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Aus der OnlineBibliothek des FrithjofSchuonArchives: http://www.frithjofschuon.com/deutsch/public/library/books_articles.aspx Die Esoterik verstehen Das Vorrecht des menschlichen Zustands ist die Objektivi- tät, deren wesentlicher Gehalt das Unbedingte ist. Es gibt keine Erkenntnis ohne Objektivität des Geistes; es gibt keine Frei- heit ohne Objektivität des Willens; und es gibt keinen Adel ohne Objektivität der Seele. In jedem dieser drei Bereiche geht es sowohl um eine horizontale als auch um eine vertikale Objektivität; das Subjekt, sei es erkennend, wollend oder fühlend, hat notwendigerweise sowohl das Kontingente als auch das Absolute im Blick: das Kontingente, weil das Subjekt selbst kontingent ist und in dem Maße, wie es das ist, und das Absolute, weil das Subjekt am Absoluten teilhat durch sein Ver- mögen zur Objektivität. Die Esoterik strebt mit ihren Auslegungen, mit ihren Er- kenntnissen und mit ihren Verfahren der Verinnerlichung und der Verwesentlichung nach reiner und unmittelbarer Objektivi- tät; das ist ihr Daseinsgrund. Objektivität berücksichtigt sowohl die Immanenz als auch die Transzendenz; sie ist Auslöschung und Wiedereingliederung zugleich. Sie ist nichts anderes als die Wahrheit, in der Subjekt und Objekt zusammenfallen, und in der das Wesentliche Vorrang hat vor dem Zufälligen – oder in der der Urgrund Vorrang hat vor seiner Kundgabe –, entweder indem dieses ausgelöscht oder wieder eingegliedert wird, in Abhängigkeit von den verschiedenen seinsmäßigen Gesichts- punkten der Bedingtheit. 1 Aus all diesem folgt, dass unter »Objektivität« nicht eine Kenntnis zu verstehen ist, die auf ein bloßes empirisches Erfassen von außen erhaltener Daten beschränkt wäre, sondern eine vollkommene Angleichung des er- kennenden Subjekts an das erkannte Objekt, was tatsächlich im Einklang mit der gängigen Bedeutung des Ausdruckes ist. »Objektiv« ist ein Verstand oder eine Erkenntnis, insoweit er oder sie fähig ist, einen Gegenstand so zu er- fassen, wie er ist, und nicht so, wie ihn das Subjekt möglicherweise verfälscht. 1

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Page 1: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Aus der Online‐Bibliothek des Frithjof‐Schuon‐Archives

httpwwwfrithjofschuoncomdeutschpubliclibrarybooks_articlesaspx

Die Esoterik verstehen

Das Vorrecht des menschlichen Zustands ist die Objektivishytaumlt deren wesentlicher Gehalt das Unbedingte ist Es gibt keine Erkenntnis ohne Objektivitaumlt des Geistes es gibt keine Freishyheit ohne Objektivitaumlt des Willens und es gibt keinen Adel ohne Objektivitaumlt der Seele In jedem dieser drei Bereiche geht es sowohl um eine horizontale als auch um eine vertikale Objektivitaumlt das Subjekt sei es erkennend wollend oder fuumlhlend hat notwendigerweise sowohl das Kontingente als auch das Absolute im Blick das Kontingente weil das Subjekt selbst kontingent ist und in dem Maszlige wie es das ist und das Absolute weil das Subjekt am Absoluten teilhat durch sein Vershymoumlgen zur Objektivitaumlt

Die Esoterik strebt mit ihren Auslegungen mit ihren Ershykenntnissen und mit ihren Verfahren der Verinnerlichung und der Verwesentlichung nach reiner und unmittelbarer Objektivishytaumlt das ist ihr Daseinsgrund Objektivitaumlt beruumlcksichtigt sowohl die Immanenz als auch die Transzendenz sie ist Ausloumlschung und Wiedereingliederung zugleich Sie ist nichts anderes als die Wahrheit in der Subjekt und Objekt zusammenfallen und in der das Wesentliche Vorrang hat vor dem Zufaumllligen ndash oder in der der Urgrund Vorrang hat vor seiner Kundgabe ndash entweder indem dieses ausgeloumlscht oder wieder eingegliedert wird in Abhaumlngigkeit von den verschiedenen seinsmaumlszligigen Gesichtsshypunkten der Bedingtheit1

Aus all diesem folgt dass unter raquoObjektivitaumltlaquo nicht eine Kenntnis zu verstehen ist die auf ein bloszliges empirisches Erfassen von auszligen erhaltener Daten beschraumlnkt waumlre sondern eine vollkommene Angleichung des ershykennenden Subjekts an das erkannte Objekt was tatsaumlchlich im Einklang mit der gaumlngigen Bedeutung des Ausdruckes ist raquoObjektivlaquo ist ein Verstand oder eine Erkenntnis insoweit er oder sie faumlhig ist einen Gegenstand so zu ershyfassen wie er ist und nicht so wie ihn das Subjekt moumlglicherweise verfaumllscht

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Die Esoterik verstehen 13

Bei der Erkenntnis ist es notwendig das Verhaumlltnis der Aumlhn-lichkeit vom Verhaumlltnis der Gleichheit zu unterscheiden denn das ist es was das rationale Denken grundlegend von der rein geistigen Eingebung im echten und strengen Sinne des letzteren Adjektivs unterscheidet Das Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit ist das der Unterbrechung zwischen Mittelpunkt und Umkreis Ge-schaffenes einschlieszliglich der Gedanken ndash tatsaumlchlich alles was die kosmische Kundgabe ausmacht ndash ist vom Urgrund getrennt die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten sind vom denkenden Subjekt getrennt Rationales oder verstandes-maumlszligiges Denken ist mit anderen Worten wie eine Spiegelung die von ihrer Lichtquelle getrennt ist eine Spiegelung die uumlber-dies subjektiven Stoumlreinfluumlssen aller Art ausgesetzt ist

Das Verhaumlltnis der Gleichheit ist im Gegensatz hierzu das des Zusammenhangs von Mittelpunkt und Umkreis es unter-scheidet sich folglich von dem Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit wie sich die Radien von Kreisen die um einen gemeinsamen Mittel-punkt angeordnet sind unterscheiden Die goumlttliche Kundgabe um und in uns verlaumlngert den Urgrund und strahlt ihn aus und setzt sich mit ihm in eins hinsichtlich der innewohnenden goumltt-lichen Eigenschaft die Sonne ist wirklich der durch daseins-maumlszligige Schleier wahrgenommene Urgrund das Wasser ist wirklich die durch die gleichen Schleier wahrgenommene all-umfassende Duldigkeit Was die Erkenntnis betrifft so genuumlgt es nicht dass man einfach nur an dieses Verhaumlltnis denkt um dem schlussfolgernden Denken einen goumlttlichen Charakter zu verleihen der damit auch dessen Wahrheit und Unfehlbarkeit verbuumlrgte es ist wahr dass objektiv gesehen jeder Gedanke den goumlttlichen Denker ndash im metaphysischen Verhaumlltnis der Gleich-heit ndash kundgibt wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken aber diese voumlllig objektive und daseinsmaumlszligige ndash wenn man

12 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wer Objektivitaumlt sagt sagt Vollstaumlndigkeit und dies auf allen Ebenen Esoterische Lehren verwirklichen Vollstaumlndigkeit in eben dem Maszlige wie sie Objektivitaumlt verwirklichen was die Lehre eines Shankara von der eines Racircmacircnuja unterscheidet ist gerade die Vollstaumlndigkeit Auf der einen Seite kann unshyvollstaumlndige oder indirekte Wahrheit retten und in dieser Beshyziehung kann sie uns genuumlgen wenn es Gott auf der anderen Seite fuumlr gut befunden hat uns eine Einsicht zu geben die das notwendige Mindestmaszlig uumlberschreitet koumlnnen wir das nicht aumlndern und wir waumlren in hohem Maszlige undankbar wenn wir uns daruumlber beklagten Der Mensch ist sicherlich frei seine Augen vor bestimmten Gegebenheiten zu verschlieszligen ndash und er kann sich entweder aus Beschraumlnktheit oder aus Bequemshylichkeit so verhalten ndash zumindest aber zwingt ihn nichts sich so zu verhalten

Im Uumlbrigen besteht der Unterschied zwischen den beiden Betrachtungsweisen um die es hier geht nicht nur in der Art und Weise ein bestimmtes Objekt ins Auge zu fassen sondern auch in den betrachteten Objekten selbst das heiszligt man spricht nicht nur unterschiedlich uumlber dieselbe Sache man spricht auch uumlber unterschiedliche Sachen was allerdings vollkommen einleuchtend ist

Gleichwohl wenn die Welt der Gnosis und die des Glaubens einerseits verschieden sind dann begegnen und durchdringen sie sich andererseits und in anderer Hinsicht Vielleicht sagt man uns dass das eine oder andere von uns vorgebrachte Argument nichts spezifisch Esoterisches oder Gnostisches an sich habe dem wuumlrden wir bereitwillig zustimmen und sind die Ersten die das zu geben Die beiden infrage stehenden Blickwinkel koumlnnen oder muumlssen in vielen Punkten und auf verschiedenen Ebenen uumlbereinstimmen aus dem einfachen Grunde weil die zugrunde liegende Wahrheit eine ist und auch weil der Mensch einer ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg12

Wer Objektivitaumlt sagt sagt Vollstaumlndigkeit und dies auf allen Ebenen Esoterische Lehren verwirklichen Vollstaumlndigkeit in eben dem Maszlige wie sie Objektivitaumlt verwirklichen was die Lehre eines Shankara von der eines Racircmacircnuja unterscheidet ist gerade die Vollstaumlndigkeit Auf der einen Seite kann un-vollstaumlndige oder indirekte Wahrheit retten und in dieser Be-ziehung kann sie uns genuumlgen wenn es Gott auf der anderen Seite fuumlr gut befunden hat uns eine Einsicht zu geben die das notwendige Mindestmaszlig uumlberschreitet koumlnnen wir das nicht aumlndern und wir waumlren in hohem Maszlige undankbar wenn wir uns daruumlber beklagten Der Mensch ist sicherlich frei seine Augen vor bestimmten Gegebenheiten zu verschlieszligen ndash und er kann sich entweder aus Beschraumlnktheit oder aus Bequem-lichkeit so verhalten ndash zumindest aber zwingt ihn nichts sich so zu verhalten

Im Uumlbrigen besteht der Unterschied zwischen den beiden Betrachtungsweisen um die es hier geht nicht nur in der Art und Weise ein bestimmtes Objekt ins Auge zu fassen sondern auch in den betrachteten Objekten selbst das heiszligt man spricht nicht nur unterschiedlich uumlber dieselbe Sache man spricht auch uumlber unterschiedliche Sachen was allerdings vollkommen einleuchtend ist

Gleichwohl wenn die Welt der Gnosis und die des Glaubens einerseits verschieden sind dann begegnen und durchdringen sie sich andererseits und in anderer Hinsicht Vielleicht sagt man uns dass das eine oder andere von uns vorgebrachte Argument nichts spezifisch Esoterisches oder Gnostisches an sich habe dem wuumlrden wir bereitwillig zustimmen und sind die Ersten die das zu geben Die beiden infrage stehenden Blickwinkel koumlnnen oder muumlssen in vielen Punkten und auf verschiedenen Ebenen uumlbereinstimmen aus dem einfachen Grunde weil die zugrunde liegende Wahrheit eine ist und auch weil der Mensch einer ist

13 Die Esoterik verstehen

Bei der Erkenntnis ist es notwendig das Verhaumlltnis der Aumlhnshylichkeit vom Verhaumlltnis der Gleichheit zu unterscheiden denn das ist es was das rationale Denken grundlegend von der rein geistigen Eingebung im echten und strengen Sinne des letzteren Adjektivs unterscheidet Das Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit ist das der Unterbrechung zwischen Mittelpunkt und Umkreis Geshyschaffenes einschlieszliglich der Gedanken ndash tatsaumlchlich alles was die kosmische Kundgabe ausmacht ndash ist vom Urgrund getrennt die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten sind vom denkenden Subjekt getrennt Rationales oder verstandesshymaumlszligiges Denken ist mit anderen Worten wie eine Spiegelung die von ihrer Lichtquelle getrennt ist eine Spiegelung die uumlbershydies subjektiven Stoumlreinfluumlssen aller Art ausgesetzt ist

Das Verhaumlltnis der Gleichheit ist im Gegensatz hierzu das des Zusammenhangs von Mittelpunkt und Umkreis es untershyscheidet sich folglich von dem Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit wie sich die Radien von Kreisen die um einen gemeinsamen Mittelshypunkt angeordnet sind unterscheiden Die goumlttliche Kundgabe um und in uns verlaumlngert den Urgrund und strahlt ihn aus und setzt sich mit ihm in eins hinsichtlich der innewohnenden goumlttshylichen Eigenschaft die Sonne ist wirklich der durch daseinsshymaumlszligige Schleier wahrgenommene Urgrund das Wasser ist wirklich die durch die gleichen Schleier wahrgenommene allshyumfassende Duldigkeit Was die Erkenntnis betrifft so genuumlgt es nicht dass man einfach nur an dieses Verhaumlltnis denkt um dem schlussfolgernden Denken einen goumlttlichen Charakter zu verleihen der damit auch dessen Wahrheit und Unfehlbarkeit verbuumlrgte es ist wahr dass objektiv gesehen jeder Gedanke den goumlttlichen Denker ndash im metaphysischen Verhaumlltnis der Gleichshyheit ndash kundgibt wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken aber diese voumlllig objektive und daseinsmaumlszligige ndash wenn man

Die Esoterik verstehen 15

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Er-kenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittel-bare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Unter-scheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos ab-stammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzens-schau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis in-sofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos an-genommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

14 Esoterik als Grundsatz und als Weg

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben geshysagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkenntshynis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin beshysteht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was beshywiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeintshylich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvorshyeingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittelshybarer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was einshymal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie vershyfuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

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Esoterik als Grundsatz und als Weg14

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben ge-sagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkennt-nis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin be-steht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was be-wiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeint-lich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvor-eingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittel-barer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

2 Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was ein-mal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie ver-fuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

15 Die Esoterik verstehen

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Ershykenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittelshybare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Untershyscheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos abshystammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzensshyschau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis inshysofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos anshygenommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

Die Esoterik verstehen 17

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltig-keit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich un-veraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit all-umfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzu-stimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

4 Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

16 Esoterik als Grundsatz und als Weg

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhandenshysein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit beshyweise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich untershyscheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schlussshyfolgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht geshymacht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

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Esoterik als Grundsatz und als Weg16

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhanden-sein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit be-weise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich unter-scheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schluss-folgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

3 Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht ge-macht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

17 Die Esoterik verstehen

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltigshykeit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich unshyveraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit allshyumfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzushystimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

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Die Esoterik verstehen 19

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das ent-huumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leiden-schaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralis-mus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als ver-borgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leiden-schaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Not-wendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von meta-physischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir be-stehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlber-lieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

18 Esoterik als Grundsatz und als Weg

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungsshymaumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Beshygrenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu ershywarten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei beishylaumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnittsshymensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leidenshyschaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 2: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 13

Bei der Erkenntnis ist es notwendig das Verhaumlltnis der Aumlhn-lichkeit vom Verhaumlltnis der Gleichheit zu unterscheiden denn das ist es was das rationale Denken grundlegend von der rein geistigen Eingebung im echten und strengen Sinne des letzteren Adjektivs unterscheidet Das Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit ist das der Unterbrechung zwischen Mittelpunkt und Umkreis Ge-schaffenes einschlieszliglich der Gedanken ndash tatsaumlchlich alles was die kosmische Kundgabe ausmacht ndash ist vom Urgrund getrennt die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten sind vom denkenden Subjekt getrennt Rationales oder verstandes-maumlszligiges Denken ist mit anderen Worten wie eine Spiegelung die von ihrer Lichtquelle getrennt ist eine Spiegelung die uumlber-dies subjektiven Stoumlreinfluumlssen aller Art ausgesetzt ist

Das Verhaumlltnis der Gleichheit ist im Gegensatz hierzu das des Zusammenhangs von Mittelpunkt und Umkreis es unter-scheidet sich folglich von dem Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit wie sich die Radien von Kreisen die um einen gemeinsamen Mittel-punkt angeordnet sind unterscheiden Die goumlttliche Kundgabe um und in uns verlaumlngert den Urgrund und strahlt ihn aus und setzt sich mit ihm in eins hinsichtlich der innewohnenden goumltt-lichen Eigenschaft die Sonne ist wirklich der durch daseins-maumlszligige Schleier wahrgenommene Urgrund das Wasser ist wirklich die durch die gleichen Schleier wahrgenommene all-umfassende Duldigkeit Was die Erkenntnis betrifft so genuumlgt es nicht dass man einfach nur an dieses Verhaumlltnis denkt um dem schlussfolgernden Denken einen goumlttlichen Charakter zu verleihen der damit auch dessen Wahrheit und Unfehlbarkeit verbuumlrgte es ist wahr dass objektiv gesehen jeder Gedanke den goumlttlichen Denker ndash im metaphysischen Verhaumlltnis der Gleich-heit ndash kundgibt wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken aber diese voumlllig objektive und daseinsmaumlszligige ndash wenn man

12 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wer Objektivitaumlt sagt sagt Vollstaumlndigkeit und dies auf allen Ebenen Esoterische Lehren verwirklichen Vollstaumlndigkeit in eben dem Maszlige wie sie Objektivitaumlt verwirklichen was die Lehre eines Shankara von der eines Racircmacircnuja unterscheidet ist gerade die Vollstaumlndigkeit Auf der einen Seite kann unshyvollstaumlndige oder indirekte Wahrheit retten und in dieser Beshyziehung kann sie uns genuumlgen wenn es Gott auf der anderen Seite fuumlr gut befunden hat uns eine Einsicht zu geben die das notwendige Mindestmaszlig uumlberschreitet koumlnnen wir das nicht aumlndern und wir waumlren in hohem Maszlige undankbar wenn wir uns daruumlber beklagten Der Mensch ist sicherlich frei seine Augen vor bestimmten Gegebenheiten zu verschlieszligen ndash und er kann sich entweder aus Beschraumlnktheit oder aus Bequemshylichkeit so verhalten ndash zumindest aber zwingt ihn nichts sich so zu verhalten

Im Uumlbrigen besteht der Unterschied zwischen den beiden Betrachtungsweisen um die es hier geht nicht nur in der Art und Weise ein bestimmtes Objekt ins Auge zu fassen sondern auch in den betrachteten Objekten selbst das heiszligt man spricht nicht nur unterschiedlich uumlber dieselbe Sache man spricht auch uumlber unterschiedliche Sachen was allerdings vollkommen einleuchtend ist

Gleichwohl wenn die Welt der Gnosis und die des Glaubens einerseits verschieden sind dann begegnen und durchdringen sie sich andererseits und in anderer Hinsicht Vielleicht sagt man uns dass das eine oder andere von uns vorgebrachte Argument nichts spezifisch Esoterisches oder Gnostisches an sich habe dem wuumlrden wir bereitwillig zustimmen und sind die Ersten die das zu geben Die beiden infrage stehenden Blickwinkel koumlnnen oder muumlssen in vielen Punkten und auf verschiedenen Ebenen uumlbereinstimmen aus dem einfachen Grunde weil die zugrunde liegende Wahrheit eine ist und auch weil der Mensch einer ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg12

Wer Objektivitaumlt sagt sagt Vollstaumlndigkeit und dies auf allen Ebenen Esoterische Lehren verwirklichen Vollstaumlndigkeit in eben dem Maszlige wie sie Objektivitaumlt verwirklichen was die Lehre eines Shankara von der eines Racircmacircnuja unterscheidet ist gerade die Vollstaumlndigkeit Auf der einen Seite kann un-vollstaumlndige oder indirekte Wahrheit retten und in dieser Be-ziehung kann sie uns genuumlgen wenn es Gott auf der anderen Seite fuumlr gut befunden hat uns eine Einsicht zu geben die das notwendige Mindestmaszlig uumlberschreitet koumlnnen wir das nicht aumlndern und wir waumlren in hohem Maszlige undankbar wenn wir uns daruumlber beklagten Der Mensch ist sicherlich frei seine Augen vor bestimmten Gegebenheiten zu verschlieszligen ndash und er kann sich entweder aus Beschraumlnktheit oder aus Bequem-lichkeit so verhalten ndash zumindest aber zwingt ihn nichts sich so zu verhalten

Im Uumlbrigen besteht der Unterschied zwischen den beiden Betrachtungsweisen um die es hier geht nicht nur in der Art und Weise ein bestimmtes Objekt ins Auge zu fassen sondern auch in den betrachteten Objekten selbst das heiszligt man spricht nicht nur unterschiedlich uumlber dieselbe Sache man spricht auch uumlber unterschiedliche Sachen was allerdings vollkommen einleuchtend ist

Gleichwohl wenn die Welt der Gnosis und die des Glaubens einerseits verschieden sind dann begegnen und durchdringen sie sich andererseits und in anderer Hinsicht Vielleicht sagt man uns dass das eine oder andere von uns vorgebrachte Argument nichts spezifisch Esoterisches oder Gnostisches an sich habe dem wuumlrden wir bereitwillig zustimmen und sind die Ersten die das zu geben Die beiden infrage stehenden Blickwinkel koumlnnen oder muumlssen in vielen Punkten und auf verschiedenen Ebenen uumlbereinstimmen aus dem einfachen Grunde weil die zugrunde liegende Wahrheit eine ist und auch weil der Mensch einer ist

13 Die Esoterik verstehen

Bei der Erkenntnis ist es notwendig das Verhaumlltnis der Aumlhnshylichkeit vom Verhaumlltnis der Gleichheit zu unterscheiden denn das ist es was das rationale Denken grundlegend von der rein geistigen Eingebung im echten und strengen Sinne des letzteren Adjektivs unterscheidet Das Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit ist das der Unterbrechung zwischen Mittelpunkt und Umkreis Geshyschaffenes einschlieszliglich der Gedanken ndash tatsaumlchlich alles was die kosmische Kundgabe ausmacht ndash ist vom Urgrund getrennt die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten sind vom denkenden Subjekt getrennt Rationales oder verstandesshymaumlszligiges Denken ist mit anderen Worten wie eine Spiegelung die von ihrer Lichtquelle getrennt ist eine Spiegelung die uumlbershydies subjektiven Stoumlreinfluumlssen aller Art ausgesetzt ist

Das Verhaumlltnis der Gleichheit ist im Gegensatz hierzu das des Zusammenhangs von Mittelpunkt und Umkreis es untershyscheidet sich folglich von dem Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit wie sich die Radien von Kreisen die um einen gemeinsamen Mittelshypunkt angeordnet sind unterscheiden Die goumlttliche Kundgabe um und in uns verlaumlngert den Urgrund und strahlt ihn aus und setzt sich mit ihm in eins hinsichtlich der innewohnenden goumlttshylichen Eigenschaft die Sonne ist wirklich der durch daseinsshymaumlszligige Schleier wahrgenommene Urgrund das Wasser ist wirklich die durch die gleichen Schleier wahrgenommene allshyumfassende Duldigkeit Was die Erkenntnis betrifft so genuumlgt es nicht dass man einfach nur an dieses Verhaumlltnis denkt um dem schlussfolgernden Denken einen goumlttlichen Charakter zu verleihen der damit auch dessen Wahrheit und Unfehlbarkeit verbuumlrgte es ist wahr dass objektiv gesehen jeder Gedanke den goumlttlichen Denker ndash im metaphysischen Verhaumlltnis der Gleichshyheit ndash kundgibt wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken aber diese voumlllig objektive und daseinsmaumlszligige ndash wenn man

Die Esoterik verstehen 15

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Er-kenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittel-bare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Unter-scheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos ab-stammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzens-schau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis in-sofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos an-genommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

14 Esoterik als Grundsatz und als Weg

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben geshysagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkenntshynis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin beshysteht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was beshywiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeintshylich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvorshyeingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittelshybarer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was einshymal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie vershyfuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

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Esoterik als Grundsatz und als Weg14

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben ge-sagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkennt-nis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin be-steht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was be-wiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeint-lich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvor-eingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittel-barer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

2 Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was ein-mal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie ver-fuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

15 Die Esoterik verstehen

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Ershykenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittelshybare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Untershyscheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos abshystammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzensshyschau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis inshysofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos anshygenommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

Die Esoterik verstehen 17

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltig-keit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich un-veraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit all-umfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzu-stimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

4 Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

16 Esoterik als Grundsatz und als Weg

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhandenshysein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit beshyweise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich untershyscheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schlussshyfolgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht geshymacht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

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Esoterik als Grundsatz und als Weg16

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhanden-sein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit be-weise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich unter-scheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schluss-folgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

3 Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht ge-macht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

17 Die Esoterik verstehen

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltigshykeit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich unshyveraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit allshyumfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzushystimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

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Die Esoterik verstehen 19

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das ent-huumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leiden-schaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralis-mus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als ver-borgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leiden-schaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Not-wendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von meta-physischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir be-stehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlber-lieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

18 Esoterik als Grundsatz und als Weg

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungsshymaumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Beshygrenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu ershywarten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei beishylaumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnittsshymensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leidenshyschaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 3: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg12

Wer Objektivitaumlt sagt sagt Vollstaumlndigkeit und dies auf allen Ebenen Esoterische Lehren verwirklichen Vollstaumlndigkeit in eben dem Maszlige wie sie Objektivitaumlt verwirklichen was die Lehre eines Shankara von der eines Racircmacircnuja unterscheidet ist gerade die Vollstaumlndigkeit Auf der einen Seite kann un-vollstaumlndige oder indirekte Wahrheit retten und in dieser Be-ziehung kann sie uns genuumlgen wenn es Gott auf der anderen Seite fuumlr gut befunden hat uns eine Einsicht zu geben die das notwendige Mindestmaszlig uumlberschreitet koumlnnen wir das nicht aumlndern und wir waumlren in hohem Maszlige undankbar wenn wir uns daruumlber beklagten Der Mensch ist sicherlich frei seine Augen vor bestimmten Gegebenheiten zu verschlieszligen ndash und er kann sich entweder aus Beschraumlnktheit oder aus Bequem-lichkeit so verhalten ndash zumindest aber zwingt ihn nichts sich so zu verhalten

Im Uumlbrigen besteht der Unterschied zwischen den beiden Betrachtungsweisen um die es hier geht nicht nur in der Art und Weise ein bestimmtes Objekt ins Auge zu fassen sondern auch in den betrachteten Objekten selbst das heiszligt man spricht nicht nur unterschiedlich uumlber dieselbe Sache man spricht auch uumlber unterschiedliche Sachen was allerdings vollkommen einleuchtend ist

Gleichwohl wenn die Welt der Gnosis und die des Glaubens einerseits verschieden sind dann begegnen und durchdringen sie sich andererseits und in anderer Hinsicht Vielleicht sagt man uns dass das eine oder andere von uns vorgebrachte Argument nichts spezifisch Esoterisches oder Gnostisches an sich habe dem wuumlrden wir bereitwillig zustimmen und sind die Ersten die das zu geben Die beiden infrage stehenden Blickwinkel koumlnnen oder muumlssen in vielen Punkten und auf verschiedenen Ebenen uumlbereinstimmen aus dem einfachen Grunde weil die zugrunde liegende Wahrheit eine ist und auch weil der Mensch einer ist

13 Die Esoterik verstehen

Bei der Erkenntnis ist es notwendig das Verhaumlltnis der Aumlhnshylichkeit vom Verhaumlltnis der Gleichheit zu unterscheiden denn das ist es was das rationale Denken grundlegend von der rein geistigen Eingebung im echten und strengen Sinne des letzteren Adjektivs unterscheidet Das Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit ist das der Unterbrechung zwischen Mittelpunkt und Umkreis Geshyschaffenes einschlieszliglich der Gedanken ndash tatsaumlchlich alles was die kosmische Kundgabe ausmacht ndash ist vom Urgrund getrennt die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten sind vom denkenden Subjekt getrennt Rationales oder verstandesshymaumlszligiges Denken ist mit anderen Worten wie eine Spiegelung die von ihrer Lichtquelle getrennt ist eine Spiegelung die uumlbershydies subjektiven Stoumlreinfluumlssen aller Art ausgesetzt ist

Das Verhaumlltnis der Gleichheit ist im Gegensatz hierzu das des Zusammenhangs von Mittelpunkt und Umkreis es untershyscheidet sich folglich von dem Verhaumlltnis der Aumlhnlichkeit wie sich die Radien von Kreisen die um einen gemeinsamen Mittelshypunkt angeordnet sind unterscheiden Die goumlttliche Kundgabe um und in uns verlaumlngert den Urgrund und strahlt ihn aus und setzt sich mit ihm in eins hinsichtlich der innewohnenden goumlttshylichen Eigenschaft die Sonne ist wirklich der durch daseinsshymaumlszligige Schleier wahrgenommene Urgrund das Wasser ist wirklich die durch die gleichen Schleier wahrgenommene allshyumfassende Duldigkeit Was die Erkenntnis betrifft so genuumlgt es nicht dass man einfach nur an dieses Verhaumlltnis denkt um dem schlussfolgernden Denken einen goumlttlichen Charakter zu verleihen der damit auch dessen Wahrheit und Unfehlbarkeit verbuumlrgte es ist wahr dass objektiv gesehen jeder Gedanke den goumlttlichen Denker ndash im metaphysischen Verhaumlltnis der Gleichshyheit ndash kundgibt wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken aber diese voumlllig objektive und daseinsmaumlszligige ndash wenn man

Die Esoterik verstehen 15

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Er-kenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittel-bare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Unter-scheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos ab-stammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzens-schau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis in-sofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos an-genommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

14 Esoterik als Grundsatz und als Weg

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben geshysagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkenntshynis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin beshysteht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was beshywiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeintshylich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvorshyeingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittelshybarer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was einshymal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie vershyfuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

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Esoterik als Grundsatz und als Weg14

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben ge-sagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkennt-nis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin be-steht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was be-wiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeint-lich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvor-eingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittel-barer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

2 Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was ein-mal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie ver-fuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

15 Die Esoterik verstehen

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Ershykenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittelshybare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Untershyscheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos abshystammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzensshyschau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis inshysofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos anshygenommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

Die Esoterik verstehen 17

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltig-keit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich un-veraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit all-umfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzu-stimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

4 Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

16 Esoterik als Grundsatz und als Weg

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhandenshysein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit beshyweise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich untershyscheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schlussshyfolgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht geshymacht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

3

Esoterik als Grundsatz und als Weg16

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhanden-sein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit be-weise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich unter-scheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schluss-folgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

3 Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht ge-macht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

17 Die Esoterik verstehen

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltigshykeit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich unshyveraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit allshyumfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzushystimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

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Die Esoterik verstehen 19

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das ent-huumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leiden-schaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralis-mus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als ver-borgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leiden-schaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Not-wendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von meta-physischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir be-stehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlber-lieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

18 Esoterik als Grundsatz und als Weg

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungsshymaumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Beshygrenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu ershywarten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei beishylaumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnittsshymensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leidenshyschaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

9

Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 4: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 15

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Er-kenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittel-bare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Unter-scheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos ab-stammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzens-schau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis in-sofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos an-genommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

14 Esoterik als Grundsatz und als Weg

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben geshysagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkenntshynis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin beshysteht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was beshywiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeintshylich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvorshyeingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittelshybarer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was einshymal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie vershyfuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

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Esoterik als Grundsatz und als Weg14

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben ge-sagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkennt-nis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin be-steht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was be-wiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeint-lich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvor-eingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittel-barer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

2 Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was ein-mal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie ver-fuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

15 Die Esoterik verstehen

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Ershykenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittelshybare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Untershyscheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos abshystammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzensshyschau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis inshysofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos anshygenommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

Die Esoterik verstehen 17

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltig-keit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich un-veraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit all-umfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzu-stimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

4 Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

16 Esoterik als Grundsatz und als Weg

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhandenshysein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit beshyweise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich untershyscheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schlussshyfolgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht geshymacht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

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Esoterik als Grundsatz und als Weg16

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhanden-sein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit be-weise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich unter-scheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schluss-folgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

3 Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht ge-macht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

17 Die Esoterik verstehen

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltigshykeit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich unshyveraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit allshyumfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzushystimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

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Die Esoterik verstehen 19

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das ent-huumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leiden-schaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralis-mus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als ver-borgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leiden-schaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Not-wendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von meta-physischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir be-stehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlber-lieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

18 Esoterik als Grundsatz und als Weg

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungsshymaumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Beshygrenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu ershywarten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei beishylaumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnittsshymensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leidenshyschaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 5: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg14

will ontologische ndash Gegebenheit ist ganz allgemein und bleibt unabhaumlngig von qualitativen Unterschieden sodass sie nichts mit der subjektiven und erkenntnismaumlszligigen Verwirklichung des Verhaumlltnisses der Gleichheit zu tun hat Wir haben ge-sagt dass bei der rationalen oder verstandesmaumlszligigen Erkennt-nis die vom Denken erfassten transzendenten Wirklichkeiten vom denkenden Subjekt getrennt sind bei der echten geistigen Erkenntnis oder der Herzenserkenntnis hingegen werden die vom Herzen erfassten Urwirklichkeiten in die Geistesschau hinein verlaumlngert die Herzenserkenntnis ist eins mit dem was sie erkennt sie ist wie ein ununterbrochener Lichtstrahl

Die Kantianer werden uns auffordern das Vorhandensein einer derartigen Erkenntnisweise zu beweisen und hierin be-steht schon ein erster Irrtum naumlmlich dass nur das was be-wiesen werden kann de facto Erkenntnis sei der zweite Irrtum der dem ersten unmittelbar folgt besteht in der Annahme dass eine Wirklichkeit die man nicht beweisen kann ndash das heiszligt die man einem kuumlnstlichen und ignoranten Kausalitaumltsbeduumlrfnis nicht verstaumlndlich machen kann ndash aufgrund dieses vermeint-lich mangelnden Beweises nicht existiere und nicht existieren koumlnne Dem Rationalismus in Reinkultur mangelt es ebenso sehr an geistiger Objektivitaumlt wie auch an moralischer Unvor-eingenommenheit2

Doch kehren wir zu unserer Unterscheidung von mittel-barer rationaler und verstandesmaumlszligiger Erkenntnis und

2 Kant nennt die raquoTransformationlaquo der rein raquoregulativenlaquo Idee Gottes in eine objektive Wirklichkeit eine raquotranszendentale Erschleichunglaquo was ein-mal mehr beweist dass er sich keine Gewissheit vorstellen kann auszligerhalb eines Denkens das auf Sinneserfahrung beruht und das sich unterhalb der Wirklichkeit betaumltigt die er zu beurteilen und zu leugnen beabsichtigt Kurz gesagt besteht Kants raquoKritiklaquo darin jeden einen Luumlgner zu nennen der sich seiner Theorie nicht beugt Agnostiker tun praktisch dasselbe wenn sie ver-fuumlgen niemand koumlnne uumlberhaupt etwas wissen da sie selbst nichts wissen oder nichts wissen wollen

15 Die Esoterik verstehen

unmittelbarer geistiger und Herzenserkenntnis zuruumlck auszliger diesen beiden Arten gibt es noch eine dritte und dies ist die Ershykenntnis des Glaubens Der Glaube kommt einer objektivierten Herzenserkenntnis gleich was das mikrokosmische Herz uns nicht sagt das sagt uns das makrokosmische Herz ndash der Logos ndash in einer sinnbildlichen und unvollstaumlndigen Sprache und dies aus zwei Gruumlnden um uns von dem in Kenntnis zu setzen was unsere Seele dringend benoumltigt und um in uns soweit wie moumlglich die Erinnerung an die eingeborenen Wahrheiten wachzurufen

Wenn es eine innerliche unmittelbare Erkenntnis gibt die aber im Hinblick auf ihre Uumlbermittlung nach auszligen hin objektiviert ist dann muss es entsprechend eine in sich mittelshybare Erkenntnis geben die aber gleichwohl im Hinblick auf ihre Vorgehensweise subjektiv ist und dies ist die Untershyscheidung objektiver Dinge ausgehend von ihren subjektiven Entsprechungen da es nur eine Wirklichkeit gibt denn es gibt nichts im Makrokosmos das nicht vom Metakosmos abshystammte und das nicht im Mikrokosmos wiedergefunden werden koumlnnte

Unmittelbare und innere Erkenntnis die der Herzensshyschau ist das was die Griechen raquoGnosislaquo genannt haben das Wort raquoEsoteriklaquo bedeutet ndash etymologisch gesehen ndash Gnosis inshysofern als sie de facto den religioumlsen und also den dogmatischen Lehren zugrunde liegt

Auf der exoterischen Seite wird gegen die universalistische Esoterik die Behauptung vorgebracht die Offenbarung habe das und das gesagt und folglich muumlsse dies vorbehaltlos anshygenommen werden auf der esoterischen Seite wird man sagen die Offenbarung sei nach innen hin gerichtet absolut und nach auszligen hin gerichtet relativ und dass diese Relativitaumlt

Die Esoterik verstehen 17

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltig-keit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich un-veraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit all-umfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzu-stimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

4 Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

16 Esoterik als Grundsatz und als Weg

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhandenshysein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit beshyweise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich untershyscheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schlussshyfolgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht geshymacht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

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Esoterik als Grundsatz und als Weg16

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhanden-sein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit be-weise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich unter-scheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schluss-folgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

3 Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht ge-macht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

17 Die Esoterik verstehen

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltigshykeit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich unshyveraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit allshyumfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzushystimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

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Die Esoterik verstehen 19

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das ent-huumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leiden-schaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralis-mus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als ver-borgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leiden-schaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Not-wendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von meta-physischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir be-stehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlber-lieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

18 Esoterik als Grundsatz und als Weg

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungsshymaumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Beshygrenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu ershywarten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei beishylaumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnittsshymensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leidenshyschaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

9

Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 6: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 17

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltig-keit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich un-veraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit all-umfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzu-stimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

4 Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

16 Esoterik als Grundsatz und als Weg

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhandenshysein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit beshyweise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich untershyscheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schlussshyfolgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht geshymacht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

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Esoterik als Grundsatz und als Weg16

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhanden-sein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit be-weise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich unter-scheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schluss-folgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

3 Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht ge-macht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

17 Die Esoterik verstehen

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltigshykeit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich unshyveraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit allshyumfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzushystimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

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Die Esoterik verstehen 19

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das ent-huumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leiden-schaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralis-mus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als ver-borgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leiden-schaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Not-wendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von meta-physischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir be-stehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlber-lieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

18 Esoterik als Grundsatz und als Weg

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungsshymaumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Beshygrenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu ershywarten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei beishylaumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnittsshymensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leidenshyschaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 7: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg16

aus der Verbindung zweier Einfluumlsse hervorgehe naumlmlich aus der Geistesschau und der Erfahrung So ist zum Beispiel der Grundsatz eine Form koumlnne nicht die absolut einzige ihrer Art sein ndash genauso wenig wie die Sonne die obwohl sie nach innen hin gerichtet den einzigen Mittelpunkt bildet das Vorhanden-sein anderer Fixsterne ausschlieszligen kann ndash ein Grundsatz der reingeistigen Erkenntnis er hat aber a priori nur eine abstrakte Bedeutung er wird jedoch durch die Erfahrung konkret die uns sollte sich die Gelegenheit ergeben in eine enge Beziehung zu anderen Sonnensystemen des religioumlsen Kosmos versetzt und die uns zwingt innerhalb der Offenbarung genau zwischen einer absoluten und nach innen hin gerichteten Bedeutung und einer relativen und nach auszligen hin gerichteten Bedeutung zu unterscheiden Nach der ersten Bedeutung ist Christus einzig und das hat er gesagt nach der zweiten Bedeutung hat er dies als Logos gesagt und der Logos der einzig ist umfasst eben andere moumlgliche Kundgebungen

Es ist wahr dass die bloszlige Erfahrung in der Abwesenheit reingeistiger Erkenntnis zu voumlllig entgegengesetzten Schluumlssen fuumlhren kann Man koumlnnte dann naumlmlich ohne Weiteres glauben dass die Vielfalt der Religionen ihre Falschheit be-weise oder wenigstens ihre Subjektivitaumlt da sie sich unter-scheiden Es ist aumluszligerst widerspruumlchlich aber verhaumlngnisvoll ndash wobei der Zivilisationismus dafuumlr den Boden bereitet hatte ndash dass die offizielle Schicht des katholischen Denkens sich von den aus der weltlichen Erfahrung gezogenen Schluss-folgerungen hat hinwegtragen lassen indem sie bereitwillig die der geistigen Schau unbeachtet gelassen hat3 dies hat dazu

3 Das Beharren auf ihren Irrtuumlmern wird den Modernisten leicht ge-macht durch die extremen und groumlszligtenteils beliebigen Standpunkte einiger Traditionalisten die dem Ansehen der Tradition schaden indem sie diese fuumlr eine zivilisationistische und nationalistische Ideologie verantwortlich machen was ndash auf die Gnosis oder das Morgenland bezogen ndash eine allzu leichtfertige Verleumdung ist dies macht es ihren Gegnern nur leichter und

17 Die Esoterik verstehen

gefuumlhrt dass diese Ideologen bestimmte aumluszligere Postulate der Esoterik angenommen haben ndash insbesondere das der Guumlltigshykeit der anderen Religionen ndash aber auf Kosten der Zerstoumlrung ihrer eigenen Religion und ohne die der anderen in der Tiefe zu verstehen4

Der Esoteriker sieht die Dinge nicht so wie sie aus einem bestimmten Blickwinkel erscheinen sondern so wie sie sind Er zieht das in Betracht was wesentlich ist und folglich unshyveraumlnderlich hinter dem Schleier verschiedener religioumlser Formulierungen wobei er notwendigerweise von seinem eigenen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung ausgeht Dies ist zumindest der grundsaumltzliche Standpunkt und der zureichende Grund der Esoterik tatsaumlchlich ist sie ganz und gar nicht immer in sich stimmig zumal Zwischenloumlsungen menschlich unvermeidbar sind

Alles was in der Metaphysik oder in der Geistigkeit allshyumfassend wahr ist wird raquoesoterischlaquo in dem Maszlige wie es nicht mit einem bestimmten formalistischen System oder einer bestimmten raquoExoteriklaquo uumlbereinstimmt oder nicht uumlbereinzushystimmen scheint nun ist aber jede Wahrheit von Rechts wegen in jeder Religion vorhanden da jede Religion aus Wahrheit besteht Es laumluft darauf hinaus dass die Esoterik moumlglich und

hat gelinde gesagt nichts mit dem Heiligen Geist zu tun

Die Modernisten glauben sie waumlren die Ersten die wuumlssten wie man aumluszligere Bedingtheit mit innerer Unbedingtheit verbinden koumlnne aber ihre Grenzziehung zwischen dem Aumluszligeren und dem Inneren ist voumlllig falsch und zwar genau deshalb weil sie das Innere sofort auf das Aumluszligere reduzieren oder das Unbedingte auf das Bedingte Unabhaumlngig von der Frage des Zivilisationismus ist es notwendig hier ganz klar festzustellen dass der Modernismus sich nicht aus dem Katholizismus an sich herleiten kann sondern dass er im Gegenteil von diesem Besitz ergriffen hat und ihn benutzt wie eine Besatzungsmacht Den Rest erledigt das Gesetz der Schwerkraft

4

Die Esoterik verstehen 19

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das ent-huumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leiden-schaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralis-mus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als ver-borgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leiden-schaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Not-wendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von meta-physischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir be-stehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlber-lieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

18 Esoterik als Grundsatz und als Weg

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungsshymaumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Beshygrenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu ershywarten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei beishylaumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnittsshymensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leidenshyschaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 8: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 19

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das ent-huumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leiden-schaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralis-mus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als ver-borgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leiden-schaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Not-wendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von meta-physischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir be-stehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlber-lieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

18 Esoterik als Grundsatz und als Weg

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungsshymaumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Beshygrenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu ershywarten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei beishylaumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnittsshymensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leidenshyschaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 9: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg18

sogar notwendig ist die entscheidende Frage ist auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang sie in Erscheinung tritt denn bedingte und beschraumlnkte Wahrheit hat auch ihre Berechtigung so wie die umfassende Wahrheit sie hat diese Berechtigung entsprechend der Uumlbereinstimmung mit der Natur der Dinge und entsprechend der psychologischen und moralischen Zweckmaumlszligigkeit sowie dem uumlberlieferungs-maumlszligigen Gleichgewicht

Das Paradox der Esoterik ist dass man einerseits raquonicht ein Licht anzuumlndet und es unter den Scheffel stelltlaquo und dass andererseits gilt raquoGebt das Heilige nicht den Hundenlaquo zwischen diesen beiden Bildern liegt raquodas Licht das in der Finsternis scheint und die Finsternis hat es nicht begriffenlaquo Es gibt hier Schwankungen die niemand verhindern kann und die der Preis der Kontingenz sind

Die Exoterik ist eine heikle Angelegenheit aufgrund ihrer Grenzen oder aufgrund dessen was sie ausschlieszligt es kommt der Augenblick in der Geschichte wo sie Erfahrungen aller Art noumltigen ihre Ausschlieszliglichkeitsanspruumlche abzuwandeln und sie wird dann vor eine Wahl gestellt entweder diesen Be-grenzungen zu entgehen auf dem aufwaumlrts fuumlhrenden Weg in die Esoterik oder auf dem abwaumlrts fuumlhrenden Weg in einen weltlichen und selbstmoumlrderischen Liberalismus Wie zu er-warten war hat die zivilisationistische Exoterik des Westens den abwaumlrts fuumlhrenden Weg gewaumlhlt und diesen dabei bei-laumlufig mit ein paar esoterischen Begriffen verbunden die unter solchen Bedingungen wirkungslos bleiben

Der gefallene Mensch und damit der Durchschnitts-mensch ist gleichsam vergiftet durch das leidenschaftliche Element sei es auf grobe oder subtile Weise hieraus ergibt sich eine Verdunkelung des Intellekts und die Notwendigkeit einer von auszligen kommenden Offenbarung Entferne das leiden-schaftliche Element aus der Seele und dem Erkenntnisvermoumlgen

19 Die Esoterik verstehen

ndash entferne den raquoRost vom Spiegellaquo oder raquovom Herzenlaquo ndash und der Intellekt wird befreit er wird von innen her das entshyhuumlllen was die Religion von auszligen her enthuumlllt5 Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt Damit Seelen die von Leidenshyschaften durchdrungen sind die Religion verstehen muss diese selbst eine sozusagen leidenschaftliche Sprache sprechen daher der Dogmatismus der ausschlieszligt und der Moralisshymus der schematisiert waumlre der Durchschnittsmensch oder der Massenmensch nicht leidenschaftlich dann wuumlrde die Offenbarung die Sprache des Intellekts sprechen und es gaumlbe keine Exoterik mehr und uumlbrigens auch keine Esoterik als vershyborgene Ergaumlnzung Es gibt hier drei Moumlglichkeiten Erstens der Mensch bezwingt das leidenschaftliche Element jeder lebt geistig entsprechend seiner inneren Offenbarung dies ist das goldene Zeitalter in der jeder als Eingeweihter geboren wird Die zweite Moumlglichkeit Die Menschen sind von dem leidenshyschaftlichen Element so weit betroffen dass sie bestimmte Gesichtspunkte der Wahrheit vergessen woraus sich die Notshywendigkeit ndash oder die Zweckmaumlszligigkeit ndash von Offenbarungen ergibt die zwar aumluszligere Dinge betreffen aber doch von metashyphysischem Geist erfuumlllt sind wie die Upanishaden6 Drittens Die meisten Menschen sind von Leidenschaften beherrscht daher die formalistischen ausschlieszligenden und streitbaren Religionen die ihnen einerseits die Mittel an die Hand geben mit denen sie das leidenschaftliche Element auf die Erloumlsung hin lenken koumlnnen und andererseits die Mittel mit denen sie

5 Diese Befreiung ist im strengen Sinn unmoumlglich ndash darauf muumlssen wir beshystehen ndash ohne die Mitwirkung einer Religion einer Orthodoxie einer uumlbershylieferungstreuen Esoterik mit allem was das mit einbegreift

6 Eine derartige Offenbarung hat eine Bestimmung die sowohl bewahrend als auch vorbeugend ist sie druumlckt die Wahrheit im Angesicht der Gefahr aus sie koumlnnte vergessen werden sie hat folglich auch das Ziel die raquoReinenlaquo vor der Verunreinigung durch die raquoUnreinenlaquo zu schuumltzen diejenigen an die Wahrheit zu erinnern die Gefahr laufen sich durch Achtlosigkeit zu verirren

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 10: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 21

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacircndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlich-keit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Ur-sprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Be-trachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Un-bedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der er-schaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommen-heiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen voll-kommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griffder allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

20 Esoterik als Grundsatz und als Weg

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heiligshykeit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als Anshyhaltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und vershyeinigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujas gegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophia perennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlgshylich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in vershyschiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist abshysolut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumlnshyliche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 11: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg20

es angesichts der umfassenden Wahrheit uumlberwinden koumlnnen womit sie den religioumlsen Formalismus uumlbersteigen der diese Wahrheit verhuumlllt und gleichzeitig indirekt auf sie hindeutet Die religioumlse Offenbarung ist sowohl ein Schleier aus Licht als auch ein verschleiertes Licht

Fuumlr diejenigen welche die Esoterik oder was auf das Gleiche hinauslaumluft die Philosophia perennis bejahen und die sich gleichzeitig gefuumlhlsmaumlszligig mit einer bestimmten religioumlsen Atmosphaumlre verbunden fuumlhlen ist die Versuchung groszlig das Erhabene mit dem Esoterischen zu verwechseln und zu glauben dass sich alles was sie verehren ipso facto auf die Esoterik beziehe angefangen bei der Theologie und der Heilig-keit Um jegliche derartige Verwirrung zu vermeiden ist es wichtig eine genaue und keine verschwommene Vorstellung von dem zu haben worum es sich handelt wir werden als An-haltspunkt das Beispiel des nicht-personalistischen und ver-einigenden Nicht-Dualismus von Shankara auswaumlhlen und ihn dem personalistischen und trennenden Monismus Racircmacircnujasgegenuumlberstellen Auf der einen Seite aumlhnelt der Blickwinkel des Letzteren im Wesentlichen den semitischen monotheistischen Uumlberlieferungen und auf der anderen Seite ist der Blickwinkel Shankaras eine der treffendsten Darstellungen der Philosophiaperennis oder der weisheitlichen Esoterik die uumlberhaupt moumlg-lich ist

Nach Shankara ist die umfassende Wirklichkeit in Stufen gegliedert kraft eines Elementes der Taumluschung das sie in ver-schiedenartiger Weise bestimmt Nur Acirctmacirc oder Brahma ist ab-solut wirklich dies ist das unaussprechliche und uumlberpersoumln-liche Selbst auf das jedes bedingte Bewusstsein zuruumlckgeht und an dem es teilhat und Acirctmacirc ist von Macircyacirc verhuumlllt welche die Taumluschung der Getrenntheit und des Daseins und damit der

21 Die Esoterik verstehen

Welt der Geschoumlpfe der Objekte und Subjekte erschafft Wir moumlchten unabhaumlngig von Shankara sagen dass diese Macircyacirc ndash die mit der Relativitaumlt und der Kontingenz uumlbereinstimmt ndash eine Ausstroumlmung des Selbst aufgrund dessen Unendlichshykeit ist das heiszligt die Unendlichkeit verlangt aufgrund ihrer sozusagen uumlberfliessenden Natur nach einer allumfassenden Ausstrahlung waumlhrend die Unbedingtheit im Gegensatz dazu naturgemaumlszlig jegliche Wiederholung und Vielfalt ausschlieszligt aber Shankara laumlsst diese Frage nach dem metaphysischen Urshysprung der Macircyacirc offen und spricht von dieser nur auf mehr oder weniger praktische Weise Fuumlr ihn ist Macircyacirc in Bezug auf ihren Ursprung unbestimmbar aber der Jntildeacircni weiszlig um ihr Dasein denn er ist in sie eingetaucht er weiszlig auch dass sie truumlgerisch ist denn er kann sich ihr entziehen er erreicht diese Befreiung durch geistige Unterscheidung sowie durch tiefe und planmaumlszligige Sammlung auf sein eigenes Wesen das letzten Endes nichts anderes ist als das unendliche Selbst

Shankara denkt nicht daran den verhaumlltnismaumlszligigen Wert der Exoterik zu leugnen die definitionsgemaumlszlig bei der Beshytrachtung eines persoumlnlichen Gottes aufhoumlrt Dieser ist das Unshybedingte gespiegelt im Widerschein der Macircyacirc die begrenzt und verschiedenartige Gestalten erzeugt er ist Icircshvara der ershyschaffende zerstoumlrende rettende und strafende Urgrund und die raquoverhaumlltnismaumlszligig unbedingtelaquo Urform aller Vollkommenshyheiten Dieser persoumlnliche und allmaumlchtige Gott ist in sich und erst recht in Bezug auf die Welt und den Menschen vollshykommen wirklich aber verglichen mit dem Unbedingten im eigentlichen Sinne gehoumlrt er doch zur Macircyacirc Fuumlr Shankara ist der personalistische Monotheismus guumlltig und damit wirksam im Rahmen der Macircyacirc aber da der menschliche Geist in seinem Wesenskern dem ndash gewiss schwer zugaumlnglichen ndash houmlchsten Selbst gleicht ist es ihm moumlglich mithilfe der Gnade dem Griff der allumfassenden Taumluschung zu entgehen und seine eigene

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 12: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 23

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlber-lieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Un-bedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder be-stimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns be-schaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der aus-schlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Aus-maszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVer-einigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

9 Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

22 Esoterik als Grundsatz und als Weg

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Untershyschieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnuja ist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 13: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg22

unwandelbare Wirklichkeit zu erlangen Bhakti oder die Liebe der persoumlnlichen Gottheit ist fuumlr den shankarischen Vedantisten ein notwendiger Schritt zur Befreiung ndash Moksha ndash und sogar eine fast unverzichtbare und ganz natuumlrliche Begleiterscheinung der houmlchsten Erkenntnis der Jntildeacircna Auf der einen Seite fuumlhrt die auf der Transzendenz gruumlndende Verehrung den Geist zum Bewusstsein der Immanenz und folglich der Gleichheit hin und damit zum Uumlbersteigen der Zweiheit und Getrenntheit auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Transzendenz und die sich daraus ergebende Bhakti mit der Seele des Menschen eng verbunden Wer raquoMenschlaquo sagt sagt Bhakta und wer raquoGeistlaquo sagt sagt Jntildeacircni die menschliche Natur ist sozusagen aus diesen beiden benachbarten aber nicht vergleichbaren Dimensionen gewoben Es gibt sicher eine Bhakti ohne Jntildeacircna aber es gibt keine Jntildeacircna ohne Bhakti

Der shankarische Blickwinkel deckt sich im Wesentlichen mit dem Platonismus im weitesten und tiefsten Sinne nur dass die Platoniker mehr Wert legen auf die Kosmologie um nicht von anderen offensichtlichen aber unwesentlichen Unter-schieden zu sprechen

Wenn Shankara fuumlr den Jntildeacircna steht dann ist Racircmacircnuja der groszlige Sprecher der Bhakti7 das heiszligt nicht dass er schlicht und einfach die Exoterik verkoumlrpert und sie darstellt denn es gibt in seinem Blickwinkel ndash wie in der christlichen Exoterik ndash Formen verhaumlltnismaumlszligiger Esoterik8 aber insgesamt aumlhnelt sein

7 Shankara und Racircmacircnuja waren keine Zeitgenossen der Erste lebte im 9 Jahrhundert der Zweite im 11 Jahrhundert unserer Zeitrechnung Racircmacircnujaist nicht der einzige Vertreter des bhaktischen Vishnuismus aber er ist der groumlszligte und seine Lehre ist jedenfalls ein vollkommenes Beispiel fuumlr diesen Blickwinkel

8 Es sollte hier erwaumlhnt werden dass sich die Bhakti immer auf die esoterischen Grundsaumltze bezieht insofern sie horizontale an Vorschriften und Taten gebundene Froumlmmigkeitsformen uumlbersteigt und insofern sie den Menschen durch Verinnerlichung umwandelt

23 Die Esoterik verstehen

Standpunkt den unmittelbaren und exoterischen Botschaften der drei auf Abraham zuruumlckgehenden monotheistischen Uumlbershylieferungen Fuumlr Racircmacircnuja gleicht die persoumlnliche Gottheit Gott der Schoumlpfer und Retter ohne Einschraumlnkungen dem Unshybedingten nach dieser Betrachtungsweise gibt es keinen Grund dafuumlr einen Acirctmacirc oder eine Wesenheit in Betracht zu ziehen die Macircyacirc uumlberstiege und folglich auch keine Macircyacirc welche die hypostatische Begrenzung einer Wesenheit bewirkte oder beshystimmte Nach dieser Lehre erschafft Vishnu die Welt oder eine Folge von Welten durch Ausstroumlmen und er nimmt sie nach Vollendung des jeweiligen Kreislaufs wieder in sich auf uns beshyschaumlftigt hier aber nicht die Lehre vom Ausstroumlmen der Welt aus Gott da sie kein Bezugspunkt fuumlr die monotheistischen Religionen ist die Aumlhnlichkeit liegt einzig ndash oder besonders ndash in dem persoumlnlichen Charakter der Gottheit weiter in der ausshyschlieszliglich durch Gottesliebe Bhakti oder noch verbreiteter durch Vertrauen auf ihn Prapatti9 erlangten Erloumlsung und schlieszliglich in der ewigen Seligkeit ndash in der die Auserwaumlhlten mit himmlischen Koumlrpern ausgestattet sind ndash im Paradies des Vishnu Wie im Paradies der semitischen Monotheisten nehmen die Auserwaumlhlten innerlich in unterschiedlichem Ausshymaszlig an der goumlttlichen Natur teil nach dem Grundsatz raquoVershyeinigung ohne Verschmelzunglaquo dies ist die Unio mystica aber das Geschoumlpf bleibt Geschoumlpf Dies gilt uumlberdies auch fuumlr den shankarischen Nicht-Dualismus in dem Maszlige als er die im strengen Sinne menschliche Seinsweise ins Auge fasst die nicht raquoGott werdenlaquo kann nur das raquowird Gottlaquo was es schon ist diese im Grunde widerspruumlchliche Ausdrucksweise stellt sich als Ellipse heraus die unermessliche Wirklichkeiten verbirgt

Es ist dieser Unterschied zwischen Bhakti und Prapatti der vertikalen Liebe des Helden und der horizontalen Liebe des Gerechten der im monistischen Vedacircnta die Polaritaumlt Esoterik ndash Exoterik bildet

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Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 14: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 25

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Ge-faumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft be-saszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Minder-heit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missver-staumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen des-halb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heilig-keit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der so-genannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff ent-weder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahr-tausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

24 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren allshygemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu vershymeidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theoshylogischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Standshypunkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlckshyliche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es abshysolut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzushyfuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszligershylich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Beshylange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 15: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg24

Abgesehen von zweitrangigen Elementen um die es hier nicht geht teilen die drei semitischen Religionen ihren all-gemeinen Blickwinkel mit dem Monismus von Racircmacircnuja und nicht mit dem Nicht-Dualismus von Shankara obwohl sich dieser Nicht-Dualismus verstreut in diesen Religionen zeigt das heiszligt in ihrer weisheitlichen Esoterik Ein auf jeden Fall zu ver-meidender Irrtum besteht in der Vorstellung die groszligen theo-logischen Meister selbst wenn es Kirchenvaumlter gewesen waumlren seien aufgrund ihrer Bedeutung Vorkaumlmpfer der umfassenden Esoterik solche Meister wie Thomas von Aquin lsquoAsharicirc und Maimonides verkoumlrpern den allgemeinen religioumlsen Stand-punkt zugegebenermaszligen mit gelegentlichen Oumlffnungen zur Gnosis aber man kann von ihnen keinen vollwertigen Ersatz fuumlr den advaitischen und shankarischen Vedacircnta verlangen nur aufgrund der besonders wichtigen Rolle die sie in ihrer jeweiligen Religion spielen10 Daruumlber hinaus ist es diese Rolle oder diese Bedeutsamkeit die verhindert dass die ausdruumlck-liche und oumlffentlich vertretene Lehre der groszligen Theologen den Standpunkt des vishnuitischen Monismus uumlbersteigt obwohl ndash wir wiederholen uns ndash man bei ihnen Elemente findet die ihn tatsaumlchlich uumlbersteigen doch ziehen weder diese Gelehrten noch ihre Getreuen die vollen Schluumlsse hieraus

10 Wenn ein Gregor Palamas solche Weisen wie Sokrates Platon und Plotin missdeutet unterbewertet und verunglimpft dann unterscheidet sich seine Haltung nicht wesentlich von der Feindseligkeit eines Racircmacircnuja gegenuumlber Shankara bei der Unterstuumltzung dieses banalen Streits um Worte gibt es ab-solut keinen Grund wenn man bei diesem banalen Streit um Worte Hilfe leisten moumlchte Betrachtungen uumlber raquoHeiligkeitlaquo oder raquoMysterienlaquo anzu-fuumlhren Man darf nicht vergessen dass der theologische Standpunkt aumluszliger-lich durch seine Sorge gekennzeichnet ist begriffliche und moralische Be-lange zu verteidigen waumlhrend die reine Metaphysik Rechenschaft ablegt uumlber die Natur der Dinge und sich dabei der jeweiligen Anblicke und Standpunkte bewusst ist

25 Die Esoterik verstehen

Es ist notwendig hier auf zwei Dingen zu bestehen Erstens dass die Zeugen der Offenbarung die Apostel oder die Geshyfaumlhrten selbst nicht unbedingt Jntildeacircnis waren und dass die Form der Botschaft oder ihre unmittelbare Absicht ausschlieszligt dass die Mehrheit dieser ehrwuumlrdigen Zeugen diese Eigenschaft beshysaszligen die sie hatten bildeten notwendigerweise eine Mindershyheit Zweitens dass ein vollendeter Weiser immer ein Heiliger ein Heiliger aber nicht immer ein Weiser ist auszligerdem ist der polemische Begriff einer raquoWeisheit der Heiligenlaquo der sich gegen die weisheitliche Esoterik richtet nichts als ein Missvershystaumlndnis und ein Missbrauch der Sprache Das folgende Beispiel einer Petitio principii seitens streitbarer Theologie ist bekannt Platon Plotin Proklos und andere waren keine Christen desshyhalb konnten sie keine Heiligen sein folglich gehoumlren ihre Lehren zur raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo11 wohingegen wir aus der Erhabenheit ihrer Lehren auf ihre moumlgliche Heiligshykeit haumltten schlieszligen sollen um so mehr als das Christentum

11 Es sei denn man behauptet sie seien Christen wie es im Falle der raquoUnterredungenlaquo des Epiktet geschah oder es sei denn man gestehe der soshygenannten raquonatuumlrlichenlaquo Intelligenz eine ehrenvolle Rolle zu wie es im Falle des Aristoteles geschah in diesem Fall wird aus raquoFleischlaquo raquoNaturlaquo was besser ist als gar nichts aber immer noch weniger als die Wahrheit Wenn es eine raquoWeisheit nach dem Fleischelaquo gibt dann gilt dies sicherlich und in houmlchstem Maszlige fuumlr dieses unverkennbar moderne Denken in dem das Irrationale fuumlr das Uumlberrationale gehalten wird und dabei das Rationale toumltet Nach der raquoPastoralkonstitution uumlber die Kirche in der modernen Weltlaquo ndash einem der Meisterwerke des raquoKonzilslaquo ndash hat raquodie Menschheit einen Uumlbergang von einem mehr statischen Begriff der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Begriff vollzogenlaquo nun ist ein Begriff entshyweder statisch oder er ist nichts Zu sagen dass ein Begriff oder der Geist im Allgemeinen dynamisch geworden sei nachdem er jahrhunderte- oder jahrshytausendelang statisch gewesen ist bedeutet anschaulich gesprochen dass das normale Denken dasjenige von intelligenten und beherrschten Menschen aller Zeiten ersetzt worden ist durch ein beschraumlnktes und oberflaumlchliches Pseudodenken Diese Beobachtung sollte als Beweisgrund genuumlgen der Rest ist Schoumlnrederei

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 16: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 27

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungs-maumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleich-setzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu be-nutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grund-lagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut ge-houmlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger un-sinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommen-heit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkens-werter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

26 Esoterik als Grundsatz und als Weg

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philoshysophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normalershyweise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegenshyuumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlbershynimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleichshyzeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon (Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur vershyzauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 17: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg26

in Wirklichkeit nicht ohne sie auskommen konnte12 Was die weltliche und im eigentlichen Sinne rationalistische Philo-sophie der Griechen betrifft die besonders von Protagoras vertreten wird und von der Aristoteles nicht voumlllig frei ist so stellt sie eine Abweichung des Standpunktes dar der normaler-weise zur Gnosis oder Jntildeacircna fuumlhrt wird dieser Standpunkt von der reinen Geistesschau abgeschnitten und damit von seiner Daseinsberechtigung wird er unvermeidlich feindselig gegen-uumlber der Religion und offen fuumlr Abenteuer aller Art die Weisen Griechenlands brauchten die Kirchenvaumlter nicht um dies zu erkennen und die Kirchenvaumlter konnten die christliche Welt nicht davor bewahren in diese Falle zu gehen Auszligerdem uumlber-nimmt die Kirche durch den Zivilisationismus den sie sich zu eigen macht um nur keiner Ehre zu entgehen paradoxerweise die Verantwortung fuumlr die moderne Welt die als raquochristliche Zivilisationlaquo bezeichnet wird und die gleichwohl nichts anderes ist als der Auswuchs jener menschlichen Weisheit die von den Vaumltern gegeiszligelt worden war

Da wir uumlber geistige Abweichung sprechen wollen wir hier zwei wohl bekannte Verdunkelungen des esoterischen Standpunktes erwaumlhnen naumlmlich den Goumltzendienst und den Pantheismus die sich beide auf Kosten der Transzendenz vom Gedanken der Immanenz herleiten und die beide auf rechtmaumlszligigen Denkmustern beruhen die im Uumlbrigen gleich-zeitig neben den Abweichungen bestehen und die man nicht

12 Es sollte beachtet werden dass Meister Eckhart Platon raquoden groszligen Priesterlaquo genannt hat und dass Jicirclicirc eine Vision von ihm hatte die raquodas ganze All mit Licht erfuumlllt hatlaquo und auch dass die Schuumller Rucircmicircs in Platon(Sayyidunacirc Aflacirctucircn) eine Art Propheten sehen Ganz allgemein sehen muslimische Autoren in ihm einen auszligergewoumlhnlichen Meister der Musik der wie Orpheus wilde Tiere mit seiner Laute in der unberuumlhrten Natur ver-zauberte wohin er sich nach einer Meinungsverschiedenheit mit Aristoteles zuruumlckgezogen hatte was voller Sinngehalt ist Wir duumlrfen hinzufuumlgen dass Platon wie Sokrates und Pythagoras der von der Vorsehung bestimmte Wortfuumlhrer der Orphik war

27 Die Esoterik verstehen

mit diesen verwechseln darf13 Gleichwohl gibt es Arten des Goumltzendienstes die einen rein magischen und erfahrungsshymaumlszligigen Ursprung haben so wie es Arten des Pantheismus gibt die keinen anderen Ursprung haben als die Vermutungen von Philosophen

Wie dem auch sei es gibt in der exoterischen Gleichshysetzung von Intelligenz und Hochmut eine zutreffende Lehre Jeder der den Wunsch haben sollte seine Intelligenz zu beshynutzen ohne einen Irrtum zu riskieren muss die Tugend der Demut besitzen er muss sich seiner Grenzen bewusst sein muss wissen dass die Intelligenz nicht von ihm selbst stammt muss klug genug sein keine Urteile ohne hinlaumlngliche Grundshylagen zu faumlllen Aber dieses Bewusstsein oder diese Demut geshyhoumlren schon zur Intelligenz insofern zu dieser naturgemaumlszlig die Objektivitaumlt gehoumlrt wenn die Demut ndash nicht gefuumlhlsseliger unshysinniger Demutskult ndash eine Befaumlhigung sine qua non zur Gnosis oder Jntildeacircna darstellt dann deshalb weil Weisheit sich auf Intelligenz gruumlndet und weil diese da sie in dem Maszlige objektiv ist als sie allumfassend ist notwendigerweise das unbefangene Bewusstsein dessen was ist umfasst einschlieszliglich unserer moumlglichen Beschraumlnkungen Die Gefahr des Hochmutes tritt beim Rationalismus auf das heiszligt bei der Voreingenommenshyheit sich auf eine schlicht verstandesmaumlszligige Intelligenz zu verlassen unter Missachtung unabdingbarer Gegebenheiten deren Fehlen man nicht einmal bemerkt

Nachdem dies gesagt ist wollen wir zur Frage der Esoterik als einer Erscheinung der Uumlberlieferung zuruumlckkehren Es waumlre ganz falsch zu glauben die Gnosis biete sich innerhalb einer bestimmten Religion als eine fremde und hinzugefuumlgte Lehre dar im Gegenteil ist das was in jeder Religion den Schluumlssel fuumlr die umfassende oder nicht-dualistische Esoterik bereitstellt

13 Rucircmicirc und Ibn lsquoArabicirc haben dies gut verstanden was umso bemerkensshywerter ist als der Islam streng monotheistisch und bilderfeindlich ist

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 18: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 29

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichts-punkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 DasBeispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die land-laumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngig-keitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

28 Esoterik als Grundsatz und als Weg

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Geshypraumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifelshylos Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendigershyweise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnisshymaumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 19: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg28

nicht eine geheime Begrifflichkeit von uneinheitlichem Ge-praumlge sondern es ist der eigentliche Leitgedanke der Religion selbst und dies ist notwendigerweise so da die Religion die mit einem unbedingten Anspruch auftritt ndash raquoextra ecclesiam nulla saluslaquo ndash damit fuumlr die Ganzheit der Botschaft buumlrgt und folglich keine wesentliche Moumlglichkeit des menschlichen Geistes ausschlieszligen kann Christliche Gnosis findet zweifel-los Unterstuumltzung sowohl bei Thomas von Aquin als auch bei Gregor Palamas doch bleibt diese Unterstuumltzung aufgrund des insgesamt bhaktischen Gepraumlges des Christentums faktisch wirkungslos wenn sie nicht aus diesem Zusammenhang geloumlst wird auf jeden Fall bildet sie nicht die Grundlage der Weisheit Die christliche Gnosis stuumltzt sich a priori und notwendiger-weise auf die Mysterien der Inkarnation und der Erloumlsung also auf das Phaumlnomen Christus an sich genauso wie die muslimische Gnosis sich ihrerseits vor allem auf die Mysterien der Transzendenz und Immanenz und damit auf die koranische oder mohammedanische Wahrheit stuumltzt daruumlber hinaus gruumlndet die Gnosis der beiden Religionen auf dem Mysterium der goumlttlichen Liebe die in jedem Fall der charakteristischen Betonung entsprechend betrachtet wird Liebe der Theophanie die sowohl menschlich als auch goumlttlich ist im Christentum und Liebe des Urgrundes der sowohl transzendent als auch immanent ist im Islam

Was die Esoterik an sich die nichts anderes als Gnosis ist betrifft so muumlssen wir an zwei Dinge erinnern auch wenn wir schon bei anderer Gelegenheit daruumlber gesprochen haben Erstens ist es notwendig zwischen unbedingter und verhaumlltnis-maumlszligiger Esoterik zu unterscheiden zweitens ist es notwendig zu wissen dass die Esoterik einerseits die Exoterik weiterfuumlhrt ndash indem sie diese harmonisch vertieft ndash da die Form das Wesen

29 Die Esoterik verstehen

ausdruumlckt und weil beide sich in dieser Hinsicht miteinander verbuumlnden waumlhrend die Esoterik sich andererseits gegen die Exoterik stellt ndash indem sie diese unvermittelt uumlbersteigt ndash da das Wesen aufgrund seiner Unbegrenztheit auf keinen Fall auf die Form eingeschraumlnkt werden kann oder anders gesagt da die Form insofern sie beschraumlnkt ist im Gegensatz zu allem steht was Gesamtheit und Freiheit ist Diese beiden Gesichtsshypunkte sind im Sufitum leicht zu unterscheiden14 es ist wahr dass sie hier sehr oft miteinander vermischt auftreten ohne dass es was die Autoren anbelangt moumlglich waumlre zu sagen ob es sich um fromme Unbewusstheit handelt oder einfach um Klugheit oder auch um geistige Verschwiegenheit eine derartige Mischung ist auszligerdem ganz natuumlrlich solange sie keinen Anlass gibt zu dialektischen Ungereimtheiten15 Das Beispiel der Sufis zeigt jedenfalls dass es moumlglich ist Muslim zu sein ohne ein Asharit zu sein aus den gleichen Gruumlnden und mit gleichem Recht ist es moumlglich Christ zu sein ohne ein Scholastiker noch ein Palamit zu sein oder sagen wir eher dass es moumlglich ist ein Thomist zu sein ohne den aristotelischen Sensualismus des Aquinaten zu billigen so wie es moumlglich ist

14 Der erste Gesichtspunkt tritt offenkundig bei Ghazacirclicirc auf der es erreicht hat dass der Sufismus innerhalb der amtlichen Religion Anerkennung fand waumlhrend sich der zweite ndash von dem eine koranische Spur in der Geschichte von Moses und dem Unbekannten (= Al-Khidr) erscheint ndash zum Beispiel bei Niffaricirc zeigt der dargelegt hat dass die exoterische Offenbarung keine Hilfe fuumlr die esoterische Offenbarung das heiszligt die Gnosis sei und dass die landshylaumlufige Religion die Dinge in Hinblick auf deren Vielzahl betrachte und nicht in Hinblick auf deren Einheit wie dies die innere Offenbarung tut Ebenso Ibn lsquoArabicirc raquoGott der Allmaumlchtige ist durch keinerlei Glaubensuumlberzeugung eingeschraumlnkt weil Er (im Koran) gesagt hat rsaquoWohin auch immer ihr euch wendet da ist das Angesicht Gotteslsaquolaquo

15 Malsquorucircf al-Karkhicirc hat gesagt raquoWenn Gott seinem Diener geneigt ist oumlffnet Er ihm die Tuumlren zu (geistigen) Taten und verschlieszligt ihm die Tuumlren zu theologischen Streitigkeitenlaquo dies ist eine von mehreren Unabhaumlngigshykeitsbekundungen der Sufis bezuumlglich der Theologie und sie schlieszligt sehr viel mehr mit ein als uns die woumlrtliche Bedeutung uumlbermittelt

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 20: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 31

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einer-seits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderer-seits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denk-weise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu be-haupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder ge-schah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Ab-lauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

30 Esoterik als Grundsatz und als Weg

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntarisshymus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmung uumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Abshysicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununtershybrochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Ershyeignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die abshygeschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendigshykeit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Ershyschaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 21: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg30

ein Palamit zu sein ohne die Irrtuumlmer des Palamas hinsichtlich der griechischen Philosophen und ihrer Lehren zu teilen Mit anderen Worten man kann Christ und gleichzeitig Platoniker sein da es keinen Wettstreit zwischen mystischem Voluntaris-mus und metaphysischer Geistigkeit gibt einmal abgesehen von dem semitischen Begriff der Creatio ex Nihilo

Dieser Begriff oder diese Sinnbildlichkeit stimmt auszligerdem mit der griechischen Lehre von der goumlttlichen Ausstroumlmunguumlberein wenn man diese entsprechend ihrer eigentlichen Ab-sicht betrachtet und nicht entsprechend der kreationistischen Argumentation der Semiten die sich dem Mysterium der Immanenz widersetzt ndash das heiszligt der Beziehung des ununter-brochenen Uumlbergangs von goumlttlicher Ursache zu ihrer Wirkung ndash und die folglich das goumlttliche Wirken in die menschliche Zeit versetzt die Schoumlpfung wird dann ein geschichtliches Er-eignis und eine raquowillkuumlrlichelaquo Tat das heiszligt eine Tat die ab-geschnitten ist von den ontologischen Notwendigkeiten die in der goumlttlichen Natur verwurzelt sind In der vollstaumlndigen Metaphysik wird die Schwierigkeit so geloumlst Auf der einen Seite schlieszligt die offensichtliche Beziehung des unterbrochenen Uumlbergangs von Gott zur Welt die nicht weniger offensichtliche ndash aber unendlich subtilere ndash Beziehung des ununterbrochenen Uumlbergangs nicht aus auf der anderen Seite kann die goumlttliche Freiheit nicht die Vollkommenheit der goumlttlichen Notwendig-keit ausschlieszligen genauso wenig wie diese jene ausschlieszligen kann je nach dem Zusammenhang der sich aus der Natur Gottes ergibt16

16 Wir haumltten sicher keinen Einwand gegen die raquoGrundlosigkeitlaquo der Schoumlpfung wenn dies bedeuten wuumlrde dass Gott erschafft ohne hierzu von einer anderen Macht als von sich selbst gezwungen zu werden aber diese raquoGrundlosigkeitlaquo kann nicht zu Recht bedeuten dass Gott bei der Er-schaffung der Welt nicht seiner eigenen Natur gehorchte oder dass er da er Gott ist die Moumlglichkeit haumltte sie nicht zu erschaffen Die Hindulehre von den kosmischen Kreislaumlufen ndash Yuga Mahacirc-Yuga Kalpa Para ndash zieht ganz

31 Die Esoterik verstehen

Schlieszliglich muumlssen wir auf dem folgenden Punkt bestehen Die Tatsache dass transzendente Wahrheiten moumlglicherweise fuumlr die logische Denkweise eines bestimmten Individuums oder einer Gruppe unerreichbar sind kann nicht bedeuten dass sie von ihrem Wesen her und de jure jeglicher Logik widersprechen wuumlrden denn die Wirksamkeit der Logik haumlngt immer einershyseits von dem intellektuellen Format des Denkers und anderershyseits von der Zulaumlnglichkeit der Information oder dem Wissen um unverzichtbare Gegebenheiten ab Die Metaphysik wird nicht fuumlr wahr gehalten ndash von denen die sie verstehen ndash weil sie logisch ausgedruumlckt ist sondern sie kann logisch ausgedruumlckt werden weil sie wahr ist ohne dass was ganz offensichtlich ist ihre Wahrheit jemals durch die moumlglichen Unzulaumlnglichkeiten des menschlichen Verstandes gefaumlhrdet werden koumlnnte

In ihrem Eifer die Rechte der goumlttlichen Uumlber-Rationalitaumlt gegenuumlber der ndash de facto bruchstuumlckhaften ndash logischen Denkshyweise der Rationalisten zu verteidigen gehen einige so weit dass sie fuumlr die goumlttliche oder sogar nur fuumlr die geistige Ordnung ein Recht auf Irrationalitaumlt und damit auf Unlogik einfordern als koumlnnte es ein Recht auf innere Sinnwidrigkeit geben Zu beshyhaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt widerspricht in keiner Weise der Logik oder dem Verstand ndash wenngleich man nicht wissen kann auf welcher Grundlage das Wunder geshyschah ndash17 denn das Gesetz der Schwerkraft ist etwas Bedingtes und Verhaumlltnismaumlszligiges das wir kennen moumlgen oder nicht und

ausdruumlcklich den schoumlpferischen Rhythmus in Betracht der sich aus der goumlttlichen Natur ergibt und zwar aus der strahlenden Kraft ndash Macircyacirc ndash die sich notwendig aus der Unendlichkeit des goumlttlichen Ursprungs ergibt Und der folgende augustinische Gedanke ist wohl bekannt Das Gute neigt seiner Natur entsprechend dazu sich mitzuteilen und Gott ist das Houmlchste Gut

17 Hiermit meinen wir dass Wunder auch ihren gesetzmaumlszligigen Abshylauf haben aber dann ist die ursaumlchliche Verkettung raquosenkrechtlaquo und nicht raquowaagerechtlaquo Der Strahl von der Ursache zur Wirkung kreuzt verschiedene Daseinsebenen anstatt nur auf einer wirksam zu sein

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 22: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 33

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grund-gedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlm-lich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christ-liche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich ins-besondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vor-handener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

32 Esoterik als Grundsatz und als Weg

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hinshysicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch ontoshylogischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die unshymittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlbershyformal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsichtshylich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahrshyheit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwershyfaumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 23: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg32

auch ohne es zu kennen koumlnnen wir es wenigstens vermuten oder auf der Erscheinungsebene fuumlr moumlglich halten Aber zu behaupten Christus sei auf dem Wasser gewandelt ohne dass er uumlber das Wasser gewandelt waumlre oder er sei auf dem Wasser gewandelt indem er sich in die Luumlfte erhoben habe wuumlrde dem Verstand ganz gewiss widersprechen denn eine Erscheinung oder eine Moumlglichkeit kann nicht in ein und derselben Hin-sicht eine andere Erscheinung oder Moumlglichkeit sein oder die Abwesenheit dessen was sie sind Gott kann die Zustimmung zu einem Wunder oder zu einem Mysterium verlangen aber Er kann nicht die Zustimmung zu einer inneren Sinnwidrigkeit verlangen das heiszligt zu einer sowohl logischen als auch onto-logischen Sinnwidrigkeit18

Das beste und daher hervorstechendste Beispiel fuumlr das was wir raquoverhaumlltnismaumlszligige Esoteriklaquo nennen bietet das Christentum Waumlhrend im Judentum und im Islam die un-mittelbare Botschaft exoterisch ist ndash die Esoterik bildet eine mittelbare Botschaft da sie aufgrund ihrer Allguumlltigkeit uumlber-formal ist ndash ist das Christentum verhaumlltnismaumlszligig esoterisch in seiner unmittelbaren Botschaft Es ist esoterisch nicht hinsicht-lich eines personalistischen Theismus und individualistischen Voluntarismus ndash denn dies ist sein ureigener Standpunkt ndash sondern hinsichtlich des moralistischen und ritualistischen Formalismus des Judentums das heiszligt dass es esoterisch im Rahmen des juumldischen Legalismus ist so wie der bhaktische

18 Nach Thomas von Aquin wohnen die Grundsaumltze der Logik in Gott und wir muumlssen ihnen entsprechend denken was bedeutet dass ein Widerspruch zwischen unserem Erkenntnisvermoumlgen und der auf Gott gruumlndenden Wahr-heit unmoumlglich ist Gewiss gibt es aumluszligerliche Sinnwidrigkeiten aber in diesem Fall tritt der Widerspruch nur durch unser Unwissen oder durch die Schwer-faumllligkeit unseres Geistes auf raquoDer rechte Verstand ist der Tempel Gotteslaquo hat der heilige Johannes vom Kreuz gesagt

33 Die Esoterik verstehen

Vishnuismus esoterisch im Rahmen des formalistischen und horizontalen Hinduismus ist Christi urspruumlnglicher Grundshygedanke ndash wenn es erlaubt ist sich so auszudruumlcken ndash ist es naumlmlich dass die Daseinsberechtigung frommer Werke in der Froumlmmigkeit der Absicht liegt und dass ohne diese die Werke nicht mehr fromm sind dass es besser ist innere Froumlmmigkeit zu verwirklichen als ohne Gottes- und Naumlchstenliebe oder gar heuchlerisch ein nach auszligen hin frommes Leben zu fuumlhren denn der hinreichende Grund fuumlr diese Froumlmmigkeit liegt ja ganz in der Gottesliebe

Die Esoterik der Bhakti uumlbersteigt die aumluszligeren Formen naumlmshylich die Vorschriften so wie die Esoterik der Gnosis der Jntildeacircna die inneren Formen uumlbersteigt naumlmlich die anthropomorphen Dogmen und die ihnen entsprechenden individualistischen und gefuumlhlsbetonten Haltungen gleichwohl benoumltigt jede Esoterik lehrhafte rituelle und moralische Stuumltzen und nicht zu vergessen die aumlsthetischen Stuumltzen die im Zusammenhang mit der Beschaulichkeit stehen raquoMenschlaquo sagen heiszligt raquoFormlaquo sagen der Mensch ist die Bruumlcke zwischen der Form und dem Wesen oder zwischen raquoFleischlaquo und raquoGeistlaquo

Wenn man von christlicher Esoterik spricht kann es sich nur um eines von drei Dingen handeln Erstens kann es christshyliche Gnosis sein die auf der Person der Lehre und den Gaben Christi gruumlndet und die in gewissen Faumlllen platonische Begriffe nutzbringend beizieht ein Vorgang der nicht gegen die Regeln der Metaphysik verstoumlszligt19 diese Gnosis bekundete sich insshybesondere wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise in solchen Schriften wie denen von Clemens von Alexandria Origenes

19 Ganz allgemein gesagt sind wechselseitige Einfluumlsse zwischen den einzelnen Uumlberlieferungen unter bestimmten Bedingungen immer moumlglich allerdings auszligerhalb jeglichen Synkretismus Fraglos haben der Buddhismus und der Islam den Hinduismus beeinflusst natuumlrlich nicht indem sie neue Elemente hinzugefuumlgt haumltten sondern indem sie das Aufbluumlhen schon vorshyhandener Elemente beguumlnstigt oder ausgeloumlst haben

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 24: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 35

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschicht-lichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kenn-zeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christen-tum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichts-punkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

34 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme Angelus Silesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christenshytum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar unshyvollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folgshylich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquourshyspruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 25: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg34

Dionysius dem Areopagiten ndash oder bei dem Theologen oder dem Mystiker wenn man das vorzieht ndash Scotus Eriugena Meister Eckhart Nikolaus von Kues Jakob Boumlhme AngelusSilesius20 Zweitens kann es etwas voumlllig Anderes sein naumlmlich die griechisch-lateinische ndash oder nahoumlstliche ndash in das Christen-tum eingegangene Esoterik hier denken wir vor allem an die Hermetik und an die Einweihungen im Handwerk In diesem Fall ist die Esoterik mehr oder weniger begrenzt oder sogar un-vollstaumlndig sie besteht eher in dem weisheitlichen Charakter der ndash jetzt verloren gegangenen ndash Methode als in der Lehre und im Ziel die Lehre war vorwiegend kosmologisch und folg-lich ging das Ziel nicht uumlber die raquokleineren Mysterienlaquo oder die horizontale Vollkommenheit hinaus oder uumlber die raquour-spruumlnglichelaquo Vollkommenheit wenn man sich auf die idealen Bedingungen des raquogoldenen Zeitalterslaquo bezieht Wie dem auch sei diese kosmologische oder alchemistische und in einem noch rechtmaumlszligigen Sinn raquohumanistischelaquo Esoterik ndash denn es ging darum dem Mikrokosmos die Vollkommenheit des Makrokosmos wiederzugeben der sich immer im Einklang mit Gott befindet ndash diese kosmologische christianisierte Esoterik war wesentlich an eine Berufung gebunden da man nicht jedem eine Wissenschaft oder eine Kunst aufzwingen kann der Mensch entscheidet sich fuumlr eine Wissenschaft oder eine Kunst weil sie zu ihm passt und er dafuumlr begabt ist und nicht a priori um seine Seele zu retten Da die Erloumlsung durch die Religion gewaumlhrleistet ist kann der Mensch a posteriori und auf dieser Grundlage seine Begabungen und seine beruflichen Taumltigkeiten ausuumlben und das ist sogar normal oder notwendig wenn sich

20 Mit anderen Worten Man findet Elemente der weisheitlichen Esoterik im rechtglaumlubigen Gnostizismus ndash der sich in der Theosophie von Boumlhme und seinen Nachfolgern fortsetzt ndash dann in der dionysischen rheinischen Mystik und natuumlrlich im Hesychasmus nicht zu vergessen ist jenes Teilelement der methodischen Esoterik das den Quietismus eines Molinos ausmachte mit Spuren bei Franz von Sales

35 Die Esoterik verstehen

ihm aus irgendwelchen Gruumlnden eine mit alchemistischer oder handwerklicher Esoterik verbundene Taumltigkeit nahelegt

Drittens und vor allem und unabhaumlngig von geschichtshylichen oder literarischen Betrachtungen kann und muss man unter raquochristlicher Esoteriklaquo die reine und einfache Wahrheit ndash die metaphysische und geistige Wahrheit ndash verstehen insoweit sie sich durch ein Dogma ein Ritual oder eine andere Form des Christentums ausdruumlckt oder kundtut Umgekehrt gesagt ist diese Esoterik die Gesamtsumme christlicher Sinnbilder in dem Maszlige als diese die reine Metaphysik und die eine und allguumlltige Geistigkeit ausdruumlcken oder kundtun Und dies ist unabhaumlngig von der Frage inwieweit ein Origenes oder ein Clemens von Alexandria sich all dessen bewusst gewesen sein mag eine jedenfalls uumlberfluumlssige Frage da es klar ist dass sie sich aus mehr oder weniger aumluszligerlichen Gruumlnden nicht aller Aspekte des Problems bewusst sein konnten zumal sie weitgehend innerlich mit der Bhakti verbunden waren welche die kennshyzeichnende Betrachtungsweise des Christentums ausmacht Unter allen Umstaumlnden ist es wichtig nicht die grundsaumltzliche Esoterik mit der bestehenden Esoterik zu verwechseln oder eine keimhaft vorhandene Lehre die alle Rechte der Wahrheit besitzt mit einer tatsaumlchlich vorhandenen Lehre die vielleicht nicht alles einloumlst was ihre Betrachtungsweise verspricht

Verglichen mit dem juumldischen Legalismus ist das Christenshytum esoterisch weil es eine Botschaft der Innerlichkeit ist Im Christentum nimmt die innere Tugend den Vorrang ein vor der Befolgung aumluszligerer Vorschriften bis hin zu deren Abschaffung Aber da sein Gesichtspunkt den Willen in den Vordergrund stellt kann dieser durch eine neue Innerlichkeit uumlberstiegen werden die der reingeistigen Erkenntnis die einzelne Formen auf ihr allgemeines Wesen zuruumlckfuumlhrt und die den Gesichtsshypunkt der Buszlige durch den der reinigenden und befreienden Erkenntnis ersetzt Die Gnosis ist im Wesen christlich in dem

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 26: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 37

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthropo-morph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendiger-weise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipsofacto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichts-punkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirk-lich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesver-ehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann des-halb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen be-inhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm er-lauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu er-heben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

36 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleichshyzeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preisshyzugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierigshykeiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und dershyselben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen beshystuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 27: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg36

Sinne dass sie einerseits auf dem Logos beruht ndash dem gleicher maszligen transzendenten und immanenten Intellekt ndash und dass sie andererseits eine Botschaft der Innerlichkeit und damit der Verinnerlichung ist

Wir muumlssen hier auf den Einwand eingehen die Haltung des Esoterikers beinhalte eine gewisse Doppelzuumlngigkeit der Religion gegenuumlber die er auszuuumlben vorgebe wobei er gleich-zeitig den Dingen eine andersartige Bedeutung verleihe dies ist eine Verdaumlchtigung die nicht die wirkliche Sichtweise der Gnosis und deren Einverleibung durch die Seele beruumlcksichtigt durch die das Erkenntnisvermoumlgen und das Gefuumlhl spontan verschiedene Gesichtspunkte miteinander verbindet ohne ihre besondere Wirklichkeit oder ihre eigenen Erfordernisse preis-zugeben21 das wirkliche Verstaumlndnis kosmischer und geistiger Ebenen schlieszligt jegliche heimliche Falschheit aus Mit Gott zu sprechen und dabei zu wissen dass seine notwendigerweise anthropomorphe Person eine Wirkung der Macircyacirc ist ist nicht weniger aufrichtig als mit einem Menschen zu sprechen und dabei zu wissen dass auch er a fortiori nur eine Wirkung der Macircyacirc ist so wie wir alle genauso ist es auch kein Mangel an Aufrichtigkeit jemanden um einen Gefallen zu bitten und dabei zu wissen dass der Urheber der Gabe zwangslaumlufig Gott

21 Bekanntlich ist eine derartige metaphysische Geschmeidigkeit fuumlr den beschaulichen Hindu wie eine zweite Natur und bringt ihn nicht in Schwierig-keiten das heiszligt dass der Hindu fuumlr das besonders empfaumlnglich ist was wir schon mehrmals die raquometaphysische Durchsichtigkeit der Erscheinungenlaquo genannt haben ndash Zweifellos gilt Bilinguis maledictus Die doppeldeutige Sprache ist verflucht aber sie befindet sich genau genommen auf ein und der-selben Ebene und nicht wie die Esoterik auf zwei verschiedenen Ebenen be-stuumlnde diese Zweidimensionalitaumlt nicht zurecht dann waumlre es unmoumlglich das Hohelied anders als woumlrtlich zu deuten und man duumlrfte einen Groszligteil der patristischen und mystischen Bibelauslegungen nicht anerkennen Christus hat in Gleichnissen und Bildern gesprochen

37 Die Esoterik verstehen

ist Die goumlttliche Person ist wie wir gesagt haben anthroposhymorph abgesehen von der Tatsache dass es der Mensch ist der Gott aumlhnlich ist und nicht umgekehrt macht sich Gott in seinem Umgang mit der menschlichen Natur notwendigershyweise zum Menschen

Religioumlse Treue ist nichts anderes als die Aufrichtigkeit unserer menschlichen Beziehungen zu Gott auf der Grundlage der Hilfsmittel die er uns zur Verfuumlgung gestellt hat da diese Hilfsmittel zum formalen Bereich gehoumlren schlieszligen sie ipso facto andere Formen aus ohne dass dadurch vom Gesichtsshypunkt unserer Beziehung zum Himmel her irgendetwas fehlen wuumlrde in diesem inneren Sinne verstanden ist die Form wirkshylich einzigartig und unersetzbar eben weil unsere Beziehung zu Gott es ist Trotzdem erlauben diese Einzigartigkeit der inneren Unterstuumltzungen und die Aufrichtigkeit unserer Gottesvershyehrung im Rahmen dieser Unterstuumltzungen nicht das was wir raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo nennen koumlnnten wenn wir diese Haltung ndash die fuumlr den Durchschnittsmenschen unvermeidlich ist aber das ist hier nicht die Frage ndash verurteilen dann desshyhalb weil sie der Wahrheit entgegenstehende Auffassungen beshyinhaltet die um so widerspruumlchlicher sind wenn der Glaumlubige Anspruch auf esoterische Weisheit erhebt und wenn er fuumlr sich beansprucht uumlber Erkenntnisse zu verfuumlgen die es ihm ershylauben die Grenzen des religioumlsen Formalismus zu erkennen mit dem er sich auf gefuumlhlsbetonte und missbraumluchliche Weise gleichsetzt22

22 In Abwesenheit dieser Gegebenheiten oder dieser Informationen gibt es keinen Grund einen Vorwurf gegen raquoreligioumlsen Nationalismuslaquo zu ershyheben auf der einen Seite hatten die raquoSarazenenlaquo des Mittelalters nur eine symbolische Wirklichkeit fuumlr die Christen ndash niemand wusste etwas uumlber den Islam ndash und auf der anderen Seite hatten die Christen jener Zeit kein objektives Maszlig und keinen Vergleichspunkt mit denen sie die Besonderheit und die Grenzen ihrer eigenen Welt haumltten einschaumltzen koumlnnen Man kann die Einstellung der mittelalterlichen Menschen mit natuumlrlicher Vaterlandsliebe

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 28: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 39

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhls-maumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott ge-richteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaftist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folg-lich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Bot-schaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum be-schaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumln-lichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

38 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircna muss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Ausshygeglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivishytaumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Ershyscheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 29: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg38

Zum klaren Verstaumlndnis des normalen Verhaumlltnisses der landlaumlufigen Religion zur Weisheit oder der Bhakti zur Jntildeacircnamuss man wissen dass es im Menschen grundsaumltzlich eine doppelte Subjektivitaumlt gibt die der raquoSeelelaquo und die des raquoGeisteslaquo Eins von zwei Dingen ist moumlglich Entweder ist der Geist auf die Annahme offenbarter Dogmen eingeschraumlnkt sodass die individuelle Seele das einzige Subjekt auf dem Weg zu Gott ist oder der Geist ist sich seines Wesens bewusst und wendet sich dem zu wozu er gemacht ist sodass er und nicht das raquoIchlaquo das Subjekt des Weges ist ohne dass dadurch jedoch die Beduumlrfnisse und Rechte der normalen Subjektivitaumlt aufgegeben wuumlrden diejenigen der empfindenden und individuellen Seele Die Aus-geglichenheit der beiden Subjektivitaumlten der gefuumlhlshaften und der erkennenden ndash die daruumlber hinaus an einem bestimmten Punkt notwendigerweise zusammenfallen23 ndash laumlsst die heitere Abgeklaumlrtheit aufkommen deren Duft uns die vedantischen Schriften schenken eine falsche Mischung dieser Subjektivi-taumlten ndash in unvollstaumlndigen oder unvollkommen erlaumluterten esoterischen Lehren ndash erzeugt dagegen den Widerspruch den wir paradoxerweise raquometaphysischen Individualismuslaquo nennen koumlnnten naumlmlich eine gequaumllte Mystik mit oft irritierenden Er-scheinungsformen die aber gleichwohl heroisch und offen fuumlr die Gnade ist im Sufitum gibt es Beispiele hierfuumlr

Das Ich als solches kann logischerweise nicht Anspruch auf die Erfahrung dessen erheben was jenseits der Ichheit liegt der Mensch ist der Mensch und das Selbst ist das Selbst Man

vergleichen die an sich unschuldig ist und nicht mit einem Nationalismus der wegen der Geschicktheit seiner Vorurteile und Luumlgen notwendigerweise heuchlerisch ist

23 Denn obwohl sie aus Liebe besteht ist die Seele erkenntnisfaumlhig und damit faumlhig zur Objektivitaumlt und zur Selbstuumlbersteigung und obwohl er aus Erkenntnis besteht ist der Geist empfaumlnglich fuumlr Schoumlnheit Guumlte und Gluumlck und erkennt sich in ihnen

39 Die Esoterik verstehen

muss sich vorsehen dass man nicht den willens- und gefuumlhlsshymaumlszligigen Individualismus des religioumlsen Eifers auf die Ebene des uumlberpersonalen Bewusstseins uumlbertraumlgt24 man kann nicht eine Gnosis wollen mit einem Willen welcher der Natur der Gnosis widerspricht Nicht wir sind es die Gott erkennen sondern es ist Gott der sich in uns erkennt

Die Frage die sich hier erhebt betrifft die grundlegende Natur unserer Seele ob sie aus selbstsuumlchtigem Eifer oder aus selbstloser Beschaulichkeit besteht mit anderen Worten ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einer auf Gott geshyrichteten Leidenschaft findet in einem inbruumlnstigen Begehren nach der himmlischen Belohnung ndash was sicherlich ehrenhaft ist obwohl es nicht alle geistigen Moumlglichkeiten des Menschen erschoumlpft ndash oder ob die Seele ihr Gluumlck und ihre Entfaltung in einem tiefen Verstaumlndnis der Natur der Dinge findet und folgshylich in einer Ruumlckkehr zum Urgehalt von dem sie eine zufaumlllige Erscheinung ist Einerseits schlieszligen sich die beiden Dinge gegenseitig aus aber andererseits ergaumlnzen sie einander es ist alles eine Frage der Beziehungen und der Groumlszligenverhaumlltnisse

Die metaphysische oder esoterische Lehre richtet sich an eine andere Subjektivitaumlt als die allgemeine religioumlse Botshyschaft Letztere spricht den Willen und den leidenschaftlichen Menschen an und Erstere spricht zum Geist und zum beshyschaulichen Menschen der geistige Anblick der Exoterik ist die Theologie waumlhrend der gefuumlhlsmaumlszligige Anblick der Esoterik

24 Wenn ein bestimmter muslimischer Mystiker behauptet er waumlre lieber in der Houmllle als im Himmel wenn dies der Wille Gottes waumlre dann verkleidet er missbraumluchlich und widersinnig die geistige Losloumlsung oder beschauliche Erhabenheit in der Sprache des leidenschaftlichen Individualismus das heiszligt er vermengt unsinnigerweise die beiden Subjektivitaumlten die des uumlberpersoumlnshylichen Geistes und die der individuellen Seele denn Letztere die seinsmaumlszligig auf das Gluumlck ausgerichtet ist kann und darf auf keinen Fall in die Houmllle gehen wollen wohingegen sich die Frage fuumlr den Geist nicht stellt wo auch immer der Geist ist da ist auch der Himmel

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

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des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 30: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 41

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungs-weisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivi-taumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaub-liches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszliger-ordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt inner-halb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinaus-liefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlr-licher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haar-straumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Un-bedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu be-kunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

40 Esoterik als Grundsatz und als Weg

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinnershylichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumlnshyheit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Ershyklaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusstshysein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusstshysein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes geshyhorcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Abshysicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Ershyscheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 31: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg40

im Sinn fuumlr die Schoumlnheit besteht insofern diese eine verinner-lichende Kraft besitzt Schoumlnheit der Natur und der Kunst und vor allem auch Schoumlnheit der Seele entfernte Bilder der Schoumln-heit Gottes

Diese verwickelte Frage der Subjektivitaumlt verdient es oder verlangt es sogar dass wir ihr einige ergaumlnzende Bemerkungen widmen selbst auf die Gefahr hin uns bei dem einen oder anderen Punkt zu wiederholen aber in der Hoffnung Er-klaumlrungen zu bieten die wenn nicht erschoumlpfend dann wenigstens hinreichend sind

Es gibt im Menschen eine Subjektivitaumlt oder ein Bewusst-sein das dazu da ist nach auszligen zu schauen und die Welt wahrzunehmen sei es die irdische Welt oder die himmlische und es gibt im Menschen auch ein Bewusstsein das dazu da ist nach innen zu schauen in die Richtung des Unbedingten oder des Selbst sei dieses Sehen nun vergleichsweise trennend oder einend Mit anderen Worten gibt es im Menschen ein Bewusst-sein das absteigt und der schoumlpferischen Absicht Gottes ge-horcht und ein anderes das aufsteigt und der goumlttlichen Ab-sicht folgt die rettet oder befreit die beiden sind nicht mit gleichem Maszlig zu messen selbst wenn es einen Bereich gibt wo sie sich uumlberlappen und eine einzige Subjektivitaumlt bilden und ein daseinsmaumlszligiges Gleichgewicht zwischen den beiden auseinander strebenden Innenwelten herstellen aus diesem Grunde kann der geistig verwirklichte Mensch Gott in den Dingen sehen und auch die Urbilder der Dinge in Gott Das seelische und das verstandesmaumlszligige Bewusstsein nimmt Er-scheinungen wahr das geistige oder das Herzensbewusstsein nimmt das Wesen wahr das vermittelnde Bewusstsein sieht beide Dimensionen auf einmal Sieht es Erscheinungen sieht es Gott in ihnen und es sieht sie in Gott es erkennt dass jedes

41 Die Esoterik verstehen

Ding die Kundgabe einer goumlttlichen Moumlglichkeit ist sei es auf aumlhnliche oder auf verneinende Weise und gleichzeitig aber in anderer Hinsicht sieht es die Dinge als waumlren sie in ein und dieselbe goumlttliche Atmosphaumlre eingetaucht im ersten Fall lassen die Dinge die goumlttliche Wirklichkeit oder ihre Erscheinungsshyweisen durchscheinen waumlhrend im zweiten Fall die Subjektivishytaumlt ausloumlschend und einend am goumlttlichen Bewusstsein teilhat

Jedenfalls ist die menschliche Subjektivitaumlt ein so unglaubshyliches Wunder dass sie hinreicht sowohl Gott als auch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen Gott weil diese auszligershyordentlich tiefe und umfassende Subjektivitaumlt nur durch ein Absolutes erklaumlrt werden kann das sie substantiell vorformt und das sie in die Akzidens ausstrahlt und die Unsterblichkeit weil die unvergleichliche Eigenart dieser Subjektivitaumlt innershyhalb des engen und vergaumlnglichen Rahmens eines irdischen Lebens keinen hinreichenden Grund findet keinen Grund der ihrer Vortrefflichkeit angemessen waumlre Ginge es darum wie die Ameisen zu leben braumluchten die Menschen nicht ihre geistigen und moralischen Moumlglichkeiten was darauf hinausshyliefe zu sagen dass sie keine Menschen sein braumluchten das bloszlige Dasein des Menschen waumlre dann ein ebenso unerklaumlrshylicher wie sinnloser Luxus Das nicht zu verstehen ist die haarshystraumlubendste und raumltselhafteste Form der Blindheit

Der Mensch ist gerettet der den Sinn der menschlichen Subjektivitaumlt versteht in der Bedingtheit ein Spiegel des Unshybedingten und gleichzeitig eine Verlaumlngerung der goumlttlichen Subjektivitaumlt zu sein Das Unbedingte im Zufaumllligen zu beshykunden das Unendliche im Endlichen die Vollkommenheit im Unvollkommenen

Die exoterische Erloumlsung ist die Befestigung des individuellen menschlichen Subjekts oder der Seele in der unzerstoumlrbaren Aura des goumlttlichen Objektes wenn man sich so ausdruumlcken darf die esoterische Erloumlsung ihrerseits ist die

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 32: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 43

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumlts-beduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlsselzum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen auf-grund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistig-keiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

42 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genaushyso wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt vershyhindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlgshylicherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzushystellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc darshybieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 33: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg42

Wiedereingliederung des geistigen menschlichen Subjekts oder des Geistes in die goumlttliche Subjektivitaumlt diese zweite Art der Erloumlsung ndash die Befreiung (Moksha) der Vedantiker ndash schlieszligt die erste ein denn der Mensch kann als solcher nie Gott werden Sicherlich befreit sich die unwandelbare Substanz des Menschen die mit dem houmlchsten Selbst uumlbereinstimmt von der Zufaumllligkeit des Ich aber sie zerstoumlrt es nicht genau-so wenig wie die Wirklichkeit Gottes das Dasein der Welt ver-hindert

Das menschliche Individuum hat eine groszlige Sorge die alle anderen uumlbertrifft seine Seele zu retten hierfuumlr muss es einer Religion angehoumlren und um ihr angehoumlren zu koumlnnen muss es an sie glauben aber da man mit dem besten Willen der Welt nur an das glauben kann was glaubwuumlrdig ist kann es sein dass ein Mensch der zwei oder mehr Religionen hinreichend kennt und daruumlber hinaus ein gewisses Vorstellungsvermoumlgen besitzt das Gefuumlhl hat keiner von ihnen angehoumlren zu koumlnnen aufgrund der Tatsache dass sie sich dogmatisch als einzig rechtmaumlszligige und als einzig rettende Religion darbietet das heiszligt dass sie mit einem Absolutheitsanspruch auftritt moumlg-licherweise ohne in der fuumlr sie kennzeichnenden Formulierung bestimmte uumlberzeugende und beruhigende Elemente bereitzu-stellen die man vielleicht in anderen Religionen gefunden hat und ohne dass man uns von der Wertlosigkeit dieser Elemente und dieser Religionen uumlberzeugt haumltte Dass die Psalmen und das Evangelium erhaben sind kann ohne das geringste Zoumlgern zugestanden werden aber zu glauben sie enthielten in ihrem bloszligen Buchstabensinn oder in ihrem psychologischen Klima all das was die Upanishaden oder die Bhagavad Gicirctacirc dar-bieten ist eine ganz andere Frage In Wirklichkeit kann nur die weisheitliche Esoterik ndash die umfassend und allguumlltig und

43 Die Esoterik verstehen

nicht formalistisch ist ndash jedes zu Recht bestehende Kausalitaumltsshybeduumlrfnis befriedigen denn sie verfolgt tiefgruumlndige Absichten und meidet Ausdrucksweisen die mit Vorurteilen beladen sind nur sie kann auf alle Fragen antworten die von religioumlsen Meinungsverschiedenheiten und Begrenztheiten aufgeworfen werden das heiszligt dass sie unter den objektiven und subjektiven Bedingungen die wir hier im Auge haben der einzige Schluumlssel zum Verstaumlndnis einer Religion ist wobei wir hier jede Frage nach esoterischer Verwirklichung ausklammern Bei dieser Gelegenheit kann die umfassende Esoterik darauf hinweisen was in einer bestimmten Religion vom metaphysischen und mystischen ndash oder wenn man so will vom alchemischen oder taumltigen ndash Gesichtspunkt her wirklich grundlegend ist was es erlaubt auf die Religio perennis anzuspielen

Waumlhrend wir es als gegeben ansehen dass die Religionen psychologische und soziologische Bedingtheiten in Betracht ziehen muumlssen und dass sie in gewisser Hinsicht begrenzt sind nicht durch das was sie einschlieszligen sondern durch das was sie ausschlieszligen wobei sie sich trotzdem notwendigerweise mit einem unbedingten Anspruch auf Zustimmung darbieten so haben sie doch eigentlich nicht das Recht sich jedem Argument zu verschlieszligen das ihre dogmatistische Perspektive uumlbersteigt und tatsaumlchlich beruumlcksichtigt die Vorsehung die in ihnen aufshygrund ihres goumlttlichen Ursprungs wirksam ist die Lage die sich aus den ganz besonderen Umstaumlnden unserer Zeit ergibt25 so

25 Die Tatsache dass in unserem Zeitalter alles gelesen wird und alles bekannt ist hat in religioumlsen Kreisen nicht zur Folge dass fremde Geistigshykeiten fraglos anerkannt wuumlrden sondern dass man ihnen gegenuumlber eine differenzierte und oft tolerante Haltung einnimmt auszliger in gewissen Kreisen die uumlberlieferungstreue Rechtglaumlubigkeit mit dem Recht auf Verleumdung verwechseln und auf diese Weise der Sache die sie zu verteidigen suchen einen Schaden zufuumlgen Den Islam abzulehnen ist eine Sache zu behaupten er schlieszlige Frauen vom Paradies aus oder die Muslime besaumlszligen keine Tugend ist etwas ganz anderes

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 34: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 45

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaftvon der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer be-schraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahr-heit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zu-laumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kenn-zeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensicht-lich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten An-spruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnitts-menschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinner-licht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

44 Esoterik als Grundsatz und als Weg

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was aufshygrund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Abshylehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Ershyloumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a priori das zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an vershyschiedenen Orten bekunden und der historische Christus beshykunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 35: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg44

wie sie bestimmte Ausnahmesituationen zu allen Zeiten in der einen oder anderen Form beruumlcksichtigt hat

Die Religionen erklaumlren von verschiedenen Standpunkten aus den goumlttlichen Urgrund und das ewige Leben aber sie koumlnnen nicht wie die Esoterik das religioumlse Phaumlnomen als solches und das Wesen der verschiedenen Blickwinkel erklaumlren Es waumlre sinnlos sie darum zu bitten und das aus zwei Gruumlnden erstens aus dem offensichtlichen Grund dass sich jede Religion naturgemaumlszlig als die einzig moumlgliche darstellen muss denn ihr Standpunkt haumlngt von der Wahrheit ab und muss folglich jede Gefahr des Relativismus ausschlieszligen und zweitens weil die Religionen in ihrem inneren und wesentlichen Gehalt der eben die Bedingtheit der Formulierung oder der Sinnbildlichkeit uumlbersteigt das Versprechen voll und ganz einhalten das der allumfassende Charakter ihres Anspruchs mit sich bringt ndash voll und ganz das heiszligt unter Beruumlcksichtigung dessen was auf-grund der tiefgruumlndigsten Moumlglichkeit des Menschen verlangt werden kann

Die Verneinung des Kreuzes im Koran bedeutet die Ab-lehnung der geschichtlichen Erloumlsung als Bedingung der Er-loumlsung sine qua non angesichts dessen dass das Kreuz fuumlr die Christen nur aufgrund dieser geschichtlichen einmaligen und ausschlieszliglichen Erloumlsung eine Bedeutung hat Im Rahmen des Christentums ist die Vorstellung die Erloumlsung sei a prioridas zeitlose Werk des urspruumlnglichen nicht menschlichen und nicht geschichtlichen Logos sie koumlnne und muumlsse sich auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Zeiten und an ver-schiedenen Orten bekunden und der historische Christus be-kunde diesen Logos in einer von der Vorsehung bestimmten Welt ohne dass es notwendig oder auch nur moumlglich waumlre diese Welt genau zu umreiszligen eine Vorstellung so sagen wir die esoterisch ist in Bezug auf die christliche Dogmatik und es

45 Die Esoterik verstehen

waumlre unsinnig von der Theologie eine Zustimmung zu ihr zu erwarten

Es ist offensichtlich dass die esoterische Wissenschaft von der Verhaumlltnismaumlszligigkeit der religioumlsen Formen einer beshyschraumlnkteren Ordnung angehoumlrt als die grundlegende Lehre einer jeden dieser Formen ohne von ihrem tiefen Gehalt zu reden der wie wir gerade gesagt haben mit dem eigentlichen Leitgedanken der Esoterik uumlbereinstimmt

Etwas vereinfachend koumlnnten wir sagen dass die Exoterik die Form ndash das Credo ndash uumlber den Gehalt ndash die allguumlltige Wahrshyheit ndash stellt und diesen nur in Abhaumlngigkeit von jener zushylaumlsst die Form ist hier aufgrund ihres goumlttlichen Ursprungs das Kennzeichen des Gehalts Ganz im Gegensatz dazu stellt die Esoterik den Gehalt uumlber die Form und laumlsst diese nur in Abhaumlngigkeit von jenem zu fuumlr sie ist in Uumlbereinstimmung mit der echten Rangordnung der Werte der Gehalt das Kennshyzeichen der Form die eine und allguumlltige Wahrheit uumlberwacht die verschiedenartigen religioumlsen Formen der Wahrheit Wenn das Verhaumlltnis in der Exoterik umgekehrt ist dann offensichtshylich nicht als Folge eines geistigen Umsturzes sondern weil die Form als eine Kristallisation des Gehalts die Wahrheit verbuumlrgt diese wird als nur durch die Form zugaumlnglich angesehen ndash oder genauer nur durch eine Form die einen unbedingten Anshyspruch erhebt ndash und das zurecht soweit es den Durchschnittsshymenschen betrifft sonst waumlre das Ereignis der dogmatischen Offenbarung unerklaumlrlich

Die Esoterik ist in dem Maszlige wie sie unbedingt ist dadurch gekennzeichnet dass sie bei der Beruumlhrung mit einem dogmatischen System das Sinnbild oder den religioumlsen Begriff einerseits verallgemeinert und andererseits verinnershylicht das Besondere oder das Begrenzte wird als Kundgabe

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 36: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 47

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unend-lichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vor-rechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlich-keit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamt-heit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusst-sein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircraoder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Ge-sichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

46 Esoterik als Grundsatz und als Weg

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum vershyallgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vorshyschriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlgshylicherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaft ist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt ausshyschlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlbereinshystimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacirc geworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Ershygaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 37: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg46

des Urspruumlnglichen und Transzendenten erkannt und dies offenbart sich seinerseits als immanent Das Christentum ver-allgemeinert den Begriff raquoIsraellaquo indem es das goumlttliche Gesetz verinnerlicht es ersetzt die Beschneidung des Fleisches durch die des Herzens das raquoauserwaumlhlte Volklaquo durch eine Kirche zu der Menschen jeglicher Herkunft gehoumlren und aumluszligerliche Vor-schriften durch Tugenden wobei es bei all dem nicht um einen Gesetzesgehorsam geht sondern um die Liebe Gottes und letzten Endes um die mystische Vereinigung Diese Grundsaumltze oder diese Veraumlnderungen duumlrften den Essenern und moumlg-licherweise anderen juumldischen Eingeweihten kaum unbekannt gewesen sein aber die Einzigartigkeit des Christentums besteht darin hieraus eine Religion gemacht zu haben und ihnen den mosaischen Formalismus geopfert zu haben

Nach einem Grundsatz auf den wir uns schon bezogen haben kann sich die unbedingte Esoterik des Christentums nur auf die Botschaft Christi selbst beziehen diese Botschaftist mittelbar nicht unmittelbar aber ihr Ursprung liegt aus-schlieszliglich in Christus trotz bestimmter lehrlicher Uumlberein-stimmungen auf deren Moumlglichkeit oder Zweckmaumlszligigkeit wir schon aufmerksam gemacht haben Der Leitgedanke des Christentums ist dass raquoGott Mensch geworden ist auf dass der Mensch Gott werdelaquo das bedeutet in vedantischer Sprache ndash denn unser Bezugspunkt ist Shankara ndash dass raquoAcirctmacirc Macircyacircgeworden ist auf dass Macircyacirc Acirctmacirc werdelaquo26 Die Vereinigung mit Christus bringt die Angleichung an ihn mit sich27 und

26 In buddhistischer Sprache Nirvacircna ist Samsacircra geworden damit Samsacircra Nirvacircna werde Das Nirvacircna gewordene Samsacircra ist der Buddha fuumlr Zen-Buddhisten findet die Vereinigung mit Buddha in der immanenten Leere statt fuumlr Amida-Buddhisten findet sie in dem barmherzigen Namen des Buddha statt

27 Der Ritus der Kommunion ist der augenfaumllligste Hinweis darauf Zu diesem passiv ndash wenn auch fromm ndash vollzogenen Ritus muss eine aktive Er-gaumlnzung von aumlhnlicher Natur hinzugefuumlgt werden naumlmlich die gewissermaszligen

47 Die Esoterik verstehen

hierzu moumlchten wir ergaumlnzen dass die Vereinigung mit der Jungfrau die Identifizierung mit dem sanftmuumltigen und unendshylichen Anblick des Logos mit sich bringt denn die Shakti des Unbedingten ist das Unendliche alle Eigenschaften und Vorshyrechte Mariens koumlnnen auf den Duft der goumlttlichen Unendlichshykeit zuruumlckgefuumlhrt werden Maria ist eine Dimension Jesu eine Dimension die er angesprochen hat als er sagte raquoMein Joch ist sanft und meine Last ist leichtlaquo nun ist es vorteilhaft sich an diese Dimension zu wenden insbesondere um die Gesamtshyheit zu erfassen An sich verkoumlrpert die Jungfrau auch die form-lose Weisheit denn sie ist die Frau raquomit der Sonne bekleidetlaquo und die Mutter der Offenbarung Sie ist die Weisheit in ihrem Anblick der Ausstrahlung und damit der Schoumlnheit und der Barmherzigkeit28

Waumlhrend im nicht-dualistischen Vedacircnta von Shankara der grundlegende Intellekt ndash das immanente goumlttliche Bewusstshysein ndash die Wiedereingliederung in das Selbst bewirkt ist dieser rettende Intellekt im Christentum objektiviert und personifiziert in Christus und in zweiter Linie in der Heiligen Jungfrau29 im Hinduismus obliegt diese Rolle entweder dem groszligen Avatacircra oder seiner Shakti oder dem Guru je nach entsprechenden Geshysichtspunkten die manchmal miteinander verbunden werden Es ist das Amt des geschichtlichen Christus den inneren Christus zu erwecken und zu vergegenwaumlrtigen wie der Logos

sakramentale oder eucharistische Anrufung des Namens Jesu die bis zu den Urspruumlngen des Christentums zuruumlckgeht

28 Da Jesus keinen menschlichen Vater hatte bekam er seinen Leib und sein Blut von Maria was auch auf die eucharistischen Gestalten zutrifft und einen neuen Anblick der raquoMiterloumlserinlaquo offenbart

29 Nach dem heiligen Pater Kolbe ist die raquoUnbefleckte Empfaumlngnis einer der Namen des Heiligen Geisteslaquo und raquoman kann sagen dass der Geist sich durch die Vermaumlhlung mit Maria sozusagen in ihr verkoumlrpertelaquo sie ist raquoso weit mit dem Heiligen Geist vereint dass sie in seinem Namen erscheinen kannlaquo und letztlich raquoverkoumlrpert die Unbefleckte das Erbarmen Gotteslaquo

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 38: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 49

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingt-heit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht be-sitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen In-spirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit ge-sagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tat-saumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der rein-geistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

48 Esoterik als Grundsatz und als Weg

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircra und Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumlttshylicher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tatshysaumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Weltshyraum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der scheinshybaren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede menschshyliche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 39: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg48

den Christus als Mensch und in der Geschichte kundgibt ist auch der innere Christus oder der Herz-Intellekt allumfassend und damit uumlberpersoumlnlich30 Er ist raquowahrer Mensch und wahrer Gottlaquo und folglich analog gesagt Macircyacirc und Acirctmacirc Samsacircraund Nirvacircna Spiel der Verschleierung und der Entschleierung und unwandelbare Wirklichkeit kosmisches Drama und goumltt-licher Friede

Es ist ein grundlegender Irrtum den Jntildeacircni mit dem Rationalisten zu verwechseln obwohl der Rationalismus tat-saumlchlich eine Abart der erkenntnismaumlszligigen Betrachtungsweise ist denn der Jntildeacircni oder sagen wir jemand der von Natur aus auf Erkenntnis ausgerichtet ist begehrt a priori nicht nach der Erkenntnis der Wurzel der Dinge und gibt auch nicht vor diese zu besitzen er stellt vielmehr fest dass er sieht was er sieht das heiszligt er erkennt das was ihm sein raquonatuumlrlich uumlbernatuumlrlicheslaquo Unterscheidungsvermoumlgen enthuumlllt ganz gleich ob er das will oder nicht und er befindet sich so in der Lage eines Menschen der als Einziger unser Sonnensystem von einem Punkt im Welt-raum aus sehen und aufgrund dieser Tatsache die Ursachen der Jahreszeiten des Wechsels von Tag und Nacht und der schein-baren Bewegung der Sterne erkennen wuumlrde angefangen bei der Sonne Die allgemeine dogmatische und formalistische Religion ist ndash analog gesprochen ndash eng verbunden mit dem was sich einer bestimmten menschlichen Subjektivitaumlt zeigt

30 Der heilige Justin der Maumlrtyrer bemerkt in seiner Ersten Apologie dass Christus raquoder Erstgeborene Gotteslaquo sei und raquoder Logos an dem jede mensch-liche Rasse teilhatlaquo und er folgert raquoDiejenigen die in Uumlbereinstimmung mit dem Logos (= dem Intellekt) gelebt haben der in allen Menschen ist sind Christen ndash auch wenn sie gottlos genannt werden ndash wie Sokrates und Heraklit und andere Griechen hellip Wer dem Logos entsprechend gelebt hat und wer jetzt so lebt ist ein Christ der sich nicht fuumlrchten oder beunruhigen musslaquo

49 Die Esoterik verstehen

die Esoterik dagegen uumlbernimmt zwar dieses System von aumluszligeren Erscheinungen als eine Sinnbildlichkeit und auf der Ebene einer begleitenden Bhakti ist sich aber der Bedingtshyheit dessen bewusst was man paradoxerweise raquometaphysische Erscheinungenlaquo nennen koumlnnte Der Rationalist der fuumlr sich eine reingeistige Erkenntnis beansprucht deren Grundsatz er vielleicht richtig erfasst die er aber in Wirklichkeit nicht beshysitzt und der den Verstand mit dem reinen Geist verwechselt begeht damit eine Abirrung die man mit dem falschen Inshyspirationismus haumlretischer Sekten vergleichen kann da aber raquodie Verderbtheit des Besten am schlimmsten istlaquo richtet der Rationalismus viel mehr Schaden an als die falsche Mystik die immerhin nicht der Versuchung ausgesetzt ist Gott und das zukuumlnftige Leben zu leugnen An dieser Stelle ist es passend an etwas zu erinnern was wir schon bei anderer Gelegenheit geshysagt haben dass es naumlmlich zwei Quellen der Gewissheit gibt eine aumluszligere und eine innere und zwar die Offenbarung und die reingeistige Erkenntnis wobei sich der Sentimentalismus der ersteren und der Rationalismus der letzteren bemaumlchtigt tatshysaumlchlich muss die reingeistige Erkenntnis mit der Offenbarung verbunden werden so wie auch die Offenbarung von der reinshygeistigen Erkenntnis erleuchtet werden muss31

Im Uumlbrigen ist es falsch zu sagen wie dies die Fideisten tun die tunlichst eine sensualistische Haltung einnehmen dass der Verstand seine Inhalte aus zwei Quellen erhalte naumlmlich von auszligen und von oben die Unausgeglichenheit dieser Einteilung zeigt mit hinreichender Deutlichkeit ihre Unzulaumlnglichkeit In Wirklichkeit kann der Verstand seine Inhalte von auszligen und von innen von unten und von oben empfangen Von auszligen

31 Es ist die reingeistige Erkenntnis und a fortiori der innewohnende Logos auf den sich das Daimonion des Sokrates bezieht wie auch der delphische Sinnspruch raquoErkenne dich selbstlaquo

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 40: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 51

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkennt-nismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifexmaximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirk-lichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirk-lichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Minder-heiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

50 Esoterik als Grundsatz und als Weg

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durchshysichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht missshybraumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die handshywerklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem urshyspruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhlsshybetonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinnshybildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerkshyliche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 41: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg50

erhaumllt er sie entweder durch die Sinnesorgane oder durch Offenbarung von innen erhaumllt er sie entweder aus der Seele oder durch Geistesschau Das heiszligt dass das Obere und das Untere oder das Uumlbernatuumlrliche und das Natuumlrliche jeweils von innen und von auszligen eingreifen diese verschiedenen Einfluumlsse koumlnnen daruumlber hinaus aufgrund der metaphysischen Durch-sichtigkeit der Dinge und entsprechend dem platonischen Grundsatz der raquoErinnerunglaquo miteinander verbunden werden

Der Ansatzpunkt des Jntildeacircna ist der Gedanke dass der Mensch frei ist bezuumlglich seines Schicksals fuumlr diejenigen die gerettet werden wollen gibt es die Mysterien und die Einweihungen die Masse der weltlich gesinnten Menschen geht ihren eigenen Weg Seitdem die Bhakti eine Religion ist hat sie die Eigenart dass sie versucht die Menschen zu ihrer Rettung zu zwingen was den Vorteil hat bestimmte Naturen umzuwandeln und den Nachteil eine geistige Enge und einen Fanatismus zu erzeugen beides im eigentlichen und nicht miss-braumluchlichen Sinn dieser Begriffe

Hier muumlssen wir zwei Widerspruumlche erklaumlren den der handwerklichen Einweihungen und den des Kaisers Die hand-werklichen Einweihungen gehoumlren zu Jntildeacircna sind aber auf Kosmologie und Alchemie eingeschraumlnkt worden wie wir oben bemerkt haben Es geht darum den Menschen zu seinem ur-spruumlnglichen Richtmaszlig zuruumlckzubringen nicht durch gefuumlhls-betonten Heldenmut sondern einfach auf der Grundlage der Natur der Dinge und mithilfe einer handwerksbezogenen Sinn-bildlichkeit32 nun ist es augenfaumlllig dass diese Betrachtungsweise

32 Man kann zweifellos mit Recht sagen dass grosso modo die handwerk-liche Einweihung ein raquorationalerlaquo und raquotaumltigerlaquo Weg ist wenn auch auf einer bescheidenen Ebene von gelegentlich bruchstuumlckhafter Art wohingegen die religioumlse Exoterik einen raquogefuumlhlshaftenlaquo Weg der raquoBuszligelaquo bildet aber auf

51 Die Esoterik verstehen

im Fall der Freimaurerei einem humanistischen Universalismus das Feld uumlberlassen hat der nur mehr ein Zerrbild des erkenntshynismaumlszligigen Gesichtspunktes ist die entfernte Ursache hierfuumlr ist die Renaissance die naumlhere Ursache die raquoAufklaumlrunglaquo Was den Kaiser betrifft so ist der Fall widerspruumlchlich insofern das Amt dieses Alleinherrschers einerseits die Welt und nicht die Religion betrifft und andererseits die Rolle des Pontifex maximus der roumlmischen Religion fortfuumlhrt die aufgrund ihres arischen Ursprungs und trotz des Verfalls der allgemeinen auf die Mehrheit bezogenen Form von jntildeacircnischer Art war dieser hohepriesterliche und sozusagen raquognostischelaquo Rang oder diese unmittelbare Amtseinsetzung durch den Himmel ndash zwei Dinge deren sich Dante und andere Ghibellinen anscheinend voll bewusst waren ndash erklaumlrt mit welchem Recht Konstantin das Konzil von Nicaumla einberufen konnte ohne dass sich ihm jemand widersetzte ebendieser Rang wie verblasst er in Wirkshylichkeit auch sein konnte erklaumlrt die Duldung und den Wirkshylichkeitssinn der Kaiser gegenuumlber nichtchristlichen Mindershyheiten die sie zuweilen vor den Priestern schuumltzen mussten eins der eindrucksvollsten Beispiele hierfuumlr war die Eintracht zwischen Christen und Muslimen in Sizilien unter Kaiser Friedrich II

Der Unterschied zwischen dem exoterischen und dem esoterischen Gesichtspunkt wird klar wenn man die jeweiligen Einstellungen zur Moral vergleicht Auf der exoterischen Seite machen die Tugenden bereitwillig Platz fuumlr Vorurteile die durch uumlbermaumlszligigen Eifer der Wirklichkeit und folglich auch dem Erkenntnisvermoumlgen entgegenstehen auf der Seite der reinen Esoterik ndash der Esoterik die ihrer Natur ganz treu ist

einer menschlich hohen Ebene

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

Uumlbersetzung Wolf Burbat

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Page 42: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 53

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlck-sichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie unter-nehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht er-statten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Ge-dankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtig-keitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

52 Esoterik als Grundsatz und als Weg

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinnshyspruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Geshyfuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Geshysichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispielsshyweise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitelshykeit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr unshyentwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jegshylichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch uneinshygestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivishytaumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu geshyraten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Vershysuchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer menschshylich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 43: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg52

- raquogibt es kein groumlszligeres Recht als die Wahrheitlaquo wie ein Sinn-spruch der Hindus es deutlich sagt und jedes Gut muss sich aus der Natur der Dinge ergeben und nicht aus unseren Ge-fuumlhlen insofern diese jene aus dem Auge verlieren Vom Ge-sichtspunkt der Esoterik oder der Weisheit her ist beispiels-weise die Demut nicht der Wunsch nach Niedrigkeit oder das Sich-Einreden einer Niedrigkeit die man in Wirklichkeit nicht hat sondern das Bewusstsein einer Niedrigkeit die zuallererst seinsmaumlszligig ist und dann erst auf die Person bezogen ndash denn jedes Einzelwesen hat Grenzen oder sogar Maumlngel ndash und dieses sachliche und unbefangene Bewusstsein loumlst Ehrgeiz und Eitel-keit an der Wurzel auf Das heiszligt dass die Esoterik oder die Weisheit nicht mit gefuumlhlsmaumlszligigen Mitteln vorgeht die fuumlr un-entwirrbare Verwicklungen verantwortlich waumlren sondern mit dem Mittel der Unterscheidung und somit unabhaumlngig von jeg-lichem verunstaltenden und daruumlber hinaus auch noch unein-gestandenem Individualismus der Widerspruch der Exoterik ndash der auf seiner Ebene tatsaumlchlich unvermeidlich ist ndash besteht in dem individualistischem Streben nach Uumlberschreitung der Aufgeblasenheit des Individuums das bedeutet die Objektivi-taumlt mit den Mitteln der Subjektivitaumlt zu verwirklichen Auch muss der Mensch der auf gefuumlhlsbetonte Weise demuumltig ist und damit demuumltig durch Eifer vermeiden in eine Lage zu ge-raten die ihm schmeicheln koumlnnte denn das waumlre eine Ver-suchung zum Hochmut waumlhrend der Mensch der ein tiefes Bewusstsein fuumlr die Natur der Dinge hat nichts fliehen muss denn Irrtuumlmer koumlnnen ihn nicht verfuumlhren

Wie dem auch sei diese Unterscheidung zwischen zwei praktischen Sichtweisen ndash denn es handelt sich hier nicht um Philosophie ndash bliebe zweifellos zu schematisch wenn wir nicht hinzufuumlgen wuumlrden dass der Mensch immer mensch-lich bleibt das heiszligt dass die objektivste Einstellung mit gutem Recht von einem subjektiven Element begleitet wird in dem

53 Die Esoterik verstehen

Maszlige als dieses Element der Objektivitaumlt nicht schadet und dass umgekehrt die subjektivste Einstellung notwendigerweise von einem objektiven Element genaumlhrt wird denn die Demut an sich haumlngt von der Wahrheit ab Es ist auch notwendig die Verbindungen der beiden betreffenden Sichtweisen zu beruumlckshysichtigen denn es kann vorkommen dass ein Subjektivismus von einem Element der Objektivitaumlt aufgelockert wird und dass ein Objektivismus andererseits durch ein Element der Subjektivitaumlt belastet wird das chinesische Yin-Yang ist neben seinen anderen Bedeutungen ein Sinnbild fuumlr den Menschen oder auch fuumlr die Vielschichtigkeit der Seele

Was wir gerade uumlber die Demut gesagt haben betrifft in aumlhnlicher Weise auch die Naumlchstenliebe und die anderen Tugenden die daruumlber hinaus alle in gewisser Weise in der Demut eingeschlossen sind Die Tatsache dass das Uumlbermaszlig des Guten ein Uumlbel ist liegt nicht an den Tugenden an sich sondern an unseren Anstrengungen die wir fuumlr sie untershynehmen denn diese Anstrengungen koumlnnen einer schlechten Absicht entspringen es kann kein Uumlbermaszlig an echter Tugend geben so wie es auch kein Uumlbermaszlig an Objektivitaumlt und damit an Wahrheit geben kann

Eine der Arten der Esoterik ist das was man Quietismus zu nennen pflegt wovon wir hier einen kurzen Bericht ershystatten moumlchten Fuumlr die meisten Menschen gibt es eine Geshydankenverbindung zwischen dem Quietismus und vergeistigter Geschlechtlichkeit in dem Sinne dass sie glauben man koumlnne diese beiden Standpunkte auf die Versuchungen der raquoLeichtigshykeitlaquo beschraumlnken als waumlre das Leichte gleichbedeutend mit dem Falschen und das Schwierige mit dem Richtigen und als enthielten der echte Quietismus und die vergeistigte Geschlechtlichkeit nicht Gesichtspunkte wenn nicht der Buszlige

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 44: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 55

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietis-mus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseins-maumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesent-lichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das an-ziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das voll-kommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzoegli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung ver-staumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkennt-nisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

54 Esoterik als Grundsatz und als Weg

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaft sind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vorshystellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumlttshylicher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlichshykeit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre anshyscheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Unshyannehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

Frithjof Schuon Esoterik als Grundsatz und als Weg

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Page 45: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Esoterik als Grundsatz und als Weg54

dann doch solche die zumindest anspruchsvoll und ernsthaftsind In Wirklichkeit gruumlndet sich der Quietismus auf die Vor-stellung des im Dasein kundgegebenen Urgehalts und goumltt-licher Immanenz und auf der Erfahrung der Gegenwart Gottes er beruht auf dem raquoRuhen im eigenen Wesenlaquo oder anders gesagt auf dem Ruhen im goumlttlichen Frieden diese Haltung erfordert wesentlich zunaumlchst ein hinreichendes Verstaumlndnis des Mysteriums und weiter ein taumltiges Verhalten naumlmlich das immerwaumlhrende Gebet oder das raquoHerzensgebetlaquo wozu eine tief greifende Askese gehoumlrt wenn es nicht lediglich ein ganz weltliches und fluumlchtiges Improvisieren sein soll das mehr Schaden als Nutzen anrichtet Wie dem auch sei die Tatsache dass es einen gefuumlhlsbetonten Quietismus gegeben hat der sich nicht um die strengen und taumltigen Gesichtspunkte der heiligen Ruhe kuumlmmerte berechtigt nicht dazu den Quietismus an sich zu verdammen genauso wenig wie der sektiererische und innerlich ketzerische Gnostizismus dazu berechtigt die echte Gnosis zu verdammen oder genauso wenig wie Ausschweifung die Verleumdung des Tantrismus erlaubt

Auszliger dem Vorwurf der raquoLeichtigkeitlaquo gibt es auch den der raquoUnmorallaquo eine Geistigkeit die von der Geschlechtlich-keit Gebrauch macht erscheint von vornherein durch ihre an-scheinende Suche nach raquoVergnuumlgenlaquo in Verlegenheit gebracht als wenn das Vergnuumlgen einem Sinnbild seinen Wert entziehen wuumlrde und als wenn die sinnliche Erfahrung nicht mehr als ausgeglichen wuumlrde durch die gleichzeitig beschauliche und verinnerlichende Erfahrung und schlieszliglich als wenn Un-annehmlichkeit ein Kennzeichen fuumlr einen geistigen Wert waumlre Der Quietismus wird daruumlber hinaus auch deshalb der Unmoral bezichtigt weil er einen suumlndenlosen Zustand des Menschen fuumlr moumlglich haumllt eine Vorstellung die sich auf eine ndash offensichtlich missverstandene ndash Heiligkeit bezieht wo die Taten des Menschen golden sind weil sein Wesen golden ist

55 Die Esoterik verstehen

und weil alles was er beruumlhrt golden wird dies schlieszligt ganz offensichtlich wirklich boumlse Taten aus sei es in Bezug auf Gott oder in Bezug auf den Naumlchsten Tatsaumlchlich hat der Quietisshymus oft eine asketische Seite gehabt aber er laumlsst aufgrund seines Wesens ohne Weiteres die geistige Eingliederung der Geschlechtlichkeit zu umso mehr als er sozusagen daseinsshymaumlszligig mit der Schoumlnheit zusammenhaumlngt also auch mit der Liebe oder genauer mit der beschaulichen und besaumlnftigenden Seite der Liebe Aber diese Liebe ist auch ein Tod (amor = mors) sonst haumltte sie keine geistige Bedeutung raquoschwarz bin ich aber schoumlnlaquo33

33 Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang der bleibt ein Narr sein Lebelanglaquo Es ist sehr gut moumlglich dass dieser alte deutsche Spruch einen esoterischen Ursprung hat der ihn in die Naumlhe von aumlhnlichen Worten stellen wuumlrde wie man sie bei Omar Khayyacircm und anderen findet Der raquoWeinlaquo ist naumlmlich den meisten Uumlberlieferungen zufolge die raquoLiebelaquo Auf der einen Seite steht er fuumlr die esoterische Lehre insofern diese befreit und zum Wesentshylichen fuumlhrt auch wenn sie vieldeutig und gefaumlhrlich sein kann und auf der anderen Seite steht er fuumlr beschauliche Trunkenheit entweder voruumlbergehend (Hacircl) oder bestaumlndig (Maqacircm) das raquoWeiblaquo ist die Schoumlnheit oder das anshyziehende und befreiende Sehen Gottes in Formen die ihn kundgeben oder die seine strahlende Guumlte kundgeben das raquoewig Weiblichelaquo stellt auch diese Guumlte an sich dar insofern sie vergibt empfaumlngt und eint indem sie uns von foumlrmlichen und anderen Verhaumlrtungen befreit der raquoGesanglaquo ist das vollshykommene Herzensgebet der raquoLobpreislaquo der das Herz raquoauftautlaquo und es in die Wesenheit wieder eingliedert Es ist sehr unwahrscheinlich ndash nebenbei gesagt ndash nicht dass Luther diese Worte gesagt hat aber dass er ihr Autor ist denn es gibt sie auch in einer italienischen Form deren Ursprung ebenfalls anscheinend unbekannt ist (Chi non ama il vino la donna ed il canto un pazzo egli saragrave e mai un santo) in dieser Form ist die esoterische Zielrichtung vershystaumlrkt durch die Andeutung der raquoHeiligkeitlaquo Aus dem wird nie ein Heiliger ndash der Esoterik zufolge ndash der diese drei Dinge (vino donna und canto) nicht erfahren hat Aumlhnlich schreibt Omar Ibn al-Facircrid in seiner Khamriyah raquoDer hat hier unten nicht gelebt der nie trunken war und der hat kein Erkenntshynisvermoumlgen der nicht an seiner Trunkenheit gestorben istlaquo dabei ist der Mensch raquoohne Erkenntnisvermoumlgenlaquo eben gerade der raquoNarrlaquo (pazzo) sprich der weltliche oder gewoumlhnliche Mensch

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

ldquoDie Esoterik verstehenrdquo Aus

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Page 46: Die Esoterik verstehen - Frithjof Schuon · PDF fileDie Esoterik verstehen 13 Bei der Erkenntnis ist es notwendig, das Verhältnis der Ähn-lichkeit vom Verhältnis der Gleichheit

Die Esoterik verstehen 57

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Er-scheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Be-reiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einer-seits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Ur-gehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklich-keit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderer-seits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz be-ruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeits-anspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

56 Esoterik als Grundsatz und als Weg

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpfshyliche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst entshyhalten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist notshywendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Ershyfahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausendshyfachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

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Esoterik als Grundsatz und als Weg56

Der Gnostiker ist sich ndash zumindest seiner Veranlagung und Zielrichtung nach ndash immer der seinsmaumlszligigen Wurzeln der Dinge bewusst Fuumlr ihn ist das Akzidentelle nicht einfach nur dieses oder jenes es ist vor allem die vielfaumlltige und unerschoumlpf-liche Kundgabe der Substanz des Urgehaltes ein Gespuumlr das je nachdem wie konkret es ist und wie es gelebt wird nicht nur die Unterscheidungsgabe und die Sammlung einfordert und beguumlnstigt sondern auch den Adel des Charakters denn die Erkenntnis des Ganzen verlangt den ganzen Menschen Dieser Adel ist uumlberdies weitgehend in der Beschaulichkeit selbst ent-halten denn der Menschen neigt nur zur Beschauung dessen was er selbst in gewisser Weise und in einem gewissen Ausmaszlig schon ist

Das Akzidentelle ist das nicht notwendige Subjekt und Objekt es ist nicht notwendig denn nur der Urgehalt ist not-wendiges Sein Das Akzidentelle ist die Welt die uns umgibt und das Leben das uns mitreiszligt es ist der Anblick ndash oder die Phase ndash des Objektes und der Standpunkt ndash oder die Gegenwart ndash des Subjekts es sind unsere Erbanlagen unser Charakter unsere Neigungen unsere Faumlhigkeiten unser Schicksal die Tatsache dass wir Lebewesen einer bestimmten Form an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt sind und dass wir bestimmten Empfindungen Einfluumlssen und Er-fahrungen unterliegen All dies gehoumlrt zum Akzidentellen und all dies ist nichts denn das Akzidentelle das raquoZufaumllligelaquo ist nicht das notwendige Sein das Zufaumlllige ist einerseits begrenzt und andererseits voruumlbergehend Und der Inhalt von alldem ist letztlich die Gluumlckseligkeit sie ist es die uns durch tausend-fachen Nachhall und in tausendfachen Verkleidungen anzieht sie ist es die wir in all unseren Sehnsuumlchten suchen ohne es zu wissen Uumlbt das Akzidentelle Druck auf uns aus oder zerstreut

57 Die Esoterik verstehen

es uns dann sind wir nicht wahrhaft wir selbst wir sind es nur als sakramentale und befreiende Verlaumlngerung des Urgehaltes denn das wahre Sein eines jeden Geschoumlpfs ist letztlich das goumlttliche Selbst34

Wenn wir den goumlttlichen Urgehalt mit Wasser vergleichen dann kann man das Akzidentelle mit Wellen Tropfen Schnee oder Eis vergleichen mit Erscheinungen der Welt oder mit Ershyscheinungen der Seele Der Urgehalt ist reine Macht reiner Geist reine Gluumlckseligkeit das Zufaumlllige uumlbertraumlgt diese Beshyreiche auf begrenzende oder sogar verneinende Weise einershyseits raquoist es nichtlaquo und auf der anderen Seite raquoist es nichts andereslaquo als der Urgehalt Esoterisch gesprochen muss man nur zwei Verhaumlltnisse in Betracht ziehen die Transzendenz und die Immanenz Ersterer zufolge loumlscht die Wirklichkeit des Urshygehaltes die der Zufaumllligkeit aus Letzterer zufolge koumlnnen die Eigenschaften des Zufaumllligen ndash angefangen bei ihrer Wirklichshykeit ndash nur die des Urgehaltes sein Exoterisch gesprochen ist der erste Gesichtspunkt sinnlos denn die Dinge sind da und der zweite ist gottlos er ist Pantheismus denn Dinge koumlnnen nicht Gott sein Dass die Dinge einerseits da sind und dass sie anderershyseits nicht Gott sind wird von der Esoterik voll und ganz beshyruumlcksichtigt aber sie fuumlgt diesen beiden Ausgangsfeststellungen eine Tiefendimension hinzu die sich deren oberflaumlchlichen und gewissermaszligen zweidimensionalen Ausschlieszliglichkeitsshyanspruch widersetzt Waumlhrend sich die Exoterik in die Welt

34 Exoterisch wuumlrde man sagen in der Suumlnde seien wir uns selbst nicht treu was zutrifft aber nicht genuumlgt wir sind uns auch in diesen Houmlhlen des Traums nicht treu die uns verfuumlhren und uns einsperren und die fuumlr die meisten Menschen das raquowirkliche Lebenlaquo sind es sind diese Houmlhlen die jenem Giftmarkt Nahrung geben der die weltliche raquoKulturlaquo ist der irdische Traum ist eine mittelbare Suumlnde Zweifellos schlieszligt er die Ausuumlbung der Religion nicht aus aber er beeintraumlchtigt die Gottesliebe es sei denn er waumlre von solcher Art dass er sich voruumlbergehend in diese Liebe einfuumlge dank einer Oumlffnung nach oben die einen Duft ausstrahlt der schon himmlisch ist und der uns einlaumldt uns selbst zu uumlbersteigen

Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

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Esoterik als Grundsatz und als Weg 58

des Akzidentellen verschlieszligt und sich dafuumlr gerne ihres Wirkshylichkeitssinnes ruumlhmen moumlchte angesichts dessen was ihr als Wolken erscheint ist sich die Esoterik der Durchsichtigkeit der Dinge und des ihnen zugrunde liegenden Urgehalts bewusst der sich als Offenbarung als Mensch gewordener Logos als lehrhaftes und sakramentales Sinnbild kundgibt und auch im menschlichen Mikrokosmos als reingeistige Erkenntnis als Herz-Intellekt als gelebtes Sinnbild raquoKundgebenlaquo heiszligt raquoseinlaquo der Name und der Genannte sind auf geheimnisvolle Weise eins Der Heilige und a fortiori der Mensch gewordene Logos sind einerseits eine Kundgabe des Urgehaltes im Akzidentellen und andererseits die Wiedereingliederung des Akzidentellen im Urgehalt35

35 Im Islam wird dies jeweils durch die raquoNacht des Geschickslaquo (Laylat al-Qadr) und durch die raquoNacht der Himmelfahrtlaquo (Laylat al-Mirsquoracircj) dargestellt

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