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Mit spitzer Feder: Nachrichten, Informationen, Tipps rund um Natur, Arten und Umwelt in Hamm Die Ökologische Zeitschrift für Hamm Nr. 3 – Februar 2019

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Mit spitzer Feder:

Nachrichten, Informationen, Tipps

rund um

Natur, Arten und Umwelt

in Hamm

Die ÖkologischeZeitschrift für Hamm

Nr. 3 – Februar 2019

Liebe Leser,

diese Ausgabe der „ÖKOLOGISCHEN“ befasst sich mit den Berichten der Biologi-schen Stationen Unna-Dortmund und Soest in einer Zusammenfassung. DieArbeiten sind fundiert, umfassend und erkenntnisreich, aber sie geben auch einkatastrophales Bild des Zustandes der Hammer Naturschutzgebiete wieder. Hierkommt noch viel Arbeit auf die Stadt Hamm zu, sofern aus diesen Berichtendie nötigen Schlüsse gezogen werden. Teuer wird es allerdings auch.

Ebenfalls ein umfassendes Thema stellt der Umbau der Lippeaue zwischenMünster- und Fährstraße dar. Diese an sich gute Maßnahme, die eine Wieder-vernässung der Lippeaue zum Ziel hat und mehr Überschwemmungsflächen fürdie Lippe mit sich bringt, hat allerdings einen Haken: die Freizeitnutzung! Inder schmalen Hammer Lippeaue lassen sich beide Ziele nicht verwirklichen.

Der Regionalverband Ruhrgebiet hat den Regionalplan für Hamm aufgestellt.Die Ausweisung von Gewerbe- und Industriegebieten geht mit einem nichttolerierbaren Freiflächenverbrauch einher, als gäbe es das Ziel der Bundes-regierung nicht, diesen Freiflächenverbrauch endlich zu verringern. In Uentropist eine Industriegebietsfläche von 50 Hektar geplant, dort zeigte sich der ersteProtest der Bürger am 17.02.2019 bei einer Freiluftveranstaltung im Gebiet:400 protestierende Bürger waren gekommen! Es zeigen sich aber auch ersteParallelen zum Gewerbegebiet „Inlogparc“ in Weetfeld auf: Auch dort war diePelkumer CDU gegen den Inlogparc, und im Rat stimmte die CDU Hamm fürdas Gewerbegebiet; in Uentrop hat sich die Ostener CDU im Gegensatz zurCDU Hamm in einer Pressemitteilung ablehnend geäußert. Was geht hier vor,ist das Augenwischerei?

Gerd Köpke hat wieder einmal die Situation der Greifvögel in Hammbeleuchtet. Seit Jahrzehnten beobachtet und kartiert er u. a. die Bestände vonHabicht, Sperber, Bussard, Milan, Weihe und Uhu und kommt zu derErkenntnis, dass die Situation sich immer weiter verschlechtert, leider.

Hinweise für den Bau einer Insektennisthilfe finden sich in diesem Heft: Wiemacht man es richtig und was sollte man besser nicht machen, wenn der Heim-werker zum Insektenschutz aktiv werden will?

Tja, und dann noch ein Wort zum Inlogparc in Weetfeld. Wie sagte der Beige-ordnete des Regionalverbandes Ruhrgebiet, Martin Tönnes, bei der Vorstellungdes neuen Regionalplans im Technischen Rathaus (sinngemäß):

„Der Inlogparc ist nach heutiger Vorstellung von derPlanung eines Gewerbegebiets nicht mehr genehmigungs-fähig, niemand würde heute ein solches Gebiet an einemsolchen Ort planen! Die fehlende Straßenanbindung undder fehlende Anschluss an ein bereits vorhandenesGewerbegebiet ließen die Planung auf der grünen Wieseheute nicht mehr zu!“

Da haben die Weetfelder Bürger also Pech gehabt, die Planung kam 15 Jahrezu früh. Den Weetfelder Anwohnern fehlen die Worte dazu, aber sie werden mitden Auswirkungen des Gewerbegebietes auf Dauer leben müssen.

Trotzdem: Eine angeehme Lektüre der ÖKOLOGISCHEN wünscht

Ulrich SchölermannRedaktion „DIE ÖKOLOGISCHE – ZEITSCHRIFT FÜR HAMM“

Gastbeiträge erwünscht!Die Redaktion freut sich überengagierte Hammer Bürger, diesich an der inhaltlichen Gestal-tung dieser Zeitschrift beteiligenmöchten. Wenn Sie schreibenwollen zu passenden Themen,dann melden Sie sich bitte! Dasgilt natürlich auch für Fotografen.

ImpressumHerausgeber: Ulrich Schölermann, Weetfelder Straße 179, 59077 Hamm,

Telefon 0 23 81/44 35 80, Telefax 0 23 81/43 14 16, E-Mail: [email protected], www.dieoekologische.de

Beiträge: Alle namentlich nicht gekennzeichneten Beiträge vom Heraus-geber, Gastbeiträge sind namentlich benannt

Redaktionsschluss: 19.02.2019Fotos: Alle Fotos vom Herausgeber, weitere Fotos sind namentlich benanntTitelbild: Mäusebussard, Foto: Hubert RöttgerAuflage: 175 Exemplare im Druck, online unter www.dieoekologische.deErscheinung: Halbjährlich

Inhaltsverzeichnis

Freie Fahrt für freie Bürger –Tempolimit auf Autobahnen istgefordert 1

Mehr Radverkehr für lebenswerte Städte 2

Magazin 3

Vegetarische Gerichte 5

Umbau der Lippe zwischenMünster- und Fährstraße 6

Bebauung Peter-Röttgen-Platzschont alten Baumbestand 8

Umgestaltung der Geitheund Verbesserungdes Hochwasserschutzes 9

RVR stellt Regionalplan für Hamm auf 10

Berichte der BiologischenStationen Unna und Soest 12

Tödlicher Hass – eine unendliche Geschichte? 18

Biologie der Greifvögel 19

Stellungnahme desUmweltbundesamtes zurDieselproblematik 20

Glyphosat – vor 2022 kein Verbot möglich 22

120.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland durch Feinstaub; Massentierhaltung gilt als Hauptverursacher 23

Insektennisthilfen selbst gebautmit Tipps und Hinweisen 23

Wallnau auf Fehmarn – immer eine Reise wert 25

Die ÖkologischeZeitschrift für Hamm

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Freie Fahrt für freie BürgerWarum ein Tempolimit auf Autobahnen uns allen gut tun würde

Bei uns in Deutschland gibt es aufAutobahnen kein Tempolimit. Welt-weit haben wir damit eine Ausnahme-stellung erreicht. Das Thema anzu-fassen ist ein heißes Eisen im deut-schen Autoland. Das weiß die Politik,und daher reden CDU und SPD nichtgern darüber. Wenn das Tempolimitangesprochen wird, hört man dieAussage, dass die „freie Fahrt fürfreie Bürger“ ein hohes Gut sei. Allesandere wird als Gängelei verteufelt.

Was kann erreicht werden mit ei-nem Tempolimit auf den Autobah-nen? Es müssen ja nicht gleich90 km/h sein, wie es in Norwegender Fall ist. Für uns Autofahrer inDeutschland gilt eine Richtgeschwin-digkeit von 130 km/h, es darf also ge-rast werden, weil die Richtgeschwin-digkeit nur eine Empfehlung ist. So-lange nichts passiert, ist alles gut.Wenn es kracht, kann es aber teuerwerden. Auch derjenige Autofahrer,der unverschuldet an einem Unfallbeteiligt ist, erhält eine Mitschuld,wenn er schneller als 130 km/h ge-wesen ist. Weiß das jeder Autofahrer?

Eine Geschwindigkeitsbegren-zung hat viele Vorteile und Effekte.Das gilt z. B. für den Lärmschutz.Nicht umsonst gilt ein Tempolimitvon meist 100 km/h auf Autobahnen,die an Wohngebieten vorbeiführen.Wenn der Wind für Anwohner un-günstig steht, ist das Rauschen derFahrzeuge selbst in großer Entfer-nung hörbar, und das besondersabends, wenn der Umgebungslärmsinkt. Bei niedrigen Geschwindigkei-ten wird weniger Kohlenstoffdioxid(CO2) ausgestoßen als bei höheren.Beispielhaft wird hier für einen Pkw-Benziner bei Tempo 100 ein Ausstoßvon 138 Gramm CO2 pro Kilometergenannt, bei Tempo 140 sind es be-reits 171 g/km CO2. Die Abgastech-nik der Fahrzeuge verbessert sich,ohne Frage. Aber der dadurch er-reichte Effekt des geringeren Schad-stoffausstoßes wird durch das stän-dig steigende Verkehrsaufkommenund die zunehmende Zahl der Autosaufgehoben. Schon allein deshalb wä-re ein Tempolimit auf Autobahnensinnvoll. Inwieweit die von der Auto-mobilindustrie genannten Werteüberhaupt zutreffen, muss aufgrund

der Abgasmanipulationen vieler Fahr-zeugbauer infrage gestellt werden!

Aber es geht ja auch um die Un-fallhäufigkeit auf Autobahnen. DieBefürworter des ungebremsten Ra-sens werden in ihren Informationennicht so richtig konkret, beschreibeneher sinkende Unfallzahlen auf Auto-bahnen. Allerdings: Wenn es krachtbei hohem Tempo, sind die Folgenfür die Beteiligten besonders schwer.

Wer in Skandinavien unterwegswar, kennt die dortigen Straßenver-hältnisse. So lange, schnurgerade Au-tobahnen gibt es bei uns nicht. Aberdie Skandinavier haben deshalb dasTempolimit nicht erhöht. Nur seltenwird 130 km/h zugelassen.

Ein Rechenbeispiel aus einemGutachten aus 2005: Tempo 130km/h würde den CO2-Ausstoß um3.300.000 Tonnen pro Jahr senken.Das käme dem Klimaschutz zuguteund würde die verheerende Bilanzder nicht mehr erreichbaren deut-schen Klimaschutzziele verbessern.

Es gibt nur einige wenige Länderin Europa, die kein Tempolimit aus-gewiesen haben, denn dort gibt eshöchstens Schnellstraßen, aber keineAutobahnen. Dazu gehören z. B.Grönland, die finnischen Åland-In-seln und Monaco.

Verkehrsexperten drücken sichklar aus: Ein Tempolimit könnte dieUnfallzahlen deutlich minimieren.Durch ein gleichmäßigeres Fahrenauf den Autobahnen entstehen weni-ger Staus, weil alle im großen Strom

mitschwimmen. Unterschiede von 90km/h auf der rechten zu 160 km/hauf der linken Spur tragen zur Stau-bildung bei, denn der Verkehr kannbei geringen Tempounterschiedenharmonischer fließen, weil dieStraßenkapazität besser ausgelastetwird. Geringere Geschwindigkeitensenken den Verbrauch von Kraftstoffund minimieren dadurch den CO2-Ausstoß. Der Lärm wird reduziert,wovon alle Anwohner profitieren.

Für ein Tempolimit auf unserenAutobahnen sprechen viele Argu-mente, es ist mehr als nötig!

Geschwindigkeitsbeschränkungen in Europa Landstraße AutobahnBelgien 90 km/h 120 km/hBulgarien 90 km/h 130 km/hDänemark 80 km/h 130 km/hDeutschland 100 km/h kein LimitFinnland 80 km/h 120 km/hFrankreich 90 km/h 130 km/hGriechenland 90 km/h 120 km/hGroßbritannien 96 km/h 112 km/hIrland 80 km/h 120 km/hItalien 90 km/h 130 km/hKroatien 90 km/h 130 km/hLitauen 90 km/h 110 km/hLuxemburg 90 km/h 130 km/hNiederlande 80 km/h 120 km/hNorwegen 80 km/h 90 km/hÖsterreich 100 km/h 130 km/hPolen 100 km/h 130 km/hPortugal 90 km/h 120 km/hRumänien 90 km/h 130 km/hRussland 90 km/h 110 km/hSchweden 70 km/h 120 km/hSchweiz 80 km/h 120 km/hSerbien 80 km/h 120 km/hSlowakei 90 km/h 130 km/hSlowenien 90 km/h 130 km/hSpanien 90 km/h 120 km/hTschechien 90 km/h 130 km/hTürkei 90 km/h 120 km/hUngarn 90 km/h 130 km/h

Kein Tempolimit: Deutschland, Åland, Grönland und auf Formel-1-Strecken ...

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Mehr Radverkehr für lebenswerte Städte

Mobilität ist in unserer Gesellschaftwichtig – wir wollen die Möglichkeithaben, jederzeit an einen beliebigenOrt kommen. Das Auto ist für diemeisten von uns das Verkehrsmittelder Wahl dafür. Wir fühlen uns frei,wenn in der Einfahrt ein PS-starkesGefährt steht. Bilder von spekta-kulären Bergstraßen und einsamenStränden sollen uns zeigen, was miteinem BMW oder Audi alles möglichist. Wirklich?

Was in den Werbespots vonBMW, Audi & Co nicht erwähnt wird:dass Autofahren wenig mit Fahrspaßvor Bergpanorama zu tun hat, son-dern mehr mit Stop-and-Go. Nord-rhein-Westfalen ist Spitzenreiter inder Staustatistik des ADAC, demnachist NRW das staureichste Bundes-land mit knapp 455.000 Staukilome-tern im Jahr (ADAC Staubilanz 2017).Im Vergleich zum Vorjahr ist dieStaulänge in NRW um 17 Prozent ge-stiegen. Jeden Tag gibt es nur inNRW Staus mit einer Gesamtlängevon etwa 1250 Kilometern im Durch-schnitt. Im Bundesdurchschnitt ver-brachten die Deutschen neun Pro-zent mehr Zeit im Stau als im Jahr da-vor. Ist das Mobilität?

Sind wir dann am Ziel angekom-men, geht die Suche nach einemParkplatz los. Wir stehen in derSchlange vor der Parkhauseinfahrt,kurven suchend durch die Innenstäd-te, ärgern uns über besetzte Parkplät-ze und hohe Parkgebühren.

Das Kuriose dabei ist, dass etwadie Hälfte aller Wege mit dem Autokürzer sind als fünf Kilometer. Wirsteigen ins Auto als das vermeintlichbequeme und schnelle Verkehrsmit-tel, um damit am Sonntagmorgenzum Bäcker zu fahren. In unseremBemühen, mobiler zu sein undschneller anzukommen, verlängernwir in der Realität den Stau vor derAmpel oder auf der Autobahn. Wirwünschen uns einen fließenden Ver-kehr und rufen nach mehr Straßen.Ist das wirklich die Lösung für dasVerkehrschaos? Könnte nicht die Ver-kehrssituation einfacher und schnel-ler entspannt werden, wenn mehrMenschen vom Auto auf andere Ver-kehrsmittel umsteigen?

Sicherlich gibt es Fälle, in denen

das Auto für den Einzelnen unver-zichtbar ist. Auf freier Strecke ist dasAuto jedem anderen Verkehrsmittelan Geschwindigkeit überlegen. Aller-dings ist gerade das Fahrrad vor al-lem bei kurzen Strecken oft dieschnellere Option, wenn wir Fakto-ren wie Staus, hohes Verkehrsauf-kommen zu Stoßzeiten, Parkplatzsu-che und den Fußweg vom Parkplatzzum eigentlichen Ziel mit einrech-nen. Für viele Menschen ist das Autoein so selbstverständliches Verkehrs-mittel geworden, dass sie über eineAlternative gar nicht mehr nachden-ken. Könnte es nicht in einer Zeit, inder wir so viel über die klimaschädli-chen Wirkungen von CO2 und die ge-sundheitlichen Wirkungen von Fein-staub wissen, nicht selbstverständ-lich sein, das Auto stehen zu lassen?

Allerdings ist unsere Stadt- undVerkehrsplanung so auf Autos zuge-schnitten, dass Fahrradfahrer es oftschwer haben. An vielen Hauptver-kehrsstraßen gibt es keine Fahrrad-wege oder nur enge Schutzstreifen,die zwischen parkenden Autos undBussen geführt werden. Ampelschal-tungen und Kreuzungen sind für Au-tos geplant, sichere Aufstellflächenund Querungen für Radfahrer fehlen.Gerade ältere Menschen und Famili-en mit Kindern fühlen sich auf einergemeinsamen Fahrspur für Autosund Fahrräder nicht sicher. Der Ber-liner Tagesspiegel hat 2018 in einembundesweit bisher einmaligen Expe-riment 100 Radfahrer mit Messgerä-ten ausgestattet, die den Abstand zwi-schen Fahrrad und überholendemFahrzeug gemessen haben. Über dieHälfte der Pkw- und Lkw-Fahrerüberholte bei den 17.000 ausgewerte-ten Überholvorgängen Fahrräder zueng. Und je mehr Menschen Autofahren, desto lauter wird der Ruf nachmehr Straßen. Eins ist sicher, nach-haltige Mobilität sieht anders aus.

Hier setzen die Forderungen derVolksinitiative „Aufbruch Fahrrad“an. Um mehr Menschen zum Um-stieg auf das Fahrrad zu bewegen,braucht es eine sichere Infrastruktur.Dazu brauchen wir in den Städtenund auf Verbindungswegen zwischenGemeinden Radwege, die breit genugsind, damit Radfahrende sich sicher

überholen können auf Radwegen, diegetrennt vom motorisierten Verkehrverlaufen. Um solche Radwege zuschaffen, braucht es aber auch Ver-kehrsplaner, die die Bedürfnisse derRadler kennen. In Innenstädten, anBahnhöfen, vor Schulen und Ein-kaufszentren fehlen sichere Abstell-plätze, an denen E-Bikes mit demRahmen abgeschlossen werden kön-nen. Überregionale Radwege undRadschnellwege, auf denen Pendlerauch weitere Strecken zurücklegenkönnen, müssen geschaffen werden,um das Fahrrad als Alternative zumAuto attraktiver zu machen. Lastenrä-der sind eine klimafreundliche Alter-native zum Auto als Transportmittelund sollten gefördert werden.

Die Volksinitiative „AufbruchFahrrad“ setzt sich dafür ein, bis 2025einen Radverkehrsanteil von 25 % inNRW zu erreichen. Dies kann nur ge-lingen, wenn Politik und Verkehrspla-nung das Fahrrad als nachhaltigesVerkehrsmittel fördern und gute In-frastruktur schaffen. In den Nieder-landen und in Dänemark sehen wir,was eine auf Fahrräder zugeschnitte-ne Infrastruktur bewirken kann.Mehr Radverkehr in den Städtensorgt nicht nur für weniger Staus undLärm, sondern trägt dazu bei, Städtelebenswerter zu gestalten. WenigerAutos in den Städten bedeutet weni-ger zugeparkte Fläche – diese kannneu gestaltet und von Menschen stattvon Autos genutzt werden.

Wir können mit einer klugen Ver-kehrsplanung die schädlichen Wir-kungen des Autoverkehrs (CO2, Ab-gase, Lärm, hoher Platzverbrauch)verringern. Davon profitieren alleMenschen. Auch wer nicht auf dasAuto verzichten kann, freut sich überweniger Staus, Feinstaub und Stick-oxide. Nachhaltige Mobilität mit ei-nem höheren Radverkehrsanteil trägtdazu bei, unser Klima zu schützen.

Die Volksinitiative „AufbruchFahrrad“ sammelt noch bis zum1. Mai 2019 Unterschriften. Wird dieZahl von 66.000 Unterschriften er-reicht, muss sich der Landtag mit denForderungen beschäftigen. Wer diesunterstützen will, kann die Unter-schriftenliste auf www.aufbruch-fahrrad.de herunterladen. Sonja Thiele

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Knallen macht Laune!An Silvester wird geknallt, das istzum Jahreswechsel üblich. Wohlkaum einer der Aktiven macht sichGedanken darum, dass durch Rake-ten und Böller große Konzentratio-nen von Feinstaub freigesetzt wer-den, 5000 Tonnen sollen es bundes-weit zu Silvester sein. Das entsprichtetwa einem Sechstel der jährlichdurch den Fahrzeugverkehr entste-henden Belastung!

So wie private Osterfeuer mittler-weile verboten sind mehren sich dieStimmen, die auch für private Silves-terknallerei eine neue Regelung fin-den wollen: Silvesterfeuerwerk anzentralen Orten am Stadtrand, orga-nisiert von Vereinen und Verbändenauf Antrag und nach Genehmigungs-bescheiden. Geschützt werden solldie Bevölkerung in den bebautenWohngebieten vor dem Feinstaub.

Hier besteht Diskussionsbedarf,denn die Flächen in der Nähe vonlandwirtschaftlich genutzten Wiesenund Weiden sollen auch nicht mit denRückständen der Böller belastet wer-den. Das Foto zeigt die Sammelakti-on eines ca. 550 qm großen Grund-stücks in Pelkum, das an eine Mäh-wiese grenzt: Über 250 Hartplastik-hülsen aus Batterien, dazu Rake-tenköpfe und -stäbe lagen auf demGrundstück, von Nachbarn abgefeu-ert. Dazu kommen noch Rückstände

von vielen kleinen bunten Alumini-um- und Plastikstreifen. Die Kleintei-le, die auf Wiesen landen, gelangenüber die Silage in die Mägen vonKühen und Bullen. Das ist sichernicht gesund für das Tierwohl!

1000 µg/m3 (Mikrogramm proKubikmeter) Feinstaub werden zuNeujahr in Innenstädten gemessen.Während des Silvesterfeuerwerks istdie Konzentration fast doppelt sohoch. Es gilt aber ein gesetzlicherGrenzwert von 50 µg/m3, der nur an35 Tagen im Jahr überschritten wer-den darf. Dieser Feinstaub, der täg-lich durch Verkehr und Industrie ent-steht, belastet die Atemwege insbe-sondere der Asthmatiker, der Kinderund Schwangeren und erreicht zumJahresende einen früher nicht fürmöglich gehaltenen Höhepunkt. Dienegativen gesundheitlichen Auswir-kungen für Menschen sind unstrittig.

Erweiterung Inlogparcsteht in den SternenDer Inlogparc in Pelkum-Weetfeld be-steht aus zwei Bauabschnitten. Dererste, südliche Bauabschnitt ist reali-siert und seit Jahren rechtskräftig.Hier wird bereits eifrig gebaut, meh-rere Großfirmen haben sich angesie-delt, das Plangebiet ist so gut wie aus-genutzt. Mit dem Paketzulieferer dpdwird dort derzeit eine der größten

Flächen von einem einzelnen Unter-nehmen belegt. Die Anwohner aufden Zufahrtstraßen spüren die Aus-wirkungen durch den gestiegenenFahrzeugverkehr bereits jetzt, denntäglich ignorieren schwere Lkw dasDurchfahrtverbot.

Die Stadt Hamm hat Ende desJahres 2018 eine neue Parkregelungauf der Weetfelder Straße eingeführt,um, wie sie sagt, den Wünschen derLandwirte entgegen zu kommen. Esdarf nur noch abschnittsweise wech-selseitig geparkt werden. Die Lückenzwischen den einseitigen Parkzonensind so groß, dass überbreiteTrecker (mit Anhängern) und Mäh-drescher problemlos die Spur wech-seln können. Die Parkregelung giltan 365 Tagen im Jahr, die Erntezeitist lange vorbei, die nächste Erntezeitkommt in einigen Monaten, aber die30-Tonner-Lkw sind täglich unter-wegs, trotz Durchfahrtverbot.

Die Fläche des zweiten, nördli-chen Bauabschnitts würde bis an dieWilhelm-Lange-Straße heran reichen,wenn der erforderliche Bebauungs-plan rechtskräftig werden würde. DieSache hat einen Haken, und das istder Verkehr. Das vorhandene Stra-ßennetz wird den zusätzlichen Ver-kehr nicht aufnehmen können. DieAnwohner in Bönen beschweren sichbereits jetzt, da der Verkehr ins Ge-werbegebiet nur über Bönener Stra-ßen herangeführt werden darf; so se-hen es die geltenden Regelungen vor.Immer wieder gefordert wird auch ei-ne zusätzliche Abfahrt an der Auto-bahn A 2 nur für das Gewerbegebiet,was von den zuständigen Behördennicht geplant ist. Wenn der Paketzu-steller dpd im Südabschnitt fertig ist,sind 800 Sprinterfahrten täglich pro-gnostiziert! Dazu kommen die Ver-kehre aus dem Nordabschnitt, sobalder bebaut ist!

Mittlerweile ist klar: Der Inlog-parc wird erst dann nach Norden er-weitert, wenn die Verkehrsproblemegelöst sind! Die B 63n müsste gebautsein, damit auch die Zufahrten vonund ins Gewerbegebiet gebaut wer-den können. Aber auch die Verlänge-rung der A 445 von Hilbeck zur A 2zählt dazu, ebenso die Verlegung derUnnaer Straße mit einem Anschluss

Magazin Meldungen in Kürze

Reststoff-Bilanz der Silvesternacht auf einem Grundstück in Wiescherhöfen,550 qm groß: ca. 250 Hartplastikhülsen, 15 Raketenköpfe, 19 Raketenstäbe.

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an die neue A 445. Das sind Planun-gen, deren Umsetzung viele Jahredauern wird. Aber: Vorstellbar ist es,auch wenn es noch eine Generations-phase dauern kann. Bereits jetzt be-ginnt die Stadt Hamm mit kleinerenMaßnahmen an der Lösung zu arbei-ten. Die beschriebene Parkregelungan der Weetfelder Straße gehört da-zu, die neue Einbahnstraßenregelungauf der Wilhelm-Lange-Straße vonder Einmündung der WeetfelderStraße bis zum Bahnübergang an derProvinzialstraße und die Planung fürdie Überführung der Wiescherhöfe-ner und Provinzialstraße über dieBahnlinien mit der Beseitigung derhöhengleichen Bahnübergänge.

Momentan herrscht relative Ruhe.Wenn der Wind günstig steht (eher„ungünstig“) ist das Rauschen der A 2unüberhörbar. Wenn die B 63n da ist,steht der Wind immer ungünstig,denn dann rauscht es von zwei Seitenauf die Bürger in Weetfeld, Selmiger-heide und Wiescherhöfen ein. Ver-kehrsprobleme mit immer neuenStraße zu lösen ist ein Irrglaube!

Blühwiesen die Lösung?Den Insekten geht’s schlecht, dasweiß mittlerweile jeder. Immer wie-der wird die Anlage von Blühwiesen,Bienenweiden und Blühstreifen vor-geschlagen. Blühstreifen entlang vonÄckern waren im letzten Sommer be-reits zu sehen. Die Landwirte habensie angelegt und auf Ernteerträgeverzichtet. Der finanzielle Ausfall wardadurch gegeben, aber sicher auchzu verkraften. Schließlich haben dieLandwirte auch eine Verantwortungfür die frei lebenden Arten zu erfül-len, nicht nur für Nutztiere.

Wie sinnvoll sind die blühendenFlächen und Streifen? Können sie dasProblem des Insektenrückgangsstoppen und die Arten- und Individu-enzahl wieder auf das frühere Maßansteigen lassen? Wohl kaum!

Der Entomologische Verein Kre-feld, der über den katastrophalen Zu-stand der Insektenarten in einem Vor-trag 2017 in der Biologischen StationUnna-Dortmund informiert hat, istder Überzeugung, dass die Blühstrei-fen keine nachhaltigen Verbesserun-gen mit sich bringen. Solange auf denangrenzend ackerbaulich genutztenIntensivflächen mit chemischenPflanzenbehandlungsmitteln und ge-gen Schädlings-(Insekten-)Befall ge-spritzt wird, bekommen die Insektenden tödlichen Cocktail auf den Nach-barflächen „gereicht“.

Sinnvolle Anfrage zumZustand des Bachtals aufdem Finke-GeländeBündnis 90/Die Grünen haben beider Stadt Hamm angefragt, wie es umden Zustand des Bachtals (Siepen)auf dem Gelände des MöbelhausesFinke bestellt ist. Der damals gefun-dene Kompromiss der Besucherzu-fahrt durch das baumbestandeneBachtal war ein einschneidender Ein-griff in das Ökosystem.

Aber zumindest war es möglichgeworden, die Zuschüttung der Quel-le auf dem Finke-Gelände zu verhin-dern! Die Grüne Partei will jedenfallswissen, was nach dem Besitzerwech-sel des Möbelhauses Finke zum Höff-ner-Konzern „Stand der Dinge“ istund wie sich der derzeitige Zustanddes Bachtals darstellt. Die Antwortder Stadt Hamm wird in der nächstenSitzungsrunde des Rates gegeben.

Bäume an der Kanalkantenicht schützenswert?Das neue Wassersportzentrum ander Kanalkante ist beschlossene Sa-che. Hintergrund ist der Umbau derLippeaue zwischen Münster- undFährstraße. Für die Baumaßnahmemüssen Bäume im Bereich des Sport-platzes des Gymnasiums und der an-grenzend liegenden Grundstücke derKanuvereine gefällt werden.

Wie hat die Stadt Hamm sich dazuim Westfälischen Anzeiger geäußert?Es beträfe „nicht besonders schüt-zenswerte Bäume“! Grundsätzlich istes so, dass alle Bäume schützenswert

sind, sie erfüllen vielfältige Funktio-nen als Sauerstofflieferant und Stick-stoffvernichter, verbessern das Klein-klima erheblich und bieten Insekten-und Vogelarten Lebensräume. DieAusgleichspflanzungen an andererStelle werden die Funktionen des Sta-tus quo übernehmen können, abererst in vielen Jahren. Warum dieStadt Hamm hier von „nicht beson-ders schützenswerten Bäumen“spricht erschließt sich dem Leser desWAs vom 29.01.2019 eigentlich nicht!

Radbodhalde wirdendgestaltetDie Bergehalde der Zeche Radbod inBockum-Hövel wird sich rein äußer-lich verändern. Der Bergbau plantjetzt, die Halde endgültig zu gestal-ten. Das kann aus Sicht des Natur-schutzes nur Anlass geben zu großenBefürchtungen!

An der Straße „Schwarzes Gold“(das ist die letzte Querstraße vor derHalde, Zufahrt von der HammerStraße) wird sogenannter „Ruderal-bewuchs“ entfernt; damit sind „einigewild gewachsene Birken, Sträucherund bodennahe Gewächse“ gemeint.Merkwürdig ist, dass schon Fällarbei-ten in Auftrag gegeben worden sind,bevor der Gestaltungsplan vorliegt.Warum überhaupt sollen diese Bäu-me und Pflanzen entfernt werden, diesich auf natürliche Weise dort ausge-samt haben? Bewuchs durch Sukzes-sion ist den Anpflanzungen mitBaumschulware grundsätzlich vorzu-ziehen, nicht nur aus ökologischer,sondern auch aus finanzieller Sicht.

Die Durchfahrt durch den baumbestandenen, zweigeteilten Siepen auf demGelände des Möbelhauses Finke – hier wurde ein Biotop zerstört!

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Fakt ist, dass der durch Sukzessionentstandene Bewuchs dort eher hin-gehört als angepflanzte Baumschul-ware, die nicht unbedingt mitteleu-ropäischer Herkunft sein muss.

Was sind denn überhaupt „wilde“Birken? Sind das minderwertige odernicht nutzbare Bäume? Warum über-haupt werden die Birken entfernt?Stehen sie nicht in Reih und Glied,nicht „ordentlich“? Wertvoll ist dieBirke allemal, denn sie ist die ersteBaum-Initialpflanze, die sich von al-lein ansiedelt, wenn man eine Flächesich selbst überlässt; erst danach fol-gen Eichen und andere Arten. 230 In-sektenarten leben auf einer Birke, sieist nach der Eiche mit 300 Arten derartenreichste Baum in unserer Regi-on. Mit der Redewendung „wild“ solldem Bürger offensichtlich suggeriertwerden, dass etwas entfernt werdensoll, was dort nicht hingehört – aberim Rahmen der Endgestaltung ver-mutlich angepflanzt werden wird. Of-fensichtlich hat die Ruhrkohle AG(RAG) immer noch zu viel Geld zurVerfügung!

Im Westfälischen Anzeiger vom01.02.2019 ist nachzulesen, dass einGespräch stattgefunden hätte und diePlanung mit dem Naturschutz abge-sprochen worden sei. Mit welchem„Naturschutz“ mag das gewesensein? Mit dem amtlichen oder demehrenamtlichen Naturschutz? DieEhrenamtler haben davon jedenfallsnichts gehört. Auf der letzten Sitzungdes Beirats bei der unteren Natur-schutzbehörde der Stadt Hamm(UNB) war der Zustand der HaldeGegenstand einer Anfrage eines Bei-

ratsmitglieds. Es wurde nachgefragt,ob der UNB der Standort von Orchi-deen auf der Halde bekannt sei.Orchideen sind streng geschützt, ih-re Standorte müssen geschützt wer-den. Der UNB war dieser Standortnicht bekannt. Das ist nicht weitertragisch, dafür ist der Beirat ja auchda, um die Behörde über solche Vor-kommen zu informieren. Aber wa-rum holt die UNB die Beiratsmitglie-der nicht zur Beratung hinzu, wennsie erkennt, dass bei ihnen umfassen-des Wissen vorliegt und bevor die Ar-beiten starten?

Auf der Beiratssitzung im Novem-ber 2018 hat die UNB zugesagt, demBeirat den Gestaltungsplan zur Bera-tung vorzulegen. Das ist bisher nochnicht geschehen, aber erste Arbeitensind in die Wege geleitet worden!

Bauern bekommenreichlich ZuschüsseDie Europäische Union (EU) verfügtüber ein großes Füllhorn, das überdie Mitgliedstaaten entleert wird.Auch Hamm profitiert davon, denn al-lein 21 Millionen Euro an Fördergel-dern kommen in Hamm an. Davonwerden den Landwirten 14 Mio. Euroüber den „Europäischen Garantie-fonds für die Landwirtschaft“ (EGFL)direkt ausgezahlt. Auch die Imkerwerden mit 238.000 Euro unterstützt.Weitere 1,4 Mio. Euro kommen ausdem „Europäischen Landwirtschafts-fonds für die Entwicklung ländlicherRäume“ (ELER). Tier-, Natur- undKlimaschutz, ökologischer Landbauund Investitionen werden dadurchgefördert.

Die restlichen Millionen werdenbreit gestreut: Arbeitsmarkt, Sozial-projekte, Infrastruktur sind Nutz-nießer. Dazu gehören beispielsweisedas Stadtteilzentrum an der Wilhelm-straße, die Wirtschaftsförderung, dieHochschulen, das Kommunale Job-center für die Produktionsschule,Wohlfahrtsverbände, Bildungsträgerund einige Firmen, die Neu- und Wei-terentwicklungen planen.

Vegetarische Gerichte

Winterliche Minestrone – schneller und leichter WintereintopfZutaten: 1 Zwiebel, 500 g Wirsing, 1 StangeLauch, 1 Petersilienwurzel, 4 Möhren, 1 rotePaprika, 2 EL Bratöl, Salz, 250 g Muschelnudeln, 250 g tiefgefrorene grü-ne Bohnen, Pfeffer, 1,5 l Gemüsebrühe, getrocknete Kräuter der Proven-ce (Zugabe nach Belieben), 1 Glas rotes Pesto.

Zubereitung: Das Gemüse waschen und putzen. Die Zwiebel fein wür-feln, den Wirsing in Streifen, den Lauch in Ringe, die Petersilienwurzel inkleine Würfel, die Möhren in Scheiben und die Paprika in grobe Stückeschneiden.

Das Bratöl in einem weiten Topf erhitzen, zuerst die Zwiebelwürfel an-dünsten, Möhren und Petersilienwurzel zugeben und kurz anbraten, danndie Paprikawürfel zugeben, nach weiteren 2 Min. Lauch und Wirsing.Alles leicht salzen und Kräuter der Provence zugeben und bei mittlererHitze ca. 5 Min. unter Rühren schmoren lassen. Mit der Gemüsebrüheauffüllen, die gefrorenen Bohnen zugeben und alles ca. 10-12 Min. zuge-deckt köcheln lassen.

In der Zwischenzeit die Muschelnudeln in Salzwasser kochen. Die fer-tigen Nudeln in die Suppe geben und mit Salz und Pfeffer abschmecken.Mit rotem Pesto servieren. Guten Appetit!

Tabula rasa am Fuß der Radbodhalde: Nur noch Baumstümpfe und gehäckselteReste waren nach dem Arbeitseinsatz des Landschaftsbauunternehmens zu sehen.

Umbau der Lippe zwischen Münster- und FährstraßeEine an sich gute Planung in der Lippeaue bekommt einen faden Beigeschmack

Die Planung des „ErlebensraumesLippeaue“ ist ein großer Eingriff indas ökologische Gefüge der Auen-landschaft zwischen Münster- undFährstraße. Nicht alle Menschen inHamm sind darüber begeistert. DieFederführung liegt bei der unterenNaturschutzbehörde (UNB) derStadt Hamm, mit dem Lippeverbandarbeitet die Behörde eng zusammen.

Die einzelnen Verfahrensschrittebegannen mit der 28. Änderung desFlächennutzungsplanes (FNP) derStadt Hamm, die Planung konnte insLeben gerufen werden. Der FNPstellt dar, was auf Flächen gebautwerden darf: Wohngebäude, Indus-triegebiete, Sportplätze, Abfallanla-gen oder auch Wald und Naturschutz.

Zwischen Münster- und Fähr-straße im Westen und Osten sowieFlugplatz/Heessener Straße und Lip-pe im Norden und Süden will dieUNB hier so einiges realisieren. DieLippe soll größere Retentionsräumebekommen, damit bei Hochwasserer-eignissen das Wasser zurückgehaltenwerden kann, bevor es bei den Unter-liegern die Keller überschwemmt.Die Rückverlegung des Lippedeichesnach Norden an die Südgrenze desFlugplatzes, dann südlich die Kläran-lage Mattenbecke umlaufend undweiter nach Norden schwenkend biszur Dolberger Straße ist absolut un-terstützenswert. Vorgesehen sindweitere ökologisch sinnvolle fluss-bauliche Maßnahmen, wie Laufver-längerung, Sohlanhebung, Schaffungvon Sekundärauen und Verbesserungder Uferstrukturen. Richtig ist es, dieAue wieder zu vernässen, damit die

Tierarten, die hier früher ihre Le-bensräume gefunden haben, wiederzurückkehren. Die meisten von ihnenstehen heute auf der Roten Liste derbestandsbedrohten Arten: Lebens-raumverlust verhindert ihre Fort-pflanzung, Nahrung wird knapp! Be-kassinen, Regenpfeifer, Brachvögel,Weihen sind betroffen! Und natürlichder Kiebitz, der vor einigen Jahrenhier noch in großer Zahl brütete. DieUmgestaltung wird die Verhältnissefür diese Arten verbessern.

Nicht alles ist so wirklich gut ausSicht des Naturschutzes. Weitere Vor-stellungen klingen wie das Ergebniseiner Ideensammlung: Schließlichsind hier in der schützenswerten, re-lativ kleinen Hammer FlussaueFlächen mit hoher Aufenthaltsqua-lität für Spiel, Sport, Erlebnis und Er-holung (Liegewiese, Strand am Lip-peufer, Beachvolleyballplatz, Freizeit-einrichtungen) und Gebäude für Gas-tronomie vorgesehen. Der NABU hatin seiner Stellungnahme diese Vorha-ben abgelehnt, weil sie nicht mit öko-logischen Zielen einhergehen. Wiedie Erfahrung von 40-jähriger Teil-nahme an solchen Planungsverfah-ren zeigt, muss der NaturschutzMaximalforderungen stellen, wie Ge-werkschaften es bei Tarifverhandlun-gen machen. Die Entscheidung da-rüber, was umgesetzt wird, liegt letzt-endlich in den Händen der Genehmi-gungsbehörden, der Bezirksregie-rung oder des Stadtrates.

Als I-Tüpfelchen soll ein asphal-tierter Rundweg für Spaziergängerund Radfahrer Besucherverkehr indie Aue locken. Asphalt in einer Aue,

damit die Schuhe der Sonntagsspa-ziergänger und die Hosensäume derRadfahrer sauber bleiben? Wenn imFrühjahr Erdkröten, Grasfrösche undMolche sich wieder auf den Weg vomWinter- ins Sommerquartier machen,sind Radfahrer für die wanderndenAmphibien eine große Gefahr.

Die Landesregierung hat in ihremProgramm „Natur 2000 in NRW“ fol-gende Aussage getroffen: „Die Lip-peaue ist die entscheidende ökologi-sche Ost-West-Verbindung im nördli-chen Ruhrgebiet. Ausgleichs- und Er-satzmaßnahmen, die sich zwangsläu-fig durch den Steinkohlenbergbau er-geben werden, sollten gezielt in Teil-bereichen der Aue zwischen Weselund Hamm gelegt werden. …“

Nun ist der Steinkohlenbergbauin Deutschland Geschichte. Erkenn-bar ist das Vorhaben der Landesre-gierung, die Lippeaue durchgängigökologisch aufzuwerten; dieses Zielsollte heute immer noch gelten. Der„Erlebensraum“ und der Auenparktragen jedenfalls nicht dazu bei, son-dern konterkarieren das Ziel.

Ausschlaggebend zur Umsetzungaller Maßnahmen und Pläne ist alleinder politische Wille. Der Rat der StadtHamm hat bisher allen Einzelschrit-ten dieser Planung mehrheitlich zu-gestimmt, und diesem Willen müssensich alle, Bürger, Naturschutzverbän-de, Oppositionsparteien, beugen.

Die Bauzeitenregelungen hin-sichtlich des Artenschutzes sind einProblem. Im Plangebiet halten sich96 wild lebende Tierarten auf, die dieAue zu unterschiedlichen Jahreszei-ten nutzen; 25 Arten sind Brutvögel.Das haben die von der Stadt Hammbeauftragten Gutachter festgestellt.Wie sollen die Bautätigkeiten mit denunausbleiblichen Scheuchwirkungenohne Vertreibung der Arten vonihren Nist- und Rastplätzen durchge-führt werden können?

In den Planungsunterlagen wirdausgesagt, dass der Bereich desAuenparks nur von wenigen pla-nungsrelevanten* Vogelarten besie-delt wird. Haben die Planer bedacht,dass vom Auenpark Störungen(Scheuchwirkung auf Vögel durchMenschen und Hunde) in angrenzen-de Bereiche ausgehen werden?

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Der Hochwasserdeichwird nach Norden

verlegt bis an die Grenzedes Flugplatzes.

Schließlich enden die Auswirkungender Störungen nicht an der Grenzevon Liegewiese und Sportplatz.

Die Aussage bzw. das Ergebnisder Artenschutzprüfung, dass durchdie geplanten Maßnahmen keine Ver-botstatbestände nach § 44 Abs. 1BNatSchG** erfüllt werden und dassCEF-Maßnahmen*** nicht erforder-lich sind, ist nicht nachvollziehbar. Eswird hier zwangsläufig zur Vertrei-bung vieler geschützter Tierartenkommen. Die in § 44 Abs. 1 BNat-SchG aufgeführten Verbote werdenunweigerlich verletzt werden.

In der Gesamtabwägung wäre al-lein die Umgestaltung der Lippeauemit der Wiedervernässung der Aueeine positive Entwicklung. Die Ham-mer Lippeaue ist in diesem Bereichviel zu schmal, um die geplanten Nut-zungen für die hier ganzjährig wild le-benden, geschützten, streng ge-schützten und planungsrelevantenArten störungsfrei verwirklichen zukönnen. Die an sich sinnvolle Verbes-serung der Uferstrukturen wirddurch Liegewiese und Lippestrandfür Freizeitnutzer nicht erreicht, son-dern verhindert! Das Entfernen derSteinpackungen an der Uferbö-schung ist eine richtige Entschei-dung, ist hier aber auch Mittel zumZweck für die Liegewiese.

Der Flugplatz im Norden und derKanal im Süden zwängen die Lippehier in einen bereits schmalen Raum.Die natürlichen Überschwemmungs-bereiche der Lippe sind im Nordenteilweise bebaut und werden durchDolberger und Heessener Straße be-schnitten. Jetzt kommt ein weiterererheblicher Störfaktor hinzu.

Im östlichen Bereich, grob gesagtauf Höhe der Einmündung der Ahle-ner Straße auf die Heessener Straße,ist ein „Lern- und Integrationsbauern-hof“ vorgesehen. Das ist gut, könnendoch Kinder dann mit eigenen Augensehen, dass Kühe doch nicht lila sind.Allein der Standort des Hofes istschlecht gewählt, denn im Westen ander Römerstraße wäre er nicht sostörend, wird er doch zahlreiche Be-sucher in die Aue locken. Das soll mitFördergeldern zusammen hängen,die im Westen nicht erreichbarwären, im Osten schon, so die UNB.

Einige Änderungen könnten diePlanung verträglicher gestalten, derNaturschutzbund Hamm (NABU) hatdazu Folgendes vorgeschlagen:

Auf die Asphaltierung von Wegenist zugunsten einer wassergebunde-nen Wegedecke zu verzichten. Am-phibien nutzen die von einer Asphalt-

fläche ausstrahlende Wärme für einelängere Verweildauer und werden soauch von Radfahrern vermehrt über-fahren, weil sie dort länger sitzenbleiben als auf offenen Wegedecken.

Das neue Wegenetz wird, wie diePlaner selbst beschrieben haben,„nutzungsbedingte Auswirkungen“auf die in der Aue lebenden Tiere mitsich bringen. Der vorgesehene Rund-weg trägt erheblich dazu bei. Daherwäre es angebracht, statt eines Rund-wegs einen Weg weitab von Gewäs-sern nur an den Deichfuß zu verle-gen. Vorstellbar wäre ein Stichweg,an dessen Ende eine getarnte Beob-achtungsmöglichkeit (Holzhütte)steht. Dieser Stichweg könnte an ei-nes der Gewässer herangeführt wer-den. Er sollte durch Abdeckungen soabgeschirmt werden, dass die Besu-cher von Vögeln nicht wahrgenom-men werden. Dies wird in den Nie-derlanden vorbildlich realisiert.

Sollten nicht bereits jetzt Maß-nahmen festgesetzt werden, die Kon-trollen durch die Ordnungsbehördenzwingend vorsehen, kann prophezeitwerden, dass eine erheblicheStörung durch angeleinte und freilau-fende Hunde und uneinsichtige Hun-deführer die Folge sein wird. Diesspiegelt auch der derzeitig aktuelleZustand in der gesamten HammerLippeaue wider, in der Übertretun-gen geltender Vorschriften durch dieHammer Ordnungsbehörden nichtoder nur selten geahndet werden. Indiesem Zusammenhang ist in denPlanungsunterlagen von einer „gerin-gen Eingriffserheblichkeit“ die Rede,wenn die Anleinpflicht für Hunde um-gesetzt werden würde. Das ist völligrealitätsfern, da diese Auswirkungenerheblich sein werden! Kaum einHundehalter wird sich daran halten,die Hunde werden an den Ufern ent-lang laufen und Vögel vertreiben; dasist die derzeit feststellbare Realität.

Beschilderungen für Betretungs-verbote und Anleinpflicht für Hundehaben sich in Hamm in der Lippeaueerfahrungsgemäß als wirkungslosheraus gestellt; sie werden schlicht-weg nicht beachtet, ihre Befolgungnicht kontrolliert. Die Hundehalterwollen ihre Tiere laufen lassen, dasstellt man in der gesamten Aue fest.Warum sollte das künftig in diesemAuenabschnitt anders sein?

* „Planungsrelevante Arten“: Wild lebende Tiere und Pflanzen werden inSchutzkategorien geführt: „Besonders ge-schützt“ und „Streng geschützt“, dazu kom-men weitere Listen der EU-Vogelschutz-richtlinie und des Anhangs IV der FFH-Richtlinie. In NRW hat das Landesamt fürNatur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW(LANUV) für Planungsverfahren daraus ei-ne Liste von Arten erarbeitet, deren Vor-kommen als „planungsrelevante Arten“ imRahmen einer „Artenschutzrechtlichen Prü-fung“ einzeln zu betrachten sind.** § 44 Abs. 1 BNatSchG: (1) Es ist verboten,1. wild lebenden Tieren der besonders ge-schützten Arten nachzustellen, sie zu fan-gen, zu verletzen oder zu töten oder ihreEntwicklungsformen aus der Natur zu ent-nehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,2. wild lebende Tiere der streng geschütztenArten und der europäischen Vogelartenwährend der Fortpflanzungs-, Aufzucht-,Mauser-, Überwinterungs- und Wande-rungszeiten erheblich zu stören; ...3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wildlebenden Tiere der besonders geschütztenArten aus der Natur zu entnehmen, zu be-schädigen oder zu zerstören, ...*** CEF-Maßnahmen: Infolge eines Eingriffs, wie er lt. § 44 BNat-SchG beschrieben wird, wird eine Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahme vor Beginnder Bauarbeiten durchgeführt. Damit soll si-chergestellt werden, dass diejenigen Tiereund Pflanzen, die ihren Lebensraum verlie-ren, rechtzeitig einen neuen Lebensraumnutzen können. Das neue Habitat muss in di-rektem Zusammenhang zum verloren ge-gangenen Lebensraum stehen. Es ist einezeitlich vorgezogene Ausgleichs- und Ersatz-maßnahme. Durch ein Monitoring wird derErfolg der CEF-Maßnahme überwacht.

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Lippehochwasserim Januar 2003östlich derMünsterstraße.

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Bebauung des Peter-Röttgen-Platzesschont den alten Baumbestand

Für den Peter-Röttgen-Platz liegt einBebauungsplan vor. Hier sollenWohnhäuser entstehen, die in zwei-und dreigeschossiger Bauweise vor-gesehen sind. Das alte auf dem Platzstehende Gebäude wurde in den1930er Jahren für Angehörige derWehrmacht errichtet und ist in denvergangenen Wochen bereits abge-rissen worden. Der NaturschutzbundHamm (NABU) hat dazu einige Anre-gungen gegeben.

Auffallend sind die an der westli-chen Grenze zur Weidekampstraßestehenden Großbäume, die schüt-zenswert und im Straßenbaumkatas-ter der Stadt Hamm verzeichnet sind.Bereits im Bebauungsplan ist vorge-sehen, dass diese Bäume erhaltenbleiben müssen; trotzdem hat derNABU in seiner Stellungnahme nocheinmal auf die Bedeutung der Bäumefür den Artenschutz hingewiesen.

Am Rande des Spielplatzes stehenan der östlichen Seite drei Bäume,die ebenfalls erhalten werden müs-sen. Sie können in die vorgeseheneSanierung des Spielplatzes als Schat-tenspender einbezogen werden,schließlich sorgen sie für ein ange-nehmeres Kleinklima.

Die vorgeschlagenen Arten-schutzmaßnahmen hinsichtlich derFledermaus-Lebensraumansprücheund Vögel sind von den Naturschutz-verbänden als unterstützenswert ein-gestuft worden. Vorgesehen ist, ent-sprechende Fledermaus- und Mauer-seglerkästen an den neuen Gebäudenzu installieren. Weiterhin wäre essinnvoll, auch den Sperlingen zu hel-fen. Sperlinge brüten gern in Koloni-en; es gibt im Fachhandel Nisthilfen,

in denen mehrere Brutpaare neben-einander Brutmöglichkeiten finden.Sinnvoll wäre es, einen solchen Kas-ten an einem der drei neuen Wohnge-bäude unter der Dachkante anzubrin-gen. Die Anbringung sollte so erfol-gen, dass der Kasten erreichbar istund gereinigt werden kann. Für dieAnbringung von Mauerseglerkästen,für die eine jährliche Pflege nicht er-forderlich ist, eignen sich die dreige-schossigen Wohnhäuser, weil siehöher sind.

Auch zum vorhandenen Spiel-platz, der saniert werden soll, kamenAnregungen von den Verbänden. An-geregt wurde, den Platz nicht nurnach DIN-Norm zu gestalten, indemneue Spielgeräte aufgestellt werden,sondern dass für Kinder interessanteSpielmöglichkeiten entstehen. Sinn-voll wären z. B.:

c Ein liegender Baumstamm (derÄste haben kann) zum Kletternund Balancieren,

c Geländemodellieren; z. B. Hügelzum „Drüberlaufen“ oder eineMulde, in der sich auch mal nachRegenfällen Wasser sammelnkann,

c ein Steinhaufen zum Klettern,c eine Hecke oder ein „Haus“ („Wei-

den-Tippi“) aus Weidenstecklin-gen; vielleicht können hierzu dieAnwohner einbezogen werden.Diese Anregungen zur Spielplatz-

gestaltung sind dem Fachamt mit Si-cherheit bekannt. Allerdings sind sol-cherart gestaltete Spielplätze in Ham-mer Wohngebieten selten zu sehen;daher die in der Stellungnahmegeäußerten Vorschläge.

Für die Flachdächer regten dieVerbände eine Dachbegrünung an.

Bleiben stehen: Die alten Bäume auf dem Peter-Röttgen-Platz in der Innenstadt.

Liebe Leser, diese Broschüre ist kostenlos, sowohl in der Papierformals auch online zur Ansicht und zum Download auf derInternetseite www.dieoekologische.de.Allerdings: Es entstehen Kosten für den Druck und dieOnline-Veröffentlichung.Mit dieser Broschüre soll kein Geld verdient werden;Anlass für die Herausgabe ist allein die Überlegung, dasseine vergleichbare Publikation in Hamm fehlt – unddass sie nötig ist! Nichts anderes wird hiermit bezweckt!

Die Kosten werden von mir als Herausgeber privat ge-tragen. Wenn Ihnen, liebe Leser, diese Broschüre gefällt und Siedieses Projekt unterstützen wollen, damit es fortgeführtwerden kann, freue ich mich über eine freiwillige Spendevon 3,00 Euro auf das Konto der Sparkasse Hamm, IBAN DE11 4105 0095 0001 1224 56, KontoinhaberUlrich Schölermann, oder in anderer jedem Leser freige-stellten Form.Ich bedanke mich im Voraus! Ulrich Schölermann

EIN WORT IN EIGENER SACHE

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Umgestaltung der Geithe und Verbesserung des Hochwasserschutzes

Im vorliegenden Verfahren geht esum den Ausbau des Hochwasser-schutzes der Geithe wegen der Er-weiterung des Baugebiets südlichder Siegenbeckstraße auf Antrag desRheinisch-Westfälischen Elektrizi-tätswerkes AG (RWE). Auch zu die-sem Verfahren waren die Natur-schutzverbände zu einer Stellungnah-me aufgefordert.

Im Juni 2015 hat der NABU zumB-Plan 02.089 Siegenbeckstraße(Baustelleneinrichtungsfläche fürden Bau der RWE-KraftwerksblöckeD und E) Stellung genommen. Dortwurde darauf hingewiesen, dass imBereich des Geithebaches der Kie-bitz gebrütet hat, bis die Fläche imsüdlichen Bereich aufgefüllt wurden.Die zum aktuellen Verfahren vorlie-gende „Artenschutzrechtliche Unter-suchung“ führt den Kiebitz nicht auf.Es ist möglich, dass der Kiebitz alsBrutvogel aktuell nicht mehr vor-kommt. Allerdings ist er vertriebenworden durch die Tätigkeiten desRWE. Der NABU regte daher an, die-sem Umstand Rechnung zu tragenund für den Kiebitz Ersatzflächen zurVerfügung zu stellen. Der Kiebitzwird in der Roten Liste der BrutvögelNRW in der Kategorie 2 („Stark ge-fährdet“) geführt, Gefährdungsten-denz steigend!

Ebenfalls hatten die Verbände be-reits im Juni 2015 angeregt, denSchutzstreifen entlang der Geithevon beiderseits je zehn Metern auf je30 Meter zu erhöhen. Somit stündedeutlich mehr Raum zur Verfügungfür eine natürlichere Gestaltung desGewässers. Auch Fische würden da-von profitieren. Aus den aktuell vor-liegenden Unterlagen geht hervor,dass der geplante Gewässerverlaufder Geithe eine gleichförmige, fast li-nienhafte Struktur mit „kleinenSchwüngen“ nach Norden und Südenaufweisen soll. Sinnvoller wäre dieAnlage von Mäandern. Diese Mäan-der müssen so angelegt werden, dassdie Bildung von Steilufern sowiePrall- und Gleithängen unterstütztwird; Uferschwalbe und Eisvogelkönnen sie nutzen. Ebenso sinnvollwäre die Anlage von Kolken. Erstdann kann man von einer gelungenenGewässerrenaturierung sprechen.

Es wird deutlich, dass aus einemKohleabsetzbecken Niederschlags-wasser von kohlebelasteten Flächenin das Polderbecken einfließt, dasaber auch nach Durchlaufen des Ab-setzbeckens weiterhin belastet ist.Hier sollte für dieses belastete Was-ser eine andere Lösung gefundenwerden. Aufgrund der angrenzendgeplanten Gewerbe- und Industrie-flächen wird sich der Zufluss von be-lastetem Niederschlagswasser weiterverschärfen.

Auf dem Kraftwerksgelände istdie Geithe auf einer Länge von 1,8 Ki-lometern verrohrt. Vor und nach derVerrohrung ist das Gewässer offen.Langfristig sollte hier eine Lösung ge-funden werden, hier wieder ein offe-nes Gewässer im Sinne der Wasser-rahmenrichtlinie zu schaffen.

Der Durchlass der Geithe unter-halb der Autobahnbrücke liegt viel zuhoch. Dadurch wird die Fließge-schwindigkeit der Geithe deutlichherabgesetzt, und der Bach staut sichpermanent vor diesem Durchlass.Bei starken Regenfällen verteilt sichdadurch das belastete Wasser imRückstau in der Aue! Dieser Durch-lass muss so vertieft werden, dass dieGeithe hier wieder ein natürlichesGefälle für eine entsprechende Fließ-

geschwindigkeit bekommt. Nicht op-timal ist die Entwässerung der Er-schließungsstraße. Bei starken Nie-derschlagsereignissen kann es dazukommen, dass belastetes Nieder-schlagswasser, das nicht über dieStraßenseitengräben abgeführt wer-den kann, in die Geithe läuft. Diessollte durch geeignete Maßnahmenvermieden werden.

Die Anlage von Kies- und Sand-flächen, Röhrichten und Blänken alsHabitate für wild lebende Arten be-grüßen die Naturschutzverbände inihrer Stellungnahme ausdrücklich.Besonders für den Flussregenpfeifersind solche Kiesflächen wichtig. Die-se Flächen müssen allerdings ge-pflegt und offen gehalten werden. Da-her wäre es sinnvoll, bereits jetzt eineRegelung für die Pflege zu treffen.

Die Bauzeit darf nicht in die Brut-und Aufzuchtzeit wild lebender Artenhineinreichen. Die angegebenensechs bis neun Monate sind zu lang,sofern bis zu neun Monate benötigtwerden würde. Vom 1. März bis zum15. August dürfen keine Bautätigkei-ten durchgeführt werden. Je nachWitterungslage ist damit zu rechnen,dass die ersten Arten bereits MitteFebruar auf ihre angestammten Brut-plätze zurückkehren.

Platz wäre hier vorhanden unterhalb des Kraftwerkes Westfalen in Uentrop fürdie Umlegung der Geithe mit weitaus größerem Schutzstreifen im Gewässerum-feld als vorgesehen.

RVR stellt Regionalplan für Hamm aufWenig Begeisterung auf der Bürgerversammlung am 16.01.2019

Der Regionalverband Ruhrgebiet(RVR) informierte im Januar dieHammer Bevölkerung über seine ak-tuellen Planungen zur Gestaltunggroßflächiger Gebiete in Hamm. Da-zu hatte den RVR die Verbandsver-sammlung der im RVR zusammenge-schlossenen Kommunen* am04.04.2014 beauftragt. RVR-Beigeord-neter Martin Tönnes und der Leiterdes Planungsamtes der Stadt Hamm,Hans-Martin Muhle, stellten dieÜberlegungen den etwa 150 Zuhö-rern im großen Saale des Techni-schen Rathauses vor.

Der Regionalplan ist ein überge-ordneter Plan, der nicht parzellen-scharf ist. Er legt Gebiete und ihreNutzung von stadtweiter Bedeutungfest. Das sind Wohn-, Gewerbe- undIndustriegebiete, aber auch Flächenfür Landwirtschaft, Hochwasser-schutz, Freiraum, Freiluftschneisenund Ressourcengewinnung (z. B.Sand- und Kiesabbau), dazu die Pla-nung von Bahnstrecken und überört-lich bedeutsamer Straßen. 15 bis 20Jahre soll ein solcher Plan bis zurnächsten Neuaufstellung wirksam

sein, er soll Möglichkeiten und Gren-zen einer Nutzung aufzeigen und soKonflikte vermeiden. Zu beachten istdas bundesweit geltende Raumord-nungsgesetz, der Bundesverkehrs-wegeplan und der Landesentwick-lungsplan NRW.

An diesem Plan kommt keine in-nerstädtische Planung vorbei. Dort,wo zum Beispiel im Regionalplan einreines Wohngebiet vorgesehen ist,kann nicht Gewerbe angesiedelt wer-den. Aber: Jeder Plan ist auch verän-derbar, wenn ein entsprechendes Ver-fahren auf den Weg gebracht wird.

Auf der Grundlage dieses Planskönnen die örtlich kleinräumig gel-tenden Pläne entwickelt werden: derFlächennutzungsplan und der jeweili-ge Bebauungsplan für ein konkretesVorhaben. Darüber entscheidet derRat der Stadt Hamm. Raumbedeutsa-me, also größere Planungen, werdenals Planfeststellungsverfahren oderPlangenehmigungsverfahren behan-delt. Das waren zum Beispiel die Pla-nung der Müllverbrennungsanlage inBockum-Hövel oder der Lippesee inder Stadtmitte. Darüber entscheidet

die Bezirksregierung Arnsberg unterBeteiligung der Stadt Hamm.

Martin Tönnes kam kaum dazu,auf der Bürgerversammlung über dieAufgaben des RVR und die grundle-genden Ideen der aktuellen Planungzu berichten. Viele der Anwesenden,selber bezifferten sie sich auf 90 %,waren aus Uentrop gekommen. Esging ihnen nur um das geplante In-dustriegebiet südlich des Trianel-Kraftwerks, nördlich der Baum-straße, westlich der FrielinghauserStraße. Der Bereich des Trianel-Kraftwerks wird von der Stadt Hamm„K-Park“ genannt, insofern nennt siedas neu geplante Gebiet „K-Park IISüd“. Die Ausmaße dieses Gebietesmit 50 Hektar sind erheblich, mehre-re Gehöfte liegen darin. Die Befürch-tungen der Menschen aus Norddin-ker sind verständlich: Wer möchteschon Verkehr, Lärm und Abgase,verursacht durch ein Industriegebiet,vor der Haustür haben?

Die immer wieder kehrende Fra-ge war: Wann wird gebaut? DieseAntwort steht natürlich noch in denSternen. Erst muss der Regionalplan

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Der neue Regionalplanfür Hamm:

Die grau schattiertenGebiete stellen Industrie-und Gewerbegebiete dar.

Regionalplan Ruhr(Ausschnitt Stadt Hamm)

– ErarbeitungsentwurfStand: April 2018

Regionalverband Ruhr

beschlossen werden, dann derFlächennutzungsplan und dann musssich ein Investor finden, der eine In-dustriehalle bauen will, auf den dernoch aufzustellende Bebauungsplanzugeschnitten ist. Das dauert Jahre.

Beschwichtigungsversuche derModeratoren fruchteten kaum. Sieversuchten den Anwohnern klar zumachen, dass sie noch viele Beteili-gungsmöglichkeiten haben, denn alledrei Planschritte sind öffentlich undjeder Anwohner sowie die Träger öf-fentlicher Belange (TöB)** und dieNaturschutzverbände können sichdazu zu Wort melden und ihre Wün-sche, Änderungsvorschläge und Be-denken vortragen.

Ja, das ist richtig, die TöB könnensich melden und die Bürger auch,ebenso die NaturschutzverbändeNABU, BUND und LNU***. Unterdem Strich kommt dabei aber nichtviel bis gar nichts heraus. Wie die Er-fahrung zeigt ist eine Planung nichtmehr entscheidend zu ändern odergar aufzuhalten, wenn sie das Stadi-um des FNP erreicht hat! Die vorlie-genden Vorschläge der Beteiligtenwerden von der genehmigenden In-stitution (Rat oder Bezirksregierung)in der Regel zurückgewiesen, die Pla-nung durchgezogen. Die gestopptePlanung des Lippesees war ein Son-derfall, weil es einen Bürger-entscheid gab. Wenn es gelingt, imRahmen der Beteiligung kleine Ände-rungen an Vorhaben zu erreichen,dann ist das schon so etwas wie ein„Erfolg“! Mehr nicht! Das ist das Er-gebnis von 38 Jahren Beteiligung derNaturschutzverbände an Planungs-verfahren. Ihre Bedenken oder Ände-rungswünsche finden kaum Gehör.

Zwei Tage nach der Bürgerver-sammlung konnte der Leser desWestfälischen Anzeigers eine interes-sante Pressemitteilung der CDU le-sen: Die CDU Hamm-Osten sprachsich dafür aus, dass das Industriege-biet K-Plan II Süd aus dem Regional-plan heraus genommen werden soll!Das war schon eine Hammer-Mel-dung! Eine Bürgerversammlung undder Protest einer Handvoll Anwohneraus Norddinker reichten aus, um dieAusweisung eines großen Industrie-gebietes zu stoppen? Gewerbesteuerade? Kaum vorstellbar! Die CDUOsten führte als einen der Gründe an,dass in Norddinker wertvolles Acker-land verloren ginge; genau dieseGründe hatte die „Bürgergemein-schaft Weetfeld“ gegen den Inlogparcaufgeführt – ohne Erfolg, ohne Reso-nanz bei den politischen Parteien!

Aber es zeigen Parallelen zum „In-logparc“, dem Industriegebiet in Pel-kum-Weetfeld, auf. Die Planung ausden ersten Jahren des neuen Jahr-hunderts stand auf breiten Füßen,der Rat der Stadt Hamm stimmte mitgroßer Mehrheit zu. Nur die CDUPelkum nicht. Sie konnte aufgrundihrer ablehnenden Haltung mit denGrünen Pelkum eine Mehrheitskoali-tion in der Bezirksvertretung bildenund mit Heinrich Engel fünf Jahreden Bezirksvorsteher stellen. ImOrtsteil wurde abgelehnt, im Rat be-schlossen! Fertig! Gleiches droht nunin Uentrop. Das ist reine Augenwi-scherei für die betroffenen Bürger.

Eine bedeutsame Aussage war aufder Versammlung zu hören: Der In-logparc würde nach heute geltenderDenkweise und politisch motivierterVorstellung so nicht mehr beschlos-sen! Er würde noch nicht einmalmehr in eine vorbereitende Planungaufgenommen. Grund: Die fehlendeAnbindung an ein bereits bestehen-des Gewerbegebiet in unmittelbarerNähe und die ungelösten Verkehrs-probleme. Am Inlogparc gibt es keineüberörtliche Zubringerstraße vonHamm aus für schwere Lkw. Geplantist die B 63n, wann die Straße gebautwird, steht in den Sternen. Pelkumerund Bönener Kommunalpolitikerstreiten über die Verkehrsführung,die ausschließlich über Bönen ins Ge-biet geführt werden soll, regen sogareine neue Autobahnabfahrt an derAutobahn A 2 an. Die „Bürgerge-meinschaft Weetfeld“ hat für die (ver-lorene) Klage im Gerichtsverfahrenviel Geld investiert, die Bürger habenmit den verkehrlichen Auswirkungenzu kämpfen, die kaum zu lösen sind.

Ein weiteres neues Industriege-biet soll auf dem Gelände des Ran-gierbahnhofs entstehen. Er wurde inden 50er Jahren als Europas größterRangierbahnhof bezeichnet mit sei-nen vielen Gleisen, auf denen Güter-züge zusammengestellt wurden. Die-sen Rangierbahnhof benötigt dieBahn heute nicht mehr, daher kanndie Stadt Hamm hier ein Industriege-biet planen. Die Anbindung für Gü-terzüge ist natürlich perfekt, aber giltdies auch für den Lkw-Verkehr? DieFläche ist ausschließlich erreichbarüber Anwohnerstraßen oder schmaleZubringerstraßen, die für Verkehregroßer Laster nicht ausgelegt sind.Auf die entsprechende Frage ausdem Publikum kam die Antwort, dassauch hier auf den Bau der B 63n ge-wartet wird, die am Rangierbahnhofvorbeiführen würde. Bis zu derenVerwirklichung gäbe es eben nur dieAnsiedlung kleiner Gewerbebetriebe!

Die Planer gehen davon aus, dassder Regionalplan Mitte des Jahres2020 beschlossen werden kann.

* Zum Verbandsgebiet gehören die elf kreis-freien Städte Bochum, Bottrop, Dortmund,Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen,Hamm, Herne, Mülheim an der Ruhr undOberhausen sowie die vier Kreise Reckling-hausen, Unna, Wesel und der Ennepe-Ruhr-Kreis.** „Träger öffentlicher Belange“ (TöB) sinddie Energieversorgungsunternehmen, dieBahn, die Post, die Telekommunikationsun-ternehmen, der Bergbau usw. Die gesetzlichanerkannten Naturschutzverbände sind kei-ne TöB, werden aber als solche im Verfah-ren behandelt.*** NABU: Naturschutzbund Deutschland;BUND: Bund für Umwelt und NaturschutzDeutschland; LNU: Landesgemeinschaft Na-tur und Umwelt NRW.

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Blick von der Baumstraße auf die Fläche, die für das neue Industriegebiet vor-gesehen ist. Im Hintergrund das Gas- und Dampfkraftwerk Trianel.

Berichte der Biostationen Unna undSoest: Viel Arbeit für die Stadt HammEntstehungsgeschichte der Biostationen von 1970 bis heute, Aufgaben und erste Ergebnisse

Aufgaben und Ziele der Biologischen Stationen in NRWIst-Zustand Mehr als die Hälfte aller Naturschutzgebiete und Flächen im Vertragsnaturschutz werden inin NRW: NRW von Biologischen Stationen betreut.

Arbeitsleistung: Entwicklung von konkreten Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen und rich-tungsweisender Konzepte für einen wirkungsvollen Biotop- und Artenschutz durch Unter-suchungen/Kartierungen, aber keine Durchführung praktischer Arbeiten

Ziel: Sicherung der umweltgerechten Entwicklung von Natur und Landschaft, Erfassung vonTier-, Pflanzenarten und Biotoptypen nicht nur auf der unberührten Wildnis, sondern auchauf Äckern, Wiesen, Weiden, Obstwiesen, Wäldern und Gewässern.

Weiterhin: Naturschutzbildung und Anlaufstelle für die Bürger; Vermitteln zwischen Naturschüt-zern und Landnutzern, aber auch zwischen dem ehrenamtlichen Engagement derNaturschutzverbände und den Aufgaben hauptamtlicher Naturschutzbehörden (unte-ren Landschafts-/Naturschutzbehörden).

Basis: Arbeit der ehrenamtlichen Naturschützer vor Ort. Biologische Stationen sind selbst-ständige und gemeinnützige Vereine, die die Gelder zur Finanzierung ihrer Tätigkeitenselbst akquirieren. Den größten Anteil haben aber in der Regel die Mittel des Landes NRWsowie der Kommunen.

Rechts- „Förderrichtlinien Biologische Stationen NRW (FÖBS)“ Ministeriums für Umwelt- und grundlage: Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV) NRW; sie sichern die finan-

ziellen Zuschüsse.

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Im Jahr 2017 konnten die Biologi-schen Stationen Unna-Dortmund undSoest ihre Arbeit aufnehmen, um inHamm Naturschutzgebiete (NSG) zuuntersuchen. Für 100.000 Euro proJahr wurden Arbeits- und Maßnah-menpläne aufgestellt, die die Grund-lage ihrer Arbeit darstellen. DiesePläne werden mit dem Land NRW,vertreten durch die Bezirksregie-rung Arnsberg, und der unteren Na-turschutzbehörde (UNB) der StadtHamm abgestimmt. 80.000 Euro hat-te das Land als Fördersumme bereitgestellt, 20.000 Euro die Stadt Hamm.Etwa zwei Drittel der Summe erhieltdie Biostation Unna-Dortmund; siestellte dafür eine Teilzeitkraft ein. DieRestsumme stand der BiostationSoest zur Verfügung.

Erste Berichte für das Jahr 2017dokumentierten den Zustand der Na-turschutzgebiete (NSG) vorwiegendin der Lippeaue. Die Wissenschaftler

konzentrierten sich auf das Vorkom-men von sogenannten „bewirtschaf-tungsrelevanten Vogelarten“; dieseArten sind von den Bewirtschaf-tungsmethoden der Landwirtschaftdirekt betroffen. In erster Linie sindes Vogelarten, die in ihrem HabitatGrünland benötigen. Aber auch dasVorkommen des Kammmolches wur-de erforscht, ebenso die Bodenvege-tation in den östlichen NSG der Aue.Es ist gut, dass solche Erkenntnisseendlich auf dem Tisch liegen; die Ar-beitsergebnisse der Biostationen do-kumentieren die bisher geäußertenPrognosen der Naturschutzverbände.

Die vorliegenden Berichte sindumfangreich, aber leider wenig er-freulich. Sie zeigen jahrelange Ver-säumnisse einer ökologisch zielge-richteten Gebietsentwicklung in denNSG auf. Als Konsequenz darausmüsste die Stadt Hamm nun aktivwerden und Verbesserungen anstre-

ben, die sich auf die landwirtschaftli-chen Bearbeitungsmethoden und aufdie Nutzung der Freizeitsuchendenbeziehen. Für städtische Flächen, diean Landwirte verpachtet werden,sind natur- und artenverträgliche Re-gelungen sinnvoll, die mit der Ein-schränkung der Düngung und desAckerbaus sowie einem reduziertenViehbestand einhergehen. GrößereSchutzflächen um und an Gewässernsind nötig, sie fördern die Artenviel-falt aller Lebewesen vom Insekt, denVogel bis zum Säugetier. Diese Ver-hältnisse zu schaffen sollte in NSGmöglich sein, denn sonst werden sieihrem Schutzstatus nicht gerecht.

Nachfolgend die wesentlichen Er-kenntnisse der vorliegenden Berich-te, ergänzt mit den Aufgaben von Bio-logischen Stationen und der langenEntwicklungsgeschichte der „Biosta-tion Hamm“ (die es auch heute im-mer noch nicht „zum Anfassen“ gibt):

HAM BIOSTATION 44HAM-B

IOSTATIO

N44

Wo ist sie, die 44. Biologische Station in Nordrhein-Westfalen?

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Entwicklung in HammStand 2016: 43 Biologische Stationen gab es in NRW. In zwei Kommunen gab bzw. gibt es keine

Biostation: in der Stadt Hamm und im Kreis Olpe.

Start: Erste Gründungen von Biostationen in den späten 1970er Jahren.

Anlass: Der amtliche Naturschutz, also die unteren Landschaftsbehörden (ULB) der Städte undKreise, konnten die riesigen Aufgaben nicht allein erledigen, die für einen umfassendenNaturschutz erforderlich waren. In den Rieselfeldern Münster, in den Krickenbecker Seenin Nettetal und in den Ahsewiesen im Kreis Soest gründeten sich erste Stützpunkte(anfangs teilweise in ausrangierten Bauwagen untergebracht).

Hamm 1980: Es gab kein Umweltamt, die ULB war im Planungsamt beim Dezernenten für Planen und Bauen untergebracht (!). Diese Konstellation war vom Grunde her problematisch.

Unna 1980: Umweltamt mit ca. 20 Mitarbeitern, 1985 Gründung der „Naturförderungsgesellschaft fürden Kreis Unna e.V.“, die die Biologische Station Unna ins Leben rief.

Hamm 1989: Endlich Schaffung eines Umweltamtes mit Abteilungen für Landschaft, Abfall, Boden, Im-missionen, Wasser, Jagd etc. im Dezernat für Umwelt und Recht, losgelöst vom Baudezer-nat, Umweltdezernent wurde Dr. Walter Gronwald, Jurist (wie alle Umweltdezernenten).

NABU: Leider nur zaghafte Bemühungen ohne politische Unterstützung, als Ansprechpartnerwurde fälschlicherweise die ULB angesprochen, damals mit Amtsleiter Eberhard Stöck.

Februar 1990: Mündliche Aussage des Amtsleiters, dass Hamm „… eine Biostation nicht benötigenwürde, weil sie (die ULB) das ja alles viel besser könne, sie ja alles viel besserwissen würde und auch die bessere Ortskenntnis habe …“.

Standort: Vom NABU vorgeschlagen wurde 1990 der ehemalige landwirtschaftliche Hof Breustedt inUentrop; heute existiert dort eine Sauna.

Neue Im März 2013 über den NABU-Landesverband NRW, der den Hammer Oberbürgermeister Bemühungen: anschrieb, aber ohne Erfolg.

Konkret: Im Januar 2014 Vorschlag an die Parteien, Einrichtung einer Biostation in ihre Wahl-programme für die bevorstehende Kommunalwahl aufzunehmen. Reaktion nur von Grünenund Linken; im Prinzip erfolglos, da die Mehrheitsfraktionen des Rates nicht reagierten.

Weitere Anschreiben des NABU Hamm an den OB und Anträge über den Umweltausschuss. Initiativen: Der erste Antrag der SPD wurde noch nicht einmal beantwortet und auch von der SPD

nicht nachgefragt. Später gab es weitere Anträge von Grünen, Linken und Pro Hamm.

Gegen- Wir, die Stadt Hamm, haben mit den Biologischen Stationen nichts zu tun, das ist argumente: doch Sache der Naturschutzverbände! Das sagte das Umweltamt mit der ULB auch

2016 noch! Aber damit begann endlich eine Diskussion im parlamentarischen Raum.

Reaktion Eine Biostation ist unnötig. Aussage dazu: Weil der NABU seine Mitarbeit am Projekt Stadt Hamm: „LIFE+“ „verweigert“ hätte, hätte die Stadt Hamm „neue Strukturen“ geschaffen, die

eine Biostation überflüssig machen würde …! Diese Aussage war völlig irrelevant – alswenn ein Naturschutzverein Strukturen einer Kommune direkt beeinflussen könnte! Außer-dem hat sich der NABU nicht „verweigert“, sondern sah sich nicht in der Lage, die (ver-mutlich absichtlich) hoch geschraubten Erwartungen der ULB erfüllen zu können!

Entscheidend: Allein der Wille der politischen Parteien war ausschlaggebend dafür, dass die ULB letzt-endlich einlenken musste!

Finanzierung: 20.000 Euro als städtischer Beitrag aus dem Etat des Umweltamtes, 80.000 Euro vomLand NRW – zwei Drittel der Geldmittel flossen an die Biologische Station Unna-Dort-mund, ein Drittel an die Biostation Soest (AG Biologischer Umweltschutz e.V., ABU).

Die Biologische Station Münster (NABU-Station Münsterland e.V.) betreut weiterhin dasGelände des früheren Munitionsdepots der Bundeswehr in Frielick (Finanzierung auf ande-ren Wegen), das Umweltamt die Ahse. Das sind insgesamt vier aktiv tätige Einrichtun-gen auf dem Hammer Stadtgebiet; sicher ein Sonderfall in NRW.

Voraussetzung: Arbeits- und Maßnahmenpläne (AMP) der Biostationen müssen jährlich vorgelegt werdenbei der Landesregierung NRW, vertreten durch die Höhere Landschaftsbehörde der Be-zirksregierung Arnsberg, und mit der UNB* Hamm abgestimmt werden.

Aussage der „Wenn der AMP nicht unsere Zustimmung findet, dann gibt es keine Biostation UNB: Hamm!“ (Sinngemäß, es gab noch deutlichere Worte). Das heißt im Klartext: Es geht doch

nicht ohne die Stadt Hamm, und die Biostation ist keine alleinige Sache der Verbände!Fazit: Wo finden wir in Hamm die Biostation? Ein Vorschlag, geeignete Räumlichkeiten in der

Zeche Radbod zu bekommen, wurde nicht verfolgt. Leider: Keine Ansprechstation vor Ort,keine Werbung für eine Fördergesellschaft, keine Akquierung von Spendengeldern.

* Umbenennung: Untere Landschaftsbehörde (ULB) = Untere Naturschutzbehörde (UNB) seit der Landtagswahl 2017

Berichte der Biostationen für 2017: (Zusammenfassung aus ca. 300 Berichtsseiten, kommentiert mit Bemerkungen des Verfassers)

Untersucht wurden von der Biostation Unna-Dortmund die Gebiete im Westen und Süden, von der Biostation Soest im Osten der Stadt

Aufgaben: Kartierungen, keine praktischen Arbeiten zur Verbesserung des Ist-Zustandes

Biostation Unna-Dortmund: Westliche Lippeaue1. Untersuchte Naturschutzgebiete nach ausgewählten „bewirtschaftungsrelevanten Arten“:

Donauer Bach KuhkampSeseke Oberer BewerbachUnterer Bewerbach Rehwiese

(Bewirtschaftungsrelevante Arten sind die von der Landwirtschaft betroffenen Arten)

Sechs Gebiete wurden auf 9 Arten untersucht; die genannten Zahlen betreffen die Zahl der Gebiete, indenen überhaupt Arten kartiert wurden (2 Gebiete mit je 1 Art, 4 Gebiete ohne Arten):

Kiebitz 0 Schafstelze 0Feldlerche 0 Wiesenpieper 0Schwarzkehlchen 0 Rebhuhn 1Neuntöter 1 Wachtel 0Wachtelkönig 0

Fazit: Katastrophaler Zustand in den sechs genannten Naturschutzgebieten, kein Gebieterfüllt die Anforderungen, die ein NSG erfüllen sollte!

Ursachen: Kleinräumige schmale NSGs, intensive Bewirtschaftungsmethoden der Landwirtschaft, hohe Ausbringung von Dünger und synthetischen Pflanzenbehandlungsmitteln, jahreszeitlich zu frühe Mahdzeitpunkte, dichter Grünlandbewuchs durch Düngung schädigt Jungvögel, frei laufende Hunde, Nutzung durch „Naturnutzer“ fast uneingeschränkt, fehlende Kontrolle der Freizeitaktivitäten, intensive Freizeitnutzung (Beispiel: Brückenschlag Bockum-Hövel – Herringen sorgt für zusätzlichen Besucherverkehr in der Aue); aber ebenso wird der geplante Lippeumbau östlich der Münsterstraße („Erlebensraum Lippeaue“) mit Beachvolleyball, Liegewiese undparallel zur Lippe verlaufenden Wanderwegen für zusätzliche Störungen sorgen (gemeint sind hier nicht die Planungen an der„Kanalkante“).

Empfehlungen: Offenhaltung von Gebieten (keine Sicht behindernden Hecken für Bodenbrüter), extensive Grünlandbewirtschaftung, Entfernen/Verschließen von Drainagen, um die Feuchtigkeit der Gebiete zu erhöhen, Schaffung von Gewässerrandstreifen ohne Bewirtschaftung, Verlegung der Mahdzeitpunkte, Beweidungszeiträume zum Schutz von Bodenbrütern regeln, Verhinderung von Nährstoffeinträgen in Gewässer, Schaffung von Pufferzonen, Beschränkungen in städtischen Pachtverträgen auf stadteigenen Flächen aufnehmen, extensive Landwirtschaft (Grünland) statt intensiver Ackernutzung.

Aktuelle Bebauung am Schloss Heessen, hier Ausweisung von Wohngebieten im Überflutungsraum Bedrohung: der Lippeaue; Hintergrund: Restaurierung der Schlossmühle.

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Kiebitz,Foto (1): Hubert Röttger

Lippealtarm in Bockum-Hövel, im Hintergrund die Müllverbrennungsanlage

2. Weitere untersuchte Gebiete:

Vogelarten im NSG „Ehemaliger Radbodsee und Alte Lippe“ (östlich der Radbodstraße) mit „Zechenklär-teich“ der Zeche Radbod und den „Schlammplätzen“ des Lippeverbandes.

Erfaßt: 74 teils Brutvogelarten, teils höchst seltene, davon 26 planungsrelevante Arten,Gebiet wird als hochwertig eingestuft mit „deutlich landesweiter Bedeutung“,Rastplatz und Überwinterungsgebiet für Wat- und Wasservögel, dokumentiert seit 1930,Schädigung des Gebietes insbesondere durch „Naturnutzer“ und Freizeitler; hier bestehtdringender Handlungsbedarf!

3. Amphibienvorkommen des Kammmolches im gleichen Gebiet (wie unter 2.)

Der Kammmolch ist eine „Streng geschützte Art“ und „planungsrelevant“. Seine Lebensräume und seinVorkommen sind hochgradig bedroht.

Ursachen: Veränderungen der Fließgewässer mit dem Verlust der ökologischen Funktionen (Entwäs-serung, Bewirtschaftung), Verlust der Landlebensräume und von Teichen und Tümpeln, Nährstoff- und Schadstoffeinträge, intensive Grünlandnutzung, Zerschneidung von Lebensräumen.

Empfehlungen: Pflegemaßnahmen für Gewässer, Entschlammung, Rückschnitt von Ufervegetation, Einzäunen gegen Viehtritt.

4. Gebietscheck des gleichen Gebiets (wie unter 2.)

Das Gebiet ist eines der wichtigsten Gebiete für rastende, durchziehende und brütende (teilweise äußerstseltene) Vogelarten in Hamm. Es ist industriell schwer belastet, besitzt aber eine hohe ökologischeBedeutung. Die vorhandenen Altarme der Lippe, die durch den untertägigen Kohleabbau verursachtenBergsenkungen mit vielen Feuchtstellen und Senken und die Klärteiche der ehemaligen Zeche und desLippeverbandes sind hervorragende Lebensräume für wild lebende Arten geworden.

Festgestellte Eutrophierung des Radbodsees,Beeinträch- Algenbefall auf Teilen der Altarme,tigungen: Freizeitdruck.

Maßnahmen: Verhinderung des Zuflusses der Geinegge (ist eine der Eutrophierungsursachen),Freizeitdruck durch den „Brückenschlag“ (Brücke über Lippe und Kanal zwischen Herrin-gen und Bockum-Hövel) erhöht, Besucherlenkung gefordert. (Dabei sollten die Wege zumBrückenschlag der Besucherlenkung dienen. Die Sichtschutzwand entlang des Weges vonder Lippe zur Radbodhalde quer durch der Lippeaue wirkt fremd, ist aber als Sichtschutznötig, zeigt die verkrampften Bemühungen einer politisch gewollten Nutzung der Aue auf),Flächenankauf (höhere Gestaltungsmöglichkeiten),Infotafeln,5-bändiger Stacheldrahtzaun entlang der Wege,Rad- und Fußwegenetz um das Gebiet herum (fragwürdig aus Sicht des Naturschutzes),Wiederaufnahme der Nutzung der Klär- und Schlammteiche (zurzeit trocken gefallen),Einschränkung der Angelnutzung inkl. Freizeitbetrieb (seit Jahrzehnten von Naturschutz-verbänden gefordert),Einschränkung der Jagd zumindest auf Wasservögel wegen der Verwechselungsfahr mitgeschützten Enten- und Gänsearten und Limikolen bei einbrechender Dunkelheit (seitJahrzehnten von Naturschutzverbänden gefordert),

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Lippealtarm in Bockum-Hövel, im Hintergrund das Gersteinwerk. Erkennbar ist die intensive ackerbauliche Bewirtschaftung, die viel zu nahe an das Altarmgewässer heranreicht.

Verschließen von Drainagen,Entfernen von Betonrinnen in Bächen,frühzeitiges Mähen von Neophyten (Goldrute),Entfernen von standortfremden Gehölzen,Extensivierung der Landwirtschaft,Förderung der Sukzession,weitere Maßnahmen sind in Waldgebieten gefordert (Auwald ohne Bewirtschaftung).

5. Haarener Baggerseen

Empfohlen wir eine ähnliche Untersuchung an den Haarener Baggerseen, für die eine Bestandsaufnahmenicht vorliegt

6. Amphibienfauna (Kammmolch) im NSG „Gallberg“

Das Gebiet weist viele Bombentrichter als Lebensräume für Amphibienarten auf. Festgestellt wurdenKammmolch, Teichmolch, Bergmolch und Grasfrosch. Das Kammmolchvorkommen wird als mittel bisschlecht eingestuft (keine Reproduktion/Jungtiere feststellbar).

Gefährung: Beschattung der Gewässer

Maßnahmen: Pflege des Gebietes, z. B. Auslichten der Waldbestände um die Gewässer, Anlage neuer, tieferer Gewässer in baumlosen Bereichen.

7. NSG „Seseke“

Der ökologische Zustand an der Seseke ist unbefriedigend. Es gibt einige Flächen, für die Vereinbarungenmit den Landwirten über den Vertragsnaturschutz bestehen. Diese Fläche weisen einen deutlich besserenZustand auf als die umgebenden landwirtschaftlich genutzten Flächen, die Definitionen für „gesetzlich ge-schütztes Grünland“ werden aber nur in Teilbereichen erfüllt.

Maßnahmen: Ausweitung des Vertragsnaturschutzes.

8. „Unterer Bewerbach“ und „Oberer Bewerbach“

Empfohlen wird eine Kartierung der Arten in diesen beiden NSGs, da die Datengrundlage veraltet ist.

9. Artenmonitoring Laubfrosch

In Uentrop und Rhynern wurden vier in landwirtschaftlich bewirtschaftenen Flächen liegende Teiche beiHuffelmann (Frielinghausen) und Huffelschulte (Rhynern) untersucht, die in der Vergangenheit als Laub-froschhabitate galten. Die Situation der Laubfroschpopulationen ist schlecht, es wurden nur an zweiTeichen wenige Laubfrösche registriert.

Maßnahmen: Kürzung hoher Ufervegetation (Baumkronen der Weiden) zur Vermeidung der Beschattung, Vernetzung der Habitate durch Heckenpflanzungen, Anlage von Pufferzonen um die Gewässer zur Verminderung des Nährstoffeintrags, Entschlammung einzelner Gewässer, teilweise Entfernen von Rohrkolben.

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Oben und unten links: Krickenten,unten rechts: Großer Brachvogel

Fotos (3): Hubert Röttger

Biologische Station Soest: Östliche Lippeaue und AhseaueGrünland:

NSG „Haare- Nur 11 % des Grünlandes entspricht den Kriterien für „Schützenswertes Grünland“ bzw. ner Lippeaue“: auentypisches Feucht-Grünland, 61 % entsprechen dem artenarmen Grünland.

Kurzfristig Mähgut-, Heu- und Sodenübertragungen haben den Zustand verbessert; das war eine sichtbarer Maßnahme aus dem Arbeitsprogramm LIFE+, nicht aus dem Arbeits- und Maßnahmenplan Erfolg: der Biostation. Letzteres gilt auch für das NSG „Oberwerrieser Mersch“. Zeitraum einer

feststellbaren Verbesserung durch solche Übertragungen: mind. drei Jahre.

NSG „Mühlen- Nur 2 % des Grünlandes entspricht den Kriterien für „Schützenswertes Grünland“ bzw. laar“: auentypisches Feucht-Grünland, 65 % entsprechen dem artenarmen Grünland.

Fazit im Osten: Deutlicher Mangel an auentypischem Feucht-Grünland

Vogelarten:

Untersuchte Gebiete nach „bewirtschaftungsrelevanten Arten“:Schmehauser Mersch MunnebachHaarener Lippeaue Oberwerrieser MerschMühlenlaar Schlagmersch

(Bewirtschaftungsrelevante Arten sind die von der Landwirtschaft betroffenen Arten)

Sechs Gebiete wurden auf 13 Arten untersucht; die genannten Zahlen betreffen die Zahl der Gebiete, indenen überhaupt Arten kartiert wurden (6 Gebiete mit Arten, 7 Gebiete ohne Arten):

Krickente 2 Knäckente 1Löffelente 2 Weißstorch 1Rohrweihe 0 Wasserralle 0Wachtelkönig 0 Kiebitz 2Flussregenpfeifer 2 Großer Brachvogel 0Feldlerche 0 Feldschwirl ?Wiesenpieper 0

Fazit: Katastrophaler Zustand in den sechs genannten Naturschutzgebieten, kein Gebiet erfülltdie Anforderungen, die ein NSG erfüllen sollte!

Ursachen: Anzunehmen sind die gleichen Ursachen wie in der westlichen Aue (siehe Seite 3).

Libellen:

In der östlichen Lippeaue wurden 19 Libellenarten festgestellt, 4 weitere Arten aus einer Untersuchung in2014 konnten 2017 nicht kartiert werden, leben aber vermutlich weiterhin im Gebiet. Die Maßnahmen ausden Programmen LIFE und LIFE+ haben sich positiv auf den Libellenbestand ausgewirkt. Pflegemaß-nahmen sind aber erforderlich, um Verlandungstendenzen zu stoppen, die die Bedingungen für Libellen(und andere Arten der Gewässer) sonst verschlechtern würden.

SchlussbemerkungAnregungen aus den Berichten für 2017 der Biostationen sind so vielfältig, dass ihre Umsetzungarbeitsintensiv ist; Berichte 2018 mit vermutlich weiteren Anregungen folgen in Kürze!Fazit: Die Berichte sind ein Offenbarungseid der schlechten Zustände der NSGs in Hamm. Wenn

in den NSGs kaum geschützte Arten anzutreffen sind, wo in Hamm sollten sie sonst nochleben und geeignete Lebensbedingungen finden können?

Diese Untersuchungen hätten vor 30 Jahren ihren Anfang nehmen können. Dies ist dasErgebnis einer unvollständigen, nicht zielgerichteten Entwicklungsarbeit! Dass die perso-nell schwach besetzte ULB/UNB diese Untersuchungen nicht in Eigenarbeit hätte durch-führen können steht außer Frage. Unverständlich ist nur der ca. 30 Jahre währende Wider-stand der Behörde gegen eine Biologische Station Hamm.

Vermutlich hat die ULB/UNB eine „Biologische Station Hamm“ (angeschlossen an eine derumliegenden bestehenden Biostationen) als „Konkurrenzverein“ betrachtet; das sagen dieÄußerungen der vergangenen 30 Jahre deutlich aus.

Aber es kann jetzt ja nur besser werden, es müssen nur die richtigen Schlüsse ausden vorliegenden Berichten gezogen und entsprechende Arbeiten beauftragt werden.Diese Maßnahmen lassen sich nur verwirklichen, wenn der Etat des Umweltamtesangepasst und deutlich aufgestockt wird! Weitere Haushaltsmittel müssen bereitgestellt werden.

(Anmerkung: Eine Förderung Biologischer Stationen für flächenmäßig relativ kleine Großstädte durch das Land NRW ist nicht vorgese-hen und ist von den Naturschutzverbänden aufgrund der klaren Aussage des Landes NRW auch nie angestrebt worden. – Der KreisOlpe ist zurzeit die letzte Kommune ohne Biostation; Hamm ist also nicht „Tabellenletzter“ geworden.)

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Tödlicher Hass – eine unendliche Geschichte?Anzeichen für anhaltend hohe Artenschutz-Kriminalität auch in Hamm

1978 schrieb ich (siehe Verfasser) im„Westfälischen Jägerboten“ im Auf-trag der Vogelschutzwarte in der da-maligen „Landesanstalt für Ökologie,Landschaftsentwicklung und Forst-planung NRW“ (heute LANUV NRW)zur Lebensweise von Mäusebussardund Habicht und zur Frage, ob dieBestände unserer großen Greifvögeleiner „Regulierung“ bedürfen: DasThema ist uralt und kochte wiedereinmal hoch, als sich zeigte, dassnach Einführung der ganzjährigenSchonzeit in NRW 1970 die Beständedeutlich anstiegen (was ja der Sinnder Schonzeitregelung war).

Die Reaktion der Greifvogelfeinde(der Personenkreis ist im Prinzip be-kannt) kam schnell, gründlich undzunächst wenig auffällig. Hauptopferwaren und sind Habicht und Rot-milan; Opfer einer Verwechselungoder eines „Kollateralschadens“ sindauch in Hamm Mäusebussard, Wes-penbussard, Sperber; schließlich er-wischt es gelegentlich die seltenenArten Rohr- und Wiesenweihe (dieWiederansiedlung der letzteren wur-de bis heute verhindert), Uhu undKolkrabe. Die Entwicklung beim Ha-bicht in Hamm sei noch einmal kurzskizziert:

„Stabsstelle zur Bekämpfung der Um-weltkriminalität“ im Umweltministe-rium aufgelöst! Dabei sind die„bekämpften“ Vogelarten auch nachEU-Recht streng geschützt. Sie wer-den trotzdem immer noch als Beute-konkurrenten und Kleintier-„Diebe“attackiert, gefangen, vergiftet, ge-schossen und am Nisten gehindert,und das alles, um das eigene Hobbyabzusichern. Die kriminellen Akti-vitäten laufen aus gutem Grund nachwie vor heimlich ab, unter strengerVerschwiegenheit, inzwischen ohnejede Diskussion, in unerbittlicherKonsequenz, oft von Privatgrund-stücken aus und oft im „Schutz“ vonNaturschutzgebieten (mit Betre-tungsverboten für die Allgemeinheit)und EU-Vogelschutz- und FFH-Gebie-ten. Zumindest in NRW ist das „Ko-mitee gegen den Vogelmord e.V.“,Bonn, für viele Stadt- und Landkreise(auch für Hamm) die einzige (priva-te) Organisation, die kriminelle Greif-vogelverfolgung mit hohem Perso-nal- und Zeitaufwand gründlich re-cherchiert und dokumentiert undfundiert Anzeigen erstattet. Das Ko-mitee hat, zusammen mit dem NABUund unterstützt vom Bundesumwelt-ministerium, den Leitfaden „IllegaleGreifvogelverfolgung“ herausgege-ben, in dem die (bundesweite) Pro-

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Gute Tarnung immer noch überlebensnotwendig – westfälischer Habicht im som-mergrünen Laubwald. Zeichnung: Gerd Köpke

Die Broschüre stellt die Problematikdes Greifvogelschutzes dar.

Nach aufwändiger, ehrenamtlicherErmittlungsarbeit nachgewiesene (in wenigen Fällen geschätzte) Anzahl von Brut- bzw. Revierpaaren:

Vor 1970 = 6(auf heutigem Stadtgebiet, geschätzt)

1975 = 91978 = 141984 = 101991 = 141994 = 20 (aber immer noch keine Besiedlung

stadtnaher Wälder und Parks, wie zumBeispiel in Köln, Hamburg und Berlin)

2001 = 122007 = 6 (extrem niedriges Niveau bis heute)

Der starke Verfolgungsdruck anden Horstplätzen erzeugt bei den Vö-geln typische Reaktionen: Agierensehr versteckt, extreme Scheu, imHorstgebiet kaum Mauserfedern undBeutereste. 2016 wurde zum Beispielnur noch ein (!) Brutpaar mit Bruter-folg ermittelt (hat aber in Hammkaum jemand interessiert). Die Situa-tion in den Nachbarkreisen ist ähn-lich. In der „Roten Liste der gefähr-deten Vogelarten in NRW“ 2016 istder Habicht inzwischen in die Kate-gorie 3 („gefährdet“) eingestuft.Quasi im Gegenzug, nach Poli-tikwechsel in Düsseldorf, wurde die

blematik, die Gesetzeslage, dieStraftaten und Möglichkeiten zu de-ren Aufdeckung und Meldung (inkl.Artportraits und wichtigen Adressenund Telefonnummern) gut verständ-lich dargestellt sind. Das Aufdecken,Dokumentieren, Melden und Ahnden

jeder offensichtlich gezielten Störungist für den Bestandserhalt der ge-nannten Arten umso notwendiger, alsdiese durch flächendeckend intensi-ve Forst- und Landwirtschaft auch inHamm in den letzten Jahrzehnten zu-nehmend unter Druck geraten sind.

Besonders bei Rotmilan und Mäuse-bussard kamen noch aggressiveWindkraftplanungen hinzu. DieseGreifvogel-Variante des „stummenFrühlings“ wird über die Medien in-zwischen auch von der Bevölkerungzunehmend wahr genommen.

Gerd Köpke

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Mäusebussarde in der Feldberger Seenlandschaft (östlich des Müritz-Nationalparks in Mecklenburg-Vorpommern).Foto: Hubert Röttger

Greifvögel sind seit Mitte der 1970erJahre wieder vermehrt in Wäldernund in der Feldflur zu sehen. Auf-grund der starken Bejagung durchAbschuss und Fallenjagd galten siebis dato manchenorts als ausgestor-ben; heute kann man sogar wieder inden Städten verschiedene Greifvogel-arten beobachten. Aber auch heutewerden sie von bestimmten Interes-senvertretern (fast durchweg Hobby-Interessen) abwertend als „Raubvö-gel“ oder „Krummschnäbel“ bezeich-net und – illegal – entsprechend be-handelt. Die lautlose Art Beute zu ja-gen, (meist die „falsche“), das langeAnsitzen und Ausspähen von Beute-tieren, oft bewegungslos, gepaart miteinem hervorragenden Sehvermö-gen, hat einige Menschen „verunsi-chert“, zumal einige Arten auch Aasaufnehmen. Jäger betrachten sie alsKonkurrenten bei der Jagd auf Nie-derwild, wie Rebhuhn, Fasan und Ha-se. Dabei sind die Greifvögel nichtdafür verantwortlich zu machen, dassRebhuhn und Hase auch immer selte-ner in der freien Feldflur anzutreffensind, deren Ursachen sind andere.

Greifvögel besitzen (aus mensch-licher Sicht) viele nützliche Eigen-

schaften: Sie halten den Bestand vonNagetieren klein, erbeuten Wühl-mäuse und Insekten, die als Schädlin-ge in der Landwirtschaft gelten.Kranke und schwache Nager werdenvon den Greifen vorrangig erbeutet;insofern tragen so zum biologischenGleichgewicht bei, dazu gehört auchdie Aufnahme von Aas.

Greifvögel sind also keine Vegeta-rier, sie benötigen fleischliche Nah-rung und sind tagsüber auf Beute-fang. Eulen verhalten sich anders, siesind in der Nacht unterwegs. Letzte-re bilden eine eigene Ordnung.

Alle Greifvogelarten sind heutedurch ganzjährige Schonzeit vor derBejagung geschützt, auch wenn esnoch nicht gelungen ist, die Greifevon der Liste der jagdbaren Arten zustreichen. Die Lobby der Jägerschaft,die bis in die Spitzen der Bundes-politik hineinragt, ist einfach noch zustark. Dass die Realität anders aus-sieht und die Greifvögel vor Verfol-gung nicht sicher sind, zeigt der vor-stehende Beitrag von Gerd Köpke.

In der Regel sind die Weibchengrößer als ihre männlichen Artgenos-sen. Ein Grund ist vermutlich bei vie-len Arten die Tatsache, dass die

Weibchen den Horst und das direkteUmfeld gegen Feinde und Konkur-renten verteidigen, die Männchen da-gegen hauptsächlich die äußerenGrenzen des Reviers.

Ihre Nistplätze finden sie meistauf Bäumen, insbesondere Nadelbäu-men. Aber auch Felsen werden vonihnen angenommen, hohe Kirchtür-me und Kraftwerksgebäude geltenoft als Ersatzfelsen. Einige Arten, wieWeihen, nisten im Röhricht oder imGetreidefeld auf dem Boden und sinddaher stark gefährdet, wenn währendder Erntezeit der Mähdrescher denAufwuchs schneidet. Nicht immer er-kennt der Landwirt das Bodennestrechtzeitig.

Andere Arten suchen verlasseneNester von Krähen auf oder nutzengenügsam befestigte Ebenen für dieEiablage. In Notzeiten mit knapperNahrung (sogenannte schlechteMäusejahre) wird nur das stärksteJungtier groß gezogen. In unmittelba-rer Nestnähe jagen die Alttiere nicht;vermutlich ist das ein Schutzmecha-nismus, um das eigene Nest mit denJungvögeln gegen andere Beutegrei-fer zu schützen.

Über die Biologie der Greifvögel

Umweltbundesamt:

Stellungnahme zur Diesel-Problematik1. Welchen Anteil haben Diesel-Pkw an der schlechten Luft inden Städten?Diesel-Pkw sind die Hauptquelle fürStickoxid in den Städten. Der Ver-kehrsbereich trägt zu rund 60 Pro-zent zur Stickstoffdioxid (NO2)-Be-lastung bei. Daran sind die Diesel-Pkw mit 72,5 Prozent beteiligt. Ande-re Fahrzeuge haben einen wesentlichgeringeren Anteil. Busse machen imBundesdurchschnitt nur vier Prozentder Emissionen des städtischen Ver-kehrs aus. Auch Lkw- und Lieferver-kehr sind mit rund 19 Prozent deut-lich weniger an der Luftbelastung be-teiligt als die Diesel-Pkw. Die lokaleIndustrie ist für etwa drei Prozent derNO2-Belastung in den Städten verant-wortlich. Die privaten Heizungen ei-ner Stadt tragen zu rund sieben Pro-zent zur NO2-Belastung bei.

2. Warum legt die EU einenNO2-Grenzwert für die Atemluftfest, der mit der Dieselflottenicht eingehalten werden kann? Die Mitgliedstaaten der EU habensich im Jahr 1999 darauf geeinigt,dass ab dem Jahr 2010 ein NO2-Jah-resmittelwert von 40 µg/m3 überalleingehalten werden soll. Grundlagewar eine entsprechende Empfehlungder Weltgesundheitsorganisation.Man ging damals davon aus, dass die-ser Wert bei einem gleichbleibendenVerkehrsaufkommen in den Innen-städten und mit einer verbessertenAbgasreinigung innerhalb von zehnJahren einhaltbar wäre. Nicht erwar-tet hatte man die – u.a. durch Steuer-vorteile bedingte – höhere Zahl vonDieselfahrzeugen. Dennoch wäre derLuftgrenzwert an den meisten Orteneinzuhalten gewesen, wenn die Real-emissionen der Diesel-Pkw nicht inwachsendem Maße die Emissionenauf dem Rollenprüfstand überschrit-ten hätten.

3. Warum stoßen heutige Diesel-Pkw auf der Straße mehr Stick-oxide als früher aus, obwohl derAbgas-Grenzwert gesenkt wurde?Ein Grund liegt darin, dass zur Sen-kung des Kraftstoffverbrauchs dieTemperaturen beim Verbrennungs-prozess gesteigert wurden und damit

grundsätzlich mehr Stickoxide direktvom Motor gebildet werden. Damithaben anschließende Abgasnachbe-handlungssysteme höhere Minde-rungsraten zu erbringen, um realniedrige Stickoxidemissionen zu er-reichen. Heutige Euro-5- und Euro-6-Diesel-Pkw haben daher in Abhängig-keit der Auslegung der Abgasreini-gung niedrige bis sehr hohe Stick-oxidemissionen. Das zeigt, dass dieHersteller – zudem noch in Abhän-gigkeit der Modelle – die technischenPotenziale zur Minderung der Stick-oxidemissionen unterschiedlich starknutzen. Teilweise findet bei bestimm-ten Situationen im realen Fahrbetriebder Autos (z. B. bei niedrigen An-sauglufttemperaturen) kaum eine ak-tive Stickoxidminderung statt. BeiVorhandensein einer selektiven kata-lytischen Reduktion (SCR) kommt esteilweise zu einer nicht vollständigenAusnutzung der möglichen Minde-rung der Stickoxide, da beispielswei-se nicht ausreichend Harnstoff demKatalysator zudosiert wird.

Im Durchschnitt führt dies zudeutlich höheren durchschnittlichenStickoxidemissionen im realen Fahr-betrieb auf der Straße im Vergleichzu auf dem Rollenprüfstand gemesse-nen Werten bei der Überprüfung derAbgasgrenzwerte. Ein Euro-5-Diesel-Pkw hat real durchschnittlich mit 906mg/km rund fünfmal höhere NOx-Emissionen im Vergleich zum Grenz-wert (Euro-5-Grenzwert: 180 mgNOx/km). Bei Euro-6-Diesel-Pkw lie-gen die realen NOx-Emissionen sogarum mehr als den Faktor 6 über demGrenzwert (real: 507 mg NOx/km,Grenzwert: 80 mg NOx/km).

4. Woran erkenne ich Neufahr-zeuge, die wenig Stickoxide aus-stoßen? Soll ich mir überhauptnoch einen Diesel kaufen?Wirklich sauber sind nur Autos ohneVerbrennungsmotor – beispielsweiseElektroautos oder Autos mit Brenn-stoffzellen. Sie stoßen im Betrieb kei-ne Stickoxide aus. Auch Benzinersind sehr sauber, da es strengeGrenzwerte gibt, die die Fahrzeugeauch real auf der Straße einhalten.Wer unbedingt einen Diesel kaufenmöchte, sollte auf die Norm Euro 6d-

TEMP oder Euro 6d achten. Dennneu bedeutet nicht immer auchgleich sauber. Selbst aktuelle Dieselmit Euro 6a, b oder c halten dieGrenzwerte auf der Straße mitunternicht ein. Sie stoßen im realen Fahr-betrieb durchschnittlich bis zu sechs-mal mehr Stickstoffdioxide aus, alsnach dem Grenzwert erlaubt. Je nachGröße oder Fahrzeugmodell kann einneuer Diesel somit theoretisch sogarmehr Schadstoffe emittieren als einalter. Auf der sicheren Seite – undvergleichsweise sauber unterwegs –sind Autofahrer daher nur mit Elek-tro-, Brennstoffzellen-, Hybrid- oderGasautos oder Benzinern (bei Direkt-einspritzern mit Partikelfilter). BeiDiesel-Pkw sind nur modernste Euro-6d TEMP- oder Euro-6-d-Fahrzeugeim praktischen Fahrbetrieb nachRDE (Real Driving Emissions) relativsauber. Generell gilt: Kleine Autossind schadstoffärmer und umwelt-freundlicher als große.

5. Bringen die Software-Updatesetwas für die Luft in denStädten?Ja, allerdings wird die Luft davonkaum besser. Berechnungen des Um-weltbundesamtes (UBA) aus demSommer 2017 zeigen, dass die vonden deutschen Automobilherstellernangebotenen Software-Updates dieStickoxid-Emissionen der gesamtenPkw-Flotte nach UBA-Schätzung umbis sieben Prozent senken können, jenachdem, wie viele Besitzer die Up-dates durchführen (Annahme: zwi-schen 3,5 und 5 Mio. Fahrzeughalter)und je nachdem, wie viel das Updatebringt (Annahme: zwischen 15 und25 Prozent pro Fahrzeug bezogen aufdie Situation vor dem Update).

Für die Luft in den Städten zeigtsich damit wenig Verbesserung: Inden wahrscheinlichsten Szenarienliegt die Minderung demnach etwazwischen zwei Mikrogramm und fünfMikrogramm Stickoxide pro Kubik-meter – und hier ist die von den Her-stellern im Nachgang zum Nationa-len Forum Diesel im August 2017durchgeführte Umtauschprämie so-gar schon mit eingerechnet. Letztlichwürden allein mit Software-Updatesund Umtauschprämie nur ganz weni-ge der belasteten Städte den EU-Luft-qualitätsgrenzwert für Stickstoffdio-xid einhalten können. In Städten wieStuttgart oder München liegt dieStickstoffdioxidbelastung bei rund 80Mikrogramm pro Kubikmeter im Jah-resdurchschnitt – also bei fast demDoppelten des erlaubten Grenzwer-

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tes von 40 Mikrogramm. Die maxi-mal fünf Mikrogramm Minderungder Stickstoffdioxid-Belastung durchSoftware-Update und Umtauschprä-mie reicht daher bei Weitem nichtaus, ist aber ein erster wichtigerSchritt.

2017 ist die Luft laut vorläufigenDaten in den Städten auch besser ge-worden. Wie hoch der Anteil der Soft-ware-Updates daran ist, lässt sichaber im Augenblick noch nicht seriösberechnen.

6. Wann kann ich meinen altenDiesel mit einem Stickstoffoxid-Katalysator nachrüsten lassen?Viel wichtiger als die Software-Upda-tes wäre eine Nachrüstung alter Die-sel mit sogenannten SCR-Katalysato-ren (selektiven katalytischen Reduk-tion). Bei einen Prototyp konnten füreinen Euro-5-Diesel-Pkw mehr als 90 % Minderung der Stickoxidemis-sionen im realen Betrieb erreichtwerden. Exakt ist die Minderungsra-te aber nicht bestimmbar, weilNachrüstkonzepte noch keinem fes-ten Qualitätsstandards unterliegen.Eine entsprechende Zulassungsricht-linie wäre noch zu erarbeiten. Aktuellist zudem noch offen, welche Fahr-zeuge und welche Gesamtanzahl mitsolchen Katalysatoren überhauptnachgerüstet werden können.

Sicher ist aber, dass ein hoherProzentsatz der Euro-5-Diesel-Pkwnachgerüstet werden müssten, um ei-nen signifikanten Beitrag zur Verbes-serung der Luftqualität in mit Stick-stoffdioxid hoch belasteten Städtenzu erreichen. Aktuell gibt es keineverlässlichen Zahlen, ob und wie vie-le Autos nachrüstbar wären – dieslässt derzeit das Bundesministeriumfür Verkehr und digitale Infrastruktur(BMVI) untersuchen. Daher gibt esim politischen Raum noch keine Ent-scheidungen zu möglichen Förderun-gen der Nachrüstungen. Zudem

müsste hierzu, wie oben erwähnt, ei-ne Zulassungsrichtlinie für Nachrüs-tungen entwickelt werden. Als Besit-zer nachrüstfähiger Fahrzeuge wür-de man aktuell jegliche Kosten alleintragen und möglicherweise die Ge-währleistungen der Hersteller beimEinbau eines Nachrüst-SCR verlie-ren. Aufgrund fehlender gesetzlicherRegelungen hätten die Besitzer der-zeit nicht einmal die Sicherheit, spä-ter ungehindert in alle Städte einfah-ren zu dürfen.

7. Stoßen neue Benzin-Direktein-spritzer wirklich so viel wenigerStickoxide aus als moderneDiesel?Ja, neue Benzin-Direkteinspritzeremittieren real sehr viel niedrigereStickoxidemissionen. Nachteilig sinddie noch vorhandenen Partikelemis-sionen, die aber zukünftig durch Par-tikelfilter zu über 90 % gemindertwerden.

8. Brauchen wir den Diesel nichtfür den Klimaschutz?2017 lagen Neuzulassungen von Ben-zin-Pkw und Diesel-Pkw im Durch-schnitt mit 130 Gramm Kohlendioxidpro Kilometer (g CO2/km) gleich auf.Der Gesamtdurchschnitt aller neuenPkw lag übrigens sogar bei lediglich128 g CO2/km – aufgrund der Hy-brid- und Elektroautos. Vom Dieselals Klimaretter kann also keine Redesein.

Der Vorteil der Diesel-Pkw be-steht nur auf dem Papier. Bei gleicherMotorisierung stoßen Diesel-Pkwtheoretisch zwar bis zu 15 Prozentweniger CO2 aus als Benziner. DieRealität sieht aber anders aus – SUVund hochmotorisierte Fahrzeugewerden meist mit Diesel-Motorenausgestattet, um den Spritverbrauchin einem erträglichen Rahmen zu hal-ten. So kamen und kommen dieseFahrzeuge mehr und mehr in den

Markt. Dies spiegelt sich bei der Leis-tung und beim Gewicht der Neuwa-genflotte wider: Mit 123 kW und 1713kg lagen 2017 Diesel-Pkw 19 kW bzw.391 kg über den Werten von Benzin-Pkw. Die entsprechend höheren Ver-bräuche dieser schweren und leis-tungsstarken Dieselautos zehren denCO2-Vorteil auf. Die Folge: Neue Die-sel haben im Flottendurchschnitt kei-ne wesentlich besseren CO2-Werteals neue Benziner.

Wie es anders geht, zeigen dieNiederlande: Dort waren 2017 diedurchschnittlichen CO2-Emissionender Pkw-Neuwagenflotte 20 g/kmniedriger als in Deutschland (Nieder-lande: 108 g CO2/km, Deutschland:128 g CO2/km). Noch 2005 lagen dieCO2-Flottenwerte beider Länder fastgleichauf (Niederlande 170 g CO2/km, Deutschland 173 g CO2/km). Da-bei haben unsere Nachbarn wenigLust auf Diesel: Nur knapp 18 Pro-zent der neu zugelassenen Autos wa-ren 2017 Selbstzünder, bei uns warenes mehr als doppelt so viele (rund 39 %). Worauf ist diese Entwicklungzurückzuführen? Die Niederlande ha-ben, anders als in Deutschland, dieBesteuerung für den Kauf und denBesitz der Fahrzeuge stark an CO2-Emissionen ausgerichtet, selbst dieDienstwagenbesteuerung. Der Kaufhochmotorisierter Fahrzeuge mit ho-hem Verbrauch wird in den Nieder-landen also finanziell bestraft, inDeutschland hingegen nicht.

9. Was tut der Staat gegen dieFahrverbote, die in einigen Städ-ten drohen?Ein undifferenziertes Diesel-Fahrver-bot, das auch Neufahrzeuge mit ge-ringen Realemissionen beträfe, wäreunangemessen. Eine von der Bundes-regierung verabschiedete Verord-nung, die die Kennzeichnung vonFahrzeugen mit einem geringenNOx-Ausstoß beispielsweise mittelseiner blauen Plakette ermöglicht,könnte dem vorbeugen.

In Städten, die nur eine geringeÜberschreitung der Grenzwerte auf-weisen, können schnell zu realisie-rende Maßnahmen, wie beispielswei-se die Nachrüstung von Bussen mitSCR-Katalysatoren oder eine Elektri-fizierung der Lieferfahrzeuge, Taxi-oder Busflotten, die Einhaltung derGrenzwerte sicherstellen und damitFahrverbote vermeiden. Zur Umset-zung solcher Maßnahmen hat dieBundesregierung ein Förderpro-gramm im Umfang von einer Milliar-de Euro aufgelegt. UBA

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Glyphosat – vor 2022 kein Verbot möglichWird das Breitband-Herbizid Glyphosat flächendeckend eingesetzt, schadet es der Artenvielfalt

Das Bundesumweltministerium(BMU) hat einen Plan für den schritt-weisen Ausstieg aus der Nutzung desBreitband-Herbizids Glyphosat vor-gelegt. Dazu soll die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung geändertwerden. Zudem wird das Umweltbun-desamt (UBA), das als Fachbehördeam Zulassungsverfahren beteiligt ist,die Zulassung biodiversitätsschädi-gender Produkte an einen Anwen-dungsvorbehalt knüpfen. Landwirte,die solche Mittel nutzen wollen,müssen auf ihren Ackerflächeneinen Mindestanteil an pestizid-freien Ackerlebensräumen fürTier- und Pflanzenarten garantie-ren. Dieser Anwendungsvorbehaltgilt nicht nur für Glyphosat, sondernkünftig für alle Pestizide, die die Ar-tenvielfalt nachweislich schädigen.

Bundesumweltministerin SvenjaSchulze (SPD) will den Einsatz vonGlyphosat beenden. Der einfachsteWeg, ein Verbot des Wirkstoffs aufEU-Ebene, ist bis Ende 2022 verbaut,weil der frühere Bundeslandwirt-schaftsminister Schmidt (CSU) inBrüssel für eine erneute Genehmi-gung des Wirkstoffes gestimmt hat –entgegen der Vorgabe der Bundesre-gierung. Jetzt müssen alle rechtli-chen Hebel genutzt werden, die aufnationaler Ebene für einen Glypho-sat-Ausstieg möglich sind. Glyphosatbedroht nachweislich die Artenviel-falt in unserer Agrarlandschaft. DieMehrheit der Bevölkerung wünschteine naturverträgliche Landwirt-schaft ohne Glyphosat. Grundsätzlichsoll der massenhafte Einsatz von Pes-tiziden drastisch reduziert werden.Darum sollen im Rahmen des Zulas-sungsverfahrens für jedes Pflanzen-schutzmittel, das die Biodiversitätschädigt, neue Naturschutzauflageneingefordert werden, so Schulze.

Die Präsidentin des UBA, MariaKrautzberger, will jede Möglichkeitnutzen, um die schlimmsten Auswir-kungen auf die biologische Vielfaltabzuwenden, indem neue und wirksa-me Auflagen vorgeschrieben werden.Daher müssen Landwirte künftig ei-nen Teil ihrer Ackerfläche als Biodi-versitätsfläche vorhalten. Dort sollenWildtiere, wie Feldlerche, Rebhuhn,Wildbienen und Schmetterlinge, wie-

der ausreichend Nahrung finden.Das Bundesamt für Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicherheit(BVL) muss diese Anwendungsbe-stimmungen nun in die Zulassungübernehmen, sonst sind die Produktenicht zulassungsfähig, so Krautzber-ger.

Glyphosat hat wie viele anderePflanzenschutz-Wirkstoffe gravieren-de Folgen für die biologische Vielfaltin der Agrarlandschaft. Als Totalher-bizid vernichtet es ohne Unterschie-de alle Pflanzen und zerstört damitdie Nahrungs- und Lebensgrundlagefür viele Insekten- und Vogelarten,wie Schmetterlinge und Feldlerche.Dies wurde mehrfach wissenschaft-lich belegt.

Aus Sicht des BMU ist es möglichund erforderlich, Beschränkungen in die Pflanzenschutzmittel-Anwen-dungsverordnung aufzunehmen: c ein Verbot des Glyphosateinsatzes

in ökologisch sensiblen Gebietenund in Wasserschutzgebieten,

c ein Verbot für die Vorsaat- undStoppelbehandlung und die Sikka-tion (Austrocknung, sorgt für Ab-reifebeschleunigung an Kultur-pflanzen, vernichtet Wildkräuter,senkt die Feuchtigkeit der Ernte)im Ackerbau sowie bei Sonderkul-turen; diese Teilverbote dürfendurch pauschale Rückausnahmennicht leerlaufen,

c die Festlegung eines generellenGewässerabstandes in Anlehnungan die Regelungen zu den Gewäs-serrandstreifen.Durch ein solches Maßnahmen-

bündel ließe sich der Glyphosatein-satz zeitnah in einem EU-konformenRahmen minimieren. Darüber hinauswill das BMU in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung eine Rege-lung festschreiben, die den Glypho-sateinsatz mit Ablauf der Wirkstoffzu-lassung auf EU-Ebene und der vorge-schriebenen Übergangsfrist Ende2023 verbindlich beendet.

Als Biodiversitätsflächen werdenvom UBA unter anderem Blüh-flächen und Brachen anerkannt sowieGetreideäcker mit geringer Saatdich-te. Diese Flächen fehlen heute vieler-orts in der Agrarlandschaft, was gra-vierende Folgen für die Artenvielfalthat. Im Schnitt soll der Anteil dieserFlächen bei zehn Prozent liegen, jenach ökologischer Wertigkeit. DieserWert wird von Fachleuten als Min-dest-Rückzugsraum für Insekten,Vögel oder Säugetiere empfohlen.

Das UBA hat dem BVL die erstenBescheide übermittelt, die diese Auf-lagen für die Zulassung glyphosathal-tiger Pflanzenschutzmittel enthalten.Die Genehmigung der Mittel muss indiesem Jahr verlängert werden. DieZulassung erfolgt durch das BVL imGeschäftsbereich des Bundesland-wirtschaftsministeriums. Sie muss imEinvernehmen mit dem UBA erteiltwerden, das die Auswirkungen aufdie biologische Vielfalt bewertet. DasEU-Recht schreibt vor, dass Pflanzen-schutzmittel nur zugelassen werdendürfen, wenn sie keine unannehmba-ren Auswirkungen auf die Umweltunter Berücksichtigung der biologi-schen Vielfalt haben. BMU

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Foto: Adobe Stock

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120.000 vorzeitige Todesfälle durchFeinstaub in DeutschlandLandwirtschaft gilt als Hauptverursacher

Nach einer neuen, bisher unveröf-fentlichten Studie des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie gibt esdurch Feinstaub weitaus mehr vor-zeitige Todesfälle als bisher ange-nommen. Als Hauptverursacher desProblems benennt der Verfasser derStudie die Landwirtschaft.

Darüber berichtete das ARD-Ma-gazin MONITOR am 17.01.2019, demdie Ergebnisse der Studie exklusivvorliegen. Demnach sterben inDeutschland rund 120.000 Menschenpro Jahr vorzeitig durch Feinstaub,fast doppelt so viele wie bisher ange-nommen. Weltweit kommt die Studieauf rund neun Millionen vorzeitigeTodesfälle.

Das Max-Planck-Institut für Che-mie stützt sich bei seiner Untersu-chung auf 40 internationale Studienaus 16 Ländern, deren Daten überJahrzehnte erhoben wurden. „DieDatengrundlage für diese Studie hatenorm zugenommen. Das ist einerder Gründe, dass wir jetzt zu diesenhöheren Zahlen kommen“, sagt derLeiter der Studie, Prof. Jos Lelieveld.Damit sei Feinstaub für etwa ebensoviele vorzeitige Todesfälle verant-wortlich wie das Rauchen.

Mit einem Anteil von ca. 45 Pro-zent gilt für das Max-Planck-Institut

die Landwirtschaft – und hier vor al-lem die Massentierhaltung – alsHauptverursacher für die in Deutsch-land herrschende Feinstaub-Belas-tung. Der Grund: Ammoniak-Ausga-sungen aus Gülle verbinden sich inder Atmosphäre mit anderen Gasenund werden so zu Feinstaub. „DieMassentierhaltung führt zu Ammo-niak, Ammoniak führt zu Feinstaubund Feinstaub führt zu vorzeitigenTodesfällen“, beschreibt es Lelieveld.

Dieser Zusammenhang ist unterExperten seit Jahren bekannt.Deutschland hat sich bereits im Jahr2001 verpflichtet, die Ammoniak-Emissionen ab 2010 unter einen Wertvon 550.000 Tonnen pro Jahr zu be-grenzen. Tatsächlich aber über-schreitet Deutschland diesen Wertseit Jahren regelmäßig um rund 20Prozent.

„Eigentlich ist in Deutschland inden letzten Jahren nichts passiert,um diese selbst gesteckten und auchunterschriebenen Ziele auch nurannähernd einhalten zu können“,sagt der EU-Abgeordnete MartinHäusling von Bündnis 90/Die Grü-nen. Der Deutsche Bauernverbandbetont auf Nachfrage, man sei inten-siv bemüht, die Ammoniak-Emissio-nen zu reduzieren. Die Zahlen der

Studie bestreitet man jedoch: „An die-sen Spekulationen, ich halte das fürSpekulationen, beteilige ich michnicht“, sagt der Umweltbeauftragedes Deutschen BauernverbandesEberhard Hartelt gegenüber MONI-TOR.

Demgegenüber warnt der Direk-tor der Kardiologie im Zentrum fürKardiologie der UniversitätsmedizinMainz, Prof. Dr. Thomas Münzel:„Feinstaub führt zu Lungen- undHerz-Kreislauf-Erkrankungen. Diehohe Zahl der vorzeitigen Todesfällemuss umgehend politische Konse-quenzen haben.“ Man könne in Euro-pa Millionen an vorzeitigen Todesfäl-len durch Feinstaub vermeiden,wenn man die europäischen Grenz-werte zum Beispiel auf amerikani-sche Grenzwerte reduzieren würde,so Münzel.

Experten fordern eine Reduzie-rung der Tierbestände, zumindestaber für Großbetriebe eine flächen-deckende Verpflichtung zum Einsatztechnischer Maßnahmen, mit denendie Ammoniak-Belastung reduziertwerden kann.

Auf MONITOR-Anfrage äußertesich das Bundesministerium fürErnährung und Landwirtschaft dazubisher nicht. MONITOR/ARD

Nisthilfen für InsektenMit ein wenig handwerklichem Geschick und dem richtigen Wissen kann jeder Balkon- undGartenbesitzer etwas für den Insektenschutz tun

Die Zahl der Insekten nimmt rapideab; diese Entwicklung sollte mittler-weile jedem bekannt sein. Bis zu 80Prozent geht der Bestand zurück.Das bedeutet für viele Tierarten vomVogel bis zum kleinen Säugetier, dassauch weniger Nahrung zur Verfü-gung steht. Für die Bestäubung derObstblüten und Nutzpflanzen, sofernsie keine Windbestäuber sind, kannder Insektenrückgang erheblicheNachteile mit sich bringen. Die Aus-wirkungen des Insektenschwundssind also erheblich, sie wurden langeZeit nicht ernst genommen. AusChina ist zu hören, dass dort schon

Obstbaumblüten durch Menschenmit einem Pinsel bestäubt wurden.

Die intensiv betriebene Landwirt-schaft mit dem Einsatz chemischerSpritzmittel trägt zu dieser Misere er-heblich bei. Aber auch der Gärtner,der aus seinem Haus- oder Kleingar-ten etwas ernten will, nimmt gern diechemische Keule zur Hife. Oft sinddie Böden solcher Gärten mit höhe-ren Giftrückständen belastet als einGetreideacker. Also Hände weg vomSpritzmittel, auch wenn die Ernte vonObst und Gemüse dann schmalerausfällt; gesünder sind spritzfreie Er-träge allemal.

Aber auch der Gärtner und Bal-konbesitzer kann etwas für Insektentun. Künstliche Nisthilfen für Insek-ten können mit etwas Engagementgebaut werden, sie haben einen ho-hen Nutzen für die Flugtiere. Ganznebenbei gesagt ist es natürlich sinn-voll, den eigenen Garten mit denGemüse- und Blumenbeeten nicht be-reits im Herbst abzuräumen. VieleStauden können bis zum Frühjahrstehen bleiben, und wenn ihre hohlenStengel von Insekten besiedelt wor-den sind, kann die Brut im Frühjahrnoch schlüpfen.

Insektennisthilfen selber bauen –

kein Problem, sollte man meinen.Aber man kann doch viele Fehler ma-chen, die dazu führen, dass das Bau-werk nicht besiedelt wird, die einge-legte Brut verdirbt oder dass sich dieInsekten mit ihren empfindlichenFlügeln tödlich verletzen.

Der Vollständigkeit halber mussnoch gesagt werden, dass die Insek-ten, um die es hier geht, einzeln le-bende und nicht staatenbildendeTiere sind, die nicht stechen!

Einige Hinweise, wie man es beimBauen nicht und wie man es bessermachen sollte:

1 Große Böhrlöcher, zu große Sten-gel: Halme mit 20 mm Durch-

messer sind zu groß und werdenkaum angenommen. MarkhaltigeHalme sind ungeeignet. Selbst Bohr-löcher mit einem 10-mm-Bohrer wer-den selten belegt. Ideal sind Bohr-löcher mit 2 mm bis 6 mm großenBohrungen, 1-2 mm größer ist für ei-nige Arten auch noch sinnvoll.

2 Ausgefranste Bohrlöcher: An aus-gefransten Bohrlöchern können

sich die ein- und auskriechenden In-sekten mit ihren empfindlichen Flü-geln verletzen; die Bohrlöcher müs-sen sauber und glatt sein.

3 Weichholz: Auch im Innern dergebohrten Gänge in Weichholz

können sich Fasern aufrichten. Auchdann verletzen sich die Insekten mitihren Flügeln. Geeignet sind aus-schließlich Harthölzer, wie Eiche,Buche, Esche, Obsthölzer.

4 Bohren in die Stirnholzseite: Einoft feststellbarer Fehler ist das

Bohren ins Stirnholz; die großen an-gebohrten Baumscheiben sind zwar

optisch ganz nett, aber ungeeignet.Gebohrt werden sollte ausschließlichseitlich in die Längsfaser des Holzes.Wird ins Stirnholz gebohrt ist die Ge-fahr der Rissbildung und der Feuch-tigkeitsaufnahme groß, die Fasernquellen auf. Pilze können eindringenund zu Schimmelbildung beitragen.

5 Ungeeignetes Material: Der Hitsind Kiefern- und Tannenzapfen.

Diese Zapfen sieht man häufig, siewerden selbst in Nisthilfen angebo-ten, die im Handel erhältlich sind.Bienen und Wespen nehmen sie nichtan, höchstens Spinnen, aber für siesind die Insektennisthilfen nicht ge-dacht. Stroh und Heu und gehäcksel-tes Material ist ebenso wertlos, auchwenn man diese Materialien häufig inNisthilfen sieht, die in Bau- und Gar-tenmärkten angeboten werden.

6 Absoluter Unsinn: Ziegelsteine.Die großen Öffnungen mit zudem

scharfen Kanten, die rückseitig nochnicht einmal verschlossen sind, zie-hen keine Insekten an. Sinnvoll sindsie für den Anbieter, denn damit sinddie Gestelle schnell auf kostengünsti-ge Weise gefüllt.

7 Röhrchen aus Plastik: Eine beina-he tolle Idee, um die eingelegte

Brut, Eier und Nährstoffe beobach-ten zu können. Leider hat die Sacheeinen Haken, denn es findet keinLuftaustausch in den Röhren statt. Eskommt zu Schimmelbildung, die Brutverfault und der Betrachter hat keinErfolgserlebnis. Finger davon!

8 Lehmwände: Findet man oft,wenn im Rahmen einer Projektar-

beit in Schulen Insektenwände ge-baut werden. Zur Stabilisierung wer-

den Weidenzweige eingeflochten,manchmal Stroh zwischengebaut undmit Lehm verschmiert. Der Lehm istin der Regel zu fett und wird nachdem Eintrocknen hart wie Beton;kein Insekt kann sich hineingraben.Hinderlich beim Graben der Gängesind für Bienen und Wespen zudemdie Weidenzweige und das Stroh. Die-se Lehmwände sind überflüssig.

Die angebohrten Elemente kön-nen einzeln aufgehängt oder es kön-nen mehrere Elemente in einemgrößeren Holzrahmen zusammenge-stellt werden. Hier kann sich jedernach eigenem Gusto auslassen. BeimAufbau muss nur noch auf die Son-nenseite geachtet werden, denn dieInsekten und ihre Nachkommen mö-gen es warm: Osten und Süden sinddie bevorzugten Himmelsrichtungen,denn der Regen kommt meist von derWestseite, und im Norden ist es ein-fach aufgrund der fehlenden Sonnen-bestrahlung zu kalt.

Wer nicht selber bauen will: Das„Hotel Zur wilden Biene“, gebranntaus Ton, wird von einem erfahrenenInsektenkundler hergestellt und hatsich als Klassiker der Insektennisthil-fen herausgestellt; es ist im Internetüber eine Suchhilfe leicht zu finden,kostet 23,00 Euro zzgl. 5,90 Euro Ver-sandkosten. Die Nisthilfe kann aberauch über die Redaktion dieser Bro-schüre bezogen werden, sofern eineausreichend große Nachfrage für ei-ne Sammelbestellung (dann ohneVersandkosten) vorliegt. Bei Interes-se bitte einfach melden, Kontakt-daten stehen im Impressum auf der 2. Umschlagseite.

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So nicht: Hier ist so ziemlich alles falsch, was falsch gemacht werden kann. DasStroh oben, die Zapfen unten sind unbrauchbare (und ungenutzte) Materialen,die Ziegel sind unbewohnt, gebohrt worden ist in das Stirnholz der Äste mit nureinem Bohrloch-Durchmesser, es fehlen die verschiedenen Lochgrößen von 2 mmbis 8 mm Durchmesser.

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Wallnau auf Fehmarn – immer eine Reise wert

Eine Reise zur Ostseeinsel Fehmarnlohnt sich für Urlauber allemal undbesonders dann, wenn sie ornitholo-gisch interessiert sind. Ebenso wieder Kaiserstuhl, das Vulkangebirgenahe des Schwarzwaldes, werden fürFehmarn überdurchschnittlich vieleSonnenstunden pro Jahr prognosti-ziert. Das ist schon ein Argument füreine Urlaubstour!

Auf Fehmarn kann man gut mitdem Fahrrad fahren, die Haupt-straßen bieten separate Radwege unddie Verbindungsstraßen zwischenden kleinen Orten sind gemütlich be-fahrbar. Auf der Deichkrone kannman fast die ganze Insel umrundenund den Blick aufs Meer genießen.

Apropos Gemütlichkeit: Wer denTrubel nicht will, kann einfach in ei-ner der vielen kleinen Ortschaftenein Ferienquartier buchen, weitabvom Tumult des Ferienbetriebs.Überall liegen kleine Orte nur weni-ge Kilometer auseinander. Außerhalbder Hauptsaison findet man aller-dings nicht in jeder Ortschaft eingeöffnetes Café oder ein Restaurant.Wer das Leben um sich braucht, soll-te die Hauptstadt der Insel aufsu-chen, Burg auf Fehmarn. Hier reihtsich in der Haupt-GeschäftsstraßeRestaurant an Restaurant.

Die Ornithologen treffen sich ander Küste, natürlich dort. Der „GrüneBrink“ im Norden der Insel bietetgute Beobachtungsmöglichkeiten aufSeevögel und Limikolen, die auf ei-nem Binnengewässer anzutreffensind. Ein Highlight für Beobachteraber ist die Station des Naturschutz-bundes Schleswig-Holstein in demkleinen Ort Wallnau. Hier stehen

mehrere Beobachtungshütten, die ei-nen hervorragenden Blick auf dievorgelagerten Salzwiesen bieten. Amsogenannten „Steinteich“ sitzen diebrütenden Säbelschnäbler zu mehre-ren Paaren nur wenige Meter ent-fernt auf einer Kies-Sandbank, Re-genpfeifer laufen vorbei, Gänse undKiebitze und was das ornithologischeHerz sonst noch so begehrt sind im-mer in Seh-Nähe. In den Hütten kannman ohne Weiteres und ohne auf-kommende Langeweile den ganzenTag verbringen. Wenn vor den Seh-schlitzen einmal ausnahmsweise„nichts los“ ist, kann man sich mitden Rauchschwalben und Bachstel-zen beschäftigen, die in den Hüttenauf den Balken ihre Nester gebauthaben und dort brüten.

Ein Rundgang führt an Teichenund weiteren Hütten vorbei bis zu ei-nem hohen Turm, der einen weitenBlick ins Land ermöglicht. Ende April2018 waren so zum Beispiel nochmehrere Tausend Weißwangengänseim Gebiet. Sie boten ein eindrucks-volles Bild, wenn sie im großen Pulkaufflogen und ihre Runden drehten.Hin und wieder sind absolute Raritä-ten, seltene Arten zu entdecken. Eingutes Fernglas gehört daher zur Aus-rüstung, kann aber auch am Einganggemietet werden.

Auch für Kinder bietet der Rund-weg über das weitläufige Gelände in-teressante Beschäftigungs- und Ent-deckungsmöglichkeiten. In kurzenAbständen können kleine Rätselgelöst werden oder es gibt etwas zubefühlen oder zu bestaunen. Natür-lich, dafür müssen unsere Kleinen ei-nen Sinn, eine Ader haben. Der

sechsjährige Computerfreak wirdsich hier nicht austoben können, dermuss dann das Kino in Burg besu-chen.

Wenn der Magen knurrt bietetdie NABU-Küche kleine Gerichte an,hier findet sich das Fleisch der aufWallnauer Wiesen gehaltenen Gallo-ways in der Gulaschsuppe wieder.Auch die Kuchentheke ist ausrei-chend bestückt, wenn auch nicht wieauf dem ersten Café auf dem Kurfürs-tendamm. Das Angebot an Büchernund Utensilien aus dem Bereich desNatur- und Umweltschutzes kannzum Kauf animieren – für einen jedenso, wie er oder sie es gern hätte, fürjeden ist etwas dabei.

Für NABU-Mitglieder ist der Ein-tritt frei, ansonsten sind 5 Euro zu be-zahlen, sobald man die informativeAusstellung innerhalb des Eingangs-gebäudes betritt. Sie informiert überdie Vogelarten der Küste und überdie Entstehungsgeschichte des Ge-bietes um das Schutzgebiet Wallnau.

Selbst Rockgittarist Jimi Hen-dricks war schon auf Fehmarn, nahebei Wallnau. Er hatte hier 1970 vor25.000 Hippies und Rockern beiDauerregen und Wind sein letztesKonzert gegeben, bevor er zwölfTage später sein Leben verlor. DieFehmarner haben ihm einen Gedenk-stein gesetzt zwischen den Ortschaf-ten Püttsee und Flügge. … Wennman dort am Platz seines Auftrittssteht hat man das Gefühl, die Akkor-de seiner Gitarre und seine großenHits aus weiter Ferne noch einmal zuhören – wenn auch nur ganzschwach, aber dazu muss man seineMusik gemocht haben …

Oben: Fehmarnbelt-Brücke, Säbelschnäbler; unten: Beobachtungshütte, Gedenkstein Jimi Hendricks, Aussichtsturm

„Vier Jahreszeiten“. Diese Eiche sah Günter Mersch unterhalb der Halde Kissinger Höhe an der Basaltstraße. Mit seiner Canon IXUS 70und der Canon EOS 550 D war er ganzjährig unterwegs und hat mit diesem stattlichen Baum Frühjahr, Sommer,Herbst und Winter eingefangen.

www.dieoekologische.de