die glyptothek in münchen - utzverlag.de · die ikonologie des nischenzyklus 114 ludwig als erbe...
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MISCELLANEA BAVARICA MONACENSIA
Dissertationen zur Bayerischen Landes- und Münchner Stadtgeschichte
herausgegeben von Karl Bosl und Michael Schattenhofer
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-Heft 83 -:'i",~l1C
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Die Glyptothek in München
-Baugeschichte und Ikonologie -
ltKommisSionsverlag UNI-Druck. München
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Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München
1983
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Tag der mündlichen Prüfung: 19. Juli 1976
Referent: Professor Dr. Wolfgang Braunfels
Korreferent: Professor Dr. Jörg Traeger
Schriftleitung:Dr. W. Grasser, Stauffenbergstraße 5/pt., 8000 München 40
Alle Rechte vorbehalten
-auch die des Nachdrucks von Auszügen,der photomechanischen Wiedergabe und der Obersetzung -
@ Copyright 1983 Stadtarchiv München
ISBN 3-87821-195-3
Druck und Auslieferung:
UNI-Druck, Amalienstraße 83, 8000 München 40
Bild gegenüber Titelseite: Glyptothek Hauptfassade (Vorkriegszustand)
ABKORZUNG: Für Zitate wird die Abkürzung MBM empfohlen,
z. B. MBM Heft 2 Seite 66
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Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 1976 von der Philosophischen
Fakultät der Ludwig Maximilians-Universität zu München als Dissertation
angenommen.
Für Hilfe und Unterstützung danke ich meinem Doktorvater, Herrn
Professor Dr. Wolfgang Braunfels, weiter Herrn Direktor Dr. Klaus
Vierneisel, Herrn Archivdirektor Dr. Richard Bauer, der Fritz Thyssen
Stiftung und nicht zuletzt dem Verein der Freunde und Förderer der
Glyptothek und der Antikensammlungen München.
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INHALT
SeiteTHEMENBEGRONDUNG IGiebJ M. '"
Forschungsstand ;;r; 1
Problemstellung der Arbeit 3
ZUR ENTSTEHUNG DER GLYPTOTHEK 7
t Die Münchner Antikensammlung 7
Abgußsammlungen und Antikensäle 8Die Antikensammlung des Kronprinzen Ludwig 12
Ankaufskategorien und Restaurierungsprinzipien 14r!,l
DIE BAUPLANUNG 16,.
Quarenghis Entwurf 16Die Formulierung der Bauaufgabe in der KorrespondenzLudwigs mit Haller v. Hallerstein 18Der Wettbewerb der Münchner Akademie 19
DER ARCHITEKT HALLER v. HALLERSTEIN 23
i Projekt I 24c Projekt 11 und 111 26
DAS KONIGSPLATZKONZEPT 27
Die Platz gestaltung 27I,. Die Interpretation des Königsplatzes 31
; LEO v. KLENZE. ARCHITEKT 33
: Klenzes künstlerische Herkunft und die Begegnung, mit Kronprinz Ludwig 33
Klenzes Pariser Vorentwurf 35
Die Wettbewerbsprojekte Klenzes 37
Entwurf I 38
Entwurf 11 41
Entwurf 111 43
Beurteilung 44!
Das Wettberwerbsergebnis 45, Die Benennung "Glyptothek" 46
-11 -
DER ARCHITEKT KARL v. FISCHER 47
Entwurf I 47
Entwurf II 49
Die überarbeitung aller Entwürfe durch Klenze 51
Die Verteidigung der lonika 52
DIE ZWISCHENENTWüRFEKLENZES 53
Zwischenentwurf I 53
Der Grundrißtyp 56
Die Grundsteinlegung 56
Die Münchner Baubehörde 57
Klenzes Anfangsschwierigkeiten in München 58
Die Zwischenentwürfe II bis IV 59
Die Einführung der Serliana 61
Zwischenentwurf V 62
Zwischenentwurf VI 63
Zwischenentwurf VII 64
Versuch einer typologisch-chronologischen Reihe derZwischenentwürfe Klenzes zur Glyptothek 65
BAULENKUNG 66
Die Entscheidung des Bauherrn 66
Die Formvorstellungen J .M. Wagners zum Antikenmuseum 67
Wagners verlorener Grundrißplan 69
Die Oberlicht-Theorie 71
Wagners Farbpurismus 72
Ableitungen und Parallelen der Theorie Wagners 73
Die Kritik Wagners an Klenzes Raumdisposition 76
Die Windpotenz 80
DIE ANALYSE DES AUSGEFUHRTEN GEB~UDES 81
Der Bauplatz 81
Bautermine 82
Der Außenbau 83
Die rückwiirtige Fassade 86Der Hauptportikus als Propyläen-Adaption 86Die Rechtfertigung der unkannelierten. entasislosen Säule 89Die Erzportale 91Die Bauzier 92
-III-
Der Frontgiebel 93
Planung und Ausführung 93Der Anteil L.M. Schwanthalers am Giebelbild 96Verzeichnis der Handzeichnungen J.M. v. Wagners zumGiebelbild 97Das Giebelbild nach Wagners Entwurf 98Ikonologie und Stil des Giebelbildes 101
Die Statuennischen 102
Die Statuennischen und ihre historische Rechtfertigungdurch Klenze 102Die Beurteilung der Statuennischen in den Traktatender Architekturtheoretiker 105Programm und Ausführung nach historischen Gesichtspunkten 106Grands hommes (Exkurs) 110Die Ikonologie des Nischenzyklus 114
Ludwig als Erbe mäzenatischer Tradition 116
Der Innenhof und seine Vorbilder 121
Die Nebengelasse 124
Heizung 125
Das Baumaterial 125
Das Dach 127
DIE STRUKTUR DES GEBÄUDEINNERN 129
Die architektonische Form der Säle 129
Die Wölbungen 129
Die Saal trennung 130
Die Raumgruppierung 131
Der chronologische Rundgang 132
Die Beleuchtung 133
Das System der Innendekoration 136
Die Wände 139Die Pavimente 141Die Piedestale 143
Das Aufstellen von Antike unter Berücksichtigung vonWinckelmanns Kontrastbegriff 144
Die Antikenaufstellung in der Glyptothek 146
FUHRUNG DURCH DIE SÄLE 148
Hauptvestibül 148
Ägyptischer Saal 151
Die Ägyptenmode im Museum 153
Inkunabel saal 156
Äginetensaal .159
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-IV-
Die Aufstellung der Agineten 164IExkurs zum Streit über antike Polychromie 167
Apollosaal 170"'~ Bacchussaal 172
Niobidensaal 175
Heroensaal 178
Römersaal 179
Das Karyatidenmotiv 189
Saal der Bronzen und farbigen Steine 192
Saal der Neueren 194
Der Umfang der Sammlung 198
Assyrischer Saal 200
DAS FESTAPPARTEMENT 202
Planung 202
Der formale Gedanke 204
Die Fackelbeleuchtung 205
Die architektonischen Determinanten der Freskosäle 209
Die Rolle des Stuckes in der Dekoration der Freskosäle 211
Die Programmfindung und -deutung 212
Kleine Vorhalle 215
Göttersaal 216
Trojanersaal 226
Die vorbereitenden Arbeiten zu den Fresken 233
Cornelius' Mitarbeiter 235
Cornelius' künstlerische Herkunft 237
Die Beurteilung der Fresken 239
DIE INSTITUTION 241
Einige Urteile über die Glyptothek 241
Wagners Schlußkritik 242
Die Eröffnung 243
Die Voraussetzungen zur Offentlichkeit der Glyptothek 244
Publizität 247
Die Kosten 251
Das Testament König Ludwigs 252
Die Entlohnung Klenzes 253
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Die Wiederherstellung- der Glyptothek 255
Resumee 256
f Anmerkungen 259
Beilag-en 290
Mitarbeiter bei der Glyptothek 303
Maße der Glyptothek 304
Abkürzungsverzeichnis 305
Literaturverzeichnis 307
Abbildungsnachweis 319
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Die Glyptothek, bisher noch nicht als Baumonografie abgehandelt, ist dennoch
seit ihrem Entstehen der Gegenstand rezensorischer Bemühungen. die oft ten-
denziös die eine oder andere Richtung der stark divergierenden Meinungen
über diese Institution wiedergeben,
Gleichzeitig mit dem Briefwechsel aller Beteiligten erscheinen die vom Bauherrn
selbst angeregten laufenden Pressebesprechungen, die Quellenkenntnisse ver-
mitteln ,1) Ihnen gliedern sich die frühen Kataloge an, die die Antikensammlung
zum Gegenstand haben und in diesem Rahmen kurz Architektur und Ausstat-tung des Gebäudes referieren, 2) Von bedeutendem Informationswert ist das
Klenze-Stichwerk mit einem komprimierten Text über die Absicht der Glypto-
thek und Umrißstichen zu Baudetails.3) Die Entwurfs- und Dokumentations-
zeichnungen in der Maillinger-Sammlung des Stadtmuseums München (MS I 17011
1-63, teilweise mit Maßangabe auf der Basis des bayerischen Fuß), liegen als
geschlossene Mappe "Glyptothek" vor, deren Einzelblätter, zum Teil kolorierte
Federzeichnungen, von Klenze oder Ohlmüller nach Klenze Sind,4) Es folgt
eine umfangreiche und stets in gleicherweise ungenaue Guidenliteratur über
das ludovizianische München, das unter die sehenswertesten Städte Europas
aufgerückt war,
Was sich anschließt, ist als Sekundärliteratur zu bezeichnen. Sie setzt ein mit
Urlichs noch von König Ludwig autorisierten Schriften über die Entstehung der
Sammlung,5) Ihm folgt 1888 H, Reidelbach, der nun schon nahe an den Quellen
arbeitet, aber durch den Verzicht auf Referenzangaben schwer zu verwerten
ist, Bei seinem Gang entlang der Führungslinie durch die Säle b~schränkt er
sich ganz auf die Würdigung der Antiken. Reidelbach, wie J.N. Sepp, 1869,
der einstmals wegen unloyaler Haltung zum König aus der Hochschullaufbahn
entlassene Professor, den Ludwig noch kurz vor seinem Tode als persönlichen
Biografen bestellte, berichten detailliert und deskriptiv, Sepp gibt sich dabei
als Panegyrikus Ludwigs, dessen bewundernswerte Einzelangaben der Prüfung
nicht standhalten. Die Sekundärliteratur der ersten Phase bleibt durchweg un-
kritische Berichterstattung; die kunstgeschichtliche Fragestellung wurde noch
nicht erkannt. Zwischen Quelle und Sekundärliteratur steht H, Riegels aufge-
zeichnetes Gespräch mit Cornelius, 1868, der als persönlicher Freund des Ma-
lers noch etwas von der alten Rivalität zwischen dem Architekten und Freskan-
-ten einfließen läßt,
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Als erste und zuverlässigste, wenn auch unvollendet gebliebene Monografie
über Klenze entsteht 1921 die Dissertation von H. Kiener, in deren Rahmen
der Glyptothek ein umfangreiches Kapitel gewidmet ist. Kiener verwertet zum
erstenmal die Nachrichten der Archive, zum Teil ohne Herkunftsnachweis, um
Klenzes stilistische Einordnung vorzunehmen, die er in Reminiszenzen und
Klenze unbewußt gebliebener barocker Stilempfindung, abseits des gültigen
klassischen Maßstabes ansiedelt oder gerade dagegen abzusetzen sucht. Man
spürt die Schule Wölfflins. Ober Kieners formalästhetische Betrachtung gehen
keine Arbeiten, die sich mit Klenze befassen, hinaus, weder die einseitig den
Standpunkt J.M. Wagners bestärkenden des W. Frhr. v. Pölnitz, 1929 und
1936, noch O. Hederers großangelegte Klenze-Monografie in der Art eines
Oeuvre-Verzeichnisses, 1964, der, den Wert der Kienerschen Vorarbeiten er-
kennend, daher zitiert -ein Verfahren, das legitim erscheint, angesichts der
gültigen Aussagen und Schlüsse Kieners. Hederer bleibt das Verdienst, im
Anhang ein Verzeichnis der in München lagernden Archivalien, mit jeweils
stich wortartiger Inhaltsangabe zusammengestellt zu haben.
1954 entsteht H. Selings Dissertation über Kunstmuseen als neue AufgIlbe der
Architektur des 19. Jh. Die Prävalenzen der Glyptothek werden herausgearbei-
tet, wobei sich der Autor auf Zitate der Klenze- Literatur stützt und einige er-
erbte Ungenauigkeiten weiterschleppt. Seling leitet den Bau von den französi-
schen Idealentwürfen der Akademie her, eine Tatsache, die auch Kiener be-
kannt war, ohne daß er diese Richtung konsequent weiterverfolgt hätte und
versucht dabei vollständig zu sein. Das Thema war von europäischem Interesse
und wurde von N. Pevsner 1967 gekürzt ins Englische übertragen.
1967 behandelt V. Plagemann die museologische Stellung der Glyptothek im Rah-
men der Museumsbauten jener Zeit, legt wieder auf die Baugeschichte größeren
Wert, wobei er eigene Detailforschung investiert und vermag aufgrund dessen
die Entwürfe Klenzes in einer Reihenfolge zu sehen. Er kann aufzeigen, wie
die Bildprogramme, vor allem die des Außenbaues, durch Schlüssigkeit und
Konsequenz für die folgenden Generationen von Museumsbauten vorbildhaft
werden konnten. P. Böttgers Monografie über die Alte Pinakothek, 1972, nutzt
die Stellung der Glyptothek als erstes Werk in der Reihe von König Ludwigs
Bildungsbauten, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in. der Grundhaltung
dieser beiden vom gleichen Architekten konzipierten Museen aufzuzeigen. Es
wird deutlich, daß der Initialgedanke für die folgenden Museen Münchens von
der Glyptothek ausgeht. Daß sich die Dissertation K. Fräßles über Haller v.
Hallerstein, 1971, intensiv mit dem Planungs- und Baugeschehen der Glyptothek
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-3 -
befaßt -eigene Recherchen und Archivarbeit hat die zuverlässigsten Aussagen
möglich werden lassen -liegt im Werk des Architekten begründet, als dessen
chef-d'oeuvre die Entwürfe zum Wettbewerb für Antikenmuseum und Walhalla
des Kronprinzen von Bayern erläutert werden.
Problemstellung der Arbeit
Diese Arbeit, angeregt durch museumskundliche Interessen, will weniger die
im anderen Kontext angeschnittene Vorbildlichkeitsfrage der Glyptothek und
ihren Anspruch als frühe, öffentlich zugängliche Antikensammlung in den Vor-
dergrund stellen, als vielmehr eine rekonstruierende Dokumentation des Innern
sein, die den alten, endgültig aufgegebenen Original zustand deskriptiv vor
Augen führt. Auch soll weder die Glyptothek in stilistischer Hinsicht behandelt
(das kann bei Kiener nachgelesen werden), noch ihre formale Herleitung von
traditionellen europäischen Sammlungsräumen oder den französischen Grands
Prix erläutert werden (das ist bei Seling zu finden). Es soll vielmehr vollstän-
dig das innere Bild wiederhergestellt werden, d.i. rahmende Innendekoration,
Ausstattung, Farbigkeit, Beleuchtung, Aufstellung, ergänzt von dem umfassen-
den Bildprogramm des Außeren und Innern, worüber sich in der Literatur kei-
ne Bemerkung findet, die über das von Klenze und Schom Gesagte hinaus-
ginge.
Die Analyse der Dekoration und deren ikonologische Interpretation ist durch
das Fehlen von farbigem Abbildungsmaterial des verlorenen Zustandes beson-
ders erschwert. Des Dekors inhaltsbeladene BiIderwelt, die als bewußte Inter-
pretation der Architektur fast gleichwertig z.ur Seite tritt, gilt es zu klären
und den Weg aufzuzeigen, der zum ersten zusammenhängenden BiIdprogramm
eines Museums führt, woraus für die folgende Zeit eine ikonografische Tradi-
tion erwächst. Im Zusammenhang mit der Besprechung der inneren Dekoration
ergaben sich Anmerkungen zu dem Kapitel der Wiederentdeckung antiker Po-
lychromie, deren bedeutendster Vertreter, der Architekt Hittorff in der Folge
weit weniger exponiert scheint.
Als zweiter Schritt sollen die Form- und Dekorationsprobleme nach ihrer Ab-
leitungsmöglichkeit hin untersucht werden. Für diesen Aspekt war die allge-
meine Dekorationstheorie grundlegend. Die Renaissanceüberlieferung eines
~
-4 -
Quatremere, auf dessen Linie Klenze fortschreitet, setzt sich gegen die Theo-
rie der Rigoristen wie Lodoli, Milizia und Laugier durch und das nicht nur im
Falle der Glyptothek, sondern aller anknüpfenden Museumsbauten des 19. Jh.
Wodurch diese Möglichkeit Unterstützung ~rfuhr, verraten die Romreisen Kron-
prinz Ludwigs ab 1804 und die Klenzes, vor 1807 beginnend. Dort wirkten das
Museo Pio-Clementino, das für Skulpturenaufstellung konzipierte Erdgeschoß
der Villa Borghese und die eigens für Antiken errichtete Villa Albani auch für
die Glyptothek, en detail, richtungsweisend.
Neben der museologischen Frage war die Realisation der neuartigen Gedanken
des Auftraggebers durch den von ihm favorisierten Klenze zu erforschen. wo-
mit die Frage nach der Ausbildung des Architekten wegen der Anregungen für
die Innenausstattung relevant wird. Sie liegt leider weitgehend im Dunkeln,
doch gibt es Vermutungen, die sein Studium in Berlin, England und Paris be-
treffen. In seiner geistigen und künstlerischen Selbstinterpretation geht Klenze
fehl, wenn er vorgibt, eine Wiederherstellung der historischen Antike zu lei-
sten und aus dem Grunde seine Herkunft von den Rezeptionsschritten der fran-
zösischen Klassizisten über die römische Renaissance, denen er stilistisch eng
verbunden ist, verleugnet. Die von Klenze genannten Antikenvorlagen zur
Rechtfertigung seines Entwurfes halten nur bei Einzellösungen der Nachprü-
fung stand. Aus dieser Sicht sin~ alle Hinweise auf die Gestaltung des Gebäu-
des anhand der französischen Stich publikationen zu untersuchen.
Durch das Arbeiten an Primärquellen, wozu der im 19. Jh. überaus rege Brief-
wechsel zählt, konnte einmal die Planungs- und Baugeschichte und zum ande-
ren die Analyse des ausgeführten Gebäudes vorgelegt werden. Bei der Planungs-
und Baugeschichte war von der nie endgültigen Projektierung, die das gesamte
Werk bis in die Schlußphase der Ausstattung mit den Fresken des Peter Cor-
nelius und dem noch späteren Skulpturenzyklus am Außeren gleichsam in statu
nascendi hielt, Kenntnis zu nehmen. Das Zweck-Form-Problem, die Absichten zur
Konstruktion und Ausformung nach ästhetischen, vom Bauherrn bevorzugten
Gesichtspunkten und nach formal-praktischen, vom Berater Wagner angelegten
Maßstäben, wurde viel diskutiert. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die
Kontroversen um den puristisch-frühklassizistischen Aspekt farbloser Antike
und die sich endgültig durchsetzende illustrativ-farbige Bindung. Beschrei-
bung, Kritik und Lob der Zeitgenossen, worin eine Antizipation des Restau-
rierungsproblems erkannt werden muß, war hauptsächlich aus Briefen, Presse-
nachrichten deutscher und europäischer Zeitungen und der Guidenliteratur zu
ersehen.
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Für die Architektur spielten sehr stark und bisher stets nur am Rande erwähnt
die von den Architekten Haller v. Hallerstein und Karl v. Fischer für die
Glyptothek angefertigten Entwürfe in der Idee des Bauherrn eine dominierende
Rolle. Bei der Endvorlage des ausführenden Architekten Klenze wurden siemit größter Verbindlichkeit behandelt. 6) Die Herkunft Klenzes aus dem fran-
zösischen Neoklassizismus ist demnach gerade für die Glyptothek zweispurig
nachweisbar, nämlich durch seine eigene Pariser Schulung in der Lehrtradition
eines Delannoy, durch Durand direkt vermittelt, und der Filtration der glei-
chen Ideen durch die beiden oben genannten Projektanten für das Antiken-
museum. Die starke Rezeptionsfähigkeit des Baumeisters läßt in der Kombina-
tion mit dessen eigener Aussagekraft gerade am Beispiel der Glyptothek ein
Werk von normativem Charakter entstehen. Vorbildhaft wirkten die Antiken-
publikationen des späteren 18. Jh., Architekturvorlagen und natürlich die Ein-
drücke, die exemplarische Antikensäle in Rom. Florenz, Paris und England
hinterließen.
Die Analyse der Glyptothek nimmt ihren Ausgang von der Gewinnung des Bau-
platzes. seiner geplanten und dann tatsächlichen Einbindung in den Stadtorga-
nismus .allerdings nur soweit, als es sich von eigener Archivarbeit her als
aussagefähig auch für den Bau erwies. (Ausführlicher darauf einzugehen, ver-
bietet eine in Arbeit befindliche Münchner kunsthistorische Dissertation über
den Königsplatz.) Als zweites gilt es, die Behandlung des Baukörpers, dessen
Fassaden. seine einzelnen Bauglieder, deren Genese und Ikonologie im Gebäu-
dekontext, gestützt auf Klenze-Autografen und das Vorwort zum Stichwerk auf-
zuzeigen. Der dritte Punkt der Analyse, die innere Organisation, der Grund-
riß .die Raumformen und deren gemeinsame Bedingtheit durch den Zweck des
Bauwerkes, leitet dann zu einer umfangreichen Darstellung der Theorie des
späten 18. und frühen 19. Jh. über, wie Antike zu präsentieren sei, wie zu
belichten, wie zu hinterfangen. Vor allem deswegen und auch um die maßge-
bende Funktion von Ludwigs Kunstberater in Rom, Johann Martin Wagner, sei-
ne Tätigkeit im Auftrage des Kronprinzen als Antikenankäufer und seine dezi-
dierte. noch in der Vorstellungswelt des frühen Klassizismus verhaftete Auf-
fassung von der Anordnung der Exponate darzustellen, war der Briefwechsel
beider, sowie der Wagners mit Geistesgrößen seiner Zeit während der für die
Glyptothek bedeutsamen Jahre von 1806 bis 1830 im Wagner Archiv der Univer-
sität Würzburg durchzusehen. Dort auch fanden sich die Originalentwürfe, ge-
samt und detailliert, zum Glyptotheksgiebel. Bei Sichtung des in Archiven und
Sammlungen verstreuten Quellenmaterials konnte einmal die französische Original-
fassung des verlorenen Wettbewerbstextes identifiziert werden und zum anderen
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ließen sich die Klenzeschen Glyptotheks-Entwürfe, wohl schon von Autoren
wie Kiener, Seling und Plagemann als serielle Folge gesehen, in neuer typo-
logischer Reihe aufbauen.. Zum Anteil des jüngeren Schwanthaler an der Glypto-
thek war Otten, 1970, zu ergänzen. Das konnte nur punktuell und als Neben-
aspekt geschehen, weil eine systematische Bearbeitung der Schwanthaleriana
des Münchner Stadtmuseums noch aussteht, durch die erst endgültige Zuschrei-
bungen und sachliche Einordnungen in Werk zusammenhänge ermöglicht und
weitere Verbindlichkeiten Schwanthalers zur Glyptothek aufgezeigt werden
könnten. Dabei wäre primär der Einfluß Wagners, Cornelius' und Klenzes auf
die Entwürfe Schwanthalers abzuklären. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden
Mitarbeiter bei der Glyptothek nur genannt, sofern sie durch eine schriftliche
Quelle, die aus Platzgründen nicht zitiert wird, bestätigt sind.
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