-

dingungen sowie die in einer Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Informationen in

Textform mitzuteilen. Die Mitteilungen sind in einer dem eingesetzten Kommunikationsmittel

entsprechenden Weise klar und verständlich zu übermitteln. Wird der Vertrag auf Verlangen

des Versicherungsnehmers telefonisch oder unter Verwendung eines anderen Kommunikati-

onsmittels geschlossen, das die Information in Textform vor der Vertragserklärung des Versi-

cherungsnehmers nicht gestattet, muss die Information unverzüglich nach Vertragsschluss

nachgeholt werden; dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer durch eine gesonderte

Page 206: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 205

schriftliche Erklärung aufeine Information vor Abgabe seiner Vertragserklärung ausdrücklich

verzichtet.

(2) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesmi-

nisterium der Finanzen und im Benehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Land-

wirtschaft und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates

zum Zweck einer umfassenden Information des Versicherungsnehmers festzulegen, 1. welche

Einzelheiten des Vertrags, insbesondere zum Versicherer, zur angebotenen Leistung und zu

den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie zum Bestehen eines Widerrufsrechts, dem

Versicherungsnehmer mitzuteilen sind, 2. welche weiteren Informationen dem Versicherungs-

nehmer bei der Lebensversicherung, insbesondere über die zu erwartenden Leistungen, ihre

Ermittlung und Berechnung, über eine Modellrechnung sowie über die Abschluss- und Ver-

triebskosten, soweit eine Verrechnung mit Prämien erfolgt, und über sonstige Kosten mitzutei-

len sind, 3. welche weiteren Informationen bei der Krankenversicherung, insbesondere über

die Prämienentwicklung und -gestaltung sowie die Abschluss- und Vertriebskosten, mitzutei-

len sind, 4. was dem Versicherungsnehmer mitzuteilen ist, wenn der Versicherer mit ihm tele-

fonisch Kontakt aufgenommen hat und 5. in welcher Art und Weise die Informationen zu er-

teilen sind. Bei der Festlegung der Mitteilungen nach Satz 1 sind die vorgeschriebenen Anga-

ben nach der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der

Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebens-

versicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/ EWG und 88/357/EWG (ABl. EG

Nr. L 228 S. 1), der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom

23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur

Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG

(ABl. EG Nr. L 271 S. 16) sowie der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG Nr. L 345 S. 1) zu be-

achten.

(3) In der Rechtsverordnung nach Absatz 2 ist ferner zu bestimmen, was der Versicherer wäh-

rend der Laufzeit des Vertrags in Textform mitteilen muss; dies gilt insbesondere bei Ände-

rungen früherer Informationen, ferner bei der Krankenversicherung bei Prämienerhöhungen

und hinsichtlich der Möglichkeit eines Tarifwechsels sowie bei der Lebensversicherung mit

Überschussbeteiligung hinsichtlich der Entwicklung der Ansprüche des Versicherungsneh-

mers.

(4) Der Versicherungsnehmer kann während der Laufzeit des Vertrags jederzeit vom Versi-

cherer verlangen, dass ihm dieser die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen

Versicherungsbedingungen in einer Urkunde übermittelt; die Kosten für die erste Übermitt-

lung hat der Versicherer zu tragen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des Arti-

kels 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz nicht anzu-

wenden. Ist bei einem solchen Vertrag der Versicherungsnehmer eine natürliche Person, hat

ihm der Versicherer vor Vertragsschluss das anwendbare Recht und die zuständige Aufsichts-

behörde in Textform mitzuteilen.

§ 8

Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers

(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen wi-

derrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine

Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

Page 207: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

206 Anhang

(2) Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem folgende Unterlagen dem Versiche-

rungsnehmer in Textform zugegangen sind: 1. der Versicherungsschein und die Vertragsbe-

stimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die weiteren In-

formationen nach § 7 Abs. 1 und 2 und 2. eine deutlich gestaltete Belehrung über das Wider-

rufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs, die dem Versicherungsnehmer seine Rech-

te entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels deutlich macht

und die den Namen und die Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist,

sowie einen Hinweis auf den Fristbeginn und auf die Regelungen des Absatzes 1 Satz 2 ent-

hält. Die Belehrung genügt den Anforderungen des Satzes 1 Nr.2,wenndas vomBundesmi-

nisterium derJustizauf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 5 veröffentlichte Muster

verwendet wird. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen nach Satz 1 obliegt dem Ver-

sicherer.

(3) Das Widerrufsrecht besteht nicht 1. bei Versicherungsverträgen mit einer Laufzeit von we-

niger als einem Monat, 2. bei Versicherungsverträgen über vorläufige Deckung, es sei denn, es

handelt sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinn des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen

Gesetzbuchs, 3. bei Versicherungsverträgen bei Pensionskassen, die auf arbeitsvertraglichen

Regelungen beruhen, es sei denn, es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinn des §

312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. bei Versicherungsverträgen über ein

Großrisiko im Sinn desArtikels10Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungs-

vertragsgesetz. Das Widerrufsrecht ist ausgeschlossen bei Versicherungsverträgen, die von

beiden Vertragsparteien auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers vollständig er-

füllt sind, bevor der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht ausgeübt hat.

(4) Im elektronischen Geschäftsverkehr beginnt die Widerrufsfrist abweichend von Absatz 2

Satz 1 nicht vor Erfüllung auch der in § 312e Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ge-

regelten Pflichten.

(5) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zu-

stimmung des Bundesrates Inhalt und Gestaltung der dem Versicherungsnehmer nach Absatz

2 Satz 1 Nr. 2 mitzuteilenden Belehrung über das Widerrufsrecht festzulegen.

§ 9

Rechtsfolgen des Widerrufs

Übt der Versicherungsnehmer das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 1 aus, hat der Versicherer nur

den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien zu erstatten, wenn

der Versicherungsnehmer in der Belehrung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 auf sein Widerrufs-

recht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist

und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt; die

Erstattungspflicht ist unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs zu erfüllen.

Ist der in Satz 1 genannte Hinweis unterblieben, hat der Versicherer zusätzlich die für das erste

Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zu erstatten; dies gilt nicht, wenn der Ver-

sicherungsnehmer Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen hat.

§ 10

Beginn und Ende der Versicherung

Ist die Dauer der Versicherung nach Tagen, Wochen, Monaten oder einem mehrere Monate

umfassenden Zeitraum bestimmt, beginnt die Versicherung mit Beginn des Tages, an dem der

Vertrag geschlossen wird; er endet mit Ablauf des letzten Tages der Vertragszeit.

Page 208: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 207

§ 11

Verlängerung, Kündigung

(1) Wird bei einem auf eine bestimmte Zeit eingegangenen Versicherungsverhältnis im Voraus

eine Verlängerung für den Fall vereinbart, dass das Versicherungsverhältnis nicht vor Ablauf

der Vertragszeit gekündigt wird, ist die Verlängerung unwirksam, soweit sie sich jeweils auf

mehr als ein Jahr erstreckt.

(2) Ist ein Versicherungsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, kann es von beiden

Vertragsparteien nur für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode gekündigt werden.

Auf das Kündigungsrecht können sie einvernehmlich bis zur Dauer von zwei Jahren verzich-

ten.

(3) Die Kündigungsfrist muss für beide Vertragsparteien gleich sein; sie darf nicht weniger als

einen Monat und nicht mehr als drei Monate betragen.

(4) Ein Versicherungsvertrag, der für die Dauer von mehr als drei Jahren geschlossen worden

ist, kann vom Versicherungsnehmer zum Schluss des dritten oder jedes darauf folgenden Jah-

res unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

§ 12

Versicherungsperiode

Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen

ist, der Zeitraum eines Jahres.

§ 13

Änderung von Anschrift und Name

(1) Hat der Versicherungsnehmer eine Änderung seiner Anschrift dem Versicherer nicht mit-

geteilt, genügt für eine dem Versicherungsnehmer gegenüber abzugebende Willenserklärung

die Absendung eines eingeschriebenen Briefes an die letzte dem Versicherer bekannte An-

schrift des Versicherungsnehmers. Die Erklärung gilt drei Tage nach der Absendung des Brie-

fes als zugegangen. Die Sätze 1 und 2 sind im Fall einer Namensänderung des Versicherungs-

nehmers entsprechend anzuwenden.

(2) Hat der Versicherungsnehmer die Versicherung in seinem Gewerbebetrieb genommen, ist

bei einer Verlegung der gewerblichen Niederlassung Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend an-

zuwenden.

§ 14

Fälligkeit der Geldleistung

(1) Geldleistungen des Versicherers sind fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des

Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebun-

gen.

(2) Sind diese Erhebungen nicht bis zum Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versiche-

rungsfalles beendet, kann der Versicherungsnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Betrags

verlangen, den der Versicherer voraussichtlich mindestens zu zahlen hat. Der Lauf der Frist ist

gehemmt, solange die Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers

nicht beendet werden können.

Page 209: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

208 Anhang

(3) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung von Ver-

zugszinsen befreit wird, ist unwirksam.

§ 15

Hemmung der Verjährung

Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherer angemeldet worden, ist die

Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem

Anspruchsteller in Textform zugeht.

§ 16

Insolvenz des Versicherers

(1) Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Ver-

sicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung; bis zu diesem Zeitpunkt

bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam.

(2) Die Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes über die Wirkungen der Insolvenzer-

öffnung bleiben unberührt.

§ 17

Abtretungsverbot bei unpfändbaren Sachen

Soweit sich die Versicherung auf unpfändbare Sachen bezieht, kann eine Forderung aus der

Versicherung nur auf solche Gläubiger des Versicherungsnehmers übertragen werden, die die-

sem zum Ersatz der zerstörten oder beschädigten Sachen andere Sachen geliefert haben.

§ 18

Abweichende Vereinbarungen

Von § 3 Abs. 1 bis 4, § 5 Abs. 1 bis 3, den §§ 6 bis 9 und 11 Abs. 2 bis 4, § 14 Abs. 2 Satz 1

und § 15 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

Abschnitt 2

Anzeigepflicht, Gefahrerhöhung, andere Obliegenheiten

§ 19

Anzeigepflicht

(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten

Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten

Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat,

dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versiche-

rungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungs-

nehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versiche-

rer vom Vertrag zurücktreten.

(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer

die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der

Page 210: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 209

Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündi-

gen.

(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeige-

pflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Ver-

trag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen,

geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwir-

kend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der lau-

fenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versi-

cherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeige-

pflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den

nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.

(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um

mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht ange-

zeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach

Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer

hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.

§ 20

Vertreter des Versicherungsnehmers

Wird der Vertrag von einem Vertreter des Versicherungsnehmers geschlossen, sind bei der

Anwendung des § 19 Abs. 1 bis 4 und des § 21 Abs. 2 Satz 2 sowie Abs. 3 Satz 2 sowohl die

Kenntnis und die Arglist des Vertreters als auch die Kenntnis und die Arglist des Versiche-

rungsnehmers zu berücksichtigen. Der Versicherungsnehmer kann sich darauf, dass die An-

zeigepflicht nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden ist, nur berufen, wenn weder

dem Vertreter noch dem Versicherungsnehmer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last

fällt.

§ 21

Ausübung der Rechte des Versicherers

(1) Der Versicherer muss die ihm nach § 19 Abs. 2 bis 4 zustehenden Rechte innerhalb eines

Monats schriftlich geltend machen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versiche-

rer von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet,

Kenntnis erlangt. Der Versicherer hat bei der Ausübung seiner Rechte die Umstände an-

zugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begrün-

dung seiner Erklärung angeben, wenn für diese die Frist nach Satz 1 nicht verstrichen ist.

(2) Im Fall eines Rücktrittes nach § 19 Abs. 2 nach Eintritt des Versicherungsfalles ist der

Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht be-

zieht sich auf einen Umstand, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versiche-

rungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers

ursächlich ist. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht arglistig verletzt, ist der Ver-

sicherer nicht zur Leistung verpflichtet.

(3) Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 erlöschen nach Ablauf von fünf Jahren

nach Vertragsschluss; dies gilt nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf dieser Frist einge-

Page 211: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

210 Anhang

treten sind. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt,

beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.

§ 22

Arglistige Täuschung

Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt un-

berührt.

§ 23

Gefahrerhöhung

(1) Der Versicherungsnehmer darf nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung

des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten

gestatten.

(2) Erkennt der Versicherungsnehmer nachträglich, dass er ohne Einwilligung des Versiche-

rers eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat, hat er die Gefahrerhöhung dem

Versicherer unverzüglich anzuzeigen.

(3) Tritt nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung

unabhängig von seinem Willen ein, hat er die Gefahrerhöhung, nachdem er von ihr Kenntnis

erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.

§ 24

Kündigung wegen Gefahrerhöhung

(1) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1, kann der Versi-

cherer den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, der Versicherungsneh-

mer hat die Verpflichtung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Beruht die Verlet-

zung auf einfacher Fahrlässigkeit, kann der Versicherer unter Einhaltung einer Frist von einem

Monat kündigen.

(2) In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 kann der Versicherer den Ver-

trag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen.

(3) Das Kündigungsrecht nach den Absätzen 1 und 2 erlischt, wenn es nicht innerhalb eines

Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Erhöhung der Gefahr ausgeübt wird oder

wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestanden hat.

§ 25

Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung

(1) Der Versicherer kann an Stelle einer Kündigung ab dem Zeitpunkt der Gefahrerhöhung ei-

ne seinen Geschäftsgrundsätzen für diese höhere Gefahr entsprechende Prämie verlangen oder

die Absicherung der höheren Gefahr ausschließen. Für das Erlöschen dieses Rechtes gilt § 24

Abs. 3 entsprechend.

(2) Erhöht sich die Prämie als Folge der Gefahrerhöhung um mehr als 10 Prozent oder schließt

der Versicherer die Absicherung der höheren Gefahr aus, kann der Versicherungsnehmer den

Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung

einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf die-

ses Recht hinzuweisen.

Page 212: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 211

§ 26

Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung

(1) Tritt der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung ein, ist der Versicherer nicht zur

Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1

vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berech-

tigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers ent-

sprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrläs-

sigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(2) In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 ist der Versicherer nicht zur

Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt

eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugegangen sein müssen, es sei denn, dem

Versicherer war die Gefahrerhöhung zu diesem Zeitpunkt bekannt. Er ist zur Leistung ver-

pflichtet, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 23 Abs. 2 und 3 nicht auf Vorsatz be-

ruht; im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung gilt Absatz 1 Satz 2.

(3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet,

1. soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder

den Umfang der Leistungspflicht war oder 2. wenn zur Zeit des Eintrittes des Versicherungs-

falles die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht er-

folgt war.

§ 27

Unerhebliche Gefahrerhöhung

Die §§ 23 bis 26 sind nicht anzuwenden, wenn nur eine unerhebliche Erhöhung der Gefahr

vorliegt oder wenn nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, dass die Gefahrerhöhung

mitversichert sein soll.

§ 28

Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit

(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Ein-

tritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer

den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, oh-

ne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder

auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsneh-

mer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leis-

tungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall ei-

ner grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leis-

tung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Ver-

hältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der

Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verlet-

zung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles

noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich

ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

Page 213: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

212 Anhang

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei

Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklä-

rungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch

gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Ob-

liegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

§ 29

Teilrücktritt, Teilkündigung, teilweise Leistungsfreiheit

(1) Liegen die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer nach den Vorschriften dieses

Abschnittes zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigt ist, nur bezüglich eines Teils der

Gegenstände oder Personen vor, auf die sich die Versicherung bezieht, steht dem Versicherer

das Recht zum Rücktritt oder zur Kündigung für den übrigen Teil nur zu, wenn anzunehmen

ist, dass für diesen allein der Versicherer den Vertrag unter den gleichen Bedingungen nicht

geschlossen hätte.

(2) Macht der Versicherer von dem Recht zum Rücktritt oder zur Kündigung bezüglich eines

Teils der Gegenstände oder Personen Gebrauch, ist der Versicherungsnehmer berechtigt, das

Versicherungsverhältnis bezüglich des übrigen Teils zu kündigen. Die Kündigung muss spä-

testens zum Schluss der Versicherungsperiode erklärt werden, in welcher der Rücktritt oder

die Kündigung des Versicherers wirksam wird.

(3) Liegen die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer wegen einer Verletzung der Vor-

schriften über die Gefahrerhöhung ganz oder teilweise leistungsfrei ist, nur bezüglich eines

Teils der Gegenstände oder Personen vor, auf die sich die Versicherung bezieht, ist auf die

Leistungsfreiheit Absatz 1 entsprechend anzuwenden.

§ 30

Anzeige des Versicherungsfalles

(1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm

Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die ver-

tragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser zur Anzeige verpflichtet.

(2) Auf eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer im Fall der Verletzung der Anzeige-

pflicht nach Absatz 1 Satz 1 nicht zur Leistung verpflichtet ist, kann sich der Versicherer nicht

berufen, wenn er auf andere Weise vom Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis

erlangt hat.

§ 31

Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers

(1) Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versi-

cherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des

Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Belege kann der Versicherer

insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet

werden kann.

(2) Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, hat auch

dieser die Pflichten nach Absatz 1 zu erfüllen.

Page 214: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 213

§ 32

Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 19 bis 28 Abs. 4 und § 31 Abs. 1 Satz 2 kann nicht zum Nachteil des Versiche-

rungsnehmers abgewichen werden. Für Anzeigen nach diesem Abschnitt, zu denen der Versi-

cherungsnehmer verpflichtet ist, kann jedoch die Schrift- oder die Textform vereinbart wer-

den.

Abschnitt 3

Prämie

§ 33

Fälligkeit

(1) Der Versicherungsnehmer hat eine einmalige Prämie oder, wenn laufende Prämien verein-

bart sind, die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Ver-

sicherungsscheins zu zahlen.

(2) Ist die Prämie zuletzt vom Versicherer eingezogen worden, ist der Versicherungsnehmer

zur Übermittlung der Prämie erst verpflichtet, wenn er vom Versicherer hierzu in Textform

aufgefordert worden ist.

§ 34

Zahlung durch Dritte

(1) Der Versicherer muss fällige Prämien oder sonstige ihm auf Grund des Vertrags zustehen-

de Zahlungen vom Versicherten bei einer Versicherung für fremde Rechnung, von einem Be-

zugsberechtigten, der ein Recht auf die Leistung des Versicherers erworben hat, sowie von ei-

nem Pfandgläubiger auch dann annehmen, wenn er die Zahlung nach den Vorschriften des

Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückweisen könnte.

(2) Ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung kann auch wegen der Beträge einschließlich

ihrer Zinsen geltend gemacht werden, die der Pfandgläubiger zur Zahlung von Prämien oder

zu sonstigen dem Versicherer auf Grund des Vertrags zustehenden Zahlungen verwendet hat.

§ 35

Aufrechnung durch den Versicherer

Der Versicherer kann eine fällige Prämienforderung oder eine andere ihm aus dem Vertrag zu-

stehende fällige Forderung gegen eine Forderung aus der Versicherung auch dann aufrechnen,

wenn diese Forderung nicht dem Versicherungsnehmer, sondern einem Dritten zusteht.

§ 36

Leistungsort

(1) Leistungsort für die Zahlung der Prämie ist der jeweilige Wohnsitz des Versicherungsneh-

mers. Der Versicherungsnehmer hat jedoch auf seine Gefahr und seine Kosten die Prämie dem

Versicherer zu übermitteln.

Page 215: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

214 Anhang

(2) Hat der Versicherungsnehmer die Versicherung in seinem Gewerbebetrieb genommen,

tritt, wenn er seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hat, der Ort der Nieder-

lassung an die Stelle des Wohnsitzes.

§ 37

Zahlungsverzug bei Erstprämie

(1) Wird die einmalige oder die erste Prämie nicht rechtzeitig gezahlt, ist der Versicherer, so-

lange die Zahlung nicht bewirkt ist, zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, es sei denn, der

Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten.

(2) Ist die einmalige oder die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht gezahlt, ist

der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die

Nichtzahlung nicht zu vertreten. Der Versicherer ist nur leistungsfrei, wenn er den Versiche-

rungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis

im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung der Prämie aufmerksam ge-

macht hat.

§ 38

Zahlungsverzug bei Folgeprämie

(1) Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer dem Versicherungs-

nehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei

Wochen betragen muss. Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge

der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach

den Absätzen 2 und 3 mit dem Fristablauf verbunden sind; bei zusammengefassten Verträgen

sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben.

(2) Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer bei Ein-

tritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, ist der Versicherer

nicht zur Leistung verpflichtet.

(3) Der Versicherer kann nach Fristablauf den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen,

sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. Die

Kündigung kann mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, dass sie mit

Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt mit der Zah-

lung in Verzug ist; hierauf ist der Versicherungsnehmer bei der Kündigung ausdrücklich hin-

zuweisen. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines

Monats nach der Kündigung oder, wenn sie mit der Fristbestimmung verbunden worden ist,

innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung leistet; Absatz 2 bleibt unberührt.

§ 39

Vorzeitige Vertragsbeendigung

(1) Im Fall der Beendigung des Versicherungsverhältnisses vor Ablauf der Versicherungsperi-

ode steht dem Versicherer für diese Versicherungsperiode nur derjenige Teil der Prämie zu,

der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat. Wird das Versiche-

rungsverhältnis durch Rücktritt auf Grund des § 19 Abs. 2 oder durch Anfechtung des Versi-

cherers wegen arglistiger Täuschung beendet, steht dem Versicherer die Prämie bis zum Wirk-

samwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu. Tritt der Versicherer nach § 37 Abs.

1 zurück, kann er eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen.

Page 216: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 215

(2) Endet das Versicherungsverhältnis nach § 16, kann der Versicherungsnehmer den auf die

Zeit nach der Beendigung des Versicherungsverhältnisses entfallenden Teil der Prämie unter

Abzug der für diese Zeit aufgewendeten Kosten zurückfordern.

§ 40

Kündigung bei Prämienerhöhung

(1) Erhöht der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel die Prämie, ohne dass sich der

Umfang des Versicherungsschutzes entsprechend ändert, kann der Versicherungsnehmer den

Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers mit sofortiger

Wirkung, frühestens jedoch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung, kündigen. Der

Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf das Kündigungsrecht hinzu-

weisen. Die Mitteilung muss dem Versicherungsnehmer spätestens einen Monat vor dem

Wirksamwerden der Erhöhung der Prämie zugehen.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel den

Umfang des Versicherungsschutzes vermindert, ohne die Prämie entsprechend herabzusetzen.

§ 41

Herabsetzung der Prämie

Ist wegen bestimmter gefahrerhöhender Umstände eine höhere Prämie vereinbart und sind die-

se Umstände nach Antragstellung des Versicherungsnehmers oder nach Vertragsschluss weg-

gefallen oder bedeutungslos geworden, kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass die

Prämie ab Zugang des Verlangens beim Versicherer angemessen herabgesetzt wird. Dies gilt

auch, wenn die Bemessung der höheren Prämie durch unrichtige, auf einem Irrtum des Versi-

cherungsnehmers beruhende Angaben über einen solchen Umstand veranlasst worden ist.

§ 42

Abweichende Vereinbarungen

Von § 33 Abs. 2 und den §§ 37 bis 41 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab-

gewichen werden.

Abschnitt 4

Versicherung für fremde Rechnung

§ 43

Begriffsbestimmung

(1) Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen an-

deren, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (Versicherung für

fremde Rechnung).

(2) Wird der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen, ist, auch wenn dieser be-

nannt wird, im Zweifel anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer nicht als Vertreter, son-

dern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt.

(3) Ergibt sich aus den Umständen nicht, dass der Versicherungsvertrag für einen anderen ge-

schlossen werden soll, gilt er als für eigene Rechnung geschlossen.

Page 217: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

216 Anhang

§ 44

Rechte des Versicherten

(1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsver-

trag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der

Versicherungsnehmer verlangen.

(2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine

Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versi-

cherungsscheins ist.

§ 45

Rechte des Versicherungsnehmers

(1) Der Versicherungsnehmer kann über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versiche-

rungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen.

(2) Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung

des Versicherten zur Annahme der Leistung des Versicherers und zur Übertragung der Rechte

des Versicherten nur befugt, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.

(3) Der Versicherer ist zur Leistung an den Versicherungsnehmer nur verpflichtet, wenn der

Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat.

§ 46

Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem

Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, dem Versicherten oder, falls über dessen

Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, der Insolvenzmasse den Versicherungsschein

auszuliefern, bevor er wegen seiner Ansprüche gegen den Versicherten in Bezug auf die versi-

cherte Sache befriedigt ist. Er kann sich für diese Ansprüche aus der Entschädigungsforderung

gegen den Versicherer und nach deren Einziehung aus der Entschädigungssumme vor dem

Versicherten und dessen Gläubigern befriedigen.

§ 47

Kenntnis und Verhalten des Versicherten

(1) Soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeu-

tung sind, sind bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhal-

ten des Versicherten zu berücksichtigen.

(2) Die Kenntnis des Versicherten ist nicht zu berücksichtigen, wenn der Vertrag ohne sein

Wissen geschlossen worden ist oder ihm eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versiche-

rungsnehmers nicht möglich oder nicht zumutbar war. Der Versicherer braucht den Einwand,

dass der Vertrag ohne Wissen des Versicherten geschlossen worden ist, nicht gegen sich gelten

zu lassen, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten ge-

schlossen und bei Vertragsschluss dem Versicherer nicht angezeigt hat, dass er den Vertrag

ohne Auftrag des Versicherten schließt.

Page 218: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 217

§ 48

Versicherung für Rechnung „wen es angeht“

Ist die Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ genommen oder ist dem Vertrag in sonsti-

ger Weise zu entnehmen, dass unbestimmt bleiben soll, ob eigenes oder fremdes Interesse ver-

sichert ist, sind die §§ 43 bis 47 anzuwenden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass frem-

des Interesse versichert ist.

Abschnitt 5

Vorläufige Deckung

§ 49

Inhalt des Vertrags

(1) Bei einem Versicherungsvertrag, dessen wesentlicher Inhalt die Gewährung einer vorläufi-

gen Deckung durch den Versicherer ist, kann vereinbart werden, dass dem Versicherungsneh-

mer die Vertragsbestimmungen und die Informationen nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit ei-

ner Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2 nur auf Anforderung und spätestens mit dem Versiche-

rungsschein vom Versicherer zu übermitteln sind. Auf einen Fernabsatzvertrag im Sinn des §

312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist Satz 1 nicht anzuwenden.

(2) Werden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bei Ver-

tragsschluss nicht übermittelt, werden die vom Versicherer zu diesem Zeitpunkt für den vor-

läufigen Versicherungsschutz üblicherweise verwendeten Bedingungen, bei Fehlen solcher

Bedingungen die für den Hauptvertrag vom Versicherer verwendeten Bedingungen auch ohne

ausdrücklichen Hinweis hierauf Vertragsbestandteil. Bestehen Zweifel, welche Bedingungen

für den Vertrag gelten sollen, werden die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom Versiche-

rer verwendeten Bedingungen, die für den Versicherungsnehmer am günstigsten sind, Ver-

tragsbestandteil.

§ 50

Nichtzustandekommen des Hauptvertrags

Ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, im Fall des Nichtzustandekommens des Hauptver-

trags eine Prämie für die vorläufige Deckung zu zahlen, steht dem Versicherer ein Anspruch

auf einen der Laufzeit der vorläufigen Deckung entsprechenden Teil der Prämie zu, die beim

Zustandekommen des Hauptvertrags für diesen zu zahlen wäre.

§ 51

Prämienzahlung

(1) Der Beginn des Versicherungsschutzes kann von der Zahlung der Prämie abhängig ge-

macht werden, sofern der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung

in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Voraus-

setzung aufmerksam gemacht hat.

(2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

Page 219: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

218 Anhang

§ 52

Beendigung des Vertrags

(1) Der Vertrag über vorläufige Deckung endet spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem nach ei-

nem vom Versicherungsnehmer geschlossenen Hauptvertrag oder einem weiteren Vertrag über

vorläufige Deckung ein gleichartiger Versicherungsschutz beginnt. Ist der Beginn des Versi-

cherungsschutzes nach dem Hauptvertrag oder dem weiteren Vertrag über vorläufige Deckung

von der Zahlung der Prämie durch den Versicherungsnehmer abhängig, endet der Vertrag über

vorläufige Deckung bei Nichtzahlung oder verspäteter Zahlung der Prämie abweichend von

Satz 1 spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer mit der Prämienzahlung

in Verzug ist, vorausgesetzt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte

Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf die-

se Rechtsfolge aufmerksam gemacht hat.

(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer den Hauptvertrag oder den

weiteren Vertrag über vorläufige Deckung mit einem anderen Versicherer schließt. Der Versi-

cherungsnehmer hat dem bisherigen Versicherer den Vertragsschluss unverzüglich mitzutei-

len.

(3) Kommt der Hauptvertrag mit dem Versicherer, mit dem der Vertrag über vorläufige De-

ckung besteht, nicht zustande, weil der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung nach § 8

widerruft oder nach § 5 Abs. 1 und 2 einen Widerspruch erklärt, endet der Vertrag über vor-

läufige Deckung spätestens mit dem Zugang des Widerrufs oder des Widerspruchs beim Ver-

sicherer.

(4) Ist das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, kann jede Vertragspartei den

Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Die Kündigung des Versicherers wird jedoch

erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang wirksam.

(5) Von den Absätzen 1 bis 4 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen

werden.

Abschnitt 6

Laufende Versicherung

§ 53

Anmeldepflicht

Wird ein Vertrag in der Weise geschlossen, dass das versicherte Interesse bei Vertragsschluss

nur der Gattung nach bezeichnet und erst nach seiner Entstehung dem Versicherer einzeln auf-

gegeben wird (laufende Versicherung), ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, entweder die

versicherten Risiken einzeln oder, wenn der Versicherer darauf verzichtet hat, die vereinbarte

Prämiengrundlage unverzüglich anzumelden oder, wenn dies vereinbart ist, jeweils Deckungs-

zusage zu beantragen.

§ 54

Verletzung der Anmeldepflicht

(1) Hat der Versicherungsnehmer die Anmeldung eines versicherten Risikos oder der verein-

barten Prämiengrundlage oder die Beantragung der Deckungszusage unterlassen oder fehler-

haft vorgenommen, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn

der Versicherungsnehmer die Anmelde- oder Antragspflicht weder vorsätzlich noch grob fahr-

Page 220: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 219

lässig verletzt hat und die Anmeldung oder den Antrag unverzüglich nach Kenntniserlangung

von dem Fehler nachholt oder berichtigt.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer die Anmelde- oder Antragspflicht vorsätzlich, kann der

Versicherer den Vertrag fristlos kündigen. Die Versicherung von Einzelrisiken, für die der

Versicherungsschutz begonnen hat, bleibt, wenn anderes nicht vereinbart ist, über das Ende

der laufenden Versicherung hinaus bis zu dem Zeitpunkt bestehen, zu dem die vereinbarte

Dauer der Versicherung dieser Einzelrisiken endet. Der Versicherer kann ferner die Prämie

verlangen, die bis zum Wirksamwerden der Kündigung zu zahlen gewesen wäre, wenn der

Versicherungsnehmer die Anmeldepflicht erfüllt hätte.

§ 55

Einzelpolice

(1) Ist bei einer laufenden Versicherung ein Versicherungsschein für ein einzelnes Risiko

(Einzelpolice) oder ein Versicherungszertifikat ausgestellt worden, ist der Versicherer nur ge-

gen Vorlage der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Durch die Leistung an den Inhaber der

Urkunde wird er befreit.

(2) Ist die Urkunde abhandengekommen oder vernichtet, ist der Versicherer zur Leistung erst

verpflichtet, wenn die Urkunde für kraftlos erklärt oder Sicherheit geleistet ist; eine Sicher-

heitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Verpflichtung des Versi-

cherers zur Ausstellung einer Ersatzurkunde.

(3) Der Inhalt der Einzelpolice oder eines Versicherungszertifikats gilt abweichend von § 5 als

vom Versicherungsnehmer genehmigt, wenn dieser nicht unverzüglich nach der Übermittlung

widerspricht. Das Recht des Versicherungsnehmers, die Genehmigung wegen Irrtums anzu-

fechten, bleibt unberührt.

§ 56

Verletzung der Anzeigepflicht

(1) Abweichend von § 19 Abs. 2 ist bei Verletzung der Anzeigepflicht der Rücktritt des Versi-

cherers ausgeschlossen; der Versicherer kann innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an,

zu dem er Kenntnis von dem nicht oder unrichtig angezeigten Umstand erlangt hat, den Ver-

trag kündigen und die Leistung verweigern. Der Versicherer bleibt zur Leistung verpflichtet,

soweit der nicht oder unrichtig angezeigte Umstand nicht ursächlich für den Eintritt des Versi-

cherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war.

(2) Verweigert der Versicherer die Leistung, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag kün-

digen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt

an ausgeübt wird, zu welchem dem Versicherungsnehmer die Entscheidung des Versicherers,

die Leistung zu verweigern, zugeht.

§ 57

Gefahränderung

(1) Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer eine Änderung der Gefahr unverzüglich

anzuzeigen.

(2) Hat der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt, ist der Versicherer

nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall nach dem Zeitpunkt eintritt, zu

Page 221: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

220 Anhang

dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. Er ist zur Leistung verpflichtet, 1.

wenn ihm die Gefahrerhöhung zu dem Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte

zugehen müssen, 2. wenn die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt

worden ist oder 3. soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versiche-

rungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war.

(3) Der Versicherer ist abweichend von § 24 nicht berechtigt, den Vertrag wegen einer Ge-

fahrerhöhung zu kündigen.

§ 58

Obliegenheitsverletzung

(1) Verletzt der Versicherungsnehmer bei einer laufenden Versicherung schuldhaft eine vor

Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit, ist der Versicherer in Bezug auf

ein versichertes Einzelrisiko, für das die verletzte Obliegenheit gilt, nicht zur Leistung ver-

pflichtet.

(2) Bei schuldhafter Verletzung einer Obliegenheit kann der Versicherer den Vertrag innerhalb

eines Monats, nachdem er Kenntnis von der Verletzung erlangt hat, mit einer Frist von einem

Monat kündigen.

Abschnitt 7

Versicherungsvermittler, Versicherungsberater

Unterabschnitt 1

Mitteilungs- und Beratungspflichten

§ 59

Begriffsbestimmungen

(1) Versicherungsvermittler im Sinn dieses Gesetzes sind Versicherungsvertreter und Versi-

cherungsmakler.

(2) Versicherungsvertreter im Sinn dieses Gesetzes ist, wer von einem Versicherer oder einem

Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln

oder abzuschließen.

(3) Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber

die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem

Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungs-

makler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe sei-

ne Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1.

(4) Versicherungsberater im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig Dritte bei der Ver-

einbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung

von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall berät oder gegenüber dem

Versicherer außergerichtlich vertritt, ohne von einem Versicherer einen wirtschaftlichen Vor-

teil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein.

Page 222: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 221

§ 60

Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers

(1) Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem

Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass

er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsver-

trag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen. Dies gilt nicht, soweit

er im Einzelfall vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers diesen aus-

drücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist.

(2) Der Versicherungsmakler, der nach Absatz 1 Satz 2 auf eine eingeschränkte Auswahl hin-

weist, und der Versicherungsvertreter haben dem Versicherungsnehmer mitzuteilen, auf wel-

cher Markt- und Informationsgrundlage sie ihre Leistung erbringen, und die Namen der ihrem

Rat zu Grunde gelegten Versicherer anzugeben. Der Versicherungsvertreter hat außerdem mit-

zuteilen, für welche Versicherer er seine Tätigkeit ausübt und ob er für diese ausschließlich tä-

tig ist.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Mitteilungen und Angaben nach Absatz 2 durch

eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten.

§ 61

Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers

(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit,

die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und

dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen

und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsauf-

wand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe

für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berück-

sichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentie-

ren.

(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1

durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler

ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit

des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Scha-

densersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen.

§ 62

Zeitpunkt und Form der Information

(1) Dem Versicherungsnehmer sind die Informationen nach § 60 Abs. 2 vor Abgabe seiner

Vertragserklärung, die Informationen nach § 61 Abs. 1 vor dem Abschluss des Vertrags klar

und verständlich in Textform zu übermitteln.

(2) Die Informationen nach Absatz 1 dürfen mündlich übermittelt werden, wenn der Versiche-

rungsnehmer dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer vorläufige Deckung ge-

währt. In diesen Fällen sind die Informationen unverzüglich nach Vertragsschluss, spätestens

mit dem Versicherungsschein dem Versicherungsnehmer in Textform zu übermitteln; dies gilt

nicht für Verträge über vorläufige Deckung bei Pflichtversicherungen.

Page 223: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

222 Anhang

§ 63

Schadensersatzpflicht

Der Versicherungsvermittler ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versiche-

rungsnehmer durch die Verletzung einer Pflicht nach § 60 oder § 61 entsteht. Dies gilt nicht,

wenn der Versicherungsvermittler die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

§ 64

Zahlungssicherung zugunsten des Versicherungsnehmers

Eine Bevollmächtigung des Versicherungsvermittlers durch den Versicherungsnehmer zur

Annahme von Leistungen des Versicherers, die dieser auf Grund eines Versicherungsvertrags

an den Versicherungsnehmer zu erbringen hat, bedarf einer gesonderten schriftlichen Erklä-

rung des Versicherungsnehmers.

§ 65

Großrisiken

Die §§ 60 bis 63 gelten nicht für die Vermittlung von Versicherungsverträgen über Großrisi-

ken im Sinn des Artikels 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsver-

tragsgesetz.

§ 66

Sonstige Ausnahmen

Die §§ 60 bis 64, 69 Abs. 2 und § 214 gelten nicht für Versicherungsvermittler im Sinn von

§ 34d Abs. 9 Nr. 1 der Gewerbeordnung.

§ 67

Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen wer-

den.

§ 68

Versicherungsberater

Die für Versicherungsmakler geltenden Vorschriften des § 60 Abs. 1 Satz 1, des § 61 Abs. 1

und der §§ 62 bis 65 und 67 sind auf Versicherungsberater entsprechend anzuwenden. Weiter-

gehende Pflichten des Versicherungsberaters aus dem Auftragsverhältnis bleiben unberührt.

Unterabschnitt 2

Vertretungsmacht

§ 69

Gesetzliche Vollmacht

(1) Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, 1. Anträge, die auf den Abschluss eines

Versicherungsvertrags gerichtet sind, und deren Widerruf sowie die vor Vertragsschluss abzu-

gebenden Anzeigen und sonstigen Erklärungen vom Versicherungsnehmer entgegenzuneh-

Page 224: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 223

men, 2. Anträge auf Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsvertrags und deren Wi-

derruf, die Kündigung, den Rücktritt und sonstige das Versicherungsverhältnis betreffende Er-

klärungen sowie die während der Dauer des Versicherungsverhältnisses zu erstattenden An-

zeigen vom Versicherungsnehmer entgegenzunehmen und 3. die vom Versicherer ausgefertig-

ten Versicherungsscheine oder Verlängerungsscheine dem Versicherungsnehmer zu übermit-

teln.

(2) Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, Zahlungen, die der Versicherungsneh-

mer im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines Versicherungsvertrags

an ihn leistet, anzunehmen. Eine Beschränkung dieser Vollmacht muss der Versicherungs-

nehmer nur gegen sich gelten lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme der Zah-

lung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

(3) Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für die Abgabe oder den Inhalt eines An-

trags oder einer sonstigen Willenserklärung nach Absatz 1 Nr. 1 und 2. Die Beweislast für die

Verletzung der Anzeigepflicht oder einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer trägt

der Versicherer.

§ 70

Kenntnis des Versicherungsvertreters

Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis des Versicherers erheblich ist, steht die Kenntnis des

Versicherungsvertreters der Kenntnis des Versicherers gleich. Dies gilt nicht für die Kenntnis

des Versicherungsvertreters, die er außerhalb seiner Tätigkeit als Vertreter und ohne Zusam-

menhang mit dem betreffenden Versicherungsvertrag erlangt hat.

§ 71

Abschlussvollmacht

Ist der Versicherungsvertreter zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt, ist

er auch befugt, die Änderung oder Verlängerung solcher Verträge zu vereinbaren sowie Kün-

digungs- und Rücktrittserklärungen abzugeben.

§ 72

Beschränkung der Vertretungsmacht

Eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach den §§ 69 und 71 zustehenden Ver-

tretungsmacht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ist gegenüber dem Versiche-

rungsnehmer und Dritten unwirksam.

§ 73

Angestellte und nicht gewerbsmäßig tätige Vermittler

Die §§ 69 bis 72 sind auf Angestellte eines Versicherers, die mit der Vermittlung oder dem

Abschluss von Versicherungsverträgen betraut sind, und auf Personen, die als Vertreter selb-

ständig Versicherungsverträge vermitteln oder abschließen, ohne gewerbsmäßig tätig zu sein,

entsprechend anzuwenden.

Page 225: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

224 Anhang

Kapitel 2 Schadensversicherung

Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften

§ 74

Überversicherung

(1) Übersteigt die Versicherungssumme den Wert des versicherten Interesses (Versicherungs-

wert) erheblich, kann jede Vertragspartei verlangen, dass die Versicherungssumme zur Besei-

tigung der Überversicherung unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie mit sofortiger

Wirkung herabgesetzt wird.

(2) Schließt der Versicherungsnehmer den Vertrag in der Absicht, sich aus der Überversiche-

rung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig; dem Ver-

sicherer steht die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er von den die Nichtigkeit begrün-

denden Umständen Kenntnis erlangt.

§ 75

Unterversicherung

Ist die Versicherungssumme erheblich niedriger als der Versicherungswert zur Zeit des Eintrit-

tes des Versicherungsfalles, ist der Versicherer nur verpflichtet, die Leistung nach dem Ver-

hältnis der Versicherungssumme zu diesem Wert zu erbringen.

§ 76

Taxe

Der Versicherungswert kann durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festge-

setzt werden. Die Taxe gilt auch als der Wert, den das versicherte Interesse bei Eintritt des

Versicherungsfalles hat, es sei denn, sie übersteigt den wirklichen Versicherungswert zu die-

sem Zeitpunkt erheblich. Ist die Versicherungssumme niedriger als die Taxe, hat der Versiche-

rer, auch wenn die Taxe erheblich übersetzt ist, den Schaden nur nach dem Verhältnis der Ver-

sicherungssumme zur Taxe zu ersetzen.

§ 77

Mehrere Versicherer

(1) Wer bei mehreren Versicherern ein Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert, ist ver-

pflichtet, jedem Versicherer die andere Versicherung unverzüglich mitzuteilen. In der Mittei-

lung sind der andere Versicherer und die Versicherungssumme anzugeben.

(2) Wird bezüglich desselben Interesses bei einem Versicherer der entgehende Gewinn, bei ei-

nem anderen Versicherer der sonstige Schaden versichert, ist Absatz 1 entsprechend anzuwen-

den.

§ 78

Haftung bei Mehrfachversicherung

(1) Ist bei mehreren Versicherern ein Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert und überstei-

gen die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert oder übersteigt aus anderen

Gründen die Summe der Entschädigungen, die von jedem Versicherer ohne Bestehen der an-

deren Versicherung zu zahlen wären, den Gesamtschaden (Mehrfachversicherung), haften die

Page 226: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 225

Versicherer in der Weise als Gesamtschuldner, dass jeder Versicherer den von ihm nach dem

Vertrag zu leistenden Betrag zu zahlen hat, der Versicherungsnehmer aber insgesamt nicht

mehr als den Betrag des Schadens verlangen kann.

(2) Die Versicherer sind im Verhältnis zueinander zu Anteilen nach Maßgabe der Beträge ver-

pflichtet, die sie dem Versicherungsnehmer nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen haben. Ist

auf eine der Versicherungen ausländisches Recht anzuwenden, kann der Versicherer, für den

das ausländische Recht gilt, gegen den anderen Versicherer einen Anspruch auf Ausgleichung

nur geltend machen, wenn er selbst nach dem für ihn maßgeblichen Recht zur Ausgleichung

verpflichtet ist.

(3) Hat der Versicherungsnehmer eine Mehrfachversicherung in der Absicht vereinbart, sich

dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist jeder in dieser Absicht ge-

schlossene Vertrag nichtig; dem Versicherer steht die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem

er von den die Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt.

§ 79

Beseitigung der Mehrfachversicherung

(1) Hat der Versicherungsnehmer den Vertrag, durch den die Mehrfachversicherung entstan-

den ist, ohne Kenntnis von dem Entstehen der Mehrfachversicherung geschlossen, kann er ver-

langen, dass der später geschlossene Vertrag aufgehoben oder die Versicherungssumme unter

verhältnismäßiger Minderung der Prämie auf den Teilbetrag herabgesetzt wird, der durch die

frühere Versicherung nicht gedeckt ist.

(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn die Mehrfachversicherung dadurch entstanden ist,

dass nach Abschluss der mehreren Versicherungsverträge der Versicherungswert gesunken ist.

Sind in diesem Fall die mehreren Versicherungsverträge gleichzeitig oder im Einvernehmen

der Versicherer geschlossen worden, kann der Versicherungsnehmer nur die verhältnismäßige

Herabsetzung der Versicherungssummen und der Prämien verlangen.

§ 80

Fehlendes versichertes Interesse

(1) Der Versicherungsnehmer ist nicht zur Zahlung der Prämie verpflichtet, wenn das versi-

cherte Interesse bei Beginn der Versicherung nicht besteht; dies gilt auch, wenn das Interesse

bei einer Versicherung, die für ein künftiges Unternehmen oder für ein anderes künftiges Inte-

resse genommen ist, nicht entsteht. Der Versicherer kann jedoch eine angemessene Geschäfts-

gebühr verlangen.

(2) Fällt das versicherte Interesse nach dem Beginn der Versicherung weg, steht dem Versi-

cherer die Prämie zu, die er hätte beanspruchen können, wenn die Versicherung nur bis zu

dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem der Versicherer vom Wegfall des Interesses

Kenntnis erlangt hat.

(3) Hat der Versicherungsnehmer ein nicht bestehendes Interesse in der Absicht versichert,

sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig;

dem Versicherer steht die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er von den die Nichtigkeit

begründenden Umständen Kenntnis erlangt.

Page 227: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

226 Anhang

§ 81

Herbeiführung des Versicherungsfalles

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vor-

sätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.

(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versi-

cherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungs-

nehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

§ 82

Abwendung und Minderung des Schadens

(1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die

Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.

(2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu

befolgen sowie Weisungen einzuholen, wenn die Umstände dies gestatten. Erteilen mehrere an

dem Versicherungsvertrag beteiligte Versicherer unterschiedliche Weisungen, hat der Versi-

cherungsnehmer nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln.

(3) Bei Verletzung einer Obliegenheit nach den Absätzen 1 und 2 ist der Versicherer nicht zur

Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt

hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in

einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu

kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versiche-

rungsnehmer.

(4) Abweichend von Absatz 3 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verlet-

zung der Obliegenheit weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststel-

lung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versiche-

rungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

§ 83

Aufwendungsersatz

(1) Der Versicherer hat Aufwendungen des Versicherungsnehmers nach § 82 Abs. 1 und 2,

auch wenn sie erfolglos bleiben, insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den

Umständen nach für geboten halten durfte. Der Versicherer hat den für die Aufwendungen er-

forderlichen Betrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.

(2) Ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung zu kürzen, kann er auch den Aufwendungser-

satz nach Absatz 1 entsprechend kürzen.

(3) Aufwendungen des Versicherungsnehmers, die er gemäß den Weisungen des Versicherers

macht, sind auch insoweit zu erstatten, als sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die

Versicherungssumme übersteigen.

(4) Bei der Tierversicherung gehören die Kosten der Fütterung und der Pflege sowie die Kos-

ten der tierärztlichen Untersuchung und Behandlung nicht zu den vom Versicherer nach den

Absätzen 1 bis 3 zu erstattenden Aufwendungen.

Page 228: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 227

§ 84

Sachverständigenverfahren

(1) Sollen nach dem Vertrag einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung

oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden, ist die getroffene Fest-

stellung nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht.

Die Feststellung erfolgt in diesem Fall durch gerichtliche Entscheidung. Dies gilt auch, wenn

die Sachverständigen die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern.

(2) Sind nach dem Vertrag die Sachverständigen durch das Gericht zu ernennen, ist für die Er-

nennung das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Schaden entstanden ist. Durch eine

ausdrückliche Vereinbarung der Beteiligten kann die Zuständigkeit eines anderen Amtsge-

richts begründet werden. Die Verfügung, durch die dem Antrag auf Ernennung der Sachver-

ständigen stattgegeben wird, ist nicht anfechtbar.

§ 85

Schadensermittlungskosten

(1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer die Kosten, die durch die Ermittlung und

Feststellung des von ihm zu ersetzenden Schadens entstehen, insoweit zu erstatten, als ihre

Aufwendung den Umständen nach geboten war. Diese Kosten sind auch insoweit zu erstatten,

als sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen.

(2) Kosten, die dem Versicherungsnehmer durch die Zuziehung eines Sachverständigen oder

eines Beistandes entstehen, hat der Versicherer nicht zu erstatten, es sei denn, der Versiche-

rungsnehmer ist zu der Zuziehung vertraglich verpflichtet oder vom Versicherer aufgefordert

worden.

(3) Ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung zu kürzen, kann er auch den Kostenersatz

entsprechend kürzen.

§ 86

Übergang von Ersatzansprüchen

(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser

Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang

kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.

(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses An-

spruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wah-

ren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Ver-

letzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung

insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann.

Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, sei-

ne Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechen-

den Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit

trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er

bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1

nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verur-

sacht.

Page 229: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

228 Anhang

§ 87

Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 74, 78 Abs. 3, den §§ 80, 82 bis 84 Abs. 1 Satz 1 und § 86 kann nicht zum Nach-

teil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

Abschnitt 2

Sachversicherung

§ 88

Versicherungswert

Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt als Versicherungswert, wenn sich die Versicherung

auf eine Sache oder einen Inbegriff von Sachen bezieht, der Betrag, den der Versicherungs-

nehmer zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles für die Wiederbeschaffung oder Wie-

derherstellung der versicherten Sache in neuwertigem Zustand unter Abzug des sich aus dem

Unterschied zwischen alt und neu ergebenden Minderwertes aufzuwenden hat.

§ 89

Versicherung für Inbegriff von Sachen

(1) Eine Versicherung, die für einen Inbegriff von Sachen genommen ist, umfasst die jeweils

dem Inbegriff zugehörigen Sachen.

(2) Ist die Versicherung für einen Inbegriff von Sachen genommen, erstreckt sie sich auf die

Sachen der Personen, mit denen der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Schadens in häusli-

cher Gemeinschaft lebt oder die zu diesem Zeitpunkt in einem Dienstverhältnis zum Versiche-

rungsnehmer stehen und ihre Tätigkeit an dem Ort ausüben, für den die Versicherung gilt. Die

Versicherung gilt insoweit als für fremde Rechnung genommen.

§ 90

Erweiterter Aufwendungsersatz

Macht der Versicherungsnehmer Aufwendungen, um einen unmittelbar bevorstehenden Versi-

cherungsfall abzuwenden oder in seinen Auswirkungen zu mindern, ist § 83 Abs. 1 Satz 1,

Abs. 2 und 3 entsprechend anzuwenden.

§ 91

Verzinsung der Entschädigung

Die vom Versicherer zu zahlende Entschädigung ist nach Ablauf eines Monats seit der Anzei-

ge des Versicherungsfalles für das Jahr mit 4 Prozent zu verzinsen, soweit nicht aus einem an-

deren Rechtsgrund höhere Zinsen verlangt werden können. Der Lauf der Frist ist gehemmt, so-

lange der Schaden infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht festgestellt

werden kann.

§ 92

Kündigung nach Versicherungsfall

(1) Nach dem Eintritt des Versicherungsfalles kann jede Vertragspartei das Versicherungsver-

hältnis kündigen.

Page 230: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 229

(2) Die Kündigung ist nur bis zum Ablauf eines Monats seit dem Abschluss der Verhandlun-

gen über die Entschädigung zulässig. Der Versicherer hat eine Kündigungsfrist von einem

Monat einzuhalten. Der Versicherungsnehmer kann nicht für einen späteren Zeitpunkt als den

Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen.

(3) Bei der Hagelversicherung kann der Versicherer nur für den Schluss der Versicherungspe-

riode kündigen, in welcher der Versicherungsfall eingetreten ist. Kündigt der Versicherungs-

nehmer für einen früheren Zeitpunkt als den Schluss dieser Versicherungsperiode, steht dem

Versicherer gleichwohl die Prämie für die laufende Versicherungsperiode zu.

§ 93

Wiederherstellungsklausel

Ist der Versicherer nach dem Vertrag verpflichtet, einen Teil der Entschädigung nur bei Wie-

derherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache zu zahlen, kann der Versiche-

rungsnehmer die Zahlung eines über den Versicherungswert hinausgehenden Betrags erst ver-

langen, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung gesichert ist. Der Versiche-

rungsnehmer ist zur Rückzahlung der vom Versicherer geleisteten Entschädigung abzüglich

des Versicherungswertes der Sache verpflichtet, wenn die Sache infolge eines Verschuldens

des Versicherungsnehmers nicht innerhalb einer angemessenen Frist wiederhergestellt oder

wiederbeschafft worden ist.

§ 94

Wirksamkeit der Zahlung gegenüber Hypothekengläubigern

(1) Im Fall des § 93 Satz 1 ist eine Zahlung, die ohne die Sicherung der Wiederherstellung

oder Wiederbeschaffung geleistet wird, einem Hypothekengläubiger gegenüber nur wirk-

sam, wenn ihm der Versicherer oder der Versicherungsnehmer mitgeteilt hat, dass ohne die

Sicherung geleistet werden soll und seit dem Zugang der Mitteilung mindestens ein Monat

verstrichen ist.

(2) Soweit die Entschädigungssumme nicht zu einer den Vertragsbestimmungen entsprechen-

den Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung verwendet werden soll, kann der Versicherer

mit Wirkung gegen einen Hypothekengläubiger erst zahlen, wenn er oder der Versicherungs-

nehmer diese Absicht dem Hypothekengläubiger mitgeteilt hat und seit dem Zugang der Mit-

teilung mindestens ein Monat verstrichen ist.

(3) Der Hypothekengläubiger kann bis zum Ablauf der Frist von einem Monat dem Versiche-

rer gegenüber der Zahlung widersprechen. Die Mitteilungen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen

unterbleiben, wenn sie einen unangemessenen Aufwand erfordern würden; in diesem Fall läuft

die Frist ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Entschädigungssumme.

(4) Hat der Hypothekengläubiger seine Hypothek dem Versicherer angemeldet, ist eine Zah-

lung, die ohne die Sicherung der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung geleistet wird,

dem Hypothekengläubiger gegenüber nur wirksam, wenn dieser in Textform der Zahlung zu-

gestimmt hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 sind entsprechend anzuwenden, wenn das Grundstück mit einer

Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast belastet ist.

Page 231: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

230 Anhang

§ 95

Veräußerung der versicherten Sache

(1) Wird die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert, tritt an dessen Stelle der

Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich

ergebenden Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein.

(2) Der Veräußerer und der Erwerber haften für die Prämie, die auf die zur Zeit des Eintrittes

des Erwerbers laufende Versicherungsperiode entfällt, als Gesamtschuldner.

(3) Der Versicherer muss den Eintritt des Erwerbers erst gegen sich gelten lassen, wenn er

hiervon Kenntnis erlangt hat.

§ 96

Kündigung nach Veräußerung

(1) Der Versicherer ist berechtigt, dem Erwerber einer versicherten Sache das Versicherungs-

verhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. Das Kündigungsrecht

erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Ver-

äußerung ausgeübt wird.

(2) Der Erwerber ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung oder für

den Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt,

wenn es nicht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb, bei fehlender Kenntnis des Erwerbers

vom Bestehen der Versicherung innerhalb eines Monats ab Erlangung der Kenntnis, ausgeübt

wird.

(3) Im Fall der Kündigung des Versicherungsverhältnisses nach Absatz 1 oder Absatz 2 ist der

Veräußerer zur Zahlung der Prämie verpflichtet; eine Haftung des Erwerbers für die Prämie

besteht nicht.

§ 97

Anzeige der Veräußerung

(1) Die Veräußerung ist dem Versicherer vom Veräußerer oder Erwerber unverzüglich anzu-

zeigen. Ist die Anzeige unterblieben, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn

der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige

dem Versicherer hätte zugehen müssen, und der Versicherer den mit dem Veräußerer beste-

henden Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn ihm

die Veräußerung zu dem Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müs-

sen, oder wenn zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles die Frist für die Kündigung des

Versicherers abgelaufen war und er nicht gekündigt hat.

§ 98

Schutz des Erwerbers

Der Versicherer kann sich auf eine Bestimmung des Versicherungsvertrags, durch die von den

§§ 95 bis 97 zum Nachteil des Erwerbers abgewichen wird, nicht berufen. Jedoch kann für die

Kündigung des Erwerbers nach § 96 Abs. 2 und die Anzeige der Veräußerung die Schriftform

oder die Textform bestimmt werden.

Page 232: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 231

§ 99

Zwangsversteigerung, Erwerb des Nutzungsrechts

Geht das Eigentum an der versicherten Sache im Wege der Zwangsversteigerung über oder

erwirbt ein Dritter auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen

Verhältnisses die Berechtigung, versicherte Bodenerzeugnisse zu beziehen, sind die §§ 95 bis

98 entsprechend anzuwenden.

Teil 2

Einzelne Versicherungszweige

Kapitel 1

Haftpflichtversicherung

Abschnitt 1

Allgemeine Vorschriften

§ 100

Leistung des Versicherers

Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von

Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versi-

cherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend ge-

macht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren.

§ 101

Kosten des Rechtsschutzes

(1) Die Versicherung umfasst auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch

die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Auf-

wendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Die Versicherung umfasst ferner die

auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfah-

ren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungs-

nehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Der Versicherer hat die Kosten auf

Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.

(2) Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine

Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2

auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur

Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen. Dies gilt auch

für Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzöge-

rung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet.

(3) Ist dem Versicherungsnehmer nachgelassen, die Vollstreckung einer gerichtlichen Ent-

scheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat der Versicherer die

Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Diese Verpflichtung besteht nur bis zum

Betrag der Versicherungssumme; ist der Versicherer nach Absatz 2 über diesen Betrag hinaus

verpflichtet, tritt der Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Der Versicherer ist von der

Verpflichtung nach Satz 1 frei, wenn er den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer

gegenüber als begründet anerkennt.

Page 233: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

232 Anhang

§ 102

Betriebshaftpflichtversicherung

(1) Besteht die Versicherung für ein Unternehmen, erstreckt sie sich auf die Haftpflicht der zur

Vertretung des Unternehmens befugten Personen sowie der Personen, die in einem Dienstver-

hältnis zu dem Unternehmen stehen. Die Versicherung gilt insoweit als für fremde Rechnung

genommen.

(2) Wird das Unternehmen an einen Dritten veräußert oder auf Grund eines Nießbrauchs, eines

Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen, tritt der

Dritte an Stelle des Versicherungsnehmers in die während der Dauer seiner Berechtigung sich

aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

§ 95 Abs. 2 und 3 sowie die §§ 96 und 97 sind entsprechend anzuwenden.

§ 103

Herbeiführung des Versicherungsfalles

Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich

und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.

§ 104

Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers

(1) Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer innerhalb einer Woche die Tatsachen anzu-

zeigen, die seine Verantwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnten. Macht

der Dritte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend, ist der Versiche-

rungsnehmer zur Anzeige innerhalb einer Woche nach der Geltendmachung verpflichtet.

(2) Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, Prozess-

kostenhilfe beantragt oder wird ihm gerichtlich der Streit verkündet, hat er dies dem Versiche-

rer unverzüglich anzuzeigen. Dies gilt auch, wenn gegen den Versicherungsnehmer wegen des

den Anspruch begründenden Schadensereignisses ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

(3) Zur Wahrung der Fristen nach den Absätzen 1 und 2 genügt die rechtzeitige Absendung

der Anzeige. § 30 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden.

§ 105

Anerkenntnis des Versicherungsnehmers

Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn oh-

ne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch

anerkennt, ist unwirksam.

§ 106

Fälligkeit der Versicherungsleistung

Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt

an, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechts-

kräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, vom Anspruch des Drit-

ten freizustellen. Ist der Dritte von dem Versicherungsnehmer mit bindender Wirkung für den

Versicherer befriedigt worden, hat der Versicherer die Entschädigung innerhalb von zwei Wo-

Page 234: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 233

chen nach der Befriedigung des Dritten an den Versicherungsnehmer zu zahlen. Kosten, die

nach § 101 zu ersetzen sind, hat der Versicherer innerhalb von zwei Wochen nach der Mittei-

lung der Berechnung zu zahlen.

§ 107

Rentenanspruch

(1) Ist der Versicherungsnehmer dem Dritten zur Zahlung einer Rente verpflichtet, ist der Ver-

sicherer, wenn die Versicherungssumme den Kapitalwert der Rente nicht erreicht, nur zur Zah-

lung eines verhältnismäßigen Teils der Rente verpflichtet.

(2) Hat der Versicherungsnehmer für die von ihm geschuldete Rente dem Dritten kraft Geset-

zes Sicherheit zu leisten, erstreckt sich die Verpflichtung des Versicherers auf die Leistung der

Sicherheit. Absatz 1 gilt entsprechend.

§ 108

Verfügung über den Freistellungsanspruch

(1) Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Freistellungsanspruch gegen den Versi-

cherer sind dem Dritten gegenüber unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine

Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung gleich.

(2) Die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten kann nicht durch Allgemeine

Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden.

§ 109

Mehrere Geschädigte

Ist der Versicherungsnehmer gegenüber mehreren Dritten verantwortlich und übersteigen de-

ren Ansprüche die Versicherungssumme, hat der Versicherer diese Ansprüche nach dem Ver-

hältnis ihrer Beträge zu erfüllen. Ist hierbei die Versicherungssumme erschöpft, kann sich ein

bei der Verteilung nicht Dritter nachträglich auf § 108 Abs. 1 nicht berufen, wenn der Versi-

cherer mit der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen

musste.

§ 110

Insolvenz des Versicherungsnehmers

Ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der

Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte

Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen.

§ 111

Kündigung nach Versicherungsfall

(1) Hat der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles den Anspruch des Versiche-

rungsnehmers auf Freistellung anerkannt oder zu Unrecht abgelehnt, kann jede Vertragspartei

das Versicherungsverhältnis kündigen. Dies gilt auch, wenn der Versicherer dem Versiche-

rungsnehmer die Weisung erteilt, es zum Rechtsstreit über den Anspruch des Dritten kommen

zu lassen.

Page 235: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

234 Anhang

(2) Die Kündigung ist nur innerhalb eines Monats seit der Anerkennung oder Ablehnung des

Freistellungsanspruchs oder seit der Rechtskraft des im Rechtsstreit mit dem Dritten ergange-

nen Urteils zulässig. § 92 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist anzuwenden.

§ 112

Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 104 und 106 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen

werden.

Abschnitt 2

Pflichtversicherung

§ 113

Pflichtversicherung

(1) Eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvor-

schrift besteht (Pflichtversicherung), ist mit einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten

Versicherungsunternehmen abzuschließen.

(2) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme zu

bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Pflichtversiche-

rung besteht.

(3) Die Vorschriften dieses Abschnittes sind auch insoweit anzuwenden, als der Versiche-

rungsvertrag eine über die vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinausgehende Deckung

gewährt.

§ 114

Umfang des Versicherungsschutzes

(1) Die Mindestversicherungssumme beträgt bei einer Pflichtversicherung, soweit durch

Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, 250 000 Euro je Versicherungsfall und eine Mil-

lion Euro für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres.

(2) Der Versicherungsvertrag kann Inhalt und Umfang der Pflichtversicherung näher bestim-

men, soweit dadurch die Erreichung des jeweiligen Zwecks der Pflichtversicherung nicht ge-

fährdet wird und durch Rechtsvorschrift nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Ein

Selbstbehalt des Versicherungsnehmers kann dem Anspruch des Dritten nach § 115 Abs. 1 in

Verbindung mit § 117 Abs. 1 nicht entgegengehalten und gegenüber einer mitversicherten

Person nicht geltend gemacht werden.

§ 115

Direktanspruch

(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend

machen, 1. wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem

Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder 2. wenn über das

Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsan-

trag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt

worden ist oder 3. wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist. Der An-

Page 236: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 235

spruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsver-

hältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4. Der

Versicherer hat den Schadensersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichti-

ge Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzan-

spruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem

Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen

Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt

des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die

Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem

Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn

der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatz-

pflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.

§ 116

Gesamtschuldner

(1) Im Verhältnis der Gesamtschuldner nach § 115 Abs. 1 Satz 4 zueinander ist der Versiche-

rer allein verpflichtet, soweit er dem Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsverhältnis

zur Leistung verpflichtet ist. Soweit eine solche Verpflichtung nicht besteht, ist in ihrem Ver-

hältnis zueinander der Versicherungsnehmer allein verpflichtet. Der Versicherer kann Ersatz

der Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte.

(2) Die Verjährung der sich aus Absatz 1 ergebenden Ansprüche beginnt mit dem Schluss des

Jahres, in dem der Anspruch des Dritten erfüllt wird.

§ 117

Leistungspflicht gegenüber Dritten

(1) Dem Anspruch des Dritten nach § 115 kann nicht entgegengehalten werden, dass der Ver-

sicherer dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer nicht oder nur teilweise zur Leistung ver-

pflichtet ist.

(2) Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses

zur Folge hat, kann dem Anspruch des Dritten nach § 115 nur entgegengehalten werden, wenn

das Schadensereignis später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem der

Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Dies gilt auch, wenn

das Versicherungsverhältnis durch Zeitablauf endet. Der Lauf der Frist beginnt nicht vor Be-

endigung des Versicherungsverhältnisses. Ein in den Sätzen 1 und 2 bezeichneter Umstand

kann dem Anspruch des Dritten auch dann entgegengehalten werden, wenn vor dem Zeitpunkt

des Schadensereignisses der hierfür zuständigen Stelle die Bestätigung einer entsprechend den

Rechtsvorschriften abgeschlossenen neuen Versicherung zugegangen ist. Die vorstehenden

Vorschriften dieses Absatzes gelten nicht, wenn eine zur Entgegennahme der Anzeige nach

Satz 1 zuständige Stelle nicht bestimmt ist.

(3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versicherer nur im Rahmen der vorgeschriebenen

Mindestversicherungssumme und der von ihm übernommenen Gefahr zur Leistung verpflich-

tet. Er ist leistungsfrei, soweit der Dritte Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadens-

versicherer oder von einem Sozialversicherungsträger erlangen kann.

Page 237: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

236 Anhang

(4) Trifft die Leistungspflicht des Versicherers nach Absatz 1 oder Absatz 2 mit einer Ersatz-

pflicht auf Grund fahrlässiger Amtspflichtverletzung zusammen, wird die Ersatzpflicht nach §

839 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Verhältnis zum Versicherer nicht dadurch ausge-

schlossen, dass die Voraussetzungen für die Leistungspflicht des Versicherers vorliegen. Satz

1 gilt nicht, wenn der Beamte nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs persönlich haftet.

(5) Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Ver-

sicherungsverhältnis abweichend von § 16 erst mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der In-

solvenzverwalter diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat; bis zu diesem

Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam. Ist eine zur Entgegennahme der

Anzeige nach Satz 1 zuständige Stelle nicht bestimmt, endet das Versicherungsverhältnis ei-

nen Monat nach der Benachrichtigung des Versicherungsnehmers von der Eröffnung des In-

solvenzverfahrens; die Benachrichtigung bedarf der Textform.

§ 118

Rangfolge mehrerer Ansprüche

(1) Übersteigen die Ansprüche auf Entschädigung, die auf Grund desselben Schadensereignis-

ses zu leisten ist, die Versicherungssumme, wird die Versicherungssumme nach folgender

Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, an die Ersatzberechtigten

ausgezahlt: 1. für Ansprüche wegen Personenschäden, soweit die Geschädigten nicht vom

Schädiger, von einem anderen Versicherer als dessen Haftpflichtversicherer, einem Sozialver-

sicherungsträger oder einem sonstigen Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können; 2. für

Ansprüche wegen sonstiger Schäden natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts,

soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, einem anderen Versicherer als dessen Haft-

pflichtversicherer oder einem Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können; 3. für Ansprüche,

die nach Privatrecht auf Versicherer oder sonstige Dritte wegen Personen- und sonstiger Schä-

den übergegangen sind; 4. für Ansprüche, die auf Sozialversicherungsträger übergegangen

sind; 5. für alle sonstigen Ansprüche.

(2) Ist die Versicherungssumme unter Berücksichtigung nachrangiger Ansprüche erschöpft,

kann sich ein vorrangig zu befriedigender Anspruchsberechtigter, der bei der Verteilung nicht

berücksichtigt worden ist, nachträglich auf Absatz 1 nicht berufen, wenn der Versicherer mit

der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste.

§ 119

Obliegenheiten des Dritten

(1) Der Dritte hat ein Schadensereignis, aus dem er einen Anspruch nach § 115 Abs. 1 herlei-

ten will, dem Versicherer innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem Schadensereignis

Kenntnis erlangt hat, in Textform anzuzeigen; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Ab-

sendung.

(2) Macht der Dritte den Anspruch gegen den Versicherungsnehmer gerichtlich geltend, hat er

dies dem Versicherer unverzüglich in Textform anzuzeigen.

(3) Der Versicherer kann von dem Dritten Auskunft verlangen, soweit sie zur Feststellung des

Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Belege kann der Versicherer

insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Dritten billigerweise zugemutet werden kann.

Page 238: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 237

§ 120

Obliegenheitsverletzung des Dritten

Verletzt der Dritte schuldhaft die Obliegenheit nach § 119 Abs. 2 oder 3, beschränkt sich die

Haftung des Versicherers nach den §§ 115 und 117 auf den Betrag, den er auch bei gehöriger

Erfüllung der Obliegenheit zu leisten gehabt hätte, sofern der Dritte vorher ausdrücklich und in

Textform auf die Folgen der Verletzung hingewiesen worden ist.

§ 121

Aufrechnung gegenüber Dritten

§ 35 ist gegenüber Dritten nicht anzuwenden.

§ 122

Veräußerung der von der Versicherung erfassten Sache

Die §§ 95 bis 98 über die Veräußerung der versicherten Sache sind entsprechend anzuwenden.

§ 123

Rückgriff bei mehreren Versicherten

(1) Ist bei einer Versicherung für fremde Rechnung der Versicherer dem Versicherungsnehmer

gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet, kann er dies einem Versicherten, der zur selbständi-

gen Geltendmachung seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt ist, nur entgegenhal-

ten, wenn die der Leistungsfreiheit zu Grunde liegenden Umstände in der Person dieses Versi-

cherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicherten bekannt oder infolge grober

Fahrlässigkeit nicht bekannt waren.

(2) Der Umfang der Leistungspflicht nach Absatz 1 bestimmt sich nach § 117 Abs. 3 Satz 1;

§ 117 Abs. 3 Satz 2 ist nicht anzuwenden. § 117 Abs. 4 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Soweit der Versicherer nach Absatz 1 leistet, kann er beim Versicherungsnehmer Rück-

griff nehmen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn die Frist nach § 117 Abs. 2 Satz

1 und 2 noch nicht abgelaufen ist oder der Versicherer die Beendigung des Versicherungsver-

hältnisses der hierfür zuständigen Stelle nicht angezeigt hat.

§ 124

Rechtskrafterstreckung

(1) Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf

Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil, wenn es zwischen dem Dritten und dem

Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten

und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zugunsten des Versicherers.

(2) Ist der Anspruch des Dritten gegenüber dem Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, An-

erkenntnis oder Vergleich festgestellt worden, muss der Versicherungsnehmer, gegen den von

dem Versicherer Ansprüche auf Grund des § 116 Abs. 1 Satz 2 geltend gemacht werden, diese

Feststellung gegen sich gelten lassen, es sei denn, der Versicherer hat die Pflicht zur Abwehr

unbegründeter Entschädigungsansprüche sowie zur Minderung oder zur sachgemäßen Feststel-

lung des Schadens schuldhaft verletzt.

Page 239: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

238 Anhang

Kapitel 2

Rechtsschutzversicherung

§ 125

Leistung des Versicherers

Bei der Rechtsschutzversicherung ist der Versicherer verpflichtet, die für die Wahrnehmung

der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen

Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen.

§ 126

Schadensabwicklungsunternehmen

(1) Werden Gefahren aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung neben anderen Gefahren

versichert, müssen im Versicherungsschein der Umfang der Deckung in der Rechtsschutzver-

sicherung und die hierfür zu entrichtende Prämie gesondert ausgewiesen werden. Beauftragt

der Versicherer mit der Leistungsbearbeitung ein selbständiges Schadensabwicklungsunter-

nehmen, ist dieses im Versicherungsschein zu bezeichnen.

(2) Ansprüche auf die Versicherungsleistung aus einem Vertrag über eine Rechtsschutzversi-

cherung können, wenn ein selbständiges Schadensabwicklungsunternehmen mit der Leis-

tungsbearbeitung beauftragt ist, nur gegen dieses geltend gemacht werden. Der Titel wirkt für

und gegen den Rechtsschutzversicherer. § 727 der Zivilprozessordnung ist entsprechend an-

zuwenden.

§ 127

Freie Anwaltswahl

(1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwal-

tungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der

Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu

wählen. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahr-

nehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann.

(2) Rechtsanwalt ist auch, wer berechtigt ist, unter einer der in der Anlage zu § 1 des Gesetzes

über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl. I S.

182, 1349), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Oktober 2003 (BGBl. I S. 2074)

geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung genannten Bezeichnungen beruflich tä-

tig zu werden.

§ 128

Gutachterverfahren

Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der

rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der

Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren

Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen

den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfol-

gung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung sei-

ner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Ver-

Page 240: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 239

fahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des

Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.

§ 129

Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 126 bis 128 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen wer-

den.

Kapitel 3

Transportversicherung

§ 130

Umfang der Gefahrtragung

(1) Bei der Versicherung von Gütern gegen die Gefahren der Beförderung zu Lande oder auf

Binnengewässern sowie der damit verbundenen Lagerung trägt der Versicherer alle Gefahren,

denen die Güter während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind.

(2) Bei der Versicherung eines Schiffes gegen die Gefahren der Binnenschifffahrt trägt der

Versicherer alle Gefahren, denen das Schiff während der Dauer der Versicherung ausgesetzt

ist. Der Versicherer haftet auch für den Schaden, den der Versicherungsnehmer infolge eines

Zusammenstoßes von Schiffen oder eines Schiffes mit festen oder schwimmenden Gegenstän-

den dadurch erleidet, dass er den einem Dritten zugefügten Schaden zu ersetzen hat.

(3) Die Versicherung gegen die Gefahren der Binnenschifffahrt umfasst die Beiträge zur gro-

ßen Haverei, soweit durch die Haverei-Maßnahme ein vom Versicherer zu ersetzender Scha-

den abgewendet werden sollte.

§ 131

Verletzung der Anzeigepflicht

(1) Abweichend von § 19 Abs. 2 ist bei Verletzung der Anzeigepflicht der Rücktritt des Versi-

cherers ausgeschlossen; der Versicherer kann innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an,

zu dem er Kenntnis von dem nicht oder unrichtig angezeigten Umstand erlangt hat, den Ver-

trag kündigen und die Leistung verweigern. Der Versicherer bleibt zur Leistung verpflichtet,

soweit der nicht oder unrichtig angezeigte Umstand nicht ursächlich für den Eintritt des Versi-

cherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war.

(2) Verweigert der Versicherer die Leistung, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag kün-

digen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt

an ausgeübt wird, zu welchem dem Versicherungsnehmer die Entscheidung des Versicherers,

die Leistung zu verweigern, zugeht.

§ 132

Gefahränderung

(1) Der Versicherungsnehmer darf abweichend von § 23 die Gefahr erhöhen oder in anderer

Weise ändern und die Änderung durch einen Dritten gestatten. Die Änderung hat er dem Ver-

sicherer unverzüglich anzuzeigen.

Page 241: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

240 Anhang

(2) Hat der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt, ist der Versicherer

nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall nach dem Zeitpunkt eintritt, zu

dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. Er ist zur Leistung verpflichtet, 1.

wenn ihm die Gefahrerhöhung zu dem Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte

zugehen müssen, 2. wenn die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt

worden ist oder 3. soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versiche-

rungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war.

(3) Der Versicherer ist abweichend von § 24 nicht berechtigt, den Vertrag wegen einer Ge-

fahrerhöhung zu kündigen.

§ 133

Vertragswidrige Beförderung

(1) Werden die Güter mit einem Beförderungsmittel anderer Art befördert als vereinbart oder

werden sie umgeladen, obwohl direkter Transport vereinbart ist, ist der Versicherer nicht zur

Leistung verpflichtet. Dies gilt auch, wenn ausschließlich ein bestimmtes Beförderungsmittel

oder ein bestimmter Transportweg vereinbart ist.

(2) Der Versicherer bleibt zur Leistung verpflichtet, wenn nach Beginn der Versicherung die

Beförderung ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers oder infolge eines versicherten Er-

eignisses geändert oder aufgegeben wird. § 132 ist anzuwenden.

(3) Die Versicherung umfasst in den Fällen des Absatzes 2 die Kosten der Umladung oder der

einstweiligen Lagerung sowie die Mehrkosten der Weiterbeförderung.

§ 134

Ungeeignete Beförderungsmittel

(1) Ist für die Beförderung der Güter kein bestimmtes Beförderungsmittel vereinbart, ist der

Versicherungsnehmer, soweit er auf dessen Auswahl Einfluss hat, verpflichtet, Beförderungs-

mittel einzusetzen, die für die Aufnahme und Beförderung der Güter geeignet sind.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig, ist

der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung war nicht ursäch-

lich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht.

(3) Erlangt der Versicherungsnehmer Kenntnis von der mangelnden Eignung des Beförde-

rungsmittels, hat er diesen Umstand dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. § 132 ist an-

zuwenden.

§ 135

Aufwendungsersatz

(1) Aufwendungen, die dem Versicherungsnehmer zur Abwendung oder Minderung des Scha-

dens entstehen, sowie die Kosten für die Ermittlung und Feststellung des Schadens hat der

Versicherer auch insoweit zu erstatten, als sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die

Versicherungssumme übersteigen.

(2) Sind Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung oder zur Ermittlung und Feststellung

des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch einen Versicherungs-

fall beschädigten Sache gemacht oder Beiträge zur großen Haverei geleistet oder ist eine per-

sönliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Entrichtung solcher Beiträge entstan-

Page 242: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 241

den, hat der Versicherer den Schaden, der durch einen späteren Versicherungsfall verursacht

wird, ohne Rücksicht auf die von ihm zu erstattenden früheren Aufwendungen und Beiträge zu

ersetzen.

§ 136

Versicherungswert

(1) Als Versicherungswert der Güter gilt der gemeine Handelswert und in dessen Ermangelung

der gemeine Wert, den die Güter am Ort der Absendung bei Beginn der Versicherung haben,

zuzüglich der Versicherungskosten, der Kosten, die bis zur Annahme der Güter durch den Be-

förderer entstehen, und der endgültig bezahlten Fracht.

(2) Der sich nach Absatz 1 ergebende Wert gilt auch bei Eintritt des Versicherungsfalles als

Versicherungswert.

(3) Bei Gütern, die beschädigt am Ablieferungsort ankommen, ist der Wert, den sie dort in be-

schädigtem Zustand haben, von dem Wert abzuziehen, den sie an diesem Ort in unbeschädig-

tem Zustand hätten. Der dem Verhältnis der Wertminderung zu ihrem Wert in unbeschädigtem

Zustand entsprechende Bruchteil des Versicherungswertes gilt als Betrag des Schadens.

§ 137

Herbeiführung des Versicherungsfalles

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vor-

sätzlich oder grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeiführt.

(2) Der Versicherungsnehmer hat das Verhalten der Schiffsbesatzung bei der Führung des

Schiffes nicht zu vertreten.

§ 138

Haftungsausschluss bei Schiffen

Bei der Versicherung eines Schiffes ist der Versicherer nicht zum Ersatz eines Schadens ver-

pflichtet, der daraus entsteht, dass das Schiff in einem nicht fahrtüchtigen Zustand oder nicht

ausreichend ausgerüstet oder personell ausgestattet die Reise antritt. Dies gilt auch für einen

Schaden, der nur eine Folge der Abnutzung des Schiffes in gewöhnlichem Gebrauch ist.

§ 139

Veräußerung der versicherten Sache oder Güter

(1) Ist eine versicherte Sache, für die eine Einzelpolice oder ein Versicherungszertifikat ausge-

stellt worden ist, veräußert worden, haftet der Erwerber abweichend von § 95 nicht für die

Prämie. Der Versicherer kann sich gegenüber dem Erwerber nicht auf Leistungsfreiheit wegen

Nichtzahlung der Prämie oder wegen Nichtleistung einer Sicherheit berufen, es sei denn, der

Erwerber kannte den Grund für die Leistungsfreiheit oder hätte ihn kennen müssen.

(2) Der Versicherer ist abweichend von § 96 nicht berechtigt, das Versicherungsverhältnis we-

gen Veräußerung der versicherten Güter zu kündigen.

(3) Der Versicherungsnehmer ist abweichend von § 97 nicht verpflichtet, dem Versicherer die

Veräußerung anzuzeigen.

Page 243: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

242 Anhang

§ 140

Veräußerung des versicherten Schiffes

Wird ein versichertes Schiff veräußert, endet abweichend von § 95 die Versicherung mit der

Übergabe des Schiffes an den Erwerber, für unterwegs befindliche Schiffe mit der Übergabe

an den Erwerber im Bestimmungshafen.

§ 141

Befreiung durch Zahlung der Versicherungssumme

(1) Der Versicherer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles berechtigt, sich durch Zahlung der

Versicherungssumme von allen weiteren Verbindlichkeiten zu befreien. Der Versicherer bleibt

zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die zur Abwendung oder Minderung des Schadens oder

zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der versicherten Sache aufgewendet worden sind,

bevor seine Erklärung, dass er sich durch Zahlung der Versicherungssumme befreien wolle,

dem Versicherungsnehmer zugegangen ist.

(2) Das Recht des Versicherers, sich durch Zahlung der Versicherungssumme zu befreien, er-

lischt, wenn die Erklärung dem Versicherungsnehmer nicht innerhalb einer Woche nach dem

Zeitpunkt, zu dem der Versicherer Kenntnis von dem Versicherungsfall und seinen unmittel-

baren Folgen erlangt hat, zugeht.

Kapitel 4

Gebäudefeuerversicherung

§ 142

Anzeigen an Hypothekengläubiger

(1) Bei der Gebäudefeuerversicherung hat der Versicherer einem Hypothekengläubiger, der

seine Hypothek angemeldet hat, unverzüglich in Textform anzuzeigen, wenn die einmalige

oder die erste Prämie nicht rechtzeitig gezahlt oder wenn dem Versicherungsnehmer für die

Zahlung einer Folgeprämie eine Frist bestimmt wird. Dies gilt auch, wenn das Versicherungs-

verhältnis nach Ablauf der Frist wegen unterbliebener Zahlung der Folgeprämie gekündigt

wird.

(2) Der Versicherer hat den Eintritt des Versicherungsfalles innerhalb einer Woche, nachdem

er von ihm Kenntnis erlangt hat, einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet

hat, in Textform anzuzeigen, es sei denn, der Schaden ist unbedeutend.

§ 143

Fortdauer der Leistungspflicht gegenüber Hypothekengläubigern

(1) Bei nicht rechtzeitiger Zahlung einer Folgeprämie bleibt der Versicherer gegenüber einem

Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, bis zum Ablauf eines Monats ab

dem Zeitpunkt zur Leistung verpflichtet, zu welchem dem Hypothekengläubiger die Bestim-

mung der Zahlungsfrist oder, wenn diese Mitteilung unterblieben ist, die Kündigung mitgeteilt

worden ist.

(2) Die Beendigung des Versicherungsverhältnisses wird gegenüber einem Hypothekengläubi-

ger, der seine Hypothek angemeldet hat, erst mit dem Ablauf von zwei Monaten wirksam,

nachdem ihm die Beendigung und, sofern diese noch nicht eingetreten war, der Zeitpunkt der

Page 244: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 243

Beendigung durch den Versicherer mitgeteilt worden ist oder er auf andere Weise hiervon

Kenntnis erlangt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn das Versicherungsverhältnis wegen unterbliebener

Prämienzahlung durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherers oder durch Kündigung des

Versicherungsnehmers, welcher der Hypothekengläubiger zugestimmt hat, beendet wird.

(3) Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend für die Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen dem

Versicherer und dem Versicherungsnehmer, durch die der Umfang des Versicherungsschutzes

gemindert wird oder nach welcher der Versicherer nur verpflichtet ist, die Entschädigung zur

Wiederherstellung des versicherten Gebäudes zu zahlen.

(4) Die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags kann gegenüber einem Hypothekengläubiger,

der seine Hypothek angemeldet hat, nicht geltend gemacht werden. Das Versicherungsverhält-

nis endet jedoch ihm gegenüber nach Ablauf von zwei Monaten, nachdem ihm die Nichtigkeit

durch den Versicherer mitgeteilt worden ist oder er auf andere Weise von der Nichtigkeit

Kenntnis erlangt hat.

§ 144

Kündigung des Versicherungsnehmers

Hat ein Hypothekengläubiger seine Hypothek angemeldet, ist eine Kündigung des Versiche-

rungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer unbeschadet des § 92 Abs. 1 und des § 96

Abs. 2 nur wirksam, wenn der Versicherungsnehmer mindestens einen Monat vor Ablauf des

Versicherungsvertrags nachgewiesen hat, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung spä-

testens zulässig war, das Grundstück nicht mit der Hypothek belastet war oder dass der Hypo-

thekengläubiger der Kündigung zugestimmt hat. Die Zustimmung darf nicht ohne ausreichen-

den Grund verweigert werden.

§ 145

Übergang der Hypothek

Soweit der Versicherer den Hypothekengläubiger nach § 143 befriedigt, geht die Hypothek auf

ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil eines gleich- oder nachstehenden Hypothe-

kengläubigers geltend gemacht werden, dem gegenüber die Leistungspflicht des Versicherers

bestehen geblieben ist.

§ 146

Bestätigungs- und Auskunftspflicht des Versicherers

Der Versicherer ist verpflichtet, einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet

hat, die Anmeldung zu bestätigen und auf Verlangen Auskunft über das Bestehen von Versi-

cherungsschutz sowie über die Höhe der Versicherungssumme zu erteilen.

§ 147

Änderung von Anschrift und Name des Hypothekengläubigers

Hat der Hypothekengläubiger dem Versicherer eine Änderung seiner Anschrift oder seines

Namens nicht mitgeteilt, ist § 13 Abs. 1 auf die Anzeigen und Mitteilungen des Versicherers

nach den §§ 142 und 143 entsprechend anzuwenden.

Page 245: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

244 Anhang

§ 148

Andere Grundpfandrechte

Ist das Grundstück mit einer Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast belastet, sind die

§§ 142 bis 147 entsprechend anzuwenden.

§ 149

Eigentümergrundpfandrechte

Die durch die §§ 142 bis 148 begründeten Rechte können nicht zugunsten von Hypotheken,

Grundschulden oder Rentenschulden, die dem Versicherungsnehmer zustehen, geltend ge-

macht werden.

Kapitel 5

Lebensversicherung

§ 150

Versicherte Person

(1) Die Lebensversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines ande-

ren genommen werden.

(2) Wird die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen und übersteigt die

vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten, ist zur Wirksamkeit

des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich; dies gilt nicht bei Kollek-

tivlebensversicherungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Ist der andere ge-

schäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder ist für ihn ein Betreuer bestellt

und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versiche-

rungsnehmer zu, kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten.

(3) Nimmt ein Elternteil die Versicherung auf die Person eines minderjährigen Kindes, bedarf

es der Einwilligung des Kindes nur, wenn nach dem Vertrag der Versicherer auch bei Eintritt

des Todes vor der Vollendung des siebenten Lebensjahres zur Leistung verpflichtet sein soll

und die für diesen Fall vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten

übersteigt.

(4) Soweit die Aufsichtsbehörde einen bestimmten Höchstbetrag für die gewöhnlichen Beerdi-

gungskosten festgesetzt hat, ist dieser maßgebend.

§ 151

Ärztliche Untersuchung

Durch die Vereinbarung einer ärztlichen Untersuchung der versicherten Person wird ein Recht

des Versicherers, die Vornahme der Untersuchung zu verlangen, nicht begründet.

§ 152

Widerruf des Versicherungsnehmers

(1) Abweichend von § 8 Abs. 1 Satz 1 beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage.

(2) Der Versicherer hat abweichend von § 9 Satz 1 auch den Rückkaufswert einschließlich der

Überschussanteile nach § 169 zu zahlen. Im Fall des § 9 Satz 2 hat der Versicherer den Rück-

Page 246: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 245

kaufswert einschließlich der Überschussanteile oder, wenn dies für den Versicherungsnehmer

günstiger ist, die für das erste Jahr gezahlten Prämien zu erstatten.

(3) Abweichend von § 33 Abs. 1 ist die einmalige oder die erste Prämie unverzüglich nach

Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen.

§ 153

Überschussbeteiligung

(1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewer-

tungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch

ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; die Überschussbeteiligung kann nur insgesamt

ausgeschlossen werden.

(2) Der Versicherer hat die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorien-

tierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze

können vereinbart werden.

(3) Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem ver-

ursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendigung des Vertrags

wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versiche-

rungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. Aufsichtsrechtliche

Regelungen zur Kapitalausstattung bleiben unberührt.

(4) Bei Rentenversicherungen ist die Beendigung der Ansparphase der nach Absatz 3 Satz 2

maßgebliche Zeitpunkt.

§ 154

Modellrechnung

(1) Macht der Versicherer im Zusammenhang mit dem Angebot oder dem Abschluss einer Le-

bensversicherung bezifferte Angaben zur Höhe von möglichen Leistungen über die vertraglich

garantierten Leistungen hinaus, hat er dem Versicherungsnehmer eine Modellrechnung zu ü-

bermitteln, bei der die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundla-

gen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen dargestellt wird. Dies gilt

nicht für Risikoversicherungen und Verträge, die Leistungen der in § 54b Abs. 1 und 2 des

Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen.

(2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer klar und verständlich darauf hinzuweisen,

dass es sich bei der Modellrechnung nur um ein Rechenmodell handelt, dem fiktive Annahmen

zu Grunde liegen, und dass der Versicherungsnehmer aus der Modellrechnung keine vertragli-

chen Ansprüche gegen den Versicherer ableiten kann.

§ 155

Jährliche Unterrichtung

Bei Versicherungen mit Überschussbeteiligung hat der Versicherer den Versicherungsnehmer

jährlich in Textform über die Entwicklung seiner Ansprüche unter Einbeziehung der Über-

schussbeteiligung zu unterrichten. Ferner hat der Versicherer, wenn er bezifferte Angaben zur

möglichen zukünftigen Entwicklung der Überschussbeteiligung gemacht hat, den Versiche-

rungsnehmer auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von den anfänglichen Anga-

ben hinzuweisen.

Page 247: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

246 Anhang

§ 156

Kenntnis und Verhalten der versicherten Person

Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von

rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren

Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen.

§ 157

Unrichtige Altersangabe

Ist das Alter der versicherten Person unrichtig angegeben worden, verändert sich die Leistung

des Versicherers nach dem Verhältnis, in welchem die dem wirklichen Alter entsprechende

Prämie zu der vereinbarten Prämie steht. Das Recht, wegen der Verletzung der Anzeigepflicht

von dem Vertrag zurückzutreten, steht dem Versicherer abweichend von § 19 Abs. 2 nur zu,

wenn er den Vertrag bei richtiger Altersangabe nicht geschlossen hätte.

§ 158

Gefahränderung

(1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Gefahrumstände, die nach aus-

drücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll; die Vereinbarung be-

darf der Textform.

(2) Eine Erhöhung der Gefahr kann der Versicherer nicht mehr geltend machen, wenn seit der

Erhöhung fünf Jahre verstrichen sind. Hat der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach

§ 23 vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.

(3) § 41 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Herabsetzung der Prämie nur wegen einer

solchen Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die nach ausdrücklicher Ver-

einbarung als Gefahrminderung angesehen werden soll.

§ 159

Bezugsberechtigung

(1) Der Versicherungsnehmer ist im Zweifel berechtigt, ohne Zustimmung des Versicherers

einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen sowie an die Stelle des so bezeichneten

Dritten einen anderen zu setzen.

(2) Ein widerruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leis-

tung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles.

(3) Ein unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die

Leistung des Versicherers bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter.

§ 160

Auslegung der Bezugsberechtigung

(1) Sind mehrere Personen ohne Bestimmung ihrer Anteile als Bezugsberechtigte bezeichnet,

sind sie zu gleichen Teilen bezugsberechtigt. Der von einem Bezugsberechtigten nicht erwor-

bene Anteil wächst den übrigen Bezugsberechtigten zu.

(2) Soll die Leistung des Versicherers nach dem Tod des Versicherungsnehmers an dessen Er-

ben erfolgen, sind im Zweifel diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen sind,

Page 248: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 247

nach dem Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt. Eine Ausschlagung der Erbschaft hat auf

die Berechtigung keinen Einfluss.

(3) Wird das Recht auf die Leistung des Versicherers von dem bezugsberechtigten Dritten

nicht erworben, steht es dem Versicherungsnehmer zu.

(4) Ist der Fiskus als Erbe berufen, steht ihm ein Bezugsrecht im Sinn des Absatzes 2 Satz 1

nicht zu.

§ 161

Selbsttötung

(1) Bei einer Versicherung für den Todesfall ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflich-

tet, wenn die versicherte Person sich vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versiche-

rungsvertrags vorsätzlich selbst getötet hat. Dies gilt nicht, wenn die Tat in einem die freie

Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit began-

gen worden ist.

(2) Die Frist nach Absatz 1 Satz 1 kann durch Einzelvereinbarung erhöht werden.

(3) Ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, hat er den Rückkaufswert einschließlich

der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen.

§ 162

Tötung durch Leistungsberechtigten

(1) Ist die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen als des Versicherungsnehmers

genommen, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer

vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod des anderen herbeiführt.

(2) Ist ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt,

wenn der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod der versicherten

Person herbeiführt.

§ 163

Prämien- und Leistungsänderung

(1) Der Versicherer ist zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt, wenn 1.

sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den

Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat, 2. die nach den berichtigten

Rechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie angemessen und erforderlich ist, um die dau-

ernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten, und 3. ein unabhängiger

Treuhänder die Rechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 über-

prüft und bestätigt hat. Eine Neufestsetzung der Prämie ist insoweit ausgeschlossen, als die

Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt der Erst- oder Neukalkulation unzureichend kalkuliert

waren und ein ordentlicher und gewissenhafter Aktuar dies insbesondere anhand der zu diesem

Zeitpunkt verfügbaren statistischen Kalkulationsgrundlagen hätte erkennen müssen.

(2) Der Versicherungsnehmer kann verlangen, dass an Stelle einer Erhöhung der Prämie nach

Absatz 1 die Versicherungsleistung entsprechend herabgesetzt wird. Bei einer prämienfreien

Versicherung ist der Versicherer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zur Herabsetzung

der Versicherungsleistung berechtigt.

Page 249: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

248 Anhang

(3) Die Neufestsetzung der Prämie und die Herabsetzung der Versicherungsleistung werden zu

Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Her-

absetzung und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

(4) Die Mitwirkung des Treuhänders nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 entfällt, wenn die Neufestset-

zung oder die Herabsetzung der Versicherungsleistung der Genehmigung der Aufsichtsbehör-

de bedarf.

§ 164

Bedingungsanpassung

(1) Ist eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch

höchstrichterliche Entscheidung oder durch bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam

erklärt worden, kann sie der Versicherer durch eine neue Regelung ersetzen, wenn dies zur

Fortführung des Vertrags notwendig ist oder wenn das Festhalten an dem Vertrag ohne neue

Regelung für eine Vertragspartei auch unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Ver-

tragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die neue Regelung ist nur wirksam,

wenn sie unter Wahrung des Vertragsziels die Belange der Versicherungsnehmer angemessen

berücksichtigt.

(2) Die neue Regelung nach Absatz 1 wird zwei Wochen, nachdem die neue Regelung und die

hierfür maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer mitgeteilt worden sind, Vertragsbe-

standteil.

§ 165

Prämienfreie Versicherung

(1) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperi-

ode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen, sofern

die dafür vereinbarte Mindestversicherungsleistung erreicht wird. Wird diese nicht erreicht,

hat der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert einschließlich der

Überschussanteile nach § 169 zu zahlen.

(2) Die prämienfreie Leistung ist nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit

den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation unter Zugrundelegung des Rückkaufswer-

tes nach § 169 Abs. 3 bis 5 zu berechnen und im Vertrag für jedes Versicherungsjahr an-

zugeben.

(3) Die prämienfreie Leistung ist für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode unter

Berücksichtigung von Prämienrückständen zu berechnen. Die Ansprüche des Versicherungs-

nehmers aus der Überschussbeteiligung bleiben unberührt.

§ 166

Kündigung des Versicherers

(1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die

Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. Auf die Umwandlung ist § 165 anzu-

wenden.

(2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen

müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämien-

freie Versicherung umgewandelt hätte.

Page 250: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 249

(3) Bei der Bestimmung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hat der Versicherer auf die ein-

tretende Umwandlung der Versicherung hinzuweisen.

(4) Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer abgeschlossen worden ist, hat der Versicherer die versicherte Person über

die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 und die eintretende Umwandlung der Ver-

sicherung in Textform zu informieren und ihnen eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Mo-

naten einzuräumen.

§ 167

Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der lau-

fenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlan-

gen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 der Zivilprozessordnung entspricht. Die Kosten

der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen.

§ 168

Kündigung des Versicherungsnehmers

(1) Sind laufende Prämien zu zahlen, kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsver-

hältnis jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen.

(2) Bei einer Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt

der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, steht das Kündigungsrecht dem Versicherungs-

nehmer auch dann zu, wenn die Prämie in einer einmaligen Zahlung besteht.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind nicht auf einen für die Altersvorsorge bestimmten Versiche-

rungsvertrag anzuwenden, bei dem der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer eine Ver-

wertung vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen hat; der Wert der vom Ausschluss

der Verwertbarkeit betroffenen Ansprüche darf die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 des Zweiten Buches

Sozialgesetzbuch bestimmten Beträge nicht übersteigen.

§ 169

Rückkaufswert

(1) Wird eine Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt

der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, durch Kündigung des Versicherungsnehmers

oder durch Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers aufgehoben, hat der Versicherer den

Rückkaufswert zu zahlen.

(2) Der Rückkaufswert ist nur insoweit zu zahlen, als dieser die Leistung bei einem Versiche-

rungsfall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht übersteigt. Der danach nicht gezahlte Teil des

Rückkaufswertes ist für eine prämienfreie Versicherung zu verwenden. Im Fall des Rücktrittes

oder der Anfechtung ist der volle Rückkaufswert zu zahlen.

(3) Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den

Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperi-

ode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungs-

verhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger

Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre

ergibt; die aufsichtsrechtlichen Regelungen über Höchstzillmersätze bleiben unberührt. Der

Page 251: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

250 Anhang

Rückkaufswert und das Ausmaß, in dem er garantiert ist, sind dem Versicherungsnehmer vor

Abgabe von dessen Vertragserklärung mitzuteilen; das Nähere regelt die Rechtsverordnung

nach § 7 Abs. 2. Hat der Versicherer seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäi-

schen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirt-

schaftsraum, kann er für die Berechnung des Rückkaufswertes an Stelle des Deckungskapitals

den in diesem Staat vergleichbaren anderen Bezugswert zu Grunde legen.

(4) Bei fondsgebundenen Versicherungen und anderen Versicherungen, die Leistungen der in

§ 54b des Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen, ist der Rückkaufswert

nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Zeitwert der Versicherung zu be-

rechnen, soweit nicht der Versicherer eine bestimmte Leistung garantiert; im Übrigen gilt Ab-

satz 3. Die Grundsätze der Berechnung sind im Vertrag anzugeben.

(5) Der Versicherer ist zu einem Abzug von dem nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag nur

berechtigt, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist. Die Vereinbarung eines Abzugs

für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam.

(6) Der Versicherer kann den nach Absatz 3 berechneten Betrag angemessen herabsetzen, so-

weit dies erforderlich ist, um eine Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer, insbe-

sondere durch eine Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der sich aus den Versicherungs-

verträgen ergebenden Verpflichtungen, auszuschließen. Die Herabsetzung ist jeweils auf ein

Jahr befristet.

(7) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem nach den Absätzen 3 bis

6 berechneten Betrag die diesem bereits zugeteilten Überschussanteile, soweit sie nicht bereits

in dem Betrag nach den Absätzen 3 bis 6 enthalten sind, sowie den nach den jeweiligen All-

gemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehenen Schlussüber-

schussanteil zu zahlen; § 153 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

§ 170

Eintrittsrecht

(1) Wird in die Versicherungsforderung ein Arrest vollzogen oder eine Zwangsvollstreckung

vorgenommen oder wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsneh-

mers eröffnet, kann der namentlich bezeichnete Bezugsberechtigte mit Zustimmung des Versi-

cherungsnehmers an seiner Stelle in den Versicherungsvertrag eintreten. Tritt der Bezugsbe-

rechtigte ein, hat er die Forderungen der betreibenden Gläubiger oder der Insolvenzmasse bis

zur Höhe des Betrags zu befriedigen, dessen Zahlung der Versicherungsnehmer im Fall der

Kündigung des Versicherungsverhältnisses vom Versicherer verlangen könnte.

(2) Ist ein Bezugsberechtigter nicht oder nicht namentlich bezeichnet, steht das gleiche Recht

dem Ehegatten oder Lebenspartner und den Kindern des Versicherungsnehmers zu.

(3) Der Eintritt erfolgt durch Anzeige an den Versicherer. Die Anzeige kann nur innerhalb ei-

nes Monats erfolgen, nachdem der Eintrittsberechtigte von der Pfändung Kenntnis erlangt hat

oder das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

§ 171

Abweichende Vereinbarungen

Von § 152 Abs. 1 und 2 und den §§ 153 bis 155, 157, 158, 161 und 163 bis 170 kann nicht

zum Nachteil des Versicherungsnehmers, der versicherten Person oder des Eintrittsberechtig-

ten abgewichen werden. Für das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Umwandlung nach

Page 252: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 251

§ 165 und für seine Kündigung nach § 168 kann die Schrift- oder die Textform vereinbart wer-

den.

Kapitel 6

Berufsunfähigkeitsversicherung

§ 172

Leistung des Versicherers

(1) Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherer verpflichtet, für eine nach Be-

ginn der Versicherung eingetretene Berufsunfähigkeit die vereinbarten Leistungen zu erbrin-

gen.

(2) Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Be-

einträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersent-

sprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben

kann.

(3) Als weitere Voraussetzung einer Leistungspflicht des Versicherers kann vereinbart werden,

dass die versicherte Person auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu ü-

bernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bishe-

rigen Lebensstellung entspricht.

§ 173

Anerkenntnis

(1) Der Versicherer hat nach einem Leistungsantrag bei Fälligkeit in Textform zu erklären, ob

er seine Leistungspflicht anerkennt.

(2) Das Anerkenntnis darf nur einmal zeitlich begrenzt werden. Es ist bis zum Ablauf der Frist

bindend.

§ 174

Leistungsfreiheit

(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind,

wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform

dargelegt hat.

(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Er-

klärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.

§ 175

Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 173 und 174 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen

werden.

Page 253: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

252 Anhang

§ 176

Anzuwendende Vorschriften

Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden,

soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.

§ 177

Ähnliche Versicherungsverträge

(1) Die §§ 173 bis 176 sind auf alle Versicherungsverträge, bei denen der Versicherer für eine

dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung verspricht, entsprechend an-

zuwenden.

(2) Auf die Unfallversicherung sowie auf Krankenversicherungsverträge, die das Risiko der

Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zum Gegenstand haben, ist Absatz 1 nicht anzuwenden.

Kapitel 7

Unfallversicherung

§ 178

Leistung des Versicherers

(1) Bei der Unfallversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei einem Unfall der versicher-

ten Person oder einem vertraglich dem Unfall gleichgestellten Ereignis die vereinbarten Leis-

tungen zu erbringen.

(2) Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren

Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Unfreiwil-

ligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.

§ 179

Versicherte Person

(1) Die Unfallversicherung kann für den Eintritt eines Unfalles des Versicherungsnehmers

oder eines anderen genommen werden. Eine Versicherung gegen Unfälle eines anderen gilt

im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen.

(2) Wird die Versicherung gegen Unfälle eines anderen von dem Versicherungsnehmer für ei-

gene Rechnung genommen, ist zur Wirksamkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des

anderen erforderlich. Ist der andere geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt

oder ist für ihn ein Betreuer bestellt und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden

Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu, kann dieser den anderen bei der Erteilung der

Einwilligung nicht vertreten.

(3) Soweit im Fall des Absatzes 2 nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des

Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, sind auch die Kenntnis und das Ver-

halten des anderen zu berücksichtigen.

Page 254: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 253

§ 180

Invalidität

Der Versicherer schuldet die für den Fall der Invalidität versprochenen Leistungen im verein-

barten Umfang, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person

unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie vor-

aussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht er-

wartet werden kann.

§ 181

Gefahrerhöhung

(1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Umstände, die nach ausdrück-

licher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll; die Vereinbarung bedarf der

Textform.

(2) Ergeben sich im Fall einer erhöhten Gefahr nach dem geltenden Tarif des Versicherers bei

unveränderter Prämie niedrigere Versicherungsleistungen, gelten diese mit Ablauf eines Mo-

nats nach Eintritt der Gefahrerhöhung als vereinbart. Weitergehende Rechte kann der Versi-

cherer nur geltend machen, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung arglistig nicht

angezeigt hat.

§ 182

Mitwirkende Ursachen

Ist vereinbart, dass der Anspruch auf die vereinbarten Leistungen entfällt oder sich mindert,

wenn Krankheiten oder Gebrechen bei der durch den Versicherungsfall verursachten Gesund-

heitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben, hat der Versicherer die Voraussetzungen

des Wegfalles oder der Minderung des Anspruchs nachzuweisen.

§ 183

Herbeiführung des Versicherungsfalles

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn im Fall des § 179 Abs. 2 der Ver-

sicherungsnehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Versicherungsfall

herbeiführt.

(2) Ist ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt,

wenn der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Versicherungsfall her-

beiführt.

§ 184

Abwendung und Minderung des Schadens

Die §§ 82 und 83 sind auf die Unfallversicherung nicht anzuwenden.

§ 185

Bezugsberechtigung

Ist als Leistung des Versicherers die Zahlung eines Kapitals vereinbart, sind die §§ 159 und

160 entsprechend anzuwenden.

Page 255: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

254 Anhang

§ 186

Hinweispflicht des Versicherers

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf ver-

tragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform

hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht

berufen.

§ 187

Anerkenntnis

(1) Der Versicherer hat nach einem Leistungsantrag innerhalb eines Monats nach Vorlage der

zu dessen Beurteilung erforderlichen Unterlagen in Textform zu erklären, ob und in welchem

Umfang er seine Leistungspflicht anerkennt. Wird eine Invaliditätsleistung beantragt, beträgt

die Frist drei Monate.

(2) Erkennt der Versicherer den Anspruch an oder haben sich Versicherungsnehmer und Ver-

sicherer über Grund und Höhe des Anspruchs geeinigt, wird die Leistung innerhalb von zwei

Wochen fällig. Steht die Leistungspflicht nur dem Grunde nach fest, hat der Versicherer auf

Verlangen des Versicherungsnehmers einen angemessenen Vorschuss zu leisten.

§ 188

Neubemessung der Invalidität

(1) Sind Leistungen für den Fall der Invalidität vereinbart, ist jede Vertragspartei berechtigt,

den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahre nach Eintritt des Unfalles, neu

bemessen zu lassen. In der Kinderunfallversicherung kann die Frist, innerhalb derer eine Neu-

bemessung verlangt werden kann, verlängert werden.

(2) Mit der Erklärung des Versicherers über die Leistungspflicht ist der Versicherungsnehmer

über sein Recht zu unterrichten, den Grad der Invalidität neu bemessen zu lassen. Unterbleibt

diese Unterrichtung, kann sich der Versicherer auf eine Verspätung des Verlangens des Versi-

cherungsnehmers, den Grad der Invalidität neu zu bemessen, nicht berufen.

§ 189

Sachverständigenverfahren, Schadensermittlungskosten

Die §§ 84 und 85 Abs. 1 und 3 sind entsprechend anzuwenden.

§ 190

Pflichtversicherung

Besteht für den Abschluss einer Unfallversicherung eine Verpflichtung durch Rechtsvor-

schrift, hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme

zu bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Unfallversi-

cherung besteht.

Page 256: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 255

§ 191

Abweichende Vereinbarungen

Von § 178 Abs. 2 Satz 2 und den §§ 181,186 bis 188 kann nicht zum Nachteil des Versiche-

rungsnehmers oder der versicherten Person abgewichen werden.

Kapitel 8

Krankenversicherung

§ 192

Vertragstypische Leistungen des Versicherers

(1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten

Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit

oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solcher bei

Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früher-

kennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten.

(2) Der Versicherer ist zur Leistung nach Absatz 1 insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwen-

dungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis

zu den erbrachten Leistungen stehen.

(3) Als Inhalt der Krankheitskostenversicherung können zusätzliche Dienstleistungen, die in

unmittelbarem Zusammenhang mit Leistungen nach Absatz 1 stehen, vereinbart werden, ins-

besondere 1. die Beratung über Leistungen nach Absatz 1 sowie über die Anbieter solcher

Leistungen; 2. die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von

Leistungen nach Absatz 1; 3. die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von

Leistungen nach Absatz 1; 4. die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchset-

zung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Erbringung der Leistungen nach Absatz 1 und der

sich hieraus ergebenden Folgen; 5. die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach Absatz 1

mit deren Erbringern.

(4) Bei der Krankenhaustagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei medizinisch

notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten.

(5) Bei der Krankentagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den als Folge von

Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das ver-

einbarte Krankentagegeld zu ersetzen.

(6) Bei der Pflegekrankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebe-

dürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person

zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetage-

geldversicherung). Absatz 2 gilt für die Pflegekostenversicherung entsprechend. Die Regelun-

gen des Elften Buches Sozialgesetzbuch über die private Pflegeversicherung bleiben unbe-

rührt.

§ 193

Versicherte Person

(1) Die Krankenversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines ande-

ren genommen werden. Versicherte Person ist die Person, auf welche die Versicherung ge-

nommen wird.

Page 257: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

256 Anhang

(2) Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von

rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren

Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen.

§ 194

Anzuwendende Vorschriften

(1) Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt

wird, sind die §§ 74 bis 80 und 82 bis 87 anzuwenden. Die §§ 23 bis 27 und 29 sind auf die

Krankenversicherung nicht anzuwenden. § 19 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 ist auf die Kranken-

versicherung nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeige-

pflicht nicht zu vertreten hat. Abweichend von § 21 Abs. 3 Satz 1 beläuft sich die Frist für die

Geltendmachung der Rechte des Versicherers auf drei Jahre.

(2) § 38 ist auf die Krankenversicherung mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zahlungsfrist

nach § 38 Abs. 1 Satz 1 mindestens zwei Monate betragen muss. Zusätzlich zu den Angaben

nach § 38 Abs. 1 Satz 2 hat der Versicherer den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen,

dass 1. der Abschluss einer neuen Krankenversicherung nach der Kündigung des Versicherers

nach § 38 Abs. 3 für den Versicherungsnehmer mit einer neuen Gesundheitsprüfung, einer

Einschränkung des Umfangs des bisherigen Versicherungsschutzes sowie einer höheren Prä-

mie verbunden sein kann, 2. Bezieher von Arbeitslosengeld II unter den Voraussetzungen des

§ 26 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch einen Zuschuss zu den Beiträgen erhalten

können, die sie für eine private Kranken- oder Pflegeversicherung zahlen, 3. der Träger der

Sozialhilfe unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und 3 des Zwölften Buches Sozialge-

setzbuch Beiträge zur privaten Kranken- oder Pflegeversicherung übernehmen kann.

(3) Steht dem Versicherungsnehmer oder einer versicherten Person ein Anspruch auf Rück-

zahlung ohne rechtlichen Grund gezahlter Entgelte gegen den Erbringer von Leistungen zu,

für die der Versicherer auf Grund des Versicherungsvertrags Erstattungsleistungen erbracht

hat, ist § 86 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Die §§ 43 bis 48 sind auf die Krankenversicherung mit der Maßgabe anzuwenden, dass

ausschließlich die versicherte Person die Versicherungsleistung verlangen kann, wenn der

Versicherungsnehmer sie gegenüber dem Versicherer in Textform als Empfangsberechtigten

der Versicherungsleistung benannt hat; die Benennung kann widerruflich oder unwiderruflich

erfolgen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, kann nur der Versicherungsnehmer die Versi-

cherungsleistung verlangen. Einer Vorlage des Versicherungsscheins bedarf es nicht.

§ 195

Versicherungsdauer

(1) Die Krankenversicherung, die ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversiche-

rungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann (substitu-

tive Krankenversicherung), ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und der §§ 196 und 199 un-

befristet. Wird die nicht substitutive Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung

betrieben, gilt Satz 1 entsprechend.

(2) Bei Ausbildungs-, Auslands-, Reise- und Restschuldkrankenversicherungen können Ver-

tragslaufzeiten vereinbart werden.

(3) Bei der Krankenversicherung einer Person mit befristetem Aufenthaltstitel für das Inland

kann vereinbart werden, dass sie spätestens nach fünf Jahren endet. Ist eine kürzere Laufzeit

Page 258: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 257

vereinbart, kann ein gleichartiger neuer Vertrag nur mit einer Höchstlaufzeit geschlossen wer-

den, die unter Einschluss der Laufzeit des abgelaufenen Vertrags fünf Jahre nicht überschrei-

tet; dies gilt auch, wenn der neue Vertrag mit einem anderen Versicherer geschlossen wird.

§ 196

Befristung der Krankentagegeldversicherung

(1) Bei der Krankentagegeldversicherung kann vereinbart werden, dass die Versicherung mit

Vollendung des 65. Lebensjahres der versicherten Person endet. Der Versicherungsnehmer

kann in diesem Fall vom Versicherer verlangen, dass dieser den Antrag auf Abschluss einer

mit Vollendung des 65. Lebensjahres beginnenden neuen Krankentagegeldversicherung an-

nimmt, die spätestens mit Vollendung des 70. Lebensjahres endet. Auf dieses Recht hat der

Versicherer ihn frühestens sechs Monate vor dem Ende der Versicherung unter Beifügung des

Wortlauts dieser Vorschrift in Textform hinzuweisen. Wird der Antrag bis zum Ablauf von

zwei Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres gestellt, hat der Versicherer den Versi-

cherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren, soweit der Versicherungs-

schutz nicht höher oder umfassender ist als im bisherigen Tarif.

(2) Hat der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht nach Absatz 1 Satz 3 auf das Ende der

Versicherung hingewiesen und wird der Antrag vor Vollendung des 66. Lebensjahres gestellt,

gilt Absatz 1 Satz 4 entsprechend, wobei die Versicherung mit Zugang des Antrags beim Ver-

sicherer beginnt. Ist der Versicherungsfall schon vor Zugang des Antrags eingetreten, ist der

Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.

(3) Absatz 1 Satz 2 und 4 gilt entsprechend, wenn in unmittelbarem Anschluss an eine Versi-

cherung nach Absatz 1 Satz 4 oder Absatz 2 Satz 1 eine neue Krankentagegeldversicherung

beantragt wird, die spätestens mit Vollendung des 75. Lebensjahres endet.

(4) Die Vertragsparteien können ein späteres Lebensjahr als in den vorstehenden Absätzen

festgelegt vereinbaren.

§ 197

Wartezeiten

(1) Soweit Wartezeiten vereinbart werden, dürfen diese in der Krankheitskosten-, Kranken-

haustagegeld- und Krankentagegeldversicherung als allgemeine Wartezeit drei Monate und als

besondere Wartezeit für Entbindung, Psychotherapie, Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kie-

ferorthopädie acht Monate nicht überschreiten. Bei der Pflegekrankenversicherung darf die

Wartezeit drei Jahre nicht überschreiten.

(2) Personen, die aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheiden, ist die dort ununter-

brochen zurückgelegte Versicherungszeit auf die Wartezeit anzurechnen, sofern die Versiche-

rung spätestens zwei Monate nach Beendigung der Vorversicherung zum unmittelbaren An-

schluss daran beantragt wird. Dies gilt auch für Personen, die aus einem öffentlichen Dienst-

verhältnis mit Anspruch auf Heilfürsorge ausscheiden.

§ 198

Kindernachversicherung

(1) Besteht am Tag der Geburt für mindestens einen Elternteil eine Krankenversicherung, ist

der Versicherer verpflichtet, dessen neugeborenes Kind ab Vollendung der Geburt ohne Risi-

kozuschläge und Wartezeiten zu versichern, wenn die Anmeldung zur Versicherung spätestens

Page 259: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

258 Anhang

zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend erfolgt. Diese Verpflichtung besteht nur

insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz des Neugeborenen nicht höher und nicht um-

fassender als der des versicherten Elternteils ist.

(2) Der Geburt eines Kindes steht die Adoption gleich, sofern das Kind im Zeitpunkt der

Adoption noch minderjährig ist. Besteht eine höhere Gefahr, ist die Vereinbarung eines Ri-

sikozuschlags höchstens bis zur einfachen Prämienhöhe zulässig.

(3) Als Voraussetzung für die Versicherung des Neugeborenen oder des Adoptivkindes kann

eine Mindestversicherungsdauer des Elternteils vereinbart werden. Diese darf drei Monate

nicht übersteigen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für die Auslands- und die Reisekrankenversicherung nicht, so-

weit für das Neugeborene oder für das Adoptivkind anderweitiger privater oder gesetzlicher

Krankenversicherungsschutz im Inland oder Ausland besteht.

§ 199

Beihilfeempfänger

(1) Bei der Krankheitskostenversicherung einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe

nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes kann vereinbart werden, dass sie mit der Ver-

setzung der versicherten Person in den Ruhestand im Umfang der Erhöhung des Beihilfebe-

messungssatzes endet.

(2) Ändert sich bei einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen

des öffentlichen Dienstes der Beihilfebemessungssatz oder entfällt der Beihilfeanspruch, hat

der Versicherungsnehmer Anspruch darauf, dass der Versicherer den Versicherungsschutz im

Rahmen der bestehenden Krankheitskostentarife so anpasst, dass dadurch der veränderte Bei-

hilfebemessungssatz oder der weggefallene Beihilfeanspruch ausgeglichen wird. Wird der An-

trag innerhalb von sechs Monaten nach der Änderung gestellt, hat der Versicherer den ange-

passten Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren.

§ 200

Bereicherungsverbot

Hat die versicherte Person wegen desselben Versicherungsfalles einen Anspruch gegen mehre-

re Erstattungsverpflichtete, darf die Gesamterstattung die Gesamtaufwendungen nicht über-

steigen.

§ 201

Herbeiführung des Versicherungsfalles

Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer oder die

versicherte Person vorsätzlich die Krankheit oder den Unfall bei sich selbst herbeiführt.

§ 202

Auskunftspflicht des Versicherers; Schadensermittlungskosten

Der Versicherer ist verpflichtet, auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder der versicher-

ten Person einem von ihnen benannten Arzt oder Rechtsanwalt Auskunft über und Einsicht in

Gutachten oder Stellungnahmen zu geben, die er bei der Prüfung seiner Leistungspflicht über

die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung eingeholt hat. Der Auskunftsanspruch

Page 260: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 259

kann nur von der jeweils betroffenen Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter geltend ge-

macht werden. Hat der Versicherungsnehmer das Gutachten oder die Stellungnahme auf Ver-

anlassung des Versicherers eingeholt, hat der Versicherer die entstandenen Kosten zu erstat-

ten.

§ 203

Prämien- und Bedingungsanpassung

(1) Bei einer Krankenversicherung, bei der die Prämie nach Art der Lebensversicherung be-

rechnet wird, kann der Versicherer nur die entsprechend den technischen Berechnungsgrund-

lagen nach den §§ 12, 12a und 12e in Verbindung mit § 12c des Versicherungsaufsichtsgeset-

zes zu berechnende Prämie verlangen. Die Möglichkeit, mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko

einen angemessenen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss zu vereinbaren, bleibt un-

berührt.

(2) Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers ge-

setzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorüberge-

hend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungs-

grundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für

bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder

die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat.

Dabei darf auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter Ri-

sikozuschlag entsprechend geändert werden, soweit dies vereinbart ist. Maßgebliche Rech-

nungsgrundlagen im Sinn der Sätze 1 und 2 sind die Versicherungsleistungen und die Sterbe-

wahrscheinlichkeiten. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte

sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 12b Abs. 1 bis 2a in

Verbindung mit einer auf Grund des § 12c des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlassenen

Rechtsverordnung.

(3) Ist bei einer Krankenversicherung im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 das ordentliche Kündi-

gungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei

einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesund-

heitswesens berechtigt, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Tarifbestimmun-

gen den veränderten Verhältnissen anzupassen, wenn die Änderungen zur hinreichenden Wah-

rung der Belange der Versicherungsnehmer erforderlich erscheinen und ein unabhängiger

Treuhänder die Voraussetzungen für die Änderungen überprüft und ihre Angemessenheit bes-

tätigt hat.

(4) Ist eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch

höchstrichterliche Entscheidung oder durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für un-

wirksam erklärt worden, ist § 164 anzuwenden.

(5) Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu

Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Än-

derungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

§ 204

Tarifwechsel

Bei einem bestehenden unbefristeten Versicherungsverhältnis kann der Versicherungsnehmer

vom Versicherer verlangen, dass dieser nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 des Versicherungsaufsichtsge-

setzes in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 12c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Versiche-

Page 261: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

260 Anhang

rungsaufsichtsgesetzes Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versiche-

rungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungs-

rückstellung annimmt. Soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer

wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer

für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und

insoweit auch eine Wartezeit verlangen. Der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung ei-

nes Risikozuschlags und einer Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleis-

tung einen Leistungsausschluss vereinbart.

§ 205

Kündigung des Versicherungsnehmers

(1) Vorbehaltlich einer vereinbarten Mindestversicherungsdauer bei der Krankheitskosten- und

bei der Krankenhaustagegeldversicherung kann der Versicherungsnehmer ein Krankenversi-

cherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als einem Jahr eingegangen ist, zum Ende des

ersten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten

kündigen. Die Kündigung kann auf einzelne versicherte Personen oder Tarife beschränkt wer-

den.

(2) Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig,

kann der Versicherungsnehmer binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht ei-

ne Krankheitskosten-, eine Krankentagegeld- oder eine Pflegekrankenversicherung sowie eine

für diese Versicherungen bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der

Versicherungspflicht kündigen. Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Versicherungsneh-

mer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten

nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der

Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten. Macht der Versiche-

rungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, steht dem Versicherer die Prämie nur

bis zu diesem Zeitpunkt zu. Später kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhält-

nis zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist.

Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung oder der

nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beamtenrechtlichen oder ähn-

lichen Dienstverhältnis gleich.

(3) Ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, dass bei Erreichen eines bestimmten Lebensal-

ters oder bei Eintreten anderer dort genannter Voraussetzungen die Prämie für ein anderes Le-

bensalter oder eine andere Altersgruppe gilt oder die Prämie unter Berücksichtigung einer Al-

terungsrückstellung berechnet wird, kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhält-

nis hinsichtlich der betroffenen versicherten Person binnen zwei Monaten nach der Änderung

zum Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens kündigen, wenn sich die Prämie durch die Änderung

erhöht.

(4) Erhöht der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel die Prämie oder vermindert er

die Leistung, kann der Versicherungsnehmer hinsichtlich der betroffenen versicherten Person

innerhalb eines Monats nach Zugang der Änderungsmitteilung mit Wirkung für den Zeitpunkt

kündigen, zu dem die Prämienerhöhung oder die Leistungsminderung wirksam werden soll.

(5) Hat sich der Versicherer vorbehalten, die Kündigung auf einzelne versicherte Personen

oder Tarife zu beschränken und macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann der Versi-

cherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Aufhebung

des übrigen Teils der Versicherung zu dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Kündigung

wirksam wird. Satz 1 gilt entsprechend, wenn der Versicherer die Anfechtung oder den

Page 262: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 261

Rücktritt nur für einzelne versicherte Personen oder Tarife erklärt. In diesen Fällen kann der

Versicherungsnehmer die Aufhebung zum Ende des Monats verlangen, in dem ihm die Er-

klärung des Versicherers zugegangen ist.

§ 206

Kündigung des Versicherers

(1) Die ordentliche Kündigung einer substitutiven Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder

Pflegekrankenversicherung durch den Versicherer ist ausgeschlossen. Sie ist ferner ausge-

schlossen für eine Krankenhaustagegeldversicherung, die neben einer Krankheitskostenvoll-

versicherung besteht. Eine Krankentagegeldversicherung, für die kein gesetzlicher Anspruch

auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers besteht, kann der Versicherer abweichend von

Satz 1 in den ersten drei Jahren unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines

jeden Versicherungsjahres kündigen.

(2) Für die ordentliche Kündigung einer nicht substitutiven Krankenversicherung, die nach Art

der Lebensversicherung betrieben wird, gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Liegen bei einer Krankenhaustagegeldversicherung oder einer Krankheitskostenteilversi-

cherung die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vor, kann der Versicherer das Versiche-

rungsverhältnis nur innerhalb der ersten drei Versicherungsjahre zum Ende eines Versiche-

rungsjahres kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate.

(4) Wird eine Krankheitskostenversicherung oder eine Pflegekrankenversicherung vom Versi-

cherer wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers wirksam gekündigt, sind die versi-

cherten Personen berechtigt, die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung

des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären; die Prämie ist ab Fortsetzung des Versiche-

rungsverhältnisses zu leisten. Die versicherten Personen sind vom Versicherer über die Kündi-

gung und das Recht nach Satz 1 in Textform zu informieren. Dieses Recht endet zwei Monate

nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person Kenntnis von diesem Recht erlangt hat.

(5) Die ordentliche Kündigung eines Gruppenversicherungsvertrags, der Schutz gegen das Ri-

siko Krankheit enthält, durch den Versicherer ist zulässig, wenn die versicherten Personen die

Krankenversicherung unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Al-

terungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversiche-

rung fortsetzen können. Absatz 4 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

§ 207

Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses

(1) Endet das Versicherungsverhältnis durch den Tod des Versicherungsnehmers, sind die ver-

sicherten Personen berechtigt, binnen zwei Monaten nach dem Tod des Versicherungsnehmers

die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versiche-

rungsnehmers zu erklären.

(2) Kündigt der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis insgesamt oder für einzel-

ne versicherte Personen, gilt Absatz 1 entsprechend. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn die

versicherte Person von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat. Handelt es sich bei dem

gekündigten Vertrag um einen Gruppenversicherungsvertrag und wird kein neuer Versiche-

rungsnehmer benannt, sind die versicherten Personen berechtigt, das Versicherungsverhältnis

unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung,

soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortzusetzen.

Page 263: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

262 Anhang

Das Recht nach Satz 3 endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person

von diesem Recht Kenntnis erlangt hat.

(3) Verlegt eine versicherte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Mitglied-

staat der Europäischen Union oder einen anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Eu-

ropäischen Wirtschaftsraum, setzt sich das Versicherungsverhältnis mit der Maßgabe fort, dass

der Versicherer höchstens zu denjenigen Leistungen verpflichtet bleibt, die er bei einem Auf-

enthalt im Inland zu erbringen hätte.

§ 208

Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 194 bis 199 und 201 bis 207 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers

oder der versicherten Person abgewichen werden. Für die Kündigung des Versicherungsneh-

mers nach § 205 kann die Schrift- oder die Textform vereinbart werden.

Teil 3

Schlussvorschriften

§ 209

Rückversicherung, Seeversicherung

Die Vorschriften dieses Gesetzes sind auf die Rückversicherung und die Versicherung gegen

die Gefahren der Seeschifffahrt (Seeversicherung) nicht anzuwenden.

§ 210

Großrisiken, laufende Versicherung

Die Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach diesem Gesetz sind auf die in Artikel 10 Abs. 1

Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz genannten Großrisiken und

auf laufende Versicherungen nicht anzuwenden.

§ 211

Pensionskassen, kleinere Versicherungsvereine,

Versicherungen mit kleineren Beträgen

(1) Die §§ 37, 38, 165, 166, 168 und 169 sind, soweit mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde

in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abweichende Bestimmungen getroffen sind,

nicht anzuwenden auf 1. Versicherungen bei Pensionskassen im Sinn des § 118b Abs. 3 und 4

des Versicherungsaufsichtsgesetzes, 2. Versicherungen, die bei einem Verein genommen wer-

den, der als kleinerer Verein im Sinn des Versicherungsaufsichtsgesetzes anerkannt ist, 3. Le-

bensversicherungen mit kleineren Beträgen und 4. Unfallversicherungen mit kleineren Beträ-

gen.

(2) Auf die in Absatz 1 Nr. 1 genannten Pensionskassen sind ferner nicht anzuwenden 1. die

§§ 6 bis 9, 11, 150 Abs. 2 bis 4 und § 152 Abs. 1 und 2; für die §§ 7 bis 9 und 152 Abs. 1 und

2 gilt dies nicht für Fernabsatzverträge im Sinn des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Ge-

setzbuchs; 2. § 153, soweit mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in den Allgemeinen Ver-

sicherungsbedingungen abweichende Bestimmungen getroffen sind; § 153 Abs. 3 Satz 1 ist

ferner nicht auf Sterbekassen anzuwenden.

Page 264: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 263

(3) Sind für Versicherungen mit kleineren Beträgen im Sinn von Absatz 1 Nr. 3 und 4 abwei-

chende Bestimmungen getroffen, kann deren Wirksamkeit nicht unter Berufung darauf ange-

fochten werden, dass es sich nicht um Versicherungen mit kleineren Beträgen handele.

§ 212

Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit

Besteht während einer Elternzeit ein Arbeitsverhältnis ohne Entgelt gemäß § 1a Abs. 4 des Be-

triebsrentengesetzes fort und wird eine vom Arbeitgeber zugunsten der Arbeitnehmerin oder

des Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung wegen Nichtzahlung der während der

Elternzeit fälligen Prämien in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt, kann die Arbeit-

nehmerin oder der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung der Eltern-

zeit verlangen, dass die Versicherung zu den vor der Umwandlung vereinbarten Bedingungen

fortgesetzt wird.

§ 213

Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten

(1) Die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch den Versicherer darf nur bei

Ärzten, Krankenhäusern und sonstigen Krankenanstalten, Pflegeheimen und Pflegepersonen,

anderen Personenversicherern und gesetzlichen Krankenkassen sowie Berufsgenossenschaften

und Behörden erfolgen; sie ist nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten für die Beurteilung

des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich ist und die betroffene Per-

son eine Einwilligung erteilt hat.

(2) Die nach Absatz 1 erforderliche Einwilligung kann vor Abgabe der Vertragserklärung er-

teilt werden. Die betroffene Person ist vor einer Erhebung nach Absatz 1 zu unterrichten; sie

kann der Erhebung widersprechen.

(3) Die betroffene Person kann jederzeit verlangen, dass eine Erhebung von Daten nur erfolgt,

wenn jeweils in die einzelne Erhebung eingewilligt worden ist.

(4) Die betroffene Person ist auf diese Rechte hinzuweisen, auf das Widerspruchsrecht nach

Absatz 2 bei der Unterrichtung.

§ 214

Schlichtungsstelle

(1) Das Bundesministerium der Justiz kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der

Finanzen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministeri-

um für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz privatrechtlich organisierte Einrich-

tungen als Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten 1. bei Versi-

cherungsverträgen mit Verbrauchern im Sinn des § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. zwi-

schen Versicherungsvermittlern oder Versicherungsberatern und Versicherungsnehmern im

Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen anerkennen. Die Anerken-

nung ist im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen. Die

Beteiligten können diese Schlichtungsstelle anrufen; das Recht, die Gerichte anzurufen, bleibt

unberührt.

(2) Privatrechtlich organisierte Einrichtungen können als Schlichtungsstelle anerkannt werden,

wenn sie hinsichtlich ihrer Antworten und Vorschläge oder Entscheidungen unabhängig und

Page 265: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

264 Anhang

keinen Weisungen unterworfen sind und in organisatorischer und fachlicher Hinsicht die Auf-

gaben erfüllen können.

(3) Die anerkannten Schlichtungsstellen sind verpflichtet, jede Beschwerde über einen Versi-

cherer oder einen Versicherungsvermittler, Vermittler nach § 66 und Versicherungsberater zu

beantworten.

(4) Die anerkannten Schlichtungsstellen können von dem Versicherungsvermittler, Vermittler

nach § 66 oder Versicherungsberater ein Entgelt erheben. Bei offensichtlich missbräuchlichen

Beschwerden kann auch von dem Versicherungsnehmer ein Entgelt verlangt werden. Die Hö-

he des Entgeltes muss im Verhältnis zum Aufwand der anerkannten Schlichtungsstelle ange-

messen sein.

(5) Soweit keine privatrechtlich organisierte Einrichtung als Schlichtungsstelle anerkannt wird,

kann das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Fi-

nanzen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium

für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Aufgaben der Schlichtungsstelle

durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates einer Bundesoberbehörde oder

Bundesanstalt zuweisen und deren Verfahren sowie die Erhebung von Gebühren und Auslagen

regeln.

§ 215

Gerichtsstand

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das

Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhe-

bung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für

Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzu-

wenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versiche-

rungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem

Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im

Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

Artikel 2

Änderung des Einführungsgesetzes zu dem

Gesetz über den Versicherungsvertrag

Das Einführungsgesetz zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag in der im Bundesge-

setzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt

geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 25. Februar 2000 (BGBl. I S. 154), wird wie folgt

geändert:

1. Die Bezeichnung des Gesetzes wird wie folgt gefasst: „Einführungsgesetz zum Versiche-

rungsvertragsgesetz“.

2. Das Erste Kapitel wird wie folgt gefasst: „Erstes Kapitel

Übergangsvorschriften zum Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts

Page 266: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 265

Artikel 1

Altverträge, Allgemeine Versicherungsbedingungen

(1) Auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgeset-

zes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) am 1. Januar 2008 entstanden sind (Altverträ-

ge), ist das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis dahin geltenden Fassung bis zum

31. Dezember 2008 anzuwenden, soweit in Absatz 2 und den Artikeln 2 bis 6 nichts anderes

bestimmt ist.

(2) Ist bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten, ist in-

soweit das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden

Fassung weiter anzuwenden.

(3) Der Versicherer kann bis zum 1. Januar 2009 seine Allgemeinen Versicherungsbedingun-

gen für Altverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften

des Versicherungsvertragsgesetzes abweichen, und er dem Versicherungsnehmer die geänder-

ten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen

Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilt.

(4) Auf Fristen nach § 12 Abs. 3 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, die vor dem

1. Januar 2008 begonnen haben, ist § 12 Abs. 3 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag

auch nach dem 1. Januar 2008 anzuwenden.

Artikel 2

Vollmacht des Versicherungsvertreters, Krankenversicherung

Auf Altverträge sind die folgenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes bereits ab

1. Januar 2008 anzuwenden:

1. die §§ 69 bis 73 über die Vertretungsmacht des Versicherungsvertreters und der in § 73 er-

fassten Vermittler; 2. die §§ 192 bis 208 für die Krankenversicherung, wenn der Versicherer

dem Versicherungsnehmer die auf Grund dieser Vorschriften geänderten Allgemeinen Versi-

cherungsbedingungen und Tarifbestimmungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spä-

testens einen Monat vor dem Zeitpunkt in Textform mitgeteilt hat, zu dem die Änderungen

wirksam werden sollen.

Artikel 3

Verjährung

(1) § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auf Ansprüche anzuwenden, die am 1. Januar 2008

noch nicht verjährt sind.

(2) Wenn die Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs länger ist als die Frist

nach § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember

2007 geltenden Fassung, ist die Verjährung mit dem Ablauf der in § 12 Abs. 1 des Gesetzes

über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung be-

stimmten Frist vollendet.

(3) Wenn die Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kürzer ist als die Frist

nach § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember

Page 267: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

266 Anhang

2007 geltenden Fassung, wird die kürzere Frist vom 1. Januar 2008 an berechnet. Läuft jedoch

die längere Frist nach § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum

31. Dezember 2007 geltenden Fassung früher als die Frist nach § 195 des Bürgerlichen Ge-

setzbuchs ab, ist die Verjährung mit dem Ablauf der längeren Frist vollendet.

(4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend auf Fristen anzuwenden, die für die Geltendma-

chung oder den Erwerb oder Verlust eines Rechtes maßgebend sind.

Artikel 4

Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung

(1) § 153 des Versicherungsvertragsgesetzes ist auf Altverträge nicht anzuwenden, wenn eine

Überschussbeteiligung nicht vereinbart worden ist. Ist eine Überschussbeteiligung vereinbart,

ist § 153 des Versicherungsvertragsgesetzes ab dem 1. Januar 2008 auf Altverträge anzuwen-

den; vereinbarte Verteilungsgrundsätze gelten als angemessen.

(2) Auf Altverträge ist anstatt des § 169 des Versicherungsvertragsgesetzes, auch soweit auf

ihn verwiesen wird, § 176 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. De-

zember 2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

(3) Auf Altverträge über eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind die §§ 172, 174 bis 177 des

Versicherungsvertragsgesetzes nicht anzuwenden.

Artikel 5

Rechte der Gläubiger von Grundpfandrechten

(1) Rechte, die Gläubigern von Grundpfandrechten gegenüber dem Versicherer nach den §§

99 bis 107c des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007

geltenden Fassung zustehen, bestimmen sich auch nach dem 31. Dezember 2008 nach diesen

Vorschriften. Die Anmeldung eines Grundpfandrechts beim Versicherer kann nur bis zum

31. Dezember 2008 erklärt werden.

(2) Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und Reallasten, 1. die in der Zeit vom 1. Ja-

nuar 1943 bis zum 30. Juni 1994 zu Lasten von Grundstücken begründet worden sind, 2. für

die eine Gebäudeversicherung bei einer öffentlichen Anstalt unmittelbar kraft Gesetzes oder

infolge eines gesetzlichen Zwanges bei einer solchen Anstalt genommen worden ist und 3. die

nach der Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsver-

trag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1-1, veröffentlichten be-

reinigten Fassung als angemeldet im Sinn der §§ 99 bis 106 des Gesetzes über den Versiche-

rungsvertrag gelten, sind, wenn das Versicherungsverhältnis nach Überleitung in ein vertragli-

ches Versicherungsverhältnis auf Grund des Gesetzes zur Überleitung landesrechtlicher Ge-

bäudeversicherungsverhältnisse vom 22. Juli 1993 (BGBl. I S. 1282, 1286) fortbesteht, zur

Erhaltung der durch die Fiktion begründeten Rechte bis spätestens 31. Dezember 2008 beim

Versicherer anzumelden. Die durch die Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Geset-

zes über den Versicherungsvertrag begründete Fiktion erlischt mit Ablauf des 31. Dezember

2008.

Page 268: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 267

Artikel 6

Versicherungsverhältnisse nach § 190 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag

Das Versicherungsvertragsgesetz gilt nicht für die in § 190 des Gesetzes über den Versiche-

rungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung bezeichneten Altverträge.“

3. Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst: „Für einen Versicherungsvertrag über ein

Großrisiko können die Parteien das Recht eines anderen Staates wählen.“

Artikel 3

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl.

I S. 42, 2909, 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 20 des Gesetzes vom 23. Novem-

ber 2007 (BGBl. I S. 2614), wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 330 wie folgt gefasst:

„§ 330 Auslegungsregel bei Leibrentenvertrag“.

2. § 330 wird wie folgt geändert: a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

㤠330

Auslegungsregel bei Leibrentenvertrag“.

b) Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Wird in einem Leibrentenvertrag die Zahlung der Leibrente an einen Dritten vereinbart, ist im

Zweifel anzunehmen, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwerben soll, die Leistung zu for-

dern.“

Artikel 4

Änderung des Handelsgesetzbuchs

Der Zehnte Abschnitt des Fünften Buchs und § 905 des Handelgesetzbuchs in der im Bundes-

gesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zu-

letzt durch Artikel 30 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2614) geändert wor-

den ist, werden aufgehoben.

Artikel 5

Änderung des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch

Das Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-

rungsnummer 4101-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 6

des Gesetzes vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 10), wird wie folgt geändert:

1. Nach dem Siebenten Abschnitt wird folgender Achter Abschnitt eingefügt:

„Achter Abschnitt

Übergangsvorschrift zum Handelsrechtsreformgesetz

Page 269: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

268 Anhang

Artikel 38

Hat die Änderung der Firma eines Einzelkaufmanns oder einer Personenhandelsgesellschaft

ausschließlich die Aufnahme der nach § 19 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs in der ab dem

1. Juli 1998 geltenden Fassung vorgeschriebenen Bezeichnung zum Gegenstand, bedarf diese

Änderung nicht der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister.“

2. Folgender Sechsundzwanzigster Abschnitt wird angefügt:

„Sechsundzwanzigster Abschnitt

Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts

Artikel 63

Der Zehnte Abschnitt des Fünften Buchs und § 905 des Handelsgesetzbuchs sind auf Versi-

cherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes vom

23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) am 1. Januar 2008 entstanden sind, bis zum 31. De-

zember 2008 anzuwenden.“

Artikel 6

Änderung der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung

Die Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung vom 8. November 1994

(BGBl. I S. 3378), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 29. Mai 2006 (BGBl. I S.

1278), wird wie folgt geändert:

1. In § 31 Abs. 1 Nr. 1 wird die Angabe „§ 68 Abs. 1 bis 3“ durch die Angabe „§ 80“ ersetzt.

2. § 54 wird wie folgt gefasst: „§54 Zeitwert der Kapitalanlagen Für zum Anschaffungswert

oder zum Nennwert ausgewiesene Kapitalanlagen ist im Anhang jeweils der Zeitwert an-

zugeben. Die Ermittlung des Zeitwerts erfolgt 1. für Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte

und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken nach § 55 sowie 2. für die

übrigen Kapitalanlagen nach § 56. Zudem sind die Gesamtsumme der Anschaffungskosten der

in die Überschussbeteiligung einzubeziehenden Kapitalanlagen, die Gesamtsumme des beizu-

legenden Zeitwerts selbiger Kapitalanlagen und der sich daraus ergebende Saldo anzugeben.“

3. Dem § 64 wird folgender Absatz 9 angefügt: „(9) § 54 in der vom 1. Januar 2008 an gelten-

den Fassung ist erstmals auf den Jahresabschluss für das nach dem 31. Dezember 2006 begin-

nende Geschäftsjahr anzuwenden.“

Artikel 7

Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes

Das Versicherungsaufsichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember

1992 (BGBl. 1993 I S. 2), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Mai 2007

(BGBl. I S. 923), wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Die Angabe zu § 10 a wird wie folgt gefasst:

„§ 10a Mehrere Anträge; Information bei betrieblicher Altersversorgung und bei Krankenver-

sicherung“.

Page 270: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 269

b) Die Angabe zu § 11 b wird wie folgt gefasst:

„§ 11b Treuhänder in der Lebensversicherung“.

c) Die Angabe zu § 85 a wird wie folgt gefasst:

„§ 85a Information über Geschäftstätigkeit im Ausland“.

d) Die Angabe zu Anlage D wird wie folgt gefasst:

„D. Informationen bei betrieblicher Altersvorsorge“.

2. In § 8 Abs. 1 Satz 1 werden der Punkt am Satzende durch ein Komma ersetzt und folgende

Nummer 4 angefügt:

„4. im Fall des Betriebs der Krankenversicherung Tatsachen vorliegen, welche die Annahme

rechtfertigen, dass das Versicherungsunternehmen Tarife einführen wird, die im Sinn des §

204 des Versicherungsvertragsgesetzes einen gleichartigen Versicherungsschutz gewähren wie

die Tarife eines anderen mit ihm konzernmäßig verbundenen Versicherungsunternehmens, so-

fern durch die Einführung solcher Tarife die Belange der Versicherten nicht ausreichend ge-

wahrt werden.“

3. In § 10 Abs. 3 werden die Wörter „Artikel 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zu dem Ge-

setz über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 des Einfüh-

rungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz“ ersetzt.

4. § 10a wird wie folgt gefasst:

㤠10a

Mehrere Anträge; Information bei betrieblicher Altersversorgung und bei Krankenversiche-

rung

(1) Antragsvordrucke dürfen nur so viele Anträge auf Abschluss rechtlich selbständiger Versi-

cherungsverträge enthalten, dass die Übersichtlichkeit, Lesbarkeit und Verständlichkeit nicht

beeinträchtigt werden. Der Antragsteller ist schriftlich und unter besonderer Hervorhebung auf

die rechtliche Selbständigkeit der beantragten Verträge einschließlich der für sie vorgesehenen

Versicherungsbedingungen sowie auf die jeweils geltenden Antragsbindungsfristen und Ver-

tragslaufzeiten hinzuweisen.

(2) Lebensversicherungen und Pensionskassen, soweit sie Leistungen der betrieblichen Alters-

versorgung erbringen, haben die Versorgungsanwärter und Versorgungsempfänger, die nicht

zugleich Versicherungsnehmer sind, nach Maßgabe der Anlage D zu informieren.

(3) Vor Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags ist von dem Interessenten der

Empfang eines amtlichen Informationsblattes der Bundesanstalt zu bestätigen, welches über

die verschiedenen Prinzipien der gesetzlichen sowie der privaten Krankenversicherung auf-

klärt.“

5. § 11b wird wie folgt gefasst:

„§11b

Treuhänder in der Lebensversicherung

Soweit bei den nach dem 28. Juli 1994 geschlossenen Lebensversicherungsverträgen die Prä-

mien mit Wirkung für bestehende Versicherungsverträge geändert werden können, dürfen ent-

sprechende Änderungen erst in Kraft gesetzt werden, nachdem ihnen ein unabhängiger Treu-

Page 271: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

270 Anhang

händer zugestimmt hat. Für den Treuhänder gilt § 12b Abs. 3 und 4 entsprechend. Die Mitwir-

kung des Treuhänders entfällt, wenn Änderungen nach Satz 1 der Genehmigung der Auf-

sichtsbehörde bedürfen.“

6. § 12 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 wird der Satzteil vor Nummer 1 wie folgt ge-

fasst:

„Soweit die Krankenversicherung ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversiche-

rungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann (substitu-

tive Krankenversicherung), darf sie im Inland vorbehaltlich des Absatzes 6 nur nach Art der

Lebensversicherung betrieben werden, wobei“.

b) Absatz 4a Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Für Versicherungen mit befristeten Vertragslaufzeiten nach § 195 Abs. 2 und 3 des Versiche-

rungsvertragsgesetzes sowie bei Tarifen, die regelmäßig spätestens mit Vollendung des 65.

Lebensjahres enden, gilt Satz 1 nicht.“

c) Folgender Absatz 6 wird angefügt:

„(6) Substitutive Krankenversicherungen mit befristeten Vertragslaufzeiten nach § 195 Abs. 2

und 3 sowie § 196 des Versicherungsvertragsgesetzes können ohne Alterungsrückstellung kal-

kuliert werden.“

7. § 12b wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 2 Satz 4 werden die Wörter „dies hätte erkennen müssen“ durch die Wörter „dies

insbesondere anhand der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren statistischen Kalkulationsgrundla-

gen hätte erkennen müssen“ ersetzt.

b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

„(2a) Das Versicherungsunternehmen hat für jeden nach Art der Lebensversicherung kalku-

lierten Tarif jährlich die erforderlichen mit den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten durch

Betrachtung von Barwerten zu vergleichen. Ergibt die der Aufsichtsbehörde und dem Treu-

händer vorzulegende Gegenüberstellung für einen Tarif eine Abweichung von mehr als 5 vom

Hundert, hat das Unternehmen alle Prämien dieses Tarifs zu überprüfen und mit Zustimmung

des Treuhänders anzupassen. Absatz 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.“

c) In Absatz 5 wird die Angabe „§ 178g Abs. 3“ durch die Angabe „§ 203 Abs. 3“ ersetzt.

8. § 12c wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 werden der Punkt durch ein

Komma ersetzt und folgende Nummer 5 angefügt:

„5. das Verfahren zur Gegenüberstellung der kalkulierten mit den zuletzt veröffentlichten

Sterbewahrscheinlichkeiten nach § 12b Abs. 2a Satz 1 und 2 sowie die Frist für die Vorlage

der Gegenüberstellung an die Aufsichtsbehörde und den Treuhänder festzulegen.“

b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1und2sindimEinvernehmenmit dem Bundesmi-

nisterium der Justiz zu erlassen.“

9. Die Überschrift des § 85a wird wie folgt gefasst: „§ 85a Information über Geschäftstätigkeit

im Ausland“.

10. In § 110a Abs. 4 Nr. 2 werden die Wörter „§§ 10 und 10a mit der Maßgabe, dass in der

Verbraucherinformation nach Anlage D Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe h auch die Anschrift einer

Page 272: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 271

sonstigen Stelle anzugeben ist, an die sich der Versicherungsnehmer bei Beschwerden über

den Versicherer nach dem ausländischen Recht wenden kann, §§“ durch die Wörter „die

§§ 10, 10a,“ ersetzt.

11. In § 111 Abs. 2 werden die Wörter „des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über den Ver-

sicherungsvertrag“ durch die Wörter „Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsver-

tragsgesetz“ ersetzt.

12. In § 113 Abs. 2 Nr. 4 wird die Angabe „Abschnitt III“ gestrichen.

13. In § 118e Abs. 5 Satz 3 wird die Angabe „Abschnitt III“ gestrichen.

14. Die Anlage D wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

„Informationen bei betrieblicher Altersvorsorge“.

b) Die Abschnitte I und II werden aufgehoben sowie die Angabe „Abschnitt III“ gestrichen.

Artikel 8

Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes

Das Pflichtversicherungsgesetz vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), zuletzt geändert durch

Artikel 296 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), wird wie folgt geändert:

1. § 2 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) In Satz 3 werden die Wörter „des Sechsten Titels des

Zweiten Abschnitts des Gesetzes über den Versicherungsvertrag und des § 3“ durch die Wör-

ter „der §§ 100 bis 124 des Versicherungsvertragsgesetzes sowie der §§ 3 und 3b“ ersetzt.

b) In Satz 4 werden die Wörter „des § 3 Nr. 9 bis 11“ durch die Wörter „der §§ 116 und 124

des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

2. § 3 wird wie folgt gefasst:

„§3 Ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet,

weil das Fahrzeug den Bau- und Betriebsvorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-

Ordnung nicht entsprach oder von einem unberechtigten Fahrer oder von einem Fahrer ohne

die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt wurde, kann der Versicherer den Dritten abwei-

chend von § 117 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes nicht auf die Möglichkeit

verweisen, Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem

Sozialversicherungsträger zu erlangen. Soweit der Dritte jedochvoneinem nach§2Abs. 1Nr.

1bis 5von der Versicherungspflicht befreiten Fahrzeughalter Ersatz seines Schadens erlangen

kann, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers.“

3. In § 3a Satz 1 wird die Angabe „§3Nr.1“ durch die Wörter „§ 115 Abs.1 des Versiche-

rungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

4. Nach § 3a wird folgender § 3b eingefügt:

„§3b

Schließt der Erwerber eines veräußerten Fahrzeugs eine neue Kraftfahrzeug-

Haftpflichtversicherung, ohne das auf ihn übergegangene Versicherungsverhältnis zu kündi-

gen, gilt dieses mit Beginn des neuen Versicherungsverhältnisses als gekündigt.“

Page 273: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

272 Anhang

5. In § 4 Abs. 2 Satz 3 wird die Angabe „§3 Nr.4 und 5“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 1 und 2

des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

Artikel 9

Änderung weiterer Rechtsvorschriften

(1) § 94 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember

2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 24. Oktober 2007

(BGBl. I S. 2510) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In Absatz 2 werden die Wörter „§§ 158c bis 158k des Gesetzes über den Versicherungsver-

trag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 30. Juni 1967

(BGBl. I S. 609)“ durch die Wörter „§ 113 Abs. 3 und die §§ 114 bis 124 des Versicherungs-

vertragsgesetzes“ ersetzt.

2. In Absatz 3 Satz 2 werden die Wörter „§§ 158c bis 158k des Gesetzes über den Versiche-

rungsvertrag“ durch die Wörter „§ 113 Abs. 3 und die §§ 114 bis 124 des Versicherungsver-

tragsgesetzes“ ersetzt.

3. In Absatz 4 werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“

durch die Wörter „§ 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

(2) In § 19a Abs. 5 der Bundesnotarordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-

rungsnummer 303-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 3 des Ge-

setzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358) geändert worden ist, werden die Wörter „§ 158c

Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§117 Abs. 2 des Ver-

sicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

(3) In § 51 Abs. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Glie-

derungsnummer 303-8, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 1 des

Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358) geändert worden ist, werden die Wörter

„§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2

des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

(4) Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der im Bundesge-

setzblatt Teil III, Gliederungsnummer 315-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt ge-

ändert durch Artikel 2 Abs. 13 des Gesetzes vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), wird wie

folgt geändert:

1. In § 145 Abs. 2 wird die Angabe „ ,§ 884 Nr. 4“ gestrichen.

2. In § 146 Abs. 3 wird die Angabe „und § 884 Nr. 4“ gestrichen.

(5) In § 20 Abs. 1 Nr. 5 des Umwelthaftungsgesetzes vom 10. Dezember 1990 (BGBl. I S.

2634), das zuletzt durch Artikel 129 des Gesetzes vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866) geän-

dert worden ist, werden jeweils die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versiche-

rungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

(6) § 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über die Verjährung von deutschen Auslandsschulden und

ähnlichen Schulden in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 401-5, veröf-

fentlichten bereinigten Fassung wird gestrichen.

(7) In § 45 Abs. 7 der Patentanwaltsordnung vom 7. September 1966 (BGBl. I S. 557), die zu-

letzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358) geändert worden ist,

Page 274: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 273

werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die

Wörter „§117 Abs. 2des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

(8) In § 25 Abs. 2 Satz 2 und § 67 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes in der Fassung der Be-

kanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl. I S. 2735), das zuletzt durch Artikel 25 des Ge-

setzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416) geändert worden ist, werden die Wörter

„§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2

des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

(9) In § 54 Abs. 1 Satz 3 der Wirtschaftsprüferordnung in der Fassung der Bekanntmachung

vom 5. November 1975 (BGBl. I S. 2803), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom

3. September 2007 (BGBl. I S. 2178) geändert worden ist, werden die Wörter „§ 158c Abs. 2

des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§117 Abs. 2des Versiche-

rungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

(10) In § 6 Abs. 3 der Bewachungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.

Juli 2003 (BGBl. I S. 1378), die zuletzt durch Artikel 84 des Gesetzes vom 21. Juni 2005

(BGBl. I S. 1818) geändert worden ist, wird die Angabe „§ 158c Abs. 2“ durch die Angabe

„§ 117 Abs. 2“ ersetzt.

(11) Das Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I

S. 1565), zuletzt geändert durch Artikel 161 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I

S. 2407), wird wie folgt geändert:

1. § 14 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Wird die Deckungsvorsorge bei Anlagen und Tätigkeiten, bei denen eine Haftung nach

dem Pariser Übereinkommen in Verbindung mit § 25 Abs. 1 bis 4, nach § 25a, nach einem der

in § 25a Abs. 2 genannten internationalen Verträge oder nach § 26 Abs. 1 in Verbindung mit

Abs. 1a in Betracht kommt, durch eine Haftpflichtversicherung erbracht, gelten für diese, ohne

dass ein Direktanspruch im Sinn von § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes begründet wird,

die §§ 117 und 119 bis 122 des Versicherungsvertragsgesetzes entsprechend mit der Maßgabe,

dass die Frist des § 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes zwei Monate beträgt und ihr

Ablauf bei der Haftung für die Beförderung von Kernmaterialien und radioaktiven Stoffen, die

ihnen nach § 26 Abs. 1a gleichgestellt sind, für die Dauer der Beförderung gehemmt ist; bei

Anwendung des § 117 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes bleibt die Freistel-

lungsverpflichtung nach § 34 außer Betracht. § 109 des Versicherungsvertragsgesetzes ist

nicht anzuwenden.“

2. § 34 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Im Übrigen finden auf die Freistellungsverpflichtung die §§ 83 und 87 und die Vorschrif-

ten des Teils 2 Kapitel 1 des Versicherungsvertragsgesetzes mit Ausnahme der §§ 103 und 118

entsprechende Anwendung, ohne dass gegen den zur Freistellung Verpflichteten ein Direktan-

spruch im Sinn von § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes begründet wird.“

(12) In § 5 Abs. 4 der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung vom 25. Januar 1977

(BGBl. S. 220), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. August 2005 (BGBl. I

S. 2365, 2976) geändert worden ist, werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den

Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ er-

setzt.

(13) In § 6 Abs. 1 Satz 6 der Verordnung über die Lebens- und Rentenversicherung aus Anlass

der Neuordnung des Geldwesens in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer

Page 275: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

274 Anhang

7602-6-a, veröffentlichten bereinigten Fassung werden die Wörter „§§ 39, 189 des Gesetzes

über den Versicherungsvertrag sinngemäß“ durch die Wörter „§§ 38, 211 des Versicherungs-

vertragsgesetzes entsprechend“ ersetzt.

(14) In §4 Satz 1 der Zweiten Verordnung über die Schadens-, Unfall- und Krankenversiche-

rung aus Anlass der Neuordnung des Geldwesens in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-

rungsnummer 7602-7-2-a, veröffentlichten bereinigten Fassung werden die Wörter „§ 51 des

Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 74 des Versicherungsvertrags-

gesetzes“ ersetzt.

(15) In § 9 Abs. 4 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes in der Fassung der Bekanntma-

chung vom 4. März 1994 (BGBl. I S. 406), das zuletzt durch Artikel 13a Nr. 4 des Gesetzes

vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330) geändert worden ist, werden die Angabe „§ 176“ durch

die Angabe „§ 169“ und die Angabe „§174“ durch die Angabe „§ 165“ ersetzt.

(16) Das Betriebsrentengesetz vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3610), zuletzt geändert

durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554), wird wie folgt geändert:

1. § 2 Abs. 2 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 4 werden die Wörter „§ 176 Abs. 3 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag be-

rechneten Zeitwerts“ durch die Wörter „§ 169 Abs. 3 und 4 des Versicherungsvertragsgesetzes

berechneten Wertes“ ersetzt.

b) In Satz 6 werden die Wörter „§ 176 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“

durch die Wörter „§ 169 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

2. In § 7 Abs. 1 Satz 3 wird die Angabe „§11“ durch die Angabe „§14“ ersetzt.

(17) § 10 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Aufhebung des Hilfskassengesetzes in der im

Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 8230-1, veröffentlichten bereinigten Fassung

wird aufgehoben.

(18) § 9 Abs. 2 Nr. 1 der Signaturverordnung vom 16. November 2001 (BGBl. I S. 3074), die

durch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. Januar 2005 (BGBl. I S. 2) geändert worden ist, wird wie

folgt geändert:

1. In Satz 1 werden die Wörter „§ 158b Abs. 2 und die §§ 158c bis 158k des Gesetzes über den

Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 113 Abs. 2 und 3 und die §§ 114 bis 124 des Ver-

sicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.

2. Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Zuständige Behörde nach § 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes ist die Behörde

nach § 116 des Telekommunikationsgesetzes.“

(19) In § 3 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 der Eisenbahnhaftpflichtversicherungsverordnung

vom 21. Dezember 1995 (BGBl. I S. 2101), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom

3. August 2005 (BGBl. I S. 2270, 2420) geändert worden ist, wird jeweils die Angabe „§ 158c

Abs. 2 Satz 1“ durch die Angabe „§117 Abs. 2 Satz 1“ ersetzt.

(20) In § 43 Abs. 3 und § 50 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntma-

chung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698), das durch Artikel 2 des Gesetzes vom 1. Juni 2007

(BGBl. I S. 986) geändert worden ist, werden jeweils 1. das Wort „besonderen“ gestrichen und

die Wörter „Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch das Wort „Versicherungsver-

Page 276: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 275

tragsgesetzes“ ersetzt und 2. folgender Satz angefügt: „§ 114 des Versicherungsvertragsgeset-

zes gilt nicht.“

(21) § 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1

des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 28

Abs. 4 des Gesetzes vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist, wird wie

folgt geändert:

1. Absatz 9 wird aufgehoben.

2. Absatz 10 wird Absatz 9 und ihm wird folgender Satz angefügt: „Die vorstehenden Rege-

lungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten

Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.“

Artikel 10

Artikel 43 des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378), das

zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1595) geändert worden ist,

wird aufgehoben.

Artikel 11

(1) Kapitel 8 des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631)

wird wie folgt gefasst:

„Kapitel 8 Krankenversicherung

§ 192

Vertragstypische Leistungen des Versicherers

(1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten

Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit

oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solcher bei

Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früher-

kennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten.

(2) Der Versicherer ist zur Leistung nach Absatz 1 insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwen-

dungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis

zu den erbrachten Leistungen stehen.

(3) Als Inhalt der Krankheitskostenversicherung können zusätzliche Dienstleistungen, die in

unmittelbarem Zusammenhang mit Leistungen nach Absatz 1 stehen, vereinbart werden, ins-

besondere 1. die Beratung über Leistungen nach Absatz 1 sowie über die Anbieter solcher

Leistungen; 2. die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von

Leistungen nach Absatz 1; 3. die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von

Leistungen nach Absatz 1; 4. die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchset-

zung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Erbringung der Leistungen nach Absatz 1 und der

sich hieraus ergebenden Folgen; 5. die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach Absatz 1

mit deren Erbringern.

(4) Bei der Krankenhaustagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei medizinisch

notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten.

Page 277: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

276 Anhang

(5) Bei der Krankentagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den als Folge von

Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das ver-

einbarte Krankentagegeld zu ersetzen.

(6) Bei der Pflegekrankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebe-

dürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person

zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetage-

geldversicherung). Absatz 2 gilt für die Pflegekostenversicherung entsprechend. Die Regelun-

gen des Elften Buches Sozialgesetzbuch über die private Pflegeversicherung bleiben unbe-

rührt.

(7) Bei der Krankheitskostenversicherung im Basistarif nach § 12 des Versicherungsaufsichts-

gesetzes kann der Leistungserbringer seinen Anspruch auf Leistungserstattung auch gegen den

Versicherer geltend machen, soweit der Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis zur

Leistung verpflichtet ist. Im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versiche-

rungsverhältnis haften Versicherer und Versicherungsnehmer gesamtschuldnerisch.

§ 193

Versicherte Person; Versicherungspflicht

(1) Die Krankenversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines ande-

ren genommen werden. Versicherte Person ist die Person, auf welche die Versicherung ge-

nommen wird.

(2) Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von

rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren

Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen.

(3) Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Ge-

schäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr

gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine

Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und sta-

tionäre Heilbehandlung umfasst und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen verein-

barten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehand-

lung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjähr-

lich 5 000 Euro begrenzt ist, abzuschließen und aufrechtzuerhalten; für Beihilfeberechtigte

ergeben sich die möglichen Selbstbehalte durch eine sinngemäße Anwendung des durch den

Beihilfesatz nicht gedeckten Vom-Hundert-Anteils auf den Höchstbetrag von 5 000 Euro.

Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die 1. in der gesetzlichen Krankenversi-

cherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder 2. Anspruch auf freie Heilfürsorge

haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweili-

gen Berechtigung oder 3. Anspruch auf Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsge-

setzes haben oder 4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten

und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leis-

tungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als

einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat. Ein vor dem

1. April 2007 vereinbarter Krankheitskostenversicherungsvertrag genügt den Anforderungen

des Satzes 1.

(4) Wird der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Pflicht nach Absatz

3 Satz 1 beantragt, ist ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dieser beträgt einen Monatsbeitrag

für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung, ab dem sechsten Monat der

Page 278: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 277

Nichtversicherung für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechstel

eines Monatsbeitrags. Kann die Dauer der Nichtversicherung nicht ermittelt werden, ist davon

auszugehen, dass der Versicherte mindestens fünf Jahre nicht versichert war. Der Prämienzu-

schlag ist einmalig zusätzlich zur laufenden Prämie zu entrichten. Der Versicherungsnehmer

kann vom Versicherer die Stundung des Prämienzuschlages verlangen, wenn ihn die sofortige

Zahlung ungewöhnlich hart treffen würde und den Interessen des Versicherers durch die Ver-

einbarung einer angemessenen Ratenzahlung Rechnung getragen werden kann. Der gestundete

Betrag ist zu verzinsen.

(5) Der Versicherer ist verpflichtet,

1. allen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten

a) innerhalb von sechs Monaten nach Einführung des Basistarifes,

b) innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der im Fünften Buch Sozialgesetzbuch vorgese-

henen Wechselmöglichkeit im Rahmen ihres freiwilligen Versicherungsverhältnisses,

2. allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversiche-

rung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach Nummer 1 oder Absatz 3 Satz

2 Nr. 3 und 4 gehören und die nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit ei-

nem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart

haben, die der Pflicht nach Absatz 3 genügt,

3. Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben, soweit sie zur

Erfüllung der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 ergänzenden Versicherungsschutz benötigen,

4. allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die eine private Krankheitskostenversicherung

im Sinn des Absatzes 3 mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versi-

cherungsunternehmen vereinbart haben und deren Vertrag nach dem 31. Dezember 2008 abge-

schlossen wird, Versicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1a des Versicherungsaufsichtsge-

setzes zu gewähren. Ist der private Krankheitskostenversicherungsvertrag vor dem 1. Januar

2009 abgeschlossen, kann bei Wechsel oder Kündigung des Vertrags der Abschluss eines Ver-

trags im Basistarif beim eigenen oder einem anderen Versicherungsunternehmen unter Mit-

nahme der Alterungsrückstellungen gemäß § 204 Abs. 1 nur bis zum 30. Juni 2009 verlangt

werden. Der Antrag muss bereits dann angenommen werden, wenn bei einer Kündigung eines

Vertrags bei einem anderen Versicherer die Kündigung nach § 205 Abs. 1 Satz 1 noch nicht

wirksam geworden ist. Der Antrag darf nur abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits

bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer 1. den Versicherungsvertrag wegen

Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder 2. vom Versicherungsvertrag wegen

einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist.

(6) Ist der Versicherungsnehmer in einer der Pflicht nach Absatz 3 genügenden Versicherung

mit einem Betrag in Höhe von Prämienanteilen für zwei Monate im Rückstand, hat ihn der

Versicherer zu mahnen. Ist der Rückstand zwei Wochen nach Zugang der Mahnung noch hö-

her als der Prämienanteil für einen Monat, stellt der Versicherer das Ruhen der Leistungen

fest. Das Ruhen tritt drei Tage nach Zugang dieser Mitteilung beim Versicherungsnehmer ein.

Voraussetzung ist, dass der Versicherungsnehmer in der Mahnung nach Satz 1 auf diese Folge

hingewiesen worden ist. Das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des

Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die

versicherte Person hilfebedürftig im Sinn des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

wird; die Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Berechtigten vom zuständigen Träger nach dem

Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen. Während der Ruhenszeit

Page 279: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

278 Anhang

haftet der Versicherer ausschließlich für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkran-

kungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind.

Angaben zum Ruhen des Anspruchs kann der Versicherer auf einer elektronischen Gesund-

heitskarte nach § 291a Abs. 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vermerken. Darüber hin-

aus hat der Versicherungsnehmer für jeden angefangenen Monat des Rückstandes an Stelle

von Verzugszinsen einen Säumniszuschlag von 1 vom Hundert des Beitragsrückstandes zu

entrichten. Sind die ausstehenden Beitragsanteile, Säumniszuschläge und Beitreibungskosten

nicht innerhalb eines Jahres nach Beginn des Ruhens vollständig bezahlt, so wird die Versi-

cherung im Basistarif fortgesetzt. Satz 6 bleibt unberührt.

(7) Bei einer Versicherung im Basistarif nach § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann

das Versicherungsunternehmen verlangen, dass Zusatzversicherungen ruhen, wenn und solan-

ge ein Versicherter auf die Halbierung des Beitrags nach § 12 Abs. 1c des Versicherungsauf-

sichtsgesetzes angewiesen ist.

§ 194

Anzuwendende Vorschriften

(1) Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt

wird, sind die §§ 74 bis 80 und 82 bis 87 anzuwenden. Die §§ 23 bis 27 und 29 sind auf die

Krankenversicherung nicht anzuwenden. § 19 Abs. 4 ist auf die Krankenversicherung nicht

anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu ver-

treten hat. Abweichend von § 21 Abs. 3 Satz 1 beläuft sich die Frist für die Geltendmachung

der Rechte des Versicherers auf drei Jahre.

(2) Steht dem Versicherungsnehmer oder einer versicherten Person ein Anspruch auf Rück-

zahlung ohne rechtlichen Grund gezahlter Entgelte gegen den Erbringer von Leistungen zu,

für die der Versicherer auf Grund des Versicherungsvertrags Erstattungsleistungen erbracht

hat, ist § 86 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Die §§ 43 bis 48 sind auf die Krankenversicherung mit der Maßgabe anzuwenden, dass

ausschließlich die versicherte Person die Versicherungsleistung verlangen kann, wenn der

Versicherungsnehmer sie gegenüber dem Versicherer in Textform als Empfangsberechtigten

der Versicherungsleistung benannt hat; die Benennung kann widerruflich oder unwiderruflich

erfolgen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, kann nur der Versicherungsnehmer die Versi-

cherungsleistung verlangen. Einer Vorlage des Versicherungsscheins bedarf es nicht.

§ 195

Versicherungsdauer

(1) Die Krankenversicherung, die ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversiche-

rungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann (substitu-

tive Krankenversicherung), ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und der §§ 196 und 199 un-

befristet. Wird die nicht substitutive Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung

betrieben, gilt Satz 1 entsprechend.

(2) Bei Ausbildungs-, Auslands-, Reise- und Restschuldkrankenversicherungen können Ver-

tragslaufzeiten vereinbart werden.

(3) Bei der Krankenversicherung einer Person mit befristetem Aufenthaltstitel für das Inland

kann vereinbart werden, dass sie spätestens nach fünf Jahren endet. Ist eine kürzere Laufzeit

vereinbart, kann ein gleichartiger neuer Vertrag nur mit einer Höchstlaufzeit geschlossen wer-

Page 280: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 279

den, die unter Einschluss der Laufzeit des abgelaufenen Vertrags fünf Jahre nicht überschrei-

tet; dies gilt auch, wenn der neue Vertrag mit einem anderen Versicherer geschlossen wird.

§ 196

Befristung der Krankentagegeldversicherung

(1) Bei der Krankentagegeldversicherung kann vereinbart werden, dass die Versicherung mit

Vollendung des 65. Lebensjahres der versicherten Person endet. Der Versicherungsnehmer

kann in diesem Fall vom Versicherer verlangen, dass dieser den Antrag auf Abschluss einer

mit Vollendung des 65. Lebensjahres beginnenden neuen Krankentagegeldversicherung an-

nimmt, die spätestens mit Vollendung des 70. Lebensjahres endet. Auf dieses Recht hat der

Versicherer ihn frühestens sechs Monate vor dem Ende der Versicherung unter Beifügung des

Wortlauts dieser Vorschrift in Textform hinzuweisen. Wird der Antrag bis zum Ablauf von

zwei Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres gestellt, hat der Versicherer den Versi-

cherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren, soweit der Versicherungs-

schutz nicht höher oder umfassender ist als im bisherigen Tarif.

(2) Hat der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht nach Absatz 1 Satz 3 auf das Ende der

Versicherung hingewiesen und wird der Antrag vor Vollendung des 66. Lebensjahres gestellt,

gilt Absatz 1 Satz 4 entsprechend, wobei die Versicherung mit Zugang des Antrags beim Ver-

sicherer beginnt. Ist der Versicherungsfall schon vor Zugang des Antrags eingetreten, ist der

Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.

(3) Absatz 1 Satz 2 und 4 gilt entsprechend, wenn in unmittelbarem Anschluss an eine Versi-

cherung nach Absatz 1 Satz 4 oder Absatz 2 Satz 1 eine neue Krankentagegeldversicherung

beantragt wird, die spätestens mit Vollendung des 75. Lebensjahres endet.

(4) Die Vertragsparteien können ein späteres Lebensjahr als in den vorstehenden Absätzen

festgelegt vereinbaren.

§ 197

Wartezeiten

(1) Soweit Wartezeiten vereinbart werden, dürfen diese in der Krankheitskosten-, Kranken-

haustagegeld- und Krankentagegeldversicherung als allgemeine Wartezeit drei Monate und als

besondere Wartezeit für Entbindung, Psychotherapie, Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kie-

ferorthopädie acht Monate nicht überschreiten. Bei der Pflegekrankenversicherung darf die

Wartezeit drei Jahre nicht überschreiten.

(2) Personen, die aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheiden oder die aus einem

anderen Vertrag über eine Krankheitskostenversicherung ausgeschieden sind, ist die dort un-

unterbrochen zurückgelegte Versicherungszeit auf die Wartezeit anzurechnen, sofern die Ver-

sicherung spätestens zwei Monate nach Beendigung der Vorversicherung zum unmittelbaren

Anschluss daran beantragt wird. Dies gilt auch für Personen, die aus einem öffentlichen

Dienstverhältnis mit Anspruch auf Heilfürsorge ausscheiden.

§ 198

Kindernachversicherung

(1) Besteht am Tag der Geburt für mindestens einen Elternteil eine Krankenversicherung, ist

der Versicherer verpflichtet, dessen neugeborenes Kind ab Vollendung der Geburt ohne Risi-

kozuschläge und Wartezeiten zu versichern, wenn die Anmeldung zur Versicherung spätestens

zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend erfolgt. Diese Verpflichtung besteht nur

Page 281: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

280 Anhang

insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz des Neugeborenen nicht höher und nicht um-

fassender als der des versicherten Elternteils ist.

(2) Der Geburt eines Kindes steht die Adoption gleich, sofern das Kind im Zeitpunkt der A-

doption noch minderjährig ist. Besteht eine höhere Gefahr, ist die Vereinbarung eines Risiko-

zuschlags höchstens bis zur einfachen Prämienhöhe zulässig.

(3) Als Voraussetzung für die Versicherung des Neugeborenen oder des Adoptivkindes kann

eine Mindestversicherungsdauer des Elternteils vereinbart werden. Diese darf drei Monate

nicht übersteigen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für die Auslands- und die Reisekrankenversicherung nicht, so-

weit für das Neugeborene oder für das Adoptivkind anderweitiger privater oder gesetzlicher

Krankenversicherungsschutz im Inland oder Ausland besteht.

§ 199

Beihilfeempfänger

(1) Bei der Krankheitskostenversicherung einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe

nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes kann vereinbart werden, dass sie mit der Ver-

setzung der versicherten Person in den Ruhestand im Umfang der Erhöhung des Beihilfebe-

messungssatzes endet.

(2) Ändert sich bei einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen

des öffentlichen Dienstes der Beihilfebemessungssatz oder entfällt der Beihilfeanspruch, hat

der Versicherungsnehmer Anspruch darauf, dass der Versicherer den Versicherungsschutz im

Rahmen der bestehenden Krankheitskostentarife so anpasst, dass dadurch der veränderte Bei-

hilfebemessungssatz oder der weggefallene Beihilfeanspruch ausgeglichen wird. Wird der An-

trag innerhalb von sechs Monaten nach der Änderung gestellt, hat der Versicherer den ange-

passten Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren.

(3) Absatz 2 gilt nicht bei Gewährung von Versicherung im Basistarif.

§ 200

Bereicherungsverbot

Hat die versicherte Person wegen desselben Versicherungsfalles einen Anspruch gegen mehre-

re Erstattungsverpflichtete, darf die Gesamterstattung die Gesamtaufwendungen nicht über-

steigen.

§ 201

Herbeiführung des Versicherungsfalles

Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer oder die

versicherte Person vorsätzlich die Krankheit oder den Unfall bei sich selbst herbeiführt.

§ 202

Auskunftspflicht des Versicherers; Schadensermittlungskosten

Der Versicherer ist verpflichtet, auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder der versicher-

ten Person einem von ihnen benannten Arzt oder Rechtsanwalt Auskunft über und Einsicht in

Gutachten oder Stellungnahmen zu geben, die er bei der Prüfung seiner Leistungspflicht über

die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung eingeholt hat. Der Auskunftsanspruch

kann nur von der jeweils betroffenen Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter geltend ge-

Page 282: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 281

macht werden. Hat der Versicherungsnehmer das Gutachten oder die Stellungnahme auf Ver-

anlassung des Versicherers eingeholt, hat der Versicherer die entstandenen Kosten zu erstat-

ten.

§ 203

Prämien- und Bedingungsanpassung

(1) Bei einer Krankenversicherung, bei der die Prämie nach Art der Lebensversicherung be-

rechnet wird, kann der Versicherer nur die entsprechend den technischen Berechnungsgrund-

lagen nach den §§ 12, 12a und 12e in Verbindung mit § 12c des Versicherungsaufsichtsgeset-

zes zu berechnende Prämie verlangen. Außer bei Verträgen im Basistarif nach § 12 des Versi-

cherungsaufsichtsgesetzes kann der Versicherer mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko einen

angemessenen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss vereinbaren. Im Basistarif ist

eine Risikoprüfung nur zulässig, soweit sie für Zwecke des Risikoausgleichs nach § 12g des

Versicherungsaufsichtsgesetzes oder für spätere Tarifwechsel erforderlich ist.

(2) Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers ge-

setzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorüberge-

hend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungs-

grundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für

bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder

die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat.

Dabei dürfen auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter

Risikozuschlag entsprechend geändert werden, soweit dies vereinbart ist. Maßgebliche Rech-

nungsgrundlagen im Sinn der Sätze 1 und 2 sind die Versicherungsleistungen und die Sterbe-

wahrscheinlichkeiten. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte

sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 12b Abs. 1 bis 2a in

Verbindung mit einer auf Grund des § 12c des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlassenen

Rechtsverordnung.

(3) Ist bei einer Krankenversicherung im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 das ordentliche Kündi-

gungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei

einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesund-

heitswesens berechtigt, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Tarifbestimmun-

gen den veränderten Verhältnissen anzupassen, wenn die Änderungen zur hinreichenden Wah-

rung der Belange der Versicherungsnehmer erforderlich erscheinen und ein unabhängiger

Treuhänder die Voraussetzungen für die Änderungen überprüft und ihre Angemessenheit bes-

tätigt hat.

(4) Ist eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch

höchstrichterliche Entscheidung oder durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für un-

wirksam erklärt worden, ist § 164 anzuwenden.

(5) Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu

Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Än-

derungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

§ 204

Tarifwechsel

(1) Bei bestehendem Versicherungsverhältnis kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer

verlangen, dass dieser 1. Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versiche-

Page 283: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

282 Anhang

rungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungs-

rückstellung annimmt; soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer

wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer

für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und

insoweit auch eine Wartezeit verlangen; der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung ei-

nes Risikozuschlages und einer Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehr-

leistung einen Leistungsausschluss vereinbart; bei einem Wechsel aus dem Basistarif in einen

anderen Tarif kann der Versicherer auch den bei Vertragsschluss ermittelten Risikozuschlag

verlangen; der Wechsel in den Basistarif des Versicherers unter Anrechnung der aus dem Ver-

trag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung ist nur möglich, wenn

a) die bestehende Krankheitskostenversicherung nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wur-

de oder

b) der Versicherungsnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder das 55. Lebensjahr noch

nicht vollendet hat, aber die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente der gesetzli-

chen Rentenversicherung erfüllt und diese Rente beantragt hat oder ein Ruhegehalt nach be-

amtenrechtlichen oder vergleichbaren Vorschriften bezieht oder hilfebedürftig nach dem

Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ist oder

c) die bestehende Krankheitskostenversicherung vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde

und der Wechsel in den Basistarif vor dem 1. Juli 2009 beantragt wurde;

2. bei einer Kündigung des Vertrags und dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Vertrags,

der ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kran-

kenversicherungsschutz ersetzen kann, bei einem anderen Krankenversicherer

a) die kalkulierte Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem

Basistarif entsprechen, an den neuen Versicherer überträgt, sofern die gekündigte Krankheits-

kostenversicherung nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde;

b) bei einem Abschluss eines Vertrags im Basistarif die kalkulierte Alterungsrückstellung des

Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem Basistarif entsprechen, an den neuen Versiche-

rer überträgt, sofern die gekündigte Krankheitskostenversicherung vor dem 1. Januar 2009 ab-

geschlossen wurde und die Kündigung vor dem 1. Juli 2009 erfolgte.

Soweit die Leistungen in dem Tarif, aus dem der Versicherungsnehmer wechseln will, höher

oder umfassender sind als im Basistarif, kann der Versicherungsnehmer vom bisherigen Versi-

cherer die Vereinbarung eines Zusatztarifes verlangen, in dem die über den Basistarif hinaus-

gehende Alterungsrückstellung anzurechnen ist. Auf die Ansprüche nach den Sätzen 1 und 2

kann nicht verzichtet werden.

(2) Absatz 1 gilt nicht für befristete Versicherungsverhältnisse.

(3) Soweit die Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung betrieben wird, haben

die Versicherungsnehmer und die versicherte Person das Recht, einen gekündigten Versiche-

rungsvertrag in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzuführen.

§ 205

Kündigung des Versicherungsnehmers

(1) Vorbehaltlich einer vereinbarten Mindestversicherungsdauer bei der Krankheitskosten- und

bei der Krankenhaustagegeldversicherung kann der Versicherungsnehmer ein Krankenversi-

cherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als einem Jahr eingegangen ist, zum Ende des

Page 284: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 283

ersten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten

kündigen. Die Kündigung kann auf einzelne versicherte Personen oder Tarife beschränkt wer-

den.

(2) Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig,

kann der Versicherungsnehmer binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht ei-

ne Krankheitskosten-, eine Krankentagegeld- oder eine Pflegekrankenversicherung sowie eine

für diese Versicherungen bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der

Versicherungspflicht kündigen. Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Versicherungsneh-

mer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten

nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der

Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten. Macht der Versiche-

rungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, steht dem Versicherer die Prämie nur

bis zu diesem Zeitpunkt zu. Später kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhält-

nis zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist.

Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung oder der

nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beamtenrechtlichen oder ähn-

lichen Dienstverhältnis gleich.

(3) Ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, dass bei Erreichen eines bestimmten Lebensal-

ters oder bei Eintreten anderer dort genannter Voraussetzungen die Prämie für ein anderes Le-

bensalter oder eine andere Altersgruppe gilt oder die Prämie unter Berücksichtigung einer Al-

terungsrückstellung berechnet wird, kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhält-

nis hinsichtlich der betroffenen versicherten Person binnen zwei Monaten nach der Änderung

zum Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens kündigen, wenn sich die Prämie durch die Änderung

erhöht.

(4) Erhöht der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel die Prämie oder vermindert er

die Leistung, kann der Versicherungsnehmer hinsichtlich der betroffenen versicherten Person

innerhalb eines Monats nach Zugang der Änderungsmitteilung mit Wirkung für den Zeitpunkt

kündigen, zu dem die Prämienerhöhung oder die Leistungsminderung wirksam werden soll.

(5) Hat sich der Versicherer vorbehalten, die Kündigung auf einzelne versicherte Personen o-

der Tarife zu beschränken, und macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann der Versiche-

rungsnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Aufhebung des üb-

rigen Teils der Versicherung zu dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Kündigung wirksam

wird. Satz 1 gilt entsprechend, wenn der Versicherer die Anfechtung oder den Rücktritt nur für

einzelne versicherte Personen oder Tarife erklärt. In diesen Fällen kann der Versicherungs-

nehmer die Aufhebung zum Ende des Monats verlangen, in dem ihm die Erklärung des Versi-

cherers zugegangen ist.

(6) Abweichend von den Absätzen 1 bis 5 kann der Versicherungsnehmer eine Versicherung,

die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, nur dann kündigen, wenn er bei einem anderen

Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht ge-

nügt. Die Kündigung wird erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die

versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist.

§ 206

Kündigung des Versicherers

(1) Jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3

Satz 1 erfüllt, ist durch den Versicherer ausgeschlossen. Darüber hinaus ist die ordentliche

Page 285: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

284 Anhang

Kündigung einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und einer Pflegekrankenversicherung

durch den Versicherer ausgeschlossen, wenn die Versicherung ganz oder teilweise den im ge-

setzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz

ersetzen kann. Sie ist weiterhin ausgeschlossen für eine Krankenhaustagegeld-Versicherung,

die neben einer Krankheitskostenvollversicherung besteht. Eine Krankentagegeldversicherung,

für die kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers besteht, kann

der Versicherer abweichend von Satz 2 in den ersten drei Jahren unter Einhaltung einer Frist

von drei Monaten zum Ende eines jeden Versicherungsjahres kündigen.

(2) Liegen bei einer Krankenhaustagegeldversicherung oder einer Krankheitskostenteilversi-

cherung die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vor, kann der Versicherer das Versiche-

rungsverhältnis nur innerhalb der ersten drei Versicherungsjahre zum Ende eines Versiche-

rungsjahres kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate.

(3) Wird eine Krankheitskostenversicherung oder eine Pflegekrankenversicherung vom Versi-

cherer wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers wirksam gekündigt, sind die versi-

cherten Personen berechtigt, die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung

des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären; die Prämie ist ab Fortsetzung des Versiche-

rungsverhältnisses zu leisten. Die versicherten Personen sind vom Versicherer über die Kündi-

gung und das Recht nach Satz 1 in Textform zu informieren. Dieses Recht endet zwei Monate

nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person Kenntnis von diesem Recht erlangt hat.

(4) Die ordentliche Kündigung eines Gruppenversicherungsvertrags, der Schutz gegen das Ri-

siko Krankheit enthält, durch den Versicherer ist zulässig, wenn die versicherten Personen die

Krankenversicherung unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Al-

terungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversiche-

rung fortsetzen können. Absatz 3 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

§ 207

Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses

(1) Endet das Versicherungsverhältnis durch den Tod des Versicherungsnehmers, sind die ver-

sicherten Personen berechtigt, binnen zwei Monaten nach dem Tod des Versicherungsnehmers

die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versiche-

rungsnehmers zu erklären.

(2) Kündigt der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis insgesamt oder für einzel-

ne versicherte Personen, gilt Absatz 1 entsprechend. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn die

versicherte Person von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat. Handelt es sich bei dem

gekündigten Vertrag um einen Gruppenversicherungsvertrag und wird kein neuer Versiche-

rungsnehmer benannt, sind die versicherten Personen berechtigt, das Versicherungsverhältnis

unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung,

soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortzusetzen.

Das Recht nach Satz 3 endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person

von diesem Recht Kenntnis erlangt hat.

(3) Verlegt eine versicherte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Mitglied-

staat der Europäischen Union oder einen anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Eu-

ropäischen Wirtschaftsraum, setzt sich das Versicherungsverhältnis mit der Maßgabe fort, dass

der Versicherer höchstens zu denjenigen Leistungen verpflichtet bleibt, die er bei einem Auf-

enthalt im Inland zu erbringen hätte.

Page 286: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG n. F. 285

§ 208

Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 194 bis 199 und 201 bis 207 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers

oder der versicherten Person abgewichen werden. Für die Kündigung des Versicherungsneh-

mers nach § 205 kann die Schrift oder die Textform vereinbart werden.“

(2) § 12 Abs. 1b des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom

17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I S. 2), das zuletzt durch Artikel 7 dieses Gesetzes geändert

worden ist, wird wie folgt geändert:

a) In Satz 1 Nr. 2 werden die Angabe „§ 178a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 und 4“ durch die Angabe

„§ 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und 4“ und die Angabe „§ 178 a Abs. 5“ durch die Angabe „§ 193

Abs. 3“ ersetzt.

b) In Satz 1 Nr. 3 wird die Angabe „§ 178a Abs. 5 Satz 1“ durch die Angabe „§193 Abs. 3

Satz 1“ ersetzt.

c) In Satz 2 wird die Angabe „§ 178f Abs. 1“ durch die Angabe „§204 Abs. 1“ ersetzt.

d) In Satz 3 wird die Angabe „§ 178h Abs. 1“ durch die Angabe „§205 Abs. 1“ ersetzt.

e) In Satz 4 Nr. 2 werden die Wörter „(§ 16 in Verbindung mit § 178k des Versicherungsver-

tragsgesetzes)“ gestrichen.

(3) In § 13 Abs. 5 der Kalkulationsverordnung vom 18. November 1996 (BGBl. I S. 1783), die

durch Artikel 45 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) geändert worden ist, wird

die Angabe „§ 178 f Abs. 1 Nr. 2“ durch die Angabe „§ 204 Abs. 1 Nr. 2“ ersetzt.

Artikel 12

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Artikel 5 Nr. 1 tritt mit Wirkung vom 25. April 2006 in Kraft. In Artikel 1 tritt § 7 Abs. 2

und 3 des Versicherungsvertragsgesetzes am Tag nach der Verkündung in Kraft. Im Übrigen

tritt dieses Gesetz vorbehaltlich des Absatzes 2 am 1. Januar 2008 in Kraft. Gleichzeitig treten

außer Kraft:

1. Das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-

rungsnummer 7632-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 43

des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378), dieses wiederum geändert durch Artikel 10

dieses Gesetzes;

2. die Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag

in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1-1, veröffentlichten bereinig-

ten Fassung;

3. die Dritte Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungs-

vertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1-3, veröffentlichten

bereinigten Fassung;

4. die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung in der im Bun-

desgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-3, veröffentlichten bereinigten Fassung;

5. das Gesetz zur Überleitung landesrechtlicher Gebäudeversicherungsverhältnisse vom

22. Juli 1993 (BGBl. I S. 1282, 1286). (2) Artikel 11 dieses Gesetzes tritt am 1. Januar 2009 in

Page 287: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

286 Anhang

Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz

wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden.

Berlin, den 23. November 2007

Der Bundespräsident Horst Köhler

Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

Die Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries

Page 288: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV 287

3 Verordnung über Informationspflichten bei Versiche-

rungsverträgen (VVG-Informationspflichten-

verordnung – VVG-InfoV)*

vom 18. Dezember 2007

Auf Grund des § 7 Abs. 2 und 3 des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23. November 2007

(BGBl. I S. 2631) verordnet das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem

Bundesministerium der Finanzen und im Benehmen mit dem Bundesministerium für Ernäh-

rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:

§ 1

Informationspflichten bei allen Versicherungszweigen

(1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Versiche-

rungsvertragsgesetzes folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:

1. die Identität des Versicherers und der etwaigen Niederlassung, über die der Vertrag abge-

schlossen werden soll; anzugeben ist auch das Handelsregister, bei dem der Rechtsträger ein-

getragen ist, und die zugehörige Registernummer;

2. die Identität eines Vertreters des Versicherers in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union,

in dem der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat, wenn es einen solchen Vertreter gibt,

oder die Identität einer anderen gewerblich tätigen Person als dem Anbieter, wenn der Versi-

cherungsnehmer mit dieser geschäftlich zu tun hat, und die Eigenschaft, in der diese Person

gegenüber dem Versicherungsnehmer tätig wird;

3. die ladungsfähige Anschrift des Versicherers und jede andere Anschrift, die für die Ge-

schäftsbeziehung zwischen dem Versicherer, seinem Vertreter oder einer anderen gewerblich

tätigen Person gemäß Nummer 2 und dem Versicherungsnehmer maßgeblich ist, bei juristi-

schen Personen, Personenvereinigungen oder -gruppen auch den Namen eines Vertretungsbe-

rechtigten;

4. die Hauptgeschäftstätigkeit des Versicherers;

5. Angaben über das Bestehen eines Garantiefonds oder anderer Entschädigungsregelungen,

die nicht unter die Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.

Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. EG Nr. L 135 S. 5) und die Richtlinie

97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die

Entschädigung der Anleger (ABl. EG Nr. L 84 S. 22) fallen; Name und Anschrift des Garan-

tiefonds sind anzugeben;

6. a) die für das Versicherungsverhältnis geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen

einschließlich der Tarifbestimmungen; b) die wesentlichen Merkmale der Versicherungsleis-

tung, insbesondere Angaben über Art, Umfang und Fälligkeit der Leistung des Versicherers;

* Die Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts-

und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG (ABl. EG Nr. L 228 S. 1), der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. EG Nr. L 271 S. 16) sowie der Richtlinie 2002/ 83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG Nr. L 345 S. 1).

Page 289: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

288 Anhang

7. den Gesamtpreis der Versicherung einschließlich aller Steuern und sonstigen Preisbestand-

teile, wobei die Prämien einzeln auszuweisen sind, wenn das Versicherungsverhältnis mehrere

selbständige Versicherungsverträge umfassen soll, oder, wenn ein genauer Preis nicht angege-

ben werden kann, Angaben zu den Grundlagen seiner Berechnung, die dem Versicherungs-

nehmer eine Überprüfung des Preises ermöglichen;

8. gegebenenfalls zusätzlich anfallende Kosten unter Angabe des insgesamt zu zahlenden Be-

trages sowie mögliche weitere Steuern, Gebühren oder Kosten, die nicht über den Versicherer

abgeführt oder von ihm in Rechnung gestellt werden; anzugeben sind auch alle Kosten, die

dem Versicherungsnehmer für die Benutzung von Fernkommunikationsmitteln entstehen,

wenn solche zusätzlichen Kosten in Rechnung gestellt werden;

9. Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung und der Erfüllung, insbesondere zur Zahlungsweise

der Prämien;

10. die Befristung der Gültigkeitsdauer der zur Verfügung gestellten Informationen, beispiels-

weise die Gültigkeitsdauer befristeter Angebote, insbesondere hinsichtlich des Preises;

11. gegebenenfalls den Hinweis, dass sich die Finanzdienstleistung auf Finanzinstrumente be-

zieht, die wegen ihrer spezifischen Merkmale oder der durchzuführenden Vorgänge mit spe-

ziellen Risiken behaftet sind, oder deren Preis Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt,

auf die der Versicherer keinen Einfluss hat, und dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Be-

träge kein Indikator für künftige Erträge sind; die jeweiligen Umstände und Risiken sind zu

bezeichnen;

12. Angaben darüber, wie der Vertrag zustande kommt, insbesondere über den Beginn der

Versicherung und des Versicherungsschutzes sowie die Dauer der Frist, während der der An-

tragsteller an den Antrag gebunden sein soll;

13. das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelhei-

ten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift derjenigen Person, gegenüber der der

Widerruf zu er- klären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs einschließlich Informationen

über den Betrag, den der Versicherungsnehmer im Falle des Widerrufs gegebenenfalls zu zah-

len hat;

14. Angaben zur Laufzeit und gegebenenfalls zur Mindestlaufzeit des Vertrages;

15. Angaben zur Beendigung des Vertrages, insbesondere zu den vertraglichen Kündigungs-

bedingungen einschließlich etwaiger Vertragsstrafen;

16. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Recht der Versicherer der Aufnahme

von Beziehungen zum Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages

zugrunde legt;

17. das auf den Vertrag anwendbare Recht, eine Vertragsklausel über das auf den Vertrag an-

wendbare Recht oder über das zuständige Gericht;

18. die Sprachen, in welchen die Vertragsbedingungen und die in dieser Vorschrift genannten

Vorabinformationen mitgeteilt werden, sowie die Sprachen, in welchen sich der Versicherer

verpflichtet, mit Zustimmung des Versicherungsnehmers die Kommunikation während der

Laufzeit dieses Vertrages zu führen;

19. einen möglichen Zugang des Versicherungsnehmers zu einem außergerichtlichen Be-

schwerde und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zu-

Page 290: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV 289

gang; dabei ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit für den Versicherungs-

nehmer, den Rechtsweg zu beschreiten, hiervon unberührt bleibt;

20. Name und Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde sowie die Möglichkeit einer Be-

schwerde bei dieser Aufsichtsbehörde.

(2) Soweit die Mitteilung durch Übermittlung der Vertragsbestimmungen einschließlich der

Allgemeinen Versicherungsbedingungen erfolgt, bedürfen die Informationen nach Absatz 1

Nr. 3, 13 und 15 einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form.

§ 2

Informationspflichten bei der Lebensversicherung,

der Berufsunfähigkeitsversicherung

und der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr

(1) Bei der Lebensversicherung hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer gemäß § 7

Abs. 1 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes zusätzlich zu den in § 1 Abs. 1 genannten In-

formationen die folgenden Informationen zur Verfügung zu stellen:

1. Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten; dabei sind die einkalkulierten

Abschlusskosten als einheitlicher Gesamtbetrag und die übrigen einkalkulierten Kosten als

Anteil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Laufzeit auszuweisen;

2. Angaben zu möglichen sonstigen Kosten, insbesondere zu Kosten, die einmalig oder aus be-

sonderem Anlass entstehen können;

3. Angaben über die für die Überschussermittlung und Überschussbeteiligung geltenden Be-

rechnungsgrundsätze und Maßstäbe;

4. Angabe der in Betracht kommenden Rückkaufswerte;

5. Angaben über den Mindestversicherungsbetrag für eine Umwandlung in eine prämienfreie

oder eine prämienreduzierte Versicherung und über die Leistungen aus einer prämienfreien

oder prämienreduzierten Versicherung;

6. das Ausmaß, in dem die Leistungen nach den Nummern 4 und 5 garantiert sind;

7. bei fondsgebundenen Versicherungen Angaben über die der Versicherung zugrunde liegen-

den Fonds und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte;

8. allgemeine Angaben über die für diese Versicherungsart geltende Steuerregelung.

(2) Die Angaben nach Absatz 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 haben in Euro zu erfolgen. Bei Absatz 1 Nr. 6

gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass das Ausmaß der Garantie in Euro anzugeben ist.

(3) Die vom Versicherer zu übermittelnde Modellrechnung im Sinne von § 154 Abs. 1 des

Versicherungsvertragsgesetzes ist mit folgenden Zinssätzen darzustellen:

1. dem Höchstrechnungszinssatz, multipliziert mit 1,67,

2. dem Zinssatz nach Nummer 1 zuzüglich eines Prozentpunktes und

3. dem Zinssatz nach Nummer 1 abzüglich eines Prozentpunktes.

(4) Auf die Berufsunfähigkeitsversicherung sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwen-

den. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der in den Versicherungsbedingungen ver-

wendete Begriff der Berufsunfähigkeit nicht mit dem Begriff der Berufsunfähigkeit oder der

Page 291: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

290 Anhang

Erwerbsminderung im sozialrechtlichen Sinne oder dem Begriff der Berufsunfähigkeit im Sin-

ne der Versicherungsbedingungen in der Krankentagegeldversicherung übereinstimmt.

(5) Auf die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr sind Absatz 1 Nr. 3 bis 8 und Absatz 2

entsprechend anzuwenden.

§ 3

Informationspflichten bei der Krankenversicherung

(1) Bei der substitutiven Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgeset-

zes) hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Versiche-

rungsvertragsgesetzes zusätzlich zu den in § 1 Abs. 1 genannten Informationen folgende In-

formationen zur Verfügung zu stellen:

1. Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten; dabei sind die einkalkulierten

Abschlusskosten als einheitlicher Gesamtbetrag und die übrigen einkalkulierten Kosten als

Anteil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Laufzeit auszuweisen;

2. Angaben zu möglichen sonstigen Kosten, insbesondere zu Kosten, die einmalig oder aus be-

sonderem Anlass entstehen können;

3. Angaben über die Auswirkungen steigender Krankheitskosten auf die zukünftige Beitrags-

entwicklung;

4. Hinweise auf die Möglichkeiten zur Beitragsbegrenzung im Alter, insbesondere auf die

Möglichkeiten eines Wechsels in den Standardtarif oder Basistarif oder in andere Tarife ge-

mäß § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes und der Vereinbarung von Leistungsausschlüs-

sen, sowie auf die Möglichkeit einer Prämienminderung gemäß § 12 Abs. 1c des Versiche-

rungsaufsichtsgesetzes;

5. einen Hinweis, dass ein Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung in

fortgeschrittenem Alter in der Regel ausgeschlossen ist;

6. einen Hinweis, dass ein Wechsel innerhalb der privaten Krankenversicherung in fortge-

schrittenem Alter mit höheren Beiträgen verbunden sein kann und gegebenenfalls auf einen

Wechsel in den Standardtarif oder Basistarif beschränkt ist;

7. eine Übersicht über die Beitragsentwicklung im Zeitraum der dem Angebot vorangehenden

zehn Jahre; anzugeben ist, welcher monatliche Beitrag in den dem Angebot vorangehenden

zehn Jahren jeweils zu entrichten gewesen wäre, wenn der Versicherungsvertrag zum damali-

gen Zeitpunkt von einer Person gleichen Geschlechts wie der Antragsteller mit Eintrittsalter

von 35 Jahren abgeschlossen worden wäre; besteht der angebotene Tarif noch nicht seit zehn

Jahren, so ist auf den Zeitpunkt der Einführung des Tarifs abzustellen, und es ist darauf hin-

zuweisen, dass die Aussagekraft der Übersicht wegen der kurzen Zeit, die seit der Einführung

des Tarifs vergangen ist, begrenzt ist; ergänzend ist die Entwicklung eines vergleichbaren Ta-

rifs, der bereits seit zehn Jahren besteht, darzustellen.

(2) Die Angaben zu Absatz 1 Nr. 1, 2 und 7 haben in Euro zu erfolgen.

§ 4

Produktinformationsblatt

(1) Ist der Versicherungsnehmer ein Verbraucher, so hat der Versicherer ihm ein Produktin-

formationsblatt zur Verfügung zu stellen, das diejenigen Informationen enthält, die für den

Abschluss oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages von besonderer Bedeutung sind.

Page 292: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV 291

(2) Informationen im Sinne des Absatzes 1 sind:

1. Angaben zur Art des angebotenen Versicherungsvertrages;

2. eine Beschreibung des durch den Vertrag versicherten Risikos und der ausgeschlossenen

Risiken;

3. Angaben zur Höhe der Prämie in Euro, zur Fälligkeit und zum Zeitraum, für den die Prämie

zu entrichten ist, sowie zu den Folgen unterbliebener oder verspäteter Zahlung;

4. Hinweise auf im Vertrag enthaltene Leistungsausschlüsse;

5. Hinweise auf bei Vertragsschluss zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer

Nichtbeachtung;

6. Hinweise auf während der Laufzeit des Vertrages zu beachtende Obliegenheiten und die

Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung;

7. Hinweise auf bei Eintritt des Versicherungsfalles zu beachtende Obliegenheiten und die

Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung;

8. Angabe von Beginn und Ende des Versicherungsschutzes;

9. Hinweise zu den Möglichkeiten einer Beendigung des Vertrages.

(3) Bei der Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung ist Absatz 2 Nr. 2 mit der Maßgabe

anzuwenden, dass zusätzlich auf die vom Versicherer zu übermittelnde Modellrechnung ge-

mäß § 154 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes hinzuweisen ist.

(4) Bei der Lebensversicherung, der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Krankenversi-

cherung ist Absatz 2 Nr. 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Abschluss- und Vertriebs-

kosten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1) sowie die sonstigen Kosten (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3

Abs. 1 Nr. 2) jeweils in Euro gesondert auszuweisen sind.

(5) Das Produktinformationsblatt ist als solches zu bezeichnen und den anderen zu erteilenden

Informationen voranzustellen. Die nach den Absätzen 1 und 2 mitzuteilenden Informationen

müssen in übersichtlicher und verständlicher Form knapp dargestellt werden; der Versiche-

rungsnehmer ist darauf hinzuweisen, dass die Informationen nicht abschließend sind. Die in

Absatz 2 vorgegebene Reihenfolge ist einzuhalten. Soweit die Informationen den Inhalt der

vertraglichen Vereinbarung betreffen, ist auf die jeweils maßgebliche Bestimmung des Vertra-

ges oder der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen hin-

zuweisen.

§ 5

Informationspflichten bei Telefongesprächen

(1) Nimmt der Versicherer mit dem Versicherungsnehmer telefonischen Kontakt auf, muss er

seine Identität und den geschäftlichen Zweck des Kontakts bereits zu Beginn eines jeden Ge-

sprächs ausdrücklich offenlegen.

(2) Bei Telefongesprächen hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer aus diesem Anlass

nur die Informationen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 6 Buchstabe b, Nr. 7 bis 10 und 12 bis 14

mitzuteilen. Satz 1 gilt nur, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer darüber infor-

miert hat, dass auf Wunsch weitere Informationen mitgeteilt werden können und welcher Art

diese Informationen sind, und der Versicherungsnehmer ausdrücklich auf die Mitteilung der

weiteren Informationen zu diesem Zeitpunkt verzichtet.

Page 293: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

292 Anhang

(3) Die in §§ 1 bis 4 vorgesehenen Informationspflichten bleiben unberührt.

§ 6

Informationspflichten während der Laufzeit des Vertrages

(1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Versicherungs-

vertrages folgende Informationen mitzuteilen:

1. jede Änderung der Identität oder der ladungsfähigen Anschrift des Versicherers und der et-

waigen Niederlassung, über die der Vertrag abgeschlossen worden ist;

2. Änderungen bei den Angaben nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe b, Nr. 7 bis 9 und 14 sowie

nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 bis 7, sofern sie sich aus Änderungen von Rechtsvorschriften ergeben;

3. soweit nach dem Vertrag eine Überschussbeteiligung vorgesehen ist, alljährlich eine Infor-

mation über den Stand der Überschussbeteiligung sowie Informationen darüber, inwieweit

diese Überschussbeteiligung garantiert ist; dies gilt nicht für die Krankenversicherung.

(2) Bei der substitutiven Krankenversicherung nach § 12 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsge-

setzes hat der Versicherer bei jeder Prämienerhöhung unter Beifügung des Textes der gesetzli-

chen Regelung auf die Möglichkeit des Tarifwechsels (Umstufung) gemäß § 204 des Versi-

cherungsvertragsgesetzes hinzuweisen. Bei Versicherten, die das 60. Lebensjahr vollendet ha-

ben, ist der Versicherungsnehmer auf Tarife, die einen gleichartigen Versicherungsschutz wie

die bisher vereinbarten Tarife bieten und bei denen eine Umstufung zu einer Prämienreduzie-

rung führen würde, hinzuweisen. Der Hinweis muss solche Tarife enthalten, die bei verständi-

ger Würdigung der Interessen des Versicherungsnehmers für eine Umstufung besonders in Be-

tracht kommen. Zu den in Satz 2 genannten Tarifen zählen jedenfalls diejenigen Tarife mit

Ausnahme des Basistarifs, die jeweils im abgelaufenen Geschäftsjahr den höchsten Neuzu-

gang, gemessen an der Zahl der versicherten Personen, zu verzeichnen hatten. Insgesamt dür-

fen nicht mehr als zehn Tarife genannt werden. Dabei ist jeweils anzugeben, welche Prämien

für die versicherten Personen im Falle eines Wechsels in den jeweiligen Tarif zu zahlen wären.

Darüber hinaus ist auf die Möglichkeit eines Wechsels in den Standardtarif oder Basistarif

hinzuweisen. Dabei sind die Voraussetzungen des Wechsels in den Standardtarif oder Basista-

rif, die in diesem Falle zu entrichtende Prämie sowie die Möglichkeit einer Prämienminderung

im Basistarif gemäß § 12 Abs. 1c des Versicherungsaufsichtsgesetzes mitzuteilen. Auf Anfra-

ge ist dem Versicherungsnehmer der Übertragungswert gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 des Versiche-

rungsaufsichtsgesetzes anzugeben; ab dem 1. Januar 2013 ist der Übertragungswert jährlich

mitzuteilen.

§ 7

Übergangsvorschrift; Inkrafttreten

(1) Der Versicherer kann die in dieser Verordnung bestimmten Informationspflichten bis zum

30. Juni 2008 auch dadurch erfüllen, dass er nach den Vorgaben des bis zum 31. Dezember

2007 geltenden Rechts informiert.

(2) § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2 sowie § 4 treten am 1.

Juli 2008 in Kraft. Im Übrigen tritt diese Verordnung am 1. Januar 2008 in Kraft.

Berlin, den 18. Dezember 2007

Die Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries

Page 294: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Stichwortverzeichnis

A Abandon 130 Ablaufleistung 138 Abschlusskosten 18, 27, 31, 32, 41, 180, 185,

186 Abschlussprovisionen 185 Absonderungsrecht 110 Abtretungsverbot 111

generelles 111 Abwehr der durch einen Dritten geltend

gemachten Ansprüche 108 Adoption 157 Adoptivkind 157 AGB 111 Alles-oder-nichts-Prinzip 20 Alles-oder-Nichts-Prinzip 20 Allgemeine Rechtsschutzbedingungen 124 Allgemeine Versicherungsbedingungen 110,

146 Inhaltskontrolle 118

Allgemeinen Versicherungsbedingungen 118 Alpha-Gamma-Kosten 31, 42 Altersangabe 139, 140 Altersversorgung 26

betriebliche 32 Altersvorsorge 134

betriebliche 134 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz

145 Alterungsrisiko 156 Alterungsrückstellung 160, 162, 166

übertragbare 163 Alterungsrückstellungen 152, 156, 165 Altverträge 194, 195

Beitragszuschlag 159 Amortisationszuschläge 31, 42 Amtspflichtverletzung 121 anderer Mitgliedsstaat der EU 162 Änderung 110 Anerkenntnis 109, 111, 113, 114, 124, 148,

150 "mittelbares" prozessuales 111

Anerkenntnisverbot 113 Anerkenntnisverbot Haftpflicht 199 Anfechtung 144, 161 Anmeldepflicht 127 Annahme

ausdrückliche 52 konkludente 52

Annahmefiktion 53 Anpassungsklausel 143, 161 Anpassungsrecht 61 Ansparphase 138 Anspruch 109, 110

ärztliche Feststellung 150 des Dritten 108, 109 Geltendmachung 150 Minderung 150 Wegfall 150

Ansprüche 110, 144 Geltendmachung 110

Anspruchsabwehr 108 Anspruchsberechtigte 122

mehrere 122 Anspruchserhebung 107 Anspruchsvoraussetzungen 150 Antragsmodell 16, 18, 46, 47, 48, 50, 53, 54,

174, 176, 185 Antragsverfahren 184 Anwaltswahl

freie 125 Anwartschaftsversicherung 160 Anwartschaftsversicherungen 161 Anzeige 109

unterlassene 109 Anzeigenobliegenheit 113 Anzeigeobliegenheitsverletzung 58 Anzeigepflicht 58, 113, 127, 128, 131, 154

Verletzung der 127, 139, 154 vorvertragliche 54, 57, 165

Anzeigepflichten 131 vorvertragliche 21

Anzeigepflichtverletzung 22, 58, 59 schuldlose 22

Page 295: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

294 Stichwortverzeichnis

Äquivalenzprinzip 163 Arbeitsfähigkeit 147

dauerhafte Beeinträchtigung 147 Arbeitslosengeld II 155 Arbeitsunfähigkeit 154 arglistiger Täuschung 23 Arrest 146 Arrestvollziehung 110 Asylbewerber 164 AUB 150, 151 Aufenthalt 118

des Versicherungsnehmers 118 Aufenthaltstitel

befristeter 156 Aufhebung 161 Aufrechnungsbefugnis 124 Aufwendungen 129 Aufwendungsersatz 103, 120, 129

erweiterter 104 Auge und Ohr 13 Ausbesserung 130 Ausbildungskrankenversicherung 156 Auskünfte 122 Auskunftspflicht 132 Auskunftspflichten

des Versicherers 158 Auslandskrankenversicherung 156 Auslandskrankversicherung 157 Ausschließlichkeitsvermittler 87 Ausschließlichkeitsvertreter 83, 98, 184 Ausschluss 112, 113 Ausschlüsse 127, 129 Außenverhältnis 120 Auswirkungen 112

deckungsschädliche 112 AVB 69, 111, 130, 150

B Banken 190 Bankenvertrieb 190 Basistarif 163 Bedingungsanpassung 141, 142, 159, 200 Beeinträchtigung 150

Grad der 150 Beerdigungskosten 133, 134 Beförderung 126

Gefahren der 126 Beförderungsmittel 128

Befragungspflicht 35, 37 Befreiung 130 Befreiungsanspruch 111, 113, 114

Abtretung 111 Befriedigungsverbot 113 Befristung Krankentagegeldversicherung 201 Befristungsmöglichkeit 156 Beginn und Ende der Versicherung 197 Begründung

Umfang der 87 Begründungspflicht 87 Beihilfe 157 Beihilfeanspruch 157 Beihilfebemessungssatz 157 Beihilfeberechtigte 164 Beihilfeempfänger 157, 201 Beitragsanpassung 159 Beitragspflicht

Befreiung 147 Beitragszuschuss

des Arbeitgebers 161 Belastung 110 Belege 122 Belehrung 20, 55 Belehrungspflicht 150 Belehrungspflichten 21 Beratung des VN 197 Beratungsanlass 36 Beratungsdokumentation 78, 92, 96 Beratungsgrundlage 71, 74 Beratungspflicht 13, 35, 37, 38

anlassbezogene 81 Beratungspflichten 15, 16, 34, 79 Beratungspraxis 184 Beratungsverzicht 89 Berechnungsbeispiel 181, 187 Berechnungsgrundlagen 159

versicherungstechnische 159 Bereicherungsanspruch 155 Bereicherungsverbot 158, 201 Berufsgruppenverzeichnis 149 Berufsunfähigkeit 147

Definition 147 Berufsunfähigkeitsversicherung 17, 41, 133,

143, 147, 194, 200 Beschäftigte 156

freiberuflich 156 selbstständig 156

Beschwerde 169

Page 296: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Stichwortverzeichnis 295

Bestandsgruppen 136 Bestätigungspflicht 132 Betreuer 134, 149 Betriebshaftpflichtversicherung 108 Beweislast 21, 59, 60, 61 Bewertungsreserve 136, 137 Bewertungsreserven 28, 135, 137, 138 Bezugsberechtigte

mehrere 140 Bezugsberechtigter 140, 141, 147

unwiderruflicher 140 widerruflich 140

Bezugsberechtigung 140 BGH 121, 144 Binnenschifffahrt 126, 127 BVerfG 135

D Datenerhebung 169 Deckung 117, 118, 125

Begrenzung 118 Umfang 125 vorläufige 68

Deckungsanspruch 109, 111, 112 Fälligkeit 109

Deckungskapital 30, 144, 145, 146 ungezillmert 144

Deckungsklage 112 Deckungsprozess 111, 112, 114, 119 Deckungsstock 26 Deckungssumme 110

Minderung 110 Deckungsverhältnis 114 Direktanspruch 26, 118, 119, 120, 121, 122,

124 Direktanspruch Pflichtversicherung 200 Direktversicherer 72 Dokumentationspflicht 37 Dokumentationspflichten 15, 79, 91 Dokumentationsverzicht 94 Drohung 165

E EGVVG

Änderungen des 192 Eigentümergrundpfandrechte 133

Einmalprämie 66, 144 Einsichtnahme

Recht auf 158 Eintritt der Versicherungspflicht 201 Eintrittspflicht 120 Einwendungen 120 Einwilligung 111, 134, 169

schriftliche 134 Einwilligungserfordernis 134 Einzelversicherung 162 Elternzeit 168 Entbindung 153, 157 Entschädigung 109, 110

Entgegennahme 110 Entschädigungsanspruch

unbegründeter 124 Entschädigungsansprüche 124 Entschädigungsforderung 110

Änderung 110 Belastung 110 Übertragung 110 Vernichtung 110

Erben 140 Erbschaft

Ausschlagung 140 Erkrankungen

akute 166 Ermittlungsverfahren 113 Ersatz derjenigen Aufwendungen 120 Ersatzansprüche 155

gesetzlicher Übergang 155 Übergang 103

Ersatzberechtigten 129 Ersatzberechtigter 129 Ersatzpflicht 121 Erstprämie 25, 66, 131

Fälligkeit der 25 Erwerbsunfähigkeitsversicherung 147 europäischer Wirtschaftsraum 117, 146, 162,

163

F Fahrlässigkeit 20, 113

grobe 20, 113 Fälligkeit 109 Fälligkeit der Prämie 198 Fälligkeit des Freistellungs- und

Zahlungsanspruchs 109

Page 297: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

296 Stichwortverzeichnis

Fälligkeitsvoraussetzungen 150 Fälligkeitsvorschriften 25 Familienversicherung 160 Fernabsatz 38 Fernabsatzrichtlinie 134 Fernabsatzverträge 168 Fiktionsklauseln 53 Flusskaskoversicherung 127 Folgeprämie 67, 131, 143 Form 23, 56

Änderungen der 23 Formfreiheit

grundsätzliche 23, 56 Fortsetzung der Lebensversicherung nach der

Elternzeit 201 Fragepflicht

anlassbezogene 80 Freistellung 109, 114

Anspruch 109 Freistellungsanspruch 107, 110, 114

Abtretung 110 Verfügungen über 110

Fremde Rechnung 67 Fristversäumnis 150 Fristversäumung 123 Fristwahrung 113, 122 Früherkennung 153 Frühstorno 31 Frühstornofälle 145

G Garantien 136 Gebäudefeuerversicherung 131, 195 Gebäudeversicherung 131, 195 Gebrechen 150 Gefahränderung 127, 128, 139 gefahrerhebliche Umstände 22 Gefahrerhöhung 62, 63, 64, 128, 140, 149,

198 Gefahrminderung 140 Gefahrumstände 58 Geltendmachung 154

Frist 154 Gerichtsstand 170 Gesamtschuldner 119, 120

Innenverhältnis 120 Geschädigte 110

mehrere 110

Geschäftsbetrieb 109 Geschäftsfähigkeit 134, 149

beschränkte 134 Geschäftsunfähigkeit 134 Geständnis 111, 112 Gesundheitsdaten

gesundheitsbezogene 168 Gesundheitsprüfung 155 Gesundheitsschädigung 150 Gewerbeanalyse 16, 36 Gewerbematrix 86 Gewinnverbände 136 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 163 Gläubiger 25, 57 Großrisiken 168 Großrisiko 38 Grundabsicherung 164 Grunddeckung 117 Grundpfandrechte 133

Gläubigerrechte 194 Grundschuld 133 Grundschulden 195 Grundstück 133 Grundstücke 195 Gruppenversicherung 134 Gruppenversicherungsvertrag 162 Gutachten 158 Gutachterverfahren 126 Güterversicherung 129

H Haftpflicht 115

allgemeine 115 Haftpflichtfrage 107 Haftpflichtprozess 112, 119 Haftpflichtrisiken 117 Haftpflichtumstand 109 Haftpflichtversicherer 107 Haftpflichtversicherung 107, 108, 115, 117,

118, 121, 183 Kfz 121

Haftpflichtversicherungsbedingungen 113 Haftpflichtversicherungsvertrag 109 Haftpflichtversicherungsverträge 107 Haftung 121, 183, 188 Haftungsgrund 112 Haftungsminimierung 83 Haftungsprozess 111

Page 298: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Stichwortverzeichnis 297

Haftungsrecht 114 materielles 114

Halbzwingendes Recht 114, 126 Handelsrecht 137 Handelswert 129

gemeiner 129 Handlung 112

widerrechtliche 141 Hauptleistungspflichten 34 Haushaltsanalyse 16, 36, 85 Haverei 129

große 127, 129 Heilbehandlung 153, 154

Aufwendungen 153 medizinisch notwendige 153 stationäre 154

Heilfürsorge 160 Heilfürsorgeberechtigte 164 Herbeiführung 111

vorsätzliche 111 Herbeiführung des Versicherungsfalls 199 HGB 108 Hinterlegung 108 Höchstlaufzeit 156 Höchstrechnungszinssatz 29 Höchstzillmersätze 145 Hypothek 131, 132

Übergang 132 Hypotheken 133, 195 Hypothekengläubiger 131, 132

I Inbegriff von Sachen 104 Inbegriffsversicherung 104 Individualvereinbarung 38, 111 individuelle Quotierung 73 Information

Inhalt der 39 Information des VN 197 Informationen 39 Informationsblatt 78 Informationsgrundlage 71 Informationspflicht 13, 156

Verletzung der 46 Informationspflichten 16, 39, 46, 68, 131 Insolvenz 110

des VN 110 Insolvenzmasse 121

Insolvenzquote 110 Insolvenzrisiko 118 Insolvenzverfahren 26, 110, 118, 121, 146 Insolvenzverwalter 121 Internetberatung 91 Internetversicherer 72 Invalidität 150, 151

Grad der 151 Neubemessung 151

Invaliditätsentschädigung 150, 151 Invaliditätsgrad 151 Investmentfonds 26 invitatio ad offerendum 19, 51 Invitatiomodell 19, 51, 53, 54, 58, 176, 184,

185

J Jährliche Unterrichtung 200

K Kalkulation 156 Kapitalanlagen 136 Kapitalausstattung 138 Kapitalwert der Rente 109 Kausalität 23 Kausalitätserfordernis 21 Kausalitätsgegenbeweis 128 Kenntnis

der versicherten Person 139 Kenntnis des Vertreters 199 Kieferorthopädie 157 Kindernachversicherung 157 Kinderunfallversicherung 151 Klagefrist 25 Kollektiv-Lebensversicherungen 134 Kollisionshaftpflicht 127 Kommunikation 180, 181, 182, 187 Kompositversicherungsverträge 45 Kosten 109, 129

außergerichtliche 108 der Verteidigung 108 Ersatz 130 gerichtliche 108 verauslagte 109 vorschießen 108

Kostenanteil 32 Kostenerstattung 164

Page 299: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

298 Stichwortverzeichnis

Kostenerstattungsanspruch 158 Kostensysteme 179, 186 Krankenhaustagegeld 154 Krankenhaustagegeldversicherung 153, 157,

160, 161 Krankenheitskostenvollversicherung 161 Krankentagegeld 154 Krankentagegeldversicherung 156, 157, 167

substitutive 161 Krankenversicherung 17, 43, 61, 68, 143,

147, 152, 155 nicht substitutive 155 substitutive 155

Krankenversicherungen 185 Krankenversicherungsschutz 156

befristeter 156 Krankheit 153, 154 Krankheiten 150 Krankheitskostenversicherung 157, 160

substitutive 161 Kundennutzen 19 Kündigung 59, 60, 63, 105, 114, 132, 135,

138, 143, 144, 145, 146, 147, 160, 161, 162, 165, 167 berechtigte 127 ordentliche 161, 162

Kündigung nach Versicherungsfall 105 Kündigungserklärung 162 Kündigungsfrist 161 Kündigungsrecht 22, 59, 60, 65, 114, 127,

128, 130, 144, 159, 160 ordentliches 159

Kündigungsrechte 161 Kündigungsrechts 161

L Landfahrzeuge 115 Laufende Versicherung 69 Laufzeit 23, 24

Änderungen der 23 Laufzeiten 57 Lebensmittelpunkt 163 Lebensversicherung 17, 26, 27, 41, 44, 55,

66, 68, 133, 137, 168, 185, 194 fondsgebundene 30, 137 Fortsetzung der 168 nach Art der 155, 156, 159, 161, 167

Lebensversicherungsbedingungen 135 allgemeine 135

Leistung 120, 121, 124, 143, 144, 147, 149, 156

Leistungen 153 vertragstypische 153

Leistungen der Krankenversicherung 201 Leistungsänderung 141 Leistungsantrag 150 Leistungsausschluss 113, 159, 166 Leistungsbedarf 141 leistungsfrei 121 Leistungsfreiheit 20, 21, 25, 64, 65, 109, 113,

121, 127, 128, 158 Leistungsmanagement 152 Leistungsmanagements 152 Leistungsminderung 161 Leistungspflicht 119, 121, 123, 124, 127,

128, 130, 132, 148, 149, 150, 151 bei Invalidität 149 Umfang 123

Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers 107

Leistungsverpflichtung 121, 129 Leistungsverweigerung 114, 127 Leistungsvoraussetzungen

Veränderung der 150 Luftfahrtgüterversicherung 126 Luftfahrtkaskoversicherung 126 Luftfahrtversicherung 126 Luftfahrzeughaftpflicht 115

M Makler 53 Maklerbedingungen 111 Maklervertrag 78 Managed Care 152 Manipulation 111 Marktgrundlage 71 Marktuntersuchung 71, 73

qualitative 73 quantitative 73

Mehrfachversicherung 100 Mehrfachvertreter 75, 83, 98, 184 Mehrleistung 160, 166 Minderungspflicht 102 Mindestrückkaufswert 145 Mindeststandards 83

Page 300: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Stichwortverzeichnis 299

Mindestversicherungsdauer 160 des Elternteils 157

Mindestversicherungssumme 117, 121, 122 Mindestwert 144 Mitgliedstaat der EU 146

anderer 146 Mittagsregel 56 Mitteilung

Form der 76 Mitteilungspflicht 71, 75

Zeitpunkt der 76 Mitversicherten 113 Mitversicherter 113 Modellrechnung 29, 30, 44, 138, 200

normierte 29 mündiger Verbraucher 18 Mutterschaft 166

N Nachhaftungszeit 123 Nachmeldepflicht 22 Nachprüfung 148 Nachweispflicht 161 Neugeborenes 157 Nichtigkeit 132 Nichtversicherung 164 Nießbrauch 108 Nutzungsrecht

Erwerb 106

O Objektdeckungen 117 Obliegenheit 128 Obliegenheiten 20, 34, 112, 127

des Dritten 122 des Versicherungsnehmers 20 vertragliche 65

Obliegenheitsverletzungen 123 öffentlicher Dienst 157 Opferschutz 122

P Pachtvertrag 108 Partei 111 Parteiautonomie 126

Pensionskassen 134, 168 regulierte 134

Personenschäden 122 Pfändungsschutz 144 Pflege

Aufwendungen 154 Pflegebedürftigkeit 154 Pflegekostenversicherung 154 Pflegekrankenversicherung 154, 157, 167

substitutive 161 Pflegepflichtversicherung 157 Pflegetagegeldversicherung 154 Pflegeversicherung 157

freiwillige 157 Pflichten 20, 38

des Versicherungsnehmers 20 Pflichtversicherung 26, 114, 115, 151

Zweck 118, 121 Pflichtversicherungen 107, 110 Planungsfehler 107 Policenmodell 17, 18, 39, 46, 49, 50 Prämie 23, 24, 34, 66, 69, 114, 125, 130, 141,

157, 159, 160 Änderung 159 Änderungen der 23 Fälligkeit der 66 Haftung 130 Neufestsetzung 141, 157 Nichtzahlung 130, 168 Unteilbarkeit 114 Unteilbarkeit der 24, 66

Prämien 134, 144, 159 laufende 144

Prämienänderung 140, 141 Prämienanpassung 67, 128, 142 Prämienanpassungsrecht 142 Prämienerhöhung 63, 161 Prämienfälligkeit 135 Prämienherabsetzung 140 Prämienkalkulation 29, 138, 143, 145, 159 Prämienrückgewähr 17 Prämienrückstände 143 Prämienzuschlag

Änderung 159 Praxis 172 Privathaftpflichtversicherung 108 Privatrecht 122 Produkt 107

Inverkehrbringen 107

Page 301: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

300 Stichwortverzeichnis

Produktinformationsblatt 18, 43 Pro-rata-temporis-Regel 24, 66 Prozessführungsautonomie 114 Psychotherapie 157

Q Quotierung 73

R Reallast 133 Reallasten 195 Rechnung

fremde 67 Rechnungsgrundlagen 159 Rechte

erworbene 160, 162, 166 Rechtsanwalt 125 Rechtsfolgen 21, 23, 25, 46 Rechtskrafterstreckung 123 Rechtspflichten 34 Rechtsschutzbaustein 125 Rechtsschutzversicherung 124 Rechtsstreit 114 Rechtsverstoß 107 Rechtsweg 169 Rechtzeitig 44 Rechtzeitigkeit 17, 44 Reisekrankenversicherung 156, 157 Rente 109, 147, 166

Kapitalwert der 109 Rentenanspruch 109 Renteneintrittsalter 156 Rentenschuld 133 Rentenschulden 195 Rentenversicherung

gesetzliche 166 Rentenversicherungen 138 Restschuldkrankenversicherung 156 Riester-Modell 145 Risiko 34 Risikoanalyse 16, 36, 82, 85 Risikoausschluss 118, 121, 160 Risikoausschlüsse 121 Risikoeinschätzung 142

unzureichende 142 Risikogemeinschaft 138 Risikoprüfung 58, 156, 158

Risikoversicherungen 30, 138 Risikozuschlag 157, 159, 160, 166 Rohüberschuss 135 Rückabwicklungsprobleme 122 Rückgriff 123 Rückkaufswert 27, 30, 31, 55, 134, 135, 141,

143, 144, 145, 146, 200 Berechnung 145

Rücktritt 58, 59, 127, 144, 161 des Vrsicherers 127

Rücktrittsrecht 22, 58 Rückversicherung 167 Rückwärtsversicherung 56 Ruhegehalt 166 Ruhestand 144 Rundumberatung 36

S Sachversicherung 104 Sachverständigenverfahren 151 Schaden 107, 122, 124, 130

Abwendung 129, 130 Betrag 129 Ermittlung 129 Feststellung 107, 124, 129 Minderung 124, 129, 130

Schadenabwehrpflicht 102 Schaden-Abwendungs- und -

minderungspflicht 199 Schadenabwicklungsunternehmen 125 Schadenereignis 113, 120, 122 Schadenermittlungskosten 103 Schadenersatz 118, 119 Schadenersatzanspruch 111 Schadenersatzpflicht 96 Schadenfall 23 Schadenfolgen 112 Schadensereignis 107, 108 Schadensermittlungskosten 151, 158 Schadensersatzpflicht 38 Schadenshöhe 122 Schadensversicherung 100 Scheinmakler 98 Scheinmaklerhaftung 98 Schifffahrt 115 Schiffsbesatzung

Verhalten 130 Schiffsunfall 127

Page 302: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Stichwortverzeichnis 301

Schiffsversicherung 127, 130 Schlichtungsstelle 169, 201 Schlussüberschussanteil 146 Schuldformen 113 Schuldrechtmodernisierungsgesetz 13 Schutzbedürfnis 134 Schwangerschaft 153, 166 Seeversicherung 126, 167, 168 Selbstbehalt 118, 159

Änderung 159 Selbsttötung 141 SGB XI 157 Sicherheit 109 Sicherheitsleistung 108 Sonderkündigungsrecht 24 Sozialhilfeempfänger 164 Sozialversicherungsträger 122 Standardquotierung 73 Stellungnahme 158 Sterbetafeln 159 Sterbewahrscheinlichkeiten 159 stille Reserven 14, 138 Stille Reserven 136 stillen Reserven 27 Stornoabzug 31 Stornoabzüge 145 Suizid 141

T Tarifwechsel 159, 160, 166 Täuschung

arglistige 165 Telefonberatung 91 Telefongespräche 18 Textform 17, 22, 23, 44, 56 Tod

des Versicherungsnehmers 162 eines anderen 133, 139

Todesfall eines anderen 134

Tötung durch Leistungsberechtigte 141 Transparenz 30, 136 Transparenzgebot 135 Transportgüter 115 Transportversicherung 126 Treuhänder 141, 159

unabhängiger 141, 159

U Übermaß-Vergütungen 153 Überschuss 28, 135, 136 Überschussanteile 55, 134, 141, 143 Überschussbeteiligung 27, 29, 135, 136, 138,

139, 143, 194, 200 Übertragung 110 Überversicherung 100 Umwandlung 143, 147 Unfall 154

Definition 149 Unfallbereich 115 Unfallfolgen 153 Unfallversicherung 17, 41, 68, 147, 148 Unteilbarkeit der Prämie 24 Unternehmen 108, 109

Erwerber 109 Unternehmererklärung 90, 95 Untersuchung 134

ärztliche 134 Unterversicherung 100, 199 Urteil 109, 124

rechtskräftiges 109, 124

V Veräußerung 106, 124, 130, 199 Verbraucherschutz 13 Verbundsysteme 191 Verdienstausfall 154 Verfügung 110 Verfügungen über den Freistellungsanspruch

200 Verfügungsverbot 110 Vergleich 109, 110, 124 Vergütung 178, 185 Verhalten

der versicherten Person 139 Verjährung 25, 57, 119, 120, 193 Verjährung und Klagefrist 197 Verkäufer 129 Verletzung 62 Verletzungshandlung 111 Vermittlerpflichten 79 Vermittlungsprozess 47 Vermögen 110

des Versicherungsnehmers 110 Vernichtung 110 Versicherer 109

Page 303: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

302 Stichwortverzeichnis

Versichertengemeinschaft 163 versichertes Interesse

fehlendes 101 Versicherung 141

beitragsfreie 30 laufende 69, 168 prämienfreie 141, 143, 144, 168 Ruhen der 165 Umfang 126

Versicherungen fondsgebundene 145 mit kleinen Beträgen 168

Versicherungsbedingungen 16, 17, 39 Versicherungsbeginn

formeller 192 materieller 192 technischer 192

Versicherungsdauer 155 Versicherungsfall 107, 120, 143, 144, 150,

151, 156 Definition 107 Eintritt 129 Herbeiführung des 101 vorsätzliche Herbeiführung 120, 158

Versicherungsfalls 114 Eintritt 114

Versicherungsforderung 146 Versicherungsjahr 117 Versicherungsleistung 141, 155

Erfüllbarkeit 141 Herabsetzung 142 prämienfreie 143

Versicherungsleistungen 159 Herabsetzung 142

Versicherungsmakler 48, 52, 70, 71, 75, 82, 83, 85, 88, 97, 109, 172, 183

Versicherungsperiode 144 Versicherungspflicht 118, 121, 122, 160,

163, 164, 201 ausnahmen 164

Versicherungsschein 17, 155 abweichender 53 Vorlage 155

Versicherungsschutz 118, 123 Anforderungen 117 Begrenzung 118 Mitversicherter 123 Umfang 121

Versicherungssumme 108, 109, 110, 117, 122, 129, 130, 132, 151 Aufteilung 122

Versicherungs-TÜV 85 Versicherungsunternehmen 190 Versicherungsunternehmens-

Rechnungslegungsverordnung 135 Versicherungsvereine

kleinere 168 Versicherungsverhältnis 114, 120, 121, 123,

131, 132 Beendigung 120, 121, 123, 131, 132 Fortsetzung 162 krankes 120 Nichtbestehen 120 ordnungsgemäßes 121

Versicherungsverhältnisse befristete 167

Versicherungsvermittler 70, 71 Versicherungsvertrag 113, 117, 118, 132

eigenständiger 68 Nichtigkeit 132 Parteien 113 Zustandekommen 34

Versicherungsverträge 117 getrennte 117

Versicherungsvertreter 70, 74, 75, 76, 79, 83 Versicherungsvertriebe

strukturierte 189 Versicherungswert 104, 129 Versicherungszweige 107 Versorgungsanalyse 85 Verspätung 151 Verteilungsgrundsätze 136 Verteilungsverfahren 122 Vertrag 138

Beendigung 138 Kündigung 127

Vertragliche Obliegenheiten 198 Vertragsabschluss 138 Vertragsanpassung 60 Vertragsbeendigung

vorzeitige 144 Vertragsbeginn 56 Vertragsbestimmungen 17 Vertragsdauer 197 Vertragsende 56 Vertragserklärung 17 Vertragsinformationen 175

Page 304: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

Stichwortverzeichnis 303

Vertragskündigung 127 Vertragslaufzeit 156 Vertragspartei 114 Vertragsschlussmodelle 46 Vertragsverletzung 20 Vertreter 184

rechtsgeschäftlicher 173 Vertretungsmacht 99 Vertriebe 189 Vertriebskosten 18, 31, 42 Verwertbarkeit 144 Verwertung 144 Verzicht 37, 46, 77, 110 Verzichtslösung 50 Verzinsung der Entschädigu 105 Verzögern 113, 122

schuldhaftes 113, 122 Vollbeweis 112 Vollmacht

des Versicherungsvertreters 193 Vollmachtsformulare 175 Vollversicherungstarife 163 Vorläufige Deckung 199 Vorsatz 112 Vorvertragliche Anzeigepflicht 198 Vorzeitige Vertragsbeendigung 198 VVG-InfoVO 139 VVG-Reform 107

W Wahlrecht 135 Wahltarife 163 Wartezeit 156, 160, 166 Wartezeiten 157, 158 Wechsel

des Krankenversicherers 163

Wert 129 gemeiner 129

Wertentwicklung 136 Wertminderung 129 Widerruf 134 Widerrufsfrist 19, 53, 134, 135 Widerrufsrecht 19, 53, 54, 55

allgemeines 19 einheitliches 19

Widerrufsrecht des VN 197 Wiederbeschaffung 105 Wiederherstellung 105, 130 Wirksamkeit 149 Wirtschaftlichkeitsgebot 153

Z Zahlungsanspruch 109, 111

Fälligkeit 109 Zahlungsfrist 143 Zahlungsverzug 66, 67, 131

des Versicherungsnehmers 162 Zahlungsverzug Erstprämie 198 Zahlungsverzug Folgeprämie 198 Zahnbehandlung 157 Zahnersatz 157 Zeitablauf 138 Zeitwert 30, 145 Zeuge 111 Zeugenaussage 112 Zinsen 108 Zinssätze 139 Zwangsversteigerung 106 Zwangsvollstreckung 108, 110, 146

Abwendung 108 Zweifel 112

Page 305: Das neue Versicherungsvertragsgesetz

304

Notizen