diagnose: demenz - herausforderung in der pflege

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Bachelorarbeit Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege an der Medizinischen Universität Graz Studiengang Gesundheits- und Pflegewissenschaft im Rahmen der Lehrveranstaltung „Grundlagen für Evidence Based Nursing“ Betreuerin: Mag. phil. Dr. phil. Susanna Schaffer Billrothgasse 6 8010 Graz Verfasst von: Petra Karpf Matrikelnummer: 1033176 Graz, September 2012

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Page 1: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

Bachelorarbeit

Diagnose: Demenz -

Herausforderung in der Pflege

an der

Medizinischen Universität Graz

Studiengang Gesundheits- und Pflegewissenschaft

im Rahmen der Lehrveranstaltung

„Grundlagen für Evidence Based Nursing“

Betreuerin: Mag. phil. Dr. phil. Susanna Schaffer

Billrothgasse 6

8010 Graz

Verfasst von: Petra Karpf

Matrikelnummer: 1033176

Graz, September 2012

Page 2: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege
Page 3: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

Zusammenfassung

Meine Arbeit „Diagnose: Demenz – Herausforderung in der Pflege“ beschreibt

Möglichkeiten zur Pflege und Betreuung von desorientierten und verwirrten

Menschen, welche aufgrund ihrer psychischen Erkrankung in ihrer Selbstständigkeit

eingeschränkt sind und Hilfe bei der Bewältigung des Alltags brauchen.

Als Methode wählte ich die Literaturrecherche und wurde in der Medizinischen

Universitätsbibliothek Graz fündig. Des Weiteren nützte ich die Suchmaschinen

„google“ und „google scholar“ für Informationen.

Im ersten Teil der Arbeit wird die Krankheit aus medizinischer Sicht beleuchtet. Dabei

gehe ich unter anderem auf die Symptome, die Diagnosestellung und die

Behandlungsmöglichkeiten, welche sich in medikamentöse und nicht-medikamentöse

gliedern, ein. Darauf folgend beantworte ich die erste Forschungsfrage mit Hilfe des

psychobiografischen Konzepts von Böhm, der Validation von Naomi Feil, des

personenzentrierten Ansatzes von Tom Kitwood und der basalen Stimulation. Die

zweite Forschungsfrage wird im dritten Teil der Arbeit behandelt, welche spezielle

pflegerische Aspekte im Alltag von demenzkranken Menschen erklärt. Im

Besonderen beschäftige ich mich mit den Schwerpunkten Kommunikation,

Körperpflege, Ess- und Schlafverhalten, Mobilität und zuletzt mit der

Alltagsgestaltung.

Schlüsselwörter: Demenz, Pflegekonzepte, Validation, psychobiografisches Modell,

personenzentrierter Ansatz, Dementia Care Mapping, basale Stimulation,

Verwirrtheit, Alltag mit Demenz

Page 4: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ............................................................................... 6

2. Demenz aus medizinischer Sicht ......................................... 7

2.1 Definition von Demenz ...................................................................... 7

2.2 Symptome ......................................................................................... 7

2.3 Differentialdiagnosen ......................................................................... 9

2.4 Ursachen ........................................................................................... 10

2.5 Demenzformen .................................................................................. 11

2.5.1 Primäre Form ............................................................................. 11

2.5.2 Sekundäre Form ........................................................................ 12

2.6 Diagnostik ......................................................................................... 12

2.7 Schweregrade der Demenz ............................................................... 14

2.7.1 Leichte Demenz ......................................................................... 14

2.7.2 Mittelschwere Demenz ............................................................... 15

2.7.3 Schwere Demenz ....................................................................... 15

2.8 Therapie ............................................................................................ 15

3. Pflegemodelle für die Betreuung von

demenzkranken Menschen ................................................... 18

3.1 Psychobiografisches Pflegemodell nach Erwin Böhm ....................... 18

3.1.1 Inhaltliche Aspekte des psychobiografischen Pflegemodells ..... 18

3.1.2 Interaktionsstufen ....................................................................... 20

3.1.3 Ziele des psychobiografischen Pflegemodells ........................... 21

3.2 Validation nach Naomi Feil ................................................................ 21

3.2.1 Validation und ihre Anwendung ................................................. 22

3.2.2 Ziele der Validation .................................................................... 22

3.2.3 Validationsanwender .................................................................. 23

3.2.4 Veränderungen durch Validation ................................................ 23

3.3 Basale Stimulation ............................................................................. 23

3.3.1 Ziele der basalen Stimulation ..................................................... 24

3.3.2 Arten der basalen Stimulation .................................................... 24

3.4 Personenzentrierte Pflege nach Tom Kitwood .................................. 27

3.4.1 Bedürfnisse demenzkranker Menschen ..................................... 28

Page 5: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

3.4.2 Dementia Care Mapping (DCM) ................................................. 29

4. Pflegerische Aspekte im Umgang mit

demenzkranken Menschen ................................................... 31

4.1 Kommunikation .................................................................................. 31

4.2 Körperpflege ...................................................................................... 33

4.3 Essverhalten ..................................................................................... 34

4.4 Schlafverhalten .................................................................................. 34

4.5 Mobilität ............................................................................................. 35

4.6 Alltagsgestaltung ............................................................................... 36

5. Schlussfolgerung .................................................................. 38

6. Literaturverzeichnis .............................................................. 39

Abbildungsverzeichnis ............................................................. 41

Tabellenverzeichnis .................................................................. 41

Page 6: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

6

1. Einleitung

Die Demografie unserer österreichischen Gesellschaft veränderte sich in den letzten

Jahrzehnten enorm. Im Besonderen zeigt sich das in der demografischen Alterung.

Die Menschen werden immer älter und die Zahl der Demenzerkrankungen steigt.

Laut dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sind

zurzeit ca. 100000 Menschen in Österreich an Demenz erkrankt. Jede/r Dritte der

über 95 Jährigen leidet an dieser Krankheit (Gleichweit, Rossa 2009, S. 12). Laut

Schätzungen wird die Zahl der Betroffenen im Jahr 2050 doppelt so hoch sein

(http://www.bmask.gv.at/site/Soziales/Pflege_und_Betreuung/Betreuende_und_pfleg

ende_Angehoerige/Demenz abgerufen am 6. August 2012).

Meine ersten Kontakte mit dementen Menschen hatte ich bei meinem intramuralen

Praktikum im LKH Graz auf der Station „Spezielle Neurologie“ und vor allem bei

meinem extramuralen Praktikum in einer Langzeitpflegeeinrichtung in Graz.

Da der Großteil der zu pflegenden Personen an Demenz erkrankt war, stieg mein

Interesse für dieses Thema. Anfangs stellte es für mich eine Unsicherheit dar, diesen

Menschen zu begegnen. Die Situation im Pflegeheim zeigte sich mir sowohl für die

Bewohner/Bewohnerinnen als auch für die Pflegenden nicht zufriedenstellend. Mit

viel Empathie versuchte ich mich in die Gedankenwelt dieser Menschen zu

versetzen. Der Umgang mit demenzkranken Personen beschäftigte mich weiterhin,

sodass ich beschloss, meine Bachelorarbeit über dieses Thema zu verfassen.

Deshalb begab ich mich auf Literaturrecherche, um mehr über diese Krankheit zu

erfahren und stieß auf folgende für mich wichtige Forschungsfragen:

1. Welche Pflegemodelle unterstützen die Betreuung demenzkranker

Menschen?

2. Welche pflegerischen Aspekte gibt es im Umgang mit demenzkranken

Menschen, um deren Lebensqualität und Lebenszufriedenheit zu steigern?

Das Ziel meiner Arbeit ist es zu zeigen, dass die doch unheilbare Krankheit nicht nur

aus einem negativen Blickwinkel betrachtet wird, sondern, dass es zahlreiche

Methoden gibt, die den Alltag demenzkranker Menschen erleichtern und deren

Lebensqualität und –zufriedenheit steigern.

Page 7: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

7

2. Demenz aus medizinischer Sicht

Im ersten Teil meiner Arbeit wird das Krankheitsbild Demenz näher erläutert.

2.1 Definition von Demenz

Unter dem dementiellen Syndrom wird laut der internationalen Klassifikation

psychischer Störungen von 2011 die Folge einer zerebralen Krankheit verstanden,

welche vermehrt im höheren Alter auftritt. Demenz ist meist eine chronische oder

fortschreitende Erkrankung, welche sich auf sämtliche Funktionen des Gehirns

auswirkt und so viele kortikale Fähigkeiten, angefangen vom Gedächtnis, der

Orientierung und dem geordneten Denken über die Auffassung, Sprache und

Urteilsfähigkeit bis hin zur Lese- und Rechenfähigkeit, beeinträchtigt. Das

Bewusstsein bleibt unbeeinflusst (Dilling, Mombour et al. 2011, S. 73).

Demenz wird vom lateinischen Wort „dementia“ abgeleitet und „(…) bedeutet so viel

wie ohne Geist oder ohne Verstand“ (Gatterer, Croy 2005, S. 10). Es ist kein

einheitliches klinisches Krankheitsbild, sondern ein Syndrom. Darunter wird ein

Zustandsbild, das auf vielen verschiedenen Ursachen beruht, verstanden. Genauso

bringt diese Erkrankung viele unterschiedliche Symptome mit sich, wobei das

Hauptsymptom die Gedächtnisstörung ist. Auf Grund des Verlustes vieler

intellektueller und kognitiver Fähigkeiten wirkt sich die Krankheit stark auf das Leben

der Betroffenen und deren Angehörigen aus, denn die Lebensqualität wird mehr und

mehr eingeschränkt und der/die Demenzkranke ist auf Unterstützung angewiesen

(Gatterer, Croy 2005, S. 10).

2.2 Symptome

Das Leitsymptom und meistens auch das erste Symptom dieser organischen

Krankheit ist der Abbau der Gedächtnisleistungen. Anfangs ist ein Verlust des

Kurzzeitgedächtnisses bemerkbar, doch mit Fortschreiten der Krankheit betrifft

Demenz auch das Langzeitgedächtnis (Gatterer, Croy 2005, S. 10). Manchmal wird

bei Beginn der Krankheit eine depressive oder ängstliche Stimmung beobachtet

(Haupt, Jochheim et al. 2009, S. 413).

Page 8: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

8

„Es ist, als würde ich dem Vater in Zeitlupe beim Verbluten zusehen. Das

Leben sickert Tropfen für Tropfen aus ihm heraus. Die Persönlichkeit sickert

Tropfen für Tropfen aus der Person heraus“ (Geiger 2011, S. 12).

Demenzkranke sind in ihren intellektuellen Fähigkeiten eingeschränkt. Sie haben

Schwierigkeiten beim Bilden von Urteilen und Verfassen von Kritik und beim

abstrakten Denken. Auch sind sie in ihrer Orientierung beeinträchtigt. Oft akzeptieren

die Betroffenen die Einschränkung ihrer kognitiven Leistung nicht (Gatterer, Croy

2005, S. 10).

Des Weiteren ist typisch, dass die Erkrankten Erkenntnisstörungen (Agnosie) haben.

Nicht nur Sprachstörungen wie die Aphasie, sondern auch Beeinträchtigungen in der

Motorik, zum Beispiel das Ausführen von zielgerichteten und kontrollierten

Bewegungen, zeigen sich. Außerdem ist das Lese- und Rechenvermögen reduziert.

Er/Sie ist oft schlecht gelaunt, depressiv, unmotiviert und leicht gereizt (Schröder

2006, S. 10).

„Er hatte sich verändert, sein bedrückter Gesichtsausdruck sprach nicht mehr

von der Verzweiflung darüber, vergesslich zu sein, sondern von der tiefen

Heimatlosigkeit eines Menschen, dem die ganze Welt fremd geworden war“

(Geiger 2011, S. 55).

Merkfähigkeit, Motivation und Leistungsbereitschaft sind reduziert. Nicht

eingeschränkt sind allerdings die Vigilanz und das Bewusstsein eines/r

Demenzkranken (Gatterer, Croy 2005, S. 30).

Im weiteren Verlauf der Krankheit können Demenzkranke inkontinent, immobil und

somit bettlägerig und pflegebedürftig werden, da die Ausscheidungsfunktionen und

wie bereits erwähnt die Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt sind (Haupt, Jochheim et

al. 2009, S. 413).

Auswirkungen des dementiellen Syndroms zeigen sich im Alltag der Patienten.

Der/Die Demenzkranke hat Probleme sein/ihr Leben selbstständig zu organisieren,

denn alltägliche Aktivitäten wie sich zu kleiden oder sich zu pflegen werden im Laufe

Page 9: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

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der Krankheitsentwicklung immer langsamer und mit größeren Schwierigkeiten

ausgeführt (Haupt, Jochheim et al. 2009, S. 413).

2.3 Differentialdiagnosen

Differentialdiagnosen der Demenz sind vor allem das Delir und die Depression, denn

diese Krankheiten weisen als Symptom eine deutliche Beeinträchtigung der

kognitiven Fähigkeiten auf (Wetterling, Lanfermann 2002, S. 156).

Die Unterschiede zwischen der Demenz und den beiden Differentialdiagnosen sind

in Tabelle 1 ersichtlich.

Demenz Delir Depression

Beginn schleichend über Monate plötzlich schleichend über einige

Tage

Bewusstsein klar getrübt klar

Affektivität

- Angst

- Depressive

Stimmung

meist keine

häufig

häufig

meist keine

sehr häufig

obligat

Aufmerksamkeit normal reduziert deutlich reduziert normal reduziert

Auffassung reduziert reduziert normal reduziert

Orientierung oft beeinträchtigt gestört, v.a.

zeitlich

normal

Gedächtnis

- Kurzzeitge-

dächtnis

- Langzeitge-

dächtnis

gestört

oft beeinträchtigt

gestört

gestört

kaum gestört

oft beeinträchtigt

Halluzinationen meist keine häufig optisch u.

akustisch

meist keine

Wahn meist kein häufig meist kein

Sonstige

psychopatholog.

Symptome

Schlaf-Wach-Umkehr oft Schlaf-Wach-

Umkehr

Ein- und

Durchschlafstörungen

Page 10: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

10

Tab. 1: Differenzierung Demenz – Delir – Depression (Wetterling, Lanfermann 2002,

S. 156)

2.4 Ursachen

Die Ursache für diese psychische Störung ist bis heute noch nicht völlig erforscht. Es

wird davon ausgegangen, dass erbliche Faktoren und Umwelteinflüsse eine Rolle bei

der Entstehung der Krankheit spielen. Aus medizinischer Sicht ist bekannt, dass

Demenz „(…) eine psychische Störung (…)“ ist, „(…) die auf den Verlust von

neuronalen Verbindungen zwischen den Ganglienzellen und auf den Zerfall bzw. die

Zerstörung von Ganglienzellen selbst zurückzuführen ist“ (Gatterer, Croy 2005, S.

12).

Die genauen Ursachen sind abhängig von der jeweiligen Art der Demenz, welche im

folgenden Kapitel genauer erklärt werden.

Psychomotorik meist normal

verringert/gesteigert

verringert/ge-

steigert (stark

wechselnd)

meist normal

verringert/gesteigert

Sprache Wortfindungsstörungen

Aphasie

inkohärent normal

Körperliche

Symptome

meist keine

extrapyramidale

Störungen

häufig: Tremor,

Schwitzen,

Tachykardie

Obstipation, Müdigkeit

Page 11: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

11

2.5 Demenzformen

Abb. 1: Demenz-Formen (Keller 2009, http://www.weka.de/altenpflege/6586--

.html?content_id=30288661&newsletter=apf_apa_09_19_22930260/Diagnose_Dem

enz%3A_Formen_und_Symptome_(Teil_2)&va=22930260 abgerufen am 23. Juli

2012)

Wie in Abbildung 1 ersichtlich, wird beim dementiellen Syndrom zwischen „(primäre)

hirnorganische und (sekundäre) nicht-hirnorganische Demenzformen“ unterschieden

(Gatterer, Croy 2005, S. 12).

2.5.1 Primäre Form

Ca. 90% aller Demenzkranken leiden an der hirnorganischen Demenzform. Bei

dieser Demenzform bilden „neurodegenerative oder vaskuläre (gefäßbedingte)

Veränderungen“ die Ursache (Gatterer, Croy 2005, S. 12).

1. Alzheimer-Demenz: Hier liegen neurodegenerative Veränderungen vor. Das

bedeutet, dass sich die Nervenzellen ohne ersichtlichen Grund reduzieren.

Acetylcholin, ein wichtiger Neurotransmitter, der für das Speichern und

Abrufen von Informationen verantwortlich ist, wird zu wenig gebildet.

Außerdem sind Eiweißablagerungen aus Amyloid im Gehirn typisch.

Die genauen Ursachen für die Alzheimer-Demenz, welche häufiger als die

vaskuläre Demenz vorkommt, sind bis heute noch ungeklärt.

Wissenschaftliche Forschungen ergeben allerdings, dass zunehmendes Alter,

weibliches Geschlecht, genetische Belastungen, Rauchen und Alkohol

Page 12: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

12

Risikofaktoren sind. Der Verlauf der Krankheit ist meist schleichend und

kontinuierlich (Gatterer, Croy 2005, S. 14 – 17).

2. Vaskuläre Demenz: Durch gefäßbedingte Ursachen wie zum Beispiel einem

Schlaganfall aufgrund einer Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff

oder Durchblutungsstörungen, kann eine vaskuläre Demenz entstehen.

Risikofaktoren für die Entstehung der Krankheit sind Hypertonie, Rauchen,

Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie. Im Unterschied zur Alzheimer-

Demenz weist die vaskuläre Demenz einen plötzlichen Beginn auf und

schreitet stufenweise voran (Gatterer, Croy 2005, S. 19).

3. Mischform: Dies ist eine Kombination dieser beiden hirnorganischen

Demenzarten (Gatterer, Croy 2005, S. 12).

2.5.2 Sekundäre Form

Bei der nicht-hirnorganischen Demenz bilden andere organische Krankheiten die

Ursache für die Verhaltens-, Befindlichkeits- und kognitiven Veränderungen. Gründe

für die Entstehung dieser Demenzform können zum Beispiel Hirnverletzungen,

Herzkreislauferkrankungen, Hirngeschwulste aber auch Medikamente, Alkohol und

andere Drogen sein (Gatterer, Croy 2005, S. 12).

2.6 Diagnostik

Für die Diagnose des dementiellen Syndroms müssen laut dem „Diagnostic and

Statistical Manual“ folgende Kriterien erfüllt werden: „Eine nachweisbare

Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses und mindestens eines der

folgenden vier Merkmale (…):

1.) Beeinträchtigung des abstrakten Denkvermögens

2.) Beeinträchtigung des Urteilsvermögens

3.) Störung höherer kortikaler Funktionen, wie Aphasie (…), Apraxie, (…),

Agnosie (…) und konstruktiver Aufgaben (…)

4.) Persönlichkeitsveränderungen (…)“

(Gatterer, Croy 2005, S. 31).

Page 13: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

13

Bedeutend ist, dass die kognitiven und motorischen Einschränkungen das Erledigen

von Alltagsaktivitäten, das Sozial- und Beziehungsleben beeinträchtigen. Diese

Störungen dürfen „nicht während eines Delirs (einer „kurzfristigen Verwirrtheit“)

auftreten“ und „es sollen Hinweise auf einen spezifischen organischen Faktor, der

einen ätiologischen Zusammenhang mit der Störung nahe legt, vorhanden sein“

(Gatterer, Croy 2005, S. 31). Des Weiteren muss festgestellt werden, dass den

Beeinträchtigungen keine psychische Störung zu Grunde liegt (Gatterer, Croy 2005,

S. 31).

Zur Diagnosestellung werden zu Beginn eine ausführliche Anamnese und im

Folgenden viele verschiedene Untersuchungen mit dem Patienten/der Patientin

durchgeführt wie zum Beispiel internistische und neurologische Untersuchungen,

Blutabnahmen, EKG, EEG, MRT und CT. Eine Positronen-Emissions-Tomographie

und eine Single-Photon-Emissions-Computertomographie werden zum Ausschluss

von Differentialdiagnosen gemacht, denn damit kann „die Durchblutung, der

Stoffwechsel, die Glukoseverteilung und die Rezeptorendichte und Aktivität von

Gehirnarealen untersucht werden (…)“ (Gatterer, Croy 2005, S. 32). Außerdem

werden Tests zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten und Beeinträchtigungen

gemacht. Dazu gehören unter anderem der Mini-Mental-State-Fragebogen, der

Uhrentest, eine Depressionsskala und wenn möglich eine Fremdanamnese durch

Angehörige. Häufig finden diese Untersuchungen in Spezialzentren wie zum Beispiel

in einer Memory-Klinik oder in Gedächtnisambulanzen statt (Gatterer, Croy 2005, S.

32; 46).

Um festzustellen, ob eine Alzheimer oder eine vaskuläre Demenz vorliegt, wird der

Ischämie-Score nach Hachinski berechnet, welcher sich in die Anamnese und die

medizinischen Befunde gliedert. Allerdings ist anzumerken, dass endgültig eine

Demenz des Alzheimer-Typs erst mittels einer „(…) Gewebeprobe aus dem Gehirn

oder durch die Untersuchung des Gehirns (…)“ des verstorbenen demenzkranken

Menschen ermittelt werden kann (Gatterer, Croy 2005, S. 34f).

Eine Diagnose darf nicht aufgrund rein körperlicher Symptome gestellt werden, denn

„erst in fortgeschrittenen Stadien sind diskrete neurologische Auffälligkeiten

Page 14: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

14

feststellbar“. Um eine Depression auszuschließen, wird eine „psychiatrische

Untersuchung“ durchgeführt (Lektorat Pflege, Menche 2011, S. 1247).

Die ersten Symptome werden von dem/der Betroffenen oft nicht erkannt oder er/sie

verleugnet sie. Erst wenn die Angehörigen die Verhaltensveränderungen und den

Verlust an Erinnerungen bemerken, schreiten sie ein und kontaktieren oftmals den

Hausarzt/die Hausärztin. Diese/r verweist gegebenenfalls seinen Patienten/seine

Patientin an einen Facharzt/eine Fachärztin weiter, welche/r die Diagnose stellt,

wobei dafür eine Zusammenarbeit von verschiedenen Fachdisziplinen sowie mit dem

Patienten/der Patientin und seinen/ihren Angehörigen wichtig ist. Entscheidend ist,

dass die Symptome „mindestens sechs Monate“ bestehen müssen (Gatterer, Croy

2005, S. 30f).

2.7 Schweregrade der Demenz

Es wird zwischen drei Schweregraden des dementiellen Syndroms unterschieden:

der leichten, der mittelschweren und der schweren Demenz (Lektorat Pflege, Menche

2011, S. 1246). In folgender Abbildung 2 ist ein Uhrentest sichtbar, welcher die

Stadien der Demenz widerspiegelt.

Normale Leistung Leichte Demenz Mittelschwere Demenz Schwere Demenz

Abb. 2: Uhrentest (Stiftung Warentest 2007, http://www.test.de/Demenz-und-

Alzheimer-Wie-Sie-helfen-koennen-1494425-2494425/)

2.7.1 Leichte Demenz

Eine leichte Demenz liegt vor, wenn die Betroffenen in ihrer gewohnten Umgebung

die meisten Alltagsaktivitäten noch ausüben können, jedoch bereits über

Beeinträchtigungen klagen wie zum Beispiel das Vergessen von Erlebnissen vor

kurzer Zeit, Wortfindungsstörungen, anfängliche Probleme sich in fremder

Umgebung zurechtzufinden oder anspruchsvolle Tätigkeiten zu erledigen, jedoch

Page 15: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

15

können sie noch ein unabhängiges Leben führen. Oft treten

Stimmungsschwankungen auf (Lektorat Pflege, Menche 2011, S. 1246).

2.7.2 Mittelschwere Demenz

Menschen mit einer mittelschweren Demenz leiden bereits zusätzlich an Störungen

des Langzeitgedächtnisses und vermehrt an Orientierungsstörungen. Sie verlieren

zunehmend die Fähigkeit Alltagsaktivitäten auszuführen, einfache Aufgaben können

noch erledigt werden. Die Betroffenen sind nun bereits in einem Stadium, in dem sie

ihre Krankheit nicht mehr verbergen können und auf Hilfe und Unterstützung, zum

Beispiel in Form einer Aufsichtsperson, angewiesen sind (Lektorat Pflege, Menche

2011, S. 1246).

2.7.3 Schwere Demenz

Personen mit einem höheren Grad an Demenz sind hilfsbedürftig und brauchen

Unterstützung in allen Lebensbereichen. Ihre motorischen Fähigkeiten verlieren sie

mehr und mehr und erkranken zunehmend an körperlichen Komplikationen. Zudem

können sie nur noch wenige Wörter sprechen (Lektorat Pflege, Menche 2011, S.

1246).

2.8 Therapie

Die einzelnen Therapien lassen sich in drei Gruppierungen einteilen:

1. „Basistherapie“: Dazu zählen regelmäßige Kontrollen und die medizinische

Behandlung von Begleiterkrankungen und Risikofaktoren wie Übergewicht,

Hypertonie oder Hypercholesterinämie (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).

2. „Nicht-medikamentöse Therapie“:

a. „Kognitiv-aktivierende Maßnahmen“: Zum Beispiel „(…)

Gedächtnisprogramme, kognitives Training oder auch das

Realitätsorientierungstraining (ROT), zielen darauf ab, die kognitiven

Fähigkeiten von Menschen mit Demenz zu verbessern oder zumindest

zu aktivieren und zu fördern“ (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).

Allerdings sollten solche Trainings nur bei Demenz im leichten Stadium

durchgeführt werden, denn ansonsten betonen sie den

Gedächtnisverlust der Betroffenen und bewirken eine frustrierte

Page 16: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

16

Stimmung. Dies kann dazu führen, dass sich die Demenzkranken

immer mehr zurückziehen (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).

b. „Ressourcen-orientierte Maßnahmen“: Diese Maßnahmen

konzentrieren sich auf die Verbesserung von nicht-kognitiven Faktoren

und tragen somit zur Förderung der Lebensqualität bei.

„Musik(therapie), Ergotherapie, Kunst- und Tanztherapie, Validation,

basale Stimulation (…), Verhaltenstherapie/-management (…)“ können

in jedem Krankheitsstadium angeordnet werden (Haberstroh, Pantel

2011, S. 27 – 29).

c. „Schulung der Pflegepersonen“: Erwähnenswert dabei ist die

Psychoedukation. Wichtig ist, dass nicht nur das Pflegepersonal,

sondern auch die Angehörigen Informationen über den richtigen

Umgang mit einem demenzkranken Menschen erhalten, denn durch

deren Hilfe stehen sie im unmittelbaren Kontakt mit dem/r Betroffenen

und beeinflussen seine/ihre Lebensqualität (Haberstroh, Pantel 2011,

S. 27 – 29).

3. Medikamentöse Therapie

a. „Behandlung der kognitiven Symptome“: Cholinesterasehemmer

beeinflussen sowohl kognitive Fähigkeiten wie zum Beispiel das

Leistungsniveau als auch nicht-kognitive Fähigkeiten. Des Weiteren

zeigen Memantine bei starker Alzheimer-Demenz gute Erfolge

(Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).

b. „Behandlung der nicht-kognitiven Symptome“: Psychopharmaka, vor

allem Neuroleptika, Antidepressiva und Hypnotika, werden zur

Behandlung von Depressivität, Wahnstörungen, Unruhe, Aggressivität

und Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus eingesetzt (Haberstroh,

Pantel 2011, S. 27 – 29).

c. „Behandlung des vaskulären Risikoprofils“: Die Hypertonie, der

Blutzucker und der Cholesterinwert im Blut werden durch Optimierung

bzw. Senkung behandelt (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).

Bei all den genannten Therapiearten von Demenz ist wichtig zu beachten, dass nie

alle Behandlungen für jeden Patienten/jede Patientin gleich passend sind. Die

Page 17: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

17

Therapie muss individuell auf den Betroffenen/die Betroffene abgestimmt werden.

Des Weiteren gibt es für manche nicht-medikamentöse Verfahren noch keine

wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).

Page 18: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

18

3. Pflegemodelle für die Betreuung von demenzkranken Menschen

Bei der Recherche nach passender Literatur zum Thema „Betreuung von

demenzkranken Menschen“ bin ich auf verschiedene Pflegemodelle gestoßen. Diese

beschreiben den Umgang mit dementen Personen und liefern wichtige Informationen

und Hilfestellungen für die Angehörigen und die Pflegenden. Dadurch wird die

Betreuung, Begleitung und Förderung verwirrter Menschen erleichtert, unterstützt

und verbessert. Im Folgenden möchte ich nun einen Auszug aus einigen

Pflegekonzepten bringen.

3.1 Psychobiografisches Pflegemodell nach Erwin Böhm

Erwin Böhm, geboren am 16. April 1940 in Wien, als Krankenpfleger tätig, widmete

sich bereits früh Fachgebieten der Psychiatrie. Er schrieb Bücher über die

Krankenpflege und die Pflege demenzkranker Menschen. 1985 veröffentlichte er sein

erstes Buch mit dem Titel „Krankenpflege – Brücke in den Alltag“. Bald darauf, 1988,

erschien das Buch „Verwirrt nicht die Verwirrten“, mit welchem er große Erfolge

erzielen konnte, denn darin beschreibt Böhm ein Reaktivierungskonzept, welches

„(…) den Bewohnern Hilfe zur Selbsthilfe geben“ soll (ENPP-Boehm GmbH o.J.,

http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-boehm-gmbh/erwin-boehm.html abgerufen am

23. Juli 2012). Aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit erlangte er im Jahr 2008 das

goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich. Er gilt als der „(…) Begründer der

Psychobiographischen Pflegetheorie und des Psychobiographischen Pflegemodells

(…)“, denn er entwickelte damit einen „(…) ganzheitlichen und äußerst

praxisorientierten Ansatz für die Geriatrie, Gerontopsychiatrie und Psychogeriatrie

(…)“ (ENPP-Boehm GmbH o.J., http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-boehm-

gmbh/erwin-boehm.html abgerufen am 23. Juli 2012). Als erster Pflegeforscher

konzipierte er somit ein Modell für die Betreuung und Pflege von Menschen mit

psychischer Beeinträchtigung (Messer 2009, S. 56).

3.1.1 Inhaltliche Aspekte des psychobiografischen Pflegemodells

Böhm kritisierte die bisherige Arbeitsweise mit psychisch betagten

Patienten/Patientinnen und stellte mit seinem Ausspruch „‚Wir alle sind zum Leben,

zum Wiederaufleben und Lebendig-sein und nicht zum Aufheben in einer bestimmten

Institution geschaffen‘“ „(…) die bisher übliche somatisch orientierte Sichtweise in

Frage“ (Messer 2009, S. 56). Während seiner Arbeit in der Gesundheits- und

Page 19: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

19

Krankenpflege fiel ihm auf, dass die Pflegekräfte den

Heimbewohnern/Heimbewohnerinnen alle Tätigkeiten abnahmen. Die

Bewohner/Bewohnerinnen wurden nicht dazu animiert und motiviert, die Tätigkeiten

selbst auszuführen. Die Menschen vereinsamten daraufhin und hatten keine eigenen

Aufgaben mehr zu erledigen. Daraufhin entwickelte Böhm 1965 das

Reaktivierungsmodell, welches besagt, dass die Demenzkranken selbst versuchen

sollen, ihre Alltagsaktivitäten eigenständig auszuüben. Er wollte die Menschen

motivieren, aktiv und selbstständig alltägliche Tätigkeiten, die ihnen von früher

bekannt waren, wieder aufzunehmen. Dazu musste im Vorfeld eine Recherche

mittels Biografiearbeit mühsam durchgeführt werden (ENPP-Boehm GmbH o.J.,

http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-boehm-gmbh/erwin-boehm.html abgerufen am

23. Juli 2012).

Für ihn ist es wichtig, dass zuerst auf die Biographie und somit auf die Psyche und

Persönlichkeit des Demenzkranken eingegangen wird, ehe die Körperteile in den

Mittelpunkt der Pflege gerückt werden. Das besagt auch sein Ausspruch „‚Zuerst

muss die Seele bewegt werden‘“ (Messer 2009, S. 56; 58).

Böhm legt in seinem psychobiographischen Pflegemodell fest, dass die „(…)

gefühlsmäßigen (emotionalen) und triebhaften Bedürfnisse (…)“ eines

demenzkranken Menschen erkannt werden müssen (Messer 2009, S. 57). Die

Biographie wird mit dem Patienten/der Patientin erarbeitet, denn laut Böhm entsteht

aus der Lebensgeschichte die Erkrankung, welche eher „‚(…) als seelisches

Problem verstanden (…)‘“ wird (Messer 2009, S. 57). Nicht nur die Lebensgeschichte

wie Familie, Wohnort, Schulbildung und beruflicher Werdegang, sondern auch Werte,

Normen und prägende Lebensereignisse des/der Demenzkranken sind für die Pflege

wichtig. Durch dieses Gespräch werden die Betroffenen reaktiviert und ihre

Gewohnheiten und individuellen Bedürfnissen werden ihnen bewusst. Dadurch

erkennen sie einen Sinn für das selbstständige Mitarbeiten in der Pflege (Messer

2009, S. 57f).

Viele Demenzkranke befinden sich bereits in einem schweren Stadium der

Krankheitsentwicklung und weisen erhebliche Beeinträchtigungen in der

Kommunikation auf. Genau diese Personen möchte Böhm über Töne, Berührungen

Page 20: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

20

oder Stimmungen erreichen wie zum Beispiel mittels Gerüche, Gegenstände, Tiere

oder Menschen (Messer 2009, S. 57).

Wie bereits erwähnt, ist für ihn die Beziehung zwischen Pflegekraft und dem/der zu

Pflegenden besonders wichtig. Er vertritt die Meinung, „(…) dass die Haltung der

Pflegekraft die Handlung bestimmt. (…) Denn die Sichtweise der Pflegenden

bestimmt die Pflegeform und die Haltung, den Ausdruck der Pflegeden“ (Messer

2009, S. 58). Durch die Biografiearbeit lernt der/die Pflegende seinen Patienten/seine

Patientin besser kennen und ändert dadurch auch seine/ihre Sichtweise in der Pflege

(Messer 2009, S. 58).

Des Weiteren ist es für Böhm von Bedeutung, dass eine Pflegediagnose erstellt wird,

um die Situation des Patienten/der Patientin genau zu verstehen. Diese

Pflegediagnose ist jedoch von „(…) der ärztlichen Diagnose, der Pflegeanamnese,

dem Patienten/Klientenstatus (psychisch, physisch und sozial) dem

differentialdiagnostischen Ausgang (…)“ und „(…) der Biographieerhebung, -arbeit“

abhängig (Messer 2009, S. 59f).

3.1.2 Interaktionsstufen

„Böhm unterscheidet in seinem Modell verschiedene Stufen der Erreichbarkeit oder

Interaktionsstufen, in denen sich ein Mensch befinden kann“ (Messer 2009, S. 59).

Durch die Einteilung der Demenzkranken in ihre jeweilige Stufe kann besser

herausgefunden werden, wie es ihnen geht und welche Ressourcen und

Kompetenzen sie aufbringen. So kann der/die Betroffene individuell und speziell

gefördert werden (Messer 2009, S. 59).

„Reaktivieren 1: Sozialisation, historische, regionale Geschichte und Zeitgeist

Reaktivieren 2: Mutterwitz je nach Region, ironischer Witz, Dialekt und

Muttersprache

Reaktivieren 3: Emotionale Grundbedürfnisse, höhere Akkus der Seele

Reaktivieren 4: Prägung, Aphorismen, bestimmte Verhaltensmuster,

Milieusprache, Sprüche der Region, Arbeiter, Bürger etc.; Was macht mich

wichtig? Was erregt mich? Wie mache ich was nach meinem Stil?

Reaktivieren 5: Höhere und niedere Triebe und Motive

Page 21: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

21

Reaktivieren 6: Intuition, Aberglaube, Volksbrauchtum und Religion

Reaktivieren 7: Urkommunikation“

(Messer 2009, S. 59)

3.1.3 Ziele des psychobiografischen Pflegemodells

Mit seiner Pflegetheorie will Erwin Böhm die Psyche des Menschen wiederaufbauen,

aufrecht erhalten und verbessern. Des Weiteren sind verbliebene Fertigkeiten und

Fähigkeiten intensiv und kontinuierlich zu fördern. Unabhängig davon ist es wichtig,

seine/ihre Identität und Persönlichkeit zu respektieren (ENPP-Boehm GmbH o.J.,

http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-boehm-gmbh/erwin-boehm.html abgerufen am

23. Juli 2012).

Er möchte in der Pflege erreichen, dass die betagten Menschen wieder aktiv im

Leben stehen und sich nicht zurückziehen, was ein Fortschreiten ihrer Krankheit

verursachen kann (Messer 2009, S. 58).

3.2 Validation nach Naomi Feil

„In den Schuhen des anderen gehen“ ist ein bekannter Leitgedanke des

Pflegekonzepts „Validation“, welches ab 1963 in den USA von Naomi Feil entwickelt

wurde (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 15). Validation ist eine Methode zur Behandlung

und Pflege von desorientierten alten Menschen. (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 167).

Es geht darum, sehr alte, mangelhaft orientierte oder desorientierte Menschen

besser verstehen zu können und sich in sie hineinzuversetzen. Beim Validieren

werden die Gefühle eines/r anderen anerkannt und ihm/ihr dadurch gezeigt, dass

„(…) seine Gefühle wahr sind“ (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 15).

Besonders wichtig in der Validation ist das Einfühlungsvermögen. Durch das

Kennenlernen der Gefühle des/der anderen wird Vertrauen geschaffen, welches

erneut Selbstwertgefühl erzeugt und Stress reduziert. Durch die Validation kann ein

desorientierter, alter Mensch seine verlorene Würde wiedererlangen (Feil, de Klerk-

Rubin 2010, S. 15).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Validation eine Kombination aus

folgendem ist:

Page 22: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

22

„einer grundlegenden, einfühlsamen Einstellung,

einer Entwicklungsmethode für alte, mangelhaft orientierte und desorientierte

Menschen, die uns hilft, ihr Verhalten zu verstehen, und

eine spezifische Technik, die diesen Menschen hilft, ihre Würde

wiederzugewinnen“

(Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 15)

3.2.1 Validation und ihre Anwendung

Menschen, die zwar an einer geistigen Behinderung oder einer Geisteskrankheit

leiden, jedoch orientiert sind, werden nicht validiert. Weitere Ausschlusskriterien für

Validation sind kein hohes Alter und ein organisches Trauma wie zum Beispiel eine

Sprachstörung aufgrund eines Schlaganfalls. Validation wird nur bei desorientierten,

alten Menschen (80 Jahre oder älter), bei denen keine psychische Erkrankung

voraus gegangen ist, durchgeführt. Die Ursache der Desorientierung darf keine

körperliche Vorerkrankung sein, sondern sie entsteht aufgrund einer Kombination

von physischen, psychischen und sozialen Verlusten (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S.

43f).

3.2.2 Ziele der Validation

„Dazu beitragen, dass ältere Personen möglichst lange in ihren eigenen

Wohnungen bleiben können

Wiederherstellen des Selbstwertgefühls

Reduktion von Stress

Rechtfertigung des gelebten Lebens

Lösen der unausgetragenen Konflikte aus der Vergangenheit

Reduktion chemischer und physischer Zwangsmittel

Verbesserung der verbalen und nonverbalen Kommunikation

Verhindern eines Rückzugs in das Vegetieren

Verbesserung des Gehvermögens und des körperlichen Wohlbefindens

Pflegern Freude und neue Energie schenken

Familien helfen, mit ihren desorientierten Angehörigen zu kommunizieren“

(Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 15f)

Page 23: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

23

3.2.3 Validationsanwender

Validationsanwender sind Personen, die sehr alte, desorientierte Menschen in ihrer

eigenen Lebenswelt mit Empathie begegnen und deren Gefühle zu verstehen und zu

respektieren versuchen. Sie holen diese Menschen in ihrer Welt ab, in der sie sich

gerade befinden, um sie vor der Isolation zu bewahren (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S.

52 – 56). Validationsanwender akzeptieren die Meinungen des alten Menschen,

geben kein Urteil und keine Ratschläge ab, sondern sind „vertrauensvolle Zuhörer“

(Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 53). „Die Aufgabe der Validationsanwender liegt darin,

dem sehr alten, desorientierten Menschen bei der Erfüllung der letzten

Lebensaufgabe zu helfen: in Frieden zu sterben“ (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 53).

3.2.4 Veränderungen durch Validation

„Validation ist ein Prozess, durch den verwirrte, sehr alte Menschen verbal und

nonverbal kommunizieren können, egal was sie gerade auf dem Herzen haben oder

wo sie in Gedanken sind“ (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 56)

Validation wirkt sich in langsamen Schritten positiv auf das Verhalten desorientierter,

alter Menschen aus. So verbessern sich unter anderem die Sitzhaltung und der

Gang, unkontrollierte Bewegungen nehmen ab und die verbale und nonverbale

Ausdrucksfähigkeit wird gesteigert. Die Menschen lernen wieder fröhlicher zu sein

und entwickeln ein größeres Selbstwertgefühl, welches ihr Wohlbefinden und ihre

Lebensqualität steigert. Nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch deren

Verwandte und Pflegende werden durch Validation positiv beeinflusst. Sie erleben

wieder mehr Freude, bekommen Lebensenergie und können mit ihren

Familienmitgliedern stressfreier umgehen (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 56f.).

3.3 Basale Stimulation

Basale Stimulation ist ein Konzept, welches ursprünglich vom Psychologen Prof. Dr.

Andreas Fröhlich für behinderte Kinder entwickelt wurde und in Zusammenarbeit mit

Christel Bienstein in die Pflege integriert wurde (Messer 2009, S. 86). Für Bienstein

bedeutet basale Stimulation „‚(…) den Menschen dort abzuholen, wo er wahrnehmen

kann, und ihn von dort ausgehend zu fördern. Basale Stimulation knüpft an die

primärsten Wahrnehmungserfahrungen des Menschen an. Sie setzt nichts voraus‘“

(Gatterer, Croy 2005, S. 176).

Page 24: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

24

Die basale Stimulation wird bei der Behandlung und Pflege von schwer dementen

Personen angewandt, um deren Wahrnehmung zu erhalten, zu fördern oder wieder

herzustellen (Gatterer, Croy 2005, S. 176). Die Betroffenen gelangen zu einem

bewussten Erleben des eigenen Körpers (Messer 2009, S. 86). Es wird

angenommen, dass selbst Personen mit schwerer Wahrnehmungsbeeinträchtigung

Berührungen, „(…) Gleichgewichtsreaktionen und Vibrationen spüren“ können

(Gatterer, Croy 2005, S. 176).

Bei der Durchführung aller Maßnahmen ist wichtig, dass das Wohlbefinden des

Menschen beachtet wird und nur solche Interventionen durchgeführt werden, welche

der schwer beeinträchtigten Person helfen (Gatterer, Croy 2005, S. 176). Des

Weiteren darf es zu keiner Reizüberflutung kommen (Messer 2009, S. 79).

3.3.1 Ziele der basalen Stimulation

Die Ziele von basaler Stimulation sind die Förderung und Verbesserung der

Wahrnehmung, der Bewegung und der Kommunikation. (Gatterer, Croy 2005, S.

176). Da wahrnehmungsbeeinträchtigte Personen auf Sinnesreize reagieren, kann

durch mehrmaliges Stimulieren der Sinne verhindert werden, dass sich diese

Menschen zurückziehen und isoliert leben (Stoppe 2007, S. 118). Außerdem können

alte Erinnerungen der Demenzkranken durch Stimulationen mit Gegenständen oder

Nahrungsmitteln geweckt werden (Messer 2009, S. 87f).

3.3.2 Arten der basalen Stimulation

Körperstimulation durch Druck, Gleichgewichtsstimulation durch das „Schaukeln im

Schaukelstuhl“, haptische Stimulation durch das Einreiben des eigenen Körpers mit

einer Creme oder auch vibratorische Stimulation durch das Halten eines elektrischen

Rasierers in der Hand sollen helfen, dass sich schwer beeinträchtigte Menschen

selbst wahrnehmen und begreifen können (Messer 2009, S. 88f). Andere Formen der

Stimulation sind die olfaktorische Stimulation durch bekannte Gerüche wie zum

Beispiel das eigene Parfüm, und die visuelle Stimulation durch das Anschauen von

Fotos aus der Vergangenheit (Messer 2009, S. 88f). Eine Stimulation kann jedoch

auch mit Nahrungsmittel durchgeführt werden. Durch süße, salzige und saure

Speisen können die Sinnesreize angeregt werden (Stoppe 2007, S. 118).

Page 25: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

25

Körperstimulation

Am meisten Bedeutung in der basalen Stimulation kommt der „(…) Förderung des

somatischen Wahrnehmungsbereiches“ zu (Gatterer, Croy 2005, S. 177).

Das Ziel dieser Stimulation ist es, dass die beeinträchtigte Person ihr bewusstes

Körperempfinden wiedererlangt und lernt, ihren Körper zu spüren und sich dabei

durch Berührung, Ganzwaschung, atemstimulierende Einreibung, Massagen und

begrenzende Lagerung wohlzufühlen (Gatterer, Croy 2005, S. 177).

Durch harmonische Berührungen der Pflegeperson erfährt der Patient/die Patientin

Sicherheit, Wohlgefühl und Beruhigung. Die Konzentration auf den Schmerz wird

reduziert. Je nachdem auf welche Art und in welchem Tempo die Berührungen

erfolgen, zeigt der/die Betroffene unterschiedliche Reaktionen. Diese können sich in

Zurückziehen, Blockieren, Zuwenden zur Pflegeperson und in Wohlwollen

ausdrücken. Besonders bedeutend sind Initialberührungen, welche meistens am Arm

oder an der Hand ausgeführt werden. Bei Menschen mit

Bewusstseinsbeeinträchtigung wird als erstes eher die Schulter oder der Brustkorb

berührt (Gatterer, Croy 2005, S. 177f).

Mit Druck wird immer von der Körpermitte in die Peripherie gestrichen. Dadurch wird

sowohl durch die Hand des Pflegenden als auch durch die unterschiedlichen

Materialen zur Berührung wie zum Beispiel Waschlappen oder Schwämme, eine

Reizauslösung bewirkt. Wichtig ist unter anderem die Wassertemperatur, denn ein

Wechsel der Wassertemperatur regt erneut die Reize an. Durch Kleidung wird die

Körperwahrnehmung und Körpererfahrung gefördert (Gatterer, Croy 2005, S. 180f).

Damit Berührungen, Waschungen und Massagen eine Wirkung erzielen, sollten

folgende Punkte beachtet werden.

„Für Ruhe und eine angenehme Atmosphäre sorgen

Überhastete Arbeitsweise vermeiden

Den Beginn und das Ende von Pflegehandlungen durch Initialberührung

kennzeichnen

Die Berührung für den Berührten deutlich, aber angenehm wahrnehmbar

machen

Page 26: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

26

Keine oberflächlichen, streifenden, abgehackten Berührungen, keine

punktuellen Berührungen

Die Berührungen ruhig, mit flächig aufgelegter Hand und konstantem Druck

durchführen.“

(Gatterer, Croy 2005 S. 177)

In der Praxis werden viele verschiedene Formen der Körperstimulation angewandt:

Basalstimulierende Ganzwaschungen

Das Ziel von Ganzwaschungen ist die Verbesserung der eigenen

Körperwahrnehmung des Patienten/der Patientin. Im Folgenden möchte ich drei

verschiedene Formen der Ganzkörperwäsche vorstellen. Entscheidend für diese

Behandlung ist die Haarwuchsrichtung des Betroffenen/der Betroffenen. Je nachdem

in welche Richtung gestrichen wird, löst es bei den Patienten/Patientinnen

unterschiedliches Empfinden aus (Gatterer, Croy 2005, S. 178).

1. Beruhigende Ganzwaschung: Diese Ganzwaschung wird bei Menschen

durchgeführt, die eine Wahrnehmungsstörung aufweisen und ihren Körper

nicht mehr fühlen können. Sanfte Berührungen mit Hilfe von Waschlappen und

Handtüchern bewirken, dass die Patienten ruhiger und entspannter werden.

Indikationen für diese Form der Ganzwaschung sind: Hyperaktivität, Unruhe,

Verwirrtheit, Morbus Alzheimer, Einschlafstörungen, Schmerzen, Herzinfarkt

und bevorstehende Operationen. Bedeutend ist, dass die Bewegungen in

Haarwuchsrichtung und in sehr warmem Wasser erfolgen.

2. Belebende Ganzwaschung: Dabei wird der Körper gegen die

Haarwuchsrichtung mit lauwarmem oder kühlerem Wasser berührt. Das

verwendete Material ist rauer. Durch die Waschung wird der Patient/die

Patientin angeregt und aktiviert. Bei unruhigen und desorientierten Menschen

ist diese Waschung zu vermeiden.

3. Neurophysiologische Waschung: Diese Form wird bei Menschen mit einer

Halbseitenlähmung angewandt, damit der/die Betroffene seine/ihre

Page 27: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

27

Aufmerksamkeit auf die gelähmte Körperhälfte richtet. Die Waschung erfolgt

ausgehend von der kranken Körperseite mit leichtem Druck zur gesunden.

(Gatterer, Croy 2005, S. 178)

Atemstimulierende Einreibung

Die atemstimulierende Einreibung bewirkt „(…) bei Menschen mit schneller,

oberflächlicher Atmung, Einschlafstörungen, Verspanntheit, Schmerzen,

Stresssymptomatik (…)“ sowie bei „(…) Palliativpatienten, gerontopsychiatrischen

Patienten, Demenzkranken und Patienten mit Wahrnehmungsstörungen“

Entspannung, Beruhigung und eine tiefe Atmung (Gatterer, Croy 2005, S. 179). Die

Patienten/Patientinnen können dadurch ihren Körper besser spüren, sind

konzentrierter und der Schmerz wird reduziert (Gatterer, Croy 2005, S. 179).

Massagen

Massagen wirken beruhigend und entspannend und fördern die Wahrnehmung des

eigenen Körpers. „Unruhe, Ein- und Durchschlafstörungen, Spastiken, Kontrakturen

und Sensibilitätsstörungen“ können durch Massagen positiv beeinflusst werden

(Gatterer, Croy 2005, S. 179).

3.4 Personenzentrierte Pflege nach Tom Kitwood

In der personenzentrierten Pflege nach Tom Kitwood steht die Frage „‚Was heißt es,

eine Person zu sein?‘“ im Mittelpunkt (Messer 2009, S. 76). Das Personsein bezieht

sich sowohl auf den demenzkranken Menschen als auch auf seine Angehörigen und

die Pflegenden. Tom Kitwood ist der Meinung, dass die Arbeit an und mit

Demenzkranken „(…) ihr Personsein – entsprechend dem Grad der

Krankheitsentwicklung – erhalten und bewahren kann“ (Messer 2009, S. 77).

Für ihn ist es wichtig, dass demenzkranke Menschen gleich behandelt werden wie

gesunde Menschen, denn jeder hat die gleichen Bedürfnisse und Rechte (Messer

2009, S. 77).

Eine Person mit Demenz soll aufgrund ihrer Erkrankung nicht als Objekt, sondern als

Subjekt mit ihrer eigenen Persönlichkeit, Individualität und ihren Ressourcen

gesehen werden (Messer 2009, S. 77).

Page 28: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

28

„Der Mensch bleibt ein Mensch mit seiner Vergangenheit, Eigenheit und

Würde“ (Geiger 2011, Klappentext).

Die Pflege und Betreuung von demenzkranken Menschen kann positive

Auswirkungen auf die Krankheit haben. So können die Einschränkungen, welche

aufgrund der Erkrankung entstehen, durch eine positive Personenarbeit

ausgeglichen werden. Im Vordergrund dabei stehen das Wohl des Patienten/der

Patientin und die Befriedigung seiner/ihrer Bedürfnisse. Dadurch soll seine/ihre

Persönlichkeit und das Personsein erhalten bleiben und Selbstvertrauen gewonnen

werden. Es gibt zahlreiche positive Interaktionen in der Betreuung dementer

Menschen wie zum Beispiel das Erkennen von Gefühlen und Bedürfnissen, das

Anerkennen des/der Demenzkranken als wertschätzende Person und die

Zusammenarbeit des Patienten/der Patientin mit den Pflegenden, wodurch die

Selbstständigkeit des dementen Menschen gesteigert werden soll. Weitere positive

Interaktionen sind die Entspannung und das Feiern, wodurch der/die Betroffene das

Gefühl bekommt, mitten „(…) in der Gesellschaft zu sein (…)“, die Validation und das

Stützen und Halten, damit er/sie sich sicher und geborgen fühlt (IstaVea-Mathias

Berger o.J.,

http://www.istavea.de/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=253 abgerufen

am 6. August 2012).

3.4.1 Bedürfnisse demenzkranker Menschen

In Kitwoods Pflegetheorie sind die Bedürfnisse der Patienten/Patientinnen von

besonderer Bedeutung, denn er ist der Meinung, dass sie ähnlich zu denen von

gesunden Personen sind, allerdings unterscheiden sie sich im Ausdruck. Menschen

mit Demenz drücken ihre Gefühle teils stärker, teils jedoch auch schwächer aus als

gesunde.

„Mögliche grundlegende Bedürfnisse sind laut Kitwood und Müller Hergl:“ (Messer

2009, S. 78)

„Die Liebe (…)

Das Verlangen nach Trost (…)

Das Verlangen nach primärer Bindung, das durch anklammerndes Verhalten

(…) und ständiges Rufen ausgedrückt werden kann (…)

Page 29: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

29

Das Verlangen in eine Einbindung in kleine Gruppen (…)

Das Verlangen nach Arbeit (…)

Das Verlangen nach Identität (…)“

(Messer 2009, S. 78)

3.4.2 Dementia Care Mapping (DCM)

Zusätzlich zum personenzentrierten Pflegeansatz entwickelte Tom Kitwood ein

Programm namens Dementia Care Mapping, um die Lebensqualität und das

Wohlbefinden von demenzkranken Menschen zu untersuchen (Messer 2009, S. 28).

Evaluiert werden in diesem Verfahren 24 Verhaltenskategorien, das relative

Wohlbefinden, positive Ereignisse und personale Detraktionen wie zum Beispiel das

Einschüchtern oder das Ignorieren. Dabei begleitet ein DCM-Beobachter einen Tag

lang einen Demenzkranken/eine Demenzkranke und versucht sein/ihr Verhalten und

seine/ihre Situation in einer Pflegeeinrichtung zu erfassen. Alle Beobachtungen

werden in einem Beobachtungsprotokoll vermerkt (Messer 2009, S. 28f).

Im Folgenden möchte ich einen kleinen Auszug aus den Verhaltenskategorien

bringen:

„Essen und Trinken

Teilnahme an einem Spiel

Schlafen und Dösen

Völlig in sich gekehrt und sozial nicht einbezogen sein

Selbstpflege

Pflege erhalten

Beschäftigung mit (Haus-) Arbeit

Unabhängiges Gehen/Stehen/Fortbewegen“

(Messer 2009, S. 29)

Dadurch kann ermittelt werden, welche Auswirkungen bestimmte Interventionen auf

den Menschen haben und ob sie bei den Betroffenen Gefallen finden oder nicht. Ein

Einsatz des DCM-Programmes findet auch bei Menschen mit schnellem

Fortschreiten der Krankheit, starken Aggressionen und bei Rückzug der

Demenzkranken statt. Durch die Evaluation können die Ursachen und Gründe für

Page 30: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

30

dieses Verhalten herausgefunden werden. Außerdem kann so die Pflege, Betreuung

und Begleitung dieser Menschen verbessert werden (Messer 2009, S. 28).

Page 31: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

31

4. Pflegerische Aspekte im Umgang mit demenzkranken Menschen

Tom Kitwood bezeichnet in seinem Pflegekonzept die Betreuung und Pflege

demenzkranker Menschen als „(…) eine der anspruchvollsten Aufgaben (…), die es

im Leben gibt und die eine Gesellschaft zu vergeben hat“ (Messer 2009, S. 77), denn

sie brauchen zunehmend Unterstützung bei zahlreichen Alltagsaktivitäten wie zum

Beispiel Körperpflege, Essen und Trinken, Mobilisierung und Ausscheidung. Oftmals

wird jedoch die Hilfe von Angehörigen oder Pflegenden durch den

Demenzkranken/die Demenzkranke abgelehnt, weil er/sie nicht abhängig sein will

und teilweise auch seine/ihre aktuelle Situation falsch einschätzt. Er/Sie fühlt sich

hilflos und ängstlich, denn er/sie bemerkt, dass seine/ihre Unselbstständigkeit

voranschreitet (Gatterer, Croy 2005, S. 225f).

„(…) wenn es dunkel wird, kommt die Angst. Da irrt der Vater rat- und rastlos

umher wie ein alter König in seinem Exil. Dann ist alles, was er sieht,

beängstigend, alles schwankend, instabil, davon bedroht, sich im nächsten

Moment aufzulösen. Und nichts fühlt sich an wie zu Hause“ (Geiger 2011, S.

12).

Deshalb ist es wichtig, behutsam und mit Empathie dem/der Betroffenen zur Seite zu

stehen und ihn/sie in seiner/ihrer Selbstständigkeit zu bestärken (Gatterer, Croy

2005, S. 225f). Zusätzlich ist zu beachten, dass demenzkranke Menschen sehr

sensibel und leichter verletzbar sind (Kojer, Schmidl 2011, S. 20).

Im Folgenden gehe ich auf unterschiedliche pflegerische Aspekte im Alltag eines

Menschen mit Demenz ein.

4.1 Kommunikation

Demenzkranke Menschen „(…) können ihre körperlichen und seelischen

Beschwerden nicht mehr gedanklich reflektieren; sie erleben sie vorwiegend oder

ausschließlich auf der Gefühlsebene“ (Kojer, Schmidl 2011, S. 20).

Wie bereits bei den Symptomen der Demenz erwähnt wurde, wird die Sprach- und

Sprechfähigkeit mit Fortschreiten der Erkrankung eingeschränkt. Demenzkranke

Page 32: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

32

Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle und Bedürfnisse mit Worten

auszudrücken (Kojer, Schmidl 2011, S. 13f).

Deshalb sollte der Gesprächspartner versuchen auf den Demenzkranken/die

Demenzkranke einzugehen und durch Einfühlungsvermögen eine Beziehung zu

ihm/ihr aufzubauen. So können die Wünsche und Sorgen leichter erfasst und dem

dementen Menschen Gefühle von Wärme, Liebe, Nähe, Verständnis und Zuwendung

gegeben werden. Um eine Beziehung zum/r Betroffenen aufzubauen, eignet sich

dafür besonders gut die Methode von Naomi Feil, welche bereits im vorherigen

Kapitel beschrieben wurde (Kojer, Schmidl 2011, S. 13f).

„,Wer den Patienten verstehen möchte, muss versuchen, sich in seine

Gefühlswelt einzufühlen‘“ (Gottschlich 2007, S. 24).

Bei der Kommunikation mit demenzkranken Personen ist wichtig zu wissen, dass

nicht nur mit lauter und klarer Stimme gesprochen werden muss, sondern auch viel

Geduld ins Gespräch eingebracht werden muss. Zusätzlich sind Mimik, Gestik und

Tonfall Hilfsmittel, um die Kommunikation zu erleichtern bzw. zu verbessern. Genaue

Beobachtungen helfen Sorgen und Ängste der Betroffenen herauszufinden (Kojer,

Schmidl 2011, S. 13 – 15).

Unabhängig vom Stadium der Krankheit können demente Menschen Ja-Nein-

Entscheidungen treffen. Durch Reaktionen wie Lächeln, Blickkontakt halten oder

durch Abwehrhaltungen können sie ihre Antwort auf Fragen zeigen. Demenzkranke

müssen mangels Selbstvertrauen beim Treffen eigener Entscheidungen ermutigt

werden. „Dies gelingt am besten durch

den Aufbau einer tragfähigen Beziehung zur Betreuerin,

die Schaffung einer Atmosphäre der Sicherheit und Geborgenheit,

einfache, verständliche Information,

wiederholte Gespräche ohne Zeitdruck,

Signale der Betreuerin wie „Du bist nicht allein“, „Ich bleibe bei Dir“, „Ich helfe

Dir“, „Wir schaffen das gemeinsam“

(Kojer, Schmidl 2011, S. 19).

Page 33: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

33

Demenzkranke Menschen benutzen oft Symbole, um sich auszudrücken und sich zu

verständigen. Die Symbole stehen für Dinge, Menschen, Ereignisse oder auch für

Gefühle und Bedürfnisse. Mit Fortschreiten der Erkrankung ersetzen die Betroffenen

ihr Gesagtes durch Bewegungen und Handlungen. Für die Angehörigen ist es

manchmal schwierig, diese Symbole zu erkennen. Verstehen sie jedoch den

Demenzkranken/die Demenzkranke, können sie leichter eine Beziehung zu ihm/ihr

aufbauen, entsprechend auf die Signale reagieren und die richtige Hilfe und

Unterstützung anbieten (Kojer, Schmidl 2011, S. 21).

4.2 Körperpflege

Die Körperpflege ist ein essentieller Bestandteil der Betreuung von demenzkranken

Menschen, denn ihr „(…) Interesse an Sauberkeit (…)“ sinkt im Laufe der Krankheit

(Gatterer, Croy 2005, S. 226). Sie vergessen nicht nur den Nutzen von alltäglichen

Gegenständen für die Körperpflege wie zum Beispiel Zahnbürste, Kamm oder

Duschbad, sondern entwickeln auch Schwierigkeiten diese zu verwenden.

Demenzkranke Menschen zeigen ein anderes Gefühl für Sauberkeit, denn sie

glauben sich bereits gewaschen zu haben und halten es nicht für nötig, sich täglich

zu waschen (Gatterer, Croy 2005, S. 226).

Um eine Abwehrreaktion des/der Demenzkranken zu verhindern, kann die tägliche

Pflege erleichtert werden, indem die früheren Gewohnheiten des Patienten/der

Patientin berücksichtigt und die Würde und Intimsphäre geachtet werden. Wichtig ist,

dass Sicherheitsvorkehrungen im Bad getroffen werden wie zum Beispiel das

Verwenden von Haltegriffen und rutschfesten Matten in der Dusche oder der

Badewanne, damit ein Sturz vermieden werden kann. Bei Unsicherheiten in der

Dusche gibt es die Möglichkeit, einen Duschsitz zu benutzen (Gatterer, Croy 2005, S.

226).

Unterstützung brauchen Demenzkranke auch beim Ankleiden. Sie haben die

Reihenfolge der Kleidungsstücke beim An- und Ausziehen vergessen. Große

Probleme bereitet das Zuknöpfen von Hemden oder Blusen, da die Feinmotorik

beeinträchtigt ist. Als Angehöriger/Angehörige oder Pflegender/Pflegende ist es

wichtig darauf zu achten, dass die Kleidung regelmäßig gewechselt wird, denn

genauso wie bei der Körperpflege haben demente Menschen kein Gefühl für ein

gepflegtes Aussehen (Gatterer, Croy 2005, S. 226).

Page 34: Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

34

Mit Fortschreiten der Erkrankung kommt es zu Harn- und Stuhlinkontinenz. Dies stellt

für den Betroffenen/die Betroffene ein erhebliches Problem dar und erfordert von den

Angehörigen Verständnis. Hilfreich ist, mit dem/der Demenzkranken einen „(…)

regelmäßigen Toilettengang (…)“ zu entwickeln (Gatterer, Croy 2005, S. 227f).

4.3 Essverhalten

Im Verlauf der Erkrankung verändert sich das Essverhalten und die selbstständige

Essenseinnahme wird schwieriger, sodass Demenzkranke zunehmend auf

Unterstützung angewiesen sind. Hilfestellungen sind unter anderem das regelmäßige

Einnehmen von Nahrung am gleichen Ort und zur gleichen Zeit, das Verwenden von

nicht zerbrechlichem Geschirr ohne starke Musterungen, welches sich von der

Unterlage abheben sollte und das Schneiden der Speisen in mundgerechte Stücke

(Gatterer, Croy 2005, S. 226f).

Es kann vorkommen, dass die Nahrung verweigert wird. In diesem Fall sollte

erkundet werden, warum der/die Demenzkranke die Speise nicht isst (Gatterer, Croy

2005, S. 196). Möglicherweise treten Schluckprobleme aufgrund einer nicht

passenden Zahnprothese, einzunehmender Medikamente oder einer zu großen

Essensmenge auf. Zu beachten ist, dass der/die Betroffene aufrecht sitzt und

während dem Essen viel trinkt. Häufig ist es notwendig, ihn/sie an das Trinken zu

erinnern, da er/sie möglicherweise darauf vergisst und dies in Folge zu gesteigerter

Verwirrtheit führen kann (Gatterer, Croy 2005, S. 226f). Unterstützend kann ein

Trinkplan zur Bilanzierung der getrunkenen Menge aufgestellt werden (Gatterer, Croy

2005, S. 195).

Schwer demenzkranke Menschen können nicht mehr selbst essen und müssen die

Speisen verabreicht bekommen. Sofern noch möglich, ist eine „,geführte

Nahrungsaufnahme‘“ sinnvoll (Gatterer, Croy 2005, S. 197). Eine aufrechte

Körperhaltung ist beim Eingeben von Nahrung notwendig, um eine Aspiration zu

verhindern (Gatterer, Croy 2005, S. 197).

4.4 Schlafverhalten

Generell ist zu erwähnen, dass das Schlafverhalten sehr individuell ist. Mit

zunehmendem Alter reduziert sich das Schlafbedürfnis aufgrund von wenig

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Bewegung oder einem kurzen Schlaf im Laufe des Tages auf circa sechs Stunden

oder weniger. Zudem kann die Biografie eines Menschen, zum Beispiel der Beruf als

Landwirt oder Bäcker den Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen.

Demenz wirkt sich nicht sehr auf das Schlafverhalten aus, sondern kann beim

Betroffenen/bei der Betroffenen ein verstärktes Bedürfnis von Ruhe und Schlaf

auslösen. Mit Fortschreiten der Krankheit erhöht sich die Liegezeit im Bett. Die

Pflege und Betreuung des Menschen ist abhängig vom Schlafbedürfnis. Verbringt

der/die Betroffene viel Zeit im Bett, sind ein Krankenbett und eine entsprechende

Weichlagerungsmatratze zu empfehlen. Das Krankenbett wird nicht nur für ein

gesteigertes Wohlbefinden des Patienten/der Patientin angeordnet, sondern

erleichtert die Pflege und Mobilisation des/der Demenzkranken. Durch eine

besondere Matratze können Druckstellen und in weiterer Folge Druckgeschwüre

vorgebeugt werden (Gatterer, Croy 2005, S. 185f).

Wird das erhöhte Schlafbedürfnis des/der an Demenz Erkrankten als belastend

empfunden, kann sich daraus eine Schlafstörung entwickeln. Alternativ zu

Schlaftabletten können verschiedene Vorkehrungen getroffen werden, um den Schlaf

zu verbessern. So etwa helfen eine Tasse Milch mit Honig oder Kakao,

unterschiedliche Teesorten, pflanzliche Schlafmittel wie Baldrian oder auch

homöopathische Mittel und Duftstoffe. Beruhigende und entspannende Musik, basale

Stimulation und Massagen können das Einschlafen erleichtern. Ratsam ist es,

schlafstörende Unterbrechungen zu vermeiden und vor dem Schlafengehen „(…) die

Toilette aufzusuchen (…)“ um eine Schlafunterbrechung aufgrund von Harndrang zu

vermeiden (Gatterer, Croy 2005, S. 188).

Bei der Einnahme von Schlafmitteln ist zu beachten, dass diese Restwirkungen am

nächsten Morgen aufweisen können und die Sturzgefahr somit steigt (Gatterer, Croy

2005, S. 185 – 188).

4.5 Mobilität

Im frühen Stadium von Morbus Alzheimer ist die Mobilität nicht beeinträchtigt,

ausgenommen auf Grund von Grunderkrankungen. Es kann vorkommen, dass sich

der Drang zur Bewegung erhöht und die Sicherheit und Koordination dabei abnimmt.

Immobilität zeigt sich erst im späteren Stadium der Krankheit. Allerdings kann die

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Motorik bei anderen Formen der Demenz oder bei zusätzlichen Erkrankungen bereits

früher eingeschränkt werden (Gatterer, Croy 2005, S. 188).

Das Verletzungsrisiko bei Demenzkranken ist aufgrund ihres Krankheitsbildes erhöht.

Deshalb sollten Risikofaktoren wie zum Beispiel Teppiche oder rollende Möbelstücke

vermindert bzw. ausgeschlossen und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen

getroffen werden. Dazu zählen unter anderem das Anbringen von Haltegriffen und

rutschfesten Matten im Badezimmer und eine gute Beleuchtung. Des Weiteren

sollten bei Bedarf Gehhilfen benützt werden, um Stürze vorzubeugen. So bleiben die

Betroffenen trotz der Mobilitätseinschränkung aktiv und verhindern einen

Bewegungsmangel, welcher Obstipation zur Folge haben kann. Bei Benutzung eines

Rollstuhls ist darauf zu achten, dass der Patient/die Patientin regelmäßig mobilisiert

wird und sich keine Druckstellen entwickeln (Gatterer, Croy 2005, S. 189f).

Ist die Erkrankung schon weit fortgeschritten, so dass der/die Demenzkranke

bettlägerig ist, wird eine Umlagerung im Intervall von zwei bis drei Stunden zur

Vermeidung von Hautdefekten empfohlen. Zusätzlich sind Notrufarmbänder von

Vorteil, um bei Bedarf rasch Hilfe zu erlangen (Gatterer, Croy 2005, S. 189f).

4.6 Alltagsgestaltung

Wie bereits erwähnt, beeinflusst die Erkrankung alle Lebensbereiche des Menschen.

Abhängig vom Stadium der Krankheit und vom Zuhause (Pflegeheim oder eigene

Wohnung) gestaltet sich der Alltag (Gatterer, Croy 2005, S. 235). „Der Tagesablauf

sollte gut strukturiert sein, ein gezieltes Trainingsprogramm enthalten und viel Zeit für

Spaß lassen“ (Gatterer, Croy 2005, S. 212). Wichtig ist, dass sich die Aktivitäten an

Gewohnheiten und Interessen des/der Demenzkranken orientieren (Gatterer, Croy

2005, S. 238).

Trotz des zunehmenden Verlusts der Selbstständigkeit in alltäglichen

Angelegenheiten, sollten demenzkranke Personen als vollwertige Menschen

behandelt werden. Wichtig ist, sie als nicht hilflos anzusehen, sondern sie zur

Ausübung von Tätigkeiten zu ermutigen und aufzufordern. Entscheidend ist jedoch

das Maß der Forderung, denn eine Überforderung ist zu vermeiden. Demenzkranke

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sollten nicht auf ihre Fehler aufmerksam gemacht werden, sondern das Gefühl

bekommen, gebraucht zu werden (Gatterer, Croy 2005, S. 235).

Im Alltag ist es wichtig, dass die Betroffenen durch aktive Tätigkeiten „sich (…)

spüren, sich bestätigt (…) fühlen, suchende Unruhe (…) vermeiden“, ihre

Selbstständigkeit verbessern und dadurch in weiterer Folge ihr Selbstwertgefühl und

ihre Lebensqualität gesteigert wird (Gatterer, Croy 2005, S. 235). Diese Aktivitäten

können zum Beispiel Kochen, Lesen, Zeichnen, einfache Tätigkeiten im Haushalt

und Fotos anschauen sein. Sinnvoll sind regelmäßige Spaziergänge, Einkäufe und

Ausflüge wie der Besuch eines Tierparks, der Stadt oder eines Gasthauses

gemeinsam mit der demenzkranken Person. Eine andere Unterhaltungsmöglichkeit

ist das Singen von alten bekannten Liedern oder das Anhören von Musik. Spiele wie

„,Mensch ärgere dich nicht‘“, Memorys oder verschiedene Puzzles lockern den Alltag

auf (Gatterer, Croy 2005, S. 235 – 238).

Ein Mensch mit schwerer Demenz kann auf Grund von Müdigkeit und geringer

Belastbarkeit die genannten Tätigkeiten nicht mehr ausführen (Gatterer, Croy 2005,

S. 212). Alle Aktivitäten, die dem/der Betroffenen gefallen und noch möglich sind,

können unternommen werden. Im Stadium der Bettlägerigkeit kann der/die Kranke

durch liebevolle Berührungen, Worte aber auch durch entspannende Musik und

angenehme Düfte beruhigt werden und somit Nähe und Zuwendung erfahren

(Gatterer, Croy 2005, S. 242).

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5. Schlussfolgerung

Wie der Ausspruch „Von Alzheimer reden heißt, von der Krankheit des Jahrhunderts

reden“ von Arno Geiger aus seinem Buch „Der alte König in seinem Exil“ aus dem

Jahr 2011 verdeutlicht, steigt die Anzahl der Neuerkrankung an Demenz stetig.

Dadurch erhalten Pflegekonzepte für die Betreuung und Unterstützung

demenzkranker Menschen eine immer größere Bedeutung. Da die Krankheit nicht

nur das Pflegepersonal, sondern auch die pflegenden Angehörigen vor ständig neue

Herausforderungen stellt, war es mir wichtig, in meiner Arbeit verschiedene

Möglichkeiten aufzuzeigen, demenzkranke Menschen trotz ihrer schweren und noch

unheilbaren Krankheit zu fördern und ihnen Lebensfreude zu schenken. Dies kann

einerseits durch Reaktivieren der Psyche des Menschen (Psychobiografisches

Pflegemodell nach Erwin Böhm), durch Hineinversetzen in das Denken und Handeln

einer erkrankten Person (Validation nach Naomi Feil), durch Hinführen zu einer

bewussteren Körperwahrnehmung (Basale Stimulation) oder durch das Eingehen auf

grundlegende Bedürfnisse des Menschen (Personenzentrierte Pflege nach Tom

Kitwood) geschehen. Einsatz finden diese Pflegemodelle in der Bewältigung der

Alltagssituation eines/einer Demenzkranken, sei es bei der Körperpflege, bei der

Einnahme von Mahlzeiten oder bei der Mobilisierung. Besondere Bedeutung wird

dabei der Kommunikation beigemessen, die sehr viel Verständnis,

Einfühlungsvermögen und Zuwendung erfordert. Deshalb stellt die Betreuung eines

demenzkranken Menschen eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe dar.

Beenden möchte ich meine Arbeit mit einem Zitat:

„,Da mein Vater nicht mehr über die Brücke in meine Welt gelangen kann,

muss ich hinüber zu ihm‘“ (Geiger 2011, Klappentext).

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6. Literaturverzeichnis

Feil N., de Klerk-Rubin V. (2010) Validation. Ein Weg zum Verständnis verwirrter

alter Menschen. 9. Auflage, Ernst Reinhardt Verlag, München.

Gatterer G., Croy A. (2005) Leben mit Demenz. Praxisbezogener Ratgeber für Pflege

und Betreuung. Springer Verlag, Wien.

Geiger A. (2011) Der alte König in seinem Exil. Carl Hanser Verlag, München.

Gleichweit S., Rossa M. (2009) Erster österreichischer Demenzbericht. Wiener

Gebietskrankenkasse, Wien.

Gottschlich M. (2007) Medizin und Mitgefühl. Die heilsame Kraft empathischer

Kommunikation. In: Kojer M., Schmidl M. (2011) Demenz und Palliative Geriatrie in

der Praxis. Heilsame Betreuung unheilbar demenzkranker Menschen. Springer

Verlag, Wien, New York, S. 20.

Dilling H., Mombour W., Schmidt M. H. unter Mitarbeit von Schulte-Markwort E.,

Remschmidt H. (2011) Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD – 10

Kapitel V (F) Klinisch diagnostische Leitlinien. 8. Auflage, Hans Huber Verlag, Bern.

Haberstroh J., Pantel J. (2011) Kommunikation bei Demenz. TANDEM

Trainingsmanual. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg.

Haupt W., Jochheim K., Gouzoulis-Mayfrank E. (2009) Neurologie und Psychiatrie für

Pflegeberufe. 10. Auflage, Thieme Verlag KG, Stuttgart.

Kojer M., Schmidl M. (2011) Demenz und Palliative Geriatrie in der Praxis. Heilsame

Betreuung unheilbar demenzkranker Menschen. Springer Verlag, Wien, New York.

Lektorat Pflege, Menche N. (2011) Pflege heute. 5. Auflage, Urban & Fischer Verlag,

München.

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Messer B. (2009) Pflegeplanung für Menschen mit Demenz. Einfach, echt und

individuell planen und schreiben. 2. Auflage, Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH

& Co. KG, Hannover.

Schröder G. (2006) Psychopathologie der Demenz. Symptomatologie und Verlauf

dementieller Symptome. Schattauer Verlag, Stuttgart.

Stoppe G. (2007) Demenz. 2. Auflage, Ernst Reinhardt Verlag, München.

Wetterling T., Lanfermann H. (2002) Organische psychische Störungen.

Hirnorganische Psychosyndrome. Steinkopff Verlag, Darmstadt.

Internetquellen

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http://www.bmask.gv.at/site/Soziales/Pflege_und_Betreuung/Betreuende_und_pflege

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ENPP-Boehm GmbH (o.J.) ENPP-Böhm. http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-

boehm-gmbh/erwin-boehm.html (23. Juli 2012)

IstaVea-Mathias Berger (o.J.) Personenzentrierter Ansatz nach Tom Kitwood.

http://www.istavea.de/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=253 (6. August

2012)

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Keller C. (2009) Diagnose Demenz: Formen und Symptome (Teil 2).

http://www.weka.de/altenpflege/6586--

.html?content_id=30288661&newsletter=apf_apa_09_19_22930260/Diagnose_Dem

enz%3A_Formen_und_Symptome_(Teil_2)&va=22930260 (23. Juli 2012)

Abb. 2: Stiftung Warentest (2007) Demenz und Alzheimer. Wie Sie helfen können.

http://www.test.de/Demenz-und-Alzheimer-Wie-Sie-helfen-koennen-1494425-

2494425/ (25. Juli 2012)

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Wetterling T., Lanfermann H. (2002) Organische psychische Störungen.

Hirnorganische Psychosyndrome. Steinkopff Verlag, Darmstadt.