die pflegefamilie: laien als sozialarbeiter kann das funktionieren… · 2016. 6. 20. ·...
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13.05.2014
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Christian Erzberger
Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V., Bremen ( )
Die Pflegefamilie:
Laien als Sozialarbeiter – kann das funktionieren?
Eylarduswerk Bad Bentheim-Gildehaus
14.05.2014
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Die Pflegefamilien
Schluss
Gliederung
Notwendige qualitative Standards
Grundlage der Pflegekinderhilfe
Im Vorfeld der Pflege
Der Übergang in die Pflegefamilie
Der Prozess der Begleitung
Das Ende des Pflegeverhältnisses
Übergeordnete Themen (Kooperation)
13.05.2014
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Das Besondere der Pflegekinderhilfe
35000
40000
45000
50000
55000
60000
65000
70000
75000
1991 1995 2000 2005 2007 2008 2009 2010 2011
Heimerziehung und sonstige Wohnformen
Vollzeitpflege in einer anderen Familie
Statistisches Bundesamt (www.destatis.de)
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Entwicklung der Vollzeitpflege in der Bundesrepublik*
13.05.2014
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40004200440046004800500052005400560058006000620064006600680070007200740076007800800082008400860088009000
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Heimerziehung und sonstige Wohnformen
Vollzeitpflege in einer anderen Familie
Statistisches Landesamt Niedersachsen
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Entwicklung der Vollzeitpflege in Niedersachsen (31.12. des jeweiligen Jahres)*
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Verhältnis stationäre Unterbringung (Heim) und Vollzeitpflege
IKO-Vergleichsring, Kennzahlenvergleich 2012
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Profistruktur
Jugendamt
Adressaten
Träger
Initiierung
Kontrolle
Durchführung
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Ambulante Hilfen und stationäre Hilfen nach § 34 SGB VIII
Laienstruktur Profistruktur
Jugendamt
Adressaten
Träger/PKD
Pflegefamilie Durchführung
Initiierung
Kontrolle
Organisation
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Fremdplatzierungen nach § 33 SGB VIII
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gegenseitige Erwartungen (Staat behält das Wächteramt
§ 1 Abs.2 SGB VIII)
gegenseitige Erwartungen
gegenseitige Erwartungen
Gliederung
Struktur der Fremdplatzierungen nach § 33 SGB VIII
Pflegefamilie (Pflegekinder)
Staat Jugendamt (ASD)
leibliche Eltern
PKD Freie Träger
zeitliche Befristung
Professionalisierung Professionalisierung
Pflegefamilie PKD,
Freier Träger
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Strategien des Umgangs mit der Komplexität der Aufgabe
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Diese Hilfeform (…) nimmt eine Sonderstellung im Hilfekatalog nach
§§ 27 ff ein, da sie im privaten Raum einer (anderen) Familie unter
öffentlicher Beteiligung stattfindet und (…) im Wesentlichen durch Personen
erbracht wird, die für diese Aufgabe nicht besonders ausgebildet sind. (Wiesner: Kommentar zum SGB VIII)
Das heißt: Es kann natürlich besondere Professionalisierungsformen
in den Familien geben (Fortbildungen, bestimmte Berufsgruppen als
Pflegepersonen). Der Charakter der Betreuung im Familiensetting
wird damit aber nicht aufgegeben – sondern im Gegenteil bekräftigt.
normale Familien (normal als Kriterium, was in der Gesellschaft an Erziehungsformen zu finden ist)
Professionalität
(Organisationen)
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Leitgedanke
Je weniger leistungsfähig ein Dienst ist, desto stärker
fordert er die Professionalität des privaten Lebens
Je leistungsfähiger ein Dienst ist, desto umfassender
respektiert er das Eigenartige des privaten Lebens
Klaus Wolf: Ringvorlesung „Hilfen zur Erziehung in Vollzeitpflege“ am 29.01.2013 in Hildesheim
Das Besondere der Pflegekinderhilfe
Leitgedanke
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Die Pflegefamilien
Die Pflegefamilien
Strukturen der
Vollzeitpflege 2003
6,3 7,5 7,7
15 15,6 15,8 16,2 17,1 18,520,3
32,9 33,6
49,3
69,1 70,7
78,3
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Sinnvolle Tätigkeit wenn Kinder aus dem Haus
Sind mit dem Kind verwandt
Hat sich aus der Tagespflege entwickelt
Finanzielle Aspekte spielten eine Rolle
Das Jugendamt fragte uns direkt
Unsere religiöse Einstellung spielte bei der Entscheidung eine Rolle
Wurden aufmerksam durch Werbeaktion des Jugendamtes
Wir kannten das Kind (Nachbarschaft, Freunde der Eltern)
Eigenes Kind sollte nicht allein aufwachsen
Über Medien und Presseartikel von der Möglichkeit erfahren
Von Freunden und Nachbarn davon gehört
Wollten eigentlich ein Kind adoptieren
Konnte keine Kinder bekommen
Wollten etwas gesellschaftlich Nützliches tun
Wollten einem Kind einen Heimaufenthalt ersparen
Hatten uns schon länger darüber Gedanken gemacht
704 Nennungen
von 159 Pflegeeltern
Angaben in Prozent
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Die Pflegefamilien
Strukturen der
Vollzeitpflege 2003, 4 Typen
„normale“ Familie
• können häufig keine Kinder bekommen
• Wunsch nach einem Säugling oder Kleinkind
• selektive Wahrnehmung der Informationen zu den Konditionen der Pflegekinderhilfe
• alle Anforderungen werden als Störung empfunden
„späte“ Familie
• eigene Kinder sind aus dem Haus (Empty-Nest-Phase)
• eher interessiert an älteren Kindern
• Übernahme von sozialer Verantwortung
„bekannte“ Familie
• kennen das spätere Pflegekind bereits
• zum Teil Pädagogen, die mit dem Kind schon gearbeitet haben
• der Wunsch richtet sich an ein bestimmtes Kind
„job“ Familie
• Distanz zum Pflegekind
• auch finanzielle Motive
• eigene Wahrnehmung als Profis – Angebote zur Fortbildung werden abgelehnt
• eher extrinsisch als intrinsisch motiviert
Notwendige qualitative Standards
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Bereiche /Phasen Details Übergeordnet
Grundlage * Angebot (Pflegearten)
* Fachkompetenz
* Kooperationsfähigkeit
* Dokumentation
* Ausstattung
Vorfeld
* Akquise
* Auswahl/ Eignung
* Vorbereitung
Übergang * Vermittlung
* Anbahnung
Prozess
* Arbeit mit Pflegeeltern
* Arbeit mit Herkunftseltern
* Arbeit mit dem Pflegekind
Ende * Beendigung
* Übergang
Qualitative Standards in der Pflegekinderhilfe
Übersicht
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Qualitative Standards in der Pflegekinderhilfe
Grundlage
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„Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter
und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und
seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der
Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie
Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich
befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform
bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und
Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen
und auszubauen.“
Grundlage
§ 33 SGB VIII
Grundlage
Angebote der Vollzeitpflege (Pflegeformen)
Zeitlich befristete Vollzeitpflege
Kurzzeitpflege
Bereitschaftspflege
befristete Vollzeitpflege mit Rückkehroption
Weitere Pflegeformen
Großeltern- und Verwandtenpflege
Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern
Pflegefamilien für Kinder mit Migrationshintergrund
Auf Dauer angelegte Vollzeitpflege
Allgemeine Vollzeitpflege
Sozialpädagogische Vollzeitpflege
Sonderpädagogische Vollzeitpflege
Differenzierte Beschreibung der Formen:
Art des Angebotes
Allgemeine Zielsetzung
Typische Fallkonstellationen
Inhalte der Leistung
Qualifizierungs- und Kooperationsverpflichtungen der Pflegefamilie
Erziehung und sozialpädagogische Betreuung
Unterkunft und Raumkonzept
Verpflegung
Persönliche und familiäre Voraussetzungen
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Prozess
… die Information der Pflegeeltern über das je aktuelle Wissen der Fachkräfte
über die Vorgeschichte des Kindes und seine früheren Umfeldbeziehungen
sowie über besondere Ereignisse in der Herkunftsfamilie, soweit für die
Gestaltung der Pflegeeltern-Pflegekind-Beziehung von Bedeutung,
… die Beratung der Pflegeeltern in pädagogischen Fragen, insbesondere auch im Umgang mit
„Verhaltensstörungen“ und anderen ungewöhnlichen Verhaltensweisen des Pflegekindes,
… die Beratung der Pflegeeltern in Fragen der Umfeldgestaltung für das Kind, z. B.
Beschulung, Berufsvorbereitung, Freizeitaktivitäten, besondere Unterstützungsformen für
Pflegekinder,
... die Beratung bzw. das „Management“ von notwendigen zusätzlichen Hilfen für das Kind,
z. B. Diagnose- und Therapieeinrichtungen, medizinische Versorgung,
... die Unterstützung der Pflegeeltern bei der Gestaltung von Umgangskontakten des Kindes
mit der Herkunftsfamilie,
... die Anregung und ggf. die unterstützende Organisation von Selbsthilfeaktivitäten der
Pflegeeltern und die Arbeit mit Pflegeeltern in Pflegeelterngruppen,
... die emotionale und ggf. institutionelle Unterstützung der Pflegeeltern in Krisensituationen
und in Situationen von Überforderung, Unsicherheit und Verzweiflung,
... die Unterstützung der Pflegeeltern in Fragen des Arrangements ihrer Behördenkontakte
(Anträge, Pflegegeld- und Versicherungsfragen, Hilfeplanung),
... die Beratung in Fragen der Beendigung des Pflegeverhältnisses
Prozess
Arbeit mit den Pflegeeltern erstreckt sich auf….
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Dreiecksverhältnis von Eltern, Pflegeeltern und Kind:
Einbeziehung der Herkunftseltern in das Pflegeverhältnis. In der Regel
geht es bei dieser Arbeit um Umgangs- und Besuchskontakte.
Arbeiten in der Zeit der Abwesenheit der Kinder:
Erweiterung der erzieherischen Kompetenzen und einer Re-Organisierung
des Alltags. In der Regel geht es hier um die Vorbereitung einer Rückführung.
Rolle der Eltern nach einer Herausnahme:
Verarbeitung der Trennung und des Verlustes. In der Regel geht es um die
Entwicklung von Perspektiven für ein Leben ohne Kind und um die unterstützende
Akzeptanz für den neuen Lebensort des Kindes.
Elternarbeit
Elternunterstützung
Arbeit mit „Eltern ohne Kind“
Prozess
Drei Formen der Arbeit mit den Herkunftseltern
…um die Auseinandersetzung mit dem Status „Pflegekind“ und die sich aus
ihm ergebenden Konsequenzen für Interaktion, Selbstbild und Identitätsbildung,
…um die Auseinandersetzung mit und die Integration der Vergangenheit in das
Selbstbild, um die Verknüpfung mit der Gegenwart und die Bewahrung von
Kontinuität auch in die Zukunft hinein,
…um die Bearbeitung von Loyalitätskonflikten und die Entwicklung eines
geklärten Verhältnisses zu den „zwei Familien“,
…um die Auseinandersetzung mit Alltagsproblemen, mit akuten Konflikten,
Ambivalenzen, und Zukunftsängsten.
…um einen eigenen Zugang zum Kind im Sinne einer „Beschwerdestelle“
Prozess
Themenbereiche für die Arbeit mit den Pflegekindern. Es geht…
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Kooperation
Übergeordnet
Übergeordnet
Kooperation PKD – ASD, Vorurteile
PKD: Was glaube ich, denkt der ASD über uns?
* wir brauchen zu lange
* wir sind zu anstrengend
* wir wollen zu viel wissen
* wir sind kompliziert (unser Verfahren)
* wir wollen zu viel Einfluss nehmen
* wir haben nur die Pflegefamilien im Blick
* wir sind der Herkunftsfamilie gegenüber nicht offen
* wir sind nicht Effektiv bei den Vermittlungen
* wir zeigen zu wenig Bereitschaft und Flexibilität hinsichtlich schneller Vermittlungen
* wir verursachen zu hohen Arbeitsaufwand
* wir bedienen nur Pflegeeltern, die nur auf das Geld aus sind
* wir wollen mitunter zu viele Hilfen für die Pflegeeltern
* wir lassen uns nichts sagen
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Übergeordnet
Kooperation PKD – ASD, Vorurteile
ASD: Was denken wir über den PKD?
* die sind zu pingelig
* die bevorzugen die Pflegekinder gegenüber Heimkindern
* die sind zu langsam
* die sind ablehnend
* die machen eine nachgehende Diagnostik, stellen damit Einschätzungen des ASD in Frage
* die schützen ihre Pflegeeltern und übersehen ihre Defizite
* die wissen „immer“ was für das Kind das Richtige ist.
* die mischen sich durch Auftreten als Vertreter der Kinder (z.B. Umgangsregelungen) sowohl positiv wie
negativ ein.
* die schützen die Pflegeeltern
* die haben nur selten die Familien, zu denen es Anfragen gibt
* die halten sich für etwas „Besseres“
* die stellen trotz des Fragebogens immer noch weitere Fragen an die Familien
* demonstrieren Macht gegenüber ASD
* sie wollen zusammen mit den Pflegeeltern die Herkunftseltern „ausbooten“.
* hinter deren Angeboten steht nichts
* die haben zu hohe theoretische Ansprüche
* die haben Probleme ihre Rolle wahrzunehmen (die wollen den Fall steuern)
* die machen uns Arbeit
Übergeordnet
Zusammenfassung der (Vor)Urteile
Augenhöhe:
Hier geht es um den Eindruck, dass es keine Gleichberechtigung
zwischen den beiden Gruppen (ASD/PKD) gibt. Der ASD hat den
Eindruck, dass der PKD eine Sonderstellung mit Sonderbedingungen
haben möchte – der PKD hat den Eindruck, dass die hier geleistete Arbeit
nicht anerkannt wird (wer kommt eigentlich zu wem zum Gespräch?).
Parteilichkeit
Jenseits davon, dass jeder Bereich natürlich nur am Wohl des Kindes
interessiert ist, herrscht gegenseitig die Annahme vor, es stünde für den
ASD die Herkunftsfamilie im Vordergrund und für den PKD die
Pflegefamilie. Die „Schutzvorstellung“ beziehe sich nicht auf das Kind,
sondern auf die jeweilige Familie.
Information
In diesem Komplex geht es einerseits um ein Verlangen nach zu viel
Information (Vorwurf ASD an PKD) und andererseits um ein
Informationsdefizit (Vorwurf PKD an ASD).
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Verlust des Kindes
wo kommt mein Kind hin
Besuchskontakte
Perspektive
HF
Kind schnell unterbringen
Planung
vorhandene Vorstellungen
bereits getroffene Entscheidungen
ASD
„richtige“ Pflegeeltern
finden von Pflegeeltern
ausreichende Informationen
Perspektive des Pflegekindes
PKD
Unsicherheit
leibliche Eltern
organisatorische Fragen
Art der Beeinträchtigungen
PE
Übergeordnet
Pflegekinderhilfe als Übersetzer, Vermittler, Gestalter
Schluss
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Schluss
Warum habe ich Ihnen das erzählt?
Je leistungsfähiger ein Dienst ist, desto umfassender
respektiert er das Eigenartige des privaten Lebens
Laien in quasi sozialarbeiterischer Tätigkeit:
Ja, das kann sehr gut funktionieren – wenn die Bedingungen stimmen!
Schluss
Projekte und Standards
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Christian Erzberger
Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V., Bremen ( )
Die Pflegefamilie:
Laien als Sozialarbeiter – kann das funktionieren?
Eylarduswerk Bad Bentheim-Gildehaus
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