„dienstleistungsgeschäfte“ von rückversicherern: modelle und typologien

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„Dienstleistungsgeschafte” von Riickversicherern: Modelle and Typologien* Von Stefan Schneider, Köln Inhaltsiibersicht 1. Einleitung 2. Die ,Dienstleistungsgeschafte" der Rackversicherer in Theorie and Praxis 2.1 Entwicklung eines Marktleistungsmodells fur die Geschafte der Ruckver- sicherer 2.1.1 Aufgaben des Modells 2.1.2 Aufbau des Modells 2.2 Darstellung ausgewahlter, empirisch bedeutender Dienstleistungen and ihre Positionierung im Marktleistungsmodell 2.2.1 Informationsdienstleistungen 2.2.2 Beratungsdienstleistungen 2.2.3 Personaldienstleistungen 2.2.4 Management- and Betriebsfuhrungsdienstleistungen 2.2.5 Finanzdienstleistungen 3. Marktleistungskategoriebezogene Analyse der Dienstleistungsgeschafte 3.1 Zielsysteme von Ruckversicherern 3.2 Marktleistungskategoriebezogene Analyse 1. Einleitung Die Leistungspalette von Ruckversicherern umfaBt heute neben den ver- schiedenen Formen von Ruckversicherungsschutz eine Vielzahl anderer Dienstleistungen, die nicht zum „klassischen" Geschaft dieser Unterneh- men gehoren. Der vorliegende Beitrag soil diese Dienstleistungen beschreiben, definie- ren and von Riickversicherungsschutzleistungen abgrenzen. Durch ihre Einordnung in das Leistungsangebot (Programm) von Riickversicherern, ihre Kategorisierung and die knappe Analyse unter unternehmenspoliti- schen Gesichtspunkten sollen alsdann Stellung and Bedeutung dieser „Dienstleistungsgeschafte" naher beschrieben werden. Dabei muB im Rah- * Uberarbeiteter Auszug aus einer betriebswirtschaftlichen Diplomarbeit im Seminar fur Versicherungslehre der Universitat zu Kohn.

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Page 1: „Dienstleistungsgeschäfte“ von Rückversicherern: Modelle und Typologien

„Dienstleistungsgeschafte” von Riickversicherern:Modelle and Typologien*

Von Stefan Schneider, Köln

Inhaltsiibersicht

1. Einleitung

2. Die ,Dienstleistungsgeschafte" der Rackversicherer in Theorie and Praxis

2.1 Entwicklung eines Marktleistungsmodells fur die Geschafte der Ruckver-sicherer

2.1.1 Aufgaben des Modells2.1.2 Aufbau des Modells

2.2 Darstellung ausgewahlter, empirisch bedeutender Dienstleistungen and ihrePositionierung im Marktleistungsmodell

2.2.1 Informationsdienstleistungen2.2.2 Beratungsdienstleistungen2.2.3 Personaldienstleistungen2.2.4 Management- and Betriebsfuhrungsdienstleistungen2.2.5 Finanzdienstleistungen

3. Marktleistungskategoriebezogene Analyse der Dienstleistungsgeschafte

3.1 Zielsysteme von Ruckversicherern3.2 Marktleistungskategoriebezogene Analyse

1. Einleitung

Die Leistungspalette von Ruckversicherern umfaBt heute neben den ver-schiedenen Formen von Ruckversicherungsschutz eine Vielzahl andererDienstleistungen, die nicht zum „klassischen" Geschaft dieser Unterneh-men gehoren.

Der vorliegende Beitrag soil diese Dienstleistungen beschreiben, definie-ren and von Riickversicherungsschutzleistungen abgrenzen. Durch ihreEinordnung in das Leistungsangebot (Programm) von Riickversicherern,ihre Kategorisierung and die knappe Analyse unter unternehmenspoliti-schen Gesichtspunkten sollen alsdann Stellung and Bedeutung dieser„Dienstleistungsgeschafte" naher beschrieben werden. Dabei muB im Rah-

* Uberarbeiteter Auszug aus einer betriebswirtschaftlichen Diplomarbeit imSeminar fur Versicherungslehre der Universitat zu Kohn.

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men dieses Beitrags auf die vollstandige Beschreibung and Darstellung allertheoretisch denkbaren and tatsdchlich angebotenen nicht Ri ckversiche-rungsschutz darstellenden Dienstleistungen verzichtet werden.

2. Die ,Dienstleistungsgeschiifte" der Riickversichererin Theorie and Praxis

Die Behandlung des Themas geht von der einschldgigen Literatur aus, diein Bezug auf Systematik and Vollstandigkeit ein erganzungsbedurftigesBild vermittelt.l Deshalb wird im ndchsten Schritt durch die Entwicklungeines Marktleistungsmodells die Kategorisierung der ,Dienstleistungsge-schafte" ermoglicht, deren Beschreibung anschlieBend erganzt wird.

2.1 Entwicklung eines Marktleistungsmodellsfur die Geschafte der Riickversicherer

2.1.1 Aufgaben des Modells

Das nachfolgend entwickelte Marktleistungsmodell2 der Ruckversicherervereinigt beschreibende mit gestalterischen Ansatzen. Seine wesentlicheAufgabe besteht darin, die komplexe Realitat durch Abstraktion and Ver-einfachung fur eine inhaltliche Auseinandersetzung handhabbar zumachen. Damit verbunden ist die Notwendigkeit zur Entwicklung eineskonsistenten Begriffssystems. Dies ist auch angesichts der Unstimmigkeitenin der (ruck-)versicherungswissenschaftlichen Literatur geboten, die denBegriff Dienstleistungen — sofern nicht die Gesamtheit der von Ruckversi-cherern produzierten and abgesetzten Leistungen gemeint ist — ebensouneinheitlich verwendet wie die Begriffe Dienstleistungsgeschaft, Serviceand Kundendienst. 3

1 Vgl. hierzu ausfiihrlich Eichorn, W.: Das Service-Angebot des professionellenRuckversicherers, in: VW, 1975, S. 31 - 36; Gerathewohl, K. u. a.: Ruckversicherung-Grundlagen and Praxis, Bd. 1, Karlsruhe 1976, S. 1 - 52, S. 402 - 425; Gerathewohl,K. u.a.: Ruckversicherung — Grundlagen and Praxis, Bd. 2, Karlsruhe 1979; Gross-mann, M.: Ruckversicherung — eine Einfuhrung, hrsg. v. Institut fur Versicherungs-wirtschaft an der Hochschule St. Gallen, Bern, Frankfurt 1977, Koch, P.: Ruckversi-cherung, in: HdV, hrsg. v. D. Farny u.a., Karlsruhe 1988, S. 689 - 701; Pfeiffer, Ch.:Einfiihrung in die Riickversicherung, 3. Aufl., Wiesbaden 1986; Roos, J. C.: DieDienstleistungen des Ruckversicherers, in: SchweizVZ, 1962/63, Vol. 3, S. 401 - 411;Schmidt, J.: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Ruckversicherung unter besondererBerucksichtigung der Absatzpolitik von Ruckversicherungsunternehmen, Karlsruhe1980; Vischer, H. B.: Partnerschaft in der Assekuranz, in ZfV, 1972, S. 650 - 652.

2 Einzelheiten zum betriebswirtschaftlichen Modellbegriff vgl. Bamberg, G., Coen-enberg, A. G.: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 4. Aufl., Munchen 1985,S. 12 ff.

3 Vgl. hierzu ausfiihrlich die in FuBnote 1 angegebene Literatur.

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2.1.2 Aufbau des Modells

Das Marktleistungsmodell soil durch sukzessive Reduktion das eigent-liche Untersuchungsobjekt ,Dienstleistungsgeschafte" klar herausarbeiten.Dabei bezieht es bewuBt zunachst samtliche Marktleistungen4 der Ruckver-sicherer in die Betrachtung ein. Diese Vorgehensweise erlaubt einerseits dieIdentifikation der Dienstleistungsgeschafte and ihre Einordnung in dasAktivitatsspektrum der Ruckversicherer. Andererseits wird verhindert, daI3wichtige Bereiche vorzeitig von weiteren Betrachtungen ausgeschlossenwerden. Der Aufbau des Modells vollzieht sich in zwei Schritten. Zunachstwerden die Marktleistungen der Riickversicherer in die Bestandteile Risiko-transfer and Dienstleistungen zerlegt. Dabei interessiert besonders derAnteil dieser Bestandteile an den verschiedenen Marktleistungen der Ri ck-versicherer. Darauf aufbauend wird das breite Leistungsspektrum derRuckversicherer, durch Zusammenfassung von Marktleistungen, die hin-sichtlich eines festgelegten Kriteriums ahnlich sind, in vier sogenannteMarktleistungskategorien aufgeteilt.

2.1.2.1 Zerlegung der Marktleistungen der Riickversichererin ihre Bestandteile

Das Marktleistungsspektrum der Ruckversicherer, hier definiert als dieSumme der am Markt theoretisch anbietbaren Leistungen, lMBt sich modell-haft zunachst wie in Abbildung 1 dargestellt reduzieren.

Unter der Annahme, daB ein lotrechter Schnitt durch dieses einfacheRechteck dabei jeweils eine beliebige Marktleistung reprasentiert, kann dasgesamte Rechteck als das dichtgedrangte Nebeneinander aller theoretischdenkbaren Marktleistungen verstanden werden.

2.1.2.1.1 Zerlegung der Marktleistungen in die BestandteileRisikotransfer and Dienstleistungen i.w.S.

Die ganzheitlich betrachteten Marktleistungen der Riickversicherer las-sen sich gedanklich in die variables Bestandteile Risikotransfer and Dienst-leistungen i.w.S. zerlegen. 5

4 Marktleistungen sind dabei all jene im Ruckversicherungsunternehmen durchFaktoreinsatz- und -kombination erstellten Wirtschaftsguter, die zum Absatzbestimmt sind.

5 Vgl. Fanny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 432.

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318 Stefan Schneider

IMarktleistungsspektrum

Abb. 1: Das Marktleistungsmodell I

Risikotransfer

I

Dienstleistungen i.w.S.

Marktleistungsspektrum

Abb. 2: Das Marktleistungsmodell II

Dabei wird Risikotransfer verstanden als die Ubertragung einer Wahr-

scheinlichkeitsverteilung von Schaden von einem Ruckversicherungsneh-

mer auf einen Ruckversicherer. 6 Damit diese abstrakten Risikotransfers zu

6 Vgl. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 432.

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einem am Markt austauschfahigen Wirtschaftsgut werden, bedarf esbestimmter Dienstleistungen, die nachfolgend als Abwicklungsleistungenbezeichnet werden. Abwicklungsleistungen sind Bestandteil der Dienstlei-stungen i.w.S. Der Begriff der Dienstleistungen i.w.S. umschlieSt daruberhinaus jedoch zusatzlich all jene Dienstleistungen i.e.S., die als Bestandteilder Marktleistungen der Ruckversicherer dargeboten werden aber ebennicht Abwicklungsleistungen fur Risikotransfers sind and nachfolgend nurnoch mit dem Begriff Dienstleistungen bezeichnet werden. 7

Hinsichtlich der Marktfahigkeit der miteinander verknupften VariablenRisikotransfer and Dienstleistungen i.w.S. besteht ein grundsatzlicherUnterschied. Marktleistungen konnen vollstandig aus Dienstleistungeni.w.S. bestehen, da diese die per definitionem notwendigen Abwicklungslei-stungen bereits enthalten. Eine allein aus Risikotransfer bestehende Lei-stung ist dagegen nicht marktfahig. Dazu muB — nach dem vorliegendenBegriffsverstandnis — der jeweilige Risikotransferteil mindestens um die zurErstellung einer Marktleistung zwingend notwendigen Abwicklungsleistun-gen erganzt werden.

2.1.2.1.2 Trennung der Abwicklungsleistungen von denDienstleistungen

Abwicklungsleistungen sind wie ausgefuhrt Bestandteil der Dienstlei-stungen i.w.S. Definiert werden sie als all jene Dienstleistungen, diebetriebstechnisch unbedingt notwendig sind, um eine Marktleistung uber-haupt erst zu erstellen. Konkret handelt es sich dabei urn ein System vonLeistungen, dessen wesentliche Elemente der Schaffung and Erhaltung derBetriebsbereitschaft des Ruckversicherers sowie der tatsachlichen Durch-fuhrung von Geschaften dient. 8 Dieses System besteht aus einer Vielzahlsimultan and sukzessiw vollzogener Leistungsprozesse, deren Ergebnissemit Risikotransfers und /oder Dienstleistungen zu den Marktleistungen derRuckversicherer zusammenfliel3en.

Obwohl sich die Abwicklungsleistungen real als unverzichtbarer andintegraler Bestandteil einer jeden Marktleistung darstellen, sind sie hier nurvon nachgeordneter Bedeutung, werden deshalb nachfolgend von denDienstleistungen getrennt and keiner weitergehenden Betrachtung unterzo-gen.

7 Eine Darstellung ausgewahlter, empirisch bedeutender Dienstleistungen findetsich in Kap. 2.2.

8 Vgl. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 312., S. 348 ff.,S. 432.

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320 Stefan Schneider

Risikotransfer

Dienstleistungen

Abwicklungsleistungen

Abb. 3: Das Marktleistungsmodell III

Dies erlaubt die Konzentration auf die nicht Abwicklung darstellendenDienstleistungen, die als vermuteter Kernbereich der Dienstleistungsge-schafte der RUckversicherer hier von besonderem Interesse sind. 9

2.1.2.2 Zusammenfassung der Marktleistungender RUckversicherer zu Marktleistungskategorien

Die abschlieBende Identifikation and Festlegung des eigentlichen Unter-suchungsgegenstandes wird durch eine Zusammenfassung der Marktlei-stungen zu vier Marktleistungskategorien erreicht. Dabei wird die Zugeho-rigkeit einzelner Marktleistungen zu einer dieser Kategorien von ihremjeweiligen Dienstleistungsanteil abhangig gemacht.

9 Anders als Abbildung 3 es zeigt, ist der Umfang der Abwicklungsleistungengrundsatzlich weder innerhalb aller Marktleistungen gleich, noch eindeutig vomjeweils vorliegenden Verhaltnis der beiden anderen Marktleistungsbestandteile Risi-kotransfer and Dienstleistungen zueinander abhangig. Vielmehr bestimmen die kon-krete inhaltliche Ausgestaltung der Marktleistung and die Vereinbarungen der Ver-tragspartner Qualitat and Quantitat der Abwicklung. Daruber hinaus ist die Grenzezwischen Abwicklungsleistungen and Dienstleistungen real allgemein unscharf, sodaB Bich die Zugehorigkeit einzelner Leistungen zum Bereich der Abwicklungslei-stungen bzw. Dienstleistungen haufig erst bei der Betrachtung konkreter Marktlei-stungen erschlieSt. Die vorstehende, vereinfachende Darstellungsweise kann hierjedoch gewahlt werden, weil es fur die weitere Betrachtung auf den Anteil derAbwicklungsleistungen an einer Marktleistung ebensowenig ankommt, wie auf eineuber die allgemein inhaltliche Abgrenzung hinausgehende exakte Bestimmung desBereichs der Abwicklungsdienstleistungen.

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2.1.2.2.1 Der Dienstleistungsanteil als Zuordnungskriteriumzu den Marktleistungskategorien

Angesichts der Vielfalt der theoretisch denkbaren and tatsachlich ange-botenen Marktleistungen von Ruckversicherern and ihrer teilweise nur gra-duellen Unterschiede ist es weder sinnvoll noch moglich, alle Marktleistun-gen einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Werden einzelne Marktlei-stungen jedoch anhand eines bestimmten Kriteriums zu Kategorien zusam-mengefaBt, ergeben sich Einheiten, die einer intensiveren Analyse eherzuganglich sind. Durch die Abspaltung der Abwicklungsleistungen redu-ziert sich die weitere Betrachtung auf die noch verbleibenden variablenAnteile jeder betrachteten Marktleistung, namlich die Bestandteile Risiko-transfer and Dienstleistung. Diese Variablen konnen dabei grundsatzlichalle Auspragungen auf einem Kontinuum annehmen, das durch die Extreme,,kein Dienstleistungs- bzw. nur Risikotransferanteil" einerseits and ,nurDienstleistungs- bzw. kein Risikotransferanteil" andererseits begrenztwird. Das Kriterium, nach dem die einzelnen Marktleistungen nun zu Kate-gorien zusammengefaBt werden, ist ihr jeweiliger Dienstleistungsanteil.

Entsprechende Zuordnungen sind theoretisch moglich, wenn der Dienst-leistungs- and Risikotransferanteil sowie die betrachtete Marktleistungselbst in einer gemeinsamen MeBskala abgebildet werden konnen, welchedie Bildung der gesuchten Relation erlaubt. Geeignet fur die Messung warenKosten, Umsatz oder Ertrag der einzelnen Marktleistungsbestandteile. Diesstoat jedoch auf Schwierigkeiten, weil insbesondere fur den Dienstlei-stungsteil diese Daten in vielen Ruckversicherungsunternehmen nicht ver-fiigbar sind.

Entscheidend fur die Zuordnung sollen hier deshalb ersatzweise die Ziel-setzungen des jeweiligen Leistungsabnehmers bei VertragsabschluB sein.Als Kriterium gilt also, welche Leistung der Abnehmer vorrangig erwerbenwill. Ermittelbar ist dies durch direkte Befragung der Entscheidungstra-ger. 10

2.1.2.2.2 Die Marktleistungskategorien der Riickversicherer

Das gesamte Marktleistungsspektrum wird hinsichtlich des Dienstlei-stungsanteils der Marktleistungen zunachst in zwei Bereiche unterteilt.Dabei bezeichnet Riickversicherungsschutz denjenigen Bereich, dessen

10 Vg1. hierzu ausfuhrlich: Helten, E.: Vom Nutzen der Ruckversicherung aus derSicht der Erstversicherer, Mannheim 1985; Helten, E.: Zielstrukturen and Organisa-tion von Ruckversicherungsentscheidungen — Erste Ergebnisse einer empirischenUntersuchung deutscher Schaden- and Unfallversicherungsunternehmen —, Mann-heim 1983.

21 Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 1

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Marktleistungen durch einen rezessiven Dienstleistungsanteil bestimmtwerden. Die Marktleistungen des Bereichs der Dienstleistungsgeschaftewerden dahingegen durch ihren jeweiligen Dienstleistungsanteil dominiert.Die Grenze zwischen dominant and rezessiv bleibt dabei allgemeinunscharf. Die Zuordnung einzelner Marktleistungen des Grenzbereichsware deshalb zwangsldufig umstritten, wenngleich anhand der in Abschnit2.1.2.2.1 genannten Kriterien durchaus vorstellbar.

Der Dienstleistungsanteil kann im Bereich der Dienstleistungsgeschaftealleiniger Bestandteil der Marktleistung sein. Im Bereich Ruckversicherungkann er vollig fehlen. Abbildung 4 beinhaltet diese Extreme bereits inGestalt der seitlichen Begrenzungen des Marktleistungsspektrums. In Abbil-dung 5 sind diese Randbereiche ausgedehnt, um die Kategorieeigenschaftder beiden Extreme auch visuell deutlich zu machen. Dies soil andererseitsjedoch nicht zu der Annahme verleiten, die Breite der dargestellten Markt-leistungskategorien korreliere mit ihrer realen Bedeutung.

Risikutransl'cr

Dicnstkistungen

Abwicklungs leistungen

Ruckver- Dienstleistungs-sicherungsschutz geschafte

Abb. 4: Das Marktleistungsmodell IV

Dementsprechend wird der Wertebereich der stetigen Variable Dienstlei-stungsanteil in die Auspragungskategorienll ,kein Dienstleistungsanteil",

11 Die Auspragungskategorien ,kein Dienstleistungsanteil" bzw. ,alleinigerDienstleistungsanteil" beinhalten jeweils nur eine einzige Auspragung der VariableDienstleistungsanteil. Der Begriff Kategorie wird hier aus zwei Grunden jedochtrotzdem verwandt. Erstens reprasentiert jede einzelne Auspragung der Modellvaria-ble ,Dienstleistungsanteil" real eine Vielzahl unterschiedlichster Marktleistungen,deren gemeinsames Merkmal einzig eben die relative GroBe ihres Dienstleistungsan-teils ist. Zweitens ist die Bildung einer Kategorie formal von der Anzahl der jeweils

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,,rezessiver Dienstleistungsanteil", ,dominanter Dienstleistungsanteil"

sowie ,alleiniger Dienstleistungsanteil" zergliedert.

Risikolransfer

Dienstleislungen

C= = _ — Abwicklungsleistungcn

Ruckver- Dienstleistungs-sicherungsschutz geschafte

Abb. 5: Das Marktleistungsmodell V

I ( I: "Reiner

Risikotransfer 1 I Ruckversicherungsscbutz"

j II: "Ruckversicherungsschutzand Service"

I Ill: "Dienstleistungsgeschifte inDienstleistungen in Ruckversicherungsvertragsform"

N: "ReineDienstleistungsgeschifte"

Abwisklungsle i stu nge n

I II III IV

Abb. 6: Das Marktleistungsmodell VI

umschlossenen Auspragungen unabhangig, gleichwohl steigt das Verstandnis fur eineKategoriebildung ublicherweise mit der Anzahl der umschlossenen Einheiten.

21'

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324 Stefan Schneider

Abhangig von der Ausprdgung der Variable Dienstleistungsanteil werdendamit abschlieflend die folgenden vier Marktleistungskategorien unter-schieden, deren Marktleistungen grundsatzlich jeweils aus einer Kernlei-stung (Risikotransfer und! oder Dienstleistung) and den dazugehorigenAbwicklungsleistungen bestehen:

— „Reiner Riickversicherungsschutz"

— ,RUckversicherungsschutz and Service"

— ,Dienstleistungsgeschafte in Ruckversicherungsvertragsform"

— „Rein Dienstleistungsgeschafte"

2.1.2.2.2.1 „Reiner Riickversicherungsschutz"

Diese Kategorie vereinigt all jene Marktleistungen, die ausschlieBlich ausRisikotransfer and den damit verknupften mindestnotwendigen Abwick-lungsleistungen bestehen.

2.1.2.2.2.2 ,Riickversicherungsschutz and Service"

Kennzeichen der Marktleistungen dieser Kategorie sind die integrierten,zusatzlichen Dienstleistungen, um die der Risikotransfer erweitert wird,ohne jedoch insgesamt seine bestimmende Stellung einzubuf3en. DieserDienstleistungsteil wird hier mit Service bezeichnet. Dies geschieht inAnlehnung an die im Kern einheitliche Auffassung der Literatur, nach derder Begriff Service Leistungen bezeichnet, die zusatzlich zur Hauptleistungerbracht werden and deren primare Funktion darin besteht, ,,... den Nutzender Versicherung fur den Kunden zu erhalten and zu steigern and dadurchdie Geschaftsverbindung zu sichern and auszubauen". 12

Wahrend die Eigenschaft des Service als Zusatzleistung unumstritten ist,herrscht weitgehend Uneinigkeit hinsichtlich weiterer konstitutiver Merk-male des Service. Dies gilt insbesondere fur die vielfach verwandtenAbgrenzungskriterien der Freiwilligkeit der Leistung and ihrer Unentgelt-lichkeit. Viele ehemals freiwillig erbrachte Dienstleistungen werden heutevertraglich vereinbart, ohne jedoch ihren Service-, d.h. Zusatzleistungs-charakter zu verlieren oder sogar mit der Hauptleistung in Konkurrenz zutreten. Infolgedessen erscheint die Freiwilligkeit der Leistung als Abgren-zungskriterium nicht geeignet. Obwohl regelmaflig versucht wird, die durch

12 Farny, D.: Absatz- and Serviceverfahren fur Versicherungsschutz — heute andmorgen, in: VRundschau, 1985, S. 42; vgl. Jannott, H. -K.: Versicherung schafft Frei-raum fur unternehmerisches Handeln, in: Technologie, Wachstum and Beschaftigung,Festschrift fur Lothar Spath, hrsg. v. R. Henn, Berlin, Heidelberg, New York, London,Paris, Tokyo, 1987, S. 500.

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den Service verursachten Kosten durch entsprechend erhohte Riickversi-cherungspreise zu decken, soil hier von der Unentgeltlichkeit, d. h. vom Ver-zicht auf die Erhebung eines separaten Preises, 13 als zweitem konstitutivenKriterium des Service ausgegangen werden.

2.1.2.2.2.3 ,Dienstleistungsgeschafte in Riickversicherungsvertragsform"

Die Kategoriebezeichnung weist die ihr zugeordneten Marktleistungentrotz der Ruckversicherungsvertragsform, in die sie formal gekleidet wer-den, inhaltlich eindeutig als Dienstleistungsgeschafte 14 aus. Die Vertrags-form der Ruckversicherung ist dabei bewuBt gewahltes Gestaltungselement,dessen sich die Vertragspartner im wesentlichen aus zwei Grunden bedie-nen. Erstens wird diese Form benotigt, wenn finanz- and erfolgswirtschaft-liche Effekte Hauptvertragszweck werden sollen. Zweitens kommen derar-tige Konstruktionen dann zustande, wenn der Abnehmer eine bestimmteDienstleistung wunscht, die als ,reines Dienstleistungsgeschaft" nichterhaltlich ist. Dann namlich streben Abnehmer Vertragsgestaltungen an, beidenen nur gerade soviel Risiko transferiert wird, wie notig ist, um Zugangzu der gewunschten Dienstleistung zu erhalten. 15

2.1.2.2.2.4 ,Reine Dienstleistungsgeschafte"

Die Marktleistungen dieser Kategorie bestehen ausschliefflich aus Dienst-leistungen and den mit diesen verknupften Abwicklungsleistungen.

Von den vorstehend diskutierten vier Marktleistungskategorien gehorennach dem Begriffssystem des Modells zwei nicht zu den Dienstleistungsge-schaften der Ruckversicherer. Damit ware entsprechend der Themenstel-lung neben der Kategorie „Reiner Riickversicherungsschutz" auch die Kate-gorie ,Riickversicherungsschutz and Service" von der weiteren Untersu-chung auszuschliel3en. Das hatte jedoch zur Folge, daB die Dienstleistungen,die in dieser Kategorie integraler Bestandteil einer jeden Marktleistungsind, nicht welter diskutiert wurden. Wegen der Bedeutung des Service and

13 Vgl. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 529.14 Nach H. M. Moller liegt keine (Ruck-)Versicherung mehr vor, wenn die Gefahr-

tragung des Ruckversicherers derart mit Leistungen anderen Inhalts verbunden wird,daB sie minderbedeutende Nebenleistung wird. Vgl. Bruck / Mo11ler: Kommentar zumVersicherungsvertragsgesetz and zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungenunter EinschluB des Versicherungsvermittlerrechts, 8. Aufl., Bd. I, Berlin 1966,Anm. 10 zu § 1 and die dort angegebene Literatur.

15 wie es auch vorkommt, daB ein Erstversicherer uberhaupt nur dann einenRuckversicherungsvertrag abschlieSt, oder den Ruckversicherer an einem bestehen-den Vertrag beteiligt, wenn sich dieser zu entsprechenden Hilfen bereiterklart".Gerathewohl, K. u. a.: Ruckversicherung — Grundlagen and Praxis, Bd. 1, Karlsruhe1976, S. 422.

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326 Stefan Schneider

seiner Ndhe zu den Dienstleistungsgeschaften soil der damit bezeichneteDienstleistungsteil jedoch zur Vervollstandigung der Untersuchung weiter-hin mit in die Betrachtung einbezogen werden.

2.2 Darstellung ausgewahlter, empirisch bedeutender Dienstleistungenand ihre Positionierung im Marktleistungsmodell

Die Dienstleistungen wurden durch das Marktleistungsmodell bisher nurbegrifflich abgegrenzt. Nachfolgend soil nun ein Eindruck von den wesent-lichen Inhalten der real fur Versicherungsunternehmen, gewerblich-indu-strielle, offentliche and private Kunden erbrachten Dienstleistungen ver-mittelt werden. Die Bedeutung einzelner Dienstleistungen kann dabei alsErgebnis zahlreicher Gesprdche mit Ruckversicherungsunternehmen nurteilweise and subjektiv beurteilt, empirisch jedoch nicht durch represen-tatives statistisches Material belegt werden.

Die denkbare Vielfalt der derzeit angebotenen and dariiber hinaus theore-tisch anbietbaren Dienstleistungen kann hier insgesamt nur angedeutetwerden. Der moglicherweise entstehende Eindruck, jeder Ruckversichererbetreibe das gesamte Marktleistungsspektrum, ist nicht beabsichtigt, son-dern lediglich Folge des Bestrebens nach einer umfassenden Darstellung.

Die ausgewahlten Dienstleistungen werden klassenweise vorgestellt. DieKlassenbildung orientiert sich dabei an den wesentlichen and typischenErscheinungsformen der Dienstleistungen and steht demnach in keinemZusammenhang mit den im Modell gebildeten Marktleistungskategorien.Dieser Zusammenhang kann durch die Positionierung der betrachtetenDienstleistung im Marktleistungsmodell hergestellt werden. Fur eine derempirischen Bedeutung entsprechende Positionierung einzelner Dienstlei-stungen fehlen ebenfalls ausreichende statistische Daten. 16 Innerhalb wel-cher Marktleistungs(kategorie) and in welchem AusmaB diese Dienstlei-stungen tatsachlich erbracht werden, kann deshalb ebenfalls nur in Einzel-fallen beurteilt werden. Das entwickelte Marktleistungsmodell wirddadurch grundsatzlich in seiner Leistungsfahigkeit nicht eingeschrankt.Ohne entsprechende Daten ist lediglich ein Einsatz zu quantifizierter Pla-nung nicht moglich.

Theoretisch konnen die verschiedenen Dienstleistungen Bestandteil derMarktleistung einer jeden Kategorie sein.' 7 Sonderfalle, in denen die wahl-

16 Geeignet waren Umsatz-, Kosten- oder Ertragsanteile der speziellen Dienstlei-stungen, die auf die Marktleistungen einer Kategorie entfallen.

11 Ahnlich Arnoldussen, der formuliert ,,..., daB die gleiche Zusatzdienstleistung, jenach Absatzstrategie, von einem Ruckversicherer bundled' — also nur bei gleichzeiti-ger Ruckversicherungsnahme - and von einem anderen ,unbundled` — separat gegen

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freie Positionierung einzelner Dienstleistungen nicht moglich ist, existierenjedoch insbesondere im Bereich der Finanzdienstleistungen.

2.2.1 Informationsdienstleistungenormationsdienstleistungen

Im Bereich der Informationsdienstleistungen sind Informationsdienste,deren Aufgabe ganz allgemein als die Bereitstellung von Informationbeschrieben werden kann, and informationstechnische Dienste, welche dieEntwicklung von Informationsverarbeitungsverfahren and die Ubernahmemaschineller Datenverarbeitungsleistungen zum Gegenstand haben, zuunterscheiden.

Eine Sonderstellung nimmt die Beteiligung am Auf- and Ausbau des,,Reinsurance and Insurance Network" RINET18 ein, durch welche eine spa-ter alien Versicherungsunternehmen zugangliche Infrastruktur auf demGebiet des Datenaustausches geschaffen wird.

2.2.1.1 Informationsdienste

Die Bereitstellung der vom Ruckversicherer gesammelten und ausgewer-teten Daten and erstellten Informationen 19 erfolgt an Interessierte sowohldurch fallweise Publikationen zu aktuellen Themen20 als auch durch perio-disch erscheinende Veroffentlichungen fiber Branchen, die Versicherungs-

Entgelt — angeboten wird". (Arnoldussen, L.: Finanzwirtschaftliche Effekte vonRiickversicherungsvertragen in der Schaden- and Unfallversicherung, Diss. Köln1990, S. 51.) Die entgeltliche Abgabe kann jedoch allgemein nicht als Kennzeichen,unbundled' angebotener Dienstleistungen interpretiert werden, et vice versa.

18 Vgl. hierzu ausfiihrlich Abrechnungs-Service weltweit. RINET — ein internatio-nales Netzwerk fur die Erst- and Ruckversicherung, in: VW, 1987, S. 986; Dereppe, X.V.: RINET — Ein internationales elektronisches Netz fiir die Assekuranz, in: ZfV,1988, S. 560 - 563; Dereppe, X. V.: Der internationale Netzwerkservice fur Versiche-rungsunternehmen von RINET, in: VW, 1988, S. 1302 - 1307; RINET — ein internatio-nales elektronisches Netzwerk fur die Assekuranz, in: VW, 1988, S. 100f.; RINET, in:ZfV, 1989, S. 105; RINET: Erste Jahresversammlung, in: ZfV, 1989, S. 373.

19 Vgl. hierzu ausfiihrlich Eichhorn, W.: Das Service-Angebot des professionellenRuckversicherers, in: VW, 1975, S. 31 f.; Gerathewohl, K. u. a.: Ruckversicherung —Grundlagen and Praxis, Bd. 1, Karlsruhe 1976, S. 57 f., S. 422 f.; Ross, J. C.: DieDienstleistungen des Ruckversicherers, in: SchweizVZ, 1963/63, Vol. 3, S. 407 f.;Vischer, H. B.: Partnerschaft in der Assekuranz, in: ZfV, 1972, S. 651 f.

20 Vgl. z. B. die von der Bayerische Riickversicherung AG herausgegebenen Bro-schiiren: US-Produkthaftpflicht (1984), Satellitenversicherungen (1987), Berufsun-fahigkeits-Versicherungen (1989) and Mehrleistungs-Unfallpolicen in Osterreich(1989) and die von der Miinchener Riickversicherungs-Gesellschaft herausgegebenenBroschuren Weltkarte der Naturgefahren (1988), Energiesysteme heute and morgen(1990), Medizintechnik (1991).

21 Vgl. z.B.: Sigma, monatlich hrsg. v. der Schweizerischen Ruckversicherungs-Gesellschaft; die Internationale Bibliographie der Riickversicherung hrsg. v. derBayerische Riickversicherung AG.

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328 Stefan Schneider

wirtschaft betreffende21 and allgemeine Themen. 22 Daruber hinaus werden

Informationen auch in Archiven and Bibliotheken 23 bereitgehalten and

zuganglich gemacht.

2.2.1.2 Informationstechnische Dienste

Informationstechnische Dienste umfassen neben der Entwicklung anddem Vertrieb versicherungsspezifischer Software, wie zum Beispiel furTarifberechnungen, auch die Ubernahme von Leistungen der Datenverar-beitung, insbesondere die des technischen Uberweisungs- and Abrech-nungsverkehrs fur die Riickversicherung. 24

2.2.2 Beratungsdienstleistungen

Bei Beratungsdienstleistungen ist zwischen versicherungsbezogenen andallgemein betriebswirtschaftlichen Beratungsleistungen zu unterscheiden.Sie sind teilweise nur schwer von den Abwicklungsleistungen abzugrenzen.

2.2.2.1 Versicherungstechnische, -mathematische und -rechtliche Beratung

Die versicherungstechnische Beratung25 umfaBt ein breites Leistungs-spektrum, das von der Risikobeurteilung und -tarifierung uber die Vertrags-gestaltung, Schadenpriifung und -regulierung bis zur versicherungsrechtli-chen Beratung reicht, soweit diese gesetzlich zulassig ist. Nachstehend sindeinige wichtige Beratungsleistungen in tabellarischer Form zusammenge-stellt, wobei die spartenubergreifenden Beratungsleistungen teilweise auchgegenuber nicht zur Versicherungsbranche gehorenden Unternehmenerbracht werden.

22 Vgl. z. B.: Das Unternehmen. Mitarbeiter, Architektur, Offentlichkeitsarbeit,Management, Service, Bd. 4, hrsg. v. Bayerische Ruckversicherung AG, Munchen1990.

23 Die Bibliothek der Schweizerische Ruckversicherungs-Gesellschaft umfaBt ,,...Bucher and Fachpublikationen aus der ganzen Welt fiber Versicherung, Riickversi-cherung, Wirtschaft, Finanz, Recht, Verwaltung usw. and kann nicht nur von ...Zedenten, sondern auch von anderen Interessenten zu jeder Zeit konsultiert werden".(Ross, J. C.: Die Dienstleistungen des Ruckversicherers, in: SchweizVZ, 1963/63,Vol. 3, S. 407 f.) Die Kolnische Ruckversicherungs-Gesellschaft AG begann 1986 mitdem Aufbau ihres ,Historischen Archivs" (Vgl. die Kolnische Ruck. Themen 1991,hrsg. v. Kolnische Rilckversicherungs-Gesellschaft AG, Köln 1991).

24 Gerathewohl, K. u. a.: Ruckversicherung — Grundlagen and Praxis, Bd. 1, Karls-ruhe 1976, S. 424; Eichhorn, W.: Das Service-Angebot des professionellen Riickver-sicherers, in: VW, 1975, S. 31.

25 Vgl. hierzu ausfiihrlich Eichhorn, W.: Das Service-Angebot des professionellenRuckversicherers, in: VW, 1975, S. 32ff.; Gerathewohl, K. u. a.: Ruckversicherung —Grundlagen and Praxis, Bd. 1, Karlsruhe 1976, S. 49 ff., S. 423 f.

Page 15: „Dienstleistungsgeschäfte“ von Rückversicherern: Modelle und Typologien

„Dienstleistungsgeschafte” von Rtickversicherern 329

Sparientihergrelfende Beratung

" Schadenverhutungsberatung • Untersuchungen zur Weiterentwick- • Durchfahmng von Portefeuilleana-lung des Versicherungsschutzes lysen

• Risk-Management-Beratung furSach-, Haftungs-, Personen-, t'^n "ns°n Sa0a`nner Dosk*ngsf°`mes (ObnpuNng des Zsicam ngsl^ro, Fssaeuwg

Produktions-- and Finanz-,Umwelt(B°^gasg`n,Ktmaom,Tarifa) an neoe Ge- une tawburRisOcwodmgeaaenderZu-

tisikenfahrm wA —bdene wi %d ft icae od.tceaaiscbe Vannmisse)

ss®easemmg mca Risa okuegonsn)

• Erstellung von Mark)- and Tendenz-• Risikotheoretische und -matbemati- • Bilanzanalysen analysen sowie Prognosenache Grundlagenforsebung

Spartenspeziflsche Beratung

Lebensversicberune

" ZurverAgungstellung von Einsebit-

Ha fiicht- and Unfailversicberune

• Untenlutzung bei der Tarifierung

Sachversicherune

• Risiko- and Scbadenbeurteilungzungsulerlagen zur Tarifierung groBer oder schwerer Einzelrisiken

* Beratung bei der Einzeltarifieeung• Individuelle Einschitzung scbwerer ' Ausarbeitung von Sonderbedingun- vor allem in den Tecbnischen Versi-

Risiken unter Benicksichtigung gen chemngennever versicherungsmedizinischerand berufsspezifiscber Gesichts- • Risikoprufung and Beurteilungpunkte

* Schadenpnifung und -abwicklung" Beratung in Rechtsfragen and bei sowie Beratung in Rechtsfragender Scbadenbearbeitung

• Reservefestsetzung bei groBen Haft-pflichtschiden

Abb. 7: Beratungsdienstleistungen

Ein aktueller Schwerpunkt der Schadenverhutungsberatung ist dieBewaltigung von Risiken im Umweltbereich. Dazu werden besondere Bera-tungs- and Entwicklungsleistungen bei der Bewertung von Altlasten, derVersicherung von Deponien and bei Sanierungen and Praventionen imGewasserschutz bereitgestellt. Entsprechende Projekte werden von der Pla-nungs- bis zur Abnahmephase uberwacht. 26

Die Risk-Management-Beratung schlief3t die Beratungsleistungen zurSchadenverhutung mit ein and uberschreitet nicht selten die Grenze zurrein betriebswirtschaftlichen Beratung.

26 AssTech. Das Unternehmen, seine Ziele, Aufgaben and Leistungen, hrsg. v. Asse-kuranz and Technik Risk Management Service GmbH, Munchen 1989.

Page 16: „Dienstleistungsgeschäfte“ von Rückversicherern: Modelle und Typologien

330 Stefan Schneider

2.2.2.2 Allgemein betriebswirtschaftliche Beratung

Das Angebot allgemein betriebswirtschaftlicher Beratungsleistungen 27

wird bislang ausschlieBlich fur Versicherungskunden erbracht and erstrecktsich dabei vorwiegend auf Fragen der Betriebsorganisation and des Marke-ting. Behandelt werden daneben auch Rechts-, Steuer- and Transferpro-bleme.

Vornehmlich gewerblich-industriellen Kunden werden Ertragsausfall-untersuchungen, Studien zur Produkthaftung, Untersuchungen im BereichUmwelthaftung and Sicherheitsanalysen fur Kommunikationsnetze ange-boten. Die Anlageberatung bei der Plazierung and Betreuung von Kapital-anlagen auf internationalen Finanzmarkten ist dahingegen vorwiegend eineauf die Bediirfnisse von Versicherungskunden abzielende Dienstleistung.

2.2.3 Personaldienstleistungen

Personalauswahlleistungen ubernehmen Ruckversicherer selten andnahezu ausschlief3lich im Zusammenhang mit der Unterstutzung des Auf-oder Ausbaus von Ersttrersicherungsunternehmen. Personalentwicklungs-leistungen28 erstrecken sich auf Vortrage, die Ausbildung von Stipendiatenand Volontdren sowie umfangreiche Seminar- and Schulungsprogramme.

2.2.4 Management- and Betriebsfiihrungsdienstleistungen

Management- and Betriebsfuhrungsdienstleistungen 29 betreffen die Lei-tung and Ausfuhrung uberwiegend oder vollig fremder Geschafte. ImBereich des Schadenmanagement zdhlt dazu neben der Durchfuhrung vonSchadenanalysen insbesondere die aktive Unterstiitzung bei der begleiten-den Schadenbewaltigung, beispielsweise durch die Ubernahme notwendigerOffentlichkeitsarbeit. Die Durchfuhrung von Schadenanalysen wird in der

27 Vgl. hierzu ausfiihrlich Eichhorn, W.: Das Service-Angebot des professionellenRuckversicherers, in: VW, 1975, S. 32ff.; Gerathewohl, K. u.a.: Ruckversicherung —Grundlagen and Praxis, Bd. 1, Karlsruhe 1976, S. 49 ff., S. 423f.; AssTech. Das Unter-nehmen, seine Ziele, Aufgaben and Leistungen, hrsg. v. Assekuranz and Technik RiskManagement Service GmbH, Munchen 1989; Munchener Ruck Profil. Offen fur IhreBewerbung, hrsg. v. Munchener Ruckversicherungs-Gesellschaft, Munchen 1990, S. 37.

28 Vgl. hierzu ausfuhrlich Munchener Ruck demonstriert: Schulung als Service, in:ZfV, 1983, S. 177; Ausbildung in- and auslandischer Versicherer bei der MiinchenerRuck, in: VW, 1984, S. 190; Eichhorn, W.: Das Service-Angebot des professionellenRiickversicherers, in: VW, 1975, S. 35f.; Roos, J. C.: Die Dienstleistungen des Mick-versicherers, in: SchweizVZ, 1963/63, Vol. 3, S. 406f.

29 Vgl. AssTech. Das Unternehmen, seine Ziele, Aufgaben and Leistungen, hrsg. v.Assekuranz and Technik Risk Management Service GmbH, Munchen 1989; Gerathe-wohl, K. u. a.: Ruckversicherung — Grundlagen and Praxis, Bd. 1, Karlsruhe 1976,S. 631; Munchener Ruck Profil. Offen fur Ihre Bewerbung, hrsg. v. Munchner Buck-versicherungs-Gesellschaft, Munchen 1990, S. 37.

Page 17: „Dienstleistungsgeschäfte“ von Rückversicherern: Modelle und Typologien

„Dienstleistungsgeschafte” von Riickversicherern 331

Regel mit Hinweisen fur die Verkurzung von Betriebsunterbrechungensowie mit Reparatur- and Sanierungsempfehlungen verbunden. Zu denDienstleistungen dieser Klasse gehoren auch das Management von Captives,Pools and Kapitalanlagen.

2.2.5 Finanzdienstleistungen

Ruckversicherungsnahme dient Erstversicherern, wie Helten 3° empirischnachweist, nicht allein risikopolitischen Zielen, sondern insgesamt derErfullung eines mehrdimensionalen Zielsystems, bei dem finanzwirtschaft-liche Ziele gesamtunternehmensbezogen gleichfalls einen oberen Rang ein-nehmen. Grundsatzlich werden durch jeden Ruckversicherungsvertragfinanz- and erfolgswirtschaftliche Effekte31 ausgelost. Wird die Erfullungfinanz- and erfolgswirtschaftlicher Ziele zum Kernbestandteil ruckver-sicherungsvertraglicher Vereinbarungen, tritt der Risikotransfer in seinerBedeutung zwangslaufig hinter diese Zielsetzung zuruck. Damit wird dieDienstleistung zum dominierenden Bestandteil dieser Marktleistungen.Gleichzeitig kann auf ein MindestmaB an Risikotransfer jedoch nicht ver-zichtet werden, da die Realisierung finanz-, insbesondere aber erfolgswirt-schaftlicher Effekte an die Riickversicherungsvertragsform gebunden ist.Daruber hinaus ist bei der Unterschreitung eines Mindestrisikogehaltes mitder Verletzung handels-, steuer- and aufsichtsrechtlicher Vorschriften andentsprechenden Konsequenzen zu rechnen. 32 Die nachfolgend naher erorter-

30 Vgl. hierzu ausfuhrlich: Helten, E.: Vom Nutzen der Ruckversicherung aus derSicht der Erstversicherer, Mannheim 1985, S. 2; Helten, E.: Zielstrukturen and Orga-nisation von Ruckversicherungsentscheidungen — Erste Ergebnisse einer empirischenUntersuchung deutscher Schaden- and Unfallversicherungsunternehmen —, Mann-heim 1983, S. 16.

31 Vgl. hierzu ausfuhrlich Arnoldussen, L.: Finanzwirtschaftliche Effekte vonRiickversicherungsvertragen in der Schaden- and Unfallversicherung, Diss. Köln1990, S. 35 ff.

32 Vom aufsichtsrechtlichen Standpunkt her bedenklich sind beispielsweise die aufdie formale Solvabilitatserfullung gerichteten Ruckversicherungsvertrage, wenn eineder formalen Veranderung des Selbstbehaltskoeffizienten entsprechende Senkungdes versicherungstechnischen Risikos nicht vorliegt. Der Gefahr steuerlicher Nicht-anerkennung etwa unterliegen, wegen der Verletzung des steuerrechtlichen Grund-satzes der periodengerechten Gewinnermittlung, Ruckversicherungsvertragskon-struktionen, die vor allem der Verschiebung vom Erstversicherer zu versteuernderGewinne in die Zukunft dienen. Dariiber hinaus mull nach Arnoldussen bei zuneh-mender Ausbreitung von Schadenportefeullietransfers mit einem erheblichen rechtli-chen Anderungsrisiko gerechnet werden (vgl. Arnoldussen, L.: FinanzwirtschaftlicheEffekte von Riickversicherungsvertragen in der Schaden- and Unfallversicherung,Diss. Köln 1990, S. 124f.). Die handelsrechtliche Zulassigkeit von Riickversiche-rungsvertragen mit minderbedeutendem Risikotransferanteil ist wesentlich von derUbereinstimmung mit den GoB abhangig. Konflikte mit geltenden Bilanzierungsvor-schriften sind insbesondere bei erfolgswirtschaftlich motivierten Ruckversicherungs-vertragen zu erwarten. Farny weist beispielsweise auf die Beeintrachtigung des perio-dengerechten Erfolgsausweises durch Aufbaufinanzierungsvertrage hin (Vgl. Farny,D.: Die Finanzierung von Versicherungsunternehmen, in: ZVersWiss, 1964, S. 447).

Page 18: „Dienstleistungsgeschäfte“ von Rückversicherern: Modelle und Typologien

332 Stefan Schneider

ten Finanzdienstleistungen sind deshalb fast ausschlief3lich Marktleistun-gen der Kategorie ,Dienstleistungsgeschafte in Riickversicherungsvertrags-form".

Dardber hinaus existieren Finanzdienstleistungen, die nicht Kernbe-standteil riickversicherungsvertraglicher Vereinbarungen sind, sondern als„Refine Dienstleistungsgeschafte" oder Serviceleistungen abgegeben wer-den. Dazu zahlen Vermietungs- and Leasinggeschafte zur Senkung desKapitalbedarfs, 33 insbesondere von EDV-Anlagen and Betriebsgebauden,die Durchfiihrung der durch bestehende Riickversicherungsbeziehungenverursachten Zahlungsverkehrsleistungen einschlieBlich Inkasso andExkasso durch den Ri ckversicherer. Theoretisch sind auch bankahnlicheFinanzierungsleistungen denkbar.

2.2.5.1 Griindungs- and Aufbaufinanzierung

Ruckversicherer gewahren vor allem neugegrundeten oder stark wachsen-den Erstversicherern fiber entsprechend gestaltete Riickversicherungsver-trage und -konditionen finanzielle Unterstutzung beim Aufbau neuer andAusbau bestehender Versicherungsbestande. 34 Nicht die Verminderung desversicherungstechnischen Risikos ist das Ziel derartiger riickversicherungs-vertraglicher Vereinbarungen. Vielmehr sucht der Erstversicherer insbeson-dere den Kapitalbedarf fur den Auf- and Ausbau seiner Auf3enorganisationand fur die vorauszuzahlenden Abschluf3kosten zu decken. 35 Der Riickversi-cherer ubernimmt bei diesen ublicherweise proportionalen Vertragen (Quo-ten) neben den laufenden Kosten auch die gesamten AbschluBkosten fursemen Anteil. Technisch erfolgt dies durch die Vereinbarung einer denanteiligen Griindungskosten entsprechenden Riickversicherungsprovisionin der Aufbauphase. Die Riickzahlung des Finanzierungssaldos in Hohe derfinanzierten Abschlul3kosten zuziiglich aufgelaufener Zinsen erfolgt inspateren Jahren durch eine Verminderung des Ruckversicherungsprovi-sionssatzes, sobald ein Finanzierungsbedarf des Erstversicherers nicht mehrvorliegt. 36

33 Vgl. Hesberg, D.: Finanzierung, in: HdV, hrsg. v. D. Farny u. a., Karlsruhe 1988,S. 202.

34 Vgl. Farny, D.: Produktions- and Kostentheorie der Versicherung, Karlsruhe1965, S. 120f.; Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 642; Gera-thewohl, K.: Kreditwirtschaftliche Aspekte der Ruckversicherung. Eine kritischeStellungnahme, in: Mannheimer Vortrage zur Versicherungswissenschaft, hrsg. v.Institut fur Versicherungswissenschaft der Universitat Mannheim von P. Albrecht, E.Lorenz, Mannheim 1979, Bd. 11, S. 5; Grossmann, M.: Ruckversicherung — Eine Ein-fuhrung, hrsg. v. Institut fur Versicherungswirtschaft an der Hochschule St. Gallen,Bern, Frankfurt 1977, S. 30, 93, 182 f.; Pfaffenzeller, D.: Rickversicherung andFinanzierung von Unfallversicherungen, in: VW, 1979, S. 1250 f.

35 Farny, D.: Die Finanzierung von Versicherungsunternehmen, in: ZVersWiss,1964, S. 447.

Page 19: „Dienstleistungsgeschäfte“ von Rückversicherern: Modelle und Typologien

„Dienstleistungsgeschafte” von Riickversicherern 333

Wahrend der Laufzeit erscheinen im JahresabschluB statt eines Darlehensdes Riickversicherers an den Erstversicherer nur die Darlehensauszahlun-gen and Tilgungen im Rahmen der Zahlungs- and Erfolgsstrome aus derRuckversicherungsnahme and sind somit fur AuBenstehende nicht erkenn-bar. Derartige Aufbaufinanzierungen sind, anders als Bankkredite, nichtpassivierungspflichtig, was ihre jahresabschlul3politische Entlastungswir-kung fur den Erstversicherer ausmacht. 37 Dieser Effekt kann jedoch nurgenutzt werden, wenn die Ruckzahlung der vorfinanzierten Abschluikostennicht vertraglich abgesichert wird. Die andernfalls begrundete Ruckzah-lungsverpflichtung hatte der Zedent namlich zu passivieren, was die beab-sichtigte Ergebnisglattung uber die Zeit vereiteln wurde. 38 Aufbaufinanzie-rungsvertrage finden sich haufig in Versicherungszweigen mit langfristigenPolicen and hohen Abschlul3kosten. Typische Branchen hierfiir sind Leben 39

and Unf all.

2.2.5.2 Surplus-relief

Die Sicherung der Unternehmensexistenz and der Anspruche der Ver-sicherungsnehmer gilt als die dominierende Eigenkapitalfunktion in Ver-sicherungsunternehmen. Um diese Sicherungsfunktion zu erfullen, wirdEigenkapital in einer Hohe benotigt, die bei Erstversicherungsunternehmenunter anderem durch die verbindlichen Solvabilitatsanforderungen der Ver-sicherungsaufsicht bestimmt wird. Da die Ruckversicherung in ihrer risiko-mindernden Wirkung bei der Solvabilitatsberechnung bis zu gewissenGrenzen berucksichtigt wird, kann eine notwendige Eigenkapitalerhohungdurch vermehrte Ruckversicherung vermieden werden.

Ruckversicherungsnahme, die vor allem der Erfullung aufsichtsrechtli-cher Solvabilitatsvorschriften dient, wird als relief reinsurance' oder ,sur-plus relief` 40 bezeichnet. 41 Derartige Abgaben sind selten and werden meist

36 Arnoldussen, L.: Finanzwirtschaftliche Effekte von Ruckversicherungsvertragenin der Schaden- and Unfallversicherung, Diss. Köln 1990, S. 147.

37 Vgl. Farny, D.: Die Finanzwirtschaft der Versicherungsunternehmen, in: VRund-Schau, 1966, S. 287; Pfaffenzeller, D.: Ruckversicherung and Finanzierung vonUnfallversicherungen, in: VW, 1979, S. 1250; Schmidt, J.: BetriebswirtschaftlicheAspekte der Riickversicherung unter besonderer Beriicksichtigung der Absatzpolitikvon Riickversicherungsunternehmen, Karlsruhe 1980, S. 45; Lukas, E.: Das Ande-rungsrisiko in der Lebensriickversicherung, in: Beitrage zur Riickversicherung. HorstK. Jannott zum 60. Geburtstag, hrsg. v. K. Gerathewohl u. a., Karlsruhe 1988, S. 245.

38 Vgl. Frey, P.: Riickversicherungsschutz fiir das Kfz-Haftpflichtgeschdft inDeutschland, in: Ausblick and Ruckblick. Festschrift fiir E. R. Prolss zum 60.Geburtstag, Munchen 1967, S. 179ff.

39 Gerathewohl, K. u. a.: Ruckversicherung — Grundlagen and Praxis, Bd. 2, Karls-ruhe 1979, S. 514.

40 ,Surplus' ist in den USA der Begriff fur die Eigenkapital darstellenden freienReserven.

41 Vgl. Gerathewohl, K.: Kreditwirtschaftliche Aspekte der Ruckversicherung.Eine kritische Stellungnahme, in: Mannheimer Vortrage zur Versicherungswissen-

Page 20: „Dienstleistungsgeschäfte“ von Rückversicherern: Modelle und Typologien

334 Stefan Schneider

nur fur wenige Jahre, haufig sogar nur fur ein Jahr vereinbart. Nach

Gerathewohl wird das versicherungstechnische Risiko des Ruckversicherers

dabei ,,... gelegentlich durch Vereinbarung eines Verlustlimits oder sogar

einer Gewinngarantie reduziert oder ausgeschlossen". 42

2.2.5.3 Sanierungsvertrage

Riickversicherer finanzieren in Sparten, die eher anderungs- als zufallsri-

sikoexponiert sind, absehbare Verluste, bis die eingeleiteten Sanierungs-

maBnahmen, wie Versicherungsbedingungsanderungen oder Pramienanpas-

sungen, greifen. Nach Verlassen der Verlustjahre erfolgt die Riickzahlung

durch das Fortbestehen des Riickversicherungsvertrages bis zur Tilgung des

Finanzierungssaldos. 43 Ein Beispiel ist die Sanierung der Hausratversiche-

rung in den Jahren 1982 - 1985. Solche Sanierungsvertrage konnen an der

Schadenseite (Stop Loss) oder der Kostenseite (Quote/Summenexzedent)

ansetzen. Zur Finanzierung periodisch auftretender Verluste, die sich bei-

spielsweise in der deutschen Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung im Zusam-

menhang mit der Genehmigungspraxis fur die Pramien ergeben, werden

ahnliche Vertrage eingesetzt. 44

2.2.5.4 Schadenportefeuilletransfer

Schadenportefeuilletransfer (loss portfolio transfer, Schadenreserve(ver-)

kauf) bezeichnet die entgeltliche Ubertragung vom Erstversicherer einge-

gangener Schadenzahlungsverpflichtungen vergangener Anfalljahre. 45 Die

Leistung des Ruckversicherers besteht bei dieser vergleichsweise selten vor-

schaft, hrsg. v. Institut fur Versicherungswissenschaft der Universitat Mannheim vonP. Albrecht, E. Lorenz, Mannheim 1979, Bd. 11, S. 5; Schmidt, R.: Das Recht alsInstrument and als Hindernis von Sicherheit and Kontinuitat in der Ruckversiche-rung, in: VW, 1987, S. 308.

42 Gerathewohl, K.: Kreditwirtschaftliche Apsekte der Ruckversicherung. Eine kri-tische Stellungnahme, in: Mannheimer Vortrage zur Versicherungswissenschaft, hrsg.v. Institut fur Versicherungswissenschaft der Universitat Mannheim von P. Albrecht,E. Lorenz, Mannheim 1979, Bd. 11, S. 5.

43 Vgl. Arnoldussen, L.: Finanzwirtschaftliche Effekte von Ruckversicherungsver-tragen in der Schaden- and Unfallversicherung, Diss. Köln 1990, S. 41. Nach Gera-thewohl ubernimmt der Ruckversicherer einen Teil der feststehenden Verluste bereitsdann, ,,... wenn ihm zumindest in gewissem Umfang ein Verlustausgleich innerhalbbestimmter Zeit in Aussicht gestellt wird". Gerathewohl, K.: KreditwirtschaftlicheAspekte der Ruckversicherung. Eine kritische Stellungnahme, in: Mannheimer Vor-trage zur Versicherungswissenschaft, hrsg. v. Institut fur Versicherungswissenschaftder Universitat Mannheim von P. Albrecht, E. Lorenz, Mannheim 1979, Bd. 11, S. 6.

44 Vgl. Arnoldussen, L.: Finanzwirtschaftliche Effekte von Ruckversicherungsver-tragen in der Schaden- and Unfallversicherung, Diss. Köln 1990, S. 41.

45 Vgl. Schonberg, R. R.: Innovationen auf dem US-Amerikanischen Ruckversiche-rungsmarkt: Financial Reinsurance, in: VW, 1985, S. 327ff.; Tartaro, Th.: How to buyloss portfolio reinsurance, in: Best's Review Property/ Casualty Insurance Edition,1984, No. 6, S. 48.

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„Dienstleistungsgeschafte” von Riickversicherern 335

kommenden Finanzdienstleistung in der Ubernahme des Verpflichtungs-volumens aus nicht regulierten Schaden. Der Erstversicherer leistet dafureinen Geldbetrag (Ablosezahlung) in bar oder in Kapitalanlagen, die dannzum Kurswert zu berucksichtigen sind. 46 Die Hohe der Ablosezahlungerrechnet sich aus dem Barwert der erwarteten weiteren Schadenzahiungenaus den transferierten Verpflichtungen vergangener Anfalljahre zuziiglicheines Schwankungs-, Kosten- and Gewinnzuschlags. Die Berechnung derAblosezahlung basiert dabei haufig auf der vom Erstversicherer bisher furdie entsprechenden Anfalljahre gestellten, um stille Reservers oder Unterre-servierungen bereinigten Schadenreserven. 47 Da die Abzinsungseffekte beischneller Abwicklung entsprechend gering ausfallen, kommen Schadenpor-tefeuilletransfers nur im ,long-tail` Geschaft, vor allem in der Sparte Haft-pflicht vor. 48

Schadenportefeuilletransfers erlauben einem Zedenten, sich ganz oderteilweise aus dem Versicherungsgeschaft zuruckzuziehen. Im Fall derGeschaftsfortfuhrung kommt es zu einer Ergebnisverbesserung, die derAusnutzung steuerlicher Verlustvortrage oder der Vermeidung eines Ver-lustausweises dienen kann. 49 Schadenportefeuilletransfers sind im Gegen-satz zu anderen Finanzdienstleistungen in Riickversicherungsvertragsformhaufiger mit einem erheblichen versicherungstechnischen Risiko belastet.Uberwiegt der Risikotransferanteil den Dienstleistungsanteil ist die Lei-stung der Marktleistungskategorie ,Riickversicherungsschutz and Service"zuzuordnen.

3. Marktleistungskategoriebezogene Analyse derDienstleistungsgeschafte

Die nachfolgende Analyse beschrdnkt sich darauf, die Beitrage derMarktleistungen der verschiedenen Marktleistungskategorien zur Erfizllungder Unternehmensziele von Ruckversicherern aufzuzeigen. 50 Dazu werdenzunachst die Zielsysteme von Ruckversicherern dargestellt. Erst danachkonnen Aussagen fur die einzelnen Marktleistungskategorien abgeleitet

werden.

46 Vgl. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 642.47 Vgl. Arnoldussen, L.: Finanzwirtschaftliche Effekte von Ruckversicherungsver-

tragen in der Schaden- and Unfallversicherung, Diss. Köln 1990, S. 151.48 Vgl. Schonberg, R. R.: Innovationen auf dem US-Amerikanischen Ruckversiche-

rungsmarkt: Financial Reinsurance, in: VW, 1985, S. 325.49 Vgl. Arnoldussen, L.: Finanzwirtschaftliche Effekte von Ruckversicherungsver-

tragen in der Schaden- and Unfallversicherung, Diss. Köln 1990, S. 15550 Die diesem Beitrag zugrundeliegende Diplomarbeit analysiert die Dienstlei-

stungsgeschafte der Ruckversicherer unter weiteren unternehmenspolitisch bedeut-samen Gesichtspunkten. Behandelt werden neben den Grundzugen der Preis- andVerfahrenspolitik auch die Frage nach den Motiven and Auswirkungen der Aufnahmevon Dienstleistungsgeschaften in das Programm von Ruckversicherern.

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336 Stefan Schneider

3.1 Zielsysteme von Riickversicherern

Die Zielsysteme von RUckversicherern stellen sich in ihren wesentlichenBestandteilen uberblicksartig wie folgt dar. Die Unternehmensziele (For-malziele) beschreiben die Zustande, die durch das Wirtschaften erreicht wer-den sollen. Die Entscheidungen uber diese Unternehmensziele folgen ,,...haufig einer ubergeordneten Leitmaxime, die den Grundauftrag fur dasWirtschaften in Ruckversicherungsunternehmen ..." formuliert and ,,...gelegentlich als ,Unternehmensphilosophie` verstanden wird" 51 Nach Fest-legung der Unternehmensziele sind alle weiteren unternehmenspolitischenEntscheidungen auf die Auswahl der Mittel bezogen, die die Zielerreichungbestmoglich bewirken. Die beiden grof3en Mittelkomplexe in Ruckversiche-rungsunternehmen sind das Programm der wirtschaftlichen Aktivitaten anddie Verfahrensweisen bei deren Durchfuhrung. Dabei bestimmt das Pro-gramm (Sachziel), welche Marktleistungen produziert werden. Verfahrens-entscheidungen legen fest, nach welchen versicherungstechnischen andbetriebstechnischen Verfahren die Produktionsfaktoren zu insgesamtmarktfahigen Leistungen kombiniert werden.

Die Unternehmensziele der Ruckversicherer sind nicht vorgegeben, son-dern unterliegen in einem marktwirtschaftlichen System der Entscheidungdurch die dafiir autorisierten Entscheidungstrager. 52 Wenngleich sich furRuckversicherer kein Standardzielsystem entwickeln ldI3t, welches fur alleUnternehmen gleichermaBen Gultigkeit besitzt, 53 so konnen doch die in derLiteratur als idealtypisch fur Versicherungsunternehmen genannten For-malziele 54 auch als gemeinsamer Bestandteil der Zielsysteme von Ruckver-sicherern and zugleich die empirisch wichtigsten angesehen werden.

Insbesondere den Zielen Gewinn, Wachstum and Sicherheit wird heuteeine besondere Bedeutung zugeordnet. 55 Daneben sind Konsonanzziele,

51 Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 258.52 Vgl. hierzu ausfiihrlich Farny, D.: Unternehmerische Ziel- and Mittelentschei-

dungen in der Versicherungswirtschaft, in: ZVersWiss, 1966, S; 135 f.; Farny, D.: Ver-sicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 239 f., 276f.; Farny, D.: Zielkonflikte inEntscheidungsinstanzen des Versicherungsunternehmens, in: VW, 1974, S. 1238ff.;Kaluza, B.: Entscheidungsprozesse and empirische Zielforschung in Versicherungs-unternehmen, Karlsruhe 1979, S. 227ff.

53 Vgl. Gerathewohl, K. u. a.: Ruckversicherung — Grundlagen and Praxis, Bd. 1,Karlsruhe 1976, S. 651.

54 Vgl. hierzu ausfuhrlich Kaluza, B.: Entscheidungsprozesse and empirische Ziel-forschung von Versicherungsunternehmen, Karlsruhe 1979, S. 122ff.

55 Das Ziel der Bedarfsdeckung, dem die Produktion von Ruckversicherungsschutzdurch gemischte Versicherungsunternehmen ursprunglich and unmittelbar diente, istmit der Grundung and zunehmenden Bedeutung der professionellen Ruckversiche-rungsunternehmen weitgehend in den Hintergrund getreten. Wesentliche Bedeutungkommt ihm jedoch innerhalb des Zielsystems auch heute noch zu, wenn Konzernebestrebt sind, die ubernommenen Risiken soweit wie moglich selbst zu tragen. Dannnamlich kann davon ausgegangen werden, daB konzerneigene Unternehmen die

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„Dienstleistungsgeschafte” von Rilckversicherern 337

Imageziele, das Streben nach Macht and Unabhangigkeit sowie gesell-schaftliche, soziale and ethische Ziele die wichtigsten empirisch belegbarennichtokonomischen Ziele von Ruckversicherern. 56

Das Verhaltnis der genannten Formalziele zueinander ist nicht eindeutigcharakterisierbar, well die einzelnen Ziele teils in komplementarer, teils inkonkurrierender Beziehung stehen. Nach Farny laBt sich aber ,unterBeriicksichtigung der besonderen Bedeutung der Sicherheit in der Versiche-rungswirtschaft ... theoretisch die Norm aufstellen ..., daB die ausreichendeSicherheit als Nebenbedingung zur Zielfunktion zu gelten hat, d. h. alleZielkombinationen als unzulassig auszuscheiden sind, die eine gewunschteMindestsicherheit nicht bieten". 57

3.2 Marktleistungskategoriebezogene Analyse

3.2.1 ,Riickversicherungsschutz and Service" —Beitrage des Service zur Erreichung der Unternehmensziele

Nach dem hier vorliegenden Begriffsverstdndnis bezeichnet Service sol-che Leistungen, die ohne Erhebung eines eigenstandigen Preises zusatzlichzur Hauptleistung ,,... erbracht werden, um den Absatz der Hauptleistung[Ruckversicherungsschutz] zu fordern". 58

Durch Serviceleistungen verursachte Umsatzzuwachse leisten Beitrage zuWachstums- and Gewinnzielen, wenn die Zusatzerlose an Ruckversiche-rungspramien groBer sind als die Kosten fur die Erstellung der Servicelei-stung.

Die Vereinbarung von Serviceleistungen ist fur Riickversicherer dariiberhinaus risikopolitisch bedeutsam. Unmittelbar auf versicherungstechnischeoder allgemeine Unternehmensrisiken des Erstversicherers gerichtete Ser-viceleistungen verbessern namlich neben der Sicherheit des Erstversiche-rers mittelbar auch die des Ruckversicherungsunternehmens.

Da Service hier als integraler Bestandteil einer Riickversicherungsschutz-leistung definiert ist, kommen als Abnehmer nur Versicherer in Betracht.

aktive Ruckversicherung ausschliel3lich oder uberwiegend betreiben, um den Bedarfanderer Konzernunternehmen zu decken. Vgl. Schmidt, J.: BetriebswirtschaftlicheAspekte der Riickversicherung unter besonderer Beriicksichtigung der Absatzpolitikvon Ruckversicherungsunternehmen, Karlsruhe 1980, S. 104.

56 Vgl. Kaluza, B.: Entscheidungsprozesse and empirische Zielforschung in Versi-cherungsunternehmen, Karlsruhe 1979, S. 647ff.

57 Farny, D.: Unternehmerische Ziel- and Mittelentscheidungen in der Versiche-rungswirtschaft, in: ZVersWiss, 1966, S. 146.

58 Vgl.: Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 529; Theisen, P.:Kundendienstpolitik, in: HWA, hrsg. v. B. Tietz, Stuttgart 1974, Sp. 1155; Koch, W.:Grundlagen and Technik des Vertriebes, Bd. I, 2. Aufl., Berlin 1958, S. 703; Meffert,H.: Marketing, 7. Aufl., Wiesbaden 1986, S. 412.

22 Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 1

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338 Stefan Schneider

Nichtokonomische Ziele konnen deshalb primar nur innerhalb der Versi-cherungsbranche angestrebt werden. Dabei sind die zu beobachtendenBemuhungen deutlich auf die Schaffung eines Images ausgerichtet, welchesneben der Sicherheit and der internationalen Prasenz des Unternehmensvor allem die Kompetenz and Kapazitat zur Erbringung von Serviceleistun-gen betont and damit Qualitatsaspekte der Unternehmensphilosophieunterstiitzt. 59

3.2.2 ,Dienstleistungsgeschdite in Ruckversicherungsvertragsform" —Beitrage zur Erreichung der Unternehmensziele

Wesentlicher Inhalt dieser Kategorie sind einerseits Finanzdienstleistun-gen, andererseits Ruckversicherungsvertrage, die von Abnehmern vorrangigangestrebt werden, um ,,... sich Zugang zu den vielfaltigen Serviceleistun-gen ... zu verschaffen". 60 Hierbei handelt es sich in der Regel — weil unterdem Rubrum Ruckversicherung nachgefragt — urn Dienstleistungen in derForm hochrangig qualifizierter Beratung, fur die bei Riickversicherernkeine unbegrenzten Kapazitaten vorhanden sind.

Finanzdienstleistungen in Ruckversicherungsvertragsform verbessern diezukunftige Umsatz- and Gewinnentwicklung durch Schaffung, Stabilisie-rung and Intensivierung von Kundenbeziehungen. Im Vordergrund des Inte-resses der Ruckversicherungsunternehmen stehen die durch praferenzbil-dende and kundenbindende Effekte zu erwartenden langfristigen Vorteile.Dazu werden nicht selten kurz- and mittelfristig deutlich verringerteZielerfullungsbeitrage bei Gewinnzielen in Kauf genommen.

Finanzwirtschaftlich orientierte Ruckversicherungsvertrage besitzen einerhebliches werbewirksames Potential. Ein deutlich verbesserter Erreich-ungsgrad nichtokonomischer Ziele wird immer dann erreicht werden, wenndie Finanzdienstleistung in Ruckversicherungsvertragsform nach Ablaufaus der Perspektive des Abnehmers als erfolgreich beurteilt and dargestelltwird.

Positive Beitrage zu angestrebten Sicherheitszielen ergeben sich furRuckversicherer mittelbar vor allem dann, wenn durch finanzwirtschaftlichorientierte Riickversicherungsvertrage die Sicherheit des Kunden erhohtwird.

Finanzwirtschaftlich orientierte Ruckversicherungsvertrage sind furRuckversicherungsunternehmen mit einem erhohten ,moralischen" Risiko

59 Solche Bemuhungen betreffen z. B. die Aufbereitung and Weitergabe von Infor-mation and Veroffentlichungen zu bedeutenden aktuellen Themen.

60 Jannott, H. K.: Riickversicherungspolitik, in: HdV, hrsg. v. D. Farny u. a., Karls-ruhe 1988, S. 716.

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„Dienstleistungsgeschafte” von Riickversicherern 339

verknupft. Die beispielsweise bei Auf- and Ausbaufinanzierungen nacheiner Vorfinanzierungsphase notwendigen Saldenruckfuhrungen an denRuckversicherer sind namlich im allgemeinen nicht vertraglich abgesi-

chert, 61 sondern beruhen lediglich auf einem informellen Grundkonsensii.ber die Wahrung der Kontinuitat der Geschdftsbeziehung. Derartige Ver-einbarungen sind bei entsprechender Preispolitik eine relativ stabileErtragsquelle, so daB Ruckversicherer in solchen Vertragen den notwendi-gen Ausgleich fur den zukunftig wachsenden Anteil nichtproportionalen

Geschdfts finden konnen. 62

Die neben den Finanzdienstleistungen in dieser Marktleistungskategoriedurch die Verkniipfung von Riickversicherungsschutz and Dienstleistungenzustande kommenden Vertrage sind wegen ihres Charakters als Kopplungs-geschafte in Bezug auf ihren Beitrag zur Erreichung der Unternehmenszieleambivalent zu beurteilen.

3.2.3 ,Reine Dienstleistungsgeschdite" —Beitrage zur Erreichung der Unternehmensziele

Dienstleistungen dieser Kategorie werden haufig im Bereich der Kommu-nikation eingesetzt. Sie stellen dann im Grunde ,Investitionen" in dieZukunft des Unternehmens dar. Vorwiegend sind ,reine Dienstleistungsge-schdfte" jedoch eigenstandige Bestandteile der Programme von Ruckversi-cherern, die gegen Entgelt abgegeben werden.

Zu den schwerpunktmaBig im Rahmen der Werbung, Verkaufsforderungand Offentlichkeitsarbeit verwendeten Dienstleistungen gehoren beispiels-weise Informationsdienstleistungen in Gestalt von Seminaren, Vortragenand Veroffentlichungen fur Kunden, Nichtkunden and potentielle Mitarbei-

ter.

„Refine Dienstleistungsgeschafte" entstehen haufig durch die programm-technische Ausgliederung von Serviceleistungen.

Als Instrumente der Kommunikationspolitik sollen sie die Meinungen,Vorstellungen and Verhaltensweisen der Bezugsgruppen gegenuber demRuckversicherer beeinflussen and so mittelbar die Erreichung der Unter-nehmensziele fordern.

61 Eine vertragliche Ruckzahlungsverpflichtung fur die unter einem Ruckversiche-rungsvertrag aufgelaufenen Gewinne bzw. Verluste wurde die ergebnisentlastendeWirkung des Vertrages aufheben. Vgl. Frey, P.: Rilckversicherungsschutz fur das Kfz-Haftpflichtgeschaft in Deutschland, in: Ausblick and Riickblick. Festschrift fur E. R.Prolss zum 60. Geburtstag, Munchen 1967, S. 179f.

62 Vgl. Arnoldussen, L.: Finanzwirtschaftliche Effekte von Ruckversicherungsver-tragen in der Schaden- and Unfallversicherung, Diss. Köln 1990, S. 263.

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Durch ihre Vermarktung als eigenstandige Programmbestandteile wirdunmittelbar ein verbesserter Zielerreichungsgrad von Umsatz- andGewinnzielen angestrebt. Nur selten werden dadurch gleichzeitig Umsatz-zuwachse im Ruckversicherungsschutzbereich bewirkt. Die Bedeutungertragswirksamer Synergieeffekte wird durchweg als gering eingeschatzt.

Programmerweiterungen durch ,reine Dienstleistungsgeschafte" sindweitgehend frei von fur das Ruckversicherungsgeschaft typischen Risikenand sind deshalb geeignet, die Risikobilanz des Ruckversicherers and damitseine Sicherheitslage zu verbessern.

Die Zielerreichung nichtokonomischer Ziele ist unter anderem starkdavon abhangig, oh die Verbindung von Dienstleistungstochtern- oder Kon-zerngesellschaften zur Mutter nach auflen hin dokumentiert wird.

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