dfp - literaturstudium - · pdf fileepidemiologie und aktuelle entwicklungen in der...

Download DFP - Literaturstudium - · PDF fileEpidemiologie und aktuelle Entwicklungen In der industrialisierten Welt leiden ein bis zwei Prozent der erwachsenen Bevöl-kerung an Herzinsuffizienz

If you can't read please download the document

Upload: ledang

Post on 07-Feb-2018

221 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

  • Epidemiologie und aktuelle Entwicklungen

    In der industrialisierten Welt leiden ein bis zwei Prozent der erwachsenen Bevl-kerung an Herzinsuffizienz (HI). Umge-rechnet auf sterreich wren das rund 70.000 bis 140.000 Betroffene. Die Dunkelziffer der nicht diagnostizierten Pa-tienten knnte jedoch relativ hoch sein, weswegen Zahlen von bis zu 300.000 Herzinsuffizienz-Patienten in sterreich kolportiert werden. Die Prvalenz steigt mit zunehmendem Alter und betrgt bei ber 70-Jhrigen bereits ber zehn Pro-zent.

    Das Risiko eines 40-Jhrigen, im Laufe seines Lebens an Herzinsuffizienz zu er-kranken, liegt bei 20 Prozent; jenes eines 55-Jhrigen bereits bei 30 Prozent. Laut Statistik Austria gibt es in sterreich jhrlich rund 24.000 Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz, wobei hier vermutlich ein deutliches Underreporting vorliegt. Herzinsuffizienz ist die hufigste Hospitalisierungsursache bei ber 65-Jh-rigen. In den vergangenen drei Dekaden hat sich die Entlassungsdiagnose Herz-insuffizienz verdreifacht. Dieser Trend der steigenden Inzidenzen und Prvalenzen der Herzinsuffizienz setzt sich vermut-lich weiter fort aufgrund der Zunahme

    der allgemeinen Lebenserwartung, der steigenden berlebensrate nach einem Myokardinfarkt und wegen Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus.

    Die Prognose der Herzinsuffizienz ist schlecht. Besonders Patienten, die keine optimale Therapie erhalten, versterben mit Herzinsuffizienz rascher als mit den verschiedensten Karzinomen. Kommt es zur Hospitalisierung wegen Verschlechte-rung der Herzinsuffizienz, wirkt sich dies besonders drastisch auf die Prognose aus: Die 30-Tage-Sterberate betrgt zehn Prozent. Nach 60 Tagen sind 30 bis 50 Prozent dieser Patienten re-hospitalisiert oder verstorben; nach einem Jahr sind 30 Prozent dieser Patienten verstorben.

    Definition

    Es gibt unzhlige Definitionen fr Herz-insuffizienz. Zwei davon haben sich eta-bliert: eine pathophysiologische und eine klinische. Pathophysiologisch ist die Herz-insuffizienz definiert als Zustand, in dem das Herz nicht in der Lage ist, das stoff-wechselaktive Gewebe mit ausreichend Blut (beziehungsweise Sauerstoff) zu versorgen trotz normaler Fllungsdrcke oder nur auf Kosten erhhter Fllungs-drcke. Diese Definition erklrt zwar die

    Pathophysiologie und ist als universelle Definition fr die Forschung der Herzinsuf-fizienz notwendig, in der klinischen Praxis jedoch weit davon entfernt, wie sich der Patient tatschlich prsentiert.

    Dementsprechend gibt es die zweite, klinische Definition, die Herzinsuffizienz als ein Syndrom beschreibt, bei dem die Patienten typische Symptome (zum Beispiel Atemnot, Kncheldeme, Er-schpfung) und klinische Zeichen (wie beispielsweise Halsvenenstauung, feuch-te Rasselgerusche ber der Lunge, ver-lagerter Herzspitzensto) aufweisen und diese Vernderungen durch eine struk-turelle oder funktionelle Abnormitt des Herzens verursacht sind.

    tiologie

    Es gibt zahlreiche Ursachen der Herz-insuffizienz; diese variieren deutlich in unterschiedlichen Regionen der Welt. Eine allgemein akzeptierte Klassifikation der Ursachen fr Herzinsuffizienz gibt es nicht; sicher auch deshalb, weil es zwi-schen den einzelnen Kategorien einige berschneidungen gibt.

    Herzinsuffizienz gilt als das Endsta-dium im sogenannten kardiovaskulren Kontinuum; die meisten Herzerkran-

    In sterreich knnten aufgrund der hohen Dunkelziffer bis zu 300.000 Menschen

    an Herzinsuffizienz leiden. Natriuretische Peptide gelten nicht nur als die besten

    singulren Prognosemarker: Bei einem unbehandelten Patienten im Normbereich

    schliet das eine Herzinsuffizienz praktisch aus. Bei Patienten mit HRFEF kann die

    verbleibende Lebenszeit mit einer adquaten Therapie verdoppelt bis verdreifacht

    werden. Von Deddo Mrtl*

    DFP - Literaturstudium

    20 Z 8 2 5 . A p r i l 2 0 1 6 Z 8 2 5 . A p r i l 2 0 1 6

    Herzinsuffizienz

    20-31_0816_STATE_Herzinsuffizienz.indd 20 18.04.16 20:25

  • kungen knnen zu Herzinsuffizienz fh-ren. Ungefhr die Hlfte aller Patienten mit Herzinsuffizienz hat eine verminderte linksventrikulre Auswurffraktion (LVEF); eine Situation, die Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFREF, heart failure with reduced ejection fraction) ge-nannt wird. HFREF ist betreffend Patho-physiologie und Management jene Form der Herzinsuffizienz, die man am besten versteht. Rund zwei Drittel der Patienten haben eine koronare Herzkrankheit (KHK); die KHK ist vermutlich auch die hufigste Ursache der Herzinsuffizienz in Europa. Andere hufige Ursachen sind arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus, die beide sowohl primr als auch ber den Weg der KHK eine Herzinsuffizienz verur-sachen knnen.

    Andere typische Grnde sind eine Vi-rusinfektion, die hufig unerkannt bleibt, Chemotherapie (zum Beispiel Anthrazy-kline und Trastuzumab), Arrhythmien und familire und genetische Kardiomyopa-thien. Die Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFPEF, heart failure with preserved ejection fraction) hat ein an-deres tiologisches Profil, obwohl die ge-nauen Unterschiede noch diskutiert wer-den. Die typischen Patienten mit HFPEF sind lter, fter weiblich und bergewich-tig. Sie leiden weniger oft an einer KHK, dafr vermehrt an Hypertonie und Vorhof-flimmern.

    Diagnostik

    Aus der klinischen Definition der Herz-insuffizienz lsst sich die Diagnostik der Herzinsuffizienz ableiten, wobei man hier zwischen Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulrer Auswurffraktion (HFREF) und Herzinsuffizienz mit erhaltener links-ventrikulrer Auswurffraktion (HFPEF) un-terscheidet. Beim Vorliegen von typischen

    Zeichen und Symptomen der Herzinsuf-fizienz bentigt man zustzlich lediglich eine reduzierte linksventrikulre Auswurf-fraktion (LVEF

  • :

    22 Z 8 2 5 . A p r i l 2 0 1 6

    mation ber Gre der Herzkammern, Funktion der Ventrikel einschlielich Wandbewegungsstrungen, Wanddicke und Klappenfunktion. Diese Informati-onen sind nicht nur fr die Feststellung einer Herzinsuffizienz essentiell, sondern auch bezglich der tiologie (zum Bei-spiel ischmisch vs. nicht-ischmisch, Klappenerkrankungen) und knnen un-mittelbare therapeutische Konsequenzen haben (zum Beispiel neurohumorale An-tagonistentherapie bei HFREF oder Chi-rurgie bei Aortenklappenstenose).

    Das EKG ist eine wertvolle Zusatzunter-suchung. Vorhofflimmern, Tachykardien, Bradykardien und breite Kammerkom-plexe haben meist ebenfalls unmittelbar eine therapeutische Konsequenz. Zeichen einer Hypertrophie oder Ischmie geben Hinweise auf tiologische Aspekte. Be-sonders beim akuten Beginn der Symp-

    tomatik haben Patienten mit einem nor-malen EKG lediglich eine zweiprozentige Wahrscheinlichkeit, eine Herzinsuffizienz zu haben. Entwickeln sich die Symptome hingegen ber einen lngeren Zeitraum, liegt die Wahrscheinlichkeit bei zehn bis 14 Prozent, sodass das EKG hier auch rule-out-Qualitten hat.

    Liegt das natriuretische Peptid bei einem unbehandelten Patienten im Normbereich, schliet das eine Herzin-suffizienz praktisch aus. Damit wird der Herzultraschall unntig und die Suche nach nicht-kardialen Ursachen der Symp-tomatik verspricht mehr Erfolg. Fr den Ausschluss einer Herzinsuffizienz werden bei einem akuten Beginn der Symptome derzeit etwas hhere Grenzwerte empfoh-len als wenn die Beschwerden ber einen lngeren Zeitraum beginnen. Darber hi-naus gelten natriuretische Peptide als die

    besten singulren Prognosemarker. Viele Spezialisten fr Herzinsuffizienz verwen-den und propagieren sie als Verlaufspa-rameter. In diversen Studien wurde das Potential gezeigt, mit Hilfe der natriure-tischen Peptide jene Hochrisikopatienten zu erkennen, die am ehesten von einer intensivierten Herzinsuffizienz-Therapie oder dem Einschluss in ein Disease Ma-nagement Programm profitieren. Den-noch hielten sich die Guidelines 2012 der Europischen Gesellschaft fr Kardiologie (ESC) mit klaren Empfehlungen fr diese Anwendungsmglichkeiten noch zurck.

    Das Thorax-Rntgen ist von limitiertem Nutzen beim diagnostischen Work-Up von Patienten mit Verdacht auf Herzinsuffi-zienz und dient am ehesten dazu, alterna-tive Erklrungen fr die Dyspnoe zu orten. Jedenfalls knnen bei Patienten mit Herz-insuffizienz Zeichen einer Stauung oder Kardiomegalie im Thoraxrntgen fehlen - auch bei deutlich reduzierter systolischer Funktion.

    Therapie

    Mit einer adquaten Therapie der Herzinsuffizienz kann die verbleibende Le-benszeit verdoppelt bis verdreifacht wer-den. Dies gilt allerdings nur fr HFREF-Patienten, fr deren Behandlung es eine profunde Evidenz basierend auf groen Outcome-Studien gibt. Fr HFPEF hin-gegen konnte bisher noch kein Thera-pieansatz die Prognose dieser Patienten berzeugend verbessern, sodass hier der Fokus auf der Behandlung der Komorbi-ditten (Vorhofflimmern, Koronare Herz-krankheit, arterielle Hypertonie,...) liegt.

    Derzeit kennt man acht Thera-pieformen, fr die bei HFREF eine Mor-talittsreduktion als erwiesen gilt: Dazu gehren ACE-Hemmer, Betablocker, Mineralokortikoidrezeptorantagonisten, Angiotensin-Rezeptor/Neprilysin-Inhibitor (ARNI), die kardiale Resynchronisations-therapie und der Implantierbare Kardio-

    :

    state of the art

    Akute Herzinsuffizienz: kritische Probleme und Manahmen

    Kritische Probleme Sofortmanahmen

    Unzureichende Atmung/Oygenierung?1O2, nicht-invasive Beatmung, invasive Beatmung

    Lebensbedrohliche Tachyarrhythmie oder Brady-arrhythmie?2

    Elektrische Kardioversion, Pacing

    Blutdruck

  • :

    24 Z 8 2 5 . A p r i l 2 0 1 6

    verter/Defibrillator (ICD). Diese Therapien zeigten in groen randomisierten, kon-trollierten Studien einen unumstrittenen robusten Mortalittsbenefit. Mechanische Untersttzungssysteme (Ventricular Assist Device, VAD) und die Herztransplantation werden als letzte Optionen