die rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......ausschlusskriterien: generalisierte...

35
Deutscher Verband für Manuelle Therapie (Maitland ® - Konzept). DVMT e.V. Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen Nukleotomie L4/5 oder L5/S1 Autor T. Nentwig Thesis submitted as partial fulfilment of the OMT educational program 10/2009

Upload: others

Post on 22-Mar-2021

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

Deutscher Verband für Manuelle Therapie (Maitland® - Konzept). DVMT e.V.

Die Rehabilitation nach einer

primären mikrochirugischen Nukleotomie L4/5 oder L5/S1

Autor

T. Nentwig

Thesis submitted

as partial fulfilment of the OMT educational

program

10/2009

Page 2: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

II

Page 3: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

III

Die Rehabilitation nach einer

primären mikrochirugischen Nukleotomie L4/5 oder L5/S1

Page 4: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

IV

Danksagung

Ein herzliches Dankeschön an Thomas Schöttker-Königer, für die Hilfe bei der statistischen

Auswertung. Ralf Schesser für die Unterstützung als mein Tutor. Ohne ein unterstützendes

Team in meinem Rehabilitationszentrum wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Für

besondere Hilfe bei der Durchführung und Datenaufnahme der Studie bedanke ich mich beim

leitenden Arzt Dr. Schemel, dem Planungssekretariat mit Dana Radak und Tina Maniati, den

behandelnden Physiotherapeuten Verena Hohl, Isy Scheibler, Benny Mayer, Ellen Obenland,

Anjuna Krähmer, Judith Angermann den Sporttherapeuten Marion Emminger, Stefan Rau,

Tanja Dalhöfer, Matze Heineke, Gerald Rehror bedanken.

Page 5: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

V

Abstract

Studiendesign

Randomisiert kontrollierte Studie einer ambulanten Rehabilitation nach einer primären

mikrochirurgischen Nukleotomie L4/5 oder L5/S1.

Hintergrund

In der Literatur wird eine gute Wirkungsweise von intensiven Übungsprogrammen

beschrieben, die 4-6 Wochen nach einer Operation starten. Geringe Erkenntnisse gibt es über

Übungsprogramme die direkt nach einer Operation beginnen. Ab wann ein dynamisches

Beüben der Lendenwirbelsäule möglich oder nötig ist, ist ebenfalls nicht beschrieben.

Ziel

Die Untersuchung der Wirkungsweise einer frühen postoperativen Rehabilitation und

Vergleichen einer statisch stabilisierenden und einer funktionell stabilisierenden

Nachbehandlung.

Methode

26 Teilnehmer nach einer primären mikrochirurgischen Nukleotomie wurden randomisiert in

eine statisch stabilisierende (SSR) und eine funktionell stabilisierende (FSR) Gruppe

eingeteilt. Die Teilnehmer nahmen an einem ambulanten Rehabilitationsprogramm mit einer

durchschnittlich Dauer von 15,9 Tagen (SD± 1,6) teil. Die Untersuchung der Parameter

erfolgte zu Beginn und am Ende der Rehabilitation. Schmerzen wurde mit der Pain numerical

raiting scale (PNRS), Angst vor Bewegung und Widerverletzung mit der Tampaskala (TSK)

und subjektive Behinderung mit dem Roland and Morrison Questionaire (RMQ) evaluiert.

Zur Beurteilung der Wirbelsäulenfunktion wurde der Straight Leg Raise (SLR), der

Fingerbodenabstand (FBA) und die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule mit einem digitalen

Winkelmesser gemessen.

Ergebnisse

Alle Parameter der gesamten Gruppe (N=26) verbesserten sich signifikant mit Ausnahme der

Lateralflexion zu betroffenen Seite (P-Wert < 0,05). Die SSR Gruppe (N=13) verbesserte sich

signifikant im RMQ, dem SLR, dem FBA und dem gesamten Bewegungsausmaß der

Lendenwirbelsäule in Flexion und Extension (P-Wert < 0,05). Die FSR Gruppe (N=13)

verbesserte sich signifikant in allen Parametern mit Ausnahme der Lateralflexion zur

betroffenen Seite und der TSK (P-Wert < 0,05). Die PNRS erreichte in der gesamten Gruppe,

der FSR und der SSR Gruppe eine klinische Relevanz. Der RMQ verbesserte sich in der FSR

Gruppe klinisch Relevant, die SSR Gruppe blieb unterhalb der klinisch relevanten Grenze.

Page 6: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

VI

Schlussfolgerung

Eine frühe postoperative Rehabilitation verbessert signifikant Schmerzen, subjektive

Behinderung, Bewegungsmessungen der Lendenwirbelsäule und den FBA.

Im direkten Vergleich zwischen der FSR und SSR Gruppe gibt es zwar keine signifikanten

Unterschiede, jedoch ist eine positive Tendenz zugunsten der FSR Gruppe erkennbar.

Schlüsselwörter

Rehabilitation, mikrochirurgische Nukleotomie, postoperative Physiotherapie.

Page 7: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

VII

Inhaltsangabe

1. Einleitung Seite 1-3

2. Methode und Material Seite 4-15

3. Ergebnisse Seite 16-20

4. Diskussion Seite 21-25

5. Schlussfolgerung Seite 26

6. Referenzen Seite 27-28

Page 8: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

1

1. Einleitung

In der Systematic Review über die chirurgische Behandlung von Bandscheibenvorfälle von

Gibson et. al. 2007 wird der Bandscheibenvorfall als der häufigste Grund für einen operativen

Eingriff an der Wirbelsäule beschrieben. Allerdings werden nur 5 % der lumbalen

Wirbelsäulenbeschwerden durch einen Bandscheibenvorfall ausgelöst [1]. Nach dem

statistischen Bundesamt in Wiesbaden wurden nach der internationalen statistischen

Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) in der

Bundesrepublik Deutschland 2007 über 66 000 stationäre Operationen mit der

Diagnoseverschlüsselung M 51 (Sonstige Bandscheibenschäden) durchgeführt. Das

Haupterkrankungsalter mit > 9000 Fällen lag zwischen 40 und 44 Jahren [2]. In der

epidemiologischen Studie von Kast et. al. 2000 beträgt die Inzidenz für stationär

durchgeführte Bandscheibenoperationen in der Bundesrepublik Deutschland 61/100 000

Einwohner, wobei die cervicalen Eingriffe inbegriffen sind [3].

Die operative Behandlung eines Bandscheibenvorfalles ist nötig, wenn progrediente

Lähmungen oder Blasen- und Mastdarmstörungen auftreten. Persistierende Beschwerden, die

sich durch konservative Maßnahmen nicht verbessern, werden ebenfalls als

Operationsindikation betrachtet.

Die Hemilaminektomie war früher die Standartmethode zur operativen Behandlung von

Bandscheibenvorfällen. Durch die große knöcherne und ligamentäre Verletzung, wurde die

strukturelle Stabilität der Wirbelsäule geschwächt (Abb.1). Dies war unter anderem ein

Grund, Patienten bezüglich Ihrer Aktivitäten wie Sitzen oder Bewegungen der

Lendenwirbelsäule zu limitieren.

Abb.1 Abb.2

Wird bei der Operation ein Mikroskop und ein standardisiertes Mikroinstrumentarium

eingesetzt, spricht man von dem heutigen Standart, einer mikrochirurgische

Bandscheibenoperation. Die Bandscheibe wird durch ein interlaminäres Fenster operiert

(Abb.2) [4]. Durch die deutlich geringere knöcherne und ligamentäre Verletzung bleibt die

strukturelle Stabilität der Wirbelsäule besser erhalten.

Page 9: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

2

Einige operierende Kliniken limitieren Aktivitäten oder Bewegungen nach einer

mirkrochirurgischen Nukleotomie nicht mehr, vielmehr wird Patienten ein schmerzadaptiertes

Bewegungs- und Belastungsverhalten empfohlen. Carragee et. al. untersuchte in zwei Studien

1996 und 1999, 50 bzw. 152 Patienten nach einer lumbalen Bandscheibenoperation bezüglich

der Rückkehr zum Arbeitsplatz und der Komplikationsrate. Bei den untersuchten Patienten

wurden postoperativ Bewegungen und Aktivitäten nicht limitiert. Die Komplikationsrate war

im Vergleich zu der in der Literatur beschriebenen Komplikationsrate von Patienten mit

Limitierungen von Bewegungen und Aktivitäten gleich hoch. Somit ist ein limitieren von

Bewegungen und Belastungen nach einer Bandscheibenoperation nicht notwendig [5, 6].

Die genaue Ätiologie eines Bandscheibenvorfalls ist unklar. Welche Belastungen und

Bewegungen ein operiertes Segment ausgesetzt werden kann, bzw. ab welchem Zeitraum

nach der Operation Bewegungen und Belastungen wieder möglich sind, ist ebenfalls unklar.

Kahanovitz et. al. 1988 untersuchte die Kraftwerte der Rücken- und Bauchmuskulatur 4-6

Wochen nach einer chirurgischen Discektomie. Bei 20 Probanten wurde unter anderem 3x

eine isokinetische Kraftmessung der vollen Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in

Extension und Flexion im Sitzen, bei 30°/sec. durchgeführt. Mögliche Beschwerden oder

Nebenwirkungen dieser Messungen sind in der Studie nicht beschrieben [7].

In biomechanischen Versuchen ist es unter experimentellen Bedingungen sehr schwierig

einen Bandscheibenvorfall herbeizuführen. Selbst wenn man den Anulus einschneidet,

widersteht der Nukleus einer Herniation. Auch bei Probematerialien, die einen teilweisen

Vorfall aufweisen, kommt es durch wiederholte Flexion und Kompression selten zu einem

vollständigen Prolaps [8].

Am Präparat hat eine Nukleotomie einen großen Einfluss auf die biomechanischen

Eigenschaften eines lumbalen Bewegungssegments. Wird an einem humanen

Bewegungssegment L3/4 eine Nukleotomie mit Entfernung von durchschnittliche 6 gr.

Bandscheibengewebe durchgeführt, kommt es zu einer signifikanten Zunahme der Translation

und Rotation [9]. Keine Rückschlüsse lassen sich durch solche Studien auf die

Wundheilungsreaktion und möglicher Kompensationen einer „lebenden“ Bandscheibe ziehen.

Franz v. d. Berg beschreibt die Wundheilung der Bandscheibe in drei Phasen, der

Entzündungsphase (0.-5. Tag), der Proliferationsphase (5.-14. Tag) und der

Remodulierungsphase (ab dem 21. Tag). Um eine möglichst gute Ausrichtung und Stabilität

der innerhalb der Wundheilung eingebauten kollagenen Fasern zu bekommen, ist ein

Bewegungsbeginn im schmerzfreien Bereich bereits ab der Proliferationsphase (5.-14. Tag)

nötig [10].

Page 10: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

3

Im klinischen Alltag von Rehabilitationseinrichtungen, werden Patienten inzwischen sehr

früh, zum Teil schon 10 Tage postoperativ behandelt. Unter Therapeuten besteht jedoch eine

große Unsicherheit, ab wann, wie und ob nach einer mikrochirurgischen

Bandscheibenoperation mit dynamischen Bewegungen der Lendenwirbelsäule begonnen

werden kann. Aus Angst vor einem Rezidivprolaps, einer Hypermobilität oder einer

Instabilität werden häufig ausschließlich Übungen verwendet, bei denen die

Lendenwirbelsäule in der neutralen Position stabilisiert wird. Die Belastbarkeit eines

operierten Segments bezüglich Bewegungen der Lendenwirbelsäule scheint größer zu sein, als

Therapeuten annehmen und sind möglicherweise nötig damit sich ein stabileres

Narbengewebe bildet.

Die Studie untersucht die Wirkungsweise einer ambulanten Rehabilitation, die sehr früh nach

der Operation startet. Außerdem wird der Unterschied zwischen einer statisch stabilisierenden

Rehabilitation (SSR) mit einer funktionell stabilisierenden Rehabilitation (FSR) untersucht.

Page 11: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

4

2. Methode und Material

Vom 12. Januar 2009 bis 24. Juli 2009 nahmen 26 Teilnehmer an der Studie teil. Es handelte

sich um den ersten operativen Eingriff an der Lendenwirbelsäule und die Operationen wurden

in 8 verschiedenen Kliniken durchgeführt.

Einschlusskriterien: Alter 18-65 Jahre

Rehabilitationsbeginn bis maximal 28 Tage postoperativ

Primärer operativer Eingriff an der Lendenwirbelsäule

Mikrochirurgische Operationstechnik

5 Rehabilitationstage pro Woche möglich

Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten

Voroperationen an der Lendenwirbelsäule

Spondylolisthese

Bestehende Caudasymptomatik

Muskelfunktionswerte > 3

Mangelnde Deutschkenntnisse

Unfähigkeit Fragebögen auszufüllen

Therapieunterbrechung > 3 Rehabilitationstage

Die generalisierte Hypermobilität wurde mit dem Beighton und Horan Mobility Index

überprüft. Hierbei werden 9 Tests an verschiedenen Gelenken durchgeführt um eine

generalisierte Hypermobilität festzustellen. Bei einem Index von > 5 Punkten gelten die

Probanten als Hypermobil und werden aus der Studie ausgeschlossen [11].

Durch das Sekretariat wurden potentielle Teilnehmer, die den Einschlusskriterien

entsprachen, ausgewählt und am Aufnahmetag nach der Arztuntersuchung zu einem Studien

Eingangsbefund eingeplant. Anschließend erfolgte eine 30minütige Bewegungs- und

Belastungsanalyse durch einen speziell geschulten Physiotherapeuten mit mindestens 2 Jahren

Berufserfahrung und mindestens 240 Stunden Fortbildung in Manueller Therapie. Es erfolgte

eine mündliche Übergabe durch den Physiotherapeuten über die Belastbarkeit des Patienten

an die medizinische Trainingtherapie (MTT). Die darauf folgende erste Einweisung in die

MTT mit 30min Dauer, erfolgte durch einen speziell geschulten Sport- und Gymnastiklehrer

oder Dipl. Sporttherapeuten. Die jeweilige Schulung dauerte 60min und beinhaltete

Hintergrundinformationen, Wundheilungsphasen der Bandscheibe, Unterschiede zwischen

Page 12: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

5

den vergleichenden Gruppen, Behandlungstechniken und Übungsbeispiele an Geräten oder

mit freien Gewichten in der medizinischen Trainingstherapie.

In Tabelle 1 sind die epidemiologischen Daten der teilnehmenden Patienten aufgelistet.

Tabelle 1

Total SSR FRS

Anzahl der Probanden 26 13 13

Alter* (Jahre) 38,5 ±10,5 (23-62) 30,1 ±12,4 (26-62) 38,0 ±8,1 (23-48)

Körpergröße* (m) 1,79 ±0,9 (1,6-1,98) 1,76 ±0,9 (1,6-1,91) 1,82 ±0,9 (1,68-1,98)

Gewicht* (Kg) 87,8 ±17,5 (58,3-140) 82,0 ±14,6 (58,3-106) 93,5 ±18,7 (70,8-140)

BMI* 27,3 ±4,9 (19,5-40,9) 26,6 ±4,6 (20,3-37,1) 28,1 ±5,4 (19,5-40,9)

Rehabilitationsbeginn nach OP*

(Tage) 16,5 ±3,7 (9-24) 15,5 ±3,2 (9-21) 17,6 ±4,1 (11-24)

Male-female Ratio 18 : 8 8 : 5 10 :3

Betroffene Seite präoperativ 10x Links

15x Rechts

1x Beidseits

7x Links

5x Rechts

1x Beidseits

3x Links

10x Rechts

0x Beidseits

Operierte Bandscheibenhöhe 9 x L4/ L5

17 x L5/ S1

3 x L4/ L5

9 x L5/ S1

6x L4/ L5

7x L5/ S1

* Mittelwert ±Standartabweichung (Spannweite)

Die mit * gekennzeichneten Daten der Gruppen wurden mittels Mann Withney Test auf

signifikante Unterschiede überprüft. Hierbei ergab sich ein P-Wert zwischen 0,07

(Körpergröße) und 0,82 (Alter). Somit ergeben sich keine signifikanten Unterschiede (P-Wert

< 0,05) bei den epidemiologischen Daten zwischen den beiden Gruppen.

Drop Outs

Innerhalb der Studie konnten keine negativen Nebenwirkungen des Rehabilitationsprogramms

festgestellt werden. Insgesamt konnten 4 Teilnehmer die Studie nicht beenden. Ein

Teilnehmer der SSR Gruppe konnte aufgrund zeitlicher Einschränkungen nur an der

Wirbelsäulengruppe der FSR Gruppe teilnehmen. Ein Teilnehmer der FSR Gruppe hatte

aufgrund einer grippalen Infektion eine Therapieunterbrechung von mehr als 7 Tagen. Jeweils

ein Teilnehmer aus den zwei Gruppen konnte die Studie aufgrund von Beschwerdezunahme

nicht beenden. Ein Teilnehmer der SSR Gruppe musste die Teilnahme aufgrund eines

Rezidivvorfalls nach 2 Rehabilitationstagen abbrechen. Ein Teilnehmer der FSR Gruppe

musste aufgrund von Narbenbildung im Operationsgebiet nach 5 Rehabilitationstagen auf

Anweisung des Operateurs die Rehabilitation für 2 Wochen unterbrechen. Nach telefonischer

Rücksprache ergab sich in beiden Fällen kein erkennbarer Auslöser während der

Rehabilitation. Die Beschwerden verschlechterten sich in beiden Fällen über das Wochenende

so stark, dass eine erneute Vorstellung in der Klink notwendig wurde.

Page 13: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

6

Outcome Messungen

Die Outcome Messungen wurden zu Beginn und am Ende der Rehabilitation durch einen

speziell geschulten Physiotherapeuten durchgeführt. Der Teilnehmer wurde mündlich über

den Hintergrund der Studie informiert und musste der Teilnahme an der Studie schriftlich

zustimmen. Nach dem Überprüfen der Ein- und Ausschlusskriterien zog der Teilnehmer ein

Los aus der Losbox (Abb.3), in der sich zu Beginn der Studie jeweils 13 gefaltete Lose der

SSR und FSR Gruppe befanden. Der Teilnehmer wurde über seine Zulosung informiert. Um

Verwechslungen zwischen den Gruppen bei den Therapeuten zu verhindern, wurde auf der

Karteikarte der Physiotherapie und dem Trainingsplan der medizinischen Trainingstherapie

ein Klebeetikett mit der Aufschrift der entsprechenden Gruppe SSR oder FSR in Schriftgröße

48 angebracht. Das Sekretariat wurde über die Gruppenzulosung des Patienten informiert um

ein Planen entsprechender Wirbelsäulengruppen zu ermöglichen.

Abb. 3

Subjektive Parameter

Pain Numerical Raiting Scale (PNRS)

Die PNRS scheint ein valides, reliables und objektives Messinstrument mit hoher Sensitivität

zur Erfassung von Änderungen der Schmerzempfindung zu sein [12]. Der Patient wurde

aufgefordert, den durchschnittlichen Wert seiner Schmerzen innerhalb der letzten 24 Stunden

auf einer Visuellen Analogen Schmerzskala = VAS einzuschätzen (Abb.4)

Abb. 4

Page 14: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

7

Tampaskala (TSK)

Nach einer lumbalen Bandscheibenoperation hat ein höheres, präoperatives Niveau von Angst

vor Bewegung ein schlechteres postoperatives Outcome nach 6 Wochen und 6 Monaten [13].

Die TSK ist ein Fragebogen zum Erfassen von schmerzbezogener Angst vor erneuter

Verletzung und Bewegung. Der Teilnehmer muss 17 Fragen mit einer Punkteskala von 1 =

trifft gar nicht zu bis 4 trifft vollkommen zu beantworten. Die Punkteskala reicht von 17

(geringste Angst vor Bewegung und erneuter Verletzung) bis 68 Punkt (maximale Angst vor

Bewegung und erneuter Verletzung).

Roland-Morris Questionaire (RMQ)

Die Deutsche Version des RMQ ist ein valides und reliables Instrument zur Messung des

funktionellen Status von Patienten mit Rückenschmerzen [14]. Es ist ein Fragebogen mit 24

Aussagen zum Gesundheitszustand, bei dem der Patient aufgefordert wird, die am heutigen

Tag zutreffenden Aussagen anzukreuzen. Die Punkteskala reicht von 24 Punkten

(schlechtester funktioneller Status) bis zu 0 Punkten (bester funktioneller Status).

Page 15: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

8

Objektive Parameter

Straight Leg Raise (SLR)

Der SLR wurde in Rückenlage mit neutraler Kopfposition, aktiv geschlossenen Beinen und

auf dem Bauch abgelegte Hände mit einem digitalen Winkelmesser der Firma Acumar

gemessen. Die Messung des SLR mit einem Goniometer hat eine exzellente Intratester- und

Intertesterreliability [15]. Zur Standardisierung der Winkelmesserposition, wurde von der

Unterkante des lateralen Malleolus mit einem Maßband 10cm nach cranial gemessen, dieser

Punkt markiert und dann auf die Vorderseite des Unterschenkels projiziert (Abb.5).

Abb.5

Zur Messung wurde die Unterkante des Winkelmessers an den Markierungspunkt angelegt

(Abb.6). Der SLR wurde in voller Knieextension, Hüftrotationsneutral und ohne

Fußkomponente durchgeführt bis der Patient ein Ziehen oder Schmerzen angab (Abb.7). Es

wurde zuerst die asymptomatische Seite (SLR asy) und dann die symptomatische Seite (SLR

symp) gemessen.

Abb.6 Abb.7

Page 16: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

9

Aktive Range Of Motion (AROM)

Zum Feststellen der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule wurde das AROM mit der Double

Inklinometer Technik in Flexion, Extension und Lateralflexion gemessen. Die Messungen

wurden mit einem digitalen Winkelmesser der Fa. Acumar auf einem Stepper mit

Klebestreifen zur Standardisierung der Fußbreite durchgeführt. Die Inklinometer Technik ist

eine reliable und valide Methode zur Messung der lumbalen Wirbelsäulenbeweglichkeit [16].

Die palpierten Dornfortsätze Oberkante S1 und L1 wurden mit einem Stift markiert (Abb. 8).

Abb. 8

Page 17: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

10

Flexion und Extension

Die Anlage des Double Inklinometer erfolgte in für den Patienten subjektiv empfundener

aufrechter Position. Dabei wurde die Oberkante des unteren Winkelmessers auf den

Markierungsstrich L5 und die Unterkante des oberen Winkelmessers auf den

Markierungsstrich L1 angelegt (Abb. 9/10).

Abb. 9 Abb. 10

Der Bewegungsauftrag für die Flexion und Extension lautete, stehen Sie in aufrechter

Position, beugen Sie sich zunächst so weit nach vorne wie Sie sich trauen oder bis ein

Schmerz auftritt. Kommen Sie anschließend wieder nach oben und neigen sich so weit zurück

wie Sie sich trauen oder bis ein Schmerz auftritt. Der Bewegungsablauf wurde dem Patient

einmal durch den Untersucher demonstriert, anschließend erfolgte eine Testbewegung des

Studienteilnehmers. Der Patient wurde aufgefordert, kurz in der Endposition zu verweilen, bis

das Bewegungsausmaß ausgependelt war (Abb. 11/12).

Abb. 11 Abb. 12

Page 18: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

11

Lateralflexion

Der Double Inklinometer wurde in der für den Patienten aufrechten Position flach auf die

Wirbelsäule gelegt, wobei der untere Winkelmesser auf den Markierungsstrich L5 und der

obere Winkelmesser auf den Markierungsstrich L1 angelegt wurde (Abb. 13).

Abb. 13

Der Bewegungsauftrag für die Lateralflexion lautete, stehen Sie in aufrechter Position, neigen

Sie sich zunächst so weit nach rechts, wie Sie sich trauen oder bis ein Schmerz auftritt.

Kommen Sie dann zurück zur Mitte und neigen Sie sich dann so weit links, wie Sie sich

trauen oder bis ein Schmerz auftritt. Der Patient wurde aufgefordert, kurz in der Endposition

zu verweilen, bis das Bewegungsausmaß ausgependelt war (Abb. 14/15). Es wurde zuerst die

Lateralflexion zur nichtbetroffenen Seite (LF n betr) und dann die Lateralflexion zur

betroffenen Seite (LF betr) gemessen.

Abb. 14 Abb. 15

Page 19: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

12

Fingerbodenabstand (FBA)

Um das Gesamtbewegungsausmaß der Wirbelsäule und des Nervensystems zu beurteilen,

wurde der FBA gemessen. Für den FBA besteht eine gute bis sehr gute Inter- und

Intratesterreliabilität [17]. Zur Messung des FBA wurde der Patient auf einen Stepper mit 18

cm Höhe gestellt um negative Ergebnisse zu verhindern. Um die Fußbreite zu standardisieren

waren Markierungsstreifen auf dem Stepper angebracht (Abb. 16). Dem Patient wurde der

Bewegungsablauf einmal durch den Untersucher demonstriert. Danach wurde der Patient

aufgefordert, die Bewegung bis zum ersten Schmerz oder Ende seines Zutrauens

durchzuführen. Während des Bewegungsablaufes wurde auf eine konstante Knieextension

geachtet. Am Ende der Bewegung befanden sich die Fingerspitzen über den Zehen (Abb.

16/17/18). Nach einer Testbewegung folgte die Bewegung an dessen Ende gemessen wurde.

Die Messung erfolgte vom rechten Mittelfinger zum Fußboden (Abb. 19).

Abb. 16 Abb. 17

Abb. 18 Abb. 19

Page 20: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

13

Intervention

In Anlehnung an die Leitlinie zur Nachbehandlung von lumbalen Bandscheibenoperationen

von Fischer et. al. 2003 wurde 3x/ Woche Krankengymnastik a 25min, täglich Medizinische

Trainingstherapie a 60min und 3x/Woche Gruppengymnastik a 25min standardisiert

festgelegt [18]. Alle anderen Therapieformen bezüglich Auswahl und Frequenz unterlagen der

Verordnungskompetenz des Arztes. In der Tabelle 2 sind die wichtigsten der tatsächlich

applizierten Therapien dargestellt.

Tabelle 2

Total SSR FRS

Anzahl der Rehabilitationstage 15,9 ±1,6 (13-18) 16,2 ±1,7 (14-18) 15,6 ±1,5 (13-18)

Krankengymnastik (Dauer ca. 25min.) 9,2 ±1,4 (7-12) 9,5 ±1,6 (7-12) 8,9 ±1,3 (7-12)

Medizinisch Trainingstherapie (ca. 60min)

13,4 ±1,8 (10-17) 13,6 ±2,1 (10-17) 13,2 ±1,4 (11-16)

Gruppengymnastik (ca. 25min) 7,4 ±1,2 (5-10) 7,4 ±1,3 (5-10) 7,5 ±1,1 (6-10)

Rückenschule (ca. 25min) 7,0 ±1,3 (4-9) 7,3 ±1,0 (6-9) 6,8 ±1,5 (4-9)

Thermotherapie (ca. 25min) 4,6 ±3,4 (0-10) 3,6 ±3,7 (0-10) 5,5 ±2,8 (0-9)

Elektrotherapie (ca. 25min) 5,2 ±3,1 (0-10) 5,3±3,5 (0-10) 5,2 ±2,7 (0-8)

Kombination Nordic Walking (ca. 45min)/ Bewegungsbad (ca. 25min)

2,3 ±1,4 (0-5) 2,5 ±1,6 (0-5) 2,2 ±1,3 (0-5)

Massage (ca. 15min) 3,2 ±4,1 (0-11) 3,0 ±4,1 (0-10) 3,3 ±4,3 (0-11)

Gesundheitsbildung (Vortrag 60min) 2,9 ±1,9 (1-7) 2,5 ±1,7 (1-6) 2,8 ±2,1 (1-7)

Alle Daten in: Mittelwert ±Standartabweichung (Spannweite)

Die Gruppen wurden mit dem Mann Withney Test auf signifikante Unterschiede überprüft.

Hierbei ergab sich ein P-Wert zwischen 0,16 (Thermotherapie) und 0,91 (Gruppengymnastik).

Somit ergeben sich keine signifikanten Unterschiede (P-Wert < 0,05) bei den

Interventionsdaten zwischen den beiden Gruppen.

Page 21: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

14

Physiotherapie und med. Trainingstherapie

Die Auswahl und Dosierung der Techniken innerhalb der Physiotherapie erfolgte nach dem

Ermessen des Therapeuten. In der Trainingstherapie wurde ein 3 Satztraining angewendet,

wobei die Wiederholungszahl und Gewichtsdosierung innerhalb der ersten zwei

Einweisungen durch den Sporttherapeut festgelegt wurde. Nach 2 Tagen Krafttraining

erfolgte eine 60min Ausdauereinheit wofür das Laufband, der Oberarm- und der

Fahrradergometer zur Verfügung stand. Eine Überprüfung der Trainingsparameter wurde in

der Mitte des Rehabilitationsprogramms und auf Nachfragen des Patienten durchgeführt.

SSR Gruppe

Verboten waren aktive und passive mobilisierende Techniken im Lendenwirbelsäulenbereich.

Ein Weiterlaufen der Bewegung in der Lendenwirbelsäule bei Kräftigungsübungen sollte

vermieden werden. Neben neurodynamischen Techniken wurden stabilisierende Maßnahmen

in neutraler Lendenwirbelsäulenposition mit Aktivierung der tiefen, stabilisierenden Muskeln

eingesetzt.

In der Trainingstherapie erfolgten Übungen zur Stabilisierung der Lendenwirbelsäule in

neutraler Position. Weiterlaufenden Bewegungen bei z.B. Bauchmuskelübungen wurden

durch Bewegungslimitierungen mit Isometrie begrenzt.

Der Crosstrainer wurde zum Ausdauertraining aufgrund der großen Rotationsbewegungen in

dieser Gruppe verboten.

FSR Gruppe

Es erfolgte keine Limitierung der Therapeuten in Auswahl und Dosierung der Technik. Neben

den in der SSR-Gruppe genannten Techniken wurden auch direkte Techniken an der

Lendenwirbelsäule eingesetzt. Die Auswahl der Übungen und Technikintensität erfolgte

patientenangepasst, schmerzlimitiert, nach einer langsam steigenden Progression der

Intensität und dem Widerbefundprinzip. Neben aktiven Bewegungen der Lendenwirbelsäule

in Flexion und Extension wurden auch direkt mobilisierenden Techniken aus dem Maitland-

Konzept wie Passiv Physiologisch Intervertebral Movements (PPIVMS) und Passiv

Assessorisch Intervertebral Movements (PAIVMS) eingesetzt.

In der Trainingstherapie wurden neben den in der SSR-Gruppe genanten Übungen auch aktive

Bewegungsübungen eingesetzt. Die zwei häufigsten Übungen waren die axiale Rotation der

Wirbelsäule gegen Widerstand (Abb.21), sowie die Flexion und Extension am Seilzug mit

Schlinge (Abb. 23). Für das Ausdauertraining war zusätzlich der Crosstrainer erlaubt.

Page 22: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

15

Nachfolgend sind Übungsbeispiele beschrieben und mit Bildern dargestellt um den

Unterschied zwischen der SSR und FSR Gruppe zu verdeutlichen.

Barbell Rotation (SSR Gruppe Abb. 20) Die Wirbelsäule wird in der Neutralstellung

stabilisiert und die Langhantelstange mit dem rechten und linken Arm nach außen geführt.

Rotator (FSR Gruppe Abb. 21) Die Wirbelsäule wird bei fixiertem Becken gegen Widerstand

axial rotiert.

Abb. 20 Abb. 21

Aufrichtung (SSR Gruppe Abb. 22) Die Wirbelsäule wird in Neutralstellung stabilisiert und

die Arme bilateral aus 90° Flexion neben den Körper geführt.

Flexion/ Extension an der Schlinge (FSR Gruppe Abb. 23) Eine Schlinge von ca. 20cm breite

ist auf Höhe der Lendenwirbelsäule mit dem Seilzug verbunden und ist unter Spannung. Die

Wirbelsäule wird im Sitzen in Flexion und Extension bewegt.

Abb. 22 Abb. 23

Page 23: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

16

3. Ergebnisse

Als statistische Signifikanz wurde ein α-Level von 0,05 festgesetzt. Die statistischen

Berechnungen erfolgten mit dem Programm WinSTAT® für Microsoft® Excel (Copyright

2006 © Robert K. Fitch). Aufgrund der zu geringen Stichprobengröße ist eine Überprüfung

auf Normalverteilung zu unsicher. Deshalb erfolgte die Auswertung mit nichtmetrischen

Tests. Zur Beurteilung der Veränderungen zwischen Ein- und Ausgangsbefund der gesamten

Gruppe (N=26), der SSR und der FSR Gruppe (N= jeweils 13) wurde der Wilcoxon Rang

Test verwendet. Zum Quantifizieren von Unterschieden zwischen der SSR und FSR Gruppe

wurde der Mann Withney Test durchgeführt.

Einzelbetrachtung der Gesamten Gruppe, der FSR und der SSR Gruppe

Die Gesamte, die SSR und die FSR Gruppe wurde jeweils separat auf Verbesserungen

zwischen Ein- und Ausgangsbefund überprüft. Hierbei wurde die Differenz zwischen Ein-

und Ausgangsbefund ermittelt und mit dem Wilcoxon Rang Test mögliche signifikante

Unterschiede festgestellt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 bis 5 dargestellt, wobei die

statistisch nicht signifikanten Parameter hellblau unterlegt sind.

Tabelle 3

Gesamte Gruppe N Eingangsbefund Ausgangsbefund Differenz

P-Wert Wilcoxon

PNRS 26 2,39 (± 1,70) 1,32 (± 1,58) - 1,07 (± 1,69) 0,00524

TSK 26 35,19 (± 6,71) 31,77 (± 7,40) - 3,42 (± 7,00) 0,00658

RMQ 26 8,77 (± 3,95) 2,85 (± 3,12) - 5,92 (± 3,49) < 0,0001

SLR sym 26 49,42° (± 9,65°) 62,23° (± 9,30°) 12,81° (± 6,43°) < 0,0001

SLR asy 26 65,00° (± 9,07°) 70,12° (± 9,97°) 5,12° (± 5,60°) < 0,0001

Ext 26 10,04° (± 6,09°) 12,46° (± 5,55°) 2,42° (± 6,24°) 0,00932

Flex 26 36,39° (± 13,03°) 43,23° (± 10,89°) 6,85° (± 7,76°) 0,00052

ges Flex/Ext 26 46,42° (± 14,51°) 56,08° (± 11,93°) 9,65° (± 9,85°) 0,00025

LF betr 26 18,89° (± 4,40°) 20,70° (± 4,35°) 1,81° (± 4,49°) 0,05378

LF n bet 26 17,69° (± 5,16°) 20,27° (± 3,90°) 2,58° (± 3,88°) 0,0035

FBA 26 45,39cm (± 12,80cm) 34,96cm (± 11,14cm) - 10,42cm (± 7,87cm) < 0,0001

Bei der Betrachtung der gesamten Gruppe (N=26) mit dem Wilcoxon Rang Test sind alle

Parameter mit Ausnahme der Lateralflexion zur betroffenen Seite signifikant besser

geworden.

Die PNRS verbesserte sich bei einem Ausgangswert von 2,39 Punkten um Durchschnittlich

1,07 Punkte. Dies entspricht einer prozentualen Verbesserung von 44,8 %. 18 von 26

Patienten gaben über die PNRS eine Verbesserung an.

Page 24: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

17

Tabelle 4

SSR Gruppe N Eingangsbefund Ausgangsbefund Differenz P-Wert

Wilcoxon

PNRS 13 2,21 (± 1,56) 1,50 (± 1,90) - 0,71 (1,47) 0,13067

TSK 13 37,39 (± 5,58) 34,23 (± 8,77) - 3,15 (7,38) 0,05461

RMQ 13 8,39 (± 4,37) 3,54 (± 4,12) - 4,85 (3,13) 0,00335

SLR sym 13 46,70° (± 8,24°) 61,08° (± 7,86°) 14,38° (± 8,79°) 0,00147

SLR asy 13 67,00° (± 9,69°) 71,54° (± 11,52°) 4,54° (± 6,42°) 0,02771

Ext 13 10,54° (± 7,02°) 11,31° (± 4,77°) 0,77° (± 7,22°) 0,19554

Flex 13 40,92° (± 11,86°) 46,69° (± 10,54°) 5,77° (± 8,71°) 0,05461

ges Flex/Ext 13 51,46° (± 14,28°) 58,77° (± 12,18°) 7,31° (± 9,95°) 0,02537

LF betr 13 19,23° (± 5,18°) 20,69° (± 4,23°) 1,46° (± 5,03°) 0,34545

LF n bet 13 18,08° (± 5,71°) 19,92° (± 4,17°) 1,85° (± 3,51°) 0,08686

FBA 13 43,77cm (± 14,33cm ) 34,61cm (± 11,89cm) - 9,15cm (± 7,77cm) 0,00298

Bei der Betrachtung der SSR Gruppe (N=13) mit dem Wilcoxon Rang Test sind einige

Parameter signifikant besser geworden. Bei den subjektiven Parametern wurde der RMQ

signifikant besser. Bei den objektiven Parametern wurde der SLR, das

Gesamtbewegungsausmaß Flexion und Extension und der FBA signifikant besser.

Die PNRS verbesserte sich bei einem Ausgangswert von 2,21 Punkten um Durchschnittlich

0,71 Punkte. Dies entspricht einer prozentualen Verbesserung von 32,13 %. 8 von 13

Patienten gaben über PNRS eine Verbesserung an.

Page 25: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

18

Tabelle 5

FSR Gruppe N Eingangsbefund Ausgangsbefund Differenz P-Wert

Wilcoxon

PNRS 13 2,58 ( ± 1,87) 1,14 (± 1,22) - 1,42 (± 1,87) 0,02079

TSK 13 33,00 ( ± 7,23 ) 29,31 (± 4,91) - 3,69 (± 6,89) 0,07474

RMQ 13 9,15 (± 3,63) 2,15(± 1,52) - 7,00 (± 3,61) 0,00147

SLR sym 13 52,15° (± 10,49°) 63,39° (± 10,75°) 11,23° (± 1,83°) 0,00147

SLR asy 13 63,00° (± 8,30°) 68,69° (± 8,37°) 5,69° (± 4,84°) 0,00444

Ext 13 9,54° (± 5,24°) 13,62° (± 6,21°) 4,08° (± 4,80°) 0,01206

Flex 13 31,85° (± 12,97°) 39,77° (± 10,48°) 7,92° (± 6,86°) 0,00465

ges Flex/Ext 13 41,39° (± 13,41°) 53,39° (± 11,51°) 12,00° (± 9,53°) 0,00417

LF betr 13 18,54° (± 3,64°) 20,69° (± 4,64°) 2,15° (± 4,06°) 0,07537

LF n bet 13 17,31° (± 4,75°) 20,62° (± 3,75°) 3,31° (± 4,23°) 0,01906

FBA 13 47,00cm (± 11,42cm) 35,31cm (± 10,82cm) - 11,69cm (± 8,07cm) 0,00222

Bei der Betrachtung der FSR Gruppe (N=13) mit dem Wilcoxon Rang Test sind alle

Parameter mit Ausnahme der TSK und der Lateralflexion zur betroffenen Seite signifikant

besser.

Die PNRS verbesserte sich bei einem Ausgangswert von 2,56 Punkten um Durchschnittlich

1,42 Punkte. Dies entspricht einer prozentualen Verbesserung von 55,47 %. 10 von 13

Patienten gaben über PNRS eine Verbesserung an.

Page 26: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

19

Vergleich der SSR und FSR Gruppe

Signifikante Unterschiede der Differenzwerte zwischen der SSR und FSR Gruppe wurden mit

dem Mann Withney Test ermittelt. Die P-Werte der einzelnen Parameter sind in Tabelle 6

dargestellt. Es wurden keine signifikanten Unterschiede (P-Wert < 0,05) zwischen den

Gruppen festgestellt. Der P-Wert liegt zwischen 0,14 (RDM) und 0,79 (Latflex n betr).

Tabelle 6

PNRS RMQ Tampa SLR asy SLR sym FBA Ext Flex Flex/Ext LF betr LF n betr

P-Wert 0,23 0,14 0,78 0,74 0,74 0,44 0,4 0,4 0,18 0,7 0,8

Um den direkten Vergleich der beiden Gruppen darzustellen, sind die Differenzwerte der

jeweiligen Gruppe mit Balkendiagrammen dargestellt. Bei fast allen Parametern ist eine

positive Tendenz zu Gunsten der FSR Gruppe feststellbar.

Objektive Parameter

Grafik 1

-15

-10

-5

0

5

10

PNRS diff RMQ diff TSK diff

Parameter

Differenz

FSR

SSR

Gruppe± Standardabw eichung

Der RMQ hatte bei einem P-Wert von 0,14 den größten Unterschied bei den subjektiven

Parametern.

Page 27: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

20

SLR

Grafik 2

-5

0

5

10

15

20

25

SLR asy diff SLR sym diff

Parameter

Differenz

FSR

SSR

Gruppe± Standardabw eichung

Der Differenzwert des symptomatischen SLR ist der einzige Parameter, in der die SSR

Gruppe eine höhere Verbesserung erreicht hat, als die FSR Gruppe.

Bewegungsmessungen

Grafik 3

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

25

FBA dif f Ext dif f Flex dif f ges F/E diff LF betr dif f LF n betr diff

Parameter

Differenz

FSR

SSR

Gruppe± Standardabw eichung

Der Vergleich der F/E Messung hatte den zweitgrößten Unterschied mit einem P-Wert von

0,18 erreicht. Alle Bewegungsmessungen zeigen eine positive Tendenz zugunsten der FSR

Gruppe.

Page 28: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

21

4. Diskussion

Es gibt verschiedene klinische Studien, in denen die Wirkungsweise einer Rehabilitation nach

einer mikrochirurgischen Bandscheibenoperation untersucht wurde.

Dolan et. al. 2000 untersuchte, ob Übungen das Outcome nach einer Mikrodiscectomy

verbessern. Hierbei wurden 20 Patienten randomisiert in eine Übungs- und eine

Kontrollgruppe eingeteilt. Das Übungsprogramm mit Kräftigungsübungen für die Rücken-

und Bauchmuskulatur startete 6 Wochen postoperativ und beinhaltete 2 x 1 Stunde

Trainingsdauer für 4 Wochen. Bei den Messungen nach 6, 10, 26 und 52 Wochen verbesserte

sich die Übungsgruppe bei den Schmerzen, der Behinderung und der damit verbundenen

Wirbelsäulenfunktionen signifikant mehr als in der Kontrollgruppe. Dies war auch beim

Follow up nach 12 Monaten messbar [19].

Manniche et. al. 1993 untersuchte die Wirkungsweise eines intensiven und traditionellen

Rehabilitationsprogramms, das 5 Wochen postoperativ startet. Der limitierende Faktor bei den

Übungen war der Schmerz. Beim 1 Jahres Follow up fanden sich bezüglich der objektiven

Parameter (u.a. modifizierter Schoober) und Schmerzmessungen keine Unterschiede. Die

Probanten der intensiven Rehabilitationsgruppe wurden jedoch schneller wieder arbeitsfähig

und hatten subjektiv weniger Behinderung [20].

Eine Trainings- und eine Kontrollgruppe, die 4 Wochen postoperativ startete, verglich

Danielsen et. al. 2000. Die Trainingsgruppe absolvierte ein 8 Wochen dauerndes

Rehabilitationsprogramm. Die Kontrollgruppe sollte 8 Wochen ein mildes

Heimübungsprogramm durchführen, die Wirbelsäule schonen und langsam zum normalen

Aktivitätsniveau zurückkehren. Die VAS und der RMQ war nach 6 Monaten in der

Trainingsgruppe besser, jedoch konnten nach 12 Monaten keine klinisch signifikanten

Unterschiede mehr festgestellt werden [21].

Ostelo et. al. 2003 findet in seiner Literaturstudie aufgrund des Mangels an qualitativ

hochwertigen Studien, keine Beweise für Behandlungsprogramme, die direkt nach der

Operation starten. Für Behandlungsprogramme die 4-6 Wochen nach der Operation starten,

gibt es starke Beweise, dass intensive Übungsprogramme besser auf den funktionellen Status

und den Rückkehr zum Arbeitsplatz wirken, als milde Übungsprogramme [22].

Yilmaz et. al. 2003 vergleicht eine Gruppe, bei der die Wirbelsäule dynamisch in der

neutralen Position stabilisiert wurde, mit einem Heimprogramm und einer Kontrollgruppe.

Die 42 Probanten wurden das erste Mal an der Bandscheibe operiert. Das Übungsprogramm

startete 5 Wochen postoperativ und das Follow up lag bei 4 und 12 Wochen postoperativ. Die

dynamisch stabilisierende Gruppe zeigte signifikante Verbesserungen in allen gemessenen

Page 29: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

22

Parametern, während es bei der Heimübungs- und Kontrollgruppe nur in einigen Parametern

zu Verbesserungen kam [23].

Millisdotter et. al. 2007 verglich eine neuromuskuläre Trainingsgruppe, die 2 Wochen nach

der Operation startete, mit einer konventionellen Trainingsgruppe, die 6 Wochen nach der

Operation mit dem Training begann. Die neuromuskuläre Trainingsgruppe stabilisierte die

Wirbelsäule in der Neutralposition und achtete auf die vorgeschaltete Koaktivität der tiefen

Rückenmuskeln. Die konventionelle Trainingsgruppe machte Übungen an stationären

Trainingsgeräten. Beim Follow up von 6 Wochen, 4 und 12 Monaten reduzierten sich die

Bein- und Rückenschmerzen auf der VAS bei beiden Gruppen im gleichen Ausmaß. Beim

Follow up 1 Jahr nach der Operation hatte jedoch die neuromuskuläre Trainingsgruppe

signifikant weniger Behinderung im Vergleich zur konventionellen Trainingsgruppe [24].

In der vorliegenden Studie, begann die Rehabilitation der gesamten Gruppe nach

Durchschnittlich 16,5 Tagen (SD ±3,7; Range 9-24) postoperativ. Alle Parameter mit

Ausnahme der Lateralflexion zur betroffenen Seite haben sich in der gesamten Gruppe

signifikant verbessert. Da keine Kontrollgruppe vorhanden ist, ist es nicht möglich

Rückschlüsse auf die Ursache der Verbesserung zu ziehen. Allerdings kommen einige

vorangegangene Studien zu dem Ergebnis, dass Rehabilitationsprogramme mit Übungen mehr

Parameter verbessern als eine Kontrollgruppe [19, 23].

Bei der PNRS wird eine Veränderung von 30% zum Ausgangswert als klinisch Relevant

betrachtet [12]. Die prozentuale Verbesserung beträgt bei der SSR Gruppe 32,1% und bei der

FSR Gruppe 55,47%. Somit kann die Veränderung in beiden Gruppen als klinisch Relevant

gesehen werden. 10 Teilnehmer bei der FSR Gruppe und 8 Teilnehmer der SSR Gruppe

gaben über die PNRS eine Verbesserung an. Bei der statistischen Auswertung zeigen die

numerischen Werte der PNRS keine signifikante Veränderung auf. Beim Betrachten der

prozentualen Verbesserung kann eine klinisch relevante Veränderung festgestellt werden, die

in der FSR Gruppe deutlich höher ausfällt. Eine Veränderung der Schmerzintensität könnte

auch aufgrund eines anderen Medikamentenstatus entstehen. Um dies auszuschließen, wurde

der Medikamentenstatus beim Ein- und Ausgangsbefund dokumentiert. Nur ein Teilnehmer

aus der SSR Gruppe musste innerhalb der Rehabilitation seine Schmerzmedikation (NSAR =

Nichtsteroidaleantirheumatika) erhöhen. Die anderen Teilnehmer konnten Ihre Medikation

reduzieren oder nahmen bereits zu Studienbeginn keine Schmerzmittel mehr (jeweils 8

Teilnehmer der beiden Gruppen). Demzufolge ist die Reduktion der Schmerzen klinisch

relevant und ein Erfolg des Rehabilitationsprogramms mit positiver Tendenz zur FSR Gruppe.

Page 30: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

23

Die Tampaskala verbesserte sich in der gesamten Gruppe signifikant. Beim isolierten

Betrachten der SSR und FSR Gruppe konnte jedoch keine Signifikanz erzielt werden. Eine

Reduktion wäre eher in der FSR Gruppe zu erwarten, da in dieser Gruppe direkte

Bewegungen der Lendenwirbelsäule beübt wurden. Die minimal erfassbare Veränderung bei

der Tampaskala liegt nach Ostelo et. al. 2007 bei 9,2 Punkten [25]. Alle Mittelwerte der

Differenzen liegen deutlich unter diesem Grenzwert, deshalb wird die Veränderung als nicht

klinisch Relevant beurteilt. Bei einem Maximalwert der TSK von 68 Punkten liegt der

Mittelwert beim Eingangsbefund der gesamten Gruppe (N=26) mit 35 Punkten (SD ±6,71) im

mittleren Bereich. Dies könnte ein Indiz für eine niedere Präsenz von schmerzbezogener

Angst vor erneuter Verletzung und Bewegung bei den Teilnehmern dieser Studie sein. In den

statistischen Daten der vorliegenden Studie spiegelt sich dies durch die hohe

Standartabweichung von ca. ± 7 Punkten bei den Eingangsbefundwerten wieder.

7 Teilnehmer der SSR Gruppe und 4 Teilnehmer der FSR Gruppe hatten beim FBA des

Eingangsbefunds Angst vor dieser Bewegung. 4 Teilnehmer der SSR Gruppe und

3 Teilnehmer der FSR Gruppe verloren diese Angst, so dass am Ende der Rehabilitation

insgesamt 22 Teilnehmer keine Angst während des FBA hatten. Swinkels-Meewisse et. al.

2003 findet bei akuten Rückenschmerzen nur eine moderate Validität für die TSK [26].

Die geringe Präsenz von Angst vor Bewegung und erneuter Verletzung und die nur moderate

Validität der TSK ist eine mögliche Erklärung für die geringen Veränderungen.

Beim Vergleich des RMQ der beiden Gruppen mit dem Mann Withney Test, hat dieser den

geringsten P-Wert = 0,14. Ostelo et. al. 2008 gibt als minimale klinische Veränderung im

RMQ 5 Punkte an [25]. Der Mittelwert der Verbesserung liegt in der FSR Gruppe mit -7.0

Punkten über der minimalen Veränderung. Der Mittelwert der SSR Gruppe liegt mit -4,85

Punkten unterhalb dieses Grenzwertes. Bis auf zwei Teilnehmer der SSR Gruppe, welche

keine Veränderung zum Eingangsbefund aufwiesen, verbesserten sich alle Teilnehmer.

Die FSR Gruppe erreicht am Ende der Rehabilitation eine klinisch relevante Veränderung in

der subjektiven Behinderung.

Bei der Einzelbetrachtung des SLR in beiden Gruppen, werden mit dem Wilcoxon Rang Test

signifikante Veränderung festgestellt. Im direkten Vergleich mit dem Mann Withney Test

ergibt sich zwar keine statistische Signifikanz, jedoch ist eine Tendenz zugunsten der SSR

Gruppe sichtbar (Grafik 2). Aufgrund der Limitierung von direkten Techniken an der

Wirbelsäule, wurden möglicherweise die Teilnehmer in der SSR Gruppe intensiver mit

neurodynamischen Techniken behandelt. Dies könnte die Tendenz zugunsten der SSR Gruppe

erklären.

Page 31: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

24

Die Größe der Veränderungen der Lateralflexion fällt mit 1°-3° Differenz sehr gering aus. Die

Tendenz zugunsten der FSR Gruppe ist in der Grafik 3 zwar sichtbar, allerdings sind diese

Werte von sehr geringem Ausmaß und nicht von klinischer Bedeutung. Innerhalb der

Trainingstherapie wurde bei Probanten der FSR Gruppe die axiale Rotation und Flexions- und

Extensionsbewegung sehr häufig als Übung eingesetzt. Bei keinem Teilnehmer der FSR

Gruppe wurde innerhalb der MTT oder der Krankengymnastik die Lateralflexion direkt

dynamisch beübt. Dies erklärt die geringe Veränderung in der FSR Gruppe.

Da sich innerhalb einer Rehabilitation möglicherweise die subjektiv aufrechte Haltung der

Teilnehmer verändert, ist es sinnvoll das Gesamtbewegungsausmaß der Flexion und

Extension der Lendenwirbelsäule zu betrachten. Hierbei verbesserte sich die FSR Gruppe um

12° (SD ±9,53°) und die SSR Gruppe um 7,31° (SD ±9,95°). Bei der Messung des FBA und

der Beweglichkeitsmessung der Lendenwirbelsäule mit dem Acumar kommt es zu einem

neurodynamischen Stress. Mangelnde neurale Beweglichkeit könnte den FBA und die

Winkelmessung der Lendenwirbelsäule in Flexion beeinträchtigen. In den vorliegenden

statistischen Daten wurde jedoch bei dem SLR eine höhere Differenz zugunsten der SSR

Gruppe festgestellt. Demnach ist die größere Verbesserung des FBA, der Flexion und des

gesamt Bewegungsausmaß in Flexion und Extension der dynamischen Beübung der

Lendenwirbelsäule innerhalb der FSR Gruppe zuzuschreiben.

Bei den Ergebnissen fällt eine hohe Standartabweichung der Differenzwerte des

Gesamtbewegungsausmaßes der Lendenwirbelsäule mit ca. ± 10° und des

Fingerbodenabstands mit ca. ±8cm auf. Dies deutet auf eine inhomogene Verteilung hin.

Möglicherweise müssen Kriterien gefunden werden, die die Individualität der Beweglichkeit

des Patienten erkennen und entsprechend geringere oder intensivere Beweglichkeitsübungen

erfordern. Die von der American Medical Association (AMA) ermittelten Normwerte der

Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit betragen für die Flexion 60°, die Extension 25° und somit

85° für das Gesamtbewegungsausmaß [27]. Keiner der Probanten erreichte beim

Ausgangsbefund diesen Wert (Range 33° - 82°). Dies sind unterstützende Hinweise auf die

Wichtigkeit von dynamischen Übungen und patientenangepasst Mobilisationen nach einer

mirkochirurgischen Nukleotomie.

Die Lendenwirbelsäule gilt als sehr muskulär geführte Struktur. Die Mm. multifidii haben

einen hohen Einfluss auf die Stabilisation der Lendenwirbelsäule. Diese Muskeln besitzen 4-

6x mehr Muskelspindeln als die oberflächigen Anteile der M. errector trunci [28]. Aufgrund

der anatomischen Lage und der Verspannung der Mm. mulitifidii über 3-4 Segmente kommt

es nur bei Bewegungen der Lendenwirbelsäule zu einer Änderung der Muskellänge.

Page 32: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

25

Nach MacDonald et. al. 2006 ist die tonische Aktivität der tiefen Multifidii bei

Rumpfbewegungen, Haltungen und während des Gehens mit EMG Studien widerlegt. Ein

tonisches Training ist somit ungeeignet um die normale Funktion dieser Muskeln

wiederherzustellen [29]. Rotationsbewegungen scheinen das geeignete Bewegungsmuster zur

Kokontraktion der Rumpfmuskulatur und dem Verbessern der Wirbelsäulenstabilität zu sein.

Außerdem verbessern die motorischen Zentren des zentralen Nervensystems die dynamische

Stabilisierungsfähigkeit der Muskulatur mit besser angepasster Muskelrekrutierung bei

Bewegungen mit Rotationskomponenten [30]. Ob die normale Funktion der Multifidii über

die in der Studie vorgestellten Übungen erreicht wurde, kann nicht beurteilt werden. Es

erscheint aber sinnvoll und ungefährlich, Rotations-, Flexion und Extensionsübungen mit

angepasster Belastung möglichst früh postoperativ durchzuführen.

Page 33: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

26

5. Schlussfolgerung

Eine frühe postoperative Rehabilitation verbessert signifikant Schmerzen, subjektive

Behinderung, objektive Bewegungsmessungen der Lendenwirbelsäule und den FBA.

Aufgrund der geringen Stichprobengröße lässt sich kein Rückschluss auf die Grundgesamtheit

ziehen. Im direkten Vergleich zwischen der SSR und FSR Gruppe gibt es zwar keine

signifikanten Unterschiede, jedoch ist ein positive Tendenz zugunsten der FSR Gruppe

erkennbar. Innerhalb eines Rehabilitationsprogramms ist die patientenangepasste, dynamische

Beübung der Lendenwirbelsäule in Rotation, Flexion und Extension ungefährlich und

verbessert die eingeschränkte Mobilität. Zukünftige Forschungen sollten mit einer größeren

Patientenzahl und einem längeren Follow up zur Beurteilung der Langzeitwirkung

durchgeführt werden.

Page 34: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

27

6. Referenzen

1. Gibson, J.N. and G. Waddell, Surgical interventions for lumbar disc prolapse. Cochrane Database Syst Rev, 2007(2): p. CD001350.

2. Statistisches, Bundesamt Wiesbaden Tiefgegliederte Diagnosedaten der Krankenhauspatientinnen und -patienten 2007.

3. Kast, E., G. Antoniadis, and H.P. Richter, [Epidemiology of disk surgery in Germany]. Zentralbl Neurochir, 2000. 61(1): p. 22 - 5.

4. www.neuro-bodensee.de. Wissen Das so genannte Post Diskotomie Syndrom Alte und neue operative Zugänge und Methoden. [cited.

5. Carragee, E.J., E. Helms, and G.S. O'Sullivan, Are postoperative activity restrictions necessary after posterior lumbar discectomy? A prospective study of outcomes in 50 consecutive cases. Spine (Phila Pa 1976), 1996. 21(16): p. 1893 - 7.

6. Carragee, E.J., et al., Activity restrictions after posterior lumbar discectomy. A prospective study of outcomes in 152 cases with no postoperative restrictions. Spine,

1999. 24(22): p. 2346 - 51.

7. Kahanovitz, N.M., K.R. Viola, and M.M. Gallagher, Long-Term Strength Assessment of Postoperative Diskectomy Patients. [Article]: Spine April

1989;14(4):402-403.

8. Bogduk, N., Klinische Anatomie von Lendenwirbelsäule und Sakrum 1997, Springer Verlag p. Kapitel 15.3 Seite 307.

9. Zöllner, J., J. Heine, and P. Eysel, Der Einfluß einer Nukleotomie auf die biomechanischen Eigenschaften des lumbalen Bewegungssegmentes. Influence of

nucleotomy to biomechanical behavior of lumbar motion segment, 2000. 61(03):

p. 138-142.

10. Berg, F.v.d., Angewandte Physiologie 1 Das Bindegewebe des Bewegungsapperates verstehen und beeinflussen Thieme

1999.

11. Boyle, K.L., P. Witt, and C. Riegger-Krugh, Intrarater and Interrater Reliability of the Beighton and Horan Joint Mobility Index. J Athl Train, 2003. 38(4): p. 281 -

285.

12. Schomacher, J., Gütekriterien der visuellen Analogskala zur Schmerzbewertung. Quality Criteria of the Visual Analogue Scale for Pain Assessment, 2008. 4(03): p.

125-133.

13. Oostendorp, R.A., et al., Continued disability and pain after lumbar disc surgery: the role of cognitive-behavioral factors. Pain, 2006. 123(1-2): p. 45 - 52.

14. Wiesinger, G.F., et al., Cross-cultural adaptation of the Roland-Morris questionnaire for German-speaking patients with low back pain. Spine, 1999.

24(11): p. 1099 - 103.

15. Hsieh, C.Y., J.M. Walker, and K. Gillis, Straight-leg-raising test. Comparison of three instruments. Phys Ther, 1983. 63(9): p. 1429 - 33.

16. Saur, P.M., et al., Lumbar range of motion: reliability and validity of the inclinometer technique in the clinical measurement of trunk flexibility. Spine, 1996.

21(11): p. 1332 - 8.

17. Horre, T., Fingertip floor distance and Schober test -- do these tests meet scientific standards? [German]. Manuelle Therapie, 2004. 8(2): p. 55-65.

18. Prof. Dr. med. J. Fischer, W.D.H.S., Marburg; Dipl.-Soz. M. Schnabel, S. Sewtz,

MPH, Witten Leitline zu medizinischen Rehabilitation für Patientinnen und Patienten im erwerbsfähigen Alter nach lumbaler Bandscheibenoperation (S2) 22.09.2003.

Page 35: Die Rehabilitation nach einer primären mikrochirugischen ......Ausschlusskriterien: Generalisierte Hypermobilitäten Voroperationen an der Lendenwirbelsäule Spondylolisthese Bestehende

28

19. Dolan, P.P., et al., Can Exercise Therapy Improve the Outcome of Microdiscectomy? [Miscellaneous Article]: Spine June 15, 2000;25(12):1523-1532.

20. Manniche, C.M.D., et al., Clinical Trial of Postoperative Dynamic Back Exercises After First Lumbar Discectomy. [Article]: Spine January 1993;18(1):92-97.

21. Danielsen, J.M., et al., Early aggressive exercise for postoperative rehabilitation after discectomy. Spine, 2000. 25(8): p. 1015 - 20.

22. Ostelo, R.W., et al., Rehabilitation following first-time lumbar disc surgery: a systematic review within the framework of the cochrane collaboration. Spine, 2003.

28(3): p. 209 - 18.

23. Yílmaz, F., et al., Efficacy of dynamic lumbar stabilization exercise in lumbar microdiscectomy. J Rehabil Med, 2003. 35(4): p. 163 - 7.

24. Millisdotter, M. and B. Strömqvist, Early neuromuscular customized training after surgery for lumbar disc herniation: a prospective controlled study. Eur Spine J,

2007. 16(1): p. 19 - 26.

25. Ostelo, R.W., et al., Interpreting change scores for pain and functional status in low back pain: towards international consensus regarding minimal important change. Spine, 2008. 33(1): p. 90 - 4.

26. Swinkels, R.A., et al., Psychometric properties of the Tampa Scale for kinesiophobia and the fear-avoidance beliefs questionnaire in acute low back pain. Man Ther, 2003. 8(1): p. 29 - 36.

27. Rondinelli, R., Guides to the Evaluation of Permanent Impairment Sixth Edition 2008.

28. Norris, C.M., Spinal Stabilisation 2. Limiting Factors to End-range Motion in the Lumbar Spine Physiotherapy,

1996. 81

29. Trudelle, P., The lumbar multifidus: does the evidence support clinical beliefs?... [Translated excerpt from original article]: MacDonald DA, Moseley GL, Hodges PW. The lumbar multifidus: does the evidence support clinical beliefs? Manual Therapy. 2006; 11: 254-63. Kinesitherapie Revue, 2008(79): p. 61-62.

30. Kay, A.G., An extensive literature review of the lumbar multifidus: biomechanics. Journal of Manual & Manipulative Therapy, 2001. 9(1): p. 17-39.