die lage ehemaliger sklaven in den usa

28
Sklaverei und soziale Lage der schwarzen Bevölkerung Wirtschafts- und Sozialgeschichte DDr. Michael Pammer Sommersemester 2010 Christian Hartl Matrikelnummer: 0327020 Studienkennzahl: 066 930 Seite 1/28

Upload: christian-hartl

Post on 24-Jun-2015

826 views

Category:

Documents


4 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

Sklaverei und soziale Lage der schwarzen Bevölkerung

Wirtschafts- und Sozialgeschichte

DDr. Michael Pammer

Sommersemester 2010

Christian Hartl

Matrikelnummer: 0327020

Studienkennzahl: 066 930

Seite 1/28

Page 2: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung Seite 1

2. Geschichte der Afroamerikaner Seite 4

2.1. Geschichte der Sklaverei Seite 4

2.2. Wirtschaftlichkeit der Sklaverei Seite 7

2.2. Das Ende der Sklaverei und Emanzipation der schwarzen

Bevölkerung Seite 10

2.2.1 Der gewaltlose Widerstand Seite 11

2.2.2. Die Black-Power-Bewegung Seite 12

3. Politisches System der USA Seite 14

3.1. Integrationspolitik Seite 14

3.2. Affirmative Action Seite 14

3.3. Rassismustendenzen Seite 15

4. Statistik der Bevölkerung in den USA Seite 17

4.1. Die Lage der Schwarzen in den USA Seite 19

4.1.1 Soziografie und gesellschaftlicher Aufstieg Seite 21

5. Lage der Nachfahren ehemaliger Sklaven Seite 23

5.1 Gibt es eine “Altlast” der Nachfahren ehemaliger Sklaven Seite 24

6. Bibliografie Seite 25

Seite 2/28

Page 3: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

1. Einleitung

Nicht nur die geografische Größe ist bezeichnend für die Vereinigten Staaten

von Amerika. Auch hinsichtlich der kulturellen Vielfalt der Einwohner ist das

Land am gesamten Erdball vielleicht einzigartig. Schwarze und weiße

Einwanderer, südamerikanisch stämmige Migranten, Menschen asiatischer

Herkunft und auch die Ureinwohner Amerikas leben im Land der

“unbegrenzten Möglichkeiten” anscheinend Tür an Tür. Dass 2008 mit Barack

Obama auch der erste schwarze Präsident ins weiße Haus einzog, lässt

vermuten, dass die sogenannte Multikulturalität in den USA funktioniert. Den

Grund dafür sehen viele Beobachter in der Tradition der USA als

Einwanderungsland. Seit seiner Entdeckung zog es immer wieder tollkühne

Abenteurer, Aussteiger oder gar politische Flüchtlinge aus allen Teilen der

Erde an, die das Land besiedelten. Der Mythos des amerikanischen Traums,

im welchen es jedem Individuum - egal welcher Herkunft - möglich ist in den

USA den uneingeschränkten sozialen Aufstieg zu machen, rührt

wahrscheinlich aus dieser Tradition. Auch die Tatsache, dass die USA mit

ihrer Unabhängigkeitserklärung zur ersten funktionierenden Demokratie der

aufgeklärten Welt wurden, soll die angebliche Chancengleichheit in den

Mittelpunkt rücken.

Dennoch gab es viele Menschen, die unfreiwillig in die USA emigrierten. In

der Zeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren es die abertausenden

schwarzen Sklaven, die aus Afrika “importiert” worden sind und auf den

Plantagen der weißen Farmer zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Die

Sklaverei wurde mit dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges verboten

und die afrikanisch-stämmige Bevölkerung zu Bürgern der Vereinigten

Staaten erklärt. Dennoch müssen die schwarzen Amerikaner - teilweise heute

noch - mit rassistisch motivierten Diskriminierungen leben. Diese Arbeit

beschäftigt sich mit der Frage, ob die Lebensbedingungen der schwarzen

Bevölkerung in den USA ein unmittelbares Erbe der Sklaverei sind und wie

diese Behauptung empirisch belegt werden kann.

Seite 3/28

Page 4: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

2. Geschichte der Afroamerikaner

Wer sich mit der Geschichte des schwarzen Amerikas beschäftigt, wird

schnell feststellen, dass die Einwanderung von Menschen afrikanischen

Ursprungs zum größten Teil nicht auf Freiwilligkeit basierte. Die meisten von

ihnen wurden in den europäischen Kolonien gefangen genommen und als

Sklaven in die Vereinigten Staaten importiert, wo sie zum größten Teil in den

Plantagen der Südstaaten als rechtlose Arbeitssklaven im Einsatz waren.

Deshalb beschreiben Brandes und Burke die Geschichte des schwarzen

Amerikas auch als „Geschichte der gewaltsamen Unterwerfung einer farbigen

Minderheit und ihres Widerstandes in einer vom Rassismus gezeichneten

weißen Gesellschaft.“ (Brandes, Burke 1970, S. 13)

2.1 Geschichte der Sklaverei

Quelle: www.flickr.com.Etwa 3,9 Millionen Sklaven wurden im Jahr 1860 in den USA registriert. Der Großteil davon arbeitete auf den Baumwollplantagen der agrarisch strukturierten Südstaaten. Sie galten nicht als Menschen, sondern waren offiziell als Ware deklariert. (vgl. Brandes, Burke 1970, S. 18f)

Seite 4/28

Page 5: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

Ungefähr 15 Millionen Schwarze wurden seit dem frühen 16. Jahrhundert

(1501 erlaubte Spanien die Einfuhr von Sklaven in das von Kolumbus

entdeckte Amerika) aus ihrer Heimat deportiert und als gesetz- und rechtlose

Arbeitskräfte eingesetzt. Zu Beginn der Sklaverei waren es vor allem

Südamerika und die Karibik, wo die ihn ihrer Heimat gefangengenommenen

Afrikaner – sie galten offiziell als „Ware“ – im Einsatz waren. Ebenso viele

Schwarze - 15 Millionen - sind im selben Zeitraum durch den „Sklavenhandel“

bereits in Afrika verstorben oder kamen auf dem Handelsweg in die neue Welt

durch menschenunwürdige und grausamste Misshandlungen ums Leben.

(vgl. ebenda, S. 14 - 18)

Die Geschichte der Sklaverei in den USA datieren Burke und Brandes auf das

Jahr 1619. In diesem Jahr legte ein holländisches Segelschiff mit

afrikanischen Arbeitskräften in Jamestown, Virgina an. Obwohl sie noch keine

Sklaven waren, und wie viele europäische Einwanderer zu dieser Zeit auch

durch einen Vertrag für eine bestimmte Zeit in der neuen Heimat

arbeitsverpflichtet waren. Sehr schnell aber erkannten die dortigen

Plantagenbesitzer die Vorteile eines Sklaven gegenüber den

dienstverpflichteten Arbeitern, die nach fünf bis zehn Jahre die Freiheit

gewannen. (ebenda, S. 15) Es waren vor allem ökonomische Faktoren, die

das Halten von Sklaven – vor allem in den landwirtschaftlich dominierten

Südstaaten – rentabel machten. Die Sklaven waren Eigentum ihres Besitzers

und diesem sozusagen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie galten – wie

oben erwähnt – als Ware und durften jederzeit verkauft werden. Lediglich

„besondere Gesetze (Slave Codes) und die „Moral“ des Südens legten den

Status der Sklaven fest.“ (Brandes, Burke 1970, S. 19)

„Farbige Familien durften auseinandergerissen werden, schwarze Frauen von ihrem Herrn vergewaltigt, Kinder von ihren Eltern genommen und Ehen verboten oder aufgelöst werden. Die Sklaven wurden gezwungen, ihre afrikanische Kultur und Sprache aufzugeben und daran gehindert die Kultur ihrer Herren zu übernehmen. Lesen und schreiben war ihnen im allgemeinen streng untersagt.“ (ebenda)

Die „Slave Codes“ legten beispielsweise fest, dass der Tod eines Sklaven als

Resultat körperlicher Züchtigung durch den Herrn oder Aufseher kein

Verbrechen war, da aufsässige Sklaven nur mit Gewalt beherrscht werden

Seite 5/28

Page 6: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

könnten. (vgl. ebenda) Gerechtfertigt wurde die Praxis der Sklaverei mit

einem ökonomisch und religiös gerechtfertigten Rassismus. (vgl. Kapitel 3.2.)

Im industriell dominierten Norden setzte sich die Sklaverei nicht durch. Das

lag vor allem daran, dass die im Norden ansässigen Industriebetriebe den

Süden als Quelle für Rohstoffe sahen. Das Argument, dass die Abschaffung

der Sklaverei niedrigere Baumwollpreise ermöglichen würde und die Kaufkraft

des Südens erhöhen würde wurde von den Industrien des Nordens immer

wieder in Verbindung gebracht. Die Sklavenfrage führte schlussendlich zum

amerikanischen Bürgerkrieg (1861 – 1865), der mit dem Sieg der Nordstaaten

und der daraus folgenden Abschaffung der Sklaverei endete. (vgl. Brandes,

Burke 1970, S 22)

Quelle: www.flickr.com

Seite 6/28

Page 7: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

2.2. Die Wirtschaftlichkeit der Sklaverei

Wie schon im Kapitel 2.1 beschrieben wird, war die Frage der

Wirtschaftlichkeit schon im amerikanischen Bürgerkrieg ein triftiges Argument,

die Sklaverei - welche vor allem in den Baumwollplantagen der Südstaaten

ihre Kernzone hatte - abzuschaffen. Doch nicht nur für die Gegner, auch für

die Befürworter der Sklaverei bildete das Argument der Ökonomie eine

tragende Rolle: So schreiben Brandes und Burke, dass die Einführung der

Sklaverei dafür sorgte, dass die Verpflichtung zum Arbeitsdienst für jeden

amerikanischen Staatsbürger, obsolet wurde.

„Die Pflanzer Virginias und anderer Kolonien erkannten, dass es rentabler war, einen Sklaven auf Lebenszeit zu besitzen, als einen dienstverpflichteten Amerikaner bzw. Europäer, der nach 5 bis 10 Jahren die Freiheit gewann.“ (Brandes, Burke 1970, S. 15)

In weiterer Folge nennen sie aber die ökonomische Rentabilität als wichtigen

Grund für die Abschaffung der Sklaverei. Insbesondere der industrialisierte

Norden war dafür ausschlaggebend. Dabei berufen sie sich auf Daniel

Guèrin, welcher die Theorie vertrat, dass die Sklaverei die Industrialisierung

der Südstaaten verhinderte. Guèrins Gründe: (nach Brandes, Burke 1970, S.

16 ff)

Ÿ Sklaverei bedinge eine Monokultur, die einerseits den Anbauwechsel

unmöglich macht und den Boden auslauge.

Ÿ Die Sklaven erhalten eine ungenügende Ausbildung. Außerdem bestehe

ein Desinteresse an der Arbeit und eine mitlaufende stillschweigende

Sabotage.

Ÿ Der feudale Lebensstil der Plantagenbesitzer.

Unterstrichen werden Guèrins Thesen durch Argumente von Karl Marx.

Dieser sagt zwar, das sich - in dem für den Weltmarkt produzierenden -

sklavenhaltenden Kolonien zwar eine kapitalistische Produktionsweise findet,

Seite 7/28

Page 8: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

diese aber nur formell sei. (vgl. ebenda, S. 17) Marx begründet dieses

folgendermaßen: Die Sklaverei werde auf den Kapitalismus gepfropft. Da „die

Negersklaverei die freie Lohnarbeit, also die Grundlage der kapitalistischen

Produktion ausschließt. (Karl Marx zit. Nach Brandes, Burke 1970, S. 17) Im

Gegensatz dazu bedarf der Kapitalismus der Nordstaaten zur notwendigen

Kapitalakkumulation der Arbeitskraft des „frei verkaufenden Arbeiters“, die

nicht zu den Produktionsmitteln gehören wie Sklaverei, Leibeigene etc. (vgl.

ebenda)

Ein weiteres Argument gegen die Wirtschaftlichkeit der Sklaverei sehen

Brandes und Burke in der Erkenntnis der Kolonien selbst, dass der Verkauf

beziehungsweise Export von Sklaven die afrikanischen Staaten praktisch „ihr

eigenes Kapital, ohne dass sie dafür irgendeinen Zinsertrag oder eine

Verbreiterung ihres Wirtschaftssystems hätten erwarten können“

Unbedacht verminderten. (Brandes, Burke 1970, S. 25)

Zu einer anderen Sichtweise lädt Wolfgang Kaese in seinem Aufsatz

„Sklaverei in Afrika - Annäherung an eine Definition“ ein. Er spricht darin

ebenfalls vom Sklaven als „unfreien Menschen und Ware“, erinnert aber

gleichzeitig daran, dass den Sklaven von ihren Besitzern bestimmte Rechte

zugestanden wurden. Den Grund dafür sieht er in der drohenden Rebellion

der Sklaven gegen ihren Besitzer. Er zitiert dabei den britischen

Sozialforscher Anthony Hopkins und erinnert an das Verhältnis von Rebellion

und Widerstand gegen diesen Zustand und einer gewissen Tendenz der

Assimilation von Sklaven. (www.lwg.uni-Hannover.de/w/Images/a/ab/pof-

kaese-Sklaverei.pdf, S.12) Heinzpeter Znoj erinnert in diesem

Zusammenhang an Claude Meillassoux, der in den 1970er und 1980er

Jahren eine sozialanthropologische Theorie der Sklaverei entwickelte. Darin

führten zwei Gründe zum Ende der Sklaverei. (nach

www.anthro.unibe.ch/unibe/philhist/anthro/content/e297/e1386/e3847/e3849/li

nkliste3892/arbeit-6_ger.pdf)

Seite 8/28

Page 9: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

Ÿ Der transatlantische Sklavenhandel im Dienste der kolonialen

Plantagenwirtschaft führte zu einer Überausbeutung und dem

darauffolgenden demografischen Zusammenbruch der Gesellschaft der

betroffenen Länder. Die Sklavennachfrage konnte schwieriger befriedigt

werden und Sklaven wurden demgemäß teurer.

Ÿ Amerikanische Plantagenbesitzer gingen deswegen zur Leibeigenschaft

über, so dass sich die ausgebeuteten Menschen selbst zu reproduzieren

begann. Die Reproduktion wurde von den Sklavenhaltern gewissermaßen

finanziert. Schlussendlich wurde ein Kapitalisierungsprozess eröffnet.

Gewinne der Plantagenbesitzer wurden in die Mechanisierung der

Agrarwirtschaft gesteckt, saisonale Lohnarbeiter wurden angestellt. Die

Sklaven und nunmehr Leibeigenen wurden aus ökonomischen Gründen

freigelassen.

Seite 9/28

Page 10: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

2.2. Das Ende der Sklaverei und die Emanzipation der schwarzen Bevölkerung

Malcolm X (links) und Martin Luther King (rechts) gelten als Ikonen der afroamerikanischen Emanzipationsbewegung. Während der Prediger Luther King und seine hinter ihm stehende Bürgerrechtsbewegung die tatsächliche Gleichstellung mit legalen und systemimmanenten Mitteln versuchten, gilt Malcolm X als eine Ikone der farbigen Seperatisten.

Fotos: www.flickr.com

Schon vor dem Ende des Bürgerkrieges im Jahr 1865 waren erste

Bürgerrechtsbewegungen, welche die Abschaffung der Sklaverei und

Menschenrechte für die schwarze Bevölkerung forderten aktiv. Vor alle in den

industrialisierten Nordstaaten waren diese „Abolitionismus“-Bewegungen, wo

Schwarze und liberale Weiße zusammenarbeiten damit beschäftigt erste

Lobbyarbeit gegen die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung zu leisten.

Ihren Aufschwung erreichte die erste Bürgerrechtsbewegung etwa um 1830,

wo erste Zeitschriften offen die Abschaffung der Sklaverei einforderten.

Bekanntestes Organ war der „Liberator“ des weißen Abolitionisten William

Lloyd Garrison, der im Jahr 1831 die Abolitionistenorganisation „New England

Anti-Slavery Society“ gründete, aus der neun Jahre später die gemäßigtere

„American and Foreign Anti-Slave-Society“ entstand. (vgl. Brandes, Burke

1970, S. 34). Die frühe Abolitionistenbewegung errichtete auch die

Seite 10/28

Page 11: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

sogenannte „Underground Railroad“, mit der tausende Sklaven ihre Flucht ins

nördliche Kanada schafften. (vgl. ebenda, S. 34) Zu dieser Zeit, 1909,

entstand auch die NAACP (National Association for the Advancement of

Colored People), die als eine der ältesten Bürgerreichtsbewegungen gilt.

Mit dem offiziellen Ende der Sklaverei nach dem Bürgerkrieg war das

Verhältnis von schwarzer Minderheit und weißer Mehrheit vor allem durch die

sogenannte Segregationspolitik gekennzeichnet. Bis in die Mitte der 1960er

Jahre waren in den Südstaaten öffentliche Infrastruktur und andere Bereiche

des Lebens nach Hautfarbe getrennt. Aus dieser gefühlten Ungleichheit

entwickelten sich Mitte der 1950er Jahre die Bürgerrechtsbewegung, welche

sich um die Gleichheit und Emanzipation des schwarzen Amerikas annahm.

(vgl. Brandes, Burke 1970, S. 70) Um der Rassendiskriminierung zu

entkommen, schwankte diese Bewegung zwischen den Polen „Integration“

und „Seperation“. (vgl. ebenda) Anstoß für die Bürgerrechtsbewegungen war

der Dezember 1955, wo die schwarze Amerikanerin Rosa Parks in

Montgomery, Alabama, einen Sitzplatz in dem – für Weiße reservierte –

vorderen Teil eines Busses für sich beanspruchte. Der nachfolgende Prozess

vor dem Obersten Bundesgericht verbot die Segregation in städtischen

Omnibussen. Dem Urteil vorausgehend waren spontane Protestmärsche des

schwarzen Montgomery, die von Martin Luther King – einem farbigen

Baptistenprediger – angeführt wurden. (vgl. Brandes, Burke 1970, S. 73)

2.3.1. Der gewaltlose Widerstand

Dieser Martin Luther King wurde die Ikone der gewaltlosen schwarzen

Bürgerrechtsbewegung. „Er forderte, unterstützte, erkämpfte und erkämpfte

Veränderungen, etwa das Zivilrechtsgesetz von 1964 und das

Wahlrechtsgesetz aus dem folgenden Jahr, die zusammen genommen die

Afroamerikaner mit den Weißen rechtlich gleichstellten.“ (Dietrich, Tobias

2008, S. 7) King, der mit seinem Marsch auf Washington 1963 und seiner

dabei gehaltenen Rede („I have a Dream“) zur Ikone der

Bürgerrechtsbewegung wurde, rechtfertigte den demokratischen Anspruch

einer Reform des bestehenden Systems im Sinne einer Zusammenarbeit mit

Seite 11/28

Page 12: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

den liberalen Kräften in der Regierung und im öffentlichen Leben. (vgl.

Brandes, Burke 1970, S. 73) Mittel des Widerstandes waren

Demonstrationen, Boykotts und Protestmärsche, die im Zeichen der

Gewaltlosigkeit standen. King dazu:

„Macht mit uns, was ihr wollt, wir werden euch dennoch lieben. Wir werden eurer physischen Gewalt mit Seelenstärke begegnen. Ihr könnt unsere Häuser bombadieren und unsere Kinder bespucken, und wir werden euch dennoch lieben. Aber seid sicher, daß wir euch mit unserer Fähigkeit, Leiden zu ertragen, zu Boden zwingen werden.“ (Brandes, Burke 1970, S. 74 zit. nach Alfred J. Marrow, Changing Patterns of Prejudice, Philadelphia 1962, S. 199)

Der liberale Teil der weißen Bevölkerung unterstützte die Forderungen wie

Chancengleichheit, Ende der Diskriminierung auf dem Arbeits- und

Wohnungsmarkt, Gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen oder gleiche

politische Rechte rund um King und die Bürgerrechtsbewegung in den

Südstaaten. Als die Bewegung auch für den Norden Forderungen stellte,

entzogen die Liberalen ihre finanzielle und moralische Unterstützung. (vgl.

Brandes, Burke 1970, S. 75) Martin Luther King wurde am 4. April 1968

ermordet. (Dietrich, Tobias 2008, S. 101)

2.3.2 Die „Black Power“-Bewegung

Nach dem Ende der Koalition eines großen Teils der Bürgerrechtsbewegung

mit den liberalen Demokraten beginnt der unabhängige schwarze Widerstand.

Dieser ist bestimmt von Einflüssen der Bewegung, außerhalb von Martin

Luther King. (vgl. Brandes, Burke 1970, S. 75) 1966 lösten sich schließlich

schwarze Aktivisten von der Mithilfe weißer Sympathisanten und gründeten

die „Black-Power“-Bewegung. (vgl. ebenda) Kings Primat der Gewaltlosigkeit

erschien vielen zu passiv, Freiheit soll nicht irgendwann kommen. Ihre

Forderung: „Freedom Now!“ Bewegungen wie das SNCC (Student Nonviolent

Coordinating Committee), die erste von schwarzen gegründete Partei MFDP

(Mississippi Freedom Democratic Party) oder die aus den beiden

herausgewachsene „Black-Panther-Partei“ (Lowndes County Freedom

Organisation) entwickelten sich. Organisationen wie die Nation of Islam unter

Seite 12/28

Page 13: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

Master Elijah Muhammed – welche einen schwarzen Nationalismus predigten

bekamen Oberwasser. (Brandes, Burke 1970, S. 76 – 115) Symbolfigur dieser

Zeit war Malcolm X. Er brach 1964 zwar mit der Nation of Islam, wandte sich

aber gegen die Integration, wie sie Martin Luther King forderte.

„Das ist so, als wenn du Kaffee hast, der zu schwarz, das heißt zu stark ist. Was tust du? Du integrierst ihn mit Sahne, du machst ihn schwach. Wenn du aber zu viel Sahne hineingießt, wirst du nicht einmal mehr wissen, daß du jemals Kaffee hattest. Er war heiß, jetzt wird er kalt. Er war stark, jetzt wird er schwach. Er weckte dich auf, jetzt schläft er dich ein. Das war es, was sie mit dem Marsch auf Washington taten.“ (Brandes, Burke 1970, S. 120 zit. nach Malcolm X, Speaks. New York 1965, S. 8)

Malcolm X. erkannte aber bald, dass dieser schwarze Rassismus nicht die

Zukunft der schwarzen Bewegung sein konnte. Trotzdem rechtfertigte er

revolutionäre Gewalt. (vgl. ebenda, S. 121)

Seit dieser Zeit gab es immer wieder spontane Aufstände in schwarzen

Wohngegenden (Gettos), die sich gegen die Ungleichbehandlung und

Diskriminierung wandten. Vor allem in den 1960er bis zu Martin Luther Kings

Tod standen solche Erhebungen auf der Agenda (vgl. Brandes, Burke 1970,

S. 124) Jüngster Aufstand waren die sogenannten „Los Angeles Riots“ im

Jahr 1992. Ausschlaggeber war der Freispruch von vier Polizisten, die

angeblich den Afroamerikaner Rodney King zu Tode misshandelt haben

sollen. (vgl. Kreye 1993, S. 7 - 23)

Die Los Angeles Riots. Quelle: www.flickr.com

Seite 13/28

Page 14: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

3. Politisches System der USA

Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ist die älteste noch in

Kraft stehende geschriebene Verfassung und konnte 1789 in der Zeit seiner

Entstehung behaupten, als erste moderne Verfassung überhaupt zu gelten.

Sie entstand aus der 1776 verfassten Unabhängigkeitserklärung der

damaligen Kolonie an das Mutterland England und besagt „daß alle

Menschen gleich sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen

unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, daß zu diesen das Leben, die

Freiheit und das Streben nach allgemeinem Wohl gehören.“ (Brogan 1956, S.

11) Dass das Streben nach allgemeinem Wohl in Zeiten der Verfassung

dieser Erklärung keineswegs für Sklaven galt, ist bereits in Kapitel 2.1.

behandelt worden.

3.1 Integrationspolitik

1961 beschlossen und 1964 umgesetzt wurde das Gesetz zur „Affirmative

Action“, das durch Maßnahmen einer „umgekehrten Diskriminierung“ die

gesellschaftliche Unterrepräsentation von Minderheiten regeln soll. Urheber

ist der damalige Präsident John F. Kennedy. Affirmative Action beinhaltet

Bildungsprogramme gegen Sexismus und Rassismus. Auch die Bevorzugung

von Minderheiten – beispielsweise bei Hochschulauswahlverfahren – ist darin

geregelt. Außerdem ist die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und

Subventionen an diese Maßnahme gekoppelt. (vgl.

http://plato.stanford.edu/entries/affirmative-action, dl. 5.5.2010)

Seite 14/28

Page 15: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

3.2 Rassismustendenzen

Wenn es nach dem Sozialwissenschaftler Albert Memmi geht, kann

Rassismus folgendermaßen definiert werden:

„Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertungtatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers undzum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seineAggressionen gerechtfertigt werden sollen.“ (http://www.fb4.fh-frankfurt.de/whoiswho/gaitanides/Memmi_Rassismus.pdf, dl: s20.5.2010)

Umgelegt auf die Situation in den Vereinigten Staaten definieren Brandes und

Burke das Rassenproblem in seinem Kern als ein soziales ökonomisches.

“Nicht die Tatsache, dass ein Mensch ein “Neger” ist, macht ihn zum Versager

in der Schule, zum Hilfsarbeiter oder zum Verbrecher, sondern dass er in

einem Milieu leben muss, in dem er nur durch schlecht bezahlte Arbeit, oft

sogar nur als Arbeitsloser oder als Verbrecher überleben kann.” (Brandes,

Burke 1970, S. 108) Um dieses Argument zu verstehen, wird im folgenden

Kapitel die Lage der afroamerikanischen Bevölkerung skizziert. Auch der

Publizist Adrian Kreye, der sich im Reportagenband “Aufstand der Gettos” mit

den amerikanischen Rassenkonflikten beschäftigte beschreibt den dortigen

Rassismus aller Bevölkerungsgruppen gegeneinander als Resultat von Armut

und Dummheit, wo durch polemische Verallgemeinerungen Menschen ohne

Perspektive angesprochen werden sollen. (vgl. Kreye 1993, S. 17)

Der Rassismus gegen die schwarze Bevölkerung in den USA basiert im

weitesten Sinne auf einer religiösen und ökonomischen Grundlage, welche

die weiße protestantische Mehrheit in Zeiten der Sklaverei als

Rechtfertigungsstrategie sozusagen konstruierte: Wie Brandes und Burke in

ihrem Buch “USA - vom Rassenkampf zum Klassenkampf” feststellten,

entstand der Rassismus nicht spontan, sondern entwickelte sich als

Rechtfertigung, den Schwarzen ökonomisch auszubeuten. Der Tenor war, den

Sklaven nicht als Menschen, sondern als Sache beziehungsweise als privates

Besitzobjekt zu sehen. Nur so konnte die Sklaverei mit der 1781

Seite 15/28

Page 16: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

verabschiedeten amerikanischen Verfassung in Einklang gebracht werden.

Somit waren Menschenrechtsverletzungen, Misshandlungen und sogar der

Mord an Sklaven bis zur Befreiung 1863 keine Verbrechen, die vom Gericht

bestraft wurden. Die religiöse Komponente besagte, dass schwarze

Menschen Nachkommen des von Noah verfluchten Sohnes Ham sind und die

Sklaverei demnach eine gottgewollte Auswirkung dieses Fluches ist. (vgl.

Brandes, Burke 1970, S. 19 ff)

Seite 16/28

Page 17: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

4. Statistik der Bevölkerung in den USA

Abb.1: Bevölkerungsgruppen in den USA

Quelle: www.census.gov

Im Gegensatz zu Österreich oder Deutschland ist in den USA das Wort

“Rasse” mit keinerlei negativer Konnotierung behaftet und somit ein

selbstverständlicher Abfragepunkt in der amerikanischen Volkszählung, auch

Census genannt. Aufgrund der aktiv betriebenen Rassenpolitik rund um den

Nationalsozialismus und Adolf Hitler ist eine derartige Bezeichnung in

Österreich oder Deutschland undenkbar. Laut aktueller Statistik leben derzeit

309 Millionen Personen in den USA. Zum Vergleich: Noch im Jahr 2000

lebten rund 281,4 Millionen Einwohner im Staatsgebiet. Auf die verschiedenen

Bevölkerungsgruppen aufgeteilt, leben laut aktueller Census-Zahlen 194,8

Millionen Personen (69 Prozent), die der weißen Bevölkerungsgruppe

zuzuteilen sind. 4,3 Millionen Menschen sind der Ureinwohnerkultur Amerikas

zuzurechnen. 37,4 Millionen Einwohner oder 13,3 Prozent der Amerikaner

haben einen südamerikanischen Hintergrund und 36 Millionen Menschen

gehören der afroamerikanischen Bevölkerung an. Das sind 13 Prozent. Der

Seite 17/28

WeisseSchw arzeHispancsAsiatenIndigene Ureinw ohnerHaw aii, Pazif ikMehrere Rassen

Page 18: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

Anteil der Asiaten beträgt 11,3 Millionen, etwa 861.000 Menschen kommen

aus Hawaii oder den Pazifiknationen und 7,3 Millionen Menschen fühlen sich

mehreren „Rassen“ zugehörig. (vgl. www.census.gov/prod/2003pubs/p-20-

541.pdf, 17. 5. 2010)

Seite 18/28

Page 19: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

4.1 Die Lage der Schwarzen in den USA

Abb.2: Arbeitslosigkeit nach Bevölkerungsgruppe

Quelle: www.census.gov

Laut Census-Zählungen aus dem Jahr 2002 sind etwa 11,9 Prozent der

männlichen Afroamerikaner von Arbeitslosigkeit betroffen. Dem gegenüber

stehen 5,7 Prozent männlicher Arbeitsloser, die der weißen

Bevölkerungsgruppe zuzurechnen sind. Bei der weiblichen Bevölkerung sind

9,9 Prozent der Afroamerikanerinnen arbeitslos. Zum Vergleich: Innerhalb der

weißen Bevölkerungsgruppe sind 4,4 Prozent Amerikanerinnen vom selben

Schicksal betroffen.

Auch bei den Einkommen hinken die Afroamerikaner der weißen

Bevölkerungsgruppe hinterher. Das beweist der Einkommens-Dollar:

Während, statistisch gesehen, eine Person der weißen Bevölkerungsgruppe

für die Tätigkeit einen Dollar verdient, so bekommt ein Afroamerikaner 57

Cent. Dass sich diese Ungleichheit bei den Gehältern seit 1968 kaum

geändert hat, beweist der Umstand, dass damals auf den Einkommensdollar

des “Weißen” 55 Cent für den Afroamerikaner gekommen sind. Eine ähnliche

Diskrepanz erfährt man, wenn man die Besitzverhältnisse zwischen weißen

und schwarzen Staatsbürgern der USA vergleicht. (vgl.

Seite 19/28

Schw arze Weisse0

2

4

6

8

10

12

14

ArbeitslosigkeitAngaben in Prozent

MännlichWeiblich

Page 20: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

www.census.gov/prod/2003pubs/p20-545.pdf, 17.5.2010)

Von den 32,9 Millionen Amerikaner (12 Prozent), die laut Census-Erhebung

von 2002 unter der Armutsgrenze leben, sind 8,1 Millionen schwarz. 15,3

Millionen hingegen sind der weißen Bevölkerungsgruppe zuzurechnen. Erst

bei näheren Betrachten wird klar, dass auch hier die afroamerikanische

Minderheit stärker vertreten ist: Die ausgewiesenen 8,1 Millionen Schwarzen

machen 23 Prozent aus. Bei den Weißen sind es gerade acht Prozent, die mit

einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. (vgl.

www.census.gov/prod/2003pubs/p20-545.pdf, 17.5.2010)

Bei den Wohnverhältnissen sind ebenso bevölkerungsspezifische

Unterschiede festzustellen: Laut Census-Erhebung von 2002 leben 55

Prozent der Afroamerikaner in den sogenannten Südstaaten, zu denen

Georgia, Alabama, Arkansas, Loisiana, Mississipi, Tenessee, Kentucky, West

Virgina, Virgina, North Carolina, South Carolina, Georgia und Florida

dazugehören. (vgl. www.census.gov/prod/2003pubs/p20-545.pdf, 17.5.2010)

Das ist insofern interessant, da sich in dieser Region hauptsächlich die

Plantagen befanden, in denen bis ins späte 19. Jahrhundert ein Großteil der

heutigen Afroamerikaner als Sklaven Zwangsarbeit leisten mussten.

Erwähnenswert ist auch, dass 52 Prozent der Afroamerikaner im urbanen

Gebiet der sogenannten “City” (Innenstadt) leben. Im Vergleich dazu wählten

lediglich 21 Prozent der weißen Bevölkerung diesen Lebensraum aus. Sie

sind mit einem Anteil von 57 Prozent in den sogenannten “Suburbs”

(Vorstädten), die als Wohngebiet für die eher wohlhabende Mittel- und

Oberschicht gelten, überrepräsentiert. Zum Vergleich: Der Anteil der

schwarzen Bevölkerung in den “Suburbs” beträgt 36 Prozent. (vgl.

www.census.gov/prod/2003pubs/p20-545.pdf, 17.5.2010) Lediglich 12

Prozent der Schwarzen leben am Land.

Wenn es nach Brandes und Burke geht, sind besonders die schlechteren

Wohnbedingungen in den Slums oder Gettos, die sich vor allem innerhalb der

sogenannten “City” befinden ausschlaggebend für die soziale Benachteiligung

der (farbigen) Einwohner. Sie erinnern dabei an den Umstand, dass wegen

der schlechten Bezahlung und der größeren Familienstruktur beide Elternteile

Seite 20/28

Page 21: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

beziehungsweise bei Alleinerziehern die Frau einer geregelten Arbeit

nachgehen muss, um die Familie zu ernähren. (vgl. Brandes, Burke 1970, S.

107) Das Resultat davon: Viele Kinder wachsen auf der Strasse auf und

erlebten schon im frühen Alter, was “Armut und Hoffnungslosigkeit aus den

Menschen machte.” (ebenda) Um dieses Argument zu untermauern führen sie

bereits in den 1970er Jahren die hohe Kriminalitätsrate, Perspektivlosigkeit

sowie die überdurchschnittliche Alkohol- und Drogenabhängigkeit in solchen

Wohngebieten an. (vgl. ebenda, S. 107f)

Auffallend sind auch die Unterschiede im Bildungsbereich: Wenn es nach der

Internetseite www.census.gov geht, waren im Jahr 2007 84 Prozent aller US-

Bürger, die älter als 25 Jahre alt waren im Besitze eines High-School-

Abschlusses. 27 Prozent dieser konnten einen akademischen Bachelor-

Abschluss vorweisen. Wenn man hier die Rassen einzeln betrachtet, ergibt

sich folgendes Bild: Während 85,8 Prozent der Asiaten und 89,4 Prozent der

weißen Amerikaner einen Highschool-Abschluss vorweisen können, sind nur

80,1 Prozent der afroamerikanischen Bevölkerung im Besitze eines solchen.

Gravierender wird der Unterschied, wenn man die akademischen Abschlüsse

„Bachelor“ und „Advanced“ betrachtet: 30 Prozent der weißen und 49,5

Prozent der asiatisch-stämmigen Bevölkerung haben den Bachelor-Abschluss

in der Tasche. Mit diesem Bildungsabschluss sind nur 17,3 Prozent der

Schwarzen ausgestattet. Inhaber eines „Advanced“-Abschlusses sind 11,3

Prozent der Weißen und 19,6 Prozent der Asiaten. Zum Vergleich:

„Advanced“-Absolventen sind lediglich 5,8 Prozent der schwarzen

Bevölkerungsgruppe.

Dieses Phänomen kann auch regionsspezifisch beobachtet werden. Während

nahezu alle nördlichen Staaten beim Highschool-Abschluss über dem Niveau

liegen (außer New York, Kentucky und West Virgina), verzeichnen die

gesamten Südstaaten (außer Florida) einen Bildungswert, der unter dem US-

Durchschnitt liegt. Wie weiter oben schon erwähnt wurde, leben 55 Prozent

der schwarzen Bevölkerung in den Südstaaten.

Seite 21/28

Page 22: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

4.1.1 Soziografie und gesellschaftlicher Aufstieg

Natürlich muss man bemerken, dass die formale Gleichstellung aller

amerikanischen Bevölkerungsgruppen mit dem Ende der Rassensegregation

und den Errungenschaften der schwarzen Bürgerrechtsbewegung am Papier

gegeben ist. (vgl. Kapitel 2.2) Ansonsten wäre es für die farbige Bevölkerung

noch immer nicht möglich, eine Elite-Universität zu besuchen. Auch der

Aufstieg von der Unterschicht in die Mittel- und Oberklasse, zu der laut Kapitel

(5.1) auch Teile der afroamerikanischen Bevölkerung zählen, wäre demnach

pure Utopie.

Unterstrichen wird diese Möglichkeit durch die Faszination des

“amerikanischen Traums”, der mit dem Streben nach Glück in der

amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 verankert ist.

(vgl. Brogan 1954, S. 415) Dieses gottgegebene Menschenrecht soll jeder

Person die Freiheit ermöglichen sein Leben zu gestalten. (ebenda) Trotzdem

muss dazu bemerkt werden, dass in der Erklärung die Gleichheit lediglich in

formaler Form gewährt wird. Soziale Gleichheit, die schichtspezifische

Bildungs- beziehungsweise besitzspezifische Ausgangssituationen

ausgleichen soll, wird in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung nicht

beachtet.

So ist es folgendem ein schwieriges Unterfangen, den sogenannten Sprung

vom (schwarzen) Tellerwäscher zum Millionär zu schaffen, der demgemäß nur

wenigen zu Teil kommt. Um dieses Faktum zu unterstreichen erinnert Adrian

Kreye an das Schicksal von Mark Craig, einen schwarzen Studenten und

Golfkriegs-Veteran aus der sogenannten Mittelschicht, der nicht aus dem

Getto, sondern aus den sogenannten “Suburbs” (Vorstadt) kommt. Er wird

zum Symbolgesicht der sogenannten Los Angeles Riots, einem Aufstand der

schwarzen Bevölkerung, der im Jahre 1992 in den dortigen Gettos South

Central, Comton und Watts ausbrachen. Hintergrund war der Freispruch von

vier Polizisten, die einen Schwarzen tot geprügelt haben sollen. (vgl. Kreye

1993, S. 23ff) Mark beschreibt darin das Alltagsleben, das vom latenten

Rassismus geprägt war:

Seite 22/28

Page 23: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

“In der High-School war es schon so, wenn ich eine Polizeistreife nach elf Uhr abends in meinem Auto sah, haben sie mich rausgewinkt. Ich musste mich mit gespreizten Beinen an den Streifenwagen stellen oder flach auf den Boden legen. Sie haben mich nach Waffen und Drogen durchsucht, mich gefragt, wo ich das Geld für meine Lautsprecher habe (…) Wenn du irgend etwas hast, das Geld kostet, geben dir die Cops das Gefühl, dass du ein Krimineller bist.” (Kreye 1993, S. 35)

Den Grund für den Ausbruch der Los Angeles Riots sieht Protagonist Marc

Craig vor allem kollektiven Unrechtsgefühl das die schwarze Bevölkerung

nach Verkündigung des Gerichtsurteils (vier mal Freispruch für die

Polizeibeamten) aufkam. “Es kam mir plötzlich so vor, als sei ich hier nichts

wert, als könnte ein Schwarzer in den Vereinigten Staaten nicht zu seinem

recht kommen. Es fühlte sich genauso an wie vor zweihundert Jahren die

Sklaverei (…) Daß du kein vollwertiger Mensch bist.” (Kreye 1993, 33f)

Wie es um die beruflichen Aussichten beziehungsweise um die Kriminalitäts-

karriere junger Schwarzer, die in Gettos wohnen, bestellt ist, kann man am

Beispiel des Protagonisten Roger nachlesen, den Kreye für eine weitere

Reportage begleitet hat. Er verdient sein Geld als Roadie einer Band und

Drogendealer.

“Mann, wenn du in South zentral wohnst, kannst du froh sein, wenn du einen Job bei McDonalds kriegst. Da überlegst du nicht lange. Rocks [Drogen, der Verfasser] sind ein sicheres Geschäft. Da machst du mehr Geld als in der Wall Street.” (Kreye 1993, S. 66)

Seite 23/28

Page 24: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

5. Lage der Nachfahren ehemaliger Sklaven

Da sich diese Arbeit mit dem Schicksal ehemaliger Sklaven beschäftigt muss

bemerkt werden, dass ein Großteil der schwarzen Bevölkerung in den USA

sich aus dieser Gruppe rekrutiert. Doch es sind nicht nur die ehemaligen

Sklaven, welche die heutige farbige Population der Vereinigten Staaten

verkörpern. Wenn es nach der Internetseite “Public Agenda for Citizens” geht,

kamen beispielsweise im Jahr 1965 1,1 Prozent der Einwanderer aus Afrika.

2008 waren es bereits 9,6 Prozent die aus diesem Kontinent in die USA

emigrierten.

Doch es sind nicht ausschließlich Afrikaner die als “Farbige” nach Amerika

einwandern. Dazu zählen auch Teile der Gruppe der Exilkubaner und

Menschen aus der Karibik, die in die USA emigrierten. (vgl.

http://www.publicagenda.org/citizen/issueguides/immigration/getfacts)

Wenn es nach Brandes und Burke geht, gab es auch schon in der Zeit der

Sklaverei sogenannte “freie Neger”, deren Anzahl sich beispielsweise im Jahr

1850 vor Ausbruch des Bürgerkrieges 434 495 Personen belief. Sie lebten vor

allem im Norden. (vgl. Brandes, Burke, 1970, S. 18)

Politiker, wie der amtierende US-Präsident Barack Obama oder Colin Powell

– der unter George W. Bush junior, das Amt des Außenministers bekleidete,

hatten keine Vorfahren mit „Sklavenvergangenheit“.

Obama, Sohn eines schwarzen Muslim aus Kenia und einer weißen Mutter

aus Kansas, wuchs bei seinen Großeltern auf Hawaii auf. (vgl.

http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=2973&RID=1, dl: 12.6.2010)

Powell ist Sohn eines Immigrantenpaares aus Jamaika. (vgl.

http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=1350&RID=1, dl: 12.6.2010)

Powellls Nachfolgerin, Condoleezza Rice, die ebenfalls afroamerikanischen

Ursprungs ist, kam in Birmingham, Alabama als Tochter eines Schuldekans

zur Welt. (vgl. http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=2108&RID=1,

dl: 12.6.2010) Ob sie Vorfahren hat, die ehemalige Sklaven waren, konnte

trotz intensiver Recherche nicht festgestellt werden.

Seite 24/28

Page 25: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

5.1 Gibt es eine “Altlast” die Nachfahren ehemaliger Sklaven herumtragen

Wenn man den Statistiken der amerikanischen Volkszählung, Census,

Glauben schenken darf, ist die schwarze Minderheit mehr von

armutsgefährdeten Faktoren wie Arbeitslosigkeit, unterdurchschnittlicher

Bildung, einer schlechteren Wohnsituation gefährdet als die weiße Mehrheit.

Dazu kommen eine gespanntere Einkommenssituation und der

bildungsspezifisch typische eher negativ konnotierte Blick in die Zukunft.

Gepaart mit der Stigmatisierung durch einen - wie in Kapitel 4.2.

beschriebenen latenten Rassismus, der die Gesellschaft der USA

kennzeichnet sind dahingehend keine nennenswerten Fortschritte sichtbar.

Auffallend ist auch, dass die Mobilität der schwarzen Bevölkerungsgruppe

auffallend niedrig ist. Wenn angenommen werden kann, dass es sich dabei

großteils um die Nachfahren ehemaliger Sklaven handelt, wird deutlich dass

55 Prozent der AfroamerikanerInnen in den sogenannten Südstaaten leben.

Dort hatten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts schon ihre Vorfahren, die

damals als Sklaven beziehungsweise Leibeigene waren, ihren

Lebensmittelpunkt. Wenn die Statistik dahingehend interpretiert werden darf,

kann lediglich eine Wohnortveränderung vom Land in die Stadt verzeichnet

werden.

Angesichts der Affirmative Action – welche die Unterrepräsentanz von

Minderheiten durch positive Diskriminierung aufheben soll – ist die schwarze

Bevölkerung großteils noch immer nicht dort, wo sie sein soll. Die Zahlen über

das Bildungsniveau, Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung sprechen dafür.

Auffallend ist, dass im Bereich der Bildung die asiatisch-stämmige die weiße

Bevölkerungsgruppe überholt hat. (vgl. Kapitel 4.1) Dass aber Bildung –

gekoppelt mit einer daraus folgenden Erhöhung des Einkommensniveaus -

die Lage der schwarzen Bevölkerung bessern kann, kann ich nach meinen

Recherchen nicht beantworten. Literatur und dementsprechende Studien

dazu fehlen.

Seite 25/28

Page 26: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

Im Kontext des beschriebenen Problems der afroamerikanischen Bevölkerung

muss erwähnt werden, dass die geschichtliche Aufarbeitung der Sklavenzeit

in den USA und den darauffolgenden Entschädigungszahlen ähnlich der

Vergütung für NS-Opfer, wie sie teilweise in Deutschland und Österreich

vorkommt, völlig fehlt. Dazu schreibt Thomas Bearth in seinem Buch “Afrika

im Wandel”, dass die Thematik der Sklaverei in den USA ein nicht

aufgearbeitetes historisches Unrecht einer Gesellschaft ist, die sich dem

Unrecht stellt. Er verweist dabei auf die bereits erfolgten

Entschädigungszahlungen an die japanischstämmigen Amerikaner, die im

zweiten Weltkrieg interniert worden sind. (vgl. Bearth 2007, S. 43)

Seite 26/28

Page 27: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

7. Bibliografie

Brandes Volkhard, Burke Joyce (1970): USA – Vom Rassenkampf zum

Klassenkampf. Nördlingen, Deutscher Taschenbuchverlag

Bearth, Thomas (2007): Afrika im Wandel. Zürich, VDF Hochschulverlag

Brogan, D. W. (1956): Die Amerikanische Politik – Verfassung, Staatsleben

und politisches System der Vereinigten Staaten. Stuttgart, A.J. Walter

Kreye, Adrian (1993): Aufstand der Gettos – Die Eskalation der

Rassenkonflikte in Amerika. Köln, Kiepenheuer & Witsch

Dietrich, Tobias (2008): Marin Luther King. Paderborn, W.Fink

Meuschel, Sigrid (1985):Kapitalismus oder Sklaverei – Die langwierige

Durschsetzung der bürgerlichen Gesellschaft in den USA. Frankfurt,

Europäische Verlagsgesellschaft

Claude Meillassoux:

ttp://www.anthro.unibe.ch/unibe/philhist/anthro/content/e297/e1386/e3847/e38

49/linkliste3892/arbeit-6_ger.pdf, dl: 14.6.2010

Kaese, Wolfgang: „Sklaverei in Afrika – Annäherung an eine Definition:

www.lwg.uni-hannover.de/w/images/a/ab/pdt-kaese-sklaverei.pdf,

dl: 18.6.2010

Biografie Barack Obama:

http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=2973&RID=1, dl: 12.6.2010

Biografie Colin Powell:

http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=1350&RID=1, dl: 12.6.2010)

Seite 27/28

Page 28: Die Lage Ehemaliger Sklaven in Den USA

Biografie Condoleezza Rice:

http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=2108&RID=1, dl: 12.6.2010

Bericht über die Lage der Schwarzen:

http://www.aurora-magazin.at/gesellschaft/baran_usa_frm.htm, dl: 23.5.2010

Statistische Daten über die Bevölkerung der USA:

www.census.gov, dl: 17.5.2010

Seite 28/28