dimensionen der primär- und sekundärteilchen bei einigen kristallinen eisen(iii)-hydroxyden

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424 Zeit,schriit fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 251. 1943 Dimensionen der Primar- und Sekundarteilchen bei einigen kristallinen Eisen(lll]-hydroxyden l> Von R. FRICKE u. G. WEITBRECHT Mit 4 Abbildungen im Text Kiirzlich wurde in einer vergleichenden rijntgenographischen und ubermikroskopischen Untersuchung festgestellt, daB Kristall- niidelchen Ton y-FeOOH rnit einer Langc von 1000-2000 und einer Dicke von --I 100 A fur Rijutgenlicht (Fe-Ka-Strahlung) keine koharenten Bereiche vorstellten. Die mittleren Dimensionen der PrimBr- teilchen in drei aiifeinander senkrecht stehenden Raumrichtungen lagen bei bzw. unter der Dicke der Nadelchen (gef. 116 x 47 x 72 A)”). Fur die Bestimmung der PrimiiirteilchengroBe wurde die ursprung- liche Methode von 31. v. LAUE~ bzw. R. BRILL^) benutit. Ton A. %;OCHENDoRFER5)6) wurde neuerdings eine Methode zur TeilchengrSBeiabestimmung mit Rontgenstrahlen ausgearbeitet, bei der die Substrmz in nicht zu dicker, glatter Schicht (etwa 0,l mm dick) auf einern planen Plattchen, z. €3. einem Glasplattchen von etma 0,8-1,2 mm Breite, zur Untersuchung gelangt. Das Plattchen wird 80 in die Kamera hineinmontiert, daB die virtuelle Verlangerung der zentralen Kameraachse genau in der belegten Oberflache der Platte lie@ (also eine ahnliche Montage wie bei einem Kristall ini Siegbahnspektrographen). Man arbeitet mit divergentem Licht, also mit einfacher Punkt- oder Schlitzblende. Die Breite der Rlende sol1 merklich kleiner sein als die naturliche Rreite der schmalsten zu untersuchenden Interferenz. Blende und Film miissen vom Dreh- punkt den gleichen Abstand haben. Da man keinen Einzelkristall, sonclern Mikrokristalle in allea moglichen Lagen hat, muB zur Erreichung der Fokussierung (SIEQ- BAHN) der Anstrahlwinkel x, den das Plattchen mit dem zentralen ’) 66. Mitteilong betr. das Gebiet aktiver fester Stoffe. *) R. FRICKE, TH. SCHOON u. W. SCHR~DER, Z. physik. Chem. Abt. B 50 3, M. v. LAUE, Z. Kryst. 64 (1526), 115. 4, R. BRILL, Z. Kryst. 66 (1928), 387. 6, A. KOCEEND~RFER, Z. Kryst. (A) 07 (1937), 469 und 263. 6) IJ. DEBLINGER u. A. HOCHEND~RFER, Z. Kryst. (A) 101 (1930), 134. (19411, 13.

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Page 1: Dimensionen der Primär- und Sekundärteilchen bei einigen kristallinen Eisen(III)-hydroxyden

424 Zeit,schriit fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 251. 1943

Dimensionen der Primar- und Sekundarteilchen bei einigen kristallinen Eisen(lll]-hydroxyden l>

Von R. FRICKE u. G. WEITBRECHT Mit 4 Abbildungen im Text

Kiirzlich wurde in einer vergleichenden rijntgenographischen und ubermikroskopischen Untersuchung festgestellt, daB Kristall- niidelchen Ton y-FeOOH rnit einer Langc von 1000-2000 und einer Dicke von --I 100 A fur Rijutgenlicht (Fe-Ka-Strahlung) keine koharenten Bereiche vorstellten. Die mittleren Dimensionen der PrimBr- teilchen in drei aiifeinander senkrecht stehenden Raumrichtungen lagen bei bzw. unter der Dicke der Nadelchen (gef. 116 x 47 x 72 A)”). Fur die Bestimmung der PrimiiirteilchengroBe wurde die ursprung- liche Methode von 31. v. L A U E ~ bzw. R. BRILL^) benutit.

Ton A. %;OCHENDoRFER5)6) wurde neuerdings eine Methode zur TeilchengrSBeiabestimmung mit Rontgenstrahlen ausgearbeitet, bei der die Substrmz in nicht zu dicker, glatter Schicht (etwa 0,l mm dick) auf einern planen Plattchen, z. €3. einem Glasplattchen von etma 0,8-1,2 mm Breite, zur Untersuchung gelangt. Das Plattchen wird 80 in die Kamera hineinmontiert, daB die virtuelle Verlangerung der zentralen Kameraachse genau in der belegten Oberflache der Platte lie@ (also eine ahnliche Montage wie bei einem Kristall ini Siegbahnspektrographen). Man arbeitet mit divergentem Licht, also mit einfacher Punkt- oder Schlitzblende. Die Breite der Rlende sol1 merklich kleiner sein als die naturliche Rreite der schmalsten zu untersuchenden Interferenz. Blende und Film miissen vom Dreh- punkt den gleichen Abstand haben.

Da man keinen Einzelkristall, sonclern Mikrokristalle in allea moglichen Lagen hat, muB zur Erreichung der Fokussierung (SIEQ- BAHN) der Anstrahlwinkel x, den das Plattchen mit dem zentralen

’) 66. Mitteilong betr. das Gebiet aktiver fester Stoffe. *) R. FRICKE, TH. SCHOON u. W. SCHR~DER, Z. physik. Chem. Abt. B 50

3, M. v. LAUE, Z. Kryst. 64 (1526), 115. 4, R. BRILL, Z. Kryst. 66 (1928), 387. 6, A. KOCEEND~RFER, Z. Kryst. (A) 07 (1937), 469 und 263. 6) IJ. DEBLINGER u. A. HOCHEND~RFER, Z. Kryst. (A) 101 (1930), 134.

(19411, 13.

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Fricke u. Weitbrecht. Dimensionen der Primiir- 11. Sekundarteilchen usw. 425

Teil des einfallenden Strahles bildet, gleich dem BRAGG’schen Glanz- winkel sein. Fur die Aufnahnie jeder Interferenz ist also eine be- sondere Einstellung des Pliittchens notwendig, die nur fur eng be- nachbarte Interferenzen bei hohen Ablenkungswinkeln gemeinsam ausgefuhrt werden kann.

Arbeitet man in der geschilderten Weise, so hat man folgende Vorteile gegeniiber der Methode unter Verwendung Ton Priiparaten- stalnchen: Unabhingigkeit der Interferenzbreite von der Absorption irn Praparat, von einer eventuellen Textur im Praparat und von einer unregelma5igen Intensitatsverteilung im Primiirstrahl. Diese Vorteile, welche die Zuverlassigkeit der Teilchengrofienbestimmung erhahen, sind mit der Stabchenmethode nicht zu erreichen.

Die Beziehung zwischen der Halbwertsbreite der Interferenz und der v. LAm’schen Ma5zahl ist bei Verwendung der Methode nach KOCHEND~RFER einfach

b cos 6 v = 3,6;-z 7

woriu R den Radius der Ramera, 9. den Glanzwinkel und b die wegen der zusatzlichen Verbreiterung dnrch den Dublettcharakter der Strahlung (a, u. und wegen des Einflusses der Blenden- breite 2, und der natiirlichen Interferenzbreite korrigierte Halbwerts- breite bedeutet.

Es erschien von Interesse, diese new, besonders zuverlissige Methode zur r6ntgenographischen TeilchengriiBenbestimmung im Ver- gleich mi t der iibermikroskopischen Un tersuchung auf Mikrokristalle anzuwenden. Wir verwandten zwei Praparate Ton y-FeOOH3) und ein Priiparat von a-FeOOH3). Die Darstellung geschah in friiher geschilderter Weise4). Beide Kristallarten kristallisieren rhombisch, und zwar mit den ElementarkGrperdimensionen: a-FeOOH: a= 4,64; b = 10,O; c = 3,03 A. y-FeOOH: a = ’487; B = 12,51; c = 3,06 A-3”.

Fur die r6ntgenographische Untersuchung verwandten wir mit Pe gefilterte Co-Strahlung. Anregungsspannung 30 kV, wirksamer Kameradurchmesser 57,@ mm, Blendendurchmesser 0,l mm.

I n der Tnbelle bedeuten Die Resultate finclen sich in Tabelle 1.

l) R. BRILL, Z. Kryst. 68 (1928), 387. 2, U. DEHLINGER u. A. KOCHEND~RF’ER, Z. Kryst. (A) 101 (1939), 134. 3, FRICKE-HUTTIG, Hydroxyde und Oxydhydrate, Leipzig 1937, S. 317. 4, 0. GLEYSER, Ber. dtsch. chem. Gea. 70 (1937), 2117 (Methode A) und

5, J. BOHY, Z. Kryst. 68 (1928), 567; S. GOLDSZTAUB, Compt. rend. 19.5 7 1 (1938), 158.

(1932), 964.

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426 Zeit,schrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 251. 1943

~~ ~ ~ ~~~

a-FeOOH 1 960-4700 82-165 y-FeOOH, 1 1160-3100 , 39 -154

m,, und ni3 die mittlere Anzahl der Identitatsperioden in einem Primiirteilchen in Richtung der Achsen. a, b und c sind die Identi- tiitsperioden (vgl. oben). Tabelle 1. R Bn t g e n o g r a p h i s c h b e s t i m m t e P r i m I r t e i 1 c h e n d im e n s i o n e n

Weiterhiu wurden die Hydroxyde mit dem o b e r m i k roskop nach v. BORRIES und RUSKA untersucht. Hierzu wurden sie nach Suspension in Xylol mit Ultraschall vou 350 k-Hertz dispergiert l) und dann auf feinen Kollodiumfolien auf die Objekttragerblenden des Obermikroskopes gebracht.

Alle Prgparate bestanden aus Nadelchen. Wahrend aber beim a-FeOOH die Nadelchen p a r a l l e l zu Bundeln vereinigt waren (Nadeleisenerz !), lagen sie in den Konglomeraten des y - FeOOH wesentlich ungeordneter. In Abb. 1-4 bringen wir einige typische elektronenmikroskopische Bilder.

Die elektronenmikroskopisch erschlossenen Dimensionen bringen wir in Tabelle 2.

Tabelle 2. E 1 e k t r o n e n m i k r o s k o p i s c h gem e s s e n e D i m e n s i o n e n

110 51 55

Ein Vergleich von Tabelle 1 und 2 zeigt, da13 die iibermikro- skopisch sichtbaren Kristallnadeln aus Primarteilchen bestehen mussen, welche in Richtung der Nadelachsen aneinandergelegt sind.

Es be steht kein einfacher Zusammenhang zwischen den Ab- messungen der Nadelchen und der GroSe der Primiirteilchen (y-FeOOHl und y-JfOOH,).

Aus obigen - Befunden, aelche eine Erweiterung und Sicherung l) Fur die freundliche Uberlassung seiner Ultraschallapparatur zu diesem

Zweck danken wir herslich Herrn G. SCHMID vom Institut fur physikalische Chemie der Technischen Hochschule Stuttgart.

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Fricke u. Weitbrecht. Dimensionen der Primar- u. Sekundarteilchen usw. 427

Abb. 1. CZ-FCOOH Rbb. 2. a-FeOOH VergrGBerung linear 36800fach Vergr6Berung linear 38 300 fach

Abb. 3. y-FeOOH Abh.4. y-FeOOH VergrGBerung linear 38300 fach VergrGBerung linear 39 700fach

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428 Zeitschift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 251. 1943

von friiher bereits anderwarts erhobenen Resultaten I) darstellen, ergibt sich n i t aller Klarheit, daB auch im mik rokr i s t a l l i nen Gebiet die Bezeichnung Kristall oder Kristallit keine eindeutige Definition der Sekundarstruktur 2, vorstellt, sondern dab in allen Fallen prinzipiell mit der Moglichkeit gerechnet werden muW, daB keine Idealkristalle (Kristall = Koharenzbereich), sondern ,,MosaikkristalleLL vorliegen. Von Tornherein diirch die Anmendung einer einzigen Methode definiert ist im allgemeinen nur das Primarteilchen bzw. der Koharenzbereich. Das sogenanote ,,KornLL (im Sinne von K. E. ZIMENS)~) kann sowohl ein einzelner Kohkrenzbereich (Idealkristall), als auch ein aus kleineren Koharenzberwichen bestehender Kristall , als auch eine Zusammen- ballung oder Verwachsung dieser beiden Arten von Kristallen sein. Zur Erfassurvg der Struktur dieser ,,KornCrii erscheint die Kombination der rihtgenographischen und iibermikroskopischen Untersuchung be- sonders fruchtbar.

Zusammen fassung Synthetisch hergestelltes a-FeOOH und y-FeOOI-I bestanden nach

Ausweis iibermikroskopischer Untersuchung beide aus feinen Nadelchen. Diese lagen beim a-FeOOH (Nadeleisenerz) in parallelen Biindeln

zusammen. Beim 7-FeOOH waren sie wesentlich unregelmafiiger zusammengelagert.

Die Nadelchen sind trotz ihrer Kleinheit nach Ausweis der rontgenogrephischen Untersuchung keine Einkristalle, sondern be- stehen aus kleineren Primarteilchen, welche in Richtung der Nadel- achsen aneinandergesetzt sind.

Ein einfacher Zusammenhang zwischen den Abmessungen der NBdelchen und der Primarteilchen besteht nicht.

Auch im mikrokristallinen Gebiet muB prinzipiell noch mit der Moglichkeit einer Unterteilung der Kristallchen in kleinere Koharenz- bereiche gerechnet werden.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir fur die Erstellung wertvoller Apparate, insbesondere des fjbermikroskopes.

I) R. FRICEE, TH. SCHOON u. W. SCHR~DER, Z. physik. Chem. Abt. €3 60 (1941), 13; R. BRILL, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 46 (1940), 600 sowie D. BPISCHER, ebenda 49(1943) im Druck. Dort auch Literatur, wo Kristallit= Koharenzbereich gefunden wurde (D. BEISCEIER, U. H O F M A N N , ~ . FEITENECIIT U. a.

2, R. FRICEE u. W. FEITKNECHT, Kolloid-Z. 95 (1941), 355. s, Vgl. K. E. ZIMENS, Z, physik. Chem. Abt. A 191 (1942), 95 und friihere

Arbeiteu dieses Autors.

Stuttgart, Laborator iumf. anorganische Chemieulzd anorganisch- chernische Technologie der Technischen Hochschule.

Bei der Redaktion eingegangen am 26. Mai 1943.