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Die Chemie, Biochemie, 11. Jahrpng Nahrung Mikrobiologie, Technologie 1967 Hdt 1 Aus dem Rega Institute for Medical Research in Leuven (Belgien) Die Membranverdauung der Stiirke 4. Mitt. Der EinffuB der GrMe der intestinalen Schleimhaut atlf die Membranverdauungl P. DE LAEY DK 612.396.111:612.332 Stiirke, Darmverdauung EinfluD der GrBDe der Darmschleimhaut Die Wirksamkeit der Membranverdauung hangt von deren Lage ab. Der Membran- effekt ist im proximalen Teil des Danndarms ausgepriigter als im distalen. Da die Ver- dauungsaktivitZit eine Funktim der Intestinaloberflkhe ist, beobachtet man eine h e a r e Abhhgigkeit zwiscben der Membranverdauung und'dem Gewicht der perfun- dierten Muccwa Jeder degenerative ProzeB, der m einer Entartung der Mucosa- OberfltLChe ftlhrt. verringert die Wiksahit der Membramrerdauung. In Gegenwart einer hypertonischen Natriumchlorid-Konzentration beobachtet man eke Abschilfe rung der Schleimhautoberflkhe. Unter diesen Bedingungen ist die Wirksamkeit der Membranverdauung signifikant erniedrigt. Erne Hungerperiode von 24-48 h bewirkt einen Anstieg der Amylasemenge bei Verrfngerung der Empfmdlichkeit der Membran- verdauuug. Nach 24 h findet man eine tefiweise Abschiiferung der Intestinsloberflilche mit einer folgenden Erniedrigung der Membranverdauung. Die pathologischcn Folge- rungen dieser Resultate werden 4r den Fall einer Lactoseintoleranz edrtert. Die reversible Ad- and Desorption der Enzyme auf der intestinalen Mucosa, die einen wichtigen Schritt im Mechanismus der intestinalen Verdauung dar- stellen, h d e m sich nicht nur in Abhttngigkeit von der Zusammensetzung des Chymus (Mitt. z u. 3). sondem sk miissen auch von den speziellen funktionellen Stellen des Intestinalepithels erheblich beeinfldt werden. Wie die Adsorptionskinetik von den freien Adsorptionsorten abhiingig ist, so konnte die Membranverdauung durch die GrBDe der adsorbierenden Oberflache reguliert werden. Nach Sttirkeperfusion von verschiedenen Segmenten des Rattendiinndarms haben JESUITOVA u. a. [I] eine hbhere Membranverdauung der Starke in proximalen als in distalen Teilen des Dilnndarms festgestellt. Die 3. Mitt. Nahrung 10, 655 (1966). I DieNahmng, XI. Jhg., Heft I

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Die Chemie, Biochemie,

11. Jahrpng

Nahrung Mikrobiologie, Technologie

1967 Hdt 1

Aus dem Rega Institute for Medical Research in Leuven (Belgien)

Die Membranverdauung der Stiirke 4. Mitt. Der EinffuB der GrMe der intestinalen Schleimhaut

atlf die Membranverdauungl

P. DE LAEY

DK 612.396.111:612.332 Stiirke, Darmverdauung EinfluD der GrBDe der Darmschleimhaut

Die Wirksamkeit der Membranverdauung hangt von deren Lage ab. Der Membran- effekt ist im proximalen Teil des Danndarms ausgepriigter als im distalen. Da die Ver- dauungsaktivitZit eine Funktim der Intestinaloberflkhe ist, beobachtet man eine h e a r e Abhhgigkeit zwiscben der Membranverdauung und'dem Gewicht der perfun- dierten Muccwa Jeder degenerative ProzeB, der m einer Entartung der Mucosa- OberfltLChe ftlhrt. verringert die Wiksahit der Membramrerdauung. In Gegenwart einer hypertonischen Natriumchlorid-Konzentration beobachtet man eke Abschilfe rung der Schleimhautoberflkhe. Unter diesen Bedingungen ist die Wirksamkeit der Membranverdauung signifikant erniedrigt. Erne Hungerperiode von 24-48 h bewirkt einen Anstieg der Amylasemenge bei Verrfngerung der Empfmdlichkeit der Membran- verdauuug. Nach 24 h findet man eine tefiweise Abschiiferung der Intestinsloberflilche mit einer folgenden Erniedrigung der Membranverdauung. Die pathologischcn Folge- rungen dieser Resultate werden 4 r den Fall einer Lactoseintoleranz edrtert.

Die reversible Ad- and Desorption der Enzyme auf der intestinalen Mucosa, die einen wichtigen Schritt im Mechanismus der intestinalen Verdauung dar- stellen, h d e m sich nicht nur in Abhttngigkeit von der Zusammensetzung des Chymus (Mitt. z u. 3). sondem s k miissen auch von den speziellen funktionellen Stellen des Intestinalepithels erheblich beeinfldt werden.

Wie die Adsorptionskinetik von den freien Adsorptionsorten abhiingig ist, so konnte die Membranverdauung durch die GrBDe der adsorbierenden Oberflache reguliert werden. Nach Sttirkeperfusion von verschiedenen Segmenten des Rattendiinndarms haben JESUITOVA u. a. [I] eine hbhere Membranverdauung der Starke in proximalen als in distalen Teilen des Dilnndarms festgestellt. Die

3. Mitt. Nahrung 10, 655 (1966). I DieNahmng, XI. Jhg., Heft I

2 DE LAEY

Lipase-Aktivitat zeigte die analoge Verteilung ( JESUITOVA u. a. [z ] ) . Die stufen weisen Aktivitatsinderungen konnen durch einen proximal-distalen Ober- flachengradienten erklart werden. Die Verminderung der Zweigestaltigkeit der Membranverdauung beim Alter der Ratten zeigt eine gewisse Ahnlichkeit mit der parallel erfolgenden Abflachung der Schleimhaut des Rattendunndanns (DE LAEY [3]). Jeder degenerative ProzeB, der die Darmoberflache zu redu- zieren vermag, diirfte also eine Erniedrigung der Membranverdauung verur- sachen. Bei den hier vorgelegten Versuchen haben wir die Intensitat der Mem- branverdauung der Starke im Vergleich mit der Oberflache des Darmes be- stimmt .

Methode

Die Perfusionen erfolgen an mannlichen Wistar-Ratten; die ,,in vivo"- und die ,,in vitro'l- Verdauung der Starke sowie die enzymatischen GroBen des Mucosahoniogenats werden gemaB den Angaben der I. Mitt. bestimmt.

Ergebmisse und Diskzcssion I . Die Membranverdauung als F w k t i o n der adsorbierendem Oberflache

des Diinndarms

Nach Durchfiihrung der verschiedenen Perfusionen wird eine signifikante individuelle Variation des frischen Gewichtes der abgeschabten Mucosa fur ein konstantes Diinndarm-Volumen festgestellt. Es wird eine lineare Korrelation zwischen der ,,in vivo"-Aktivitat und den Gewichten der perfundierten Mucosa ermittelt (Abb. I). Das in vivo/in vitro-Verhaltnis vermehrt sich bei allen Rat- ten mit dem Korpergewicht von 88 bis 165 g parallel zum frischen Gewicht der Mucosa; bei alteren Ratten bleibt dieser Koeffizient bei allen Mucosagewichten konstant .

Diese Ergebnisse zeigen deutlich, daB sich fur Ratten mit einer normalen, d. h. gesunden Schleimhaut die Membrandigestion mit zunehmender GroBe der Darmoberflache verstiirkt.

2. Membramverdazcung zcmd fiathologische Veramderumg des Imtestinalepithels Einj1.P der Iomem-Konzentration des Perfzcsats

Perfusionen mit 0,15%iger Starkelosung in verschiedenen Konzentrationen von Natriumchlorid werden an einer homogenen Gruppe von 20 Ratten durch- gefuhrt. Abb. 2 stellt die ,,in viva"- und ,,in vitro"-Starkeverdauung in Ab- hangigkeit von der Natriumchlorid-Konzentration dar. Eine signifikante (P < 0,001) Erniedrigung des Amylase-Gehalts im Perfusat (in vitro-Aktivitat) wird parallel zur Erhohung der Ionenkonzentration des Perfusats festgestellt. Die Membranverdauung laBt ein Maximum zwischen 0,77 - I O - ~ und 1,54 . I O - ~ m-Natriumchlorid erkennen ; sie erniedrigt sich bei hoheren Werten der Konzen- tration. Die maximale Aktivitat der ,,in vivo"-Starkeverdauung stimmt mit der Chlorion-Aktivierung bei der kristallisierten menschlichen Speichel-Amylase uberein. FISHER und STEIN [4] haben die maximale Reaktionsgeschwindigkeit

Membranverdauung der Starke. IV 3

der Amylase in Gegenwart von I O - ~ m-Natriumchlorid bestimmt ; sie stellen cine nur schwache Verminderung der Amylase-Aktivitat bei hoheren Natrium- chlorid-Konzentrationen fest. Da sich in diesem Konzentrationsbereich (13 . 10-2 m) der Amylasegehalt des Perfusats nicht andert und die ,,in vivo"-

roo ww 1000 mg Mucosa/mf Darnribha#

Abb. I. Korrelation zwischen ,,in viv0"- und .,in vitro"-Aktivit&t der St%rke-Verdauung, ermittelt an den Gewichten der perfusierten Mucosa fer ein konstantes Dilnndarm-Volumen.

0- o = in vivo; 0- - - 0 = in vitro

4

0 i I . +4.10"4 6,16170'2a

Q77W-2m J08.70-2m

Abb. 2 . ,,In viva"- und ,,in vitro'l-Starke-Verdauung in Abhtlngigkeit von der Konzentration des Natriumchlorids im Perfusat. Verdauungsaktivitiit nach 5 min der Perfusion in mg

Starke/ml/min ftir F = I

F- 0 = in vivo; 0 - - -0- in vitro

I*

4 DP, LAEY

Aktivitat signifikant abschwacht, konnte dieser Abfall erklart werden durch a) eine erhohte Desorption der adsorbierten Amylase ; b) eine partielle Destruktion der adsorbierenden Oberflache, wodurch dieselbe verkleinert wurde und damit weniger Amylase als sonst adsorbieren konnte.

Bei der Bestimmung der enzymatischen Aktivitat des Mucosa-Homogenats nach 20 min der Perfusion mit verschiedenen Losungen von Natriumchlorid haben wir eine signifikante Abschilferung der EpitheloberflHche festgestellt, und zwar nach Perfusion mit den hypertonischen Losungen (Tab. I).

Tabelle I

Analyse des Mucosa-Homogenats nach I h der Perfusion mit 0,15%iger Starkel6sung bei verschiedenen Konzentrationen von Natriumchlorid ;

jeder Wert ist das Mittel von je 3 Bestimmungen an 4 Ratten (N = 12) __ ~~~~

I Konzentration des Natriumchlorids im Perfusat I

Anorganischer Phosphor [mg/g Gewebej Alkalische Phosphatase [K.A.E./g Gewebe] Maltase [mg red. Zucker/g Gewebe] Invertase [mg red. Zuckerlg Gewebe]

* Statistisch signifikante Unterschiede (P < 0,001) zw+chen je 2 der unterstrichenen Werte.

TRIER u. a. [5] haben elektronenmikroskopisch festgestellt, daB hypertonische Natriumchlorid-Losungen (0,3 bis 0,6 m) die Schleimhautzellen verengen und die Mikrovilli zerstoren konnen. Unsere Ergebnisse haben unter gleichen Be- dingungen eine bedeutende Abschilferung der Schleimhautoberflache ergeben, wodurch die Zweigestaltigkeit der Membranverdauung vermindert wird.

Einflub des Hungerzustandes

Versuche uber den EinfluB einer Hungerperiode von 24 bis 48 h auf die Ver- dauung der Starke zeigen, daB die ,,in vivo"-Aktivitat sich etwas abschwacht wiihrend der Amylase-Gehalt im Perfusat beim Hungern sich signifikant er- hoht (Abb. 3).

Obgleich eine histologische Abschilferung der .Epitheloberflache nicht zu vermuten ist, wird die enzymatische Aktivitat und der Phosphatgehalt des Mu- cosahomogenats nach 24 und 48 h des Hungerns signifikant vermindert (Tab. 2).

Diese beobachtete Destruktion des $chleimhautepithels im Hungerzustand wird vermutlich die Ursache fur das Absinken der ,,in vivo"-Verdauung sein, die durch die erhohte pankreatische Sekretion kompensiert wiirde.

Nembranverdauung der Starke. IV 5

Gesamt-Protein [mg/g Gewebe] Anorganisches Phosphat (mg/g Gewebe]

Tabelle z EinfluB einer Hungerperiode auf das Mucosa-Homogenat des Ratten-Jejunums;

jeder Wert ist das Mittel von je 3 Bestimmungen an 4 Ratten (N = 12)

180 2=:.,8 1 **:,*o o,zg* - _ _

I - Invertase [mg red. Zuckerlg Gewebe] 533 0.3

* Statistisch signifikante Unterschiede {P < 0,001) zwischen je 2 der unter- strichenen Werte.

i / / / I

0 24 49 liungeperhte . [h]

Abb. 3. ,,In vivo"- und ,,in vitro"-St&ke-Verdauung; EinfluS einer Hungerperiode. \'erdauungsaktiviYat nach 5 min der Perfusion in mg Stiirke/ml/min Mr F = I.

0- 0 = in vivo; 0 - - -0 = in vitro

3. Zur Pathdogie der Membanverdatmng der Starkc

In der Kinderklinik der Staatsuniversitat zu Gent haben wir einem jungeren subtotal gastrorectomierten (BILLROTH [2]) Patienten mit Lactose- und St&ke- intoleranz beobachtet (HOOFT u. a. [6]f. Die Amylase-Adsorptionskapazitat ist anhand einer Diinndarmbiopsie als vermindert befunden und eine subtotale Villiatrophie fes tgestellt worden.

1962 haben wir bei einem anderen Fall ein Madchen mit fermentativer Di- arrhoe beobachtet. Die Faeces dieses Kindes enthielten 30 g Fett124 h und 385 mg Milchsaure (normale Werte bis 6 g Fett und 52 f 10 mg Milchsaure). Nach 3 Monaten einer glutenfreien Diat sind diese Werte auf 12 g Fett und

6 DE LAEY

103 mg Milclisaure abgefallen; dies stimmt mit dem Fett- und Milchsaureverlust eines unbehandelten Coeliakie-Patienten iiberein. Durch eine orale Belastung mit 50 g Starke sind die Steatorrhoe bis auf 22 g/z4 h und der Milchsaurespiegel der Faeces von 103 auf 370 mg/z4 h angestiegen. Eine Lactose-Belastung ergibt den gleichen Anstieg, wahrend orale Belastungen mit Glucose, Maltose und Saccharose keine Veranderung zeigen. Weder Lactose noch Starke haben einen hyperglykaemischen Anstieg verursacht. Duodenale.1nkubationen haben eine normale Amylase-Aktivitat (200 mg Maltose/ml/min) erkennen lassen. Die Diinndarmbiopsie zeigt eine subtotale Villiatrophie bei normaler Invertase- und Maltase-Aktivitat (12 bzw. 34 ,umol/min/mg EiweiB), aber eine erniedrigte Lactase-Aktivitat .

Die Amylase-Adsorption auf dem Schleimhautepithel war sehr schwach; die maximale Hydrolyse betragt 0,42 bis 03 mg Starke/min/mg Gewebe-Eiweil3 (normale Werte: 20 bis 35 mg Starke/min/mg Gewebe-EiweiB) ; Methode nach HOOFT u. a. [6].

S u m m a r y

P. DE LAEY: Membrane digestion of starch. Part 4. Influence of the mucosal architecture on the membrane digestion

The efficiency of the membrane digestion depends upon its localisation. Membrane effects were much more pronounced in proximal parts of the gut, where the surface area is bigger than in distal parts.

When the digestion activities are drawn in function of the intestinal surface (calculated as weight for a given volume), we observed a linear correlation between the membrane digestion and the weight of the perfused gut segment.

Each degenerative process which causes a deterioration of the mucosal surface will diminish the efficiency of the membrane digestion. I . In the presence of hypertonic sodiumchloride concentration, a desquamation of the in- testinal surface is observed. In the same conditions the efficiency of the membrane digestion is significantly lowered. 2 . Fasting periods of 24 to 48 h induced an increase of the amylase output and diminish sen- sibly the membrane digestion. After 24 h starvation a partial desquamation of the intestinal surface is observed with a subsequent lowering of the membrane digestion.

The pathological implication of these results are discussed in a case of lactose intolerance with subtotal villi atrophy.

Membranverdauung der Starke. IV 7

CTBa aMHJIa3bl lIpH CHEZRHHH 9YgCTBHTeJIbH03TH YCBOeHMFI Y e p e a M e M 6 p a H y . Il[O

IlOBepXHOCTH C IIOCJIeAyZOWHM CHH)KeHBeM YCBOeHHIf Y e p e a M e M 6 p a H y . O ~ C Y H E - ZaIOTCIf IlaTOJIOrRYeCKHe CJIeACTBRR 3TMX pe3yJIbTaTOB &JIfi CJIyYaR JlaKTO3HOM MHTOJlePaHTHOCTM.

R c T e Y e H m 24 YaCOB na6.moqae~cs Y a c T H w o e ruenyrrreme n H T e c T m a m H o h

L i t e r a t u r

i11 . . > JESUITOVA, N. N., A.M. UCOLEVU. I . N. FEDVUSHINA, Dokl. Akad. Nauk, SSSR, 149, 746

Czj JESUITOVA, N. N., N. M. TIMOFEEVA, 0. K. KOLDOVSKII, Ya. Ya. NURKS u. A. M. UGOLEV, Dokl. Akad. Nauk, SSSR, 154, 990 (1964).

[3j DE LAEY, P., Nature [London], 212, 78 (1966). [4j FISHER, E. H., u. E. A. STEIN, zit. nach R. D. BOYER, H.LARDY u. K. MYRBACK: The

3 1 HOOFT, C., J. VAN HAUWAERT, P. DE LAEY u. K. ADRIAENSSENS, Helv. Paed. Acta 18,

(1963).

Enzymes, lro1. 4. S. 336, Academic Press, New York 1960.

502 (1963).

Dr. P. DE LAEY, Rega Institute for Medical Research, Leuven (Belgien)

Eingegangen 8.6. 1966.