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16 hf-praxis 1/2017 Messtechnik Die Zahl der 4G-Mobilfunkkunden steigt, genauso wie die mobile Datennutzung. Schätzungen gehen davon aus, dass gegen Ende 2015 an die 3,7 Exabyte/Monat erreicht wurden, was einem Anstieg von 74% im Vergleich zu Ende 2014 entspricht. Diese Dynamik sorgt bei Mobil- funkbetreibern für mehr Investi- tionen in die Bereitstellung von mehr Funkzellen (Small Cells). Zahlen des Small Cell Forum gehen davon aus, dass im Jahr 2019 bis zu sieben Small Cells in jeder Makrozelle bereitstehen. Der folgende Beitrag beschreibt die besten Praktiken für das Testen dieser Funkzellen. Small Cells verbessern die Abdeckung in Gebieten mit einer großen Anzahl hoher Gebäude, die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Damit wer- den Auslöscheffekte vermieden, die durch Straßenschluchten verursacht werden. Auch die Abdeckung in unterversorgten ländlichen Umgebungen wird mit Small Cells verbessert. Sie erhöhen zudem die Kapazität in Bereichen mit hoher Einsatz- dichte und heterogenen Netz- werken. Dabei erfolgt ein Einsatz zusammen mit der bestehenden Makrozellen-Infrastruktur. Die Umsetzung von Small Cells bringt allerdings auch Herausfor- derungen mit sich. Durch ihr ver- mehrtes Aufkommen steigt der Druck, zu gewährleisten, dass das Netzwerk und die Ausrüs- tung sachgemäß installiert und in Betrieb genommen werden. Unvollständige Tests bei der Umsetzung von Funkzellen können das Mobilfunknetz- werk stark beeinträchtigen. Die schiere Anzahl von Small-Cell- Installationen begrenzt die Mög- lichkeiten von Feldtest-Teams, die dafür verantwortlich sind, jedes Problem zu beheben. Hinzu kommt, dass Timing- Synchronisationsprobleme zwi- schen Small Cells und Makrozel- len zu Gesprächsausfällen und einer verminderten Leistungs- fähigkeit der Makrozelle führen können, was genau dem Gegen- teil der beabsichtigten Einfüh- rung von Small Cells entspricht. Test-Teams müssen daher Zugriff auf Test- und Messgeräte haben, die umfassende Funkti- onen bieten, um eine Installation und Inbetriebnahme von Small Cells zu unterstützen. Dazu zäh- Die besten Praktiken zum Testen der Ethernet- und Netzwerk- Synchronisation in Funkzellen Oliver Lanz Livingston Markus Fischer, Viavi (ehemals JDSU) www.livingston.rental.de Bild 1: Typische Konfiguration einer Funkzelle Bild 2: Testpunkte einer Funkzelle Bild 3: Grundlegende und erweiterte Mobility-Workflows

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Page 1: Die besten Praktiken zum Testen der Ethernet- und Netzwerk ...1-2… · Der eNodeB erhält seine Timing-Referenzdaten von der syntheti-sierten Timing-Schnittstelle. Die Genauigkeit

16 hf-praxis 1/2017

Messtechnik

Die Zahl der 4G-Mobilfunkkunden steigt, genauso wie die mobile Datennutzung.

Schätzungen gehen davon aus, dass gegen

Ende 2015 an die 3,7 Exabyte/Monat

erreicht wurden, was einem Anstieg von 74%

im Vergleich zu Ende 2014 entspricht.

Diese Dynamik sorgt bei Mobil-funkbetreibern für mehr Investi-tionen in die Bereitstellung von mehr Funkzellen (Small Cells). Zahlen des Small Cell Forum gehen davon aus, dass im Jahr 2019 bis zu sieben Small Cells in jeder Makrozelle bereitstehen. Der folgende Beitrag beschreibt die besten Praktiken für das Testen dieser Funkzellen.Small Cells verbessern die Ab deckung in Gebieten mit einer großen Anzahl hoher Gebäude, die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Damit wer-den Auslöscheffekte vermieden, die durch Straßenschluchten verursacht werden. Auch die Abdeckung in unterversorgten

ländlichen Umgebungen wird mit Small Cells verbessert. Sie erhöhen zudem die Kapazität in Bereichen mit hoher Einsatz-dichte und heterogenen Netz-werken. Dabei erfolgt ein Einsatz zusammen mit der bestehenden Makrozellen-Infrastruktur. Die Umsetzung von Small Cells bringt allerdings auch Herausfor-derungen mit sich. Durch ihr ver-mehrtes Aufkommen steigt der Druck, zu gewährleisten, dass das Netzwerk und die Ausrüs-tung sachgemäß installiert und in Betrieb genommen werden. Unvollständige Tests bei der Umsetzung von Funkzellen können das Mobilfunknetz-werk stark beeinträchtigen. Die

schiere Anzahl von Small-Cell-Installationen begrenzt die Mög-lichkeiten von Feldtest-Teams, die dafür verantwortlich sind, jedes Problem zu beheben.Hinzu kommt, dass Timing-Synchronisationsprobleme zwi-schen Small Cells und Makrozel-len zu Gesprächsausfällen und einer verminderten Leistungs-fähigkeit der Makrozelle führen können, was genau dem Gegen-teil der beabsichtigten Einfüh-rung von Small Cells entspricht. Test-Teams müssen daher Zugriff auf Test- und Messgeräte haben, die umfassende Funkti-onen bieten, um eine Installation und Inbetriebnahme von Small Cells zu unterstützen. Dazu zäh-

Die besten Praktiken zum Testen der Ethernet- und Netzwerk-Synchronisation in Funkzellen

Oliver Lanz Livingston

Markus Fischer, Viavi (ehemals JDSU)

www.livingston.rental.de

Bild 1: Typische Konfiguration einer Funkzelle Bild 2: Testpunkte einer Funkzelle

Bild 3: Grundlegende und erweiterte Mobility-Workflows

Page 2: Die besten Praktiken zum Testen der Ethernet- und Netzwerk ...1-2… · Der eNodeB erhält seine Timing-Referenzdaten von der syntheti-sierten Timing-Schnittstelle. Die Genauigkeit

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Messtechnik

len auch Tests für das Ethernet Backhaul, das Fronthaul CPRI und OBSAI sowie für herkömm-liche Schnittstellen.

Backhaul-Tests für FunkzellenDas Ziel von Small-Cell-Back-haul-Tests soll verhindern, dass neu aktivierte Small Cells den eigentlichen Betrieb der Makro-zellen stören. Ebenfalls muss sichergestellt sein, dass ein hoher Grad an QoE (Quality of Experience; Benutzererfahrung) für den Anwender garantiert ist, damit keine Anrufe ausfallen wenn von einer Small-Cell- auf eine Makrozellen-Abdeckung und dergleichen gewechselt wird. Diese Tests können auch die Betriebskosten im Zusam-menhang mit der Problemsuche bei Small-Cell-Installationen verringern.

In einer typischen Funkzelle ist ein Small Cell eNodeB mit einer Antenne verbunden, die das Funksignal aussendet. Die Zelle verfügt über eine Ethernet-Verbindung zum Senden/Emp-fangen des Sprach-/Datenver-kehrs sowie der Control-Plane-Information zur Koordination mit benachbarten Zellen. Neben dem Ethernet-Anschluss findet sich auch ein Timing-Eingang, von dem Timing-Informationen abgerufen werden. Die Zelle ver-

bindet ihren Ethernet-Port und die Timing-Schnittstelle mit dem CSR (Cell Site Router).

Bild 1 verdeutlicht die Umset-zung einer Funkzelle. Es gibt drei wesentliche Testpunkte, die Techniker vor Ort abdecken müssen, um eine qualitativ hoch-wertige Zellen-Performance zu gewährleisten.

Bild 2 erläutert den Ethernet-Interface-Upstream des CSR, den Ethernet- Interface-Down-stream des CSR und die syn-thetisierte Timing-Schnittstelle zwischen dem CSR und der Funkzelle.

Bild 3 zeigt, dass diese Tests in grundlegende und erweiterte Ethernet-Backhaul-Workflows zusammengefasst werden kön-nen. Es wird empfohlen, die-sen grundlegenden Workflow bei jeder eNodeB-Installation anzuwenden. Der erweiterte Workflow sollte stichprobenartig bei eNodeB-Installationen oder bei der Fehlersuche in Netzwer-ken angewendet werden, wenn Timing-bezogene Probleme auftreten. Die Tests des Basis-Workflows ermöglichen Mobil-funkbetreibern die Überprüfung der Backhaul-Netzwerkleistung vom eNodeB zum MSC (Mobile Switching Centre) und auch Tests für das Vorhandensein und die ordnungsgemäße Kon-figuration von Netzwerksyn-

chronisationsprotokollen. Der erweiterte Workflow fügt Tests zur Messung der Qualität der Netzwerksynchronisationspro-tokolle und der synthetisierten Referenztakte hinzu.

Wesentliche Testpunkte

1. Upstream des CSR

Die Ethernet-Verbindung zum Upstream des CSR transpor-tiert Ethernet-Daten und stellt die Timing-Information für den CSR bereit, um die Timing-Refe-renz für den eNodeB zu synthe-tisieren. Tests für J-Proof Layer 2 Control-Plane-Transparenz, SyncE-Konfiguration und IEEE 1588v2 PTP-Konfiguration sind erforderlich. Der erwei-terte Workflow am Testpunkt 1 umfasst Messungen eines syn-chronen Ethernet-Signals, um zu bestätigen, dass die Timing-Referenz an den CSR innerhalb der Grenzen einer bestimmten Maske bleibt. Hinzu kommen die Überprüfung der Verbindung zu einem 1588v2 Grandmaster, die genaue Messung von PDV und iPDV auf den PTP-Paketen und die Messung der Einweg-Verzö-gerung zum/vom PTP-Grandma-ster. Damit wird sichergestellt, dass die Upstream/Downstream-Verzögerungen symmetrisch und/oder stabil über der Zeit bleiben.

2. Downstream des CSRDer Ethernet-Interface-Down-stream des CSR verbindet den CSR mit dem eNodeB, damit die Übertragung von Nutzdaten- und Signalisierungsinforma tionen erfolgen kann. Die an dieser Schnittstelle durchgeführten Tests garantieren eine robuste Verbindung und akzeptable Leistungsfähigkeit zwischen dem eNodeB und MSC. Zu den Tests an diesem Punkt zählen RFC 2544 oder Y.1564 (für die Überprüfung der durchgehenden Konfiguration auf Ethernet- oder IP-Ebene); RFC 6349 TrueSpeed (zum Testen des durchgehenden Datendurchsatzes mittels TCP-Verkehr, um sicherzustellen, dass das Netzwerk den erwar-teten Datendurchsatz bereitstellt, ohne zusätzliche Belastung in das begrenzte Funkspektrum ein-zubringen). Diese Tests werden weiter unten näher beschrieben.

3. Synthetisierte Timing-SchnittstelleDer eNodeB erhält seine Timing-Referenzdaten von der syntheti-sierten Timing-Schnittstelle. Die Genauigkeit und Stabilität dieser Timing-Referenz bestimmt die Genauigkeit der über die Luft-schnittstelle übertragenen Fre-quenz. Schlechte Genauigkeit an der Luftschnittstelle kann zu Störungen in benachbarten Zel-len, Anrufausfällen oder einem

Bild 4: Grundlegender Workflow am Testpunkt 1 Bild 5: Erweiterter Workflow am Testpunkt 1

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Rubriken Messtechnik

schlechten Datendurchsatz füh-ren. Zu den wichtigen Tests zählen hier der Zeitversatz und Messungen der 1-PPS-Signale sowie der E1-, T1-, 2-MHz- und 10-MHz-Signale.

Testarten

1. RFC 2544

RFC-2544-Tests werden zur Überprüfung wichtiger Leis-tungsparameter (KPIs; Key Per-formance Indicators) auf Ether-net- oder IP-Ebene für einen einzelnen Datenverkehrsdienst durchgeführt. Dieser Teststan-dard misst den Datendurchsatz, die Latenz und den Frame-Ver-lust. Mit ihm kann die Layer-2- oder Layer-3-Datenanbin-dung beurteilt werden, wenn nur ein einzelner Datenstrom oder Single-CoS-Datenverkehr (Class-of-Service) vorhanden ist. Da nur ein einzelner Daten-strom unterstützt wird, ist RFC 2544 einfacher zu konfigurieren und läuft schneller als Y.1564.2.

Y.1564

Y.1564 ist eine umfassendere Testmethodik zur Messung von Ethernet- oder IP-KPIs, die statt RFC 2544 angewendet werden kann, wenn das Netzwerk meh-rere CoS-Datenverkehrsdienste unterstützt. Dazu zählen mehrere Ethernet-VLANs oder mehrere IP-DSCP/TOS-Werte. Y.1564-Tests ermöglichen die Überprü-fung beider Bandbreite-Profil-Datenverkehrsparameter.

3. J-Proof

J-Proof ist ein Layer 2 Control-Plane Transparenz-Test. Dieser kann sich als nützlich erweisen, wenn ein Mobilfunkbetreiber einen Ethernet Virtual Private Line Service einführt, um den Datenverkehr über ein Back-haul von einem Zellenstand-ort zum MSC transportieren möchte. Der Test bietet Pass-/Fail-Untersuchungen für jedes L2CP-Protokoll, das erfolgreich über das Netzwerk übertragen wird. Zudem werden Header- oder Payload-Fehler für L2CP-Frames angezeigt, die fehlerbe-haftet zurückgesendet werden.

4. RFC 6349 TrueSpeed

Die Messung des Datendurch-satzes auf TCP-Ebene ist ent-scheidend, um eine hochwer-tige Backhaul-Verbindung zu gewährleisten, da der von Mobil-geräten erzeugte Datenverkehr sich vor allem auf TCP stützt, wenn es um E-Mail-/App-Nut-zung und Web-Browsing geht. RFC 6349 TrueSpeed ist ein Test zur Messung des TCP-Datendurchsatzes in Upstream- und Downstream-Richtung. Der TCP-Durchsatz (gemessen auf Layer 4) kann oft wesentlich schlechter sein als der Ethernet- oder IP-Durchsatz (gemessen auf Layer 2 oder 3), da Paket-verluste, Datenstau im Netz-werk oder sich ändernde Ver-zögerungen TCP-Neuübertra-gungen verursachen können. Zu den Testparametern zählen der TCP-Durchsatz, die TCP-Effizi-enz und die Pufferverzögerung.

5. IEEE 1588v2

IEEE-1588v2-Konfigurations-tests überprüfen die Anbin-dung des Zellenstandorts an

den PTP-Master-Takt, indem ein PTP Slave Device emuliert wird. Der Test misst zudem KPIs für den PTP-Datenverkehr, wie z.B. PDV, IPDV und die Über-tragungswartezeit. Dieser Test kann mit den PTP-Paketen innerhalb der Ethernet-Frames (Layer 2 Modus) oder mit den PTP-Paketen in UDP-Segmenten (Layer 4 Modus) erfolgen. Die Haupttestparameter sind hier die Anbindung an den PTP-Master, die Pfadverzögerung und PDV.

Die Beschaffung der notwen-digen Test- und Messgeräte für diese unterschiedlichen Tests ist ebenfalls eine Herausforderung: Lieferzeiten, Vorabinvestitionen und laufende Kosten müssen dabei berücksichtigt werden. Durch eine Zusammenarbeit mit Viavi Solutions (ehemals JDSU) kann Microlease eine Vielzahl neuester Testgeräte sowie tech-nischen und logistischen Sup-port bereitstellen.

■ Livingsston www.livingstonrental.de

Bild 6: Grundlegender Workflow am Testpunkt 2 Bild 7: Erweiterter Workflow am Testpunkt 3