dicke schichten mit laser und wirbelstrom entlacken

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60 JOT 6.2013 Rückstandsfrei entschichten Dicke Schichten mit Laser und Wirbelstrom entlacken Die Laserreinigung beschränkte sich bisher auf dünne Schichten. Ausgiebige Labor- und Praxistests haben nun gezeigt, dass mit einer Kombination aus Lasertechnik und induktivem Verfahren Lack- und Epoxidschichten mit bis zu 25 mm Dicke effektiv entfernt werden können. M it moderner Lasertechnik lassen sich sowohl partielle als auch groß- flächige Bereiche mit hoher Geschwin- digkeit rückstandsfrei entlacken bezie- hungsweise entschichten. Die Ingenieure der Clean-Lasersysteme GmbH, Herzo- genrath, wollten nun endlich auch eine effiziente Lösung für die Anwendungen finden, bei denen es nicht nur um die Entlackung von dünnen Schichten, son- dern um Oberflächenbeschichtungen mit mehreren Millimetern Schichtstärke geht. Ist die abzutragende Schicht über 100 μm dick, hat sich eine kombinierte Methode als sinnvoll erwiesen. Induktives Entlacken Beim induktiven Entlacken wird mit- tels elektrischer Übertragung ein hoher Strom in ein metallisches Bauteil indu- ziert. Dazu wird eine auf die Geome- trie des Bauteils angepasste Spule mit einem Wechselstrom gespeist. Durch die induktive Übertragung bildet sich im Bauteil ein Wirbelstrom („Eddy- Current“) aus. Der Wirbelstrom führt aufgrund des endlichen Widerstandes des Metalls zu einer Erwärmung infol- ge des induzierten Stromflusses. Dieser Stromfluss findet aufgrund des Skin-Ef- fektes bei höheren Frequenzen vorwie- gend bauteiloberflächennah statt. Gän- gige Systeme zur induktiven Entlackung arbeiten aus diesem Grunde – und zur effizienteren Einkopplung der Ströme – in der Regel mit Modulationsfrequenzen im Multi-Kilohertz-Bereich. Hierdurch wird eine Erwärmung des gesamten me- tallischen Festkörpers vermieden und damit Energie eingespart. Infolge der Erwärmung des Sub- strats weicht der Lack an der Schnitt- stelle zum Metall auf und verliert seine Haſtung. Dabei kommt es bei korrek- ter Nutzung zu einer Grenzflächen- temperatur von etwa 180 bis 200 °C. Die erweichte Lackschicht lässt sich nun leicht mechanisch ablösen. Die Flächenraten beim induktiven Entla- cken betragen einschließlich der me- chanischen Entfernung der Schicht mittels Schaben, Abkratzen oder Bürs- ten etwa 20 m² pro Stunde. Gegen- über „top-down“-arbeitenden Verfah- ren, zu denen das Laserabtragen oder das konventionelle Sandstrahlen ge- hören, wirkt das induktive Entlacken vorteilhaſt direkt „unten“ an der Ver- bindungsstelle des Bauteils und ist so- mit weitgehend unabhängig von der Die Flächenraten beim induktiven Entlacken betragen einschließlich der mechanischen Entfernung der Schicht mittels Schaben, Abkratzen oder Bürsten etwa 20 m² pro Stunde ENTLACKEN JOURNAL FÜR OBERFLÄCHENTECHNIK

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Page 1: Dicke Schichten mit Laser und Wirbelstrom entlacken

60 JOT 6.2013

Rückstandsfrei entschichten

Dicke Schichten mit Laser und Wirbelstrom entlackenDie Laserreinigung beschränkte sich bisher auf dünne Schichten. Ausgiebige Labor- und Praxistests

haben nun gezeigt, dass mit einer Kombination aus Lasertechnik und induktivem Verfahren Lack- und

Epoxidschichten mit bis zu 25 mm Dicke e�ektiv entfernt werden können.

Mit moderner Lasertechnik lassen sich sowohl partielle als auch groß-

�ächige Bereiche mit hoher Geschwin-digkeit rückstandsfrei entlacken bezie-hungsweise entschichten. Die Ingenieure der Clean-Lasersysteme GmbH, Herzo-genrath, wollten nun endlich auch eine e�ziente Lösung für die Anwendungen finden, bei denen es nicht nur um die Entlackung von dünnen Schichten, son-dern um Oberflächenbeschichtungen mit mehreren Millimetern Schichtstärke geht. Ist die abzutragende Schicht über 100 µm dick, hat sich eine kombinierte Methode als sinnvoll erwiesen.

Induktives Entlacken Beim induktiven Entlacken wird mit-tels elektrischer Übertragung ein hoher Strom in ein metallisches Bauteil indu-

ziert. Dazu wird eine auf die Geome-trie des Bauteils angepasste Spule mit einem Wechselstrom gespeist. Durch die induktive Übertragung bildet sich im Bauteil ein Wirbelstrom („Eddy-Current“) aus. Der Wirbelstrom führt aufgrund des endlichen Widerstandes des Metalls zu einer Erwärmung infol-ge des induzierten Strom�usses. Dieser Strom�uss �ndet aufgrund des Skin-Ef-fektes bei höheren Frequenzen vorwie-gend bauteilober�ächennah statt. Gän-gige Systeme zur induktiven Entlackung arbeiten aus diesem Grunde – und zur e�zienteren Einkopplung der Ströme – in der Regel mit Modulationsfrequenzen im Multi-Kilohertz-Bereich. Hierdurch wird eine Erwärmung des gesamten me-tallischen Festkörpers vermieden und damit Energie eingespart.

Infolge der Erwärmung des Sub-strats weicht der Lack an der Schnitt-stelle zum Metall auf und verliert seine Ha�ung. Dabei kommt es bei korrek-ter Nutzung zu einer Grenzf lächen-temperatur von etwa 180 bis 200 °C. Die erweichte Lackschicht lässt sich nun leicht mechanisch ablösen. Die Flächenraten beim induktiven Entla-cken betragen einschließlich der me-chanischen Entfernung der Schicht mittels Schaben, Abkratzen oder Bürs-ten etwa 20 m² pro Stunde. Gegen-über „top-down“-arbeitenden Verfah-ren, zu denen das Laserabtragen oder das konventionelle Sandstrahlen ge-hören, wirkt das induktive Entlacken vorteilha� direkt „unten“ an der Ver-bindungsstelle des Bauteils und ist so-mit weitgehend unabhängig von der

Die Flächenraten beim induktiven Entlacken betragen einschließlich der mechanischen Entfernung der Schicht mittels Schaben, Abkratzen oder Bürsten etwa 20 m² pro Stunde

ENTLACKEN J O U R N A L F Ü R O B E R F L Ä C H E N T E C H N I K

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Schichtdicke der zu entfernenden Be-schichtung.

Bei stark metallisch gefüllten La-cken stößt die Technik jedoch an ih-re Grenzen. Da sich in den Metallpar-tikeln ein Induktionsstrom ausbildet, wird ein Teil der induktiv eingekoppel-ten Energie bereits in der Schicht „ab-sorbiert“. Durch die komplette Erwär-mung löst sich der Lack nicht wie ge-wünscht an der Grenz�äche ab.

Nach dem induktiven Abtrag ist eine direkte Neubeschichtung nicht be-ziehungsweise nur eingeschränkt mög-lich, da verbrannte Lackreste und Oxi-de auf der Ober�äche verbleiben, die ha�ungsreduzierend wirken. Die un-zureichende Ober�ächenkonditionie-rung erfordert nach dem induktiven Entlacken und dem mechanischen Ent-

fernen der Schicht in jedem Fall eine zusätzliche Vorbehandlung zur Auf-bringung einer Neubeschichtung.

Das LaserverfahrenWurde die ursprüngliche Schicht be-reits induktiv und mechanisch ent-fernt, so kommt das „top-down“-wir-kende Laserverfahren zum Einsatz: Kurze, kraftvolle Pulse aus gebündel-tem Laserlicht verdampfen Oxide und restliche Lackpartikel oder Beschich-tungsreste ebenso rückstandsfrei wie Flugrost oder Kondensate, die aus der induktiven Entlackung auf der Ober-f läche verblieben sind. Durch die La-sernachbearbeitung wird die Ober-f läche metallisch blank und ist op-timal für eine neue Beschichtung vorbereitet.

Die Bearbeitungsgeschwindigkeit liegt beim Einsatz leistungsstarker La-sersysteme und Schichtdicken von über 100 µm bei etwa 15 m² pro Stunde.

Da die verbleibenden Restschich-ten nach der induktiven Entlackung in der Regel Schichtdicken von deutlich unter 50 µm aufweisen beziehungs-weise lediglich eine Oxidationsschicht auf der entlackten Ober�äche vorzu-�nden ist, können leistungsschwäche-re Lasersysteme aus der Mid-Power-Serie bereits eine e�ziente Entlackung mit Flächenraten von 20 m² und mehr erzielen und somit auf die Prozessge-schwindigkeit des induktiven Prozes-ses adaptiert werden.

Bei der Konfiguration des Ge-samtsystems muss folglich darauf ge-achtet werden, dass beide Verfahren in

Beim induktiven Entlacken wird mittels elektrischer Übertragung ein Wirbelstrom in das metallische Bauteil induziert

Aufgrund der Erwärmung des Substrats weicht der Lack an der Schnittstelle zum Metall auf und verliert seine Haftung. Die erweichte Lackschicht lässt sich nun leicht mechanisch ablösen.

Durch die Lasernachbearbeitung wird die Ober�äche metallisch blank und ist optimal für eine neue Beschichtung vorbereitet

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Abhängigkeit von der Entschichtungs-aufgabe möglichst gleiche Flächenraten leisten können.

Hinsicht l ich des Energiever-brauchs weisen das induktive und das Laserverfahren allerdings signi�kante Unterschiede auf. Während das ener-giesparende Lasersystem der Mid- und High-Power-Baureihe lediglich 2 bis 8 kWh Energie aufnimmt, beträgt der Energieverbrauch leistungsstarker in-duktiver Enlackungstechnik 50 bis 80 kWh. Vergleicht man jedoch den Res-sourcenverbrauch mit anderen Ver-fahren wie zum Beispiel Wasserstrahl-Hochdruckstrahlen oder medienbe-hafteten Strahlverfahren, so ist die Kombination aus Laser und Induktion signi�kant ressourcenschonender.

Kombination aus induktivem und Laser-VerfahrenDie Laser- und Induktionstechnik er-gänzen einander und erzielen hohe Geschwindigkeiten und optimale Er-gebnisse. „CleanLaser“ bietet spezi-ell für die Entlackung einen mobilen 1000-Watt-High-Power-Laser kom-biniert mit f lexibler Induktionstech-nik an. Zu den Anwendungsbereichen zählen Schiffswerften, Brücken- und andere Stahlkonstruktionen, Instand-haltung von Industrie-Anlagen oder der Rohrleitungsbau.

Im Rahmen von ausgiebigen La-borversuchen wurde die kombinier-

te Anwendung des Laser-Indukti-onsverfahrens analysiert und bewer-tet. Es erfolgte auch eine Bewertung der Einsatzmöglichkeit durch Kun-den aus der Oil- und Offshore-Bran-che. Infolge der positiven Ergebnis-se wurden bereits leistungsstarke ma-nuell geführte Lasersysteme für diese Anwendung beschafft und befinden sich seit einiger Zeit in der Piloter-probung in der südamerikanischen Offshore-Industrie.

Im Gegensatz zu anderen Verfah-ren benötigt die Laser- und Induktions-technik keinen logistischen Aufwand für Verbrauchsmaterialien. Die Laser sind praktisch wartungsfrei. Die lau-fenden Kosten sind nicht zuletzt auf-grund des niedrigen Energieverbrau-ches des Lasers sehr gering. Bei alter-nativen, bislang eingesetzten Verfahren wie zum Beispiel Wasserhochdruck-strahlen ist der logistische Aufwand hingegen sehr hoch. Für die Laser- und Induktionsreinigung ist nur ein Strom-anschluss notwendig. Die Systeme sind ohne lange Einrichtungszeiten sofort betriebsbereit. Hinzu kommt, dass die Geräte durch die kompakte Bauweise und die lange Lichtleitfaser sehr �exi-bel eingesetzt werden können.

Die simultane Bearbeitung durch Induktion und Laserlicht ist technisch nicht möglich, da die dicke Schicht erst mechanisch entfernt werden muss be-vor der Laser das Metall blankputzt.

Umwelt und SicherheitMit dem kombinierten Verfahren liegt der Energieverbrauch etwa ein Vier-tel unter dem konventioneller Me-thoden. Mit der Lasertechnik lassen sich – bei dünneren Schichten – so-gar Energieeinsparungen von bis zu 87 Prozent erzielen. Da die Induktions-technik durch Strom und die Laser-reinigung ausschließlich durch Licht erfolgt, sind keine Strahl- oder Reini-gungsmittel erforderlich. Das reduziert wiederum deutlich das Abfallvolumen. Die Vermischung von Strahlgut ent-fällt. Die abgetragenen Partikel lassen sich rückstandsfrei absaugen und sor-tenrein entsorgen. Die Anwendung ist für den Bearbeiter einfach und für ihn und seine Umgebung ungefährlich so-wie staubfrei und leise.

Kontakt: Clean-Lasersysteme GmbH, Herzogenrath, Tel. 02407 9097-0, [email protected], www.cleanlaser.de

Visualisierung der Ober�ächentemperatur mittels Wärmebildkamera: Bei der induktiven Entlackung erhöht sich die Bauteiltemperatur auf bis zu 200°C. Beim Laserverfahren hingegen kommt es nicht zu einer Erwärmung der Teile.

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