die kupferzeitliche siedlung pietrele an der unteren donau. berich über die ausgrabungen und...
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Svend Hansen, Meda Toderas, Agathe Reingruber, Dirk Nowacki, Heide Norgaard, Eurasia antiqua: Zeitschrift für Archäologie Eurasiens, ISSN 0949-0434, Nº. 17, 2011 , pp. 45-120.TRANSCRIPT
Deutsches Archäologisches Institut * Eurasien-Abteilung
EURASIA ANTIQUAZeitschrift für Archäologie Eurasiens
BAND 17 ■ 2011
VERLAG PHILIPP VON ZABERN • Darmstadt
I—VI, 1-250 Seiten mit 251 Abbildungen und 5 Tabellen
Herausgeber: Svend Hansen und Mayke Wagner
Redaktion: Ingo Motzenbäcker
Wissenschaftlicher Beirat: Alia Bujskich (Kiev)Falko Daim (Mainz)Lothar v. Falkenhausen (Los Angeles) Wojciech Nowakowski (Warszawa) Natalja Polosmak (Novosibirsk)Jurij Rassamakin (Kiev)Jessica Rawson (Oxford)Marzena Szmyt (Poznan)Denis Zuravlev (Moskau)Philip L. Kohl (Wellesley)
Beiträge werden erbeten an die Redaktion der Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, Im Dot 2 -6 , Haus II, D-14195 Berlin oder an die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates. - Redaktionsschluss ist der 31. Dezember für den im folgenden jahr in Druck gehenden Band. Bei der Abfassung der Manuskripte sind die „Richtlinien für Veröffentlichungen der Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts“ zu beachten: http://www.dainst.org/abteilung_269_de.html.
Mitglieder des Deutschen Archäologischen Instituts und Studenten der Altertumswissenschaften können die Eurasia Antiqua zum Vorzugspreis von € 34,80 abonnieren. Bestellungen sind an die Schriftleitung zu richten. Studenten werden um die Vorlage einer Studienbescheinigung gebeten. Die Beendigung des Studiums ist unverzüglich mitzuteilen.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-EinheitsaufnahmeEurasia Antiqua : Zeitschrift für Archäologie Eurasiens/Deutsches Archäologisches Institut,Eurasien-Abteilung. - Mainz : von ZabernErscheint regelmäßig. Aufnahme nach Bd. 1, 1995 (1996)ISSN: 0949-0434
2012 by Deutsches Archäologisches Institut, Eurasien-Abteilung ISBN: 978-38053-4547-7
Gesamtherstellung: Beltz Bad Langensalza, Neustädter Straße 1-4 , 99947 Bad Langensalza Kommissionsvertrieb: Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt
Inhalt
Thomsen -Vorlesu n g
Dai m, F., Des Kaisers ungeliebte S ö h n e ................................................................................................ 1
Aufsätze
F ur hol t , M., Zeichensysteme nach der Sesshaftwerdung: Keramik als Symbolträger und Vermittler sozialen Wandels im ägäischen Früh- und Mittelneolithikum.................................................................... 21
Ha n s e n , S . , T o d e r a ş , M., Re i n g r u b e r , A. , No w a c k i , D., N0 r gaar d, H. , S p â n u , D. und Wu n d e r l i c h , J ., Die kupferzeitliche Siedlung Pietrele an der Unteren Donau. Bericht über die Ausgrabungen und geomorphologischen Untersuchungen im Sommer 2 0 1 0 ........................................ 45
P i e z o n k a , H., Wildbeuterkeramik zwischen Weißrussland und Weißem Meer. Neue Forschungenzur Ausbreitung früher Tonware in das Gebiet östlich und nördlich der Ostsee....................................... 121
Duda re v, S. L. und F o me n k o , V. A., Präskythische Funde aus Nordkaukasien........................ 157
L i mb e r i s , N. ]u und Mareen ко, I. I., Bronzener Blessenschmuck frühskythischer Zeitstellung aus dem K u b a n ge b iet................................................................................................................................ 177
Pol i n , S. u n d Da r a g a n , M., Das Prunkgrab Aleksandropol’ Kurgan. Vorbericht............................ 189
T o l s t i k o v , V. P. und K u z ’ mi na, ju. N. , Ein neuer Baubefund aus der zweiten Hälfte des 4.bis zur Mitte des 3. Jh. v. Chr. im Zentrum von Pantikapaion. Vorläufige Grabungsergebnisse . . . . 215
Nü s s e , H. -J- , Bernstein in Mitteleuropa. Apotropaion und Prestigeobjekt zwischen Latenezeit und frühem M ittelalter........................................................................................................................................ 233
оба типа посуды являлись сходными в структурном
плане, что свидетельствует о существования контактов с другими регионами. Использование глиняной посуды в повседневной жизни ранних земледельцев с
различными формами социальной организации говорит
о социальной составляющей керамики как элемента
материальной культуры. Исходя из этого, можно предположить, что отличие обоих типов глиняной посуды
обусловлено различной идеологической и социальной
динамикой развития общества эпохи неолита.
Die kupferzeitliche Siedlung Pietrele an der Unteren Donau
Bericht über dte Ausgrabungen und geomorphologischen Untersuchungen im Sommer 2010
Von Svend Hansen, Meda Toderaş, Agathe Reingruber, Dirk Nowacki, Heide Nprgaard, Daniel Spânu und Jürgen Wunderlich
I;’. Schlagwörter: Rumänien/Muntenien/Donau/Pietrele/Mägura Gorgaпa/Kupferzeit/SiedlungДell/Ökologie
Keywords: Romania/Muntenia/Danube/Pietrele/Mägura Gorgana/Copper AgeAell/Environmental conditionsКлючевые слова: Румыния/Мунтения/Дунай/Пиетреле/Мэгура Горгана/Медный 8ек/ПоселениеДелл/Условия
V окружающей среды
Die Ausgrabungen in der kupferzeitlichen Siedlung Pietrele (Abb. 1; 2) konnten im Sommer 2010 fortgesetzt werden.1 Sie konzentrierten sich auf die Außensiedlung im Norden des Siedlungshügels und die Kreisgrabenanlage. Daneben wurde die Grabung in Fläche F fortgesetzt, um die stratigraphische Sequenz des Siedlungshügels vollständig zu erfassen. Diese Arbeiten wären ohne die Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft nicht möglich gewesen.2 Die ungewöhnlich lang anhaltende Hitzeperiode mit Temperaturen von über 40 Grad im Schatten machte allen Beteiligten zu schaffen. Umso mehr sind der Teamgeist und das Engagement der über 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorzuheben.3 Auch in diesem Jahr wurde die Grabung von S. E. dem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen4 sowie Pressevertretern'’ besucht (Abb. 3-5).
Vorrangiges Ziel der Grabungen 2010 war es, in großen Flächen den Charakter der ausgedehnten
1 Sehr herzlich sei Herrn Akademiker Prof. Dr. Alexandru Vulpe für seine Unterstützung der Ausgrabungen gedankt.
2 An dieser Stelle danken wir der DFG und namentlich Herrn Dr, Hans-Dieter Bienert für die gewährte Förderung.
3 Neben den Autoren waren an der Grabung beteiligt: |oni Abu- ladze, Prof. Dr. Norbert Benecke, Dr. Irma Berdzenishvili, Hendrik Bernert, Katrin Beutler B. A., Katrin Brandei, Sven Brum- mack M. A., Dr. Eszter Fejer, Elena Gavrilă M. A., Prof. Dr. Ivan Gatsov, Lili Gatsova, Alexandra Găvan M. A.. Cristina Georgescu, Gabriel Grigore, Vladimir loseliani, Mehmet Karaucak M. A., Dr. Jorrit Kelder, Nina Keller, Dr. Florian Klimscha, Ute Koprivc M. A., Patrick Leidner, Bogdan Marinov, lelena Martini. Mihaela Mihala- che, Michael Müller, Drd. Petranka Nedelcheva, Kristin Noack, Mariann Novâk M. A., Heide Nargaard M. A., Dr. lacques Pelegrin, Viola Podsiadlowski, Dr. Michael Prange, Dr. Kenneth Rit- chie, Nils Schäkel, Christoph Schröder, Dr. Levan Tchabashvili, Louise Tharandt, Dr. Tsenka Tsanova, Stanislav Ţerna M. A., Mal- vinka Urâk M. A., Tilmann Vachta M. A. und Dimitri Zhvania (Abb. 101)
4 Unter den Besuchern hatten wir die Freude, Prof. Dr. Pâl Raczky und ein Begleitteam begrüßen zu dürfen, der uns einen unvergesslichen Abend ausrichtete.
5 Vom 20.-25. August besuchte uns Andrew Curry, dessen Beitragüber Pietrele in Archaeology 64.2, 2011, 40-45 erschien (http://www.archaeology.org/1103/features/copper_age_social_hierarchy.html).
Besiedlung rund um den Siedlungshügel „Măgura Gorgana“ zu klären (Abb. 5), welche bereits 2005 durch die geomagnetische Prospektion unter Leitung von Baoquan Song entdeckt worden war.6 Damals wurde schlagartig klar, dass der hoch aufragende Siediungshügel „Măgura Gorgana“ nur Teil einer deutlich größeren Siedlung war und sich daher die Ausgrabungsergebnisse auf dem Hügel nur in Verbindung zur Flachsiedlung sinnvoll interpretieren lassen würden (Abb. 6). Ob die Kombination von Hügel und ausgedehnter Flachsiedlung auch für andere Siedlungen der südrumänischen Gumelniţa- Kultur nachgewiesen werden kann, müssen künftige Forschungen zeigen.
Schon nach den bisherigen Grabungen in der Außensiedlung lässt sich erkennen, dass die Gebäude nicht gleichzeitig sind, sondern einen beträchtlichen Zeitraum überspannen. Bislang liegen Funde aus vier Flächen um den Siedlungshügel vor. Nach den typologischen Vergleichen der Keramik (s. u.) sind die Flächen M und G die ältesten, während das Material aus den Flächen J und L jünger zu sein scheint. 14C-Daten liegen bislang aus den Flächen L, J und G vor. Sie zeigen aber noch kein konsistentes Bild. Bemerkenswert ist der Nachweis zweier übereinanderliegender Häuser in Fläche j. Auch in der Außensiedlung spielte offenbar Ortskonstanz eine wichtige Rolle. Interessant ist, dass nach Aussage der lüC-Daten ein beträchtlicher zeitlicher Abstand zwischen dem jüngeren und dem älteren Gebäude bestanden hat (s. u.).
Nach den bisherigen Erfahrungen zeigt sich, dass die kupferzeitlichen Siedlungsreste zwar stellenweise überraschend gut erhalten sind, insgesamt aber deutlich durch Erosion gelitten haben. Während auf dem Siedlungshügel die Schuttschicht eines verbrannten Gebäudes etwa einen Meter beträgt, sind in der Außensiedlung nur wenige Zentimeter erhalten. Zudem wechseln Stellen größerer Fundkonzentration mit dem fundfreien „gewachsenen“ Boden.
6 B. Song in: Hansen u. a. 2006, 5 ff.
Abb. l.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Teil und Teil
der Außensiedlung von Nord west
(Foto: S. Hansen).
Die Erhaltung der beiden bedeutendsten Funde, zwei Pithoi aus dem jüngeren Gebäude in Fläche J, illustriert diesen Sachverhalt. Der große Pithos war nur zur Hälfte erhalten, während die andere Hälfte bereits der Erosion zum Opfer gefallen war bevor zu einem späteren Zeitpunkt die Erosion vom Hang die Einsedimentation der übrigen Scherben erfolgte. Für eine Bewertung und Interpretation der Fundin- ventare aus den Gebäuden in der Außensiedlung bedarf es weiterer Erfahrungen mit den Erhaltungsbedingungen. Dabei müssen Überlegungen zur Überlieferung aller Fundgruppen einbezogen werden. Auch die Datierung des überlagernden Kolluviums spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle.
Zwei Pithoi, 120 cm und 76 cm hoch, mit einem Volumen von 400 bzw. 200 Litern, sind die bisher bemerkenswertesten Funde aus der Außensiedlung. Der größere Pithos (Abb. 7; 8) besitzt eine Schlaufenverzierung die durch ein breites mit Schraffen versehenes Band gebildet wird, das farblich abgesetzt gewesen sein dürfte. Ungewöhnlich ist das Malteserkreuz auf dem Bauch. Der kleinere Pithos weist eine vergleichbare Bandverzierung auf. Bemerkenswert hier sind die Darstellungen von Metallscheiben mit durchlochten Rändern (Abb. 9; 10).
Ein großes, sehr ähnlich verziertes Gefäß stammt aus den Altgrabungen auf dem Siedlungshügel.7 Man kann davon ausgehen, dass auch in anderen Siedlungen der Gumelniţa-Kultur vergleichbar große Gefäße existierten, diese aber nicht restauriert werden konnten.8 Große Pithoi sind aber aus dem Bereich der westpontischen Kupferzeit bislang offenbar nicht publiziert worden. Dass die beiden Pithoi in Pietrele rekonstruiert werden konnten, ist das Verdienst der Restauratorinnen. Dass sogar der Aufstellungsplatz präzise bestimmt werden konnte, darf als besonderer Glücksfall gelten.
Die großen Pithoi sind unter verschiedenen Aspekten von Bedeutung. Sie sind Zeugnisse für die Beherrschung des technisch anspruchsvollen und zeitintensiven Aufbauens großer Gefäße sowie des kontrollierten Brands im Ofen, von dem bei Gefäßen dieser Größe zwingend auszugehen ist. Zwar sind bislang nur Töpferöfen für die Cucuteni-Kultur belegt, doch sind diese auch für die Gumelniţa-
7 Berciu 1956 537, Abb. 61.8 Z. B. möglicherweise in Căscioarele: Ştefan 1925, 167 Abb. 28,
67.71.
Abb. 2.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Digitales Geländemodell des Siedlungshügels und seiner engeren Umgebung (K. Scheele).
Kultur zu postulieren. Auch in Verbindung mit den durch die Neudatierung der Vinca-Kultur angeregten Überlegungen zum Beginn der extraktiven Metallurgie auf der Balkanhalbinsel vor oder um den Beginn des 5. Jts. v. Chr.,9 sind komplexe pyrotechnische
Einrichtungen zu erwarten. Aus dem Spätneolithikum Mesopotamiens sind im Übrigen zahlreiche, auch technisch diversifizierte Töpferöfen bekannt.10
Nach den ethnographischen Zeugnissen haben die beiden Pithoi als Produkte eines spezialisierten
9 Pemicka/Anthony 2010. 10 Hansen Streily 2001.
Abb. 3.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. S. E. der Bot
schafter der BRD und der Kulturattache zu
Besuch in Pietrele (Foto: M. Toderaş).
Abb. 4.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Besuch von
Prof. Dr. Pâl Raczky und Mitarbeiter
(Foto: A. Reingruber).
Handwerkers zu gelten.11 Die Herstellung von Großkeramik ist technisch deutlich anspruchsvoller als von kleinen Gebrauchsgefäßen. In Griechenland be- zeichnete man mit der Redewendung „sie versuchen das Töpferhandwerk durch die Herstellung von Pit- hoi zu erlernen“ etwa den Versuch zu rennen, bevor man laufen kann.12
Indirekt legen die beiden sehr schweren Gefäße (für das große Gefäß sind drei bis vier Personen zum Tragen nötig) nahe, dass die Produktion am Ort stattgefunden haben dürfte. Es ist allerdings auch der Transport in Booten aus entfernteren Orten über das Gewässernetz der Donau denkbar.13 Dass der große Pithos einen gewissen Wert darstellte
11 Vgl. Hampe/Winter 1962, 67 ff.; Romero/Cabasa 1999.12 Christakis 2005, 4.13 Beide Varianten sind ethnographisch belegt. Zu den verhandel
ten Pithoi vgl. Blitzer 1990, 675 ff.
Abb. 5.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Prof. Dr. Alexandru Vulpe informiert sich über die Grabung (Foto: M. Toderaş).
und nicht einfach ersetzt werden konnte, zeigt die Reparatur im Bodenbereich (Abb. 11). Die sorgfältig gebohrten Löcher waren, wie in späteren Zeiten üblich, wohl mit Kupferdraht verbunden.
Schließlich sind die Volumina von Bedeutung, da sie die großen Speicherkapazitäten innerhalb der Siedlung belegen. Gegenüber Speichergruben, in denen mit einem Verlust von einem Viertel bis zu einem Drittel des aufbewahrten Getreides gerechnet werden muss, sind große Speichergefäße deutlich effektiver. Die Pithoi in Pietrele waren daher sicher kein Einzelfall. Scherben sehr großer Gefäße wurden sowohl in den Grabungen von Berciu als auch in unseren Grabungen auf dem Siedlungshügel in Fläche F gefunden. Es ist wahrscheinlich, dass auch in anderen Siedlungen der Gumelniţa-Kultur vergleichbar große Gefäße existierten. Generell kann man vermuten, dass im publizierten Fundmaterial neolithischer bzw. kupferzeitlicher Siedlungen große Gefäße unterrepräsentiert sind, da die Scherben entweder nicht restauriert werden konnten oder
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Abb. 7.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Tag der offenen Tür mit Grabungs-
arbeitem vor Pithoi (Foto: A. Reingruber).
senkrechten Streifen, Zick-Zack-Bändern und Spiralen. Zwei dünne Arme in Flachrelief liegen auf dem „Bauch“ unterhalb der Brüste, die das Gefäß als weiblich kennzeichnen. Auch die Brüste sind plastisch angegeben, ebenso wie die Augen und die Nase, die auf dem niedrigen zylindrischen Gefäßhals das Gesicht bilden. Die Ohren sind durchstochen und dürften Ohrringe getragen haben.
Die Herstellung großer Speichergefäße ist, das sollte mit den angeführten Beispielen deutlich werden, nicht in der Kupferzeit der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausend aufgekommen, sondern lässt sich bis in das frühe 5. )t. v. Chr. zurückverfolgen und ist wahrscheinlich noch älter. Die Herstellung von Gefäßen über einem Meter Höhe blieb jedoch offenbar die Ausnahme bzw. war auf bestimmte Zeitabschnitte beschränkt. Ein wesentlicher Grund hierfür dürften die technischen Schwierigkeiten des Aufbaus und des Brands solcher Gefäße gewesen sein.18 Die Herausbildung und Tradierung handwerklicher Könnerschaft in der Pithosherstellung war vermutlich nur bei einer stabilen Nachfrage möglich.19
allgemein nicht mit Gefäßgrößen von über einem Meter gerechnet wird. Es sind daher spezielle Forschungen zu den neolithischen und kupferzeitlichen Großgefäßen notwendig. Nachweise für vergleichbar große Gefäße finden sich bereits in der ersten Hälfte des 5. Jts. v. Chr. Besonders spektakulär ist ein ebenfalls etwa 120 cm hohes Gefäß aus der epony- men Siedlung von Vinca (Abb. 12).14 Charakteristisch ist die Verzierung der Halszone mit einem „M“ (Abb. 13). Diese Verzierung verbindet das Gefäß aus Vinca mit den großen „Gesichtsgefäßen“ der Szakălhăt-Kultur (Abb. 14), die in größerer Zahl bekannt sind.15 Diese „Gesichtsgefäße“ - in Wirklichkeit „vollständige“ anthropomorphe Gefäße - erreichen teilweise ebenfalls eine beträchtliche Größe von bis zu 130 cm und dürften nach erhaltenen Getreideresten zu urteilen als Kornspeicher gedient haben.16
Wegen seiner anthropomorphen Form sei hier auch ein etwa zeitgleiches spektakuläres 84 cm hohes Speichergefäß genannt, das aus Toptepe, einer am Marmarameer unweit von Tekirdag gelegenen Teil-Siedlung stammt (Abb. 15).17 Das Gefäß ist 84 cm hoch und besteht aus ungebranntem Ton mit organischer Magerung. Es hat einen quadratischen Körper auf vier konischen Füßen. Die rote, gemalte Verzierung besteht aus registerförmig angeordneten
u Bacnh 1936 Taf. 32.15 Vgl. die zahlreichen Funde aus Battonya: Goldman 1978, 13 ff.
mit Abbildungen.16 Szenäszky 1990, 160; Tür Auskünfte zum Pithos von Polgar
danke ich Alexandra Anders (Budapest) herzlich.17 Özdogan/Dede 1998, 143 ff.
Der Grabungsbefund
Die Außensiedlung
Fläche J
Bereits 2009 wurde Fläche ) in leichter Hanglage ca. 50 m nördlich vom Teil bei 32,63 m NN im Norden angelegt. Sie war zunächst 5,5 x 6 m groß und wurde später um jeweils zwei Meter nach Westen und Süden erweitert. Bis zu einer Tiefe von 30,85 m NN handelte es sich um dunkelbraune Erde, in der keine archäologischen Strukturen erkennbar waren und aus der Funde geborgen wurden, die typolo- gisch von der spätneolithischen Boian-Kultur bis zur mittelalterlichen Dridu-Kultur reichten.20 Es handelt sich um ein über 1,60 m mächtiges Kolluvium. Unter diesem kamen dann überraschend gut erhaltene Befunde unter verbrannten Wandfragmenten zum Vorschein (Abb. 16). Im Einzelnen handelt es sich um einen relativ schlecht erhaltenen und aus seiner ursprünglichen Position verschobenen Ofen im Süden der Fläche (Abb. 17). Im Norden lagen die Reste einer 180 x 140 cm großen Lehminstallation, die ursprünglich direkt an den Ofen angeschlossen haben dürfte. In dieser fanden sich zwei große, 40 und 60 cm lange und über 50 kg schwere Mahlsteine und unmittelbar daneben ein Tongefäß in situ.
18 Christakis 2005. 3.19 Blitzer 1990, 686 zum Ende der Pithosproduktion in der Gegend
um Koroni/Griechenland.20 Für die Bestimmung der mittelalterlichen Scherben danke ich
Dr. Adrian loniţa.
Westlich davon fanden sich Scherben mehrerer Vorratsgefäße. Architekturreste konnten nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Allerdings fällt ins Auge, dass der Bereich, innerhalb dessen die verbrannten Befunde lagen, scharf begrenzt ist und sich in den nördlichen Teilen der Fläche keine Fundkonzentrationen fanden. Westlich von Ofen und Lehminstallation lagen zahlreiche große Scherben (Abb. 18) neben einer Lehmbank, auf der noch etwas vertieft der Boden des einen Gefäßes stand.
Aufgrund von Zeitmangel konnte 2009 der Fundkomplex nicht genauer untersucht werden. 2010 wurde die Fläche erneut geöffnet um die Grabungen abzuschließen. Bereits 2009 waren die Scherben von ihrer festen Sinterschicht befreit worden. Zum Vorschein kamen zwei verzierte Gefäße (Abb. 7-11). Das eine Gefäß mit einer Höhe von 120 cm maß etwa 400 Liter, das kleinere 200 Liter. Aufgrund des Bodens in situ konnte der Standort des großen Pithos auf der Lehmbank präzise bestimmt werden (Abb. 19).
Die weiteren Grabungen in Fläche J erbrachten eine Reihe von Funden, darunter im östlichen Teil ein großes Auerochsengehörn (Abb. 20). Nicht geklärt werden konnte, ob dieses mit zwei menschlichen Skeletten in Zusammenhang steht, die in nächster Nähe zum Vorschein kamen. Am östlichen Profilrand wurde das Grab eines rechtseitigen Hockers (Abb. 21) gefunden, zu dem eine sehr qualitätvolle Silexklinge und ein durchlochter Eberzahnanhänger gehören (Abb. 22). Diese überdurchschnittlichen Grabausstattungen sind unlängst erst durch I. Zalai-Gaäl zusammengestellt worden.21 Es konnte nicht geklärt werden, in welchem zeitlichen Verhältnis dieses Grab zum Gebäude steht.
Die größte Überraschung in Fläche J war jedoch der Nachweis eines zweiten, unverbrannten älteren Hauses unter dem verbrannten Gebäude. In seiner Orientierung weicht es nur geringfügig von dem jüngeren verbrannten Gebäude ab. Es konnte eine entsprechende Lehmbank und eine Mahlinstallation freigelegt werden (Abb. 23; 24). Es ist nach unserem Kenntnisstand das erste Mal, dass in einer Flachsiedlung der Kupferzeit im westpontischen Raum eine Kontinuität in der Errichtung von Häusern festgestellt werden konnte, was den Gedanken an eine Parzellenaufteilung nicht nur auf dem Teil, sondern auch der Außensiedlung nahelegt. Die 14C-Daten (Abb. 25) zeigen, dass zwischen dem jüngeren und dem älteren Gebäude ein deutlicher zeitlicher Abstand von einem Jahrhundert liegt. Auch in der Linienbandkeramik ist die Errichtung eines neuen Hauses auf den Ruinen eines älteren nach einer längeren Unterbrechung mehrfach nachgewiesen.
21 Zalai-Gaäl u. a. 2009.
Fläche L
2009 musste nördlich von Fläche J ein steckengebliebenes Bohrgestänge ausgegraben werden. Dabei kamen schon in einer Tiefe von knapp einem Meter größere Mengen Keramik sowie neun große Astragale verschiedener Tiere zum Vorschein. Eine Datierung im Mannheimer 1AC-Labor ergab 4336- 4268 cal BC. Hier wurde eine 5 x 5 m große Testfläche geöffnet. Unter dem Kolluvium fanden sich n den oberen 80 cm verschiedene Konzentration von Keramik und Tierknochen. Ab einer Tiefe von ca. 150 cm stießen wir auf einen großen Muschelhaufen, dessen gesamte Ausdehnung erst langsam deutlich wurde (Abb. 26) Innerhalb der Muschelkonzentrationen fanden sich vereinzelt menschliche Skelettreste, insbesondere ein Schädel (Abb. 27). Die Muschelkonzentration streicht im Westen an einen Gebäuderest heran, so dass mit einer Erweiterung dieser Fläche nach Westen und Süden der funktionale Zusammenhang dieses Befunds deutlich werden wird.
Fläche M
Nach dem Magnetogramm von Baoquan Song wurden die Grenzen der 7 x 14 m großen Fläche M abgesteckt, wo zwei Ofenstrukturen zu erwarten waren (Abb. 28). Dies bestätigte sich auch. 170 cm unter der Oberfläche wurde im Osten der Fläche eine umfangreiche Keramikkonzentration freigelegt, die südlich einer noch erhaltenen Lehmbank lag und aus insgesamt 95 Gefäßen bestand (Abb. 29; 30). Einige der Gefäße befanden sich noch in sicher originaler Versturzlage. Im westlichen Teil der Fläche fanden sich die schlechter erhaltenen Reste einer Lehminstallation mit Mahlstein sowie deutlich weniger Keramik. Im Süden der Fläche wurden insgesamt drei Bestattungen gefunden. Bemerkenswert sind zwei beigabenlose Gräber, die direkt übereinander angelegt wurden und nur durch 30 cm Erdreich voneinander getrennt waren (Abb. 31; 33).
Der Siedlungshügel
Fläche F
In der letzten Woche der Ausgrabung 2008 wurden auf einer Höhe von etwa 30,50 m NN die Reste eines verbrannten Gebäudes erkennbar. Die Annahme, dass es sich um einen intentionell verfüllten Gebäuderest handeln könnte, bestätigte sich bei den Ausgrabungen 2009 und 2010 jedoch nicht.
►Abb. 8.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. 120 cm hoher Pithos aus Fläche ) (Foto: S. Hansen).
*
Abb. 9.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. 76 cm hoher Pithos aus Fläche I (Foto: S. Hansen).
Abb. 10.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Pithos, Detail
der Verzierung mit großen Metallscheiben
(Foto: S. Hansen).
Abb. 11.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Pithos, Detail
der Flickungen im Bodenbereich
(Foto: S. Hansen).
■
Abb. 14.Großes „Gesichtsgefäß“ der Szakâlhât-Kultur (nach Goldman 1978, Taf. 3; 4).
Abb. 12.
Vinca, ehemaliges Jugoslawien. 120 cm hoher Pithos (nach Bacnh 1936. Taf. 32).
Abb. IS .Toptepe, Türkei. Anthropomorpher Pithos (nach Özdogan/ Dede 1998, Abb. 82).
Abb. 13.
Vinca, ehemaliges lugoslawien. Pithos, Detail der Halszone mit Verzierung in Form eines „M“ (nach Bacnh 1936 Taf. 32).
Abb. 16.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Fläche).
Blick auf den Befund 2009 von Osten
(Foto: S. Hansen).
►Abb. 17.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche ) 2009- 2010: Oberes verbranntes Gebäude mit Lehminstallation und Ofen; darunter unverbranntes Gebäude mit ähnlicher Orientierung (M. Karaucak und S. Brummack).
PIETRELE 2010 Trench J
Burnt Layer Small Finds
N
IAN AntierAX AxeBR BoarTuskВТ Bone ToolC E R Complete VesselFA Flint ArrowheadFB Flint BladeFC Flint CoreFG FigurineG S Grinding StoneHM House ModelHS HammerstoneJW JewelleryLW Loom WeightMV Miniature VesselSD Sherd DiscS P SpondylusWS Worked Stone
Abb. 18.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche ).
Scherbenkonzentration neben der
Lehminstallation (Foto: S. Hansen).
Abb. 19.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche ). Lehmbank mit der
Standspur des großen Pithos
(Foto: S. Hansen).
Abb. 21.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche ). Bestattung (Foto: S. Hansen).
Abb. 20Pietrele, Rumänien
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche J
Hälfte eines Aueroch sengehörns. Die andere Hälfte liegt noch darun
ter (Foto: S. Hansen)
Abb. 22.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche ). Bestattung, Beigaben: Silexklinge und Eberzahnanhänger (Foto: S. Hansen).
Abb. 23.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche J. Reste eines älteren unverbrannten Hauses (Foto: S. Hansen).
Abb. 25.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. u C-Daten aus den Flächen | (MAMS-12428 und 12429), G (MAMS-11102) und L (MAMS-11100)(A. Reingruber).
Ca ttxM M dato [calBC;
Abb. 26.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche L. Blick auf die Muschel konzentration (Foto: S. Hansen).
Abb. 27Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche L. Schädel in der Muschelkonzentration (Foto: S. Hansen).
Abb. 24.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche J. Blick in die Lehminstallation des älteren Hauses (Foto: S. Hansen).
Abb. 28.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Blick auf die
Flächen ) (links) und M (rechts) (Foto:
K. Scheele).
Abb. 29.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche M.
Blick auf die östliche Keramikkonzentration
(Foto: S. Hansen).
ИЩИЖ Ш
Abb. 30.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche M. Kleine Gefäße in Ver- sturzlage an der Lehmbank des Gebäudes (Foto: S. Hansen).
Abb. 31.Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Fläche M. Obere Bestattung des linksseitigen Hockers mit Kopf im Osten (Foto: S. Hansen).
Abb. 32.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche M.
Untere Bestattung des rechtsseitigen Hockers
mit (fehlendem) Kopf im Osten (Foto:
S. Hansen).
Abb. 33.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche M.
Hockerbestattungen (M. Toderaş).
Die West- und Nordwand des Gebäudes waren vergleichsweise gut zu erkennen. Sie positiv auszugraben gelang jedoch nicht. Doch konnte der Wandverlauf auch durch entsprechende Profile im Bereich der Pfosten klar dokumentiert werden. Die hohlen Pfostenstandspuren, die 2008 mit Gips ausgegossen worden waren, enthielten teilweise noch Holzreste. Östlich der Wand schließt sich ein etwa 1,5 m breiter Streifen an, in dem sich nur wenige Funde und auch nicht so ausgeprägte Brandspuren fanden. In einer scharf begrenzten Linie folgt dann der Bereich mit dem Ofen und über 250 zerbrochenen, aber rekonstruierbaren verbrannten Tongefäßen, die von teilweise sehr großen Wandfragmenten bedeckt waren (Abb. 34-35). Am westlichen und südlichen Rand des Ofens konnten die Abdrücke einer Reihe von dünnen Pfosten (ca. 4 -6 cm im Dm.) entdeckt werden, die zu einer dünnen Zwischenwand gehört haben dürften (Abb. 36; 37). Dadurch entstand eine Art Korridor. Möglicherweise ist diese Raumeinteilung mit dem obersten Haus in Fläche F vergleichbar, wo ebenfalls entlang der Westwand keine Gefäße aufgestellt waren, sondern verschiedene Geräte für eine Art Werkraum sprachen. Südlich an den Ofen gebaut ist eine vierkammrige Lehminstallation, deren südlicher Teil abgesackt ist, was mit einer Senkung des Untergrunds zu tun haben könnte. Auch im Profil zeigt sich, dass das Gebäude durch einen Abrutsch des südlichen Hügelteils zerstört wurde. Vermutlich entstand bei dieser Gelegenheit das Schadensfeuer. Innerhalb einzelner Abteilungen fanden sich noch kleine Tongefäße sowie Reste eines größeren Gefäßes. Mit 180 x 120 cm handelt es sich fast ebensogroße Lehminstallation wie in Fläche J. Der zerbrochene Läufer einer Mühle fand sich außerhalb der Installation hart an der Ostwand. An diese schloss eine massive Lehmbank an, deren nördliche Kante erhalten ist. Auch im Süden war der Raum durch eine dünne Zwischenwand begrenzt wie die Abdrücke der Pfosten belegen.
In Fläche F wurde mit Abschluss der Kampagne 2008 ein Niveau von 30,50 m NN erreicht. Nach unseren in den Vorjahren mit dem Handbohrer durchgeführten Bohrungen sollten damit für die Stratigraphie noch ca. 2,50 m bleiben (Hüttenlehm bis 27,93 m NN). Damit sollte in diesem Bereich der gewachsene Boden erreicht sein, was auch mit den Angaben von Berciu22 übereinstimmen würde, nach denen der Teil eine 7 m tiefe Stratigraphie aufweise. Eine 2009 durchgeführte Bohrung (mit dem Motorbohrer) am Südrand der Fläche zeigte überraschend, dass unter 150 cm Sand und Lehm eine weitere Kulturschicht erscheint, was die Beobachtungen zur massiven Aufschüttung des Siedlungshügels in Fläche В bestätigen würde. Eine zweite
22 Berciu 1956, 505.
Bohrung im Nordteil der Fläche 2010 bestätigte das Ergebnis. In der Bohrung „Piet 108“ wurden auf einem Niveau von 29,16 m NN in 0,5 m und in 2 m Tiefe zwei weitere etwa 50 cm dicke Brandschichten im Bohrkern identifiziert (Abb. 38). Dies bedeutet, dass die Siedlungsschichten mächtiger sind als bisher angenommen werden konnte. Da die Fläche F schon jetzt 7 m unter dem höchsten Niveau liegt, ist es technisch nicht möglich, in diesem Areal einfach weiterzugraben (Abb. 39). Aus Sicherheitsgründen ist es nötig, das inzwischen nicht mehr stabile Ostprofil um 4 Meter zurückzusetzen und eine Stufe auf einer Höhe von 33,50 m NN (dies entspricht dem zweigeschossigen Haus von 2006/07) herzurichten, so dass hier zunächst weitere vorbereitende Arbeiten notwendig werden, bevor in Fläche F weitergearbeitet werden kann.
Die Kreisgrabenanlage (Fläche K)
Die nur 680 m Luftlinie vom Teil entfernte Kreisgrabenanlage ist im Gelände noch teilweise sichtbar. Sie liegt auf einem Sporn, der nach drei Richtungen durch relativ steile Hänge begrenzt wird und nur nach Westen geöffnet ist (Abb. 40-43). Die Anlage ist leicht oval mit einer maximalen Ost-West-Aus- dehnung von 175 m, und einer Nord-Süd-Strecke von 150 m. Die Innenmaße betragen 135 x 100 m. In der unmittelbaren Umgebung zum Teil ist dies die fortifikatorisch zweifellos günstigste Position, welche natürlichen Schutz bot und von der aus ein weiter Bereich überblickt werden konnte. Der Kreisgraben ist vom Siedlungshügel in knapp 10 Minuten fußläufig zu erreichen, und bei vorteilhafter Windrichtung sind Zurufe möglich. Im südwestlichen Teil der Grabenanlage ist auf dem Satellitenbild und im Gelände ein flacher Hügel zu erkennen.
2007 wurde durch C. Hübner eine geomagnetische Prospektion des Terrassensporns vorgenommen, durch die drei konzentrische Gräben im Westen nachgewiesen werden konnten.
Um die Zeitstellung der Grabenanlage zu klären, wurde 2010 eine 42 m lange und 5 m breite Fläche angelegt und nach einer händischen Vorkontrolle mit dem Bagger die obersten 50 cm abgetragen. Die Fläche wurde so gewählt, dass alle drei Gräben zumindest tangential angeschnitten wurden. Im Planum konnten überraschenderweise die beiden äußeren Ringe nicht klar unterschieden werden. Stattdessen hob sich ein etwa 20 m breiter, dunkelbrauner Streifen ab. An der Stelle, an der wir den inneren Ringen erwarteten, war nichts dergleichen zu erkennen. In der breiten Verfärbung der beiden äußeren Grabenringe wurden drei bis zu 3 m tiefe Schnitte angelegt um Tiefe und Form der Gräben zu klären. Es handelt sich dabei um Sohlgräben mit einer Tiefe bis 2,35 m. In der Grabenfüllung fanden
Abb. 34.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche F. Blick
auf das verbrannte Gebäude (Foto:
S. Hansen).
Abb. 35.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Fläche F.
Großes Fragment der Lehmwand
(Foto: S. Hansen).
Abb. 36.Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Fläche F. Blick auf die nach Süden abgesackte Lehminstallation (Foto: S. Hansen).
Abb. 37.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche F. Zwischenwand im Süden des Hauses (Foto: S. Hansen).
Abb. 38.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche F. Bohrprofil Piet 108
(). Wunderlich).
sich sehr kleine Hüttenlehmbrocken sowie Scherben überwiegend bronzezeitlicher Zeitstellung. Unter jüngeren Funden ist eine keltische Münze und ein römischer Haarpfeil zu erwähnen. Nur drei Scherben aus dem mittleren Graben können der Gumelniţa- Kultur eindeutig zugeordnet werden (Abb. 44). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Datierung der Anlage nicht abschließend geklärt werden konnte. Eine neolithische oder kupferzeitliche Datierung muss jedoch nach den bisherigen Funden als wenig wahrscheinlich erachtet werden.
(S. H.)
Geomorphologische Untersuchungen der Donauaue
Bereits seit 2005 werden ausgehend von dem Teil paläoökologische und fluvialmorphologische Untersuchungen durchgeführt. Von Interesse sind dabei zum einen die Entwicklung der Donauaue im Verlauf des Holozäns und zum anderen die Entwicklung des tellnahen Areales während des Zeitraums der Besiedlung, um so Kenntnisse der physischgeographischen Rahmenbedingung für die Siedlungstätigkeit und Landnutzung zu gewinnen. Eine wichtige Erkenntnis der bisherigen Untersuchungen war, dass sich das Sedimentationsmilieu im Bereich
der Donauaue um etwa 4000 bis 4500 cal BC grundlegend änderte. Es wurde ein Wechsel von eher grobkörnigem Material (Sanden, Kiesen) zu feinkörnigerem Material (Schluffe, Tone) nachgewiesen. Die Interpretation des Sedimentwechsels als Hiatus erscheint auf Grund der vertikalen Schwankungen der Oberfläche der sandigen Ablagerungen plausibel. Weiterführenden Aussagen hierzu können jedoch erst getroffen werden, wenn OSL-Datierungen aus den Sanden vorliegen.23 Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den markanten Wechsel des Sedimentationsverhaltens zu erklären:a) Mit dem Beginn des Neolithikums erfolgte eine
Zunahme der Landnutzung, was zur Steigerung der Bodenerosion und damit verbunden zur Zunahme der Suspensionsfracht in den Flüssen beitrug, womit wiederum Änderungen im Abfluss- und Akkumulationsmilieu einhergingen.
b) Die Änderung des Abflussregimes der Donau ist die Folge postglazialer Meeresspiegelschwankungen des Schwarzen Meeres oder isostatischer und tektonischer Bewegungen, die für den Bereich zwischen den Südkarpaten und dem Balkangebirge typisch sind.
Den daraus resultierenden Forschungsfragen wurde während der Geländekampagne 2010 nachgegangen. Dabei wurden mehrere Untersuchungsschwerpunkte verfolgt. Zum einen war der nähere Teilbereich nach wie vor von Interesse. Hier wurde im Verzahnungsbereich zwischen Hang- und Auensedi- menten das Bohrraster weiter verdichtet um so zu einem besseren Verständnis der Reliefsituation während der Besiedlung beizutragen. Ferner wurden die Grabungen im Bereich der Kreisgrabenanlage durch Bohrungen unterstützt. Zum anderen galt es, die bereits während der Geländekampagne 2009 erfolgte Ausdehnung des Untersuchungsgebietes fortzuführen, um so ein umfassenderes Bild von der Sedimentstratigraphie der Auensedimente und deren großräumigen Variabilität zu erhalten. Das Untersuchungsgebiet wurde daher nach Süden und nach Osten erweitert. Darüber hinaus wurde südlich der Donau, auf bulgarischer Seite, ein Survey in Feuchtgebieten durchgeführt, um Archive für palynologi- sche und paläobotanische Untersuchungen zu erkunden.
Während der Geländekampagne 2010 wurden insgesamt 30 Rammkernsondierungen, zum Teil bis in eine Tiefe von 12 m, durchgeführt. Bereits im Gelände fand die Ansprache und Beprobung statt. An einem Standort (Piet 83b) wurde zudem ein geschlossener Kern erbohrt, an dem weitere OSL-Da- tierungen durchgeführt werden sollen. Die Karte in
23 Die Datierungen werden derzeit am OSL-Labor des geographischen Instituts der Universität Heidelberg von Frau Dr. A. Kade- reit durchgeführt.
Abb. 39.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Blick auf das Ostprofil. Die Messlatte ist 7 m hoch (Foto:S. Hansen).
Abb. 40Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche K. Luftbild (Foto: K. Scheele).
Abb. 41.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Blick über die drei Profilschnitte durch
die Grabenverfärbung (Foto: S. Hansen).
Abb. 43. Abb. 44.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Mittlerer Graben, Planum (Foto: S. Hansen). Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Scherbe der Gu-
melniţa-Kultur (Foto: T. Vachta).
Abb. 42.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Äußerer Graben, Nordprofil (Foto: S. Hansen).
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Abb. 45 gibt einen Überblick über die Lage aller bisherigen Bohrungen, die mit einem differentiellen GPS exakt eingemessen wurden. Außerdem sind zwei Profile hervorgehoben, welche im Folgenden näher erläutert werden. Bei Profil A handelt es sich um ein Auenquerprofil, das sich vom nördlichen Talhang bis zur Donau erstreckt, während Profil В parallel zur Donau verläuft.
Weiterhin wurden Vermessungen mit einem differentiellen GPS zur Erfassung des Mikroreliefs der Hochflutebene durchgeführt. Zur Erstellung des hochgenauen Geländemodells wurde eine neue Methode eingeführt und erstmals im Gelände getestet.
Bohrungen in der Nähe des Teils
In Tellnähe wurden insgesamt vier und im Bereich der Kreisgrabenanlage (Fläche K) neun Bohrungen abgeteuft. In der Nähe des Teils waren dies Piet 84, Piet 85, Piet 90 und Piet 108. Piet 108 wurde dabei im nördlichen Teil von Fläche F, die übrigen drei westlich, zwischen dem Talhang und dem südlich des Teils verlaufenden Gerinne durchgeführt (Abb. 46). Bohrung Piet 108 sollte die Frage nach der noch zu erwartenden Mächtigkeit der Siedlungsschicht beantworten. Tatsächlich wurde Siedlungsmaterial bis zu einer Kerntiefe von 3,15 m (26,01 m a. S. L.) vorgefunden. Unterhalb von 4,85 m KT (24,31 m a. S. L.) stehen stark marmorierte Tone an. Diese sind vergleichbar mit älteren, vermutlich pleistozänen Tonen, die in verschiedenen Niveaus am nördlich angrenzenden Talhang ausstreichen und daher nachfolgend als Terrassentone bezeichnet werden.
Der Vergleich mit dem Kern Piet 65, aus der Feldkampagne 2009 (Abb. 47), 6,86 m südwestlich von Piet 108 gelegen, bestätigt diese Annahmen und macht gleichzeitig die kleinräumliche Heterogenität der Siedlungsschichten deutlich. So reichen die heterogen ausgeprägten Kulturschichten etwa bis in die gleiche Tiefe (ca. 24 m a. S. L.), während der Terrassenton bei Piet 65 etwa 0,90 m tiefer beginnt.
Mit den Kernen Piet 84, Piet 85 und Piet 90 sollten Informationen über den Verzahnungsbereich von Hang- und Auensedimenten gewonnen werden. Tatsächlich treten die typischen Terrassentone bei Piet 84 in 3,30 m KT, bei Piet 85 in 4,80 m KT und bei Piet 90 in 1,50 m KT auf. Damit ergibt sich für die Oberfläche der älteren Terrassentone in diesem Bereich ein Einfallen Richtung Süd-Süd-Ost (Neigung 5,675°, Exposition 151,637°).
Die ersten Bohrungen im Bereich der Kreisgrabenanlage in Fläche К (Piet 92, Piet 93, Piet 94, Piet 95, Piet 96, Piet 97 und Piet 98) dienten dem Nachweis der Gräben der Kreisgrabenanlage. Anhand der geomagnetischen Daten wurden hier drei
parallel verlaufende konzentrische Gräben vermu- tet.2A Bereits bei Einrichten des ersten Planums von Fläche K, in dem auch die Bohrungen erfolgten, wurde jedoch deutlich, dass es sich wahrscheinlich nur um einen einzelnen Graben handelt. Dennoch wurden Bohrungen senkrecht zu dem Graben im Abstand von 1,5 m abgeteuft. Die Bohrkerne waren annähernd identisch. Der oberflächennahe Untergrund besteht hier vorwiegend aus schluffigem Ton, mitunter ist jedoch der Schluffanteil erhöht. Bis etwa 1 m Kerntiefe (KT), bei Piet 94 bis 2 m, bei Piet 97 bis 1,65 m und bei Piet 98 bis 1,25 m treten Siedlungszeiger (Hüttenlehm) auf und die Sedimente haben eine rötlich-braune Farbe. Es handelt sich dabei vermutlich um die Grabenverfüllung, denn außerhalb des potenziellen Grabens (Piet 101, Piet 102) tritt diese Verfärbung nicht auf. Ab etwa 2,50 m KT bis 3,20 m KT steht der Terrassenton an. Ein Befestigungssystem aus mehreren Gräben konnte somit nicht nachgewiesen werden.
Profil A und Profil В
Das in der Geländekampagne 2009 begonnene Auenquerprofil (Profil A) wurde durch die Bohrungen Piet 83, Piet 87, Piet 103 und Piet 100 ergänzt (Abb. 48). Die Bohrungen Piet 83 und Piet 91 wurden im zentralen Bereich des heute trockengefallenen Lacul Pietrelor, dem Profundal des ehemaligen Sees, abgeteuft.
Bis auf Kern Piet 8025 zeigen alle Kerne des Profils A den für die Aue im Untersuchungsgebiet typischen Aufbau des Untergrundes. Dieser ist gekennzeichnet durch eine teilweise mehrere Meter mächtige schluffig-tonige Abfolge, die einen vorwiegend sandigen Abschnitt überlagert. In zahlreichen Bohrungen tritt in den feinkörnigen Sedimenten in nahezu gleicher Tiefe eine dunkle, fast schwarze Lage mit geringen Karbonatgehalten auf. Diese stellt einen wichtigen Leithorizont dar. In der Nähe von rezenten und ehemaligen Gerinnen bzw. Kanälen befindet sich im Hangenden des feinkörnigen Abschnittes noch ein vorwiegend sandiger, teilweise durch feinsandig-schluffige Wechsellagerungen geprägter Abschnitt.
Südlich von Piet 64 liegt die Oberfläche der unteren Sandfazies etwa 7 m höher als bei den vier nördlichen Kernen. Gleichzeitig ist auch ein Anstieg der Geländeoberfläche um etwa 2 m von Piet 64 auf Piet 103 zu verzeichnen. Bis zur Donau steigt die Geländeoberfläche um weitere ca. 1,50 m an. Auch konnte die typische dunkle Lage nur in den vier nördlichen Kernen identifiziert werden. Piet 79 weist zwar ebenfalls eine dunkle Lage bei 0,90 m
24 Hansen u. a. 2008, Abb. 6.25 Hansen u. a. 2009, 15.
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Abb. 47Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche F.
Schematischer Aufbau der Kerne Piet 65 und
Piet 108.
bis 1,60 m Kerntiefe auf, die sich jedoch nicht mit dem Leithorizont parallelisieren lässt und vermutlich genetisch und chronologisch anders einzuordnen ist.
Das Auenlängsprofils (Profil B; Abb. 45) beginnt mit dem Kern Piet 83 im Bereich des ehemaligen Lacul Pietrelor und verläuft in östlicher Richtung mit einer Gesamtlänge von mehr als 23 km bis zum Kern Piet 99 im ehemaligen Lacul Greaca. Ähnlich dem Profil A kann über den gesamten Verlauf des Profils В die charakteristische Zwei- bzw. Dreiteilung der Stratigraphie sowie der dunkle Leithorizont beschrieben werden (Abb. 49). Einzig im Bereich der Kerne Piet 89a/b scheint dieser Abschnitt zu fehlen. Die Oberkante der Sandfazies wurde in dieser Bohrung bereits bei 3,10 m KT angetroffen. Die Erklärung hierfür liefert der im Verlauf des Profils С (Abb. 45) erbohrte Kern Piet 88 (Abb. 50). Dieser ähnelt in seinem Aufbau stark dem Kern Piet 89a/b, und die Oberfläche der Sandfazies liegt hier nur wenig tiefer (2,20 m KT) als bei Piet 89a/b. Wenig unterhalb der Oberfläche der Sandfazies, bei 2,70 m bis 3,60 m KT, weisen die Sande in Piet 88 eine dunkle, fast schwarze Färbung auf. Dieser Abschnitt lässt sich vermutlich mit dem weniger dunklen Abschnitt im Kern Piet 89a/b (3,30 m bis 3,80 m) und dem dunklen Leithorizont parallelisieren. Ist dieser Zusammenhang richtig, würde die vermutlich in einem See gebildete dunkle Lage eine ehemalige, leicht reliefierte Oberfläche mit Aufragungen im Bereich der Bohrungen Piet 88 und Piet 89a/b nachzeichnen.
Die beiden Kerne, die das östliche (Piet 99) und das westliche (Piet 83) Ende dieses Profils В markieren, werden detailliert mit sedimentchemischen- und sedimentphysikalischen Methoden untersucht, um Hinweise auf die Ablagerungsmilieus der einzelnen stratigraphischen Einheiten zu erhalten. Außerdem werden am geschlossenen Kern Piet 83b an verschiedenen signifikanten Bereichen der Stratigraphie OSL-Datierungen durchgeführt. Beide Profile machen deutlich, dass sich die Sedimentstratigra phie der Bohrkerne aus der Donauaue im Wesentlichen nur in der Mächtigkeit der einzelnen Einheiten unterscheidet, die einzelnen Abschnitte sowie die markante dunkle Lage können über weite Distanzen zuverlässig parallelisiert werden. Die Oberfläche der Sandfazies weist hingegen Niveauunterschiede auf, die jedoch durch die hangenden Stillwassersedi- mente ausgeglichen werden.
Aus historischen Karten und Corona Satellitenbildern können Existenz und Lage des Lacul Pietrelor und des Lacul Greaca sowie anderer ehemaliger Seen in der Donauaue bis zum Beginn der Trockenlegung der Aue belegt werden. Bei den jüngeren Sedimenten in den Kernen Piet 17, Piet 64, Piet 83, Piet 91, Piet 99, Piet 105 u. a., die im Bereich der ehemaligen Seen abgeteuft wurden, handelt es sich somit um Stillwasserablagerungen. Diese fallen zumeist durch vorwiegend schluffig-tonige Korngrößen auf. Allerdings können infolge von starken Hochwässern auch sandige Sedimente in das Stillgewässer eingespült worden sein. Allochthone und autoch- thone Materialien vermischen sich und lagern sich dann als Seesediment ab. Sie stellen wertvolle Geo- archive für die Rekonstruktion der Auenentwicklung dar. Für palynologische Analysen sind diese Sedimente aufgrund des hohen Anteils allochthoner Materialien jedoch nur bedingt geeignet.
Palynologische Prospektion in Nordbulgarien
Um andere geeignete Archive für palynologische Untersuchungen zu erkunden, wurde im Juli 2010 auf der südlichen Donauseite in Bulgarien eine mehrtägige Prospektion durchgeführt.26 In deren Verlauf wurden die Bohrungen KM-01, GV-01 und GV-02 am Rand von Feuchtgebieten abgeteuft, die sich im Mündungsbereich von Donauzuflüssen ausgebildet haben. Die Kerne zeigten eine Stratigraphie, die mit der auf rumänischer Seite vergleichbar ist. Leider war es aufgrund des extrem feuchten Jahres nicht möglich, in den zentralen Bereichen der
26 Die palynologischen Analysen erfolgten durch Dr. Elena Marinova, Center for Archaeological Sciences, Katholieke Universiteit Leuven.
Sumpf- bzw. Schwemmgebiete zu bohren, da diese größtenteils vollständig unter Wasser standen. Dennoch erweckt das Material in den distal abgeteuften Kernen den Eindruck einer Eignung für weiterführende palynologische Untersuchungen. Sollten die ersten Laboruntersuchungen dies bestätigen, kommen die Gebiete auf bulgarischer Seite für weitere Untersuchungen in Frage, die allerdings nur in trockeneren Jahren erfolgen können.
Erfassung des Mikroreliefs
Zur Erfassung der (Mikro)Topographie im Bereich der Aue wurde erstmals eine neue Methode angewendet. Dazu wurde der automatische Aufzeichnungsmodus eines differentiellen GPS (DGPS)27 genutzt, um in vorher definierten gleichen Abständen Geländepunkte in der Aue automatisch einzumessen. Diese Punkte dienten dann der Erstellung hochgenauer
Zum Einsatz kam ein GPS HiPer Pro der Firma Topcon.
digitaler Geländemodelle. Um einen gleichmäßigen Abstand zwischen Satellitenantenne und Geländeoberfläche zu gewährleisten und eine adäquate Aufzeichnungsgeschwindigkeit zu erreichen, wurde die Roverantenne des DGPS auf ein Quad/ATV montiert. In der Aue mit den sehr geringen Reliefunterschieden konnte so der zeitliche Aufwand für die Vermessung begrenzt werden. Die Qualität der erhobenen Daten überstieg alle Erwartungen. Insgesamt wurden sieben Flächen mit zusammen 1.067.844,46 m2 aufgenommen, die nun als Mikro-DGM zur Verfügung stehen (Abb. 51).
Die Abb. 52 zeigt den unteren Teil (bis 20 Höhenmeter) der Flächen F l und F6 in Tellnähe. Deutlich erkennbar ist eine geringe Erhöhung (ca. 0,30 m, grün) der Auenoberfläche im Bereich des Bachlaufes westlich des Siedlungshügels. Diese Erhöhung kann als teilweise von Stillwasser- bzw. Hochflutsedimenten überdeckter Schwemmfächer interpretiert werden, der beim Eintritt des Gewässers in die Aue aufgeschüttet wurde. Im Zentrum dieser Struktur,
Abb. 48.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Lithologische Profile entlang der Profillinie A, parallel zum Donaulauf. Die Bohr profile zeigen den Übergang von älteren Sanden (gelb) zu jüngeren (See) Sedimenten (blau) (Lage der Profile vgl. Abb. 45).
Abb. 49.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Lithologische
Profile entlang der Profillinie B, quer zum
Donaulauf. Die Bohr- profile zeigen den
Übergang von älteren Sanden (gelb) zu jün
geren (See)Sedimenten (blau) (Lage der Profile
vgl. Abb. 45).
unmittelbar westlich des Feldwegs, verläuft ein Graben, der die Aufnahme des MikroDGMs mittels Quad erschwerte. Dieser Bereich soll zu einem späteren Zeitpunkt manuell erfasst werden.
In Abb. 53 sind die Messergebnisse für die Flächen F3 und F5 südlich des Teils dargestellt. Deutlich erkennbar sind zwei Gerinnesysteme, eines in West-Ost Richtung und eines in Nordwest-Südost Richtung. Diese Gerinnesysteme sind durch die historischen Karten belegt. Bereits während der Geländekampagne 2007 wurden quer zu dem in West- Ost-Richtung verlaufenden Gerinnesystem mehrere Bohrungen abgeteuft.28 Die Kerne des Profils F3 (MDGM) (Abb. 54) zeigen wieder die typische Zwei- bzw. Dreiteilung der Sedimentstratigraphie. Unter den grün dargestellten Abschnitten, den vorwiegend sandigen Resten des Gerinnes, folgt ein bis zu
6 m mächtiger Abschnitt schluffig-tonigen Materials (blau), unter dem die Sandfazies (gelb) zu erkennen ist. Ferner ist der dunkle Leithorizont oberhalb bzw. unmittelbar an der Oberkante der Sandfazies vorhanden. Allerdings treten innerhalb des schluffig- tonigen Bereichs mehrere ähnlich dunkle Abschnitte auf, wodurch die Parallelisierung erschwert wird.
Der Vergleich der schluffig-tonigen Bereiche in Profil F3 (MDGM) mit Abfolgen aus den ehemaligen Seen, macht deutlich, dass es sich bei den Sedimenten unterhalb der Gerinnestrukturen ebenfalls um Seesedimente handelt. Eine ähnliche Situation wurde im Bereich der Kerne Piet 72, Piet 73 und Piet 74 angetroffen, wo sich ebenfalls unter den Ablagerungen eines ehemaligen Gerinnes die potenziellen Seesedimente erhalten haben.29
28 Hansen u. a. 2007, 11-12. 29 Hansen u. a. 2009, 15-17.
Abb. 50.
Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Lithologische Profile entlang der Profillinie C, quer zum Donaulauf. Die Bohr- profile zeigen den Übergang von älteren Sanden (gelb) zu jüngeren (See)Sedimenten (blau) (Lage der Profile vgl. Abb. 45).
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Abb. 51.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Statistische
Übersicht der gemessenen MikroDGM Ftächen.
Schlussfolgerungen
Anhand der bisher erfolgten Bohrungen in der Aue können weitreichende Aussagen zur Lithostratigraphie und zur räumlichen Verbreitung der Sedimente getroffen werden.
Bohrungen in den Bereichen der ehemaligen Seen zeigen eine typische Zweiteilung der Stratigraphie. Im oberen Bereich dominieren schlufflg-tonige Sedimente, darunter befinden sich vorwiegend sandige Ablagerungen. Innerhalb des schluffig-tonigen Abschnittes finden sich dabei wiederholt Bereiche mit höheren Sandanteilen, jedoch von geringer Mächtigkeit. AMS-u C-Datierungen aus dem unteren Teil dieses Abschnittes erbrachten Alter von mehr als 3000 cal BC. Ein Altersintervall von 4690-4270 cal BC (Piet 63) wurde für eine Probe aus 8,45 m Tiefe ermittelt.30
Im Bereich ehemaliger natürlicher Gerinnen bzw. künstlicher Kanäle ist dem schluffig-tonigen Abschnitt noch ein stark sandig-schluffiger, heterogener, teilweise wechselgelagerter Abschnitt übergelagert. Diese mehrere Meter mächtigen Sedimente wurden in den Gerinnen selbst sowie als Uferwälle abgelagert und besitzen eine größere Mächtigkeit und einen höheren Sandanteil als die sandigen Ablagerungen innerhalb der schluffig-tonigen Abschnitte.
Aus den Bohrergebnissen und den Sedimentanalysen lassen sich hinsichtlich Landschaftsentwicklung im Holozän folgende Schlussfolgerungen ziehen:
Vor der Trockenlegung der Aue in den 1960er Jahren war das Gebiet in einem quasi-natürlichen Zustand. Es existierte wie heute ein annähernd stabiler Donaulauf im Süden der Aue. Der nördliche Teil der Aue war geprägt durch eine Vielzahl deutlich kleinerer, aber ebenfalls annähernd lagestabiler Gerinne. Dies deutet auf die Existenz eines anastomosierenden Flusssystems hin. Vier Datierungen an den Gerinnesedimenten (Piet 73) aus Tiefen von etwa 4,10 m bis 5,10 m KT ergaben Alter von 1295 cal AD bis 1630 cal AD.31 Damit kann für die Existenz des anastomosierenden Flusssystems eine
30 Hansen u. a. 2009, 12.31 Hansen u. a. 2009, 12; 17.
Mindestdauer von etwa 650 jahren angenommen werden.
Vor dieser Phase wurden weite Teile der Aue vermutlich von ausgedehnten Seen mit kleineren Inseln eingenommen. Hierauf deuten erste Ergebnisse mikrofaunistischer Analysen (Piet 74), die Gleichförmigkeit der Seesedimente, die im Bereich der ehemaligen Seen Lacul Pietrelor und Lacul Greaca abgelagert wurden sowie deren Ähnlichkeit zu den liegenden Sedimenten der jungen Ablagerungen des anastomosierenden Systems hin (Abb. 54). Dies wird gestützt durch die Ergebnisse der sedimentphysikalischen Untersuchungen. Die vorliegenden Datierungen weisen auf ein Mindestalter dieser Seesedimente von etwa 5500 bis 6500 Jahren hin. Die sandigeren Abschnitte, durch welche die Stillwas- sersedimente gegliedert werden, sprechen für erhöhte Einträge an allochthonem Material während der Stillwasserphase. Der Eintrag dieses Materials in das Stillgewässer könnte dabei sowohl durch Donauhochwässer als auch durch Hangabtrag am nördlichen Talhang erfolgt sein.
Der Ursprung der unterhalb der Stillwasser- sedimente befindlichen Sandfazies lässt sich mit den vorhandenen Daten noch nicht genau klären. In jedem Fall repräsentieren die Sande ein fluviales System, das die gesamte Breite der Überschwemmungsebene einnahm und deutlich höhere Strömungsgeschwindigkeiten als während der nachfolgenden Stillwasserphase aufwies.
Ausblick
Trotz einer Vielzahl von Bohrungen und ergänzender Geoelektrikprofile und der daraus resultierenden Erkenntnisse zur holozänen Landschaftsentwicklung in dem untersuchten Donauabschnitt, sind für das Verständnis der holozänen Sedimentationsprozesse weitere Bohrungen unabdingbar. Die Anlage von Bohrprofilen in N -S- und W-O-Richtung hat sich bewährt und soll auch in den folgenden Kampagnen fortgesetzt werden. Geplant ist dabei zunächst die Verdichtung des Bohrrasters im östlichen Teil des Profils В und im Bereich des Querprofils C. Ferner ist die Anlage weiterer Bohrcluster an für das Systemverständnis relevanten Standorten geplant.
Ein weiterer Schwerpunkt der nächsten Feldkampagne wird die Entnahme von geschlossenen Kernen an Schlüssellokalitäten sein. Ziel ist dabei die Gewinnung von Material für die Altersbestimmung der untersten Sandfazies mittels OSL-Datierun- gen sowie für palynologische Untersuchungen. Durch mikrofaunistischen Untersuchungen an den Kernen Piet 83 und Piet 99 soll für bestimmte Kernabschnitte das Paläomilieu rekonstruiert und so die Existenz ausgedehnter Stillgewässer und deren raumzeitliche Variabilität überprüft werden.
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Abb. 53.Pietrele. Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Höhendaten (weiß 17,9 m a.s.l.,
hellblau - 15,6 m a.s.l.) der MikroDGM
Flächen F3 und F5, die die ehemaligen Gerin
ne, bzw. deren Uferwälle verdeutlichen, sowie der Lage des Profils F3 (MDGM), das das süd
liche Gerinne quert.
Abb. 54.Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Lithologische Profile entlang der Profillinie F3 (MDGM), zwischen den MikroDGM Flächen F3 und F5. Die Bohrprofile zeigen den Übergang von älteren Sanden (gelb) über jüngere (See)Sedimente (blau) bis hin zu jungen Gerinneresten bzw. Uferwällen (grün)(Lage des Profils vgl. Abb. 53).
Die Methode zur Erstellung eines MikroDGMs zeigte erste vielversprechende Ergebnisse. Es ist mit dieser Methode möglich, morphologische Strukturen mit geringer vertikaler Ausdehnungen und hoher räumlicher bzw. geometrischer Auflösung in einem vertretbaren Zeit- und Kostenrahmen zu erfassen. Mittels gezielt durchgeführter Bohrungen kann die Entstehung der Strukturen weiter analysiert werden. Wenngleich es aufgrund der Größe des Untersuchungsgebietes nicht möglich ist, die gesamte Aue mit dieser Methode zu kartieren, so können doch ausgewählte Bereiche, welche für konkrete Einzelfragestellungen, z. B. die Rekonstruktion der Uferlinien von Paläoseen oder die Verbreitung von Flussterrassen bedeutend sind, erfasst werden. Ein Fokus in 2011 wird zweifellos der Bereich zwischen den Kernen Piet 64 und Piet 103 sein sowie der Bereich zwischen Piet 100 und Piet 80 (Abb. 48). Die
se Untersuchungen sollen Aufschluss über die Oberflächenstruktur eventueller vertikaler Diskordanzen und das südliche Ufer des vermuteten Auenstillge- wässers geben.
(D. N./J. W.)
Die Keramik
ln der Kampagne 2010 wurden auf dem Teil und in der Außensiedlung insgesamt 152 rekonstruierbare Gefäße und 41.346 Einzelscherben geborgen, so dass sich die Materialbasis auf ca. 400.000 Einzelscherben bzw. 10,6 Tonnen erhöht. Die Anzahl der vollständigen/restaurierbaren Gefäße ist auf 1270 gestiegen.
In diesem Bericht soll vor allem die Keramik aus der Außensiedlung mit den Flächen J, L und M
Abb. 55.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Keramik.
Schale P10F418CER02 mit rotem Farbauftrag und Graphitbemalung
(Foto: T. Vachta).
einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Die Gefäße vom Teil aus Fläche F gehören nämlich zum Großteil dem verbrannten Gebäude von 2009 an und werden in einem anderen Zusammenhang mit diesem noch in der Restaurierung befindlichen Inventar besprochen. Jedoch verdienen zwei Gefäße aus Fläche F hervorgehoben zu werden, die unter dem Fußboden des verbrannten Hauses als Scherbenstreuungen auftraten: beide Gefäße waren nicht nur mit Graphit, sondern auch mit pastoser Farbe bemalt (Abb. 55; 56). Der Rand der Schale P10F418 ist mit Graphit in breitem Zickzackband versehen, während auf dem konischen Körper vier symmetrisch angeordnete, aufgerauhte Felder rot ausgelegt sind. Das Schultergefäß P10F440 trägt nicht nur auf dem Hals, sondern auch auf der gewölbten Schulter Graphitmuster. Auf diese wurde zusätzlich ein Spiralhaken eingeritzt, in dessen Rillen noch weiße Farbe erhalten blieb. Mit weißer pastoser Farbe ist der konische Unterteil in vier, diesmal miteinander verbundenen, aufgerauhten Zonen, die Dreiecke aussparten, bemalt. Roter und weißer Farbauftrag tritt häufig in einer frühen Stufe der Gumelniţa-Kultur auf.32
In Fläche F lagen zudem drei Ringe aus Ton mit Einstichmustern und weißer Inkrustation, die als Untersatz für Gefäße gedient haben mögen (Abb. 57). Vergleichbare Lehmringe sind ebenfalls aus der frühen Phase der Gumelniţa-Kultur bekannt, wie z. B. aus Tangäru und Cernavodă.33
32 Voinea 2005.33 Berciu 1961, Abb. 207,3; Schuchhardt 1924, Abb. 8 -9 . Ein ähn
liches Stück aus Hârşova wird in die Stufe Gumelniţa А2 gewiesen (Voinea 2005, Taf. 75,5).
Verglichen mit der Keramik aus den bislang ältesten Ablagerungen in Fläche В wurde in F eine Schicht erreicht, die dieser aus typologischen Gründen entspricht. Dazu gehören die stark konkaven Ränder wie auf der Schale F418, aber auch die leicht einziehenden, konkaven Unterteile von Gefäßen sowie die häufiger werdende Ritzverzierung und der Gebrauch von roter und weißer Farbe.
Die Keramik aus Fläche J
In Fläche J wurde bereits 2009 ein stark verbranntes Gebäude angetroffen, an welchem 2010 die Arbeiten beendet werden konnten. Zu dem erhaltenen Hausinventar gehören 37 restaurierbare Gefäße, wobei zu den 28 Gefäßen von 2009 weitere 9 hinzukamen. Gemäß ihrer Lage im Gebäude traten sie in drei Anhäufungen auf:- Auf und in der Mahlinstallation mit zwei über
50 kg schweren Mahlsteinen lagen 17 Gefäße. Westlich davon verlief eine Lehmbank, in die ein 120 cm hoher Pithos ca. 8 cm tief eingelassen war (Abb. 19). Ein zweiter, 76 cm hoher Pithos stand daneben, und ein dritter, etwas schlankerer, aber mit 88 cm ebenfalls hoher Pithos, war wohl ursprünglich in der gleichen Flucht aufgestellt, zumindest deuten dies die Scherbenansammlungen an. Ob sie ursprünglich auf oder vor der Lehmbank platziert waren, lässt sich nicht mehr erschließen. Sechs weitere Gefäße, darunter eine Schale und drei Deckel, waren ebenfalls in diesem ca. 2 x 2 m großen Bereich vorhanden.
- Südlich von diesem Bereich und westlich der Herdstelle lagen neun rekonstruierbare Gefäße. In der SW-Ecke der Fläche kamen neben einem weitestgehend restaurierbaren Gefäß noch einige
Abb. 56.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik. Schultergefäß P10F440CER03 mit Ritzverzierung, weißem Farbauftrag und Graphitbemalung (Foto: T. Vachta).
Abb. 57.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Lehmring P10F407 mit Einstichverzierung und weißer Inkrustation (Foto: T. Vachta).
Abb. 58.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Transport der Pithoi nach Bukarest (Foto: P. Leidner).
Scherben zutage, die an die nördlich gelegenen Gefäße anpassten und die wohl im Laufe der Zeit nach Süden verlagert worden waren.
Eine unvollständige, kleine Schale wurde im Nordwesten der Fläche geborgen und ist somit keiner der genannten Scherbenstreuungen direkt zuzuordnen. Da aber nördlich der Mahlinstallation keine weiteren Gefäßreste entdeckt wurden, sich der Scherbenteppich auch nicht im Westprofil fortsetzte und östlich der verbrannten Installationen gar keine restaurierbaren Gefäße auftraten, sind die Konturen des Hauses bis auf den südlichen Abschluss durch diese Fundsituation gut zu fassen (Abb. 18). Erst 3 m weiter östlich, in der Nähe des Ostprofils bzw. in der SO-Ecke der Fläche, traten wiederum Reste von drei Gefäßen auf, die wohl zu einem benachbarten Hauskomplex gehört haben mögen.
Drei Pithoi aus Fläche J
Aus der stark versinterten, 100 kg wiegenden Scherbenansammlung P09J386 konnten durch einen umsichtigen Entsinterungsprozess am Ende der Kampagne 2009 und geduldige Puzzlearbeit am Beginn der Kampagne 2010 zu unserem eigenen Erstaunen nicht nur eines, sondern sogar drei große Vorratsgefäße zusammengefügt werden.34 Die beiden voluminösen Pithoi (Abb. 7-9; 64) zeigen Anzeichen sehr starker Abnutzung: der große Pithos war im unteren Teil zerbrochen, wurde aber repariert und mit einer (Leder?)Schnur wieder zusammengehalten. Der kleinere Pithos ist bis auf die Leiste unter dem Hals und sogar noch darunter abgescheuert, was auf ein häufiges, sehr tiefes Hineingreifen mit dem ganzen Arm hinweist. Ob diese Abnutzungsspuren auf eine lange oder eher eine sehr intensive Nutzung deuten, sei dahin gestellt.
Die Höhe des großen Pithos beträgt 120 cm, die Mündung ist oval und misst max. 52 cm. Messungen ergaben, dass das Gefäß ca. 400 Liter fassen konnte. Ca. 23 cm vom Boden entfernt sind fünf Paare von Flicklöchern erhalten - Flüssigkeiten konnten in ihm danach nicht mehr aufbewahrt werden, aber womöglich war das auch davor nicht der Fall. Vom Boden des Gefäßes konnten wenige verkohlte pflanzliche Reste geborgen werden - leider fehlten die diagnostischen Merkmale, so dass keine Bestimmung möglich war. Auch für eine AMS-Datie- rung war nicht ausreichend Material vorhanden.3*
34 An der Zusammensetzung der Gefäße war neben den beiden Restauratorinnen C. Georgescu und K. Noack - ein Großteil des Teams beteiligt. Insbesondere möchte ich P. Nedelcheva. ). Pelegrin, L. Tharandt und H. Bernert für ihre Hilfe danken. Bei dem nicht ganz unkomplizierten Transport nach Bukarest sorgten ). Abuladze. 0. Spânu und D. Zhvania für ein gutes Gelingen (Abb. 58).
35 Persönliche Mitteilung B. Kromer vom Mai 2011.
Der Anordnung der Scherben nach zu urteilen, kippte der große Pithos nach Westen um, wobei aber nur die untere Scherbenlage erhalten blieb, die obere fehlt komplett - somit ist vom Pithos nur die eine Hälfte erhalten.36 Dieser Pithos hatte seinen festen Standort im Haus: Abgesehen davon, dass er in die Lehmbank eingelassen war, besaß er auch ein hohes Eigengewicht und war nur schwer manövrierbar - sogar im Leerzustand sind heutzutage vier Träger nötig.
Der kleinere Pithos mit ca. 200 Liter Inhalt ist 76 cm hoch, sein ovaler Mündungsdurchmesser beträgt max. 45 cm. Beide Gefäße sind stark verbrannt, weswegen sie ihre ursprünglichen Farbkomponenten verloren haben: im Jetztzustand sind sie orange-rot durchglüht, mit z. T. grau geschmauchten Flecken. Reste roter Farbe haben sich in den aufgerauhten Partien und Spuren weißer Paste in den breiten Ritzlinien, die die Kontur der Schlaufen vorgeben, erhalten. Ursprünglich mögen beide Pithoi in einer reduzierenden Atmosphäre dunkel gebrannt worden sein, was einen starken Kontrast zu den nachträglich aufgetragenen roten und weißen Farben gebildet haben muss.
Die beiden Pithoi unterscheiden sich, abgesehen von der Größe, formell nur wenig voneinander: bei dem großen Pithos ist die hochgezogene Schulter stärker gerundet, beim dem kleinen ist der Übergang vom hohen Hals zur Schulter fließender, der Schwerpunkt liegt tiefer, im Bauchbereich. Bei beiden ist auf dem hohen, konischen, leicht ovalen Hals eine Leiste unter dem Rand angebracht, wohl um eine Abdeckung darunter zu befestigen.
Ungewöhnlich ist das Fehlen von Knubben auf der Schulter, wobei aber die Griffe unter dem Bauch wie bei allen anderen Vorratsgefäßen vorhanden sind. Der konische untere Teil ist in beiden Fällen weniger gut geglättet als der Hals, der Boden ist flach.
Auf beiden Pithoi gibt es zwei Hauptansichts- flächen, eine Vorder- und eine Rückseite (Abb. 64). Das Hauptmotiv ist auf dem Bauch angebracht: da der große Pithos nur zur Hälfte erhalten ist, kann auf die Verzierung der fehlenden Seite lediglich aufgrund des Vergleiches mit seinem Gegenstück geschlossen werden, die Rekonstruktion muss hypothetisch bleiben.
Beide Ansichtsseiten waren mit annähernd identischen Motiven verziert. Zwei ineinander greifende Spiralhaken bilden ein Muster, das als Dop-
36 Aus der Lage der Scherben kann die Fallrichtung des Gefäßes gut rekonstruiert werden: der Boden war bei 157,60/94,90 fest in der Lehmbank integriert, das Gefäß kippte von der Installation weg nach Westen und kam seitlich (unter Sauerstoffabschluss) auf dem jetzt dunkel angeschmauchten Unterteil mit den Reparaturlöchern zu liegen. Auch vom Bauch und Hals liegen noch einige Scherben in direkter Falllage, andere Scherben sind leicht nach Süden abgerutscht bzw. im Laufe der Jahrtausende noch weiter südlich erodiert.
pelhelix beschrieben werden kann. Je nach „Leserichtung“ beginnen die Helices mit einem Dreieck, dessen Spitze in Laufrichtung weist, bzw. enden in einem mehrzinkigen, fransenartigen Motiv.37 Durch das polierte Helixband des kleineren Pithos verläuft eine zusätzliche Trennlinie.
Eine Diagonale trennt die beiden Hauptzier- flächen voneinander, wobei sich in den Zwickeln Gelegenheit für die Anbringung eines emblemartigen Motivs bot: beim großen Pithos ist dies ein Kreis, in den ein Viereck eingezeichnet ist, aus dessen Ecken je ein Spitzoval mit der runden Seite zur Mitte hinweist. Beim kleinen Pithos sind im Wechsel zwei Kreise eingefügt - einer mit und einer ohne Punkte entlang des Umfangs. Ersterer wird von S. Hansen als das Abbild einer Metallscheibe gedeutet (Abb. 10).
Die Mehrdeutigkeit der Lesart - wo die Helices anfangen und wo sie enden - und die Spiegelung der Motive mit der Punktscheibe mal oben und mal unten, wird durch den Negativ-Positiv-Wechsel der Verzierung gedoppelt: als Negativ kann der auf
Eine rundere Version dieses Musters in Graphit wird als „Tul- penzier“ bezeichnet: Dumitrescu u. a. 1983, 103 Abb. 8.7; Voi- nea 2005, Taf. 78,4 (Sultana); vgl. auch Hansen u. a. 2007, Abb. 28.
gerauhte, mit roter Farbe ausgelegte „Hintergrund“ verstanden werden, auf welchem sich die ursprünglich wohl polierten, durch den Brand matt gewordenen Helices winden, die in besagtem „Fransenmotiv“ enden. Auch bei dem Emblem des großen Pithos wird mit der Reversibilität von Positiv/Negativ-Motiv gespielt:38 je nach Lesart kann ein poliertes, vierblättriges Motiv oder ein aufgerauhtes und rot ausgelegtes Malteserkreuz gesehen werden.39
Der dritte Pithos ist sehr viel schlanker und dünnwandiger und nicht nur ritzverziert, sondern auch mit Graphitbemalung versehen (Abb. 59): Auf dem konischen Hals folgen direkt auf das schmale Dreieckband unter dem Rand drei Register hakenförmiger Motive, die als eckige Variante der Tropfen mit fehlendem Segment gesehen werden können. Auf der Schulter sind diesmal vier Dreiergruppen von waagerecht durchbohrten Knubben angebracht; unterhalb dieser Knubben beginnt mit einem Halbrund ein 4,4 cm breites Band mit acht parallelen
38 Palaguta 2007, 21 stellte diese Reversibilität, wonach sowohl das Negativ als auch das Positiv das Ornament sein kann, auch in der Keramik der Cucuteni-Kultur fest.
39 Da die Spitzovale unregelmäßig angebracht sind, ergibt sich daraus ein schiefes, unsymmetrisches Motiv, das wohl eher als Hintergrund denn als Hauptmotiv zu verstehen ist.
Abb. 59.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Vorratsgefäß P09J386CER02.04 mit Ritzverzierung und Graphitbemalung (Foto: S. Hansen; Zeichnung: C. Georgescu).
Ritzlinien, welches diagonal über den Bauch verläuft und an den Griffen unter dem Bauch endet; die vier Griffe am Übergang zum Unterteil sind symmetrisch verteilt und doppelt durchbohrt. Der ebenfalls konische Unterteil ist, anders als der Hals, nur schwach geglättet, der Boden ist flach.
V e r g le ic h der Formen
Die drei Pithoi konnten noch während der Kampagne in Pietrele ergänzt und restauriert werden. Somit stehen nunmehr drei außergewöhnliche Gefäße der Forschung zur Verfügung, die eine neue Sichtweise auf die Herstellung und vor allem den Brennvorgang überdimensionierter Formen werfen. Zwar sind vor allem die beiden nicht nur hohen, sondern auch sehr breiten Pithoi sensationell, aber sicherlich nicht singulär im Repertoire der Gumelni- {a-Gefäße. Die Gründe dafür mögen sowohl in den weniger vorteilhaften Restaurierungsmöglichkeiten auf anderen Grabungen liegen als auch am schlechten Erhaltungszustand der meist im sekundären Brand zertrümmerten Gefäße.
Sogar in Pietrele selbst gibt es aus den Altgrabungen Einzelstücke von Pithoi: so bildete Berciu eine 31,6 x 54 cm große Scherbe eines nicht näher beschriebenen Gefäßes mit eingeritzten Helices ab, das er in den 1940er Jahren fand (Abb. 61,2).40 Aber auch in den Kampagnen von 2004-2006 traten immer wieder große Gefäßteile auf, die in Ermangelung von Anschlussstellen nicht restauriert werden konnten. So sind Scherben eines Kegelhalses mit einer Leiste unter dem Rand auch aus den obersten Ablagerungen im südlichen Teil des Teils (Flächen E und F von 2004) überliefert. In dem obersten verbrannten Gebäude in Fläche F waren auch einige dickwandige, stark verbrannte und verzogene Wandscherben mit eingeritzten Schlaufen vorhanden, von denen wir jetzt wissen, dass sie zu dem Kegelhals dazugehörten. Auch sehr große Bodenfragmente traten hier auf. Aus diesen einzelnen Teilen lässt sich somit gleichfalls ein ritzverzierter Pithos rekonstruieren. Eine weitere dickwandige Wandscherbe, die als Fragment eines Deckels gegolten hatte,41 trat ebenfalls in Fläche F auf: das aus ) bekannte Emblem begegnet auch hier, allerdings sind die in ein Viereck eingeschriebenen Tropfen mit Ritzungen ausgefüllt und der „Hintergrund“ ist poliert. Der Wechsel von Positiv-Negativ-Mustern
40 Berciu 1956, Abb. 61. Leider liefert der Autor hierzu keine Angaben, aber das Gefäß kann nur aus seinem Schnitt A vom Teil stammen (ebd. 505). Weitere Einzelteile von Pithoi werden von Berciu auch aus Palade beim Dorf loneşti, Gemeinde Petreşti (am Flusse Neajlov, Kr. Dîmboviţa) erwähnt: Berciu 1956, 536.
41 Hansen u. a. 2008, Abb. 38. Auf einer Schale aus Fläche F (P07F412CER01) ist dieses Motiv in Graphit wiedergegeben (ebd., Abb. 32).
tritt auch auf einem Gefäß aus P09F608 entgegen, aus einem Bereich, der am Südhang des Teils liegt, wo es zu Abrutschungen gekommen ist: eine Diagonale teilt die Fläche in einen Bereich mit einer Helix und einen Bereich mit einem Kreis. Die erhaltene Höhe dieses Gefäßes liegt bei 50 cm, es mag ursprünglich ca. 80 cm hoch gewesen sein (Abb. 60).
Diese Höhe begegnet immer wieder bei kupferzeitlichen Großgefäßen: ein Blick in die Fachliteratur und in die unpublizierten Gefäße in Museen zeigt, dass im Gebiet der Unteren Donau bereits in der Dudeşti-Kultur 60-70 cm hohe Gefäße hergestellt werden konnten.42
Im frühen Chalkolithikum der ersten Hälfte des 5. Jts. v. Chr. begegnen sowohl nördlich als auch südlich der Donau über 70 cm hohe Gefäße: im westbulgarischen Gradeshnitza,43 im südbulgarischen Bezirk Stara Zagora,44 aber auch im südrumänischen Vidra: das Gefäß mit konischem Unterteil, zylindrischem Bauch und senkrechtem Hals mit Schulterabsatz ist 80 cm hoch.45 Ein formell sehr ähnliches Gefäß, das aber in die Phase Gumelniţa Ib datiert wird (um 4500v. Chr.), stammt aus Tangäru und misst 71,5 cm.46 In Vităneşti wurden vergleichbare Gefäßformen mit zylindrischem Körper und senkrechtem Hals mit Schulterabsatz in die Stufe Gumelniţa B l gewiesen (um 4250 v. Chr.).47 Ihre maximale Höhe liegt zwischen 60-65 cm.
Sollten diese Zuweisungen zutreffen, scheinen die großen Vorratsgefäße aus der zweiten Hälfte des 5. Jts. v. Chr. (KGK Vl-Komplex) in der älteren Tradition verhaftet geblieben zu sein. Auch aus dem spätkupferzeitlichen Horizont XIII vom Teil Ruse sind zwei Vorratsgefäße mit konischem Unterteil, zylindrischem Bauch und senkrechtem Hals mit Schulterabsatz bekannt geworden, deren Höhe (dem beiliegenden Maßstab zufolge) 40 und 54 cm beträgt. Das angeblich mit Kerbschnitt verzierte Gefäß Nr. 124 ist mit roter und weißer Farbe ausgelegt, die Muster sind winkelartig.48 Gleichzeitig treten auch die geschwungenen Formen mit Kegelhals und gewölbter Schulter auf: dazu gehört der 80 cm hohe Pithos aus Yunacite im Museum Pazardzhik (unpubliziert). Ein unpublizierter Pithos aus Căscioarele wird im Depot des „Muzeul Naţional de Antichităţi“ am Insitut „Vasile Pärvan“ in Bukarest auf
42 Für die freundliche Überlassung von Photos aus dem Museum Craiova danke ich Dr. Laurens Thissen.
43 Николов 1974, 27, 74; für die Übermittlung von Fotos aus dem Museum Vratsa bin ich Bogdan Athanassov dankbar.
44 Kalchev 2005, 62 63: Die Vorratsgefäße mit Kegelhals und leicht gerundeter Schulter sind sowohl mit Einritzungen als auch mit Graphitbemalung verziert.
45 Neagu 1999, Abb. 87.46 Berciu 1961, Abb. 199,1 und 200.47 Andreescu u. a. 2003, 80 und Abb. 7,1.3.48 Cernakhov 2009, 82-83, Kat. Nr. 124-125.
Abb. 60.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Vorratsgefäß P09F608 (Zeichnung:C. Georgescu).
bewahrt.49 Das Gefäß ist mit dem kleineren Pithos aus Fläche J sehr gut zu vergleichen: unter dem Rand verläuft eine Leiste mit Kerben, der Übergang von dem konischen Hals zum Bauch ist fließend, der ebenfalls konische Unterteil ist nur schwach geglättet. Die Verzierung mit zwei Hauptansichtsflä- chen zeigt im Negativ-Positiv-Wechsel ebenfalls Helices, aber die Diagonale trennt diesmal nicht Kreise sondern „Ovale mit fehlendem Segment“. Seine geschätzte Höhe ist ca. 80 cm.
V e r g le ic h der V e r z ie r u n g e n
Fünf Wandscherben mit Negativ-Positiv-Ritzdekor aus Tangäru (Phase Gumelniţa Ic) werden als Schale mit einem Durchmesser von über 40 cm rekonstruiert (Abb. 61,1). Der Schlaufendekor mit aufgerauhten und rot ausgelegten Bändern, begleitet von weißen Linien, kontrastiert sehr gut mit dem schwarz-polier-
49 Mein Dank gilt Frau S. Marinescu-Bîlcu für die Möglichkeit, diese Sammlung zu besichtigen.
ten Hintergrund.50 Aus Fläche В vom Teil ist ein ebenfalls schwarz gebrannter Deckel mit Schlaufen- und Kreismotiven mit Resten weißer Farbe überliefert.51 Diese Farbgebung mag auch auf die Pithoi aus Pietrele zutreffen, wie aufgrund eines unverbrannten Wandfragmentes aus Fläche M anzunehmen ist.
Die Helix gehört ebenso zum Motivschatz der KGK Vl-Kultur wie der weit verbreitete „Wellendekor“ . Schlaufen- und spiralförmige Helices sind auf den oben erwähnten Pithoi aus Căscioarele, Yunaci- te und Stara Zagora überliefert, aber auch auf kleineren, nur 30 cm großen Töpfen.52 In Catalka bei Stara Zagora z. B. sind spiralförmige Helices auch auf nur 12 cm hohen, aber gleichfalls geschlossenen Gefäßen in Graphit aufgemalt.53 Im Inneren von
50 Berciu 1961, Abb. 233.51 Hansen u. a. 2007, Abb. 31.s2 Măgura Ţui bei Golăneşti, Kr. Teleorman: 30 cm hohes Schul-
tergefäß:http://europeana.cimec.ro/detaliu.asp?k= C3542223DDCC41E6A730CE3C6E2BE184
53 Kalchev 2005, 24.
Abb. 62.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik. Vier blatt/Kreuzmotiv. Helices mit verdickten Enden und Zierschieben mit Punktumrandung.
Helices in Spiralform treten in der Cucuteni- A-Siedlung von Truşeşti (Kr. Botoşani) auf (Abb. 61,3): Ihre Lesart wird durch eingestochene Punkte vorgegeben, rote und weiße Farbe wurde ebenfalls aufgetragen.60 Ineinandergreifende Spiralhaken oder einfache Haken werden in Präcucuteni noch einge-
60 Şantierul Valea Jijiei 1952, 67 und Abb. 6a c.
Abb. 61.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik.
Großgefäße mit Schlaufen-, Helix-und
Hakenmotiven.
Schalen und Bechern tritt dieses Motiv selten auf,54 es scheint hauptsächlich auf geschlossene Gefäße und auf Deckel beschränkt zu sein. Gefäße mit eingeritten, ineinandergreifenden Schlaufen und zusätzlicher weißer Inkrustation sind aus dem gesamten Gebiet der KGK Vl-Kultur bekannt, erreichen aber nicht die Höhe der Gefäße aus Pietrele.
Auch in der Cucuteni-Kultur werden die eingeritzten, ineinandergreifenden Schlaufen von weißer Inkrustation begleitet.55 Die einzelnen Ziermotive reichen bis weit in die PräcucuteniAripol’e A-Zeit zurück: Ein häufig wiederkehrendes Motiv ist die Helix. Sie begegnet als langgezogene Schlaufe, wie z. B. in Izvoare I:56 Die Enden der Helix sind mit kurzen Strichen markiert, die gleichfalls als Fransen gedeutet werden könnte. Die Bänder sind nicht aufgerauht, sondern mit regelmäßigen, senkrechten Linien eingeritzt.57 Die Variante mit leicht aufgefächerten Enden wird als Schlangen-58 oder sogar Drachenkopf59 gedeutet (Abb. 62,2).
54 Im Inneren einer Schale aus Tangaru ist eine Helix mit Graphit aufgemalt (Berciu 1961, Abb. 222,1), auf einer anderen ist eine Schlaufe wiedergegeben (ebd., Abb. 223,2). Aus dem ältesten KGK Vl-Horizont in Ovcarovo sind Helices im Inneren einer Schale im Negativ ausgespart (Тодорова 1976, 92 Abb. 3).
55 Платонов/Тарута 2004a, 143, 278-282, 296; Palaguta 2007.56 Vulpe 1957, Abb. 64,3 und 65. Mehrere Scherben bilden den
Hals eines geschlossenen Gefäßes, auf dessen größtem Umfang eine senkrecht durchbohrte Knubbe angebracht ist (sie wird als Unterteil eines Gefäßes abgebildet).
57 Vgl. auch das Gefäß aus Präcucuteni I (Dumitrescu u. a. 1983, Abb. 8,1).
58 Palaguta 2007, Abb. 91.59 Zbenovic 1996, Taf. 40.
ritzt, in Cucuteni A dann mit weißer Farbe aufgemalt.61 Die Außenseite einer hohen Fußschale aus Izvoare II ist mit einer Kombination von Motiven versehen, wie sie auch in Gumelniţa sehr häufig vorkommt: „Wellen“ und „Tropfen“ werden im Negativ ausgespart. Die Schale wird von Vulpe in die Stufe Protocucuteni gewiesen, die Cucuteni A l-2 entsprechen würde.62 Ebenfalls mit weißer Farbe ist eine Fußschale aus Ariuşd bemalt: die Helices sind im Negativ dargestellt, so wie auch das Kreis- bzw. Scheibenmotiv.63
Ein zentrales Motiv des Präcucuteni-Zierschat- zes bildet die Punktscheibe. Sie ist meist auf dem größten Bauchumfang angebracht (Abb. 62,3).64 Nur selten ist sie hingegen im angrenzenden Gebiet der Stoicani-Aldeni-Kulturgruppe vorzufinden.6S In der KGK Vl-Kuttur bildet sie ebenfalls eine Ausnah- meerescheinung: obwohl das Motiv des Kreises häufig auftritt sind nur wenige Beispiele mit Randpunkten bekannt.66
Auch das Vierblatt-Motiv ist in Präcucuteni häufig zu finden. Es kann sowohl als Einzelmotiv auf Gefäßknäufen platziert sein,67 tritt aber häufiger auf dem größten Gefäßdurchmesser auf.68 Auf einem als „Altar“ gedeuteten hausartigen Modell auf Stelzen aus Okopy tritt das Motiv sowohl auf den Wänden als auch auf dem Boden auf (Abb. 62Д).69 In Izvoare wird dieses Motiv zuerst eingeritzt, dann aber in Cucuteni A mit weißer Farbe wiedergegeben.70 In den ersten beiden der vier Cucuteni A-Stu- fen (A1-A2) sind demnach noch klare Anklänge an die Motive der vorangehenden Präcucuteni-Zeit vorhanden.
Zeitgleich mit Präcucuteni sind im Gebiet der Unteren Donau die spätneolithischen Kulturen Vä- dastra, Boian und Hamangia. Von der küstennahen Hamangia-Kultur sind Wellenmotive erst aus der letzten Stufe (Hamnagia IV) überliefert.71 In der Vä-
61 Vulpe 1957, Abb. 64,2 und Abb. 101. Dieses Motiv wird in Pietrele als „Welle“ gedeutet: es tritt im gesamten Verbeitungs- gebiet der KGK Vl-Kultur auf (vgl. Todorova N. 2003; Voinea 2005).
62 Vulpe 1957, Abb. 97.63 Berciu 1961, Abb. 274.64 Hăbăşesti (Palaguta 2007, Abb. 76,5.7-10); Cuconeştii Vechi
(ebd. Abb. 50,4); Berezovskaya GES (ebd. Abb. 82,5, 9); Traian- Dealul Viei (Marinescu-Bîlcu 1974, Abb. 28,4 und 46.9).
65 Dragomir 1983, Fig. 46 [aus Bäneasa).66 Auf einer für die Gumelnita-Kultur untypischen, aber in der Varna-
Kultur häufig auftretenden Gefaßform aus Sultana sind kurze Striche am inneren Umfang eingeritzt (Voinea 2005, Taf. 14,3).
67 Palaguta 2007, Abb. 30,4 oder 57,13; Marinescu-Bîlcu 1974, Abb. 61,4.
68 Tripol’e A-Funde aus der Sammlung Platar (Платонов/Тарута 2004a, 460) und aus dem Museum Odessa (ebd., Платонов/ Тарута 2004b, 330 und 400).
69 Zbenovic 1989, Abb. 78; ders. 1996, Taf. 39.70 Vulpe 1957, Abb. 58,2 und Abb. 120,4: Izvoare I und II.71 Todorova H. 2002b, Taf. 37 oder Taf. 60.
dastra-Keramik hingegen begegnet das Motiv der Helix in Kerbschnitttechnik,72 auf Boian-Gefäßen ist die Spirale häufig eingeritzt, zusätzlich gibt es auch eine Variante in Winkelform.73 Somit geht der Motivschatz der Gumelniţa-Keramik eindeutig auf spät- neolithische Verzierungen zurück, aber das Bildprogramm in dieser Komplexität, wie es auf den Pithoi aus Pietrele zu sehen ist, gibt klare Bezüge zum nordwest-pontischen Waldsteppengebiet zu erkennen.
Weitere komplex verzierte Gefäße aus Fläche )
Die Erhaltung der 37 Gefäße in dem verbrannten Gebäude ist ihrer Lage entsprechend sehr unterschiedlich (Abb. 63): in den oberen 30 cm der Kulturschicht (30,80-30,50 ü NN) ist der Zustand fragmentarisch, es fehlen große Teile der Gefäße, so dass einige nicht mehr zu restaurieren sind. Auch von dem großen Pithos, der seitlich umgefallen war, blieb nur die unten aufliegende Hälfte erhalten, die obere mag wegerodiert sein. In besonders schlechtem Erhaltungszustand waren die Gefäße westlich des Ofens. Wie bereits beschrieben,74 war dieser Ofen aus seiner ursprünglichen Position verschoben - womöglich fanden hier aber auch noch nachträgliche Eingriffe statt.
Zwei Schultergefäße und ein Deckel sind mit breiten Ritzlinien in Schlaufenzier versehen (Abb. 64; 65). Auf der hochgezogenen Schulter und dem Bauch des Gefäßes verlaufen die horizontalen, langgezogenen Ovale mit Mittellinie in sieben parallelen Reihen etwas versetzt zueinander. Der Unterteil ist konisch, aufgerauht und war ursprünglich mit weißer pastoser Farbe bestrichen, so wie auch die Ritzlinien weiß ausgelegt waren. Dieses Motiv ist aus den oberen Ablagerungen vom Teil bekannt.75
Die Muster auf dem ritzverzierten Deckel sind in typischer Gumelniţa-Manîer durch eine Vierteilung der Außenfläche in je zwei gegenüberliegende Paare angeordnet, die aber miteinander verbunden sind. Auch hier ist die Lesart doppeldeutig: folgt man den breiten Bändern, kann man je zwei ineinandergreifende Spiralen (Helices) erkennen, seitlich davon je ein Spitzoval mit fehlendem Segment. Folgt
72 Berciu 1961, Abb. 4.2 4 und 269-270.73 Neagu 2003, Taf. LI und LXXIV; Berciu 1961, Abb. 8-9;
Abb. 170 189 (zwischen diesen Fragmenten sind auch einige Präcucuteni-Importe: vgl. Abb. 177,4-7 mit Abb. 256; dabei handelt es sich um Scherben mit Wellendekor); Dumitrescu u. a. 1983, Abb. 7; Comşa 1987, Umschlagbild und Abb. 44.
74 Hansen u. a. 2010, 5 und Abb. 5 6. 43 96.75 Au5 dem oberen verbrannten Westhaus (P04B004: Hansen
u. a. 2005, Abb. 18,5), aus der Süderweiterung der Fläche В direkt unter dem verbrannten Haus (P08B427: Hansen u. a. 2009, Abb. 37,6) und aus der Gasse in Fläche F (P07F426 und P07F441: Hansen u. a. 2008, Abb. 39).
Abb.
63.
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Abb. 64.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik. Schul- tergefaß P09J387CER01 mit Ritzverzierung und weißer Inkrustation (Foto: S. Hansen).
man aber dem Verlauf des schmalen Bandes, ergibt sich ein doppelspuriger S-Haken, der aber auch die Spitzovale in seine Windungen einbindet (Abb. 65). Wie auf den graphitverzierten Deckeln und Schalen sind auch hier die Motive um einen Mittelpunkt rotierend angelegt. Die Ritzlinien waren mit weißer Farbe ausgelegt, die im Falle des Deckels gut mit der dunklen Oberfläche kontrastieren; womöglich war das jetzt rot durchglühte Schultergefäß ähnlich wie der Deckel ebenfalls ursprünglich dunkel gebrannt.
Trotz dieser reichen Ziersprache wurde Graphit als Informationsträger nur sehr selten angewendet. Abgesehen von dem bereits beschriebenen konischen Hals des Gefäßes P09J386CER02.04 fand sich noch ein Becher mit Schlaufendekor, der in sehr feinen Linien aufgetragen worden war (Abb. 66).
Sogar die Barbotine-Gefäße aus diesem Hausinventar waren mit komplexen Mustern versehen. Gewöhnlich verlaufen die Grate linear oder folgen leicht gebogen der Gefäßwölbung - sei es auf der Schulter von geschlossenen Gefäßen oder auf Deckeln (Abb. 67,13.16). Auf dem tiefen Topf aus P10J416CER01 hingegen beschreiben die Leisten in vier identischen Mustern geometrische Formen wie Dreieck, Haken oder Halboval (Abb. 63).
Dieses sehr komplexe „Bild-“/Zierprogramm aus der Außensiedlung steht der Motivvielfalt auf den Gefäßen vom Teil in Nichts nach.
Abb. 65.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik. Deckel P09J386CER03800 mit Ritzverzierung und weißer Inkrustation (Zeichnung:I. Berdzenishvili).
Das Scherbenmaterial aus dem unverbrannten Gebäude in Fläche J
Aus der dünnen Ablagerung mit Resten eines unverbrannten Hauses zwischen ca. 29,80 und 29,60 m ü NN stammen nur 1.092 Scherben, von denen 340 (also 31%) sehr klein und nur 28 (2,5%) sehr groß
Abb. 66.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik. Becher P10J440CER03 mit Graphitbemalung (Foto: T. Vachta).
Abb. 67.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Fläche L,
Keramik. Gefäße und Gefäßfragmente (Fotos:
T. Vachta; Zeichnungen: K. Brandt, A. Găvan,
M. Novâk, T. Vachta).
sind. Abgesehen von einem Boden, der sich zusammenfügen lässt, sind die Fragmente nicht restaurierbar. Aus typologischen Gesichtspunkten sind keine großen Unterschiede zur Keramik des verbrannten Gebäudes festzustellen: Die 146 diagnostischen Scherben gehören dem Spektrum der bereits bekannten Gefäßformen an, wobei die Fragmente von Schalen mit über 60 Scherben überrepräsentiert sind, gefolgt von Becher- und Deckelfragmenten. Ein vergleichsweise hoher Anteil von 17 Scherben (11%) ist mit Graphit bemalt.
Erwartungsgemäß hätte sich die Zahl der Scherben mit Spreumagerung im Vergleich zum verbrannten Haus steigern sollen, aber dies ist nicht der Fall. Nur 3,5% des Materials weist vegetabile Einschlüsse auf - die Verzierungen auf diesen Scherben sind wiederum eingeritzt (geometrischer Dekor dreimal) oder einpoliert (ripples zweimal).
Gemessen an den Keramikinventaren lag zwischen dem Errichten des älteren Gebäudes und der Aufgabe des jüngeren kein großer zeitlicher Abstand. Dieser Einschätzung widerspricht das u C-Datum MAMS-12428, da es keine Überschneidung mit dem jüngeren Datum MAMS-12429 gibt (Abb. 25), wohl aber mit dem Datum MAMS-11102 aus Fläche G, in welcher das bislang typologisch älteste keramische Material aus Pietrele lag. Solange aber keine modellierbaren Datenserien aus diesen Bereichen vorliegen, soll von weiteren Aussagen zur absoluten Chronologie abgesehen werden.
Die Keramik aus Fläche L
Aus Fläche L stammen nur 10 restaurierbare Gefäße, der Großteil der Keramikfragmente ist sehr stark zerscherbt (nur 9% der Scherben sind größer als 6 x 6 cm). Es sind jedoch alle Zierstile vertreten, wie sie aus den obersten Ablagerungen vom Teil bekannt sind: Graphitbemalung in dünnen Strichen auf meist Becherformen, Ritzverzierung, Einstich- und Einschnittverzierung, plastische Zier und - dies nur in Verbindung mit Barbotineauftrag - Fingertupfenleisten und Doppelknubben (Abb. 67). Dementsprechend passt die in Mannheim durchgeführte ^C-Datierung MAMS-11100 mit 4346- 4268 cal BC mit der typologischen Bewertung gut überein (Abb. 25). Da in dieser Fläche die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, wird auf eine ausführliche Besprechung einstweilen verzichtet.
Die Keramik aus Fläche M
In Fläche M lagen 85 komplette oder restaurierbare Gefäße, die, wie die beiden Häuser aus denen sie stammen, zum Teil stark verbrannt sind. Ein Deckel trat bereits im Kolluvium direkt nördlich vom West-
Haus auf, in dem Haus selbst konnten 10 Gefäße verortet werden. 71 Gefäße stammen aus dem Ost- Gebäude, dessen östliche und südliche Bereiche unter den jeweiligen Profilen verschwinden. Im 3,5 m breiten Streifen zwischen den Häusern konnten drei Boian-Gefäße aus dem Scherbenmaterial zeichnerisch rekonstruiert werden.
So wie in Fläche J lagen auch in diesen beiden Gebäuden die Mahlinstallationen in der NO-Ecke, westlich und südlich davon streuten die dichten Scherbenpackungen (Abb. 29). In beiden Häusern sind Teile je eines Pithos erhalten, doch sind diese noch nicht restauriert. Daneben sind auch zahlreiche Becher und Schalen vorhanden. Zudem traten in diesem Areal aber auch Gefäße auf, die in Pietrele bislang nicht nachgewiesen werden konnten. Dazu gehören kleine, geschlossenen Gefäße von leicht sackartiger Form,76 kegelförmige Deckel mit Innenring (Abb. 69), ein Deckel mit nach außen gebogenem Rand („Sombrero“ Abb. 71) oder ein Deckel mit waagerechter Lochung in der Kegelspitze.
Die Gefäße aus dem Osthaus in Fläche M
Noch ist die Keramik aus Fläche M nicht abschließend restauriert, so dass die folgenden Angaben vorläufiger Art sind. Eine nähere Betrachtung bietet sich vor allem für das Inventar aus dem Gebäude im Osten an: mit 71 restaurierbaren Gefäßen gehört es zu den reichsten der Außensiedlung. Wie auch innerhalb der Keramik vom Teil ist das Verhältnis von geglätteten und mit Schlicker versehenen Oberflächen sehr ausgewogen (28:25). 18 Gefäße sind verziert, wobei die plastische Zier mit elf Beispielen deutlich überwiegt. Zwei Krüge sind mit Fingernageleindrücken versehen. Häufig werden unterschiedliche Ziertechniken kombiniert: so tritt zwei Mal plastischer Dekor zusammen mit Ritzverzierung auf. Ein Becher ist zusätzlich noch mit Graphit bemalt, ein Pithos mit roter Farbe. Dennoch, trotz dieser großen Kollektion sind insgesamt nur drei Gefäße mit Graphit bemalt (2 Becher und ein Deckel). Die diagonalen und annähernd horizontalen Linienbündel auf den Rändern der Becher sind vergleichbar mit den Mustern auf dem hohen Hals von P09J386CER2.4 (Abb. 59).
Auch in diesem Gebäude können trotz des chaotischen Zusammensturzes Agglomerationen von bestimmten Gefäßen ausgemacht werden: im östlichen Hausbereich lagen auf einem knappen Quadratmeter 12 der insgesamt 14 Becher (Abb. 68). Nur zwei sind außen bemalt, aber einige weisen Knubbenzier auf, wie sie vom Teil auf diesen Formen nur aus den älteren Ablagerungen in Fläche F
76 Vgl. bei Berciu 1956 und Voinea 2005, Taf. 35,1-2.
Abb. 68.
Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Fläche M, Osthaus. Keramik.
13 Becher und eine Schale (Dm Becher
7,5-13,20 cm. Dm Schate 17,50 cm; Fotos: S. Hansen und T. Vachta; Zeichnung:
E. Fejer).
Abb. 69.Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Fläche M, Osthaus. Keramik. Kleine, geschlossene Gefäße mit Deckel (Zeichnungen: T. Vachta).
bekannt sind. Ebenso fallen die hohen Hälse auf. die einen älteren Einfluss verraten.77 Gleich südlich davon schloss sich ein Bereich mit ebenfalls kleinen Gefäßen an, einige mit passendem Deckel. Drei von den Gefäßen (Abb. 69,1-3) sind sehr untypisch für Pietrele, da sackartige Formen auf dem Teil bislang nicht auftraten. Auch für das tonnenartige Gefäßchen mit Knubben und Griffen gibt es keinen direkten Vergleich.78 Selbst einige Deckelformen sind vom Teil nicht bekannt: einen „Sombrero“-artigen Deckel (Abb. 71) fand Schuchhardt in Cernavodă, in einem älteren Gumelniţa-Kontext.
77 Becher mit sehr hohem Hals sind in Pietrele aus der Sondage D von 2002 bekannt (Hansen u. a. 2004, Abb. 20,2); ein anderer stammt aus dem unverbrannten Haus in Fläche В (P05B140: Hansen u. a. 2006, Abb. 30). Vgl. auch Berciu 1961, Abb. 199,2 und 253,3 (aus Gumelniţa I), Abb. 239,4.5 (aus Gumelniţa II) und Abb. 259 (aus BoianV-Gumelniţa I).
78 Diese Form ist aus Präcucuteni bekannt (Cucuteni 1997, 177 Kat. Nr. 3).
Auf den westlichen Hausbereich hingegen waren hauptsächlich die großen Gefäße mit oder ohne Barbotineauftrag verteilt. Ein noch nicht fertig restaurierter Pithos weist einen hohen Kegelhals mit Randleiste auf; mit Ritzbändern verzierte Schulterteile lagen etwas weiter nördlich. Eines dieser Fragmente mag die ursprüngliche Farbgebung beibehalten haben, denn es ist nicht rot durchglüht: die polierten Bereiche sind grau, die aufgerauhten mit roter Farbe ausgelegt, jedoch hat sich in den breiten Rillen dazwischen die weiße Farbe nicht erhalten.
Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei den Vorratsgefäßen um offene Formen: nur ein Zy- linderhalsgefäß und ein geschlossenes Gefäß mit umlaufendem Ring unter dem Innenrand, die beiden größten Gefäße neben dem Pithos, haben eine enge Mündung. Ungewöhnlich ist das vertikale Fingertupfenband auf einem tiefen Topf - diese Form trägt meist vertikale Schlickergrate (Abb. 70). Auch die sehr sorgfältig angebrachten Grate auf einem Topf mit Ausguss sind einzigartig (Abb. 72). Auch die drei Krüge sind verziert: einer mit Fingerzwicken, ein anderer mit Nageleindrücken und ein dritter mit umlaufenden Ritzbändern und Knubben. Sie lagen ebenfalls im westlichen Hausbereich. Die Schalen hingegen streuen über den gesamten Bereich. Fünf davon haben eingerollte Ränder, die sechste einen verdickten Rand; bemalt ist keine.
Das Formenrepertoire gleicht zum Großteil jenem vom Teil, aber es treten auch Gefäße auf, die ältere Entsprechungen haben mögen als das bislang vom Teil Bekannte. Allerdings weisen die Gefäße aus M keine konkaven Wandungen auf, wie sie in der Fläche G mit den bislang ältesten Keramikin- ventaren zahlreich waren. Aus typologischen Erwägungen scheint es deswegen angebracht, dieses Gefäßinventar zwischen das ältere aus Fläche G und das jüngere aus Fläche J zu datieren, zeitgleich mit den Gefäßen aus den mittleren Ablagerungen vom Teil.
Schlussfolgerungen
Die Areale am Fuße der Tellsiedlung waren folglich nicht alle gleichzeitig in Nutzung. Die bislang typo- logisch ältesten Formen konnten in Fläche G bestimmt werden.79 Auch in Fläche M ist der Anteil an Spreumagerungen höher als in anderen Bereichen, die meisten Scherben stammen aber aus den Außenbereichen und nicht aus den Hauseinheiten. Die Gefäße aus Fläche J hingegen gehören aus typologischen Erwägungen an das Ende der Gumelniţa- Kultur.
(A. R.)
Abb. 70.Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Keramik. Tiefes Gefäß P10M625CER17 (Foto: T. Vachla).
Abb. 71.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik. Deckel P10M649 (Foto: T. Vachta).
79 Hansen u. a. 2010, 67.
Abb. 72.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik. Gefäß P10M649CER48 mit Ausguss (Foto:T. Vachta).
Abb. 73. Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Töne-
res Objekt („Altar“). (Foto: S. Hansen).
Abb. 74.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Tönernes
Objekt („Altar“). (Foto: S. Hansen).
Die Kleinfunde
Unter den Kleinfunden aus der Grabungssaison 2009 besonders hervorzuheben ist ein selbständig stehendes flaches Tonobjekt mit sorgfältiger Zier auf Vorder- und Rückseite (Abb. 73; 74), das in Fläche F unter dem verbrannten Haus gefunden wurde. Hinweise auf seine Funktion gibt der Fundkontext leider nicht. In der Literatur werden diese Objekte als „Altäre“ bezeichnet. Formal sind nur die deutlich kleineren Objekte aus Ovcarovo und Ruse vergleichbar.80
Unter den Funden aus Fläche F auf dem Siedlungshügel ist ein grüner, transluzider Beilanhänger (Abb. 75) erwähnenswert. Nach der freundlichen Auskunft von P. Petrequin handelt es sich um Nephrit oder Serpentinit.81 Nach den bisherigen Recherchen ist dies ein für Südrumänien singuläres Stück. Vergleichbare Beilanhänger sind in größerer Zahl in Frankreich verbreitet82 sowie in Mittel- und Süditalien.83 Meist handelt es sich um Einzelfunde, die traditionell jünger, in das 4. Jt. v. Chr. eingestuft werden. Hier sind noch weitere Recherchen notwendig. Insgesamt dürfte aber der Beilanhänger im Zusammenhang mit der Rezeption der Jadebeile im westpontischen Raum Zusammenhängen.
Die Kleinfunde aus der Außensiedlung sind im Vergleich zum Siedlungshügel zahlenmäßig relativ
Abb. 76.Pietrele. Rumänien. Teilsiedlung Măgura Gorgana. Fragment einer Tierfigur, vermutlich ein Ferkel (Foto: S. Hansen).
80 Ovcarovo: Todorova H. 1982 Abb. 33; Ruse: Cernakov 200981 Die Alpen dürften als Herkunftsort für das Gestein ausscheiden.
Für die vorläufige Bestimmung aufgrund des Fotos danke ich Lutz Klassen und Pierre Petrequin.
82 Bordreuil u. a. 200883 Skeates 1995
wenige. Dies könnte mit den erosionsbedingten Verlusten Zusammenhängen. Auffallend ist, dass nur wenige Knochengeräte zum Vorschein kamen. Insgesamt ist aber nicht erkennbar, dass bestimmte Objektgruppen in der Außensiedlung gänzlich fehlen. Aus Fläche J stammen Fragmente von tönernen anthropomorphen Statuetten und das Fragment einer hohlen Tierfigur, wohl eines Ferkels (Abb. 76), eine Geweihaxt und eine Harpune. In Fläche M fanden sich Tongewichte sowie immerhin eine Kupferahle, in Fläche G Statuettenfragmente und eine Knochennadel (Abb. 77). Interessant ist die frühe Datierung des Befunds in Fläche G, wodurch das bislang angenommene zeitliche Verhältnis von kupfernem „Vorbild“ und beinerner „Nachbildung“ in Frage gestellt wird. In Fläche L fanden sich Statuettenfragmente und eine Spondylusperle.
(S. H.)
Copper finds from 2009 and 2010
During the last two campaigns of archaeological ex- cavations in Pietrele we discovered a total of 21 copper objects in different trenches and features of the teil (trenches В and F) and in the flat settlement around the teil (trenches G, J and M; Abb. 5).
Abb. 75.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Grüner Beilanhänger (Foto: S. Hansen).
Abb. 77.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Knochen- und Kupfernadel. Vorbild und Nachahmung? (Foto: S. Hansen).
Trench В
The Situation in trench В was determined by the fact that due to excavation strategies in the year 2009, only a narrow area along the Southern part of the trench, on the perimeter of the burned struc- tures discovered in 2008, was excavated. In the ex- cavated area the northern parts of two burned structures were identified: one to the east and one in the centre-west of trench B. Only one copper ob- ject, the fragment of an awl, was found in the east- ern burnt structure. The four objects (тот the cen- tral-west structure, most of them fragments, could not be assigned to any category. Here it is worth mentioning a “droplet” of copper that was in the clay of a vessel body and visible on its surface. This was not a singular case, since the fragment of a vessel with a droplet of copper on the inner surface was also identified in trench F.
Trench F-North
The copper inventory of the central house excavated in 2009 and 2010 consîsts of four objects: а hook (fragment), an awl, some copper traces on а burnt piece of clay and one small “droplet” of copper in the clay of a shard. Inside the burnt house, in the area of the oven, a post hole was observed. This post hole was dug in the course of construc- tion in the upper level. A small piece of copper sheet was found in the fill of the post hole. From the grey material of the Street oriented north-south two copper objects were recovered: the fragment of a hook and the fragment of an awl.
During the cleaning of eroded profiles at the beginning of the two campaigns, five copper objects were recovered: in 2009 one fragment of а copper ring and one fragment of a copper hook; in 2010 one drill with a bone handle, one awl and one prismatic figurine with a copper earring in the left ear (Abb. 78,1).
Trench F-South
Four copper objects were discovered in the area of the burnt house in trench F-south: a copper pin with a double spiral head, a ring, an awl and the fragment of another ring (Abb. 78,2.3.5).
Trench G
In 2009 we started investigations in the flat Settlement around the teil. At the end of that season no copper artefacts had been discovered in that area;
however, two bone pins of similar shape like those made of copper were found in trench G (Abb. 77). The two bone pins are comparable with the pin8'* found in the burned house in trench F on the teil (P09F107-0070). In 2010 two copper artefacts were discovered in trenches J and M in the flat Settlement.
Trench J
A rectangular object found in 2010 in trench J was found in the Southern part of the profile in the col- luvium. Thus, we cannot assign this object to a specific structure, since all of the material in this upper layer is from the Late Neolithic to the Middle Ages and mixed together.
Trench M
In 2010 a new trench was opened in the flat Settlement around the teil. Under ca.l m thick colluvium, the debris of two burnt buildings was removed. А copper awl was discovered among/near the sherds of the big storage vessel P10M625CER11 in the eastern structure (Abb. 78,4; 79).
Although from a typological point of view the artefacts discovered in the last two campaigns are well known from Gumelniţa settlements, some is- sues still need to be pointed out here. The pre- sence of the small copper “ droplets” in the clay of two vessels could suggest that the pots were mod- elled in the same place where copper objects were also present or perhaps even produced. It is also possible that copper objects were part of the pot- ters’ toolkit; and in this case the presence of copper in the clay could be explained as deriving from the production of the vessel.
Meanwhile with a total of 233 artefacts, the number of copper objects in Pietrele is very high, especially when compared to other teil settlements of the Gumelniţa culture. Intriguing is the presence of bone pins of similar shape like those made of copper. For the moment it is not possible to estab- lish the anteriority or posteriority of the one or the other type; nonetheless, the lack of metal as a rea- son for the imitation of this type of metal pin in bone сап be ruled out. In either material the sym- bolic value of this type of object should not be ne- glected.
Analysis of the complete inventories in houses on the teil in comparison to those in the flat Settlement will aid in gaining a better understanding of the presence or the absence of copper artefacts in the different dwellings.
84 See contribution of H. Nörgaard ir this report.
Fig. 78.Pietrele, Romania. Cop- per objects. 1 Prismatic figurine with copper earring, Trench F north (drawing E. Gavrilä); 23-5 Copper objects from the burnt house, Trench F south (draw- ings C. Georgescu);4 Copper object (тот the burnt structure, Trench M (drawing E. Gavrilä).
Flg. 79.Pietrele, Romania. Copper and bone pins (photograph
S. Hansen).
Catalogue of the copper finds made 2009 and 2010
Trench ВEast house (burnt)
1. Fragment of a copper awl, very corroded, shaft with
rectangular cross-section. L 2.8 cm, Wgt 1.6g; P09B758
West house (burnt)
2. Very small copper traces, impossible to be recovered, P09B712
Rg. 80.Pietrele, Romania. Trench B. Copper
“droplet” in the clay body of a vessel (pho
tograph S. Hansen).
3. Copper fragment, unidentifiable type. L 1.4 cm, Wgt 0.8 g,
P09B7414. Copper fragment, rectangular shape, unidentifiable type,
possibly a fragment of copper ore. L 4 cm, Wgt 0.4 cm, P09B765
5. Small "droplet” of copper in the clay of the vessel
P09B766CER02 (Abb.80)
Trench F-North
Central house
6. Fragment of a large copper hook, very corroded, madefrom a copper bar with rectangular cross-section. L 4.1 cm,
Wgt 6.4 g, P09F1857. Ceramic fragment, heavily burnt. On the interior surface
a small “ droplet” of copper was observed in the clay
vessel P10F333 (Abb. 81)8. Copper awl, fragment, rectangular cross-section. L 5.7 cm,
Wgt 1.6 g, P10F3549. Copper traces on a heavily burnt piece of clay, P10F365
Grey Street (north-south)
10. Copper fragment with rectangular cross-section, prob-
ably a part of a hook. L 1.9 cm, Wgt <1 g, P09F12811. Distal end of a copper awl with rectangular cross-sec-
tion and sharpened point. L 3.1 cm, Wgt 1.2 g, P09F283
Post hole
12. Small fragment of copper sheet, rectangular shape. L. 0.9 cm, Wgt 0.6 g
Cleaning the profiles of trench F-North
13. Fragment of a copper ring, corroded, made from a copper band with rectangular cross-section. L 1.4 cm, Wgt
0.2 g, P09FXXX14. Fragment of a copper hook, made from a copper band
with rectangular cross-section and sharpened point.
L 1.4 cm, Wgt <1 g, P09FXXX15. Prismatic figurine with a copper earring in the left ear.
The right side of the head of the figurine is broken; however, in view of the strong green pigmentation of
the bone it is very possible that the figurine also had
a copper earring in the right ear. The copper earring
is not complete; only half of it is preserved. It was
made from a thin copper wire with round cross-section.
D 0.7 cm, Wgt <1 g, P10F30016. Copper drill with bone handle. The bone handle was
broken in many pieces. Shaft with rectangular cross- section (proximal end) and round cross section (distal
end). L 2.8 cm, Wgt 2.6 g, P10F30017. Seven fragments of a copper awl, very corroded. Shaft
with rectangular cross-section (proximal end) and round
cross-section (distal end). L 5.7 cm, Wgt 3 g, P10FXXX
Trench F-South
Bumt House
18. Copper pin (broken in two matching parts) with double
spiral head, rectangular cross-section (proximal end)
and round cross-section (distal end). L 15.6 cm, Wgt 17,2 g, P09F172
19. Fragments of a copper ring very corroded, L. 1.2 cm,
Wgt <1 g, P09F600
20. Copper ring, oval shaped with overlapping edges, made from a copper bar with rectangular cross-section,
D 2 x 1.8 cm, Wgt 1.2 g; P09F60721. Complete awl, shaft with rectangular cross-section
(proximal end) and round cross-section (distal end).
L 13.5 cm, Wgt 8.6 g; P09F615
Trench J
22. Copper fragment, rectangular shaped, unidentifiable
type. L. 2.8 cm, Wgt 8.A g; P10J446
Trench M
23. Complete copper awl, shaft with rectangular cross-sec-
tion (distal end) and round cross-section (proximal end); found next to the sherds of vessel P10M625CER11. L 12.2 cm, Wgt 5.4 cm, P10 M625
(M. T.)
Der nichtmetallene Schmuck aus Pietrele
Seit dem letzten Zwischenbericht über den nichtmetallenen Schmuck wurden zahlreiche weitere Stücke dieser Kleinfundkategorie auf dem Teil und in der Außensiedlung gefunden.85 Das Formenspektrum hat sich erheblich erweitert. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, den Schmuck aus Knochen, Mollusken, Keramik und Stein in seiner Funktion am Körper zu rekonstruieren und die Objekte in einen größeren Zusammenhang innerhalb der spätneolithischen und kupferzeitlichen Kulturen Europas zu stellen.
Parallelen zur Tragweise des Schmuckes
Schmuck findet sich in kupferzeitlichen Fundstellen in Südosteuropa in großer Anzahl und Vielfalt. Oft ist die Verwendung der einzelnen Objekte einfach nachvollziehbar. Vereinzelt jedoch ist die Funktion eines Objektes nicht unbedingt durch dessen Form rekonstruierbar. Glücklicherweise liefern jedoch unterschiedliche Quellengattungen Hinweise zur Tragweise von kupferzeitlichem Schmuck. So sind durch die guten Erhaltungsbedingungen der großen Gräberfelder von Varna, Durankulak und Tiszapolgär- Basatanya viele Beispiele zur Verwendung von Perlen, Plättchen, Zähnen oder Muscheln erhalten. Oft können sogar Gewänder anhand der Lage der einzelnen Perlen rekonstruiert werden. Hier ist vor allem ein reiches Männergrab (Grab 609) aus Durankulak zu nennen, in dem Reihen aus hunderten Dentaliumperlen die Form eines Gewandes bildeten.86 In Tiszapolgär-Basatanya wurden in vielen Bestattungen größere Mengen Perlen an Oberkörper, an den Armen und in der Kniegegend gefunden
(Abb. 82). Somit geht die Verwendung der verschiedenen Perlenformen weit über die einer einfachen Halskette hinaus. Auch im Hüftbereich fanden sich große Mengen an Perlen, die vermutlich einer Art Gürtel angehörten.87
Eine weitere Quelle, die zur Rekonstruktion der Tragweise des Schmuckes herangezogen werden kann, sind die figürlichen Darstellungen dieser Epoche.88 In Durankulak wurden in Grab 258 und Grab 45389 große verzierte Tonfigurinen entdeckt, die mit Miniaturarmreifen geschmückt sind (Abb. 83). Das Grab 258 wird von Todorova in die ll.-lll. Stufe der Varna-Kultur datiert, das Grab 453 in die I. Stufe der Varna-Kultur. Bei beiden Gräbern handelt es sich um sogenannte Kenotaph-Bestattungen.90 Es ist möglich, dass die dort gefundenen Figurinen die Position eines Verstorbenen einnehmen. Ist dies der Fall, so könnte die Position des Schmucks am „Stellvertreter“ die wahre Position am Körper widerspiegeln.
Auch ist solch Miniaturschmuck an den kleineren Knochenfigurinen keine Seltenheit (Abb. 84). Aus der obersten Schicht des Teils Hotnica (in Nordbulgarien) sind mindestens zwei Knochenfiguren mit kupfernem Gürtel, Ohrschmuck und in einem Fall auch mit Halsschmuck bekannt.91 Gürtel sind aus Grabfunden eher unbekannt, jedoch können
8;> Vgl. Wrobel in Hansen u. a.2008.86 Avramova 2002, 200.
87 Heumüller 2009, 141 ff.88 “Supplementary data for studying Ornaments can be offered
by the decorated anthropomorphous representations, especial- ly forthose made of clay" (Enea 2009, 133).
89 Todorova gibt hier das Grab 435 aus dem Gräberfeld Durankulak an. In diesem Grab befindet sich jedoch eine weibliche Bestattung mit Miniaturgefäß und kupfernem Armreif. Das richtige Grab ist ein Kenotaph mit verblüffend ähnlicher Ausstattung (Todorova H. 2002b, 50-52).
90 Todorova H. 2002b, 42; 52.91 Todorova H./Vajsov 2001, 84.
Fig. 81.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Trench F, North: Detail of а copper droplet found in the clay of a body sherd (photograph M. Toderaş).
Abb. 82.Hödmezöväsärhely-
Gorzsa, Ungarn, Grab 29. Grabfund mit
Perlenschmuck des Theiß-Herpäly-Csös-
zhalom-Kulturkomple- xes (nach Heumüller
2009, 140 Abb. 119).
Abb. 83.Durankulak, Bulgarien.
Gräberfeld. Tonfigurinen mit kupfernen
Armreifen (nach Todorova 2001, 94,
Tafel 51). 1 Grab 453 (Vama-Kultur, Stufe I);
2 Grab 258 (Varna- Kultur, Stufe ll-lll).
„bei verzierten Frauenidolen [...] breite, reichlich verzierte Gürtel auf den Hüften und in der Taillengegend"97 beobachtet werden. Auch aus der Tell- siedlung von Karanovo, Kulturschicht VI,93 ist eine Knochenfigur mit Kupfergürtel und Ohrgehänge bekannt. Aus der Tellsiedlung Hyssarlyk stammt eine Knochenfigur mit Ohrringen und Halsband.94
Kommen Gürtel aus vergänglichem Material so gut wie nie vor, so können jedoch solche aus Perlen oder Besatzplättchen häufiger dokumentiert werden. Gürtel aus Perlen (Knochen-, Gagat- oder Spon- dylusperlen) sind vereinzelt in den Gräbern von Durankulak und Varna gefunden worden. Aus Grab 211 in Durankulak ist ein Gürtel aus Eberhauerplätt- chen belegt.95 Solche Besatzplättchen wurden jedoch nicht nur als Gürtelschmuck getragen.96 Kleine Plättchen aus Knochen oder Muscheln, oftmals an den Schmalseiten durchlocht, werden meist als Kleidungsbesatz gedeutet.
Auch in Pietrele konnten bisher zwei Knochenfigurinen mit Miniaturschmuck geborgen werden. Im Gegensatz zu den oben erwähnten Stücken besitzen die 2005 und 20 0 697 gefundenen Figurinen weder Kupfergürtel noch Halsringe, sondern waren mit Ohr- und Knöchelringen aus Kupfer versehen. Einmalig sind die winzigen Dentalium Perlen, die nahe der Figurine von 2005 geborgen wurden und eine Kette gebildet haben.
Die Vielfalt der in Pietrele gefundenen Perlen steht der aus den Gräberfeldern in keiner Weise nach. Einzelperlen und Teile von Ketten wurden in situ geborgen. Eine Besonderheit unter den Perlen des Neolithikums und der Kupferzeit stellen die knopfartigen Perlen, auch Glisperlen genannt, dar. Diese Perlart ist meist aus Kalkstein oder Spondy- lus gefertigt und kann tropfenförmig-rund oder ab- geflacht-eckig sein. Das Besondere ist die V-förmige oder von beiden Seiten flach ausgeführte Durchbohrung der „Unterseite“ . Diese Perlenart ist von Fundstellen von Südwestdeutschland bis zum Schwarzen Meer bekannt.98 Aus Pietrele kann eine ungleich tropfenförmige Keramikperle (Abb. 85) mit leichter V-förmiger Durchlochung dieser Gruppe zugeordnet werden. Die mit wenig Sorgfalt gearbeitete Perle stammt aus der „Gasse“ der Fläche В und wurde schon in der Kampagne 2006 gefunden (Befund P06B222).
92 Todorova H./Vajsov 2001, 84.93 Todorova H./Vajsov 2001. 90.94 Todorova H./Vajsov 2001, 90.95 Todorova H. 2002b, 39.96 Vergleiche hierzu den Absatz zu Trachtbesatz und Gewandkne
bel.9/ Hansen u. a. 2006, Abb. 85; Hansen u. a. 2007, Abb. 65.98 Heumüller 2009, 154-159.
Aus den Gräbern in Durankulak und Varna ist der Gebrauch von durchlochten, scheibenförmigen Anhängern mit fächerartigem Aufsatz belegt. Welche Funktion diese Gegenstände hatten, ist umstritten, die Forschungsmeinungen reichen von Idolen" über anthropomorphe Frauendarstellungen100 bis hin zu Nachahmungen von Muscheln.101 Die oben erwähnten Scheiben wurden in Frauengräbern gefunden, meist paarweise und als Mittelteil einer Kette.102 Die gewöhnlich aus Edelmetall gefertigten Schmuckstücke kommen vereinzelt in Siedlungen als Nachahmungen in Knochen und Ton vor. In der Kampagne 2010 wurde in Pietrele eine durchlochte Scheibe aus Knochen mit fächerförmigem Aufsatz gefunden (Fläche F, Befund 415; Abb. 86). Dieses Stück ähnelt dem aus Knochen gefertigten „Ringi- dol“ aus der Teilsiedlung Goljamo Delcevo (Horizont XVII) (Abb. 87). Es hat eine große Bauchöffnung mit schmalem Ring und kleinem, einfach durchlochten Vorsprung. Nach Todorova gehört das Stück der Gruppe der spätesten „Ringidole“ an und datiert in die Stufe Varna III b.103
Bei einer genaueren Betrachtung der bereits im Vorbericht 2008 erwähnten Tonhütchen,104 die starke Ähnlichkeit mit einem 2007 gefundenen runden Kupferplättchen mit Randlöchern haben,105 bestätigt sich die Vermutung, dass es sich hier um Anhänger oder Aufnäher handelt. Durch die leichte Schrägstellung der Löcher, die auch an den Tonhütchen aus der Teilsiedlung Ruse106 erkennbar sind, und leichte Ausschleifungen kann davon ausgegangen werden, dass sie an einer Kette oder Schnur ge-
yy Todorova H./Vajsov 2001, 66.100 Dumitrescu 1961, 69 93.101 Lichardus 1991, 170. Einen Beweis für die enge Verbindung
zwischen den durchlochten Scheiben und Muscheln sieht Lichardus in einem Grabfund der Tiszapolgär-Kultur (Tibava, Grab 8), hier wurde eine Meeresmuschel mit Hilfe einer durchlochten runden Kupferscheibe repariert. Sie fand vermutlich als Anhänger Verwendung.
102 Todorova H./Vajsov 2001, 66.103 Todorova H./Vajsov 2001, 68.104 Wrobel in Hansen u. a. 2008. 68.105 Toderas in Hansen u. a. 2008, 69.106 Todorova H./Vajsov 2001, 68.
tragen wurden. Diese bei Todorova auch als „Idole“ geführten Stücke107 scheinen eher eine Verwendung als Gewandbesatz oder Anhänger gehabt zu haben.108
107 Todorova H./Vajsov 2001, 68.108 Lichardus 1991, 170.
Abb. 84.Bulgarien. Vergleiche
von Knochenfigurinen mit Kupferschmuck.
1 Teil Hotnica-„Werk- statt“ (oberste Schicht);
2 Tellsiedlung Hotnica, Einzelfund; 3 Teil Kara- novo, Kulturschicht VI;
4 Razgrad, Tellsiedlung Hyssarlyk (Todorova
2001, 90, Taf. 45).
Abb. 85.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche B.
Keramikperle P06B2220540. Deutlich erkennbar ist die schrä
ge Lochung, die weit außerhalb der Mitte verläuft (Zeichnung
H. W. Nergaard).
Abb. 86.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche F. Durchlochte Knochenscheibe P10F4150424 mit fächerförmigem Aufsatz (Foto S. Hansen).
Abb. 87.Bulgarien, Siedlungsfunde. Ringidole aus Stein, Keramik und Knochen. 1 Goljamo Delcevo, Horizont XV, Imitation eines Ringidols aus schwarzem poliertem Gestein; 2 Drama, Siedlung Stratum I, Imitation eines Ringidols aus Ton; 3 Drama. Einzelfund Siedlung, Imitation eines Ringidols aus Ton; 4 Goljamo Delcevo, Horizont XVII, Ringidol aus Knochen. Die Funde 1-3 stellen die älteren Varianten der bei Todorova aufgelisteten Ringidole dar, das letzte Stück zählt zu den jüngsten Formen und wird von ihr in die Stufe lllb der Varna Kultur datiert (nach Todorova/Vajsov 2001, 68).
Die seit der Kampagne 2008 neu gefundenen Perlen und Anhänger:„Ringidol" mit rautenförmigem Kopf; H 2,66 cm, В 2,22 cm,
Loch-Dm 7,3 mm und 3,2 mm; P10F4150424.Tonperle, doppelkonisch. Oberfläche rau, unregelmä
ßige Form; Dm 3,15 cm, H 2,22 cm; P04F065624.Tonperle, doppelkonisch. Oberfläche geglättet, graue,
gleichförmige Perle mit angefangener Durchlochung; Dm
3,43 cm, H 2,56 cm; P05F1270379.Tonperle, doppelkonisch. Oberfläche geglättet, grau
braune, gleichförmige Perle mit angefangener Durchlochung;
Dm 3,45 cm, H 2,27 cm; P07F4831154.Tonperle, doppelkonisch. Oberfläche geglättet, rote,
gleichförmige Perle; Dm 2,91 cm, H 2,36 cm; P08F7050037.Tonperle, doppelkonisch. Raue Oberfläche, orange
gelbe Farbe; P09I3510075.Tonperle, doppelkonisch. Geglättete Oberfläche,
orange-gelbe Farbe; P09F6090159.Tonperle, scheibenförmig. Graubraune raue Oberflä
che mit nicht zentrierter Lochung; Dm 2,73 cm, H 0,93 cm;
P09F6220276.Tonperle, scheibenförmig. Hellgraue, grob geglättete
Oberfläche mit zentrierter Lochung; Dm 2,54 cm, H 0,66 cm;
P08A2100684.Tonperle, tropfenförmig. Schwarzbraune, grob ge
glättete Oberfläche. H 3,16 cm, В 2,48 cm; P08B1000619.
Zahnschmuck aus Eberhauerlamellen
Seit dem letzten Zwischenbericht war es möglich, in Pietrele weitere Bruchstücke durchlochter Eber- zahnlamellen (Caninus infer.) aufzunehmen. Der im Querschnitt dreieckige Unterkieferzahn des Wildschweines besitzt einen sehr starken Zahnemaille- rand aus dem die Lamellen gefertigt werden.109 Sie sind meist an den Enden abgerundet und mit Löchern oder Lochansätzen an beiden Enden, über
109 Heumüller 2009, 66.
wiegend jedoch nur an einem Ende, versehen. Tierzähne sind im Neolithikum und im Chalkolithikum Europas häufig verwendete Materialien für Schmuck. Innerhalb dieser Kategorie nehmen die Eberhauer eine Sonderstellung ein. Im Mittelneolithikum sind große Lamellen als Beigabe in Männergräbern Südwestdeutschlands und der Schweiz gebräuchlich.110 Eine ähnliche Beigabensitte ist auch im östlichen Mitteleuropa bekannt. Während der ersten Phase der neolithischen Lengyel-Kultur treten die imposanten Eberhauer beidseitig durchlocht als regelhaf- tes Trachtelement in Männerbestattungen am Hals oder paarweise am Oberarm auf.111 In den benachbarten zeitgleichen Gruppierungen haben sie jedoch keine Bedeutung. Innerhalb des spätneolithisch, frühkupferzeitlichen Theiß-Herpaly-Csöszhalom-Kul- turkomplexes sind die Lamellen vereinzelt belegt und entwickeln sich dann mit der Tiszapolgär- zur Bodrogkeresztur-Kultur zu einem typischen Bestandteil der ostungarischen Männerbestattungen.112 Im südlichen Theißgebiet scheint dieser Brauch jedoch nicht bekannt zu sein.113 In kupferzeitlichen Grabfunden Bulgariens und Rumäniens treten eher die beidseitig durchlochten Plättchen auf, die den Schmuckplättchen aus Mollusken ähneln, wie sie auch aus Pietrele bekannt sind (s. u.).
Fein gearbeitete und durchbohrte Anhänger verschiedener Ausführungen sind dagegen eine typische Beigabe in kupferzeitlichen Gräbern des nord- pontischen Raumes.11* Vereinzelt kommen auch perforierte Lamellen vor, sie wurden jedoch nur in wenigen Fällen in aussagekräftiger Position gefunden. Funde aus Grabkontexten sind einzig aus dem spätneolithischen Gräberfeld Cernica bekannt. In den Grabfunden des Karpartenbeckens sind perforierte Lamellen wieder regelmäßig zu finden.115 Die bearbeiteten Lamellen treten in diesen Gräbern nahe des Schädels, der Schulter oder in Beckengegend auf.116 In Durankulak fand man Lamellen-Bruch- stücke mit nur einer Lochung in ärmer ausgestatteten Gräbern. Eine ganze, beidseitig durchlochte Lamelle wurde als Einzelfund des Gräberfeldes aufgenommen.117
Während der Kampagne 2010 konnte in Pietrele in der Südostecke des Schnittes ) eine vollständig erhaltene, bearbeitete Zahnlamelle geborgen wer-
110 Heumüller 2009, 183.111 Heumüller 2009, 185.112 Heumüller 2009, 185-186.113 Zalai-Gaäl u. a. 2009, 329.114 Zalai-Gaäl u.a. 2009, 335.115 Raczky/Anders 2010, 152 Abb. 8. Diese Lamellen sind jedoch
überwiegend einseitig perforiert. Erst mit dem Theiß-Herpäly- Csöszhalom-Kulturkomplexes werden sie ein regelhafter Bestandteil der Bestattungen.
116 Zalai-Gaäl u.a. 2009, 334.117 Todorova H.yVajsov 2001, 65.
den.118 Sie war einer Bestattung in rechter Hockerlage (Süd-Nord) beigegeben worden (Abb. 88). Das Stück mit der Kleinfundnummer P10J4170291 ist 15 cm lang und an der perforierten Seite über 2 cm breit. Der Zahn ist sorgfältig gespalten und die Innenseite ist leicht nachgearbeitet. An dem schräg gebrochenen Wurzelende wurde mittig ein ausge- franstes Loch eingefügt. Unterhalb des leicht abgerundeten spitzen Endes ist auf der Rückseite eine undeutliche schräge Kehle erkennbar. Möglicherweise weist diese auf eine Befestigung mit Hilfe eines Fadens hin. Die Zahnlamelle lag in der Hals- bzw. Schultergegend des Toten und kann damit als Halsschmuck oder als Oberarmschmuck angesprochen werden. Auch die Perforierung und die schräge Kehle unterstützen diese Annahme. Die Parallelen zu den neolithischen und frühkupferzeitlichen Traditionen, insbesondere zu denen der Lengyel-Kultur, sind deutlich. Eberzahnlamellen können als gewöhnlich am Hals oder Gürtel getragener Schmuck interpretiert werden. Sie weichen damit in ihrer Bedeutung von den ungelochten, am Kopf oder Rücken gefundenen Stücken der Mittelkupferzeit im Kapar- tenbecken ab.119
Inwieweit eine Verbindung in den verschiedenen Nutzungen der Eberzahnlamellen vom Neolithikum bis zur Kupferzeit in Mittel- und Südosteuropa gesehen werden kann, ist, wie schon Heumüller bemerkt,120 durch das zeitlich und räumlich so weit gestreute Fundbild kaum zu beurteilen. Die Verbindung mit männlichen Bestattungen und eine damit einhergehende Interpretation als Jagdtrophäe scheint jedoch möglich.
Der seit der Kampagne 2008 gefundene Zahnschmuck:Halsreif „Diadem“ Bruchstück (linker Canninus infer. männlich, Hausschwein) gebrochen, Enden bearbeitet mit Res
ten einer Perforierung. L 5,91 cm, В 1,77 cm und 0,96 cm; P08B6240312.
Halsreif „Diadem“ Bruchstück (rechter Canninus
infer. männlich, Hausschwein) gebrochen, Reste einer Lochung erkennbar. L 5,33 cm, В 2,7 cm; P08F7940534.
Halsreif „Diadem“ Bruchstück (rechter Canninus
infer. männlich, Hausschwein) beschädigt, das breite Ende ist durchlocht. L 8,31cm , В 2,42 cm und 1,54 cm; P08F9010861.
Halsreif „Diadem" Bruchstück (linker Canninus infer.
männlich, Schwein) zerbrochen, Reste einer Lochung er
kennbar. L 6,81 cm, В 2,31 cm; P10F7870283.
118 Während der bisherigen Grabungskampagnen wurden verschiedene komplette und auch bruchstückhaft erhaltene Schneidezähne des Wildschweines gefunden. Inwieweit diese zur Ver arbeitung als Schmuck gedacht waren, muss noch untersucht werden.
119 Zalai-Gaal u. a. 2009. 345.120 Heumüller 2009, 188.
Halsreif „Diadem“ nahezu komplett erhaltener Eber
zahn (rechter Canninus infer. männlich, Schwein) mit Perforierung an der breiten Seite und Resten einer Perforierung an der Schmalseite. L 15,4 cm, В 2,24 cm und 1,31 cm; P10I4170291.
Gewandknebel und Besatzplättchen
In dem Kleinfundmaterial aus Pietrele befinden sich mehrere Plättchen aus Knochen und Mollusken, die allgemein der Kategorie der Besatzplättchen zugeordnet werden können121 (Abb. 89). In den letzten Kampagnen wurden mehrere rechteckige Plättchen aus Flussmuscheln mit doppelter Lochung an den Schmalseiten gefunden. Diese überwiegend in den Flächen der Tellsiedlung aufgefundenen Objekte
Abb. 88.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorga- na. Fläche J, Bestattung. Deutlich ist die durchlochte Eberzahnlamelle in der Halsgegend des verstorbenen Individuums zu erkennen (Foto S. Hansen).
121 Die genauen Fundstücke sind in der nachfolgenden Liste aufgezählt.
Abb. 89.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Keramik-,
Knochen- und Zahnschmuck, der als
Kleidungsbesatz oder Knebel Verwendung
fand. Knebel:1 P07F4240528;2 P07F4240528;3 P05B1050017;4 P06B2530356;5 P06F3390338;6 P06B2370023;7 P07B5530782; в P08F8820766;9 P07F4720991;
10 P07F4180357. - Muschelbesatz für Kap
pen und Diademe:11 P04B0650589;12 P06B3050876
(Eberzahn);13 P06B2530355;14 P07F4621316;15 P08F8430492;16 P08F8980765;
17 P05B1820711. -mittig perforierte
Knochenplättchen:18 P07B5250422;19 P08F8420493;20 P05B1300178;21 P04F0200212;22 P09F6110180;23 P0965190032;24 P09G5860321;25 P10F3900290;26 P10F7660275
(ZeichnungenH. W. Nergaard und
T. Vachta).
werden meist als Stirn- oder Kappenbesatz gedeutet (Abb. 89,11-16), von zeitgleichen Fundplätzen in Rumänien und Bulgarien sind sie meist aus Spondylus bekannt. Diademartige Ketten aus solch flachen Spondylusplättchen, ähnlich denen aus Pietrele, konnten in der Tellsiedlungen von Ovcarovo (im Siedlungshorizont VI) und Gorna Kremena (Höhensiedlung) entdeckt werden.122 Im Gräberfeld von Durankulak (Grab 245) kamen vier flache Plättchen in Stirnhöhe und weitere siebzehn am Oberkörper zum Vorschein.123 Die überwiegende Anzahl dieser Spondylusplättchen ist an den Schmalseiten nur einmal durchlocht.
Besatzplättchen aus Knochen und Zahn (Abb. 89,12) sind ebenso verbreitet wie die aus Flussmuscheln. Überwiegend treten hier viereckige oder rechteckige Knochenplättchen mit zentrierter Durchlochung auf (Abb. 89,18-26) oder aber ganz ohne Perforierung. Inwieweit diese unperforierten Stücke als Halbfabrikate zu deuten sind, muss noch untersucht werden. Sie sind jedoch bis auf die Lochung fertig bearbeitet.
Neben diesen flachen Plättchen konnten auch in Pietrele immer wieder stabförmige, S-förmige oder rechteckige bearbeitete Knochen gefunden werden, die meist mittig perforiert sind (Abb. 89,1-10). Die hier aufgeführten Stücke ähneln den in der Literatur als Gewandknebel bezeichneten Funden. Sie treten seit der ältesten Linienbandkeramik im gesamten europäischen Raum auf.124 In den von Kaufmann untersuchten Gräbern dieser Zeitepoche konnten vermehrt solche geschlechtsunspezifischen Knebel in Knieposition der Verstorbenen gefunden werden, was den Autor dazu veranlasste in den Objekten einen Verschluss für den unteren Bereich der Kleidung zu sehen.125 Jedoch wurden diese Fundstücke auch an anderen Stellen, unter anderem dem Rücken, der Bestatteten aufgefunden. Die vermutlichen Gewandknebel aus Pietrele kommen in den verschiedensten Ausführungen in beiden Flächen des Teils vor. Gemeinsam ist ihnen ein relativ großes Loch, das meist mittig oder leicht aus der Mitte versetzt liegt. Damit weichen sie formal von den oben erwähnten, deutlich früheren Stücken ab, können aber noch eindeutig als Knebel identifiziert werden. Dass der Knebel durch einen Faden an der Kleidung befestigt wurde oder den Faden mit zur Befestigung der Kleidung nutzte, ist hier naheliegend.126 Die Stücke aus Pietrele sind mit einer Ausnahme aus mehr oder weniger stark bearbeitetem Knochen
122 Todorova H./Vajsov 2001, 43.123 Todorova H. 2002b, 41.124 Kaufmann 2004, 49.125 Kaufmann 2004, 51.126 Kaufmann 2004, 52.
hergestellt. Der Knebel aus der Fläche F, Befund P08F882 jedoch ist aus Ton und stellt die Miniatur einer auch auf dem Teil vorkommenden Geweihaxt dar (Abb. 89,8).
Die Gewandknebel und Besatzplättchen seit der Kampagne 2008:Besatzplättchen, Flussmuschel; Bruchstück eines rechteckigen Muschelplättchen mit abgerundeten Enden und zwei Löchern an jedem Ende; L 1,46 cm, В 1,65 cm, Loch-Dm
2,6 mm; P04B0650589.
Besatzplättchen, Flussmuschel; rechteckiges Muschelplättchen mit abgerundeten Enden und zwei Löchern
an jedem Ende, beschädigt; L 3 cm, В 1,60 cm, Loch-Dm
3,8 mm; P06B2530355.Besatzplättchen, Flussmuschel; rechteckiges Mu
schelplättchen mit abgerundeten Enden und zwei Löchern
an einem Ende; L 4,4 cm, В 1,86 cm, Loch-Dm 1,6 mm; P07F4621316.
Besatzplättchen, Flussmuschel; rechteckiges Muschelplättchen mit abgerundeten Enden und zwei Löchern an jedem Ende; L 4 cm, В 1,69 cm, Loch-Dm 3,1mm;
P08F8980765.Besatzplättchen, Flussmuschel; rechteckiges Mu
schelplättchen mit abgerundeten Enden und zwei Löchern
an jedem Ende; L 4,05 cm, В 1,77 cm, Loch-Dm 3,3 mm;
P08F8430492.Durchlochtes Knochenplättchen, rechteckig; L 3,08 cm,
В 1,33 cm, Loch-Dm 4,2 mm; P06B2370023.Durchlochtes Knochenplättchen, rechteckig, verbrannt;
L 3,5 cm, В 2,68 cm, Loch-Dm 5,3 mm; P06F3100085.
Durchlochtes Knochenplättchen, viereckig; L 1,82 cm, В 1,76 cm, Loch-Dm 4,4 mm; P07B5250422.
Durchlochtes Knochenplättchen, viereckig; L 1,31 cm, В 0,88 cm, Loch-Dm 3,7 mm; P07B5380523.
Durchlochtes Knochenplättchen, abgerundetes Vier
eckig; L 3,05 cm, В 1,6 cm, Loch-Dm 4,3 mm; P07B3981212.Durchlochtes Knochenplättchen, rechteckig; L 2,28 cm.
В 1,35 cm, Loch-Dm 3,3 mm; P08F8420493.Durchlochtes Knochenplättchen, viereckig; L 2,31 cm,
В 2,03 cm, Loch-Dm 4,4 mm; P08F8950754.Durchlochtes Knochenplättchen, viereckig; L 2,31 cm,
В 2,1 cm. Loch-Dm 5,3 mm; P09G5190032.
Durchlochtes Knochenplättchen, viereckig; L 1,61 cm, В 1,61 cm, Loch-Dm 3,9 mm; P09B7470135.
Durchlochtes Knochenplättchen, abgerundetes Viereck; L 2,82 cm, В 2,3 cm, Loch-Dm 3,3 mm; P09F6110180
Durchlochtes Knochenplättchen; L 3,73 cm, В 2,1 cm, Loch-Dm 1,38 cm; P09G5860321.
Durchlochtes Knochenplättchen, viereckig; L 1,89 cm, В 1,62 cm, Loch-Dm 3,0 mm; P10F7660275.
Besatzplättchen aus Eberzahn, rechteckig mit je
zwei Löchern an der Schmalseite; L 3,53 cm, В 1,94 cm; P06B3050876.
Spondylus
Seit der Kampagne 2007 konnte die Anzahl der Spondylusfunde in der Tellsiedlung mehr als verdoppelt werden Aber auch in der Außensiedlung wurden bereits sechs Spondylusartefakte gefunden.
Abb. 90.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Ausgewählte 5pondyl(jsbruchstücke
mit Spuren einer Nachbearbeitung. l P06
B2470728; 2 P07 F4150404; 3 P08 B1240952; 4 P08 B6840549; 5 P08
F8820764 (Zeichnungen H. W. Nergaard).
Die in der Forschung viel diskutierte Herkunftsfrage des Spondylus ist bis zum heutigen Tage nicht mit Sicherheit zu beantworten. Jedoch hat sich die Mehrheit der Forscher auf eine Gewinnung des Spondylus an der adriatischen und ägäischen Küste geeinigt und eine darauffolgende Verbreitung im Zuge eines Langstrecken-Austauschnetzwerkes erwogen.127 Von Bedeutung für den Spondylusschmuck in Pietrele ist jedoch der zeitliche Wechsel der Gewinnungsgebiete. Im Ausbreitungsgebiet der Linien- bandkeramik treten vor allem große Spondylus- klappen mit regional abhängiger Perforierung auf, ebenso wie zylindrisch lange Perlen und große, breite Armbänder.128 Mit Mitte des 5. Jts. v. Chr. versiegt der Spondylus im Ausbreitungsraum der ostungarischen Theiß-Kultur während gleichzeitig die Anzahl der Spondylusfunde aus dem adriatischen Küstenraum drastisch abnimmt. Südöstlich davon ist Spondylus allerdings weiterhin ein gebräuchliches Gut und stark im Fundbild vertreten. Der Spondylus dieses „jüngeren Horizonts“ 129 scheint aus der
127 Siehe hierzu vor allem die Artikel von Müller 1997; Seferiades 2000; Kalicz 2001; Chapman u. a. 2011. Eine genaue Beschreibung der einzelnen möglichen Routen ist zusammenfassend bei Nandor Kalicz in seiner Abhandlung über den neo- lithischen Spondylusschmuck nachzulesen.
128 Kalicz/Szenäszky 2001, 48.129 Kalicz/Szenaszky 2001, 49.
Ägäis eingeführt zu werden und zeigt ein anderes Formenspektrum, das dem des ältesten Neolithikums ähnlich ist. Hier treten vor allem flache und tonnenförmige Perlen sowie dünne Armbänder auf.
Neben der Herkunftsfrage beschäftigt die Forschung seit langem auch die Frage, ob Spondylus als Rohstoff oder Halbfabrikat verhandelt wurde. Indirekte Beweise für eine lokale endgültige Verarbeitung des Spondylus sind Spuren, die auf Reparaturen hinweisen, wie es bei Armringen des Spätneolithikums Im Raum der Theiß-Kultur zu beobachten ist.130 Solche Spuren konnten auch an Armringfragmenten in der Tellsiedlung Măgura Gorgana gefunden werden. Vereinzelt traten Bearbeitungen an Fragmenten von Spondylusringen schon in den Kampagnen 2006 und 2007 auf (P06B2470728; P07F4150404). Noch deutlichere Nachweise für eine Überarbeitung ließen sich an den Funden aus den unteren Schichten des Teils feststellen. Insgesamt wurden sechs größere Bruchstücke mit teils vollständig ausgeführter Perforierung oder aber mit dem Ansatz einer Perforierung von beiden Seiten gefunden (Abb. 90). Diese Stücke wurden ausschließlich auf dem Siedlungshügel gefunden, gleichmäßig auf die beiden Flächen verteilt. Es zeigt sich jedoch, dass die perforierten Spondylusringe im Fläche В
130 Kalicz/Szenâszky 2001, 48.
meist nahe einer verbrannten Hüttenlehm-Konstruk- tion (P06B247; P08B124; P08B68A) und in Fläche F auf dem Hausboden (P10F320) oder in der FüLI- schicht des Hauses (P07F415; P08F882) vorkamen. Die Tatsache, dass die Stücke nach dem Zerbrechen in Anhänger umgearbeitet wurden (Abb. 91), zeigt deutlich ihren Wert. Das geschätzte Material wurde bearbeitet, um es weiterhin nutzen zu können.
Die überwiegende Anzahl der in Pietrele gefundenen Spondylusringe scheint aus der linken bzw. oberen Hälfte der Muschel gefertigt zu sein. Dies trifft auch für die Spondylusringe aus den Gräbern von Varna I und den kupferzeitlichen Funden in Durankulak zu.131 Die flachere Linienzier, mit nur einem Wirbel am Scharnier, die einen möglichen Hinweis auf die verwendete Klappe liefert,132 ist besonders gut bei einigen wenigen auf dem Teil gefundenen Stücken erkennbar (Abb. 92,1-4).
Die spätneolithischen Ringe der Hamangia- Kultur sind, wie schon oben erwähnt, deutlich massiver und dicker (Abb. 93). In der Kampagne 2010 konnten erstmals auch Bruchstücke solcher massiven Spondylusringe gefunden werden. Bei einer genaueren Betrachtung ist die von den bisherigen Stücken abweichende Schichtung deutlich erkennbar. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Bruchstücke von massiven breiten Ringen stammen. Auch hat sich das Perlenspektrum 2010 um mehrere längliche und sehr große Perlen erweitert, die eine den großen Ringen ähnliche Maserung besitzen (Abb. 92,5-7).
Alle diese letztgenannten Fundstücke, ebenso wie das überwiegende Spondylusmaterial der Kampagne 2010, stammen aus Fläche F. Vor allem die oben erwähnten großen Perlen und die Bruchstücke der breiten Armreifen lagen in den untersten Schichten des Teils.
Unterzieht man die Qualität der Ringe, d. h. die Form des Querschnitts und die Beschaffenheit der Oberfläche, einer genaueren Betrachtung, so können große Unterschiede festgestellt werden. Bei einer Zuweisung des Spondylus in drei Qualitätskategorien (grob-mittel-fein) und der gleichzeitigen Gegenüberstellung dieser mit den einzelnen Hausniveaus des Teils konnte ein Zusammenhang beider festgestellt werden. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Ringe der untersten Tellschichten überwiegend feinerer Qualität sind (Abb. 94). Sie haben einen scharf umrissenen Querschnitt mit einer sorgfältig polierten Oberfläche. Eine so reiche Bearbeitung wie sie unter anderem bei dem Stück P08B6320318 zu erkennen ist, ist mit einer großen Menge an Ma-
131 Chapman u.a. 2008. 151.132 An dieser Stelle einen besonderen Dank an Norbert Benecke,
der immer bereitwillig die Fragen zur Herkunft der organischen Materialien beantwortet.
Abb. 91.Pietrele, Rumänien. Teilsiedlung Măgura G orga na. Fläche Г, untere Schichten. Bruchstück eines Spon- dylusreifs der massiven Variante mit Spuren von nachträglichen Änderungen (P10F4390506003). (Foto S. Hansen).
terialabtrag verbunden. Ringe der oberen Tellschichten sind weniger bearbeitet. Viele der während der Kampagnen 2002-2005 gefundenen Stücke haben stark variierende Querschnitte innerhalb des Ringes. Ihre natürliche Form ist stärker im Vordergrund. Bei diesen Stücken tritt die rötliche, oberflächennahe Färbung häufiger auf. Eine mögliche Interpretation dieses Bildes führt zu der Annahme, dass der Rohstoff Spondylus während der ersten Hausphasen in größeren Mengen vorhanden war als in den oberen Teilschichten. Diese Interpretation basiert auf der Annahme, dass zur Herstellung der Ringe mit fast viereckigem Querschnitt (P08B6400401; P08B6320318; P08B6040161; P08B6120177) deutlich mehr Abfall produziert wurde, was nur vertretbar ist, wenn ausreichend Material zur Verfügung steht. Die Besonderheit des Spondylusarmschmuckes liegt damit nicht nur im Material selbst, sondern zu bestimmten Zeiten auch in der Qualität der Verarbeitung.
In der figürlichen Kunst gibt es verschiedentlich Hinweise zur Verwendung des Spondylusschmu- ckes. So wurden an den Armen der Statuette aus Battonya-Parazstanya (Abb. 95) die breiten Spondy- lusarmreifen der neolithischen Linienbandkultur er kannt.133
Auch zeigen Plastiken und anthropomorphe Gefäße der jüngeren Theiß-Kultur Armringe oder Armbänder aus Spondylus. Aus dem Gräberfeld Durankulak sind mehrere Funde bekannt, in denen die Position am Oberarm in situ bestätigt werden konn-
133 Kalicz/Szenäszky 2001, 45.
Abb. 92.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Verschiedene
Spondylusstücke. An den Bruchstücken
1 P07F4430964;2 P08B6400401;3 P09J3500071;
4 P10F4150443 sinddeutlich die Maserungs- linien erkennbar, daher wahrscheinlich aus der
linken Schale der Muschel gewonnen.
Die während der Kampagne 2009 und 2010 gefundenen länglichen
Perlen 5 P09B7640381;6 P10F7660248;
7 P10F3970328 weisen eine deutlich vielfälti
gere Maserung auf. Das Stück 8 P10F3490130 und P10F3030027 ist
eines der beiden möglichen „re-fittings" des
Teils (Zeichnung: H. W. Nßrgaard).
Abb. 93.Ringe aus Spondylus-
muschel. 1 Armschmuck bzw. Ringe.
1 aus der rechten Hälfte einer Spondylus-
Muschel, Pietrele, Rumänien; 2 aus der
linken Hälfte einer Spondylus Muschel,
Gräberfeld von Duran- kulak, Bulgarien
(nach Chapman u. a. 2008, 143).
te.13* Vor allem im Grab 496 aus Durankulak, das Todorova der Stufe Varna I anrechnet, kann die originale Position der vollständig erhaltenen Armringe gut beobachtet werden. Die reich ausgestattete Tote trug zwei Spondylusringe der dünnen Variante an ihrem rechten Oberarm.135
Da die meisten aufgefundenen Spondylusob- jekte als Bruchstücke Vorkommen, lohnt es nach zusammenpassenden Objekten zu suchen. Im Zuge einer Studie die sich mit dem „Re-Fitting“ von Ringfragmenten im Gräberfeld von Varna I und Durankulak auseinandersetzte, konnte festgestellt werden, dass zwei Drittel aller in das Grab gegebenen Spondylusringe fragmentiert sind. Es war möglich, innerhalb eines Grabes Ringe aus zwei bis vier Fragmenten wieder zusammenzusetzen. Eine grabüber- greifende Zusammenführung trat jedoch niemals auf.136 Dies bildete die Grundlage für Spekulationen
13A Todorova H. 2002c, 182-185.135 Todorova H. 2002c, 182.136 Chapman u. a. 2008, 146.
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Abb. 95.Battonya-Paräzstanya,
Ungarn. Torso einer Figurine mit den als
Spondylsarmbänder interpretierten Verdickungen an den Oberarmen (nach Kalicz 2001, 42).
über die intentionelle Zerstörung der Ringe am Grab. In Pietrele können zwei Beispiele für eine andere Möglichkeit, nämlich die einfache Zerstörung durch intensive Nutzung, angeführt werden. Schon in der Kampagne 2004 war es möglich, ein bereits zwei Jahre zuvor gefundenes Stück aus Fläche В mit einem im gleichen Schnitt gefundenen Stück zu ergänzen.137 Während der letzten Kampagne wurden in Fläche F, in zwei unterschiedlichen Befunden, Bruchstücke eines Spondylusringes geborgen (Abb. 92,8)- Das erste Fragment (P10F3490130) stammt aus einer Schuttschicht unterhalb des verbrannten Flauses, in die Pfostengruben eingetieft waren. Das zweite Stück (P10F3030027) wurde fast 30 cm höher und 3 m weiter nördlich, nahe der NW-Ecke des verbrannten Flauses geborgen, gehört aber der gleichen Schuttschicht an. Die Stücke zeigen Brandspüren über dem Bruch, d. h. sie können als alt zerbrochen angesehen werden. Neben einer möglichen intentioneilen Zerstörung der Ringe muss wohl auch immer die zufällige durch das Material bedingte Zerstörung in Betracht gezogen werden.
Die seit der Kampagne 2008 gefundenen Spondylusartefakte:Spondylusarmreif - Bruchstück, leicht verbrannt jedoch
sehr gut erhalten, grau meliert; L 6,7 cm, В 0,76 cm; P08B6040161.
Spondylusarmreif -Bruchstück eines fein gearbeite
ten Spondylus, verbrannt und sehr gut erhalten, grau meliert. L 5,8 cm, В 0,68 cm; P08B6120177.
Spondylusarmreif - Bruchstück des vorderen Bereichs, ockergelbe bis bräunliche Färbung. L 4,22 cm, В
1,27 cm; P08F7420178.
137 Wrobel in Hansen u. a. 2007, 63, Abb. 62.
Spondylusarmreif - Bruchstück des vorderen Bereichs, gelblich mit Resten der natürlichen roten Farbe.
L 3,82 cm, В 1,11 cm; P08A2020298.Spondylusarmreif - Bruchstück eines sehr feinen
Reifs, ockergelb. L 5,77 cm, В 0,46 cm; P08B6320318.Spondylusarmreif kleines Bruchstück eines bräun
lichen fein gearbeiteten Armreifs. L 4,65 cm, В 0,73 cm;
P08B6400401.Spondylusarmreif - Bruchstück des vorderen Be
reichs, weiß mit Resten der natürlichen roten Färbung, stark
bearbeitete Unterseite; L 7,1 cm, В 1,38 cm; P08B6620426.Spondylusarmreif - Bruchstück der Vorderseite. Sehr
fein ausgearbeitetes breites Stück, das an dem Bruch den
Versuch einer Durchlochung aufweist. L 6,73 cm, В 2,1 cm;
P08B6840549.Spondylusarmreif - Bruchstück des vorderen Bereichs,
weiß, stark verwittert. L 5,11 cm, В 0,81 cm; P08B6930550.Spondylusarmreif - Bruchstück des vorderen Be
reichs, weiß mit Resten der natürlichen roten Färbung;
L 6,5 cm, В 0,73 cm; P08F8510611.Spondylusarmreif - ] des Reifs mit Scharnieransatz,
weiße stark verwitterte Oberfläche mit bräunlichen polierter Stellen. Am Scharnier ist das Stück trichterförmig durchlocht (Dm 5,8 mm). Dm 6,5 cm, L 7,43 cm, В 0,74 cm x 1,43 cm; P08F8820764.
Spondylusarmreif - kleines Bruchstück eines weißen Armreifs mit Durchlochung am Bruch. L 3,62 cm, В 0,56 cm; P08B1240952.
Spondylusarmreif (?) - Bruchstück, weiß; L 3,24 cm,
В 1,4 cm; P09H3020031.Spondylusarmreif - Bruchstück eines sehr feinen
Reife, weiß mit Resten der natürlichen roten Farbe. L 5,1 cm,
В 0,6 cm; P09F1020044.Spondylusarmreif - Bruchstück, stark verwittert,
weiß. L 4,34 cm, В 0,68 cm; P09J3500071.
Spondylusarmreif (?) - Bruchstück des vorderen Bereichs, weiß, stark verwittert; L 5,07 cm, В 2,37 cm; P09F2020221.
Spondylusarmreif kleines Bruchstück, grau meliert,
verbrannt. L 4,41 cm, В 0,87 cm; P09F1430471.Spondylusarmreif - Bruchstück des vorderen Be
reichs, weiß mit Resten der natürlichen roten Farbe und
feiner Lochung an einer Bruchstelle. L 6,31 cm, В 0,74 cm;
P10F3200076.
Spondylusarmreif - | des Reifs mit Scharnieransatz, bräunliche Farbe. Dm 6.1 cm, В 0,94 cm; P10F3400117.
Spondylusarmreif -Bruchstück eines verbrannten Reifs, schwarzgraue Farbe. L 5,62 cm, В 0,82 cm; P10F3220253.
Spondylusarmreif - Bruchstück mit Resten der natür
lichen roten Farbe, weiß. Das schräg abgebrochene Ende
ist durchlocht. L 5,52 cm, В 0,48 cm; P 10M6250304.Spondylusarmreif Bruchstück des Scharniers,
weiß; L 3,78 cm, 0,74 x 1,33 cm; P10L2190370.
Spondylusarmreif - Bruchstück eines verbrannten
Reifs, graue Farbe. L 5,73 cm, В 0,54 cm; P10F3260393.Spondylusarmreif Bruchstück eines weißen Reifs
mit Resten der natürlichen roten Farbe. L 5,21 cm, В 0,63 cm; P10F4170421.
Spondylusarmreif - Bruchstück eines braun-gelb
liehen Reife; Dm 5,56 cm, В 0,73 cm; P10F4150443.Spondylusperien grau-weiß, 19 Stück im Zusammen
hang und eine weitere südlich der Fundstelle; Dm 8 -8 ,6mm,
D 1 -2 ,9mm stark; P04B0430356 und P04B0430234.
Spondylusperle länglich, weiß-gelblich; L 1,06 cm, Dm 0,54 cm; P05F1480603.
Spondylusperle länglich, schwarz-grau; L 1,9 cm, Dm 1 cm; P04B0570639 .
Spondylusperle länglich, weiß mit gelben Einschlüssen; L 2,54 cm, Dm 1,44 cm; P09B7640381.
Spondylusperle länglich, weiß mit gelben Einschlüssen; L 2,56 cm, Dm 1,82 cm; P10L2190360.
Sponylusperle länglich, weiß; L 1,37 cm, Dm 0,8 cm; P10F3440158.
Sponylusperle länglich, gelblich-weiß; L 3,6 cm, В 1,31 cm x 1,35 cm; P10F7660248.
Sponylusperle länglich, gelblich-weiß; L 2,93 cm, В 1,82 cm; P10F3970328.
Spondylusperle, grandeiförmig, ockergelb. L 2,17 cm, В 1,32 cm; P08F9290953.
Knochennadeln
Auch das Spektrum der Knochennadeln hat sich seit 2007 erheblich erweitert. Neben Bruchstücken von Nadelschäften liegen bis jetzt elf nahezu komplett erhaltene Knochennadeln von mindestens zwei Typen vor (Abb. 96). Zum größten Teil sind die Formen bereits von den Kupferfunden bekannt.
Doppelspiralkopfnadeln sind ein auch vom Teil Măgura Gorgana bereits bekannter Fundstoff. Imitate dieser Nadeln aus Knochen konnten auf dem Teil Karanovo (Kulturschicht VI), in Ovcarovo (Horizont IV und V), während der Grabungen am Teil Ruse, in Azmaska mogila (Horizont III) und in der Tellsiedlung Zavet gefunden werden. Auch aus Grabanlagen der Spätkupferzeit sind solche Knochennadeln mit zwei gegeneinander stehenden Kreisflächen und Mittelloch bekannt, wie in einzelnen Gräbern von Goljamo Delcevo (Grab 27) und Varna I (Grab 41)138 belegt ist.
In der Kampagne 2009 wurden zwei solcher Nadeln sowohl auf dem Teil in Fläche F als auch in der Außensiedlung in Fläche G gefunden (Abb. 96,13; 14).
Auffällig ist bei der Nadel aus dem Kolluvium in Fläche G (P09G512) ihr sehr kurzer und im Verhältnis dazu dicker Nadelschaft. Aus Vergleichsfunden ist klar erkennbar, dass die Schäfte üblicherweise deutlich länger waren. In unserem Fall muss wohl von einer Nachbearbeitung des gebrochenen Nadelschaftes ausgegangen werden. Auch die Nadel aus dem Gassenbereich in Fläche F (P09F1070070) ist alt gebrochen. Ihr kommt jedoch noch eine ganz andere Bedeutung bei, sie wurde nämlich in den bislang ältesten Schichten des Teils gefunden. Das
t Füllmaterial der Gassen auf dem Teil ist jedoch oftmals stark durchmischt, so dass eine definitive chronologische Aussage leider nicht gemacht werden kann. Es kann aber davon ausgegangen wer
138 Todorova H./Vajsov 2001, 50.
den, dass die „Spiralkopfnadeln“ aus Knochen mindestens zeitgleich mit den kupfernen Varianten auftreten.139 Eine Aussage zu einer eventuellen Vorzeitigkeit der Nadeln kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden, es werden jedoch weitere Untersuchungen folgen. Eine Datierung der Doppelkreiskopfnadel aus der Außensiedlung wird erheblich zur Lösung des Problems beitragen können.
Eine weitere in Bulgarien und Rumänien bekannte Nadelform, die Plattenkopfnadel, tritt ebenfalls in Knochen und Kupfer auf (Abb. 96,1-12). Diese Nadelform ist in einer beträchtlichen Formvielfalt vertreten. Auch die Funde aus Pietrele zeigen verschiedene Ausprägungen dieses Typs. Zu den einfachen Nadeln, deren formale Herkunft noch deutlich erkennbar ist, das Rohmaterial Knochen also nicht besonders intensiv bearbeitet wurde, können je ein Stück aus Fläche F (P08F8000405) und Fläche В (P08B5920084) gezählt werden. Des Weiteren konnten mehrere Plattenkopfnadeln mit Mittelloch gefunden werden, deren Ursprungsform ebenfalls wenig verändert wurde (P07B5520043 und P07F4430531). Die beiden stark bearbeiteten Plattenkopfnadeln stammen aus Fläche В (P07B5030105; P08B5920084) und die beiden reichlich bearbeiteten Nadeln mit Mittelloch aus Fläche F (P09F1280081; P10F5930077). Ebenfalls im Fläche В konnte eine Plattenkopfnadel mit tiefer Mittelkerbe geborgen werden (P08B6850552) und eine lange Nadel mit kleinem Spatelkopf. Die letztgenannte Nadel hatte vermutlich einen bedeutend größeren Kopf und ist eventuell schon in prähistorischer Zeit umgearbeitet worden (P08B6400365).
Die bisher unerkannten und neu gefundenen Knochennadeln und Nadelbruchstücke:Nadelbruchstück; L 10,75 cm, größter Dm 4,4 mm, P04F039418.
Nadelbruchstück (mögliche Plattenkopfnadel); L 6,35 cm, größter Dm 6,1 mm, G 2g; P06B296772.
Nadelbruchstück (mögliche Plattenkopfnadel); L 5,31 cm, größter Dm 6,1 mm, G 2g; P08B6470364.
Nadelbruchstück; L 3,9 cm, Dm 3,3 mm;
P10L2260450.Nadel mit Plattenkopf; L 5,15 cm, Schaft-Dm 5,1 cm.
Platten-B 1,23 cm; P07B5030105.
Nadel mit Plattenkopf; L 9,55 cm, Schaft-Dm 32 mm, Platten-B 1,22 cm; P08B5920084.
Nadel mit Plattenkopf, grobe Platte; L 7,74 cm, Schaft-
Dm ca. 5,2 mm, Platten-B ca. 1,1 cm; P08B4030159.Nadel mit Plattenkopf; L 9,13 cm, Schaft-Dm 5,1 mm,
Platten-B 2,15 cm; P08F8000405.
ljy Siehe hierzu auch die kupferne Spiralkopfnadel aus dem Sudhaus in Fläche F, Befund P09F172 (Abb. 78,2). Es ist nicht auszuschließen, dass diese Nadel aus den obersten Ablagerungen stammt, die vom Teil im Laufe der Zeit nach Süden abgerutscht sind. Damit würde sie nicht zu den ältesten Kup fernadeln der Siedlung zählen, sie könnte zu den jüngsten vom Teil gehören.
Abb. 96.Pietrele, Rumänien.
Teilsiedlung Măgura Gorgana. Knochen nadeln. - Platten
kopfnadeln1 P07B50301052 P08B59200843 P08F80004054 P10F30600255 PO 8 В6400365
6 P06B2960772 (Nadelschaft); 7 P10L2260450
(Nadelschaft}8 P08B6470364 (Nadel
schaft). - Plattenkopf nadeln mit Mittelloch
9 P07B552104310 P09F1280081
11 P1593007712 P07F4430531. -
Nadeln mit zwei gegeneinander stehenden
Kreisflächen und Mittelloch: 13 P09G5120025;
14 P09F1070070. - Nadel mit rundem Plattenkopf und Mittelkerbe: 15 P08B6850552; (Zeichnung H. W. Nör- gaard und T. Vachta).
Nadel mit Plattenkopf und Mittelkerbe; L 4,67 cm, Schaft-Dm 4,4 mm, Platten-B 1,63 cm; P08B6850552.
Nadel mit Plattenkopf; L 14,7 cm, Schaft-Dm
4,3 -6 mm, Platten-B 1,73 cm; P10F3060025.Nadel mit Plattenkopf, durchlocht; L 5,15 cm.
Schaft-Dm 4,1 mm, Platten-B 1,12 cm; P10F5830077.
Nadel mit kleinem Plattenkopf; L 14,9 cm, Schaft-
Dm 4,8 mm, Platten-B 6,8 mm; P08B6400365.
Doppelkreiskopfnadeln mit Mittelloch; L 6,2 cm, Kreiskopf-B 1,78 cm, Kopf-B 3,42 cm, Loch-Dm 3,9 mm, Schaft-Dm 4,5 mm; P09G5120025.
Doppelkreiskopfnadeln mit Mittelloch; L 4,73 cm,
Kreiskopf-B 1,48 cm, Kopf-B 2.01 cm, Loch-Dm 4,1 mm, Schaft-Dm 4,8 mm; P09F1070070.
Doppelkreiskopfnadeln mit Mittelloch, um ge arbeitet; L 5,2 cm, Kreiskopf-B 1,32 cm, Kopf-B 0,95 cm, Loch-Dm
Loch 5,3 mm, Schaft-Dm 4 mm; P09F1280081.
Zusammenfassung
Der nichtmetallene Schmuck des Siedlungshügels Măgura Gorgana und der der Außensiedlung tritt nicht nur sehr zahlreich auf, sondern ist auch von außergewöhnlicher Vielfalt. In kaum einer kupferzeitlichen Siedlung dieser Region kommen so viele unterschiedliche Nadelformen, Besatzplättchen oder Anhänger vor, wie in Pietrele. Auch die Vielfalt und Kontinuität des bearbeiteten Spondylus eröffnet neue Möglichkeiten für die Deutung dieser Schmuckgattung. In Pietrele konnte eine durchgehende regelhafte Nutzung der Spondulys Gaederopus-Muschel als Schmuck in verschiedenster Form von den jüngsten Tellschichten bis zu den ältesten nachgewiesen werden. Auch in den Flächen der Außensiedlung fanden sich die Schmuckstücke. Mehrere umgearbeitete Armringe weisen auch auf eine Bearbeitung des Spondylus am Teil hin. Durch das regelhafte Auftreten des Spondylus war es möglich, qualitativ hochwertig gefertigte Spondylusringe überwiegend den ältesten Tellschichten zuzuordnen. Erste Untersuchungen zeigten deutlich eine Abnahme in der Qualität der Armringe zu den jüngeren Schichten hin. Eine weiterführende Bearbeitung der Kleinfunde muss diese Qualitätsunterschiede des Spondylus-Schmuckes aufgreifen. Auch die Vielfalt der Knochennadel und deren kontinuierliches Auftreten im Fundgut des Teils, macht eine chronologische Verknüpfung mit den kupfernen Funden möglich. Letztendlich werden auch die Tonhütchen dieser Siedlung die Diskussionen über Gewandbesatz, Anhänger oder Idol erheblich voranbringen, da sie in einer großen Anzahl und überwiegend in situ gefunden werden können. Der nichtmetallische Schmuck des Siedlungshügels Măgura Gorgana hat sich in den letzten Kampagnen zu einer wichtigen Kleinfundgruppe entwickelt.
(H. W. N.)
Hausmodelle
ln der südwestlichen Ecke des Hauses der Fläche F (Abb. 97,1) wurden drei Installationen identifiziert: ein Ofen (P10F323), eine Lehminstallation mit Zwischenwänden (P10F325) und eine stufenartige Bank (P10F326). Ihre detaillierte Beschreibung ist hier nicht nötig. Die Erwähnung dieser Installationen ist aber wichtig, weil sie die gleiche Organisation des Innenraums zeigen wie die Inneneinrichtung in ei
nem Hausmodell von Ovcarovo (Abb. 97,2).140 Aufgrund dieser Ähnlichkeit können die kupferzeitlichen Hausmodelle als Träger von Bauinformationen in Betracht gezogen werden, und das in einer Welt, die keine Schrift und keinen architektonischen Entwurf kannte. Die zwei in der Kampagne 2010 entdeckten Hausmodelle unterscheiden sich von den kleinen Ofenmodellen aus Pietrele1*1 oder von anderen zeitgenössischen Funden durch ihre größeren Dimensionen und ihre spezielle Zusammensetzung.
Das erste Hausmodell (Abb. 98) ist fragmentarisch; erhalten sind nur der obere Teil einer längeren Fassade und der untere Teil einer Seite des Daches sowie ein kleiner Teil der Seitenfassade, mit dem Ansatz eines Giebels. Die Mehrzahl der Modellscherben stammt aus einer Abfallschicht mit verbrannten Lehmwandresten und Scherben (P10F415) unter dem in den Kampagnen 2009-2010 untersuchten Haus. Die Länge des erhaltenen Teils ist 54,8 cm und seine Höhe beträgt 20 cm. Die Keramik des Hausmodells weist hell-braune und orangefarbene Nuancen auf und ist sekundär stark verbrannt.
Die längere Fassade weist zwei Öffnungen auf, von denen nur die oberen Kanten erhalten sind. In Analogie zu anderen Hausmodelten, z. B. Ruse-Se- lisnata Mogila,142 Sumen - Kodzadermen143 oder Sultana-Malu Roşu144 kann man davon ausgehen, dass diese Öffnungen kreisförmig (in Form von Oberlichtern oder Gauben) waren. Es stellt sich die Frage, ob ähnliche kreisförmige Öffnungen auch auf der Giebelfassade vorgesehen waren (Abb. 98). Der große Abstand zwischen den Öffnungen erlaubt die Vermutung einer symmetrischen Anordnung der Fassade. In diesem Fall könnte die gesamte Länge der rekonstruierten Fassade ca. 60 cm und die gesamte Höhe ca. 30 cm sein. Hausmodelle von derartig großen Dimensionen wurden auch in Radin- grad,145 Sumen-Kodzadermen,146 Sumen-Vinica147 oder Tärgoviste-Sersema148 entdeckt. Das Exemplar aus Pietrele ist aber gegenwärtig das größte bekannte Hausmodell dieser Zeit. Beide teilweise erhaltenen Fassaden und das Dach des Hausmodells aus Pietrele wurden mit einem Netzwerk von senkrechten Linien verziert. Die durch Linien umrissenen Rechtecke wurden abwechselnd behandelt: einige poliert, andere nicht, wie ein Schachbrettmuster.
140 Todorova H. 1982, 39, 118. Abb. 70; 40. Abb. 24.141 Reingruber 2008, 223-224.142 Georgiev/Angelov 1957, 58, Abb. 20; Trenner 2010, 160 Nr. 68
mit Abb.143 L'Or des Cavaliers Thraces, 1987, Nr. Cat. 59; Trenner 2010.
158 Nr. 62 mit Abb.144 Hansen 2007, Taf. 438; Trenner 2010, 170 Nr. 90 mit Abb.145 Todorova H. 1982, 38. Abb. 23/6146 L’Or des Cavaliers Thraces 1987, Nr. Cat. 59147 Die Thraker 2004, Nr. Kat. 80, L’Or des Cavaliers Thraces 1987,
Nr. Kat. 60148 Angelova 1982, 179, Abb. 112
Abb. 97.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Fläche F/2010.
1 Süd-West Ecke des zentralen Hauses
F/2010 (DigitalisierungD. Spânu). 2 Skizze des Hausmodells aus Ovca- rovo (nach H. Todorova
1982, 40 Abb. 24).
Abb. 98.
Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura
Gorgana. Befund P10F415, Hausmodell (Zeichnung D. Spânu).
Die unpolierten Oberflächen wurden absichtlich grob mit einem hölzernen Werkzeug bearbeitet. Sehr wahrscheinlich war auf diesen Flächen eine (organische?) Farbpaste aufgelegt worden. Die auf das Dach eingeritzten Rechtecke wurden senkrecht gelegt (mit der kleineren Kante nach unten). Die Rechtecke an der Fassade hingegen wurden horizontal angebracht. Aus diesem Grund ist zu vermuten, dass das Fragment ohne Anpassungen (Abb. 98 unten) zur Unterseite der Wand gehörte. Es sei darauf hingewiesen, dass das Netz von Linien auf der Fassade nicht regelmäßig und kontinuierlich auf dem Dach weiter geführt wurde (vor allem nicht an der rechten Seite des Modells).
Aus Sicht des Wandaufbaus könnte man fragen, ob das Netz von senkrechten Linien auf dem Tonmodell als Hinweis auf das hölzerne Skelett des Hauses von Pfosten und Balken interpretiert werden kann. Die Rechtecke auf dem Dach haben entweder eine ornamentale Funktion, oder sie stellen die Module von organischem Material dar (Bündel von Schilf?), die wahrscheinlich die kupferzeitlichen Häuser abgedeckt haben.
Ein zweites Fragment eines Hausmodells stammt aus dem Befund P10F391 (Abb. 99-100). Das Fragment ist 19,2 cm hoch, 10,5 cm lang und 6 cm breit. Die Innenseiten und der keramische Kern sind orange, die Außenseiten sind mit einer weißen Engobe bedeckt. Das Fragment umfasst den unteren Teil des Daches, der Hauptfassade mit dem Beginn eines Giebels und einer größeren gewölbten Öffnung (ein „Eingang“) und der linken Fassade mit einer rechteckigen Öffnung (ein „Fenster“). Der fragmentarische Zustand des erhaltenen Teils erlaubt nicht eine genaue Rekonstruktion des gesamten Modells. In Abb. 100 wurde eine hypothetische Rekonstruktion vorgeschlagen. Aus mindestens zwei Gründen ist davon auszugehen, dass das Fragment zu einem Hausmodell und nicht einem Ofenmodell gehört: (1) die rechteckige Öffnung befindet sich auf der linke Fassade (bei den Ofenmodellen liegt die sekundäre Öffnung regelmäßig auf der rechten Seite (wie z. B. Abb. 97,2) und (2) die Seitenwand erstreckt sich auch unter der rechteckigen Öffnung, die damit als Fenster interpretiert werden könnte. In der aktuellen Phase der Forschung stellt das Fragment den einzigen Vertreter eines rechteckigen Fensters auf einem Hausmodell aus Pietrele-Mägura Gorgana dar. Auf den Außenflächen der Wände und dem Dach wurden einige reliefierte Rippen und Kanneluren angebracht, die als Darstellung der Holzstruktur von Balken und Pfosten eines kupferzeitlichen Hauses interpretiert werden könnten.
(D. S.)
Abb. 99.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Befund P10F391, Hausmodell (Zeichnung D. Spânu).
Abb. 100.Pietrele, Rumänien. Tellsiedlung Măgura Gorgana. Befund P10F391, Axonometrische Rekonstruktion des Hausmodells (Digitalisierung D. Spânu).
Abb. 101.Pietrele, Rumänien.
Tellsiedlung Măgura Gorgana. Grabungsteam
2010.
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Institutul de Arheologie „Vasile Pârvan“
str. Henri Coandă 11
RO-010667 Bucureşti
Summary
During the summer of 2010 excavations in Pietrele were
concentrated on the flat settlement surrounding the
mound “ Măgura Gorgana” . In three new excavation areas
settlement remains belonging to different periods were en- countered.
The investigation begun in 2009 on the interior ar- chitecture of the burnt house in Trench J located to the
north of the teil was completed. Especially spectacular
were the three pithoi that had been partly embedded in a
clay bench running west of a grinding installation. The tal-
lest of the pithoi measured 120 cm and contained some
400 litres. Basing on typological features, the vessels in
the burnt house in Trench J can be viewed as coeval with
the uppermost inventory of pottery found on the teil, a
deduction that at the moment is supported by only one
^C-date. Directly below the burnt structures appeared the
clay installations of an older house that had not burned. Although the pottery associated with this house did not
differ essentially from that in the younger building above, one u C-dating places the use of the house in the time
around 4400 BC.Remains of burned structures appeared in the neigh-
bouring Trench M too: in the eastern part of the trench 95
burnt vessels of the most varied types were found south
of a preserved clay bench. According to preliminary assess- ments, the vessels are somewhat older than those in
Trench J. In Trench L two settlement phases could be de- termined as well.
Results of core drillings and sediment analyses al- low the following conclusions to be made regarding the
development of the landscape during the Holocene: Prior to the drainage of the land in the 1960s, this riverine area
existed in a quasi natural state for ca. 650 years, whereby
the northern part of the lowlands was marked by a myriad
of small yet stable streamlets. Before that broad parts of
the land presumably encompassed larger lakes with small islands. Datings available at present indicate an age span
of 5500 to 6500 years for these lake sediments.
Zusammenfassung
Im Sommer 2010 konzentrierten sich die Ausgrabungen in
Pietrele auf die Flachsiedlung im Umkreis von „Mägura Gorgana“ . In drei neuen Flächen wurden unterschiedlich
alte Siedlungsreste angetroffen.In Fläche J konnte die bereits 2009 begonnen Unter
suchungen in einem Teilbereich eines verbrannten Gebäu
des beendet werden. Besonders spektakulär ist der Fund
dreier Pithoi, die ursprünglich auf einer Lehmbank westlich
einer Mahlinstallation standen. Der größte von ihnen war 120 cm hoch und konnte 400 Liter aufnehmen. Typologisch
sind die Gefäße aus dem verbrannten Haus in Fläche ] mit den Gefäßinventaren aus den obersten Schichten des
Siedlungshügels vergleichbar, was vorläufig durch nur ein
^C-Datum gestützt wird. Direkt unter den verbrannten
Strukturen fanden sich Reste eines älteren, unverbrannten
Hauses hervor. Obwohl sich die damit verbundene Keramik nicht wesentlich von der des jüngeren Hauses unter
scheidet, weist ein H C-Datum die Nutzung des Hauses in
die Zeit um 4400 v. Chr. Auch in der benachbarten Fläche
M traten Reste verbrannter Strukturen auf: im östlichen
Bereich lagen südlich einer noch erhaltenen Lehmbank 95
verbrannte Gefäße, die einer vorläufigen Einschätzung zu
folge etwas älter als die Gefäße aus Fläche J sind. In Fläche L konnten ebenfalls zwei Siedlungsphasen erfasst werden.
Aus den Bohrergebnissen und den Sedimentanaly
sen lassen sich hinsichtlich der Landschaftsentwicklung im Holozän folgende Schlussfolgerungen ziehen: Vor der Tro
ckenlegung der Aue in den 1960er Jahren war das Gebiet
ca. 650 Jahre lang in einem quasi-natürlichen Zustand, wobei der nördliche Teil der Aue durch eine Vielzahl kleiner
aber annähernd lagestabiler Gerinne geprägt war. Davor wurden weite Teile der Aue vermutlich von ausgedehnten
Seen mit kleineren Inseln eingenommen. Die vorliegenden
Datierungen weisen auf ein Mindestalter dieser Seesedimente von etwa 5500 bis 6500 Jahren hin.
Резю м е
Археологические работы, проведённые летом 2010
года в Пиетреле были сконцентрированы на изучении
внешнего поселения. В трёх раскопах, заложенных за
пределами холма «Мэгура Горгана» были обнаружены
находки, относящиеся к различным периодам.В раскопе I было завершено исследование обго
ревшей постройки, начатое годом раннее. Особое вни
мание обращают на себя найденные там три пифоса, находившиеся на глиняной лавке к западу от глиняного сооружения с зернотёрками. Наиболее крупный
сосуд объёмом в 400л достигал в высоту 120см. По
типологическим признакам сосуды из обгоревшей пос
тройки раскопа J аналогичны керамическому инвентарю
из верхних слоев на телле, их синхронность подтверждается также и одной радиокарбонной датой. Непо
средственно под обгоревшей постройкой были зафиксированы руины ещё одной необожжённой постройки. Хотя найденная в ней керамика в целом сходна с инвентарём из строения, лежащего выше, методом ра
диокарбонной датировки выяснилось, что практическое использование необожжённой постройки относится
к 4400 до н. э. Обгоревшие структуры были зафикси
рованы и в соседнем раскопе М: В его восточной стороне к югу от сохранившейся глиняной лавки было
обнаружено 95 обгоревших сосуда, которые, по пред
варительному заключению, древнее, чем сосуды из
раскопа J. Также и в раскопе L были зафиксированы
две фазы заселения.По результатам бурений и седиментологического
анализа можно сделать следующие выводы относительно развития ландшафта в окрестностях памятника: перед искусственным осушением поймы в 1960ые
годы, она на протяжении 650 лет лишь частично сохраняла своё естественное состояние. В северной части
поймы имелась сеть небольших, но устойчивых водных
потоков. Перед этим обширные участки поймы были заняты большими озёрами с маленькими островками. По имеющимся на сегодняшний день данным возраст
озёрных отложений в этом регионе составляет, по
меньшей мере, от 5500 до 6500 лет.
Rezumatîn vara anului 2010 săpăturile efectuate la Pietrele s-au
concentrat în aşezarea plană din jurul tellului Măgura Gorgana. în cele trei suprafeţe noi au fost descoperite urme
de locuire din perioade diferite. Astfel. în suprafaţa ) au
fost continuate cercetările începute în 2009 în casa arsă şi doar parţial păstrată. Spectacular în acest areal au fost cele trei vase mari de provizii aflate original pe o platformă
de lut lângă o instalaţie pentru râşnit. Cel mai înalt vas de
120 cm putea cuprinde cca. 400 l. Din punct de vedere tipologic vasele din această casa arsă pot fi comparate cu
cele din ultimul nivel de locuire de pe teil. Această presupunere a fost confirmată de către o dată U C în jur de
4200î.e.n. Imediat sub ruinele casei arse se aflau dărâmă
turile unei case mai vechi, nearse. Cu toate că ceramica
nu se deosebeşte esenţial de cea din casa anterioară, o
singură dată 1AC datează locuirea casei nearse in jur de
4400 î.e.n.La fel, şi în suprafaţa vecină M a u fost documentate
resturile unor structuri arse: în partea de est au fost descoperite 95 de vase arse la sud de o platformă de lut. Acestea, conform unui studiu preliminar al ceramicii, indică
faptul că sunt puţin mai vechi decât cele din suprafaţa J. în a treia suprafaţă L au putut fi surprinse două faze dis
tincte de locuire.Rezultatele forărilor şi al analizelor sedimentologice
îngăduie dir punct de vedere al transformărilor mediului
înconjurător în timpul holocenului următoarele concluzii: înaintea desecării luncii din anii 1960 regiunea s-a aflat de-a lungul a 650 de ani într-o stare cvasi-naturală, partea
de nord al luncii fiind caracterizată printr-o sumedenie de
cursuri mici de apă cu curgere stabilă. în perioada premergătoare mari suprafeţe ale luncii erau probabil acoperite de
către lacuri întinse conţinând insule mici. Datările efectuate
indică vârsta minimă a acestor sedimente lacustre în jur
de 5500-6500 de ani.
Wildbeuterkeramik zwischen Weißrussland und Weißem Meer
Neue Forschungen zur Ausbreitung früher Tonware in das Gebiet östlich und nördlich der Ostsee
Von Henny Piezonka
У. Schlagwörter: Finnland/Estland/Lettland/Litauen/Belarus/Russland/NeolithikurrVTyp Dubiciai/Narva/Sperrings/Ка 1: 1/Säräisniemi 1/Keramik
У. Keywords: Finlandia/Estonia/Latvia/Lithunia/Belarus/Russia/Neolithic period/Dubiciai/Narva/Sperrings/X Ка 1: 1/Säräisniemi 1/ceramics
ş* Ключевые слова: Финландия/Эстония/Латвин/Литва/Беларус/Россия/Неолит/Дубичай/Нарва/Сперрингс/Ка T : 1/ v Сяреисниеми 1/Керамика
Die überregionale Darstellung der frühen Keramikentwicklung im Nordosten Europas stellt bisher eine Forschungslücke dar, deren Schließung nicht zuletzt deshalb eine drängende Aufgabe bildet, weil der Blick nach Osten auch für mitteleuropäische Fragestellungen von großer Bedeutung ist.1 Die vorliegende Untersuchung widmet sich den Gruppen mit früher Keramik, die im 6. und 5. |t. cal BC den Raum östlich und nördlich der Ostsee geprägt haben.
Von mittel- und südosteuropäischen Verhältnissen unterscheiden sich die betrachteten Kulturgruppen vor allem dadurch, dass trotz des Auftretens von Keramik eine im Grunde noch mesolithisch geprägte Lebensweise mit aneignender Wirtschaft und saisonalen Ortswechseln das Leben ihrer Träger bestimmte.2 Dass dieses „ W aldneolithikum nicht nur Spuren im östlichen Europa hinterlassen hat, sondern in Form der Ertebolle-Kultur bis nach Norddeutschland und Südskandinavien ausstrahlte, ist seit dem Wegfall des „Eisernen Vorhangs“ verstärkt ins Bewusstsein der westlichen Forscher gerückt
und hat ein großes Interesse an diesem Komplex hervorgerufen.4 Während im Untersuchungsgebiet selbst bereits eine Vielzahl von Regionalstudien zu den Gruppen mit früher Keramik vorliegt,s ist ihre Zusammenschau im Rahmen größerer Arbeiten bisher ausgeblieben.6 Nicht zuletzt aufgrund sprachlicher Barrieren waren die Einzelstudien in der mitteleuropäischen Forschung bis vor kurzem weitgehend unbekannt.7 Die hier vorgelegten Untersuchungen verfolgen das Ziel, die aus diesen Studien hervorgehenden Ergebnisse zusammenzuführen und durch eigene Materialanalysen auf eine neue Basis zu stellen.8 Dabei wird mit Hilfe der detaillierten Auswertung exemplarischer Keramikkomplexe Problemen der regionalen, typologischen und chronologischen Gliederung nachgegangen.
Das Untersuchungsgebiet umfasst die Region östlich und nördlich der Ostsee von der Küste der Barentssee im Norden bis in das Neman-Pripjat’- Zwischenstromgebiet im Süden und von den Aland- Inseln im Westen bis an den Oberlauf der Suchona
1 Die hier vorliegende Darstellung fasst einige Ergebnisse meiner Dissertation zusammen, die ich unter dem Titel „Die nordeuropäische Waldzone im Neolithikum. Studien zu den Gruppen mit früher Keramik östlich und nördlich der Ostsee” im Sommer 2010 an der Freien Universität eingereicht habe. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. h.c. mult. H. Parzin- ger sowie dem Koreferenten Prof. Dr. Dr. h.c. W. Schier für die Betreuung und Unterstützung bei der Anfertigung der Arbeit. Dem Leiter der Eurasien-Abteilung, Prof. Dr. S. Hansen bin ich für die Aufnahme dieser Abhandlung in die Zeitschrift „Eurasia Antiqua", und Dr. I. Motzenbäcker für seine umsichtige Redaktion bei der Vorbereitung und Drucklegung der Abeit zu Dank verpflichtet.
2 Edgren 2009, 502.3 Das Problem der unterschiedlichen Definition des Terminus
„Neolithikum“ in der west- und mitteleuropäischen Archäologieeinerseits und bei den osteuropäischen Forschern andererseitswurde in letzter Zeit mehrfach thematisiert, vgl, hierzu z. B. Werbart 1998 und Osibkina 2006. In der vorliegenden Studie wirdder Begriff in Anlehnung an die im Arbeitsgebiet vorherrschende „östliche“ Terminologie benutzt, d. h. der Beginn des Neolithikums wird unabhängig von den ökonomischen Verhältnissen durch das erste Auftreten von Keramik bestimmt.
* Dieses Interesse manifestierte sich in den letzten Jahren z. B. durch internationale Tagungen wie „Early Pottery in the Baltic - Dating, Origin and Context“ 2006 in Schleswig (vgl. Hartz/Lüth/ Terberger 2008) und „From Hunter-Gatherers to Farmers be- tween the Baltic and the Black Sea - Stone Age Innovations and Transformations in the Holocene of Eastern Europe" 2008 in Frankfurt a. M., aber auch durch Buchprojekte wie Jordan/Zvele- bil 2009.
5 Z. B. Brazaitis 2002; Cetlin 2008; Engovatova/Zilin/Spiridonova 1998; Europaeus-Äyräpää 1930; German 2002a; German 2002b; Ivanisceva/Ivaniscev 2004-, Kriiska 1995; Loze 1992; Marcinkevi- ciute 2005; Nedomolkina 2004; Nufiez 1990; Skandfer 2005; Sumkin 2003; Torvinen 2000.
6 Es sind lediglich kleinere allgemeine Artikel zu diesem Thema erschienen. 7. B. Timofeev 1998; Mazurkevic/Dolbunova 2009. Mit der überregionalen Einordnung der frühen nordosteuropäischen Keramik in globale Zusammenhänge befasste sich zuletzt vor allem D. Gronenborn (Gronenbom 2009, bes. 528 531],
7 Zu dieser Problematik vgl. z. B. Klassen 2004, 111-117,8 Die Darstellung fasst einige Ergebnisse meiner Dissertation zu
sammen, die ich unter dem Titel „Die Nordeuropäische Waldzone im Neolithikum. Studien zu den Gruppen mit früher Keramik östlich und nördlich der Ostsee“ im Sommer 2010 an der Freien Universität Berlin eingereicht habe.