die rolle der sensoren in der verfahrenstechnik

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[3] Supp, E.: Chem. Technol. 3 (1973) Nr. 7, S. 430/435. [4] Kuczynski, M.; Browne, W . I.; Fontein, H. J.; Westerterp, K . R.: [5] Seyfert, W.; Luft, G.: Chem.-1ng.-Tech. 57 (1985) S. 482. [6] Westerterp, K. R.; Kuczynski, M.: Chem. Eng. Sci. 42 (1986) [7] Kuczynski, M.; Pieters, R. T.; Oyevaar, M. H.; Westerterp, K . R.: Chem. Eng. Sci. 42 (1987) S. 1887/1898. mer Sci. 264 (1986) S. 362/7. S. 1871/1885. 20 (1986) S. 53/58. [8] Kuczynski, M.; van Ooteghem, A.; Westerterp,K . R.: Colloid Poly- [9] Westerterp, K. R.; Kwzynski, M.: Chem. Eng. Sci. 42 (1987) [lo] Kwzynski, M.; 't Hart, W.; Westerterp, K. R.: Chem. Eng. Process. Chem. Eng. Process. 21 (1987) S. 179/191. S. 1539/1551. Die Rolle der Sensoren in der Verfahrenstechnik* Helmut Raab** Sensoren dienen in der Verfahrenstechnik in erster Linie zur Informationsbeschaffung aus einem laufenden ProzeB, um dessen verfahrenstechnische Fuhrung optimal zu gewahrlei- sten. Neue MeBmethoden fur klassische MeBgroBen und die Weiterentwicklung der Geratetechnik haben die Moglichkei- ten der Informationsgewinnung verbessert und damit die Auslegung verfahrenstechnischer Anlagen beeinflust. Stati- stisch belegt wird die starke Zunahme der Sensoren und die zunehmende Erfassung von BilanzgroBen und der Produkt- zusammensetzung. Die Veranderungen in der Verfahrens- technik bestimmen das Anforderungs- und das Einsatzprofil der Sensoren. Die Mikroelektronik erlaubt die Erweiterung des Funktionsvorrates und der Informationsinhalte. Damit entsteht eine neue Generation von Sensoren, die nicht nur da- zu beitragt, die erhohten mestechnischen Anspruche zu er- fullen, sondern auch die ,,Handhabbarkeit" der modernen Sensortechnik durch die Instandhaltung ermoglicht. The role of sensors in process engineering. The principal function of sensors in process engineering is to obtain infor- mation about an ongoing process in order to ensure optimum management of that process in terms of process engineering. New methods of measuring conventional parameters, and re- cent advances in instrumentation technology, have improved ways of obtaining information and so influenced the interpre- tation of process engineering installations. Statistical evidence confirms a sharp increase in the number of sensors, and the in- creasing tendency to record flow and level measurements and product composition. Changes occurring in process engi- neering determine the requirements sensors have to meet and the ways in which they can be used. Microelectronics makes it possible to extend the range of functions available and the in- formation content. This is giving rise to an new generation of sensors which are not only helping to meet the higher measurement standards required but are also making modern sensor technology more "user friendly", specially for mainte- nance. 1 Einfuhrung Mit den Mitteln der ProzeBleittechnikwird der Informations- fluB in der durch die Verfahrenstechnik bestimmten chemi- schen Produktion ermoglicht. Eine wesentliche Aufgabe ubernehmen dabei die Sensoren [l]. Um diesen Zusammen- hang zu verstehen, ist es niitzlich, zunachst einen Blick auf die Struktur der Leittechnik zu werfen. In der Darstellung einer Pyramide ist der hierarchische Aufbau der Leitebenen und des damit befaBten Personenkreises gut erkennbar (Abb. 1). Die Pyramidensegmente lassen sich in dieser Darstellung als MaB fur die, vom verfahrenstechnischen ProzeB nach oben gehenden Informationen auffassen. Weiterhin wird sichtbar, daB die Feldebene die Vermittlerrolle zwischen dem ProzeB und den ProzeBfuhrungsebenen iibernimmt. Wo stehen die Sensoren in dieser Strukturdarstellung? Sie sind Bestandteil der Feldebene wie Abb. 2 zeigt. Hier sind die * Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 20. bis wichtigsten Funktionen, die in der Feldebene erfullt werden sollen, dargestellt. 23. Sept. 1988 in Hannover. Abb. 1. Struktur der Leittechnik in der verfahrenstechnischen Produktion; betroffener Personenkreis. ** Dr. H. Raab, BASF AG, 6700 LudwigshafedRh. Chem.-1ng.-Tech. 61 (1989) Nr. 3, S. 199-205 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1989 199 0009-286X/89/0303-0199 $ 02.50/0

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Page 1: Die Rolle der Sensoren in der Verfahrenstechnik

[3] Supp, E.: Chem. Technol. 3 (1973) Nr. 7, S. 430/435. [4] Kuczynski, M.; Browne, W. I.; Fontein, H. J.; Westerterp, K . R.:

[ 5 ] Seyfert, W.; Luft, G.: Chem.-1ng.-Tech. 57 (1985) S. 482. [6] Westerterp, K . R.; Kuczynski, M.: Chem. Eng. Sci. 42 (1986)

[7] Kuczynski, M.; Pieters, R. T.; Oyevaar, M . H.; Westerterp, K . R.:

Chem. Eng. Sci. 42 (1987) S. 1887/1898.

mer Sci. 264 (1986) S. 362/7.

S. 1871/1885.

20 (1986) S. 53/58.

[8] Kuczynski, M.; van Ooteghem, A.; Westerterp, K . R.: Colloid Poly-

[9] Westerterp, K. R.; Kwzynski, M.: Chem. Eng. Sci. 42 (1987)

[lo] Kwzynski, M.; 't Hart, W.; Westerterp, K. R.: Chem. Eng. Process.

Chem. Eng. Process. 21 (1987) S. 179/191.

S. 1539/1551.

Die Rolle der Sensoren in der Verfahrenstechnik*

Helmut Raab**

Sensoren dienen in der Verfahrenstechnik in erster Linie zur Informationsbeschaffung aus einem laufenden ProzeB, um dessen verfahrenstechnische Fuhrung optimal zu gewahrlei- sten. Neue MeBmethoden fur klassische MeBgroBen und die Weiterentwicklung der Geratetechnik haben die Moglichkei- ten der Informationsgewinnung verbessert und damit die Auslegung verfahrenstechnischer Anlagen beeinflust. Stati- stisch belegt wird die starke Zunahme der Sensoren und die zunehmende Erfassung von BilanzgroBen und der Produkt- zusammensetzung. Die Veranderungen in der Verfahrens- technik bestimmen das Anforderungs- und das Einsatzprofil der Sensoren. Die Mikroelektronik erlaubt die Erweiterung des Funktionsvorrates und der Informationsinhalte. Damit entsteht eine neue Generation von Sensoren, die nicht nur da- zu beitragt, die erhohten mestechnischen Anspruche zu er- fullen, sondern auch die ,,Handhabbarkeit" der modernen Sensortechnik durch die Instandhaltung ermoglicht.

The role of sensors in process engineering. The principal function of sensors in process engineering is to obtain infor- mation about an ongoing process in order to ensure optimum management of that process in terms of process engineering. New methods of measuring conventional parameters, and re- cent advances in instrumentation technology, have improved ways of obtaining information and so influenced the interpre- tation of process engineering installations. Statistical evidence confirms a sharp increase in the number of sensors, and the in- creasing tendency to record flow and level measurements and product composition. Changes occurring in process engi- neering determine the requirements sensors have to meet and the ways in which they can be used. Microelectronics makes it possible to extend the range of functions available and the in- formation content. This is giving rise to an new generation of sensors which are not only helping to meet the higher measurement standards required but are also making modern sensor technology more "user friendly", specially for mainte- nance.

1 Einfuhrung Mit den Mitteln der ProzeBleittechnik wird der Informations- fluB in der durch die Verfahrenstechnik bestimmten chemi- schen Produktion ermoglicht. Eine wesentliche Aufgabe ubernehmen dabei die Sensoren [l]. Um diesen Zusammen- hang zu verstehen, ist es niitzlich, zunachst einen Blick auf die Struktur der Leittechnik zu werfen. In der Darstellung einer Pyramide ist der hierarchische Aufbau der Leitebenen und des damit befaBten Personenkreises gut erkennbar (Abb. 1). Die Pyramidensegmente lassen sich in dieser Darstellung als MaB fur die, vom verfahrenstechnischen ProzeB nach oben gehenden Informationen auffassen. Weiterhin wird sichtbar, daB die Feldebene die Vermittlerrolle zwischen dem ProzeB und den ProzeBfuhrungsebenen iibernimmt. Wo stehen die Sensoren in dieser Strukturdarstellung? Sie sind Bestandteil der Feldebene wie Abb. 2 zeigt. Hier sind die

* Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 20. bis

wichtigsten Funktionen, die in der Feldebene erfullt werden sollen, dargestellt.

23. Sept. 1988 in Hannover. Abb. 1. Struktur der Leittechnik in der verfahrenstechnischen Produktion; betroffener Personenkreis. ** Dr. H. Raab, BASF AG, 6700 LudwigshafedRh.

Chem.-1ng.-Tech. 61 (1989) Nr. 3, S. 199-205 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1989 199 0009-286X/89/0303-0199 $ 02.50/0

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Die Grundfunktionen ,,Messen" - also die Informationsge- winnung aus dem verfahrenstechnischen ProzeB - und Stel- len" - also der leittechnische Eingriff in den ProzeB - zahlen hierbei zu den wichtigsten Aufgaben. Im heutigen Sprachge- brauch werden fur deren geratetechnische Realisierung sehr pauschal die Begriffe ,Sensoren" und ,Aktoren" verwendet. In Abb. 2 sind weiterhin 3 Schnittstellen dargestellt; einmal zu informationsverarbeitenden Systemen der ProzeBleitebene - heute sind das fast ausschlieBlich ProzeRleitsysteme (PLS) -, weiterhin zur EMR-Instandhaltung (EMR = Elektro-, MeB- und Regeltechnik) und schlieRlich zum ProzeB selbst. Die Rolle dieser Schnittstelle und damit der Zusammenhang der Sensoren rnit der Verfahrenstechnik soll im folgenden naher untersucht werden. Dem Thema entsprechend, wird die Be- deutung der Aktoren fur die Verfahrenstechnik nur kurz dis- kutiert.

2 Begriffsdefinitionen Wie laRt sich der Pauschalbegriff ,,Sensoren" aus terfahrens- technischer Sicht mit Leben erfullen? Eine sehr treffende De- finition findet sich in der Literatur [2], die leicht modifiziert im folgenden wiedergegeben wird: Sensoren, aber auch Sensorelemente und Sensorsysteme, sind Subsysteme der ProzeRleittechnik, die Informationen uber - ProzeReigenschaften, - Produkteigenschaften sowie - KenngroBen fur Anlagensicherheit, Arbeitsschutz und

aus der Feldebene beschaffen, welche auch zur maschinellen Weiterverarbeitung in der ProzeBleitebene geeignet sind. Hier werden neben dem Begriff der Sensoren auch Sensorele- mente und Sensorsysteme zur Charakterisierung von Subsy- stemen der ProzeBleittechnik erwahnt. Sensorelemente bedurfen vielfach noch einer Weiterverar- beitung ihrer Ausgangssignale, um im Sinne der Verfahrens- technik nutzbar zu sein. Sensoren und Sensorsysteme hinge- gen sind unter dem primaren Aspekt der Losung einer MeB- aufgabe verfahrenstechnisch als gleichwertig anzusehen. Die bestehenden gerate-, meR- und systemtechnischen Unter- schiede sind im obigen Sinne fur die Verfahrenstechnik nicht relevant. Im folgenden wird daher zur Vereinfachung der Be- griff Sensor auch fur Sensorsysteme gebraucht. Fur eine wei- tergehende Diskussion der Begriffe und auch fur erlauternde Beispiele wird auf die Literatur verwiesen [3].

Umweltschutz

3 EinfluB der Sensortechnik auf die Verfahrenstechnik 3.1 MeBgroSen der Verfahrenstechnik

Sensoren beschaffen Informationen aus dem laufenden Pro- zeB um dessen verfahrenstechnische Fuhrung zu gewahrlei- sten. Die Verfahrenstechnik definiert somit die MeRaufgaben, woraus sich die gewiinschten MeBgroRen ergeben. Die klassischen MeBgroRen, die ZustandsgroBen Temperatur und Druck, die BilanzgroRen DurchfluB und Niveau sowie AnalysengroRen, also Aussagen uber die Produktzusammen- setzung, sind in ihrer Bedeutung in den vergangenen 50 Jah- ren unverandert geblieben. Die hierfiir bis Mitte der 70er Jah- re entwickelte MeBgeratetechnik ist letztlich auch schon klas- sisch zu nennen; auf sie soll nicht weiter eingegangen werden. Die Rolle der Sensoren in der Verfahrenstechnik hatte sich demnach nicht gewandelt, wenn sich nicht, vor allem in den letzten 10 Jahren, zunachst bei den Sensoren selbst, erhebli- che Anderungen vollzogen hatten. Zwei Punkte sind im we- sentlichen zu nennen:

Prozessleitebene I Funktionen a

c 3

d I 7 s c d

-t'

Y

' r ozess - - - f G z s s ~

Abb. 2. Grundfunktionen und Schnittstellen der Feldebene.

- Der Einsatz ,neuer" MeBmethoden fur die klassischen MeRgroBen fuhrte zu neuen, jetzt schon praxiserprobten Sensoren.

- Die schon vorhandenen MeSmethoden erfuhren gerate- technisch, im wesentlichen durch die Integration der Mi- kroelektronik, eine erhebliche Weiterentwicklung.

3.2 ,,Neue" MeSmethoden fur klassische MeRgr66en

Wenn hier von ,neuen" MeBmethoden oder MeBeff ekten in der Sensortechnik gesprochen wird, so sind diese Methoden nicht neu im Sinne bisher nicht bekannter physikalischer Ef- fekte. Vielmehr werden sensorische Funktionen genutzt, die auch bisher schon bekannt waren, die aber, und das ist das Neue, bisher nicht als funktionstuchtige Sensoren fur die Pro- zeBmeRtechnik zur Verfugung standen. Derart charakterisier- te ,neue" Sensoren sind in der Lage, z. B. aufgrund des erwei- terten Einsatzbereiches bei der Erfassung der MeRgroRen, die verfahrenstechnische Auslegung eines Prozesses schon in der Projektierungsphase zu beeinflussen. An zwei Beispielen soll dies demonstriert werden. Einen guten Uberblick uber ,,neue" Sensoren geben auBerdem die ,Nachlesen" zur INTER- KAMA 86 [4] und zur ACHEMA 88 [5]. Das erste Beispiel soll dem Bereich der DurchfluRmeBtech- nik entnommen werden. Dabei ist festzustellen, daR in den letzten Jahren eine ganze Reihe ,neuer" MeBmethoden in die klassische DurchfluRmeRtechnik eingedrungen sind und diese bereits sehr erfolgreich zu substituieren beginnen. Insbeson- dere die MassendurchfluBmessung [6] ist hierbei zu erwahnen und das magnetisch-induktive MeRprinzip [7], auf das hier na- her eingegangen werden soll. Von den vielen Vorteilen sind drei hervorzuheben. Beim magnetisch-induktiven DurchfluR- meRgerat (MID) ist im Vergleich zur klassischen Blendenmes- sung der freie Durchgang des MeBmediums durch den Sensor moglich. Es entstehen keine Druckverluste, so daR Durchflus- se auch dort noch erfaBt werden konnen, wo verfahrensbe- dingt, nur geringe Druckdifferenzen herrschen. Weiterhin ist eine vie1 groBere MeBbereichsdynamik vorhanden, so daR auch bei stark wechselnden Durchflussen mit nur einem Sen- sor, statt wie fruher mit mehreren, die MeBaufgabe bewaltigt werden kann. Drittens ist die Genauigkeit und Reproduzier- barkeit des MID - sofern eine ausreichende Leitfahigkeit des MeRmediums vorhanden ist - der Blendenmessung weit uberlegen. Die genannten Vorteile bedeuten letztlich, daR mehr und genauere Informationen aus dem ProzeR, und das mit weniger Aufwand, gewonnen werden konnen. Das zweite Beispiel kommt aus der ProzeBanalysenmeRtech- nik. Titrationen zur Bestimmung der Produktzusammenset-

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Page 3: Die Rolle der Sensoren in der Verfahrenstechnik

zung sind im chemischen Labor seit langem bekannt, in der ProzeBmeBtechnik jedoch erst im letzten Jahrzehnt als prak- tisch ,neue" Methode in Erganzung zur ProzeBgaschromato- graphie eingefuhrt worden. Mit diesem Beispiel fur eine ,neue" MeBmethode wird sichtbar, daB auch sehr schwierig zu bestimmende GroBen, wie sie gemeinhin die chemische Zusammensetzung eines Fluides darstellt, in vielen Fallen er- folgreich gemessen werden konnen. Kontinuierliche Kontrol- len der Produktzusammensetzung fur Zwischen- oder End- produkte werden somit moglich und lassen sich unmittelbar zur Steuerung verfahrenstechnischer Prozesse heranziehen. Weitere Beispiele fur ,neue" Sensoren zur Bestimmung der Produktzusammensetzung lassen sich aus dem Bericht zur letzten INTERKAMA [8] bzw. aus dem Beitrag zur ProzeBana- lysenmestechnik fur das GVC-Jahrestreffen 1988 entnehmen [91.

3.3 Weiterentwicklung der Geratetechnik

Bevor auf die Weiterentwicklung in der Geratetechnik naher eingegangen wird, sol1 an die meBtechnischen Randbedingun- gen in der Chemie erinnert werden. Die typische Produktion findet nach wie vor unter schwieri- gen auBeren Bedingungen, wie groBen Temperaturschwan- kungen, oft aggressiver Atmosphare, Staub, Schmutz, Vibra- tionen sowie elektromagnetischen Storungen statt. Auch die zu erfassenden Produkte besitzen vielfach meBtechnisch au- Berst unangenehme Eigenschaften, wie hohe Temperaturen oder Drucke, korrosive oder abrasive Merkmale, hohe Vis- kositaten u. a.m. Die MeBtechnik in der Chemie wird weiter- hin stark durch die Anforderungen des Ex-Schutzes gepragt. SchlieBlich ist, nicht zuletzt mit dem Einsatz von ProzeBleitsy- stemen, der Obergang von der pneumatischen zur elektri- schen Signalverarbeitung, auch fur Feldgerate, erfolgt. Nur Sensoren, die diesen Bedingungen genugen, konnen er- folgreich eingesetzt werden, und dies wird heute mehr denn je von der verwendeten Gehausetechnik, dem moglichen Ein- satz von Sonderwerkstoffen, der elektromagnetischen Storfe- stigkeit und nicht zuletzt auch von der Zulassung als explo- sionsgeschutztes Betriebsmittel bestimmt. Die Sensortechnik hat sich gerade in den letzten 10 Jahren dieser Herausforde- rung durch die Verfahrenstechnik gestellt. Wiederum sollen an zwei charakteristischen Beispielen die geratetechnischen Fortschritte aufgezeigt werden. Das erste Beispiel zeigt den EinfluB der Mikroelektronik und der Mikroprozessoren auf die Sensortechnik. Zur Erfassung des Druckes ist der piezoresitive Effekt bei Halbleitem schon lange bekannt. Seiner Nutzung in einem Sensor fur Verfah- renstechnik standen lange Zeit die Nichtlinearitat des MeBef- fektes sowie die zusatzliche Abhangigkeit von der Temperatur und dem Absolutdruck entgegen. Durch die konsequente An- wendung der Halbleitertechnologie gelang es, auf einem Si- Chip ein Druck-, Differenzdruck- und Temperatursensorele- ment zu realisieren [lo]. Der Name ,,smart-transmitter" oder intelligenter Sensor fur einen Differenzdrucksensor nach die- sem Prinzip wird letztlich gerechtfertigt durch die heute mog- liche elektronische, d. h. mittels eines Mikroprozessors statt- findende, Korrektur der Nichtlinearitat und der StorgroBen. Die Intelligenz, die auch in der digitalen Signalverarbeitung zum Ausdruck kommt, erlaubt daruber hinaus eine sehr ge- naue Messung bei gleichzeitig ungewohnlich groBer MeBbe- reichsdynamik. Die digitale, mikroprozessorgesteuerte Signalverarbeitung laBt aber auch eine digitale Kommunikation mit dem Sensor zu. Beispielsweise konnen verfahrenstechnisch bedingte MeBbereichsanderungen im Druck, wie sie beim Anfahren einer Vakuumkolonne vorkommen, mittels Femeinstellung

aus der ProzeBleitebene vorgenommen werden. Eine Signali- sierung von Wartungs- und Storinformationen kann letztend- lich zur besseren Glaubwurdigkeit des Meaergebnisses bei- tragen. Solche oder ahnliche Eigenschaften fur Sensoren werden in- zwischen in zunehmendem MaBe auch von anderen Herstel- lern angeboten [4, 5, 11, 121. Das zweite Beispiel kommt aus der StandmeBtechnik. Hier werden u. a. kapazitive Fullstandssensoren eingesetzt, nicht zuletzt deshalb weil sie einfach zu montieren sind. Der me@- technische Aufbau des Sensors besteht gewohnlich aus einer Stabsonde, die in den Behalter hineinragt und mit dessen Oberflache - sofern sie leitend ist - einen Kondensator bil- det. Gelangt Produkt in den ,,Kondensator", so verandert sich dessen Kapazitat. Die Kapazitatsanderung wird mittels einer angelegten Hochfrequenzspannung konstanter Frequenz er- faBt. Bei kapazitiven Fullstands-Grenzschaltern wird bei Eintau- chen der Stabsonde in das Produkt aus der Spannungsande- rung ein Binarsignal abgeleitet, das auf internen Schwellwer- ten der MeBspannung basiert. Neigt das Fullgut zur Ansatzbil- dung bei Produktberuhrung, so konnen nach mehrmaligen Full- und Entleervorgangen diese Schwellwerte uberschritten werden, ohne daB wirklich der Grenzstand erreicht ist. Es wird falschlicherweise ein voller Behalter angezeigt. Die Verfugbarkeit der Messung, und damit auch des uber- wachten Behalters steigt, wenn die storende Ansatzbildung vor der Auslosung einer Fehlfunktion erkannt werden kann. Die geratetechnische Weiterentwicklung ergab einen ,,intelli- genten" MeBumformer, der die Grundkapazitat des ,,leeren Kondensators" bei zwei Frequenzen erfaBt und die sich erge- benden unterschiedlichen Admittanzen wahrend der Inbe- triebnahme abspeichert. Weicht das Verhaltnis bei spateren Oberprufungen ab, so kann unmittelbar auf Ansatzbildung an der Sonde geschlossen [ll] und letztlich durch ein Statussi- gnal eine Wartungsanforderung ausgelost werden. Die Beispiele unterstreichen, daB ,,neue" MeBmethoden fur klassische MeBgroBen und die geratetechnische Weiterent- wicklung in der Sensortechnik, die primar aus den, dem tech- nischen Fortschritt innewohnenden Kraften stattfanden, durchaus merkbare Auswirkung auf die Verfahrenstechnik hatten. Die wesentlichsten Aspekte lassen sich wie folgt zu- sammenfassen: - Die moglichen Einsatzbereiche zur Erfassung der klassi-

schen, verfahrenstechnischen MeBgroBen wurden erheb- lich erweitert, und m a r sowohl hinsichtlich der beherrsch- baren Umgebungs-, als auch der zulassigen Produkteinflus- se.

- Die Informationsbeschaffung ist einfacher, d. h. preiswer- ter, genauer und reproduzierbarer geworden; sie wurde au- Berdem variabler, insbesondere was die zur Verfugung ste- henden MeBmethoden anbetrifft.

- Die Verfugbarkeit der erfaBten MeBinformation wurde er- hoht.

- Jntelligente" MeBumformer erlauben eine Kommunika- tion zwischen Verfahrens- und Sensortechnik, d. h. eine Einwirkung von der ProzeBleitebene auf meB- oder gerate- technische Parameter.

Das Informationsbedurfnis der Verfahrenstechnik zur opti- malen Fuhrung eines Prozesses war vor 10 Jahren nicht anders als heute. Dem standen jedoch Hemmnisse der Geratetechnik in der ProzeBleit- und Feldebene entgegen. ProzeBleitsyste- me, die seit Ende der 70er Jahre eingesetzt werden, erfullen heute weitgehend die Anforderungen an die Informations- darstellung und -weiterverarbeitung. Wie in den Beispielen aufgezeigt wurde, ist im vergangenen Jahrzehnt auch die In- formationsbeschaffung aus dem ProzeB zunehmend verein-

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facht worden. Die meisten Einschrankungen sind gefallen. Diese Entwicklungen haben zwangslaufig zu einem Mehr an Sensoren gefuhrt. Durch einen Blick in die Statistik sol1 dies belegt werden.

25'

p 20.

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2 E 10.

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0 .

4 Statistische Anmerkungen Eine detaillierte, geschlossene statistische Betrachtung der Sensortechnik in der chemischen Verfahrenstechnik wurde den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen. Es sollen da- her nur stichpunktartig einige Zahlen genannt werden, die je- doch den Trend treffend charakterisieren. Vergleicht man die Veranderung der MSR-Investitionen 1978 und 1988 fur die in der BASF gebauten Neuanlagen und be- zieht deren Wert auf die eingesetzten Apparate und Maschi- nen einer ,mittelgroBen" Chemieanlage, so stieg der gesamte MSR-Anteil von 24,5 auf 60% (Abb. 3). 1978 wurden noch keine ProzeBleitsysteme eingesetzt, 1988 werden die Anlagen uberwiegend damit ausgerustet. Bringt man wertemaBig die MeBtafelinstrumentierung, bzw. die Pro- zealeitsysteme und das Montagematerial in Abzug, so ist im Beobachtungszeitraum ein Anstieg von 14,2 auf 32,2 YO fur den Wert der MSR-Feldgerate zu erkennen - immer noch be- zogen auf die zu 100% angesetzten Apparate- und Maschi- nenkosten. Korrigiert man mit den unterschiedlichen Teue- rungsraten bei Apparate und MSR-Kosten so bedeutet dies letztlich eine Steigerung von ca. 21 % (Abb. 3).

I

1988

!Bl MSR -Gasamtkosten dam Feldgeratekosten EatgshAs: Apparate und Maschlnenkosten = 100%

Abb. 3. Anstieg der MSR-Gesamtkosten und der Feldgeratekosten im letzten Jahrzehnt.

Aus verfahrenstechnischer Sicht bemerkenswert ist noch ein weiterer Aspekt, der sich aus der Zahl und Art der MeBgro- Ben ergibt. 1979 wurde eine Haufigkeitsverteilung typischer MeBgroBen in der Chemie publiziert [13], die sicherlich die Relation der MeBgroBen untereinander richtig wiedergab. Ei- ne statistische Momentaufnahme aus der BASF zeigt demge- genuber interessante Veranderungen. Die Vergleichszahlen beruhen auf 8 Neuanlagen - davon 4 diskontinuierliche Be- triebe -, jeweils mittlerer GroBe, die 1987/88 in der BASFge- baut wurden. Es sind nur die MeBstellen mit Obertragung in die Leitwarte, also keine vor-Ort-Messungen, erfaBt. Abb. 4 zeigt den Vergleich auf der Basis von ca. 2700 Meastellen. Es ist zu erkennen, daB die Dominanz der ZustandsgroBen T und P noch vorhanden, aber stark gegenuber der Erfassung der BilanzgroBen F und L zuruckgegangen ist. Die beherr- schende Rolle der Temperaturmessung war fruher durch die meist problemlose Erfassung und durch die geringen Kosten einer MeBstelle bedingt; heute ist die Messung von Bilanzgro-

/I fl" P 43

30

20

10

0

F P T

Abb. 4. Haufigkeitsverteilung der klassischen verfahrenstechni- schen MeBgroBen; Vergleich der Jahre 1979 [13] und 1988; FDurch- flu& P Druck; T Temperatur; L Stand; Q Analyse.

Ben immer noch vie1 teurer und trotzdem ist eine Nivellierung der Haufigkeitsverteilung eingetreten. Auch die Erfassung der Produktzusammensetzung, die im Vergleich zu fruher sicherlich noch teurer geworden ist hat stark zugenommen. Die Zunahme an Analysenmessungen wird durch eine Statistik uber alle in der BASF eingesetzten Analysengerate gestutzt, die allein in den letzten 2 Jahren ei- nen Zuwachs von 20 % verzeichnet. Wie noch zu zeigen ist, sind dafur nicht nur die erweiterten Moglichkeiten der Sen- sortechnik verantwortlich, sondern andere Faktoren wesent- lich daran beteiligt. Die statistische Momentaufnahme aus der BASF laBt sich urn die MeBstellen zur Erfassung von ProzeBparametern erwei- tern (Abb. 5). Darunter sollen primar Stellungsruckmelder -

I I I 1 I I F P T 1 (1 G N

Abb. 5. Prozentualer Vergleich verfahrenstechnischer MeSgroBen; statistische Momentaufnahme fiir 1987/88; F DurchfluB; P Druck; T Temperatur; L Stand; Q Analyse; G Abstand (Stellungsmeldung); N Antrieb (Laufmeldung).

Sensoren fur Weg (G) - und Laufmeldungen von elektrischen Antrieben - Sensoren fur Stromaufnahme (N) - verstanden werden. Die Abbildung dokumentiert, daB derartige Senso- ren, die letztlich fur binare GroBen stehen, zumindest zahlen- maBig keinesfalls mehr zu vernachlassigen sind. Die Aufgabe der Sensortechnik, Informationen uber Produkteigenschaf- ten und ProzeBparameter zu beschaffen findet hierin ihren Ausdruck. Weiterhin wird aber auch die verstarkte Rolle der Aktoren in hoch automatisierten verfahrenstechnischen Pro- duktionsanlagen sichtbar.

5 Aktoren und binlre Sensoren Aktoren - die begriffliche Entsprechung zu Sensoren - sind letztlich nichts anderes als Stellglieder, die in der DIN 19226

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als Glieder, die in einen Massenstrom oder EnergiefluB ein- greifen, definiert sind. Ohne in eine Diskussion uber die son- stige Bedeutung des Begriffes Aktor einsteigen zu wollen, sollen hier primar Regelventile, angetriebene Auf-Zu-Stellor- gane (Klappen, Hahne) und drehzahlveranderliche elektri- sche Antriebe verstanden werden. Stellt man den verfahrens- technischen Systemgedanken in den Vordergrund, so folgt aus dem Mehr an Information aus dem ProzeB unmittelbar das Bedurfnis auch vielfaltiger auf den ProzeB einzuwirken. Ein Anstieg der Sensoren fiihrt somit auch zu einem Mehr an Ak- toren. Erfolgt ein Stellbefehl fur einen Aktor, so wird ein neues In- formationsbediirfnis geweckt, das in der Frage besteht, ob der Befehl das erwunschte Verhalten tatsachlich bewirkt hat. Dies wiederum erfordert Sensoren fur die Ruckmeldung, so daf3 ein Riickkopplungseffekt entsteht, der sich wie folgt beschrei- ben 1aBt:

Mehr Sensoren fur die Produkteigenschaften ergeben mehr Informationen zur ProzeBfuhrung, die wiederum mehr Eingriffe, also Aktoren, zur Folge haben. Daraus ergibt sich aufgrund des angestiegenen Kontrollbedurfnisses ein weite- rer Anstieg an Sensoren, dieses Ma1 jedoch fur die Erfas- sung von ProzeBparametern.

Wurde man in den, der Statistik zugrunde gelegten Betrieben nur die diskontinuierlichen Produktionsanlagen betrachten, so ware der aufgezeigte Trend noch sehr vie1 deutlicher zu se- hen. Die Struktur der Anlage spielt somit auch eine Rolle, al- so auBere Faktoren die mit der eigentlichen Sensortechnik zu- nachst nichts zu tun haben. Solche auBeren Faktoren sollen im folgenden in ihren Auswirkungen auf die Rolle der Sensoren in der Verfahrenstechnik untersucht werden.

6 Ruckwirkung der Verfahrenstechnik auf die Sensortechnik 6.1 Vednderungen in der Verfahrenstechnik

Das Umfeld der verfahrenstechnischen Produktion in der Chemie hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Es genugt nicht mehr nur zu produzieren; es muB sicher, ko- sten- und energieoptimal sowie umweltschonend produziert werden. Auflagen des Gesetzgebers, das eigene erhohte Si- CherheitsbewuBtsein und der Konkurrenzdruck sind letztlich die Antriebsfedern zu diesem Tun. Bleibt man bei der Dar- stellung der Pyramide fur die Struktur der Leittechnik, so fuhrte dies zu einer Enveiterung der Basis durch die nun ge- stellten zusatzlichen Anforderungen [3] (Abb. 6). Unmittel-

Abb. 6. Struktur der Leittechnik in der verfahrenstechnischen Produktion; Erweiterung der Basis.

bar erkennbar ist das Anwachsen der Feldebene, also auch des Informationsbedarfs. Dies hat letztlich zur Folge, daB die Be- deutung der Sensoren weiter zunimmt. Um den Anforderun- gen gerecht zu werden, muB mehr gemessen werden, insbe- sondere was die Produktzusammensetzung, die BilanzgroBen und die ProzeBparameter anbetrifft. Aus der Statistik ist dies, wie gezeigt wurde, klar ersichtlich. Weitere EinfluBgroBen verschieben die Gewichte in der che- mischen Verfahrenstechnik. Chargenproduktionen in der Feinchemie verlangen einen hohen Automatisierungsgrad, nicht nur weil das notwendige qualifizierte Personal zum Fah- ren der Anlagen vielfach nicht vorhanden ist, sondern weil da- durch auch eine bessere Nutzung der Apparate und Maschi- nen moglich wird. Weiterhin muB die Produktionsleitung va- riabler werden. Um sich optimal an die Markterfordemisse anpassen zu konnen, ist der schnelle, bidirektionale Informa- tionstransfer vom ProzeB bis zur Produktionsleitebene wun- schenswert. Damit werden Veranderungen in der Informa- tionsiibertragung vom Sensor zu den Leitebenen notwendig. In der KFZ-Industrie wurde hierfur von General Motors das MAP-Projekt entworfen, in der Chemie verbindet sich der Begriff ,,Feldbus" mit diesem Vorhaben [14, 151. Neue Verfahren, wie beispielsweise die Biotechnologie, er- fordem fur die ProzeBfuhrung vollig neue Informationen, die oft durch direkte Messungen nicht zuganglich sind [16]. Bei- spielsweise wird die Kohlenstoffbilanz oder Hinweise auf den Stoffwechsel indirekt durch die Messung der fliichtigen Sub- stanzen mittels eines Gaschromatographen oder eines Mas- senspektrometers bestimmt. Selektive Substanzbestimmun- gen werden vielleicht die Domane einer neuen Sensorklasse, der Biosensoren, werden [17]. SchlieBlich werden bzw. haben sich schon fur sogenannte High-Tech-Produkte die Marktanforderungen fur heute be- stehenden Produktionen geandert. Unter den Schlagwortern ,Statistical Process Control" (SPS) bzw. ,,Statistical Quality Control" (SQC) werden Methoden zur Verbesserung der Pro- zeBfuhrung verstanden, deren Beherrschung letztlich Wettbe- werbsvorteile erbringen wird [18]. Das Ziel ist die luckenlose on-line Dokumentation qualitatsrelevanter ProzeBgroBen zum Nachweis gleichbleibender Produktqualitat. Vorausset- zung hierfur ist, daB es gelingt, durch Verkniipfung meBbarer GroBen uberhaupt qualitatsrelevante, also indirekte MeBgro- Ben zu finden, die eine bestimmte Abhangigkeit zur Produkt- qualitat reprasentieren. Im Idealfall wird damit Produktquali- tat ohne weitere Analytik gewahrleistet. Im Normalfall wird jedoch durch SQC die Produktqualitat durch Analysenmes- sungen im Nachhinein dokumentiert. Die Erreichung dieses Ziels erfordert bestimmte geratetech- nische Voraussetzungen: einerseits ProzeBleitsysteme zur ProzeBfuhrung und andererseits hoch verfiigbare, reprodu- zierbar messende Sensoren. Eine verfahrenstechnische Pro- duktion unter den Vorzeichen von SPC und SQC beeinfluBt daher schon in der Planungsphase die Auswahl der Sensoren, da eine Reihe von Sensorfunktionen, die mit der Erfassung der MeBgroBe zunachst nicht unmittelbar zu tun haben, an Bedeutung gewinnen. Dies gilt im iibrigen auch fur viele um- weltrelevanten Messungen, bei denen beispielsweise eine liik- kenlose Dokumentation vorgeschrieben ist. Damit drangt sich die Frage auf, ob sich aus den ,neuen" An- forderungen und den ,auBeren" Veranderungen der verfah- renstechnischen Produktion, wie sie im folgenden nochmals zusammengefaBt dargestellt sind, ein neues Anforderungs- profil fur Sensoren abzeichnet. ,Neue" Anforderungen: - Hohere Anspruche an die eigene Sicherheitsphilosophie, - Vermehrte Auflagen des Gesetzgebers zur ProzeBuberwa-

chung,

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- Minimieren der Umweltbelastung, - Optimieren der Verfahrensfuhrung. ,,hRere" Veranderungen: - Zunahme der hochautomatisierten Chargen-Produktio-

nen der Feinchemie, - Optimieren der Produktionsleitung, - Aufkommen neuer Verfahren wie beispielsweise der Bio-

- Neue Marktanforderungen fur bestehende Produktionen technologie,

(SPC, SQC).

6.2 ,,Neue" Anforderungen an Sensoren

Zunachst ist festzustellen, daO nur ,,Messen" allein fur einen Sensor unter den heutigen Anforderungen der verfahrens- technischen Produktion nicht ausreicht. Die gewunschte MeBinformation mu5 vor allem hoch verfugbar vorhanden sein, d. h. ungewollte Ausfalle, aber auch geplante Abschal- tungen eines Sensors mussen minimiert werden. Eine Moglichkeit letzteres zu erreichen besteht generell in der Verminderung des Instandhaltungsaufwandes - und hier sind insbesonders die ProzeRanalysengerate angesprochen. Dazu ist es notwendig die Routine-Wartung zu vermindern. Weiterhin sind die Inspektionsarbeiten fur Sensoren zu er- leichtern und letztlich sollte der geratetechnische Aufbau ei- nes Sensors sicherstellen, daR auch im Falle eines Defektes die Instandsetzung schnell und problemlos moglich ist. Die Bedingungen der verfahrenstechnischen Produktion fuh- ren somit zu Anforderungen an Sensoren deren Realisierung vor allem der EMR-Instandhaltung nutzt. Dies ist notwendig, denn nur so laBt sich erreichen, daR trotz gestiegener Zahl der Sensoren der Personalaufwand fur die Instandhaltung in Grenzen bleibt. Fur eine kostenoptimale Betriebsfuhrung muB dies ein vordringliches Ziel sein, um so den Gewinn durch Automatisierung nicht durch einen Anstieg der Ser- vice- und Dienstleistungskosten im Instandhaltungsbereich wieder zunichte zu machen. Die neue Generation der Sensoren ist heute schon weitge- hend mit Mikroprozessoren ausgerustet und bietet daher die besten Voraussetzungen, Wartungs-, Inspektions-, und Stor- diagnosehilfen zur Verfugung zu stellen. Dies allerdings ist ei- ne Frage der realisierten Software, also der ,,Intelligenz", die in einem Sensor installiert wird. Die Erfullung der MeDaufgabe und die Weitergabe des MeB- wertes an Instrumente der ProzeRleitung ist die zentrale Funktion eines Sensors. Sie reicht aber fur die verfahrens- technische Produktion unter den heutigen Randbedingungen nicht mehr aus. Zustandsinformationen uber den Sensor - wenn auch nur wenige - mussen ebenfalls in die Leitebene ubertragen werden. Dies wird notig, nicht nur um beispiels- weise eine laufende Automatisierungsstrategie bei Storungen des Sensors durch eine spezifische Ausfallstrategie zu erset- Zen, sondern auch um der luckenlosen Dokumentation bezug- lich der Glaubwurdigkeit des MeBwertes und der Verfugbar- keit des Sensors, entsprechend den Auflagen des Gesetzge- bers, oder den durch SPC bzw. SQC gestellten Anforderun- gen, genuge zu tun. Moderne digitale Sensoren werden parametriert undloder konfiguriert, u. U. sogar programmiert, d. h. sie konnen weit- gehend den Forderungen der Verfahrenstechnik und den Wunschen der EMR-Technik angepaSt werden. Als Beispiele seien hier nur die Umstellung von MeRbereichen, die h d e - rungen der physikalischen Einheit fur das Ausgangssignal, StorgroRenkorrekturen u. a. m. genannt. Solche Aufgaben werden von der ProzeRfuhrung an die EMR-Technik heran- getragen und vom EMR-Handwerker am Sensor ,,realisiert". Ob dies einfach oder schwierig, z. B. erst nach Studium einer

Grenzslgnal- Anzelger geber Schrelber

?

Anlagen- f a h r e r

EMR- Instandhal tung

PLS

Sensor- Feldbus 7

ABK &

f a h r e r P r o Jektierung

EMR- Instandhal tung

Abb. 7. a (oben): Schematisierte Darstellung eines konventionellen Sensors; b (unten): Schematisierte Darstellung eines modemen, digi- talen Sensors mit vergroaertem Funktionsvorrat, enveiterten Infor- mationsinhalten und zusatzlichen Schnittstellen.

ausfuhrlichen Bedienungsanleitung moglich ist, entscheidet die fur den Sensor zur Verfugung gestellte Bedienoberflache. Eine gut durchdachte, strukturierte Anzeige- und Bedien- oberflache mit sinnvoll ausgewahlten Bedienmittel bestimmt wesentlich die dazu notwendige Zeit und vor allem die Fehler, die bei der Einstellung gemacht werden konnen, d. h. sie be- stimmt letztlich auch die ,,Beherrschbarkeit" des Sensors und damit die Effektivitat des EMR-Handwerkers. Die ,,neuen" Anforderungen und die Veranderungen der Randbedingung der verfahrenstechnischen Produktion in der Chemie lassen sich heute und vor allem in Zukunft nur mit neu strukturierten Sensoren bewaltigen. Dies muR zu einer Erweiterung des Funktionsvorrates, der Informationsinhalte und der Schnittstellen moderner Sensoren fiihren [3]. Aus dem Vergleich der Abb. 7a und 7b lassen sich die Unterschie- de eines modernen, digital arbeitenden zu einem konventio- nellen Sensor erkennen. Abb. 7a zeigt die schematisierte Darstellung eines konventio- nellen Sensors. Die MeBaufgabe steht im Mittelpunkt. Die im Sensor realisierten Grundfunktionen dienen ausschlieRlich der Verarbeitung des sensorischen Effektes. Als Informa- tionsinhalt wird normalerweise nur die MeRgroRe, vereinzelt auch ein Ausfallsignal uber die geratetechnische Schnittstelle nach auBen gegeben. Empfanger sind herkommliche Gerate der Mefitafelinstrumentierung wie Anzeiger, Grenzsignalge- ber oder Schreiber. Es existiert eine sehr eingeschrankte An-

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zeige-/Bedienobedache fur den hlagenfahrer und die EMR-Instandhaltung. Im Vergleich dazu zeigt Abb. 7a den modernen, digitalen Sen- sor in dessen Mittelpunkt nach wie vor und unverandert die MeBaufgabe steht. Betrachtet man jedoch seine Funktionen, so werden die notwendigen Grundfunktionen durch weitere Signalverarbeitungsmoglichkeiten, wie Linearisieren, Stor- groBen Kompensieren, Berechnen u. a. m., erganzt. Es wer- den weiterhin mehr Informationen nach auRen abgegeben, wie beispielsweise die erwahnten Sensorzustandsinformatio- nen. Die Zahl der Schnittstellen nimmt zu; die Anzeige-/ Bedienoberflache wird erweitert und strukturiert um letztlich eine sinnvolle bidirektionale Kommunikation zu ermogli- chen. Die Starke der Pfeile, die den Kommunikationsaufwand kennzeichnen soll, bringt die stark gestiegene Bedeutung der EMR-Instandhaltung zum Ausdruck. Moderne Sensoren mit Mikroprozessoren arbeiten intern di- gital, so daB es nur logisch ware auch die Informationsiibertra- gung digital vorzunehmen. In Abb. 7b ist die Schnittstelle zum Feldbus mit Fragezeichen versehen. Noch gibt es keinen ge- normten Feldbus, nicht zuletzt weil die Gegebenheiten in ei- ner verfahrenstechnischen Anlage, insbesondere die Ex- Umgebung, dies auBerordentlich erschweren. Dennoch, eine digitale Kommunikation zwischen ProzeBleitebene und den Sensoren der Feldebene wird kommen, nicht zuletzt, weil das Informationsbediirfnis der ProzeBfiihrung weiter zunimmt. Zusammenfassend lassen sich die Anforderungen an moder- ne Sensoren fur die Verfahrenstechnik wie folgt darstellen: - Erhohung der Verfiigbarkeit, - Verminderung des Instandhaltungsaufwandes, speziell bei

- Verbesserung der Wartungs-, Inspektions- und Stordiagno-

- ,,Effektive" Anzeige-/Bedienobedlache, - Erweiterung des Funktionsvorrates, der Informations-

inhalte (z. B. Sensor-Zustandsinforationen) und der Schnittstellen,

ProzeBanalysengeraten,

sehilfen,

- Digitale Informationsiibertragung.

7 EinfluB von Sensor-Entwicklungstrends auf die Verfahrenstechnik Wurden im letzten Kapitel die sich aus den Veranderungen der Verfahrenstechnik ergebenden ,neuen" Anforderungen an Sensoren abgeleitet, so laBt sich auch fragen, ob Entwick- lungstrends beziiglich neuer Materialien, MeBkonzepte und Technologien bei Sensoren die Verfahrenstechnik in naher Zukunft beeinflussen werden. Sicherlich gibt es viele originelle Entwicklungen in der Sen- sortechnik, die es jetzt schon erlauben, einige spezielle MeB- probleme erfolgreich zu losen. Sie verbinden sich mit Begrif- fen wie ,,Modellgestutzte MeBtechnik", Multisensorsysteme, faseroptische Sensoren oder auch Chemosensoren. Eine aus- fuhrliche Darstellung findet sich in der Literatur [19]. Das bei Chemosensoren [20] und (faser)optischen Sensoren [21] zu erkennende Potential fur eine grundsatzlich neue Informa- tionsbeschaffung von ProzeBgroBen ist zweifellos vorhanden. Der Stand der Entwicklung, insbesondere auch die Entwick- lungsfortschritte wurden jedoch stark uberschatzt, so daB mit ProzeBgeraten noch langer nicht zu rechnen sein wird. Damit ist mittelfristig auch kein EinfluB auf die Verfahrenstechnik der chernischen Produktion zu erwarten.

8 EinfluB anderer lndustriezweige Noch vor ca. 30 Jahren waren die Anforderungen der Verfah- renstechnik ausschlaggebend fur Entwicklungen in der ge-

samten Sensortechnik. Diese Zeiten sind vorbei. Nach einer Prognosestudie fur das Jahr 1986 nahmen Sensoren fur die Verfahrenstechnik einen Marktanteil von weniger als 1 Yo ein [22]. Wie sich heute riickblickend zeigt war die Tendenz si- cher richtig, denn die KFZ-, die Maschinenbau-, die Luft- und Raumfahrt-, oder auch die Haushaltsgerateindustrie ist langst bestimmend auf dem Sensormarkt. LaBt sich daraus Nutzen ziehen, um quasi als ,,Trittbrettfahrer" Entwicklungen aus diesen Industriezweigen in die Verfahrenstechnik zu iiber- nehmen? Leider wird dies kaum moglich sein, da sich das Um- feld der Sensoren fur die Verfahrenstechnik in sehr vielen Punkten wesentlich unterscheidet. Hier sind nicht nur die Ex- Bedingungen in einer chemischen Produktionsanlage zu nen- nen, sondern auch beispielsweise die angestrebte Lebens- dauer fur dort eingesetzte Sensoren. Eine Nutzungsdauer von 10 Jahren fur eine Waschmaschine oder ein Auto bedeutet fur die dort eingesetzten Sensoren einige tausend Stunden aktive Lebensdauer. Fur einen Sensor in einer chemischen Produk- tionsanlage ergeben sich iiber diesen Zeitraum jedoch einige zehntausend Stunden. Die Weiterentwicklung der Sensoren fur die Verfahrens- technik wird deshalb in Zukunft fast ausschlieBlich von der Verfahrenstechnik selbst, bzw. deren Randbedingungen fur die chemische Produktion beeinflufit werden. Aufkommende Wiinsche aus der Verfahrenstechnik, neue Anforderungen an die Sensoren werden dennoch von den Sensorherstellern auf- gegriffen und in neue Entwicklungen umgesetzt werden. Der Optimismus fur diese Feststellung beruht nicht zuletzt darauf, daB fur Sensoren in der chemischen Industrie Preise bezahlt werden, die vielfach um den Faktor 1000 hoher liegen, als im restlichen Sensormarkt.

Eingegangen am 28. Oktober 1988 [B 54781

Polke, M.: Automatisierungstech. Praxis 27 (1985) Nr. 5, S. 214 f . Gilles, E. D.; Nicklaus, E.; Polke, M.: Automatisierungstech. Praxis 28 (1986) Nr. 9, S. 423 f.; Nr. 10, S. 479 f . Raab, H.: Automatisierungstech. Praxis 30 (1988) Nr. 11, s. 534 f. Schneider, H. J.: Automatisierungstech. Praxis 29 (1987) Nr. 3, s. 102 f. Schneider, H . 1.: Automatisierungstech. Praxis 30 (1988) Nr. 9, s. 417 f. Stumm, W.: Vortrag, GVC-Jahrestreffen, Hannover 1988. Backer, R. C.: Tech. Messen 52 (1985) Nr. 1, S. 4 f. Wodtke, F.: Vortrag, 49. NAMUR-Hauptsitzung, Lanstein 1986. Melzer, W.: Vortrag, GVC-Jahrestreffen, Hannover 1988. Bradshow, A.: Automatisierungstech. Praxis 25 (1983) Nr. 4, - S. 531 f. Borst, W.; Cur, B.; Pfirndlin, E.; Ziesemer, M.: Automatisierungs- tech. Praxis 29 (1987) Nr. 11, S. 526 f. Schwaier, A.: Automatisierungstech. Praxis 29 (1987) Nr. 5, S. 213 f. Miiller, R.: Projektierung von Automatisierungsanlagen. VEB, Verlag Technik, Berlin 1979, 1. Aufl. Baing, W.: Automatisierungstech. Praxis, NAMUR Statusbe- richt '87, S. 101 f. Pfleger, J.: Automatisierungstech. Praxis 28 (1986) Nr. 5 , S. 223 f. Einsele, A.; Finn, R. K.; Samhaber, W.: Mikrobiologische und Biochemische Verfahrenstechnik, 1. Aufl., VCH VerIagsgesell- schaft, Weinheim 1985. Kasche, V.: Vortrag, GVC-Jahrestreffen, Hannover 1988. Wiichner, W.; Buhr, H.: Interne Mitteilung, BASF 1988. Gundelach, G.: Chem.-1ng.-Tech. 59 (1987) Nr. 12, S. 927 f. Gopel, W.: Tech. Messen 52 (1985) Nr. 2, S. 47 f.; Nr. 3, S. 67 f.; Nr. 5, S. 175 f. Kist, R.: Tech. Messen 54 (1987) Nr. 7, S. 304 f. [211

[22] Brendecke, H.: Tech. Messen 50(1983) Nr. 8, S. 359 f.

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