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Michael Simon Die Umsetzung des GSG im Krankenhausbereich: Auswirkungen der Budgetdeckelung auf die Aufnahme- und Verlegungspraxis von Allgemeinkrankenh iusern Eine Analyse des Jahres 1993 The Implementations of the Health Care Reform Act of 1993 in the Hospital Sector: Effects of the Budgetary Restraints on the Practice of Admis- sion and Transfer of Patients of General Hospitals An Analysis of the Year 1993 In dem vorliegenden Beitrag wird untersucht, ob anhand der Daten der amtlichen Krankenhausstatistik signifikante Ver?inderungen in der Aufnahme- und Verle- gungspraxis der Allgemeinkrankenhiiuser nach Inkrafttreten des GSG feststeUbar sind. Derartige Veri~nderungen - insbesondere die vermehrte Abweisung und Weiterverle- gung behandlungsaufwendiger Fiille- wurden vor allem yon den Verbiinden der Kran- kenhaustriiger als absehbare Folge der Budgetdeckelung vorhergesagt. Ende 1993 er- schienen schliefllich auch vermehrt Meldungen iiber eine Zunahme yon Patienten- abweisungen und -weiterverlegungen durch Krankenhgiuser. Es blieb bislang jedoch often, ob es sich nur um relativ wenige Einzelfiille oder eine durchgiingige Tendenz handelte, oder ob die Meldungen gar nur Teil einer politischen Strategie waren. Eine Analyse der ausgewiihlten Leistungsdaten kann zeigen, daft es 1993 nicht durch- ggingig, wohl abet in einzelnen Versorgungsstufen und vor allem in Abhiingigkeit von der Krankenhaustriigerschaft zu signifikanten Veriinderungen der Aufnahme- und Verlegungspraxis gekommen ist. SchlasselwOrter: Krankenhausfinanzierung, Gesundheitsstrukturgesetz, Kosten- di~mpfungspolitik This paper analyses some consequences of the Health Care Reform Act of 1993 (Ge- sundheitsstrukturgesetz). The focus is on whether significant changes in the practice of admission and transfer of patients of general hospitals can be analysed or not with the help of official statistics of the hospitals. The organizations of the owners of the hospitals expected, that there would be a significant increase in refusals and transfers of patients with large-scale costs. At the end of 1993, some reports on refusals and transfers of patients were published. Up to now it has however been left open whether this only happened in a few cases or was a general trend, or whether the reports were part of a political strategy by the hospital management. In 1993, the analysis of selected output data demonstrated that the practice of the ad- mission and transfer of patients significantly changed. But these changes only took place in individual areas and mainly depend on the size and ownership of the hospi- tals. Keywords: hospital financing, health care reform act, cost containment policies 20 Z.f. Gesundheitswiss., 4. Jg. 1996, H. 1

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Page 1: Die Umsetzung des GSG im Krankenhausbereich: Auswirkungen der Budgetdeckelung auf die Aufnahme- und Verlegungspraxis von Allgemeinkrankenhäusern

Michael Simon

Die Umsetzung des GSG im Krankenhausbereich: Auswirkungen der Budgetdeckelung auf die Aufnahme- und Verlegungspraxis von Allgemeinkrankenh iusern Eine Analyse des Jahres 1993 The Implementations of the Health Care Reform Act of 1993 in the Hospital Sector: Effects of the Budgetary Restraints on the Practice of Admis- sion and Transfer of Patients of General Hospitals An Analysis of the Year 1993

In dem vorliegenden Beitrag wird untersucht, ob anhand der Daten der amtlichen Krankenhausstatistik signifikante Ver?inderungen in der Aufnahme- und Verle- gungspraxis der Allgemeinkrankenhiiuser nach Inkrafttreten des GSG feststeUbar sind. Derartige Veri~nderungen - insbesondere die vermehrte Abweisung und Weiterverle- gung behandlungsaufwendiger Fiille- wurden vor allem yon den Verbiinden der Kran- kenhaustriiger als absehbare Folge der Budgetdeckelung vorhergesagt. Ende 1993 er- schienen schliefllich auch vermehrt Meldungen iiber eine Zunahme yon Patienten- abweisungen und -weiterverlegungen durch Krankenhgiuser. Es blieb bislang jedoch often, ob es sich nur um relativ wenige Einzelfiille oder eine durchgiingige Tendenz handelte, oder ob die Meldungen gar nur Teil einer politischen Strategie waren. Eine Analyse der ausgewiihlten Leistungsdaten kann zeigen, daft es 1993 nicht durch- ggingig, wohl abet in einzelnen Versorgungsstufen und vor allem in Abhiingigkeit von der Krankenhaustriigerschaft zu signifikanten Veriinderungen der Aufnahme- und Verlegungspraxis gekommen ist. SchlasselwOrter: Krankenhausfinanzierung, Gesundheitsstrukturgesetz, Kosten- di~mpfungspolitik

This paper analyses some consequences of the Health Care Reform Act of 1993 (Ge- sundheitsstrukturgesetz). The focus is on whether significant changes in the practice of admission and transfer of patients of general hospitals can be analysed or not with the help of official statistics of the hospitals. The organizations of the owners of the hospitals expected, that there would be a significant increase in refusals and transfers of patients with large-scale costs. At the end of 1993, some reports on refusals and transfers of patients were published. Up to now it has however been left open whether this only happened in a few cases or was a general trend, or whether the reports were part of a political strategy by the hospital management. In 1993, the analysis of selected output data demonstrated that the practice of the ad- mission and transfer of patients significantly changed. But these changes only took place in individual areas and mainly depend on the size and ownership of the hospi- tals. Keywords: hospital financing, health care reform act, cost containment policies

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1. Die Vorgeschichte

Warnungen und Prognosen vor Inkrafttreten des GSG

Als Mitte 1992 der erste Referentenentwurf eines Gesundheitsstrukturge- setzes vorgelegt wurde, richtete sich die Kritik der Verb/inde im Kranken- hausbereich vor allem gegen die geplante Deckelung der Krankenhaus- budgets in den Jahren 1993, 1994 und 1995.1 Insbesondere die kirchlichen und kommunalen Krankenhaustr/ iger lehnten eine Begrenzung der Bud- geterh6hungen ab und sagten ftir den Fall der Verwirklichung der Deckelung erhebliche negative Auswirkungen auf die Qualit/it der sta- tion/~ren Versorgung voraus. 2 Bei den freigemeinntitzigen Krankenhaus- trggern stand die Befarchtung im Vordergrund, dab durch Anbindung der Budgetsteigerungen an die Grundlohnentwicklung je GKV-Mitglied ein Teil der Kostensteigerungen nicht gedeckt wiirde undes zu massiven Defiziten in den Krankenh/iusern und in deren Folge auch zu Existenzgeffihrdungen einzelner Kliniken kommen k6nnte. 3 Die 6ffentlichen Krankenhaustr/ iger erwarteten zum einen ebenfalls steigende Defizite ihrer H/iuser, die dann aus ihren jeweiligen Haushalten zu begleichen w~ren. Zum anderen be- ftirchteten sie, dab sich freigemeinniitzige und private Krankenhaustr/~ger aus der Akutversorgung zuriickziehen und zur Vermeidung von Defiziten besonders behandlungsaufwendige Patienten verstfirkt in 6ffentliche Kran- kenhfiuser verlegen k6nnten.

,,Die Krankenhaustriiger werden gezwungen sein, die drohenden Defizite durch entsprechende Leistungski~rzungen und Begrenzung ihres Leistungs- angebotes aufzufangen. Insbesondere die freigemeinniitzigen und kirchlichen Krankenhaustriiger, die keine MOglichkeit haben, Verluste aus Eigenmitteln auszugleichen, werden hiervon betroffen sein. Es ist zu befiirchten, daft sich diese Triiger zunehmend aus der Krankenhausversorgung zuriickziehen, wenn ihre Verluste nicht aus Offentlichen Mitteln ausgeglichen werden. Die kornmunalen GebietskOrperschaften sehen sich hierzu nicht in der Lage. Es ist vielmehr davon auszugehen, daft kiinftig die Schwerkranken und kom- plizierten Fiille zunehmend in die kommunalen Krankenhiiuser eingewiesen werden, die aufgruncl ihres SichersteUungsauftrages auch fiir diese Patienten ein ausreichendes Versorgungsangebot zur Verfiigung stellen miissen. Ihre Kosten und damit verbundenen Defizite werden weiter ansteigen " [1] (S. 16).

Die Deutsche KrankenhausgeseUschaft, als Dachverband der Kranken- haustr~iger, schlog sich in ihren Stellungnahmen zum GSG den Einsch/~t- zungen der beiden wichtigsten Tr~gergruppen an [2, 3]. Im Verlauf der Be-

1 Die Budgets der Krankenh/iuser sollten nicht st/irker steigen als die beitrags- pflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen je Mitglied (w 17 Abs. la KHG, w 4 Abs. 3 BPflV i.d.F.d. Ref.Entw. GSG vom 14.7.1992).

2 Vgl. u.a. die Stellungnahme des Kommissariats der katholischen Bisch6fe vom 24.7.1992 (Das Krankenhaus 8/1992: 402) und der kommunalen Spitzenverb/inde [1].

3 In seiner SteUungnahme vom 24.7.1992 vertrat beispielsweise das Kommissariat der katholischen deutschen Bisch6fe die Auffassung, dab durch die Deckelung ,,gerade die kirchlichen Krankenh/~user (...) in ernste existenzielle Schwierigkei- ten geraten" (Das Krankenhaus 8/1992: 402).

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ratungen des Gesetzentwurfes zum GSG machten die Finanzminister der L/inder und vor allem die ftir die Hochschulkliniken zust~indigen Wissen- schaftsminister im Bundesrat/ihnliche Bedenken wie die kommunalen Spit- zenverb~inde gegen die Deckelung geltend: durch eine Deckelung w0rden ,,viele Krankenh~iuser dazu veranlaBt werden, zunehmend besonders ko- stentr/ichtige Behandlungen an Krankenh/iuser der h6chsten Versor- gungsstufe, insbesondere an die Universit~itsklinika, abzugeben" [4] (S. 22).

Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurden - vor allem um entspre- chende Forderungen der L/inder zu erfiallen und die notwendige Zustim- mung des Bundesrates sicherzustellen - eine Reihe wichtiger Kostenstei- gerungen im Krankenhausbereich aus der Deckelung herausgenommen, der Deckel erhielt dadurch sozusagen eine Reihe von 'L6chem' (w 4 BPflV 1993). 4 Dennoch hielten die Befiarchtungen vieler Krankenhaustr~iger, dab es durch die Deckelung zu erheblichen Defiziten kommen k6nnte, auch nach Inkrafttreten des GSG im Jahre 1993 an. In das Zentrum der Aufmerk- samkeit wurden, vor allem durch entsprechende Hinweise der Kranken- haustr~igerverb/~nde und Beitr/ige in Fachzeitschriften, zwei Problemberei- che gert~ckt: die Einftihrung oder Ausweitung kostenaufwendiger Behand- lungsformen und die Auf- bzw. Ubernahme besonders behandlungsauf- wendiger Patienten [5], [6] (S. 87). Beide Entwicklungen bergen das Risiko, dab die gedeckelten Sachkosten, insbesondere die for den medizinischen Bedarf, st~irker steigen als die Budgetobergrenze, dadurch das mit den Kas- sen vereinbarte gedeckelte Budget tiberschritten wird und dem Kranken- haus Verluste entstehen. Die M6glichkeit, die Mehrkosten durch eine h6here Belegung und dadurch zu erzielende Pflegesatzmehreinnahmen zu kompensieren, schied aus, da die fiber das vereinbarte Budget hinausge- henden Einnahmen zu 100 % an die Kassen zurtickzuerstatten sind (w 4 Abs. 5 BPflV 1993). Die Mehrleistungen im Zusammenhang mit einer h6heren Belegung werden folglich nicht vergtitet.

Unter den Vorgaben der Deckelung kann es daher tats/ichlich als 6kono- misch rationale Strategie erscheinen, Leistungen zu begrenzen, die Bet- tenbelegung unter die mit den Krankenkassen vereinbarte Quote zu ver- ringern und besonders behandlungsaufwendige Patienten entweder nicht aufzunehmen oder aber an ein anderes Krankenhaus weiterzuverlegen. Der- artige Strategien konnten einem Krankenhaus zu Kostenentlastungen und Einhaltung des vereinbarten Budgets verhelfen. Bei entsprechend extensi- ver Anwendung derartiger Strategien h~itten sogar, z. B. durch Minderbe- legungen, Budgetunterschreitungen erreicht werden k6nnen, die durch das vom GSG ftir die Jahre 1993, 1994 und 1995 vorgegebene ,,feste Budget" als lSIberschtisse dem Krankenhaus verbleiben.

Berichte iiber Patientenabweisungen und -verlegungen Ende 1993

Vor dem Hintergrund der im GSG enthaltenen 6konomischen ,,Anreize" mul3ten sich die Kritiker der Deckelung in ihren Prognosen best/atigt fiahlen, als ab Mitte 1993 zun~ichst nur vereinzelt und ab November 1993

4 Zu den Ausnahmeregelungen vgl. Tuschen/Bechtholdt 1993, zur 6konomischen Bedeutung der Ausnahmen vgl. Monka [15].

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geh~iuft Pressemeldungen erschienen, nach denen Krankenh~iuser Opera- tionen ins n~ichste Jahr verschoben oder Patienten nicht aufnahmen, weil sie ihr Budget nicht Oberschreiten wollten.

�9 Bereits im Juni trat der AOK-Bundesverband mit der Meldung an die Of- fentlichkeit, dab kostenaufwendige Patienten verst~irkt yon ,a, rzten an Krankenh~iuser und von Krankenh~iusern an andere Krankenh~iuser wei- terverwiesen wtirden. Am Ende der Verweisungskette stiinden die Uni- kliniken (FR 24.6.1993).

�9 Einschr~inkungen der Behandlungen aufgrund finanzieller Engp~isse wur- den u.a. gemeldet aus den St~idtischen Kliniken Duisburg (FR 30.11.1993), der Uni-Klinik G6ttingen (HAZ 6.12.93), dem Klinikum Mtinchen-Bo- genhausen (FR 30.11.1993), der Uniklinik K61n (HAZ 6.12.93), dem st~id- tischen Krankenhaus Oststadt Hannover (HAZ 6.12.93: 4).

�9 Am 29.11.93 ~iugerte sich die ,,St~indige Konferenz der Verb~inde im Ge- sundheitswesen" zu den Auswirkungen des GSG und berichtete, dab ,,teure" Patienten bereits teilweise nicht mehr aufgenommen wtirden (FR 30.11.1993).

�9 Nach Aussage des Vorsitzenden des Marburger Bundes, Frank Montgo- mery, waren vielen Krankenh~iusern Ende 1993 die Mittel ftir kostenin- tensive Behandlungen ausgegangen und darum bestimmte Leistungen nicht mehr erbracht worden (Krankenhaus Umschau 6/1994: 408).

�9 In einer Pressemitteilung vom 7.12.1993 sch~itzte der IKK-Bundesverband, dab etwa 10 % der Krankenh/iuser Patienten aus Kostengrtinden ab- lehnten oder Operationen ins n~ichste Jahr verschoben [7]. Der IKK-BV kritisierte einen solchen Aufnahmestop als ,,unethisch und skandal6s" und richtete ein spezielles kostenloses ,,Service-Telefon" ftir Patienten ein, die von Krankenhausern abgewiesen wurden (ebd.).

�9 Die Bundes-Krankenhauskonferenz bestfitigte Anfang Dezember 1993, dab Krankenh~iuser Patienten zunehmend auf Wartelisten setzten oder an andere Krankenh~iuser weiterverlegten (FR 10.12.1993).

�9 In ihrem Statement ftir die Sitzung der Konzertierten Aktion im Ge- sundheitswesen vom 14.12.1993 vertrat die Deutsche Krankenhausge- sellschaft, gestiitzt auf Ergebnisse einer im September/Oktober 1993 durchgeftihrten Umfrage unter Krankenh~iusern, die Einsch~itzung: ,Vieles weist darauf hin, dab es unterschiedliche Lastenverschiebungen gibt und dab die Krankenh~iuser der h6heren Versorgungsstufe beson- ders davon betroffen sind" [8] (S. 8).

Als Reaktion auf die Pressemeldungen wies Minister Seehofer Behaup- tungen, das GSG zwinge Krankenh~iuser zu Einschrankungen der Versor- gung, als ,,Agitation" (HAZ 2.12.1993) zuriick und betonte in seiner Rede vor der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen am 14.12.1993 die Be- handlungspflicht der Krankenh~user: ,,Alle notwendigen Behandlungen mtissen nach wie vor erbracht werden. Wer solche F~ille abweist, verh~ilt sich rechtswidrig" (Seehofer, zit. n. Das Krankenhaus 1/1994). Er forderte dazu auf, ,,Namen zu nennen" und ktindigte gezielte l]berpriifungen der Vorwtirfe an (ebd.). Da dem BMG nach eigenen Angaben in der Folgezeit jedoch keine Namen yon Krankenh~iusern genannt wurden, sah es auch kei- nen Anlag fiir eine Untersuchung [9] (S. 22). Aus der Reaktion und Dar-

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stellung des BMG wird deutlich, dab im BMG offenbar nur an Einzelfall- tiberprOfungen gedacht war, nicht aber an eine fl~ichendeckende Untersu- chung des Aufnahme- und Verlegungsverhaltens. Eine Einzelfalliiberpria- lung diirfte aber zum einen ungemein schwierig sein, denn ,,es wird sich im Einzelfall kaum nachweisen lassen, dab Kostengesichtspunkte bei der lSIberlegung zur Verlegung eines Patienten eine Rolle gespielt haben" [10] (S. 105). Zum anderen helfen ihre Ergebnisse nicht weiter bei der weitaus wichtigeren Frage, ob es sich nur um Einzelf/ille oder eine durchg~ingige Tendenz handelte.

Da eine empirische 12Iberprtifung weder einzelfallbezogen noch fl/ichen- deckend effolgte, blieben wichtige Fragen often: Hat es tats~ichlich in nen- nenswertem Umfang Patientenabweisungen oder vermehrte Weiterverle- gungen behandlungsaufwendiger Patienten gegeben oder waren es nur rela- tiv wenige Einzelf'alle? Wenn es derartige Entwicklungen gab, waren es Kran- kenh~iuser aller Versorgungsstufen und Tr~iger, die Patienten abwiesen oder vermehrt weiterverlegten oder gab es signifikante Unterschiede, beispiels- weise in Abh~ingigkeit vonder Versorgungsstufe oder Tr/igerschaft? Oder waren es gar nur - wie der IKK-BV vermutete - ,,gezielte Ubertreibungen, um das Gesundheits-Strukturgesetz zu boykottieren und Mil3wirtschaft wei- ter zu rechtfertigen" [7], vielleicht sogar nur Meldungen, die lanciert wurden, um eine Abschaffung oder Lockerung der Deckelung zu erreichen, das was Seehofer ,,Agitation" nannte? Immerhin, der Eindruck, die Pressemeldun- gen seien Teil einer politischen Strategie der Krankenhaustrager gewesen, h/atte durchaus entstehen k6nnen, da Vertreter der Deutschen Kranken- haus.gesellschaft im Sommer 1993 Krankenhausdirektoren empfohlen hatten, die Offentlichkeit tiber Leistungseinschr~inkungen zu informieren, um die Ri- siken der Deckelung zu verdeutlichen. 5 Im September hatte die DKG zudem einen Katalog mit Vorschlfigen zur Anderung krankenhausbezogener Teile des GSG, u. a. auch der Deckelung, vorgelegt [11].

Die Bedeutung von Veriinderungen der Aufnahme- und Verlegungs- praxis fiir die Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung

Die Frage, ob es signifikante Ver~inderungen in der Aufnahme- und Ver- legungspraxis der Krankenh~iuser infolge des GSG gegeben hat, ist nicht nur von historischem Interesse, beispielsweise far die Bewertung der kran- kenhausbezogenen Regelungen des GSG und deren Umsetzung. Sie ist auch for zukiinftige Entwicklungen von Bedeutung, da den Krankenhfiusern durch die neue Bundespflegesatzverordnung zum 1. Januar 1996 for einen Teil der Behandlungen die Abrechnung von 40 Fallpauschalen vorgegeben ist und die 6konomischen ,,Anreize" durch die Deckelung mit denen von Fallpauschalen in wesentlichen Punkten tibereinstimmen. 6 Die Erfahrun-

5 DKG-Gesch/iftsfiihrer Fack-Asmuth auf der Jahresversammlung des Verbandes der Krankenhausdirektoren im Sommer 1993 zu den Auswirkungen der Deckelung: ,,Dabei sollte nicht davor zurtickgescheut werden, der Offentlichkeit, insbesondere der Politik und den Kassen, deutlich zu machen, dab begrenzte Res- sourcen in der Regel auch begrenzte Leistungen bedeuten" [12] (S. 745).

6 Die GKV-Spitzenverb/inde vergleichen die Wirkung der Deckelung denn auch mit der einer ,,Gesamtfallpauschale" [13] (S. 17).

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gen mit der Deckelung k/Snnten insofern auch Anhaltspunkte ftir zu er- wartende Ver~inderungen durch Fallpauschalen bieten.

Die Steuerungswirkung einer Deckelung kann aus folgenden Grianden mit der von Fallpauschalen verglichen werden: Unabhfingig von den tats~ichli- chen krankenhausindividuellen ,,Produktionskosten" erh~ilt das Kranken- haus einen fixierten, sprich pauschalierten, Betrag ftir d!e Behandlung. Ist bei der Fallpauschale der einzelne Behandlungsfall das Aquivalent, so tritt an seine Stelle bei der Deckelung des Gesamtbudgets die Summe aller Be- handlungsf~ille. Ebenso wie bei der Vergtitungsform der Fallpauschale k/Sn- nen auch bei der Budgetdeckelung wirtschaftliche Vorteile dutch eine Re- duzierung von Leistungsmenge und -qualit~it je Fall sowie durch eine risi- komindernde Patientenselektion erreicht werden. Ein wesentlicher Unter- schied liegt allerdings in der Auswirkung einer Fallzahlerh6hung. W~ihrend sie bei Fallpauschalen durch eine Reduktion des fallzahlunabh/ingigen Fix- kostenanteils zu Kostenersparnis und Oberschtissen ftihren kann, bewirkt sie unter Budgetierung bzw. Deckelung das genaue Gegenteil. 7

Im folgenden soil nun anhand der Daten der amtlichen Krankenhausstati- stik untersucht werden, ob signifikante Ver~inderungen in der Aufnahme- und Verlegungspraxis der Krankenh~iuser infolge des GSG festzustellen sind, und wenn, ob es Unterschiede in Abh~ingigkeit vonder Versorgungs- stufe und Tr~igerschaft gab. Die Analyse wurde auf die Allgemeinkran- kenh~iuser eingegrenzt, da sie die Hauptlast der station/iren Versorgung tra- gen und den weit tiberwiegenden Teil der allgemeinen Krankenhauslei- stungen nach w 39 SGB V erbringen. Von den insgesamt 2354 Kranken- hausern im Jahr 1993 waren 2112 oder 89,7 % allgemeine Krankenh~iuser, in denen zusammen 92 % aller Krankenhausbetten vorgehalten wurden. Nicht in die Untersuchung einbezogen wurden die 213 psychiatrisch-neu- rologischen Krankenh~iuser mit zusammen ca. 50000 ausschlieBlich psy- chiatrischen oder neurologischen Betten.

Eine Vorbemerkung zu den verfiigbaren Daten tiber Kapazit~iten, Lei- stungen und Kosten der Krankenh~user erscheint mir notwendig. Zwar wurde die Datenlage dutch die Krankenhausstatistik-Verordnung von 1990 ab dem Erhebungsjahr 1991 deutlich verbessert, dennoch sind Um- fang und Differenzierungsgrad der mittlerweile verftigbaren Leistungs- und Kostendaten noch immer unbefriedigend. So sind z. B. die Daten for All- gemeinkrankenh~iuser zwar nach Tr~igerschaft und GrOt3e, nicht jedoch zu- s~tzlich nach West- und Ostdeutschland differenziert. Dies w~ire hilfreich gewesen, um den EinfluB der besonderen Situation ostdeutscher Kranken- h~user berticksichtigen zu k/3nnen. Auch ein an sich wtinschenswerter Lang- zeitvergleich der Entwicklung von Aufnahmen und Verlegungen ist wegen fehlender differenzierter Daten ftir die Zeit vor 1991 bzw. wegen des 1990 ge~inderten Klassifikationsschemas ftir station~ire Einrichtungen nicht mSglich. Aus den genannten Grtinden sind der folgenden Untersuchung durch die Beschr~inkung der Krankenhausstatistik relativ enge Grenzen in

Insofern liegt der Einsch/itzung der GKV-Spitzenverb/ande [15] (S. 546), die Wir- kungsgleichheit von Fallpauschalen und Budgetierung beziehe sich auch auf Be- legung und Verweildauer, m. E. eine Fehleinsch/itzung der Steuerungswirkun- gen yon Fallpauschalen zugrunde.

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bezug auf den Detaillierungsgrad gesetzt. Dennoch aber lassen bereits die vorliegenden Daten einige signifikante Ver~inderungen im Aufnahme- und Verlegungsverhalten von einzelnen Krankenhausgruppen erkennen.

2. Die aktuelle Struktur der station/iren Versorgung

Vor dem Einstieg in eine Analyse von Leistungs- und Kostendaten, diffe- renziert nach Krankenhausgr6gen und Krankenhaustr~igerschaft, soil zun~ichst ein l]berblick fiber die aktuelle Grundstruktur der station~iren Ver- sorgung des Jahres 1993 gegeben werden. Damit wird quasi eine ,,Hinter- grundfolie" for die nachfolgende Analyse der Auswirkungen des GSG ge- legt. Die unterschiedliche Pr~isenz der verschiedenen Krankenhaustr~iger in den verschiedenen Krankenhausgr613en l~il3t auch Unterschiede in Ver- sorgungs- und Behandlungsschwerpunkten erkennen. In der Regel nimmt parallel zur Bettenzahl des Krankenhauses auch der Umfang des Versor- gungsauftrages im Rahmen der allgemeinen stationfiren Krankenversorgung zu. W/ihrend kleinere und mittlere Krankenh~iuser bis ca. 200 - 300 Betten die Grund- und Regelversorgung gew/ihrleisten, tibernehmen mittlere und grN3ere Krankenh/iuser die Schwerpunkt- und Zentralversorgung. 8

Betrachtet man die Verteilung der Betten in Allgemeinkrankenhfiusern nach Tr~igerschaft, fallen deutliche Unterschiede auf (Tab. 1). W~ihrend in 6f- fentlichen Allgemeinkrankenh~iusern knapp 59 % der Betten stehen, ent- fallen auf freigemeinntitzige Tr~iger ca. 36 % und auf private Tr~iger nur knapp 5 % der Betten. Bezogen auf die einzelnen Krankenhausgr613en wei- sen die jeweiligen Trfiger deutliche Schwerpunkte auf. Der Schwerpunkt Of- fentlicher Triiger liegt eindeutig bei Krankenh~iusem h6herer Versorgungs- stufen (Schwerpunkt- und Zentralversorgung). Dies wird vor allem auch daran erkennbar, dab Krankenh/iuser mit mehr als 1000 Betten, vor allem Hochschulkrankenh~iuser, nur von 6ffentlichen Tragern betrieben werden und 66 % der Intensivbetten in 6ffentlichen Krankenh/iusern stehen.

Tab. 1: Betten in AUgemeinkrankenh~usern nach Krankenhausgr/513e und Tr~igerschaft

1993

Betten Offentliche Freigemeirmf~tzige Private ins- Krankenl~user K r a n k ~ Kraakenhattser

gesamt Ararahl in o/~ An~ahl in % Anzahl in

Krhs. mit unterl00 25620 7368 28,8 7992 31,2 10260 40,0 100-200 79566 34003 42,7 36498 45,9 9065 11,4 200- 500 249446 119849 48,0 124353 49,9 5244 2,1 500- I000 126814 82093 64,7 41411 32,7 3310 2,6 1000 undmehr 97175 97175 100,0 Betten

lasgesamt 578621 340488 58,9 210254 36,3 27879 4,8

Simon

Quelle: StBA, F a c i ~ e 12 Reihe 6.1; eigene Berechnungen.

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Freigemeinniitzige Krankenhaustriiger haben ihren Schwerpunkt bei Kran- kenh~iusern mittlerer Gr6Be. 76,5 % der Bet ten in freigemeinntitziger Tr/a- gerschaft stehen in Krankenhausern mit 100 - 500 Betten (Grund-, Regel- und teilweise auch Schwerpunktversorgung). Sie tragen damit einen we- sentlichen Teil der allgemeinen station~iren Akutversorgung, was auch daran ablesbar ist, dab knapp 1/3 der Intensivbetten in freigemeinn0tzigen Kran- kenh~iusern stehen.

Private Krankenhiiuser spielen in der Akutversorgung dagegen nur eine sehr geringe Rolle. Ihr Schwerpunkt liegt bei Krankenh~iusern mit unter 100 Bet- ten. Die kleinen privaten Krankenhauser sind zu einem erheblichen Teil Belegkrankenh~iuser und/oder kleine Spezialkliniken in den Bereichen Or- thop~idie, Gyn~ikologie, Augenheilkunde oder HNO. W~ihrend in 6ffentli- chen Krankenh~iusern mit unter 100 Betten der Anteil der sogenannten ,,Be- legbetten" 1993 bei 31,5 % und in freigemeinn0tzigen H~iusern dieser Gr6ge bei 30 ,1% lag, waren es in den privaten Krankenh~iusern 45,5 %.

3. Ver~inderungen der Aufnahme- und Verlegungspraxis nach ln- krafttreten des GSG

Die Entwicklung im Durchschnitt aller Allgemeinkrankenhiiuser

Im ersten Schritt der Analyse yon Ver~inderungen in der stationfiren Kran- kenversorgung nach Inkrafttreten des GSG soll nun die Entwicklung yon ,Standard-Leistungsdaten" des Krankenhauswesens im Durchschnitt aller Allgemeinkrankenh~iuser betrachtet werden.

Die Zahl der Krankenhausaufnahmen stieg 1993 in Allgemeinkrankenhfiu- sern insgesamt gegen0ber 1992 um 1,5 %. Damit fiel die Steigerung gerin- get aus als im Vorjahr (1992: + 2,7 %). Der bereits im Vorjahr zu beobach- tende Trend zu h~iufigeren Verlegungen zwischen den Krankenh~iusern hat sich auch im Jahr 1993 weiter fortgesetzt. W~ihrend die Zahl der Aufnah- men insgesamt nur um 1,5 % und die Zahl der Entlassungen nur um 1,3 % anstieg, nahm die Zahl der Verlegungen arts anderen Krankenhdusern um 7,7 %, die Zahl der Stundenfiffle 9 um 8,6 % und die Zahl der Verlegungen in andere Krankenhiiuser um 5,6 % zu. 1~ Die st~irkste Ver~inderung unter den Standard-Leistungsdaten gegen0ber 1992 trat bei der Bettenbelegung ein. War sie in 1992 mit 83,7 % unver~indert gegen0ber 1991 geblieben, fiel sie 1993 bundesweit um 1,3 Prozent-Punkte yon 83,7 % auf 82,4 %. Dieser ROck- gang ist insofern bemerkenswert, als er vollkommen aus dem Rahmen der

8 Die Klassifizierung der Krankenh~iuser erfolgt in Anlehnung an w 23 Abs. 2 KHG: Grundversorgung, Regclversorgung, Schwerpunktversorgung und Zentralver- sorgung.

9 Stundenf~lle sind Patienten, die in ein Krankenhaus station~ir aufgenommen und noch am selben Tag wieder entlassen oder in ein anderes Krankenhaus verlegt wurden sowie Patienten, die am Aufnahmetag verstorben sind.

10 Die Differenz zwischen der Zahl der Verlegungen in und der Verlegungen aus anderen Krankenh~usern ist darauf zurtickzuftihren, dab in der Zahl der Stun- denfglle auch Patienten enthalten sind, die nach kurzem Aufenthalt in ein an- deres Krankenhaus weiterverlegt werden.

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bisherigen Entwicklung f~illt. Seit Mitre der 70er Jahre war die durch- schnittliche Bettenauslastung in Akutkrankenh~iusem kontinuierlich ange- stiegen.

Veriinderungen in Abhiingigkeit von KrankenhausgrOfle und Triiger- schaft Auf der Ebene der Durchschnittswerte ftir alle Allgemeinkrankenh/iuser kann der Eindruck entstehen, dab for 1993 kaum wesentliche Ver/inde- rungen festzustellen sind. Lediglich der Rtickgang der durchschnittlichen Bettenbelegung lag tiber dem Niveau des Vorjahres, was offenbar auf eine leicht tiber dem Vorjahresniveau liegende Verweildauerktirzung zurtick- zuftihren ist. In bezug auf die Gesamtinanspruchnahme der Allgemein- krankenh/iuser kam es - soweit anhand der Krankenhausstatistik erkenn- bar - nach Inkrafttreten des GSG offenbar zu keinen signifikanten Ver- /inderungen. Zwar ist die Zahl der Stundenf/ille und Verlegungen st~irker angestiegen als die Zahl der Aufnahmen insgesamt, dies entspricht aber ei- ner bereits in den Vorjahren zu beobachtenden Entwicklung.

Abet bereits eine Differenzierung nach Krankenhausgr6genklassen l~iBt deut- liche Unterschiede in der Entwicklung yon Standard-Leistungsdaten zutage treten (Tab. 2). So verlief die Steigerung der Aufnahmen je Bett 1992 ge- gentiber dem Vorjahr noch relativ gleichm~igig tiber fast alle Krankenhaus- gr613enklassen. 1993 erfolgte eine deutliche Spreizung: Krankenh~iuser mit 100 - 200 Betten verzeichneten mit + 2,1% eine unterdurchschnittliche und vor allem Krankenh/iuser mit mehr als 1000 Betten mit + 8 % eine tiber- durchschnittliche Steigerung. Es hat also offenbar ,,unter der Oberfl/iche" der Durchschnittswerte aller Allgemeinkrankenhauser deutliche Ver~inderungen gegeben, die als Anzeichen von Belastungsverschiebungen zwischen den Krankenh~iusem verschiedener Versorgungsstufen gedeutet werden k6nnen.

T a b . 2: Ausgew~hlte Leistungsindikatoren der Allgemeinkrankenh~user

nach Gr6Benklassen Ver~inderung gegenfiber dem Vorjahr in %

Aufiaahme~a Dumh- Durch- jr Bctt ~mittl . sdmittl.

Verweildauer Belegung

1992 1993 1992 1993 1992 1993

Kills. mit tinter 100 2,4 4,5 -3,2 -4,1 -0,7 -0,6 100 - 200 4,2 2,1 -4,3 -3,0 -0.7 - 1.9 200 - 500 3,3 2,1 -3,g -3,2 -0~8 -1.6 500 - 1000 3,8 4,6 -2,3 -6,2 2,0 -I,8 I000 trod mehr 5,0 8,0 -2,2 -8,2 1.3 - 1,4 Bett~

lasgesamt 3,8 3,8 -3,7 -4,7 0,0 -1.6

Simon

Quelle: StBA, Fachserie [2 Reihe 6.1; eigene Berechnungen.

28 z . f . Gesundhei tswiss . , 4. Jg. 1996, H. 1

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Im folgenden soil darum untersucht werden, ob anhand der statistischen Daten Unterschiede in der Aufnahme- und Verlegungspraxis in Abh~in- gigkeit von Krankenhausgr613e und Tr~igerschaft zu beobachten sind (Tab. 3 und 4). Zu diesem Zweck werden die Daten der Krankenh~iuser nach Tr~i- gerschaft und in drei Gr613enklassen unterteilt ausgewertet: (1) Kranken- h~iuser mit unter 100 Betten (Grundversorgung/kleine Spezialkliniken), (2) Krankenh~iuser mit 100 - 500 Betten (Grund- und Regelversorgung / teilweise auch Schwerpunktversorgung), (3) Krankenh~iuser mit mehr als 500 Betten (Schwerpunkt- und Zentralversorgung).

Tab. 3: Durchschnittliche Bettenbelegung in Allgemeinkrankenh~usern

nach KrankenhausgrOl3e und Tr~gerschaft

Offentliche FreigemeimaCttzige Private Krankenhiuser Krankenhiuser Krankenhfiuser

1992 1993 Verind. 1992 1993 Ver~tad. 1992 1993 Ver~d. in %- in %- in %- Punkten Punk-ten Punkten

Krhs. mit unter 100 78,3 78,8 + 0,5 83, I 82,9 - 0,2 82,3 80.4 100 - 200 82,4 80,8 - 1,6 84,5 82,7 - 1,8 88,1 87,3 200 - 500 81,2 80,7 - 0,5 85,5 83,3 - 2,2 83.1 83.1 500 - 1000 83,5 82,3 - 1,2 85,9 84,0 - 1,9 .1 .l

I000 und mehr 83,6 82,8 - 0,8 94,1 Betten

lnsgesamt 82,5 81,7 - 0,8 85,5 83,3 - 2.2 84,7 84,1

- 1.9 -0 ,8 -0 .0

I

- 0.6

Simon

I) Durch die Neuer6ffnung bz'w. 13"bemahme yon 2 Krankenhiusem der Schwerpunkl- bz'w. Zentralversorgung mit zusammen ca. t400 Betten in privater Tr~ge'r~hafl im Jahre 1993 wurde die Zatd de* Betten privater Krankerthiuser dieser ~ a . s s e fast verdoppelt trod ilare Leistungsstruktur erheblich verfindert. Aus diesem Grund wurde auf einen Vergleich der beiden Jab.re f~r diese Krankenhausgruppe vemichtet.

Quelle: StBA, Fach.serie 12 Reihe 6.1; eigene Berechnungen.

Um einen Anhalt far die 0konomischen Auswirkungen der verschiedenen Aufnahme- und Verlegungsstrategien zu erhalten, wird zus~itzlich in Ein- zelfiillen auch die Entwicklung der Kostenart ,,medizinischer Bedarf" bzw. der durchschnittlichen Fallkosten einbezogen (Tab. 5 und 6). Die Kosten- art ,,medizinischer Bedarf" ist insofern als Indikator besonders geeignet, als es sich um einen wichtigen Bereich der variablen Kosten handelt, der auf Ver/~nderungen von Patientenstruktur oder Therapieaufwand reagiert, n

11 Als ,,variabel" im Sinne der KrankenhausOkonomie gelten Kostenarten, die sich in Abh~ingigkeit yon Belegungs~nderungen oder Behandlungsaufwand je Pati- ent ver~indern. Als ,,Fixkosten" gelten Kosten, die von Belegungs~inderungen und Behandlungsaufwand unabhfingig sind [14] (S. 147-151).

Z. f. G e s u n d h e i t s w i s s . , 4. Jg . 1996, H . 1 29

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Als Bezugsgr613e wurden die Kosten je aufgestelltem Bett gew~ihlt, um ei- nen tiber alle Krankenhausgr6gen vergleichbaren und vor allem auch von Belegungsver~inderungen beeinfluf3ten Wert zu erhalten. Letzteres ist unter den Bestimmungen des ,,festen Budgets" sinnvoll, da durch Minderbele- gungen Kostenersparnisse erzielt werden k6nnen, die dem Krankenhaus- tr~iger verbleiben. Der Wert ,,Kosten je belegtem Bett" w~ire keine geeignete Kennzahl, um den wirtschaftlichen Vorteil durch Minderbele- gungen zu verdeutlichen, da Minderbelegungen zu einer rechnerischen Ko- stenerh6hung je belegtem Bett bzw. Pflegetag ftihren. Diese ,,Scheinko- stenerh6hung" je Pflegetag entsteht dadurch, dab die belegungsunabh~ngi- gen Fixkosten auf eine geringere Pflegetagezahl umgelegt werden mtissen. Unter dem ,,festen Budget" ist eine derartige Umlage nicht notwendig, da das Krankenhaus die voile H~She der Pflegesatzeinnahmen ftir die verein- barte Belegung erh~ilt, unabh~ingig von der tats~ichlich erreichten Belegung. 12

Tab. 4: Patientenbewegungen je Bett in Allgemeinkrankenh~usern

nach GrOl3enklassen und Tr~gerschaft 1993

VerSnderung gegentiber 1992 in %

Aufmalmaen yon aufen Verlegungert ]e Bett in andere

darunter Kranken- Verlegungen Sttmdenl311e aus anderen je Bert

Krankenl~usem

iragesamt

fi'ei- fi'ei- frei- frei- 6ff. gem. priv. 8ft. gem. priv. ~ff. gem. priv. 6ft. gem. priv.

Kills. Kr~. Krt~. ~ KI~. Kills. Krbs. Krhs. Krt~. Krt~. Krhs.

3,9 3.5 3,7 12,3 7,9 -0,6 9,6 11,5 403 8.6 7,0 13,2 Insgesamt

darunter Ka'hs. mit uraer 100 100 - 200 200 - 500 500- 1000 I000 und mehr Bctten

6,1 4,4 2,5 7,7 23,0 22,2 15,3 -10,7 31,7 g,l 12.5 35,2 1,g 2,0 6,7 I0,1 12,5 -2g,1 8,3 8,0 42,9 6.0 7,7 1,7 2,2 1,9 6,0 16,8 4,0 13,2 13,6 13,0 83,5 7.4 4,9 11,3 5,2 2,2 .I 11,7 0,3 .I 6,4 4.5 .z g,9 4,2 .I 5,3 12,7 9,9 11.1

Simon

1) Dutch die NeuenSffaaung bzw. L-rbernalnue yon 2 Krankenh~usern der $chwerpunkt- bzvr ZenlralvePsorgung mit zatsammen ca. 1400 Betten in privater Tr~ger~'haR ira Jahre 1993 wurde die Zahl tier Betten privater Krankenh~tuser dieser Gr6genldasse fast verdoppelt und ihre Leistungsstruktur egacblich verftndert. Aus diesem Grund wurdr auf einen Vergleieh der bci~-~ J ~ , e t~r ~ i ,~ r , ~ - ~ n k ~ a u s g u ~ vcrzia~, t

Quelle: StBA, Fa~chserie 12 Reihe 6.l; eigene Berechnungen.

12 Dabei wird davon ausgegangen, dag die vereinbarte Belegung fiir 1993 auf dem Niveau yon 1992 lag, da es keinen Anhalt dafiir gibt, dab eine signifikante Zahl yon Krankenhausern eine deutlich niedrigere Belegung vereinbart hatte.

30 z.f. Gesundheitswiss., 4. Jg. 1996, H. 1

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Tab. 5: Medizinischer Bedarf je Bett in Allgemeinkrankenh~iusern nach KrankenhausgrN3e und Tr~gerschaft

1993 Ver~inderung gegeniaber Vorjahr in %

~ e i - , H�9 Ar-ztl. u. Narkose- Blur, Blutkorm. und Hilfsmittel pfl. Verbrauchsmat. und OP-Bedarf und Blutplasrna

Frei- Frei- Frei- Frei- Off. gem. Priv. Off. gem. Priv. Off. gem. Priv. Off. gem. Priv.

Kshs. ga'hs Kd~. Krh~ Kths Krhs. Kr~. Krhs Ka'hs. Krhs. ga'hs Krhs.

Khrs. mit unter 100 7,9 11,6 -2,3 10,1 13,1 5,5 11,3 27,0 20,1 14,9 14,9 -11,2 100 - 200 -4,8 -3,3 4,9 -14,0 0,2 -0,7 4,1 0,5 -3,4 -1,6 -4,3 5,2 200 - 500 1,6 -2,8 3,0 5,4 1,3 0,7 7,5 3.7 4.4 0,7 -6,4 6,2 500 - I000 5,8 0,0 .l 10,9 9,5 t 10,2 I0,8 t 6,4 4,9 L 1000 trod mehr -0.3 10,9 9,1 8.5 Betten

lnsgesamt 0.6 -0,9 1,9 7,3 4,9 1,5 8,0 7.2 6.1 5,0 -2.6 3,4

Simon

1) Dutch die Neuer6ffntmg bzw. 0bemalnnr yon 2 Kraakenhiusern der Schwerpunkt- bzw. Zentnlve'tr, orgung mit zusammen ca. 1400 ~ in privaler Tr2ger~aatt im Jal~e 1993 wurde die Z.ahl der Betten privater Krankenhs dieser Gr61~mklasse fast verdoppelt und ihre Letstamgsstruktur erheblich verfmdert. Aus dier~.nn Grund wurde auf einen Vergleich der beidea Jahre fin" diese ~ g n J p g e verzichlet

Quelle: StBA, Fachserie I2 Reihe 6.:3; eigene Bereclmtmgen.

Tab. 6: Kosten je Behandlungsfall in Allgemeinkrankenh~iusern nach Krankenhaustr~igerschaft

1993 Ver~inderung gegentiber 1992 in %

Kosten j e Fall AbzaTt ge Beremigte Kosten

ins- gesamt daruater

Personal- Sach- kosten kosten

Kranken t~ase r insge~arnt 4,4 5,1 3, I 9.0 3,9

Offentliche Krhs. 5,6 6,4 4,4 9,7 5.1 darunter

Hoehschulkl iniken 6,2 6,9 5,4 8,1 5.6 Frr K.,~. 2,6 3,3 1,2 11,4 2.2 Private Krhs. 4 ,7 6,0 2,8 23,2 4.1

Simon

Quelle: StBA, Facbserie 12 Reihe 6.3

Krankenhi~user mit unter 100 Betten Die privaten Krankenhiiuser mit unter 100 Betten weisen bei der Zunahme der Aufnahmen je Bett sowohl im Vergleich zu den 6ffentlichen und frei- gemeinnfitzigen Krankenhgusem gleicher Gr6ge als auch im Vergleich zu den tibrigen privaten Krankenh~iusern mit + 2,5 % einen unterdurch- schnittlichen Wert auf. Bei den Stundenf~illen (+ 31,7 % ) und Verlegungen (+ 35,2% ) in andere Krankenh~iuser liegen sie jedoch weit fiber dem Durch- schnitt der Krankenh~iuser ihrer Gr613enklasse. Vergleicht man die Zu-

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wachsrate der Verlegungen in andere Krankenh~iuser (+ 35,2 %) mit der Zunahme der Verlegungen aus anderen Krankenh~iusern (+ 22,2%), ver- bleibt ein negativer Saldo: private Krankenh~iuser mit unter 100 Betten stei- gerten die Zahl der Verlegungen in andere Krankenh~iuser starker als die Zahl der l~Ibernahmen aus anderen Krankenhgusern.

Bezieht man die Ver~inderungsraten der Hauptkostenarten des medizini- schen Bedarfs in die Betrachtung mit ein, so kann dies den Eindruck ent- stehen lassen, dab kleine private Krankenh~iuser 1993 insbesondere be- handlungsaufwendigere Patienten h~iufiger und schneUer als im Vorjahr direkt nach der Aufnahme weiterverlegt haben. Der Rtickgang bei den Ko- sten far Blut, Blutkonserven und Blutplasma (- 11,2 %) und bei Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (- 2,3 %) sowie die gegentiber den anderen Kran- kenh~iusern der gleichen Gr6Benklasse unterdurchschnittliche Kostenstei- gerung ftir ~irztlich-pflegerisches Verbrauchsmaterial (5,5 %) k6nnten hierin ihre Erkl~irung finden.

Die freigemeinniitzigen Krankenhiiuser mit unter 100 Betten weisen als eine auff~illige Besonderheit den auch schon vor dem GSG h~Schsten Anteil an Pa- tienten auf, die von anderen Krankenh~iusem dorthin verlegt wurden. Dieser Anteil stieg durch den tiberproportionalen Zuwachs von 6,8 % in 1992 auf 8 % in 1993. Zum Vergleich: in 6ffentlichen Krankenh~iusem unter 100 Bet- ten lag der Anteil der Verlegungen aus anderen Krankenhausem an den Auf- nahmen 1993 bei 3,9 %, in den privaten bei 3,8 %. FOr die freigemeinntitzigen Krankenh~iuser dieser Gr66e ergibt sich 1993 ein positiyer Saldo der zus/itz- lichen Verlegungen je Bett, sie verzeichneten bei den Ubemahmen von Pa- tienten aus anderen Krankenh/ausem eine h6here Steigerung als bei den Ver- legungen in andere Krankenhauser. Vor dem Hintergrund der unterschiedli- chen Versorgungsschwerpunkte auch in dieser Gr6genklasse deutet der st/ir- kere Zuwachs der Verlegungen aus anderen Krankenh~iusem bei den kleinen freigemeinntitzigen Krankenh/iusem auf eine h/iufigere Verlegung von Pati- enten bin, die nach AbschluB der Behandlung in einem Krankenhaus einer h6heren Versorgungsstufe zur pflegerischen Weiterversorgung in ein kleines Krankenhaus verlegt wurden. Dafar spricht u. a. auch eine um 5,6 Prozent- Punkte auf 62,4 % angestiegene Bettenauslastung aufihren Intensivstationen und der 1993 tiber dem Durchschnitt liegende Personalzuwachs im allgemei- nen Pflegedienst kleiner Krankenh/iuser durch die Anwendung der Pflege- Personalregelung [16, 17, 18]. Diese Krankenh~iuser sind zusammen mit den freigemeinntitzigen Krankenh~iusem der Gr6genklasse 100- 200 Betten viel- fach die letzte Stufe in der station~iren Behandlung ftir Patienten, die nach ei- ner/irztlichen Krankenhausbehandlung vor allem intensiver Pflege bedtirfen, far die aber noch keine ad/iquate Betreuungsm6glichkeit augerhalb des Kran- kenhausbereiches gefunden wurde. 13 Auff~illig bei den kleinen Offentlichen Krankenhiiusern ist die mit + 6,1% tiberproportionale Zunahme der Aufnahmen je Bett und die gegentiber dem Vorjahr leicht angestiegene Belegung. Da die Steigerung der Zahl der Ver- legungen in andere Krankenh/iuser relativ gering ausfiel, wurden die auf-

13 Vgl. zu dieser Einsch~itzung Infratest/Klar [19] (S. 111). Die Quote der vor al- lem mit pflegebedtirftigen Patienten ,,fehlbelegten" Pflegetage lag der ,,Fehlbe- legungsstudie" zufolge in Krankenh~usern mit unter 200 Betten mit 25,6 % deut- lich tiber dem Durchschnitt.

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genommenen Patienten- abgesehen yon den Stundenfallen- offenbar auch im gleichen Umfang wie im Vorjahr im eigenen Krankenhaus behandelt.

Krankenhiiuser mit 100 - 500 Betten In der Gr6Benklasse 100 - 500 Betten weisen die privaten Krankenhgiuser einige besonders bemerkenswerte Ver/inderungen auf. An erster Stelle ist hier der weit Oberproportionale Zuwachs in der Kategorie ,,Stundenf/ille" je Bett zu nennen. In der Gr6Benklasse 100 - 200 Betten betrug er 1993 + 42,9 % und in der Klasse 200 - 500 Betten sogar + 83,5 %. Private Kran- kenh/iuser dieser Gr6Benklassen haben einen gegenOber dem Vorjahr er- heblich gr6Beren Teil der aufgenommenen Patienten entweder sogleich wie- der entlassen oder umgehend in ein anderes Krankenhaus verlegt.

Verlegungen von Patienten kurz nach ihrer Aufnahme erfolgen in der Re- gel zum Zweck einer speziellen Diagnostik oder Therapie in ein Kranken- haus der h6heren Versorgungsstufe. Da unter den Krankenh~iusern h6- herer Versorgungsstufen nur die 6ffentlichen H/iuser iiberproportionale Steigerungsraten bei den lSIbernahmen aus anderen Krankenhausern auf- weisen, wurden diese Patienten offenbar vermehrt in die groBen 6ffentli- chen Krankenh~iuser weiterverlegt.

Die privaten Krankenh~iuser mit 200- 500 Betten verlegten bereits vor 1993 yon allen Allgemeinkrankenh~iusern am h~iufigsten Patienten in andere Krankenh/iuser. Diese Position bauten sie in 1993 durch eine Oberpropor- tionale Steigerung der Verlegungen weiter aus. Wahrend 6ffentliche und freigemeinnOtzige Krankenh/iuser mit 200 - 500 Betten 1993 4 % bzw. 3,6 % ihrer Aufnahmen entweder sofort oder nach mehreren Tagen wei- terverlegten, betrug dieser Anteil bei den privaten Krankenh/iusern mit 200 - 500 Betten 8 %. Auch private Krankenh~iuser mit 100 - 200 Betten ver- legten 1993 mit 5,8 % aller Aufnahmen einen Oberdurchschnittlichen An- teil ihrer Patienten in andere Krankenh~iuser weiter. Kann der hohe rela- tive Anteil der Weiterverlegungen an den Aufnahmen noch mit dem ver- gleichsweise hohen Grad der Spezialisierung dieser Krankenh/iuser erkl~irt werden, so kann eine derartige Erkl~irung weder for die Oberproportionale Steigerung der Verlegungen noch for die mit + 42,9 % bzw. + 83,5 % weit Oberproportionale Steigerungsrate der Stundenf/ille je Bett Oberzeugen. Es dr~ingt sich vielmehr der Eindruck auf, dab der Anstieg der Zahl noch am Aufnahmetag wieder entlassener oder weiterverlegter Patienten weniger medizinisch als vielmehr 6konomisch begrthadet war.

Dieser Eindruck wird auch dadurch gestiitzt, dab in den privaten Kran- kenh/iusern mit 100 - 200 Betten die Zahl der Intensivbetten von 1992 auf 1993 zwar um ca. 40 % erh6ht wurde, dennoch aber die Zahl der Ober- nahmen aus anderen Krankenh/~usern um 28,1% zurtickging. Diese H~iu- ser verfOgten in 1993 tiber erweiterte Kapazit~iten zur Versorgung schwe- rer F~ille, haben diese aber anscheinend nicht im medizinisch m6glichen Umfang for die allgemeine station~ire Versorgung eingesetzt. Es ist anzu- nehmen, dab die erweiterten Intensivkapazit/iten im wesentlichen for ein erweitertes spezialisiertes Angebot, z. B. in der Herzchirurgie, geplant und genutzt wurden.

Auff~illig bei der Entwicklung der Leistungsindikatorenfreigemeinniitziger Krankenhiiuser mittlerer Gr6Be ist die im Gesamtvergleich aller Allge-

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meinkrankenh~iuser unterdurchschnittliche Steigerung der Aufnahmen je Bett und der mit 1,9 bzw. 2,2 Prozent-Punkten tiberproportionale Rtickgang der Bettenbelegung (Tab. 3). Diese beiden Entwicklungen diirften for die im Gesamtvergleich unterdurchschnittliche Entwicklung der Kosten fOr me- dizinischen Bedarf dieser Krankenhausgruppe ausschlaggebend gewesen sein. Auff~illig bei der Kostenentwicklung ist insbesondere der Riackgang der Kosten je Bett for Blut, Blutkonserven und Plasma sowie der Kosten ftir Arznei-, Heil- und Hilfsmittel. Beide Kostenarten k/3nnen auch als In- dikator ftir Strukturver~inderungen im Patientenaufkommen angesehen wer- den, da sie in ihrer Entwicklung sehr wesentlich vom Schweregrad der Er- krankungen bzw. dem damit im Zusammenhang stehenden Behandlungs- aufwand abh~ngig sind. Die unterdurchschnittliche Entwicklung dieser Kostenarten k6nnte insofern auf eine relative Entlastung der freigem- einntitzigen Krankenh~iuser mittlerer Gr6Be von behandlungsaufwendige- ren Patienten hindeuten.

Bei den 6ffentlichen Krankenhiiusern mit 100 - 500 Betten ist 1993 ein un- terdurchschnittlicher Zuwachs der Aufnahmen je Bett zu verzeichnen. Die /3ffentlichen H~iuser mit 100 - 200 Betten weisen die niedrigste Steigerung aller Allgemeinkrankenh~iuser auf, was in Verbindung mit einer Ver- weildauerverktirzung von 12,4 auf 11,9 Tage zu einer iiberproportional ge- sunkenen Bettenbelegung fohrte (- 1,6 Prozent-Punkte). Die teilweise deut- rich riickl~iufige Tendenz bei den Kosten for den medizinischen Bedarf dtirfte prim~ir mit der rtickl~iufigen Auslastung im Zusammenhang stehen. Bei den Verlegungen weisen die 6ffentlichen Krankenh~iuser mit 100 - 500 Betten eine st~irkere Steigerung der lJbernahmen aus anderen Krankenh~iusern ge- gentiber den Verlegungen in andere Krankenh~iuser auf.

Krankenhiiuser mit mehr als 500 Betten Allgemeinkrankenh~iuser mit mehr als 500 Betten sind entweder der Schwerpunkt- oder der Zentralversorgung zuzurechnen. Private Kranken- haustriiger spielen in der Gr6Benklasse tiber 1000 Betten tiberhaupt keine und bei Krankenh~iusern mit 500 - 1000 Betten mit 5 Krankenh~iusern und zusammen nur ca. 3300 Betten nur eine sehr geringe Rolle. Die fonf priva- ten Allgemeinkrankenhguser in der Gr/SBenklasse 500 - 1000 Betten wur- den in die Untersuchung nicht einbezogen, da durch die Neuer6ffnung oder 121bernahme yon nur zwei Krankenh~iusern mit zusammen ca. 1400 Betten die Zahl der Betten fast verdoppelt und das Leistungsspektrum dieser Kran- kenhausgruppe so nachhaltig ver~indert wurde, daB eine Vergleichbarkeit mit 1992 m. E. nicht gegeben ist. Bei denfreigemeinniitzigen Krankenhiiusern mit 500 - 1000 Betten hat sich die Zahl der Aufnahmen sowie die Zahl der 121bernahmen aus anderen Kran- kenh~iusern im Vergleich zu den /Sffentlichen Krankenhausem gleicher Gr6Be unterdurchschnittlich entwickelt. Auf~illig ist auch, daB im Gegen- satz zu den gleich grogen 6ffentlichen Krankenh~iusem der Saldo des Zu- wachses der Verlegungen negativ ausf~illt. Die Zahl der Verlegungen in an- dere Krankenh~iuser ist st~irker gestiegen als die Zahl der Ubernahmen. Die Zunahme der Zahl der Verlegungen in Krankenh~iuser h6herer Versor- gungsstufen insgesamt ging offenbar an den freigemeinntitzigen Kranken- hgusern htiherer Versorgungsklassen vorbei bzw. wurde vorbeigeleitet. Auch die zus/itzlichen Verlegungen aus den GroBkliniken gingen offenbar

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tiberwiegend in 6ffentliche Krankenh~iuser mittlerer Gr613e oder kleine frei- gemeinntitzige Krankenh~iuser mit unter 100 Betten.

Die Entwicklung in den 6ffentlichen Krankenhiiusern der Schwerpunkt- und Zentralversorgung war 1993 gepr~igt durch einen tiberdurchschnittlichen Anstieg der Aufnahmen insgesamt und vor allem der 121bernahmen aus an- deren Krankenh~iusern. Der relativ hohe Zuwachs der Verlegungen in an- dere Krankenh~iuser ist sicherlich durch die Rtickverlegungen von Patien- ten verursacht. Vor dem Hintergrund der eingangs erw~ihnten Meldungen und Erfahrungsberichte kann davon ausgegangen werden, dab es sich bei den Verlegungen tendenziell um schwerere F~ille handelte. Dafiir spricht auch der in den grogen 6ffentlichen Krankenh~iusern zu beobachtende iiber- proport ionale Anstieg der Kosten ftir den medizinischen Bedarf und die ebenfalls tiberdurchschnittliche Erh6hung der Fallkosten, insbesondere in den Hochschulkliniken. Zudem liegen einzelne Berichte und Auswertun- gen aus Hochschulkliniken zur Entwicklung yon Fallzahl und Patienten- struktur vor. ~4

4. Zusammenfassung und Bewertung Im ersten Jahr nach Inkraft treten des GSG hat es oberfl~ichlich betrachtet , d.h. auf der Ebene yon Durchschnittswerten for alle Allgemeinkranken- hfiuser, keine besonders auffalligen Ver~inderungen in der Aufnahme- und Verlegungspraxis der Krankenh~iuser gegeben. Lediglich der mit 1,6 Pro- zent-Punkten tiberproportionale Rtickgang der Belegung f~illt aus dem Rah- men. Insofern kann der durch die Diskussion Ende 1993 entstandene Ein- druck, die Krankenh~iuser h~tten verst~irkt Patienten abgewiesen oder be- handlungsaufwendige Patienten weiterverlegt, nicht durch die vorliegenden Daten gesttitzt werden.

Dies gilt jedoch nur fur den Durchschnitt aller Allgemeinkrankenhauser. Differenziert man nach KrankenhausgrN3e und Tr/igerschaft, lassen sich deutliche Ver~inderungen in der Aufnahme- und Verlegungspraxis be- st immter Versorgungsstufen und vor allem bei bestimmten Tragergruppen feststellen. Vor allem private Krankenh~iuser haben sich offenbar verst~irkt dadurch entlastet, dab sie in deutlich hOherem Umfang als im Vorjahr Pa- t ienten entweder kurz nach der Aufnahme wieder entliegen (Stundenf~ille: + 40,3 %) oder aber in Krankenh~iuser h6herer Versorgungsstufen weiter- verlegten (+ 13,2 %). Weit tiberdurchschnittliche Ver~inderungsraten wei- sen unter den privaten Krankenh~iusern insbesondere die Kliniken mit un- ter 100 Bet ten bei den Verlegungen in andere Krankenh~iuser (+ 35,2 %) und die H~iuser mit 200 - 500 Bet ten bei den Stundenf~iUen (+ 83,5 % ) auf.

14 Auf dem 11. Kongrel3 der Deutschen Gesellschaft fiir Chirurgie am 5.4.1994 be- richteten Prof. Hartel (Mtinchen) und Prof. Trede (Mannheim) tiber die Ver- schiebung yon komplizierteren F~illen in grN3ere Krankenh~iuser. Die Zahl der komplizierten F~ille sei dort teilweise bis zu 20 % angestiegen (HAZ 6.4.1994). Von der chirurgischen Abteilung der Uniklinik Bonn liegt eine Auswertung yon Patientendaten ftir 1993 vor, die diese Tendenz am Beispiel belegt [10]. Die Me- dizinische Hochschule Hannover berichtete fiir die ersten Monate in 1993 yon einer deutlichen Zunahme der Patienten auf Intensivstationen (yon t~iglich 150 auf ca. 200), die zu einem erheblichen Teil aus anderen Krankenh~iusern kamen (HAZ 3.6.1993).

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Von besonderer Bedeutung !st in diesem Zusammenhang m. E. auch der deutliche Rfickgang bei den Ubernahmen aus anderen Krankenh/iusern in private Kliniken mit 100- 200 Betten (- 28,1%) und der fiberproportionale Anstieg der Verlegungen in andere Krankenh~iuser bei den privaten H/iu- sern mit 200 - 500 Betten (+ 11,3 %). Es kann davon ausgegangen werden, dab die privaten Allgemeinkrankenh/iuser dieser Gr6Be - auch wenn sie ein relativ spezialisiertes Leistungsangebot vorhalten- fiber entsprechende Versorgungskapazit~ten auch ffir schwerere F~lle verffigen, und dab diese Kapazit/iten nicht innerhalb weniger Monate in dem genannten Umfang re- duziert wurden. Die Zunahme der Zahl der Intensivbetten in privaten Kli- niken mit 100 - 200 Betten um ca. 40 % gegenfiber 1992 deutet ffir diese Gruppe eher auf das Gegenteil hin.

Es hat daher den Anschein, dab private Krankenhaustr~iger zumindest in relevanten Teilbereichen eine Strategie der Entlastung von ,,schlechten Risiken" betrieben haben. Ffir die Annahme einer 6konomisch begrfinde- ten Ver~inderung der Aufnahme- und Verlegungspraxis spricht auch der deutlich fiberproportionale Zuwachs der Abzfige yon den pflegesatzf/ihi- gen Kosten bezogen auf den Behandlungsfall um+ 23,2 % (Tab. 5). Bei die- sen Abzfigen handelt es sich in privaten Krankenh~iusern fiberwiegend um Betriebskosten ffir Wahlleistungen, die nicht zu den allgemeinen Kran- kenhausleistungen geh6ren und darum nicht fiber den allgemeinen Pflege- satz vergfitet werden dfirfen. Ffir diese Leistungen, beispielsweise die Un- terbringung in einem Ein- oder Zweibettzimmer, kann das Krankenhaus dem Wahlleistungspatienten gesonderte Gebfihren in Rechnung steUen. Auch wenn nur ein Teil der Wahlleistungseinnahmen durch die Abzfige er- fal3t wird, k6nnen die gestiegenen Abzfige doch als Indikator daffir gelten, dab in privaten Allgemeinkrankenhausern 1993 offenbar verst~irkt Wahll- eistungspatienten behandelt, h6here Gebfihren verlangt oder neue zus~itz- liche Wahlleistungen angeboten wurden. 15

Die Zunahme der Verlegungen zwischen den Krankenh~iusern ging 1993 eindeutig zu Lasten der 6ffentlichen Allgemeinkrankenhfiuser h6herer Ver- sorgungsstufen. Da in der Regel vor allem behandlungsaufwendigere Pati- enten zum Zweck einer speziellen Diagnostik und Therapie yon einem Kran- kenhaus niedrigerer Versorgungsstufen in eines der h6heren Stufe verlegt werden, kann davon ausgegangen werden, dab es sich bei der gestiegenen Zahl der Verlegungen in 6ffentliche Krankenh~user fiber 500 Betten prim~ir um schwerere F~ille handelte. Offentliche Krankenh~user der Schwerpunkt- und Zentralversorgung sind das letzte Glied in einer auf- steigenden Versorgungskette mr die Akutversorgung. Sie sind yon ihrem Versorgungsauftrag her verpflichtet, schwerkranke Patienten aufzunehmen oder zu fibernehmen, deren Versorgung yon anderen Kliniken nicht ge-

15 Imdahl vonder privaten Sana-Krankenhausgruppe empfahl als Bew~iltigungs- strategie zum GSG z. B., dab ,,vermehrt Wahl- und Zusatzleistungen in die stra- tegischen l~Iberlegungen des Krankenhaustr~igers einflieBen mtissen" [20] (S. 112). In Frage kommen dabei neben den klassischen Unterkunftsleistungen sowie Te- lefon und Fernsehen auch die Zurverftigungstellung eines eigenen Kiihlschran- kes, Botendienste, Pflege der pers6nlichen W~sche, ein Faxger~it am Bett etc. [20] (S. 6), [6] (S. 88).

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w~ihrleistet werden kann. Ihnen steht daher eine Strategie der Entlastung von aufwendigeren Patienten nicht often.

Eine weitere bemerkenswerte Entwicklung in 1993 ist bei den freige- meinnfitzigen Krankenh~iusem mittlerer Gr~3Be zu beobachten. Sie ver- zeichneten 1993 bei der Belegung mit 1,8 bis 2,2 Prozent-Punkten einen fiber- proportionalen Rfickgang. Zusammen mit der unterdurchschnittlichen Zu- nahme der Aufnahmen und in der Gr6Benklasse 200 - 500 Betten auch der Ubernahmen aus anderen Kliniken entsteht der Eindruck, daB der Anstieg des Patientenstromes - insbesondere der Verlegungen aus anderen Klini- ken - weitgehend an ihnen vorbeiging oder vorbeigeleitet wurde. Ob dies durch die freigemeinnfitzigen Krankenhfiuser oder durch die einweisenden .&rzte bzw. abrigen Kliniken bewirkt wurde, ist an der Krankenhausstati- stik nicht erkennbar.

Allerdings kann zu denken geben, daB die Entwicklung der Krankenhaus- aufnahmen zwar grundsgtzlich zun~ichst von den externen Einweisungen ab- h~ingig ist, aber auch von der Aufnahmebereitschaft des Krankenhauses. So k0nnen Kliniken ihre Auslastung beispielsweise auch darfiber steuern, daB sie ihre Intensivstationen als belegt vonder Notfallversorgung abmel- den oder die Aufnahme bzw. Ubernahme von Patienten mit dem Hinweis auf vollbelegte Abteilungen ablehnen. Ein geh~iuftes Auftreten derartiger Meldungen in 1993 wurde beispielsweise von Notfallmedizinern berichtet) 6 In welchen F~illen die Ablehnung einer lSIbernahme aus medizinischen Griinden geschieht, z. B. weil eine ausreichende Versorgung wegen feh- lender personeUer Kapazit~iten nach ..Auffassung der .~i, rzte nicht gew~ihr- leistet ist, und wann wirtschaftliche Uberlegungen eine Rolle spielen, ist natiirlich an den statistischen Daten nicht ablesbar. Unter den Bestim- mungen des GSG bot sich eine Reduzierung der Belegung als Strategie zur Verbesserung des Unternehmensergebnisses jedenfalls an, da sie zu einer geringeren Kostenbelastung des gedeckelten Budgets ffihren konnte, ohne zugleich geringere Erl6se aus Pfleges~itzen in Kauf nehmen zu miassen. Dazu ein kurzer Exkurs.

Die 1993 erreichte Belegungsrate dtirfte in den Krankenh~iusern mit einem aberproportionalen Rtickgang h6chstwahrscheinlich unter der in den Bud- getverhandlungen ftir 1993 ffir die Bemessung der Pfleges~itze zugrunde ge- legten vorausgesch~itzten Belegung gelegen haben. Ffir diesen Fall sah das GSG ein sogenanntes ,,festes Budget" vor: die gegenfiber der Voraus- sch~itzung niedrigere Belegung ffihrt zwar zun~ichst zu Mindereinnahmen des Krankenhauses durch weniger Pfleges~itze, diese Mindereinnahmen mfissen dem Krankenhaus aber bis zur H6he des vereinbarten Budgets yon den Kassen fiber das Budget eines folgenden Pflegesatzzeitraumes ausge- glichen werden (w 4 Abs. 5 BPflV 1993). W~hrend der Deckelungsphase lohnt sich insofern eine Reduzierung der Belegung, da ffir die nicht er-

16 Auf dem Bundeskongreg der Rettungsmediziner Ende Mai 1994 wurde dartiber geklagt, daB Krankenh/iuser immer h~iufiger Notfallpatienten mit der Begrtin- dung ablehnen, daB sie roll belegt seien. Der Vorsitzende des Kuratoriums zur F6rderung der Prgklinischen Notfallmedizin, Jtirgen Huber, fagte die Situation dahingehend zusammen, die Rettungsdienste mOgten ,,quasi mit den Patienten hausieren gehen" (FR 28.5.94).

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brachten Behandlungstage keine direkten Behandlungskosten (variable Ko- sten) entstehen, der Pflegesatz aber dennoch, wenn auch mit einer zeitli- chen Ve .1~. 6gerung, gezahlt wird. Hintergrund dieser Regelung ist zum ei- nen die Uberlegung, dab der Oberwiegende Teil der Krankenhauskosten Fixkosten sind, die unabh~ingig vonder tats~ichlichen Belegung anfaUen und deren Finanzierung auch unabh~ngig vonder Belegung gew~ihrleistet wer- den muB.~7 Zum anderen bietet das feste Budget gewollte Anreize zu einer Minderbelegung, die ihrerseits den von Bundesregierung und Kranken- kassen geforderten Bettenabbau erleichtert. TM

5. Fazit Die vorliegenden Daten k6nnen m. E. als Beleg daftir gewertet werden, dab tiefergehende Eingriffe in die Krankenhaus6konomie auch in der Bundes- republik mit dem Risiko nichtintendierter Nebenwirkungen verbunden sind. Offensichtlich mtissen die aus den USA berichteten Auswirkungen dia- gnosebezogener Fallpauschalen, wie z. B. Patientenselektion oder zuneh- mende Spezialisierung und ,,Rosinenpickerei" privater Anbieter, 19 auch for die Bundesrepublik als ,,reale Risiken" in Betracht gezogen werden. Be- greift man die finanzielle Entlastung der Krankenkassen als intendierte Hauptwirkung der aktuellen Reform der Krankenhausfinanzierung, so ste- hen dieser Hauptwirkung Nebenwirkungen zur Seite, die in ihrer Bedeu- tung nicht zu vernachl~ssigen sin& Bei den Nebenwirkungen stehen m. E. nicht finanzielle Defizite oder Schliel3ungen einzelner Abteilungen oder Krankenh~iuser und daraus eventuell resultierende Versorgungsengp~isse im Vordergrund, sondem vielmehr das Risiko einer Sch~digung der ~rzt- lich-pflegerischen Ethik. Am Beispiel der Aufnahme- und Verlegungspra- xis der Krankenh~iuser bedeutet dies, dab yon Regelungen der Krankenh- ausfinanzierung Anreize ausgehen k6nnen, die Entscheidung tiber eine Auf- nahme oder Verlegung zunchmend mehr an wirtschaftlichen Uberlegun- gen auszurichten als an ~irztlich-pflegerischen Handlungsnormen.

Solange daraus kein direkter Schaden ftir den einzelnen Patienten entsteht, mag dies als relativ unbedenklich erscheinen. Im Fall von primer wirt- schafdich motivierten Verlegungen in Krankenh~iuser der Schwerpunkt- und Zentralversorgung k~nnte es sogar durchaus zum Nutzen von Patienten aus- fallen, wenn die aufnehmenden Kliniken tiber bessere sachliche und per-

17 Die BPflV 1986 sah bereits zu diesem Zweck eine sogenannte ,,flexible Budge- tierung" vor, nach der - ausgehend von der Annahme, dab durchschnittlich 75 % der Betriebskosten Fixkosten sind - ein 75%iger Ausgleich vorgegeben wurde (w 4 BPflV 1986). Abweichende Prozents~itze konnten von den Vertrags- parteien vereinbart werden.

18 Der zu erreichende wirtschaftliche Vorteil in Form von Ausgleichszahlungen fiJr Minderbelegung hat folglich auch eine ,,Kehrseite der Medaille": ein signifikan- ter Rtickgang der Belegung bietet AnlaB fur eine l]berprtifung der Bedarfsnot- wendigkeit der Planbetten und gegebenenfaUs Streichung der unbelegten Bet- ten aus dem Krankenhausplan.

19 Zu den Erfahrungen mit diagnoseorientierten Fallpauschalen (DRGs) in den USA vgl. Projektgemeinschaft 1986 [21]; zu Risiken fiir die station/~re Versor- gung in der Bundesrepublik vgl. u.a. [22, 23].

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sonelle Kapazit~iten verfiagen. Die Gefahr liegt folglich weniger darin, dab in jedem Einzelfall eine Minderung der Behandlungsqualit~it eintritt, als daB innerhalb des sozialen Normengeft iges im Krankenhaus eine Ver~inderung eintritt, die es ab einem best immten Entwicklungspunkt generell als legi- tim erscheinen lfiBt, medizinisch sinnvolle und erfolgversprechende MaB- nahmen aus 6konomischen Grt inden zu unterlassen.

In Anbet rach t dieser Risiken w~re es sinnvoll gewesen, die Umsetzung des GSG im Krankenhausbereich im Rahmen einer Begleitforschung evaluieren zu lassen, und es nicht bei einer ,,finanziellen Bilanz" zu belassen. Es ist in- sofern zu begrtigen, dab ftir die BPflV 1995 eine dreij~hrige Begleitforschung vorgesehen ist, deren Ergebnisse in die Entscheidung iiber eine Erweite- rung des Fallpauschatenkataloges einfliegen k6nnen. Diese Begleiffor- schung sollte sich allerdings nicht nur auf die monet/~ren Auswirkungen der neuen Bundespflegesatzverordnung beschr~inken, sondern auch den Bereich der nichtmonet~iren , ,Nebenwirkungen" einbeziehen.

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Michael Simon, Drostestr. 21, 30161 Hannover

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