deschner kriminalgeschichte des christentums (german - 8 volumes - 2005)

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2 Einführung
3 Zur digitalen Ausgabe
Die Sekundärliteratur,die Abkürzungenund Regi- sterder einzelnenBändensind in einemAnhangzu- sammengefasst.Das Registerund die Abkürzungen stehenauch unter dem Menüpunkt »Register«zur Verfügung.
Eine ausführlicheBeschreibungaller zur Verfü- gung stehendenFunktionen der »Digitalen Biblio- thek«bietendie »Hilfe«-Funktion,die jederzeitüber dieTaste»F1«aufgerufenwerdenkann,sowiedieder Ausgabebeiliegendegedruckte»Einführung in die Software«.
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
4 Deschner Bd. 8, 525Über den Autor
ÜberdenAutor
KarlheinzDeschner,dasältestevon drei Kindern, ging zur Grundschulein Trossenfurt(Steigerwald) von 1929bis 1933,danachin dasFranziskanersemi- nar Dettelbacham Main, wo er zunächstexternbei der Familie seinesTauf- und Firmpaten,desGeistli- chenRatsLeopoldBaumann,wohnte,dannim Fran- ziskanerkloster.Von 1934 bis 1942 besuchteer in BambergdasAlte, Neueund DeutscheGymnasium als Internatsschülerbei Karmeliternund Englischen Fräulein.Im März 1942bestander die Reifeprüfung. Wie seine ganzeKlasse meldeteer sich sofort als Kriegsfreiwilliger und war – mehrmalsverwundet– biszurKapitulationSoldat,zuletztFallschirmjäger.
Zunächstfernimmatrikuliertals Studentder Forst- wissenschaftenan der Universität München, hörte Deschner 1946/47 an der Philosophisch-theologi- schenHochschulein Bambergjuristische,theologi-
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
5 Deschner Bd. 8, 525Über den Autor
sche,philosophischeund psychologischeVorlesun- gen.Von 1947bis 1951studierteer anderUniversi- tät Würzburg Neue deutscheLiteraturwissenschaft, Philosophieund Geschichteund promovierte1951 mit einer Arbeit über »LenausLyrik als Ausdruck metaphysischerVerzweiflung«zumDr. phil. Einerim selbenJahrgeschlossenenEhemit Elfi Tuchentstam- men drei Kinder, Katja (1951), Bärbel (1958) und Thomas(1959bis1984).
Von 1924bis 1964 lebteDeschnerauf einemfrü- herenJagdsitzder WürzburgerFürstbischöfein Tret- zendorf(Steigerwald),dannzwei Jahreim Landhaus einesFreundesin Fischbrunn(HersbruckerSchweiz). Seitdemwohnter in HaßfurtamMain.
Karlheinz Deschnerhat Romane,Literaturkritik, Essays,Aphorismen,vor allem aber religions- und kirchenkritischeGeschichtswerkeveröffentlicht.Auf überzweitausendVortragsveranstaltungenhatDesch- ner im Laufe der JahreseinPublikumfasziniertund provoziert.
1971 stand er in Nürnberg »wegen Kirchenbe- schimpfung«vor Gericht.
Seit1970arbeitetDeschneranseinergroßangeleg- ten»KriminalgeschichtedesChristentums«.Da esfür sounruhigeundbeunruhigendeGeisterwie ihn keine Posten, Beamtenstellen,Forschungsstipendien,Eh- rensolde,Stiftungsgeldergibt, war ihm die ungeheure
6 Deschner Bd. 8, 526Über den Autor
Forschungsarbeitund Darstellungsleistungnur mög- lich dank der selbstlosenHilfe einiger Freundeund Leser, vor allem dank der Förderungdurch seinen großherzigenFreundundMäzenAlfred Schwarz,der dasErscheinendeserstenBandesim September1986 noch mitgefeiert,den zweitenBand abernicht mehr miterlebt hat, seither des deutschenUnternehmers HerbertSteffen.
Im Sommersemester1987 nahmDeschneran der Universität Münster einen Lehrauftrag wahr zum Thema»KriminalgeschichtedesChristentums«.
Für sein aufklärerischesEngagementund für sein literarischesWerk wurdeKarlheinzDeschner1988– nach Koeppen,Wollschläger,Rühmkorf – mit dem Arno-Schmidt-Preisausgezeichnet,im Juni 1993 – nachWalter Jens,Dieter Hildebrandt,GerhardZwe- renz,RobertJungk– mit demAlternativenBüchner- preis und im Juli 1993 – nachSacharowund Dub- ek – als ersterDeutschermit demInternationalHu- manistAward. Im September2001 erhielt Deschner den Erwin-Fischer-Preisdes InternationalenBundes der Konfessionslosenund Atheisten, im November 2001 den Ludwig-Feuerbach-Preisdes Bundes für Geistesfreiheit,Augsburg.
Um die »Kriminalgeschichtedes Christenums« gehtes– pro und contra– in dem70 minütigenVi- deofilm von RicardaHinz undJacquesTilly mit dem
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
7 Deschner Bd. 8, 526Über den Autor
Titel »Die haßerfülltenAugendesHerrn Deschner«. Zu beziehenüber:HumanistischerVerbandDeutsch- lands,Wallstraße61–65,10179Berlin.
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
8 Deschner Bd. 8, 527Das literarische Werk Karlheinz Deschners
DasliterarischeWerkKarlheinzDeschners
tenaufeineUmfrage 1957 Kitsch,KonventionundKunst.Eineliterari-
1966 Jesusbilderin theologischerSicht1966Das JahrhundertderBarbarei
Band1
9 Deschner Bd. 8, 527Das literarische Werk Karlheinz Deschners
1970 Warumich ausderKircheausgetretenbin 1970 KircheundKrieg. Der christlicheWegzum
EwigenLeben 1971 DermanipulierteGlaube.EineKritik der
christlichenDogmen1971DasChristentum im Urteil seinerGegner,Band2
1974 DasKreuzmit derKirche.EineSexualge- schichtedesChristentums
derPäpsteim ZeitalterderWeltkriege,Band2 1985 Nur LebendigesschwimmtgegendenStrom.
Aphorismen 1986 Die beleidigteKircheoderWerstörtdenöf-
1987 OpusDiaboli. FünfzehnunversöhnlicheEs- saysüberdieArbeit im WeinbergdesHerrn
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
10 Deschner Bd. 8, 528Das literarische Werk Karlheinz Deschners
1988 KriminalgeschichtedesChristentums,Band2: Die Spätantike– Von denkatholischen«Kin- derkaisern»biszurAusrottungderarianischen WandalenundOstgotenunterJustinianI.
1989 DornröschenträumeundStallgeruch.Über Franken,dieLandschaftmeinesLebens
1991 Die Politik derPäpsteim 20.Jahrhundert 1991 DerAnti-Katechismus,200Gründegegendie
Kirchenundfür dieWelt (mit HorstHerr- mann)
1992 DerMoloch.Zur AmerikanisierungderWelt 1994 Die VertreterGottes.EineGeschichtederPäp-
steim 20.Jahrhundert1994Ärgernisse. Aphorismen
9. und10.Jahrhundert– Von Ludwig dem Frommen(814)biszumTodeOttosIII.
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
11 Deschner Bd. 8, 528Das literarische Werk Karlheinz Deschners
(1002) 1997 Obenohne.FüreinengötterlosenHimmelund
einepriesterfreieWelt. ZweiundzwanzigAt- tacken,ReplikenundanderestarkeStücke
2002 KriminalgeschichtedesChristentums,Band7: Das13.und14.Jahrhundert-Von Kaiser HeinrichVI. (1190)zuKaiserLudwig IV. demBayern(† 1347)
LebenundTod im HauptwerkHansHenny Jahnns
12 Deschner Bd. 8, 528Das literarische Werk Karlheinz Deschners
onsfrieden
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
13 0Sigel, Seitenkonkordanz und Copyright
Sigel,SeitenkonkordanzundCopyright
DeschnerBd.1 Deschner,Karlheinz:KriminalgeschichtedesChri- stentums.1. Band.Die Frühzeit:Von denUrsprün- genim Alten Testamentbis zumTod deshl. Augu- stinus (430). Unveränderter, fotomechanischer Nachdruck,5. Auflage,Reinbekbei Hamburg:Ro- wohlt TaschenbuchVerlag,2004. © 1986RowohltVerlagGmbH
DeschnerBd.2 Deschner,Karlheinz:KriminalgeschichtedesChri- stentums.2. Band.Die Spätantike:Von denkatho- lischen »Kinderkaisern«bis zur Ausrottung der arianischenWandalenundOstgotenunterJustinian I. (527–565). Unveränderter, fotomechanischer Nachdruck,3. Auflage,Reinbekbei Hamburg:Ro- wohlt TaschenbuchVerlag,2004. © 1988RowohltVerlagGmbH
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
14 0Sigel, Seitenkonkordanz und Copyright
DeschnerBd.3 Deschner,Karlheinz:KriminalgeschichtedesChri- stentums.3. Band. Die alte Kirche: Fälschung, Verdummung,Ausbeutung,Vernichtung.Unverän- derter, fotomechanischerNachdruck,2. Auflage, Reinbekbei Hamburg:RowohltTaschenbuchVer- lag,2001. © 1990RowohltVerlagGmbH
DeschnerBd.4 Deschner,Karlheinz:KriminalgeschichtedesChri- stentums.4. Band.Frühmittelalter:Von Chlodwig I. (um 500) bis zum Tode Karls »des Großen« (814). Unveränderter, fotomechanischerNach- druck, Reinbekbei Hamburg:Rowohlt Taschen- buchVerlag,1997. © 1994RowohltVerlagGmbH
DeschnerBd.5 Deschner,Karlheinz:KriminalgeschichtedesChri- stentums.5. Band. 9. und 10. Jahrhundert:Von Ludwig dem Frommen(814) bis zum Tode Ottos III. (1002).Unveränderter,fotomechanischerNach- druck, Reinbekbei Hamburg:Rowohlt Taschen- buchVerlag,1998. © 1997RowohltVerlagGmbH
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
15 0Sigel, Seitenkonkordanz und Copyright
DeschnerBd.6 Deschner,Karlheinz:KriminalgeschichtedesChri- stentums.6. Band. 11. und 12. Jahrhundert:Von Kaiser Heinrich II., dem »Heiligen» (1002), bis zum EndedesDritten Kreuzzuges(1192).Unver- änderter,fotomechanischerNachdruck,Reinbekbei Hamburg:RowohltTaschenbuchVerlag,2001. © 1999RowohltVerlagGmbH
DeschnerBd.7 Deschner,Karlheinz:KriminalgeschichtedesChri- stentums.7. Band. 13. und 14. Jahrhundert:Von Kaiser Heinrich IV: (1190)zu KaiserLudwig IV. demBayern(† 1347).Unveränderter,fotomechani- scherNachdruck,Reinbekbei Hamburg:Rowohlt TaschenbuchVerlag,2003. © 2002RowohltVerlagGmbH
DeschnerBd.8 Deschner,Karlheinz:KriminalgeschichtedesChri- stentums.8. Band. Das 15. und 16. Jahrhundert: Vom Exil derPäpstein Avignon bis zumAugsbur- ger Religionsfrieden. 1. Auflage, Reinbek bei Hamburg:RowohltVerlagGmbH,2004. © 2004RowohltVerlagGmbH
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
16 0Impressum der digitalen Ausgabe
ImpressumderdigitalenAusgabe
DigitaleBibliothek132
17 Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
KarlheinzDeschner
KriminalgeschichtedesChristentums
18 Deschner Bd. 1Erster Band: Die Frühzeit
KarlheinzDeschner
KriminalgeschichtedesChristentums
ErsterBand
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
19 Deschner Bd. 1Widmung
Wilhelm Adler Prof.Dr. HansAlbert LoreAlbert KlausAntes ElseArnold JosefBecker Karl Beerscht Dr. WolfgangBeutin Dr. OttoBickel Dr. DieterBirnbacher Dr. EleonoreKottje-Birnbacher Kurt Birr Dr. OtmarEinwag Dr. Karl Finke FranzFischer KläreFischer-Vogel HenryGelhausen Dr. HelmutHäußler Prof.Dr. Dr. NorbertHoerster Prof.Dr. WalterHofmann Dr. StefanKagerundFrauLena HansKalveram
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
20 Deschner Bd. 1Widmung
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
21 Deschner Bd. 1Widmung
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
22 Deschner Bd. 1, 11Einleitung zum Gesamtwerk
EinleitungzumGesamtwerk
K.D.1
23 Deschner Bd. 1, 11Einleitung zum Gesamtwerk
ben,allesim NamendesHerrn.« GeorgChristophLichtenberg3
24 Deschner Bd. 1, 12Einleitung zum Gesamtwerk
Ich sagezunächst,wasderLesernichterwartenkann. Wie in allen meinen Kritiken des Christentums,
fehlt hier vieles,waszwarauchzu dessenGeschichte gehört, aber nicht zur Verbrechensgeschichtedes Christentums,die derTitel verspricht.Wasauchdazu gehört,füllt Millionen Schriftenin Bibliotheken,Ar- chiven,Buchhandlungen,Akademien,auf denDach- bödender Pfarrhäuser,und jeder kann da lesen,so- lang sein Leben ausreicht,seine Geduld und sein Glaube.
Nein,mich reizt esnicht,etwaüberdieMenschheit als»brennbareMasse«für Christuszu sprechen(Die- ringer) oder über die »Heizkraft«desKatholizismus (v. Balthasar)– außerbei GelegenheitderInquisition. Ebensowenigtreibt'smich, die Gemütlichkeitzu rüh- men, die in »denkatholischenLändernherrschte... bis in die jüngste Gegenwart«oder die »Offenba- rungswahrheitenmit dem größtenFröhlichkeitscha- rakter«,magsieKatholik Rostauchzum»Wesendes Katholizismus«zählen.
Ich kannmichauchnichtentschließen,den»grego- rianischen Choral« herauszustellen,»Landschaften mit Wegkreuzen«oder»diebarockeDorfkirche«,die Walter Dirks so liebte. Noch wenigerlockt esmich, denannusecclesiasticuszu würdigen– zumBeispiel den »Weißen Sonntag«,trotz des napoleonischen
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
25 Deschner Bd. 1, 13Einleitung zum Gesamtwerk
Diktums,natürlichkurz vor demTod geäußert:»Der schönsteundglücklichsteTagmeinesLebenswar der TagmeinererstenheiligenKommunion«(mit »Impri- matur«).Oder soll ich sagen,daßdasvierte Konzil von Toledo (633) dasSingendesAlleluja nicht nur für die Karwoche,sondernfür die ganzeFastenzeit verbot?Daßesbefahl,die trinitarischeDoxologieam EndederPsalmenmüsse»Gloriaet honorpatri« lau- tenundnichtbloß»Gloriapatri«?5
Undauchübergloriaethonorecclesiaewird wenig verlauten,nichtsübervermeintlicheoder,ausnahms- weise,wirklich positiveFolgendesChristentums.Ich beantwortenicht die Frage:Wozuist dasChristentum gut? – den Titel gibt es schon.Es gibt Tausende, Hunderttausende,diedieseReligionverteidigen,beju- beln,Bücher,in denenmanmit der– bei allen»Flek- ken«,»Fehlern«,»Schwächen«,bei aller »menschli- chenUnzulänglichkeit«– ach,soehrwürdigen,ruhm- reichenVergangenheit,demso»lichtvollenGangder Kirche durchdie Zeiten«protzt (Andresen),mit »der Kirche«auch,wie hier, im folgendenZitat undmeist, ist sie doch »Eine«,»der fortlebendeChristus«und »heilig«, denn»ihr Wesenist Heiligkeit, ihr Zweck ist die Heiligung« (Benediktinervon Rudloff); wäh- rendalle anderen,vorandie »Ketzer«,immer im Un- rechtstecken,unsittlich,verbrecherisch,total korrupt sind,zugrundegehen,bereitsgegangensind,oderdie,
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
26 Deschner Bd. 1, 14Einleitung zum Gesamtwerk
erkennenihnen »fortgeschrittene«,doch Licht und Schattennochimmervorteilhaft verteilendeKirchen- historiker eine gewisse Verdienstlichkeit zu, eben auchdenewigenHeilsprozeßund -progreßmitgeför- derthaben.6
Es verstehtsich von selbst,daßall dasBedauerli- chedabei– Glaubenskampf,Verfolgung,Pest,Krieg, Hungersnot – gottgewollt ist, unerforschlich oft, gewiß, doch nur allzu berechtigt,voller Sinn und Heilskraft wieder, aber voller Heimzahlung auch: »Die Rachedafür, daß die katholischeKirche, daß das Papsttumbekämpft,anstattals Führungsprinzip anerkanntwurde«(Rost).7
Ist es bei dem gigantischenÜbergewichtall der verdummenden,täuschenden,lügendenGlorifikatio- nennichtnotwendig,auchdasGegenteilzuzeigen,zu lesen?Zumal dafür so viel mehrspricht?Ist einene- gativeChristentumsgeschichtenichtgeradezudasDe- siderat, nach dem alle Lobhudeleienschreienoder doch schreienmachensollten?Zumindestjeden,der auch die schlimmeSeitesehenwill, die eigentliche SeitederSache?
Der Grundsatz»audiaturet alterapars«gehört in eineAnklagekaum.DennocherscheinenPreisredner häufig – zugegeben,meist kurz, sarkastisch,wie ich überhauptihr Studiumhier, in HundertenvonDiskus- sionenundsooftesmöglichist, ausdrücklichempfeh-
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
27 Deschner Bd. 1, 14Einleitung zum Gesamtwerk
le, gar nicht genug empfehlenkann: vorausgesetzt manvergleichtsie wenigstensmit einigenfundierten Gegenschriften.
Den Leser erwarteteine »Kriminalgeschichtedes Christentums«, also nicht nur eine Kir- chengeschichte.(Die Unterscheidungvon Kirche und Christentumist relativ jung, allgemeinbekanntsogar erst seit der Aufklärung, und gewöhnlichmit einer Abwertung der Kirche als überholterGlaubensver- mittlerin verbunden.)Gewiß ist diesesUnternehmen in weitenTeilen Kirchengeschichte,eineDarstellung von institutionellen Kirchentümern,Kirchenvätern, Kirchenführern,von rein kirchlichen Machtambitio- nenundGewaltunternehmen,reinkirchlicherAusbeu- tung, rein kirchlichem Betrug, rein kirchlicher Ver- dummung.
Gewißwerdendie sogenanntenchristlichenGroß- kirchen eingehendbetrachtet,besondersdas Papst- tum, »daskünstlichstealler Gebäude«,das Schiller »nur durcheine fortgesetzteVerleugnungder Wahr- heit erhalten«sieht,dasGoethe»Babel«und »Baby- lon« schimpft, »Mutter so vieles Betrugs und Irr- tums«.Doch noch die außerkirchlichenFormendes Christentumswerdenausführlicheinbezogen,die Hä- resiarchennebendenHäresiologen,die Sekten,Son- derbünde,undallegemessennichtnurandengenerel- len Begriffen des Kriminellen, Humanen,sondern
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
28 Deschner Bd. 1, 15Einleitung zum Gesamtwerk
auchandenzentralenethischenGedankenderSynop- tiker, am christlichenSelbstverständnisals Religion der Frohen Botschaft, der Liebe, des Friedens,als »Heilsgeschichte«auch;ein freilich erst im 19. Jahr- hundertentstandener,im 20.vonevangelischenTheo- logen wie Barth und Bultmann bekämpfter,inzwi- schenaberselbstvon Protestantengern gebrauchter Begriff, der denZeitraumvon der »Erschaffung«der Welt (oder der ersten»Ankunft Christi«) bis zum »JüngstenGericht«umschließt– »allesSichereignen vonHeil (undUnheil)«:Darlapp8.
Gemessenwird dasChristentumaberauchan den mißachtetenForderungender späterenKirche, wie Verbot desKriegsdiensteszunächstfür alle Christen, dannfür denKlerus,VerbotderSimonie,desZinses, desWuchersundandererDingemehr.»DasChristen- tum ist die FrohbotschaftderFreude«,schriebderhl. Franzvon Sales,»undwenneskeineFreudebringt, ist es kein Christentum.«Und für PapstLeo XIII. »wird auch das übernatürlichePrinzip der Kirche daranerkennbar,daß man sieht, was durch sie ge- schiehtundgetanwird«9.
Nun bestehtbekanntlich ein schreienderWider- spruchzwischendem Leben der Christenund ihrer Lehre, ein Widerspruch,den man seit je durch den ewigenGegensatzvon IdealundWirklichkeit zu ent- schärfen,zu bagatellisierensucht– vergeblich.Ver-
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
29 Deschner Bd. 1, 15Einleitung zum Gesamtwerk
dammt doch keiner das Christentum,weil es seine Idealenicht ganz,nicht halbodernochwenigerreali- siert. Aber es faßt, so sagteich 1969 in einer Rede, die mich vor den Richter brachte,»denBegriff des MenschlichenundselbstdesAllzumenschlichendoch etwasweit, wenn man von Jahrhundertzu Jahrhun- dert, von Jahrtausendzu JahrtausendgenaudasGe- genteil realisiert,kurz, wenn mandurch seineganze GeschichtealsInbegriff undleibhaftigeVerkörperung undabsoluterGipfel welthistorischenVerbrechertums ausgewiesenist«10.
Darum also geht es. Man verfehlt dasIdeal nicht nur partiell, nur gradweise,nein,manschlägtihm so- zusagenständigins Gesichtund spielt sich zugleich mit aller Prätentionals VerfechterseinesIdealsauf, ja, als ersteMoralinstanzder Welt. Der Erkenntnis solcher Heuchelei, Ausdruck nicht »menschlicher Schwäche«,sonderngeistlicher Niedertrachtohne- gleichen, entsprangdiese Kriminalgeschichte:Gott geht in den Schuhendes Teufels (s. Nachbemer- kung).
Dabei ist meineArbeit abernicht nur Kirchenge- schichte,sonderneben,wie derTitel sagt,eineHisto- rie desChristentums,eineGeschichtechristlicherDy- nastien,christlicherFürsten,christlicherKriege und Scheußlichkeiten,eineGeschichtejenseitsaller insti- tutionellenoderkonfessionellenSchranken,eineGe-
30 Deschner Bd. 1, 16Einleitung zum Gesamtwerk
schichtevieler Handlungs-undVerhaltensformender Christenheit,einschließlichder säkularisiertenFol- gen, die sich, gelöstvom Ausgangspunkt,innerhalb der Kultur, Wirtschaft, Politik, in der ganzenBreite desgesellschaftlichenLebens,entwickelthaben.Sind dochdie christlichenKirchengeschichtlerselbstdarin einig, ihre Disziplin umspanne»den weitestmögli- chen Radius christlicher Lebensäußerungen«(K. Bornkamm),integrierealle»nurdenkbarenDimensio- nen geschichtlicherWirklichkeit« (Ebeling), sogar »mit allen Veränderungeninhaltlicher, sachlicher Art« (Rendtorff).11
Die Geschichtsschreibungunterscheidetzwar zwi- schensogenannterProfangeschichte(ein von Theolo- genwie HistorikerngebrauchterBegriff: der Gegen- satzzu Heil, zu heilig) und Kirchengeschichte,frei- lich erst seit dem16. JahrhunderteineeigeneDiszi- plin. Dochwie sehrsichbeide– nicht zufällig! – auch auseinanderschrieben,tatsächlich ist Kirchenge- schichtenichtsalseinTeilgebietderGesamtgeschich- te, verstecktsie sich auch,im Unterschiedzu dieser, als »Heilsgeschichte«gern hinter »GottesHeilshan- deln«, dem »Miteinandervon göttlicher Huld und menschlicherSchuld«(Bläser),hinterderprovidentia, metaphysischerTiefgründigkeit– demMysterium.12
KatholischeTheologenleistendabeioft Stupendes. Für Hans Urs von Balthasaretwa, einst Jesuitund
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
31 Deschner Bd. 1, 17Einleitung zum Gesamtwerk
nach seinemOrdensbruderKarl Rahnerals bedeu- tendsterkatholischerTheologedesJahrhundertsein- geschätzt,ist derinnersteVorgangderGeschichtedie »Ergießung«des»SamenGottes... in denSchoßder Welt hinein... ZeugungundEmpfängnisabervollzie- hensich in einerHaltungäußersterPreisgegebenheit und Übersichtslosigkeit... Die Kirche und die Seele, die den NamendesWortesund desSinnesempfan- gen,könnenihn nur in einerfraulichenÖffnung und Bereitschaftentgegennehmen,die sich nicht sträubt, nicht krampft, keine männlicheGegenleistungver- sucht,vielmehrim Dunkelnsichgibt.«13
In Wirklichkeit hängtdiesesomysteriös– undhier sopeinlich– vernebelte,angeblichhistorisch-kritisch getriebene,tatsächlichunter Verzicht auf (rationale) Erkenntnis fabulierte »Heilsgeschichte«untrennbar mit derGeschichteüberhauptzusammen,ja, ist einer ihrerordinärsten,übelstenBereiche.ZwarsollteChri- sti Reichnicht von dieserWelt sein,zwarrühmtman, zumalgegenübermarxistischerGeschichtsauffassung, Geschichteals Spiritualität, »transzendenteEntele- chie«, als »Fortsetzungder Sendungdes Gottmen- schen«(Jedin), betonengeradeKatholiken den Ge- heimnischarakterder »wahren«Geschichte,»Le my- stèrede l'histoire« (de Senarclens),lassensie »das JenseitsallenFortschritts«in Christus»bereitsgegen- wärtig« sein (Daniélou),zwar geht es dessen»Stell-
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
32 Deschner Bd. 1, 17Einleitung zum Gesamtwerk
vertretern«undihrenPredigernstetsum daseinenur, das nottut. In Wirklichkeit aber scheutenbesonders PäpsteundBischöfebuchstäblichnichts,um sichden Mächtigen dienstbar,gefällig zu machen,um mit ihnenkonkurrieren,siebespitzeln,begaunern,beherr- schenzu können.Tatsächlichfaßtensie so Fuß auf dieserWelt, als wollten sie in Ewigkeit nicht wei- chen.14
Diesbeginntdrastischim frühen4. Jahrhundertmit KaiserKonstantin,demnicht zufällig daslängsteKa- pitel desI. Bandesgilt, und führt überdastheokrati- schemittelalterlicheAbendlandbisheute.Die Imperi- enChlodwigs,Karls, Olafs,Alfreds undanderer,erst recht die mittelalterlichen deutschenKaiserreiche konntensichsonur auf christlicherGrundlagekonsti- tuieren. Viele Herrscherhaben– aus Überzeugung oder zum Schein– ihre Politik durch Hinweis auf ihren Glaubenmotiviert, wie überhauptdie mittelal- terlicheChristenheitnahezuallesauf Gott und Chri- stusbezog.Ist dochnochim 16.JahrhundertKirchen- geschichteweitgehendallgemeineGeschichteundbis heutedie vielfältige Einwirkung der Kirche auf den Staatundumgekehrtnicht zu verkennen;in welchem Umfang, mit welcher Intensität,auf welche Weise, dies eben,im Rahmendes Themas,durch die ver- schiedenenEpochen zu erhellen, ist eine meiner Hauptintentionen.
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
33 Deschner Bd. 1, 18Einleitung zum Gesamtwerk
Die ganze Geschichtedes Christentumswar in ihren hervorstechendstenZügeneine Geschichtedes Krieges, eines einzigen Krieges nach außen und innen,desAngriffskriegs,desBürgerkriegs,der Un- terdrückungder eigenenUntertanenund Gläubigen. Daßmandabei– vom Geraubten,Geplünderten– Al- mosen gab (um die Volkswut zu dämpfen) oder Künstlerbezahlte(umsichselberundseineGeschich- teverewigenzu lassen)oderStraßenbaute(umdarauf weiter Kriege führen, Geschäftemachen,töten und ausbeutenzukönnen),interessierthiernicht.
Dagegeninteressiertdie Verstrickung des hohen Klerus,besondersdesPapsttums,in die Politik, Aus- maß und RelevanzseinesEinflussesauf die Herr- scher, die Regierung, Verfassung:die Geschichte eines parasitärenHochstrebensmit nachfolgender Emanzipation,erst vom oströmischen,dannweströ- mischenKaisertum,mit demZiel, durchreligiösePa- rolen auchdie weltliche Gewalt zu gewinnen.Viele Historiker haltenesfür unbestreitbar,daßdasGedei- henderKircheFolgesowohlalsauchUrsachedesrö- mischenStaatszusammenbruchswar. Die Botschaft »Mein Reich ist nicht von dieserWelt« wurdeabge- löst durchdie Zweigewaltenlehre(wonachauctoritas sacratapontificum und regalis potestaseinanderer- gänzen),dannsogarder Kaiser, der König nur zum ausführendenOrgan der Kirche erklärt; eine in der
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
34 Deschner Bd. 1, 18Einleitung zum Gesamtwerk
Bulle »UnamSanctam«durch Bonifaz VIII. formu- lierte Prätention,von der sich erst Leo XIII. (gest. 1903) offiziell distanzierte,was aber nichts heißen will. Die abendländischeChristenheitjedenfalls»war wesentlichdie Schöpfungder katholischenKirche«; »die unter der päpstlichenHierokratiebis ins letzte organisierteKirche die Hauptinstitutionder mittelal- terlichenOrdnung«(Toynbee).15
In diesenZusammenhanggehörendie Kriege, die auf Drängen,mit Beteiligungoder unter dem Kom- mandoder Kirche geführtwordensind: die Vernich- tung ganzerVölker, der Wandalen,der Goten, im Ostendie unentwegteNiedermetzelungder Slawen– für diechristlichenChronistenderKarolingerundOt- tonenbloß in heidnischerFinsternisbefangeneVer- brecher,die mit allen Mitteln, desVerrats,Betrugs, der Grausamkeitbekehrtwerdenmußten.Im Hoch- mittelalter ist jede Glaubensbelehrungvor allem auf Streit und Kampf für Christus ausgerichtet,die Schwertmission,der »Heilige Krieg«, die »novareli- gio«,die Garantiefür allesGute,Große,Ewige.Chri- stus,schonin den frühmittelalterlichenHymnenals Kämpferbesungen,wird nun Heerführer,der König, derSiegerüberhaupt.Wer für ihn, für Jerusalem,sein »altesErbeland«,das »Heilige Land«, sich schlägt, mit demfechtendie Engel,die Heiligen,er erträgtje- derlei Drangsal, Verzweiflung, Hunger, Not, Tod.
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
35 Deschner Bd. 1, 19Einleitung zum Gesamtwerk
Dennfällt er, harrt höchsterLohn auf ihn, durchdie Priestertausendfachverbürgt.Er gelangt,ohneFeg- feuerund Höllenqualen,vom Schlachtfeldgleich ins Paradies,geradeswegsan Christi Herz, gewinnt der »ewigensaeldeheil«,»dieliechteHimmelskrone«,re- quies aeterna,vita aeterna,salusperpetua... Diese Verführtenwähnensich– wie nochdieMillionen von FeldpfaffenMißbrauchtenderWeltkriegszeit– gefeit gegenalles;offnen Augs und blind zugleichtaumeln sieinsVerderben.16
Hierher gehörennatürlichdie Kreuzzüge,im Mit- telalter rein römisch-katholischeKriege, Großver- brechendes Papsttums,wobei man predigt: »Selbst wenn nur Waisen,kleine Kinder, Witwen und Ver- folgte streiten,werdenwir überdie Teufelsmenschen denSieggewinnen.«Doch schondenerstenchristli- chenKaiserhindertnur seinTod aneinemKreuzzug gegendie Perser(S. 284).Und baldreißendiese»be- waffnetenWallfahrten«kaum mehr ab. Sie werden ein Verhalten »von langer Dauer«, eine Idee, ein Thema,»dasin endloserWiederholungdurchdie Ge- sellschaftengeht,durchdie Menschheitund die ver- schiedenenpsychischenStrukturen«(Braudel).Denn die ganzeWelt will der Christ mit seinen»höheren Werten« beglücken, seiner »alleinseligmachenden Wahrheit«,seiner»Erlösung«,die oft zu einer Art Endlösungführt: eineinhalbJahrtausendevor Hitler
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums
36 Deschner Bd. 1, 20Einleitung zum Gesamtwerk
schonzumerstenmalgegenüberdenJudenim großen christkatholischenStil durchdenhl. Kyrill von Alex- andrien. Fast überall, in Europa, Afrika, Asien, in Mittel- und Südamerika,zieht der Europäer als »Kreuzfahrer«ins Feld– »auchwennesdabeinurum Baumwolleund Erdöl geht«(Friedrich Heer). Noch denVietnamkriegerklärtenUS-BischöfezumKreuz- zug und fordertenwährenddes Zweiten Vatikanum sogarden Abwurf der Atombombeauf Vietnamzur Verteidigungder katholischenSchule!Denn:»Selbst Atombombenkönnenin denDienstderNächstenliebe treten«(ProtestantKünneth,13 JahrenachHiroshi- ma).17
Die Kreuzzugspsychose:ein Phänomen,dasnoch im Ost-West-Konflikt der Gegenwartvirulent ist – indes man da und dort Minikreuzzügeprobt; 1971 etwa in Bolivien. »Als nächstesObjekt wurde die Universitätgestürmt«,renommiertder Antonius,die Monatsschrift der Franziskanerin Bayern. »Man kämpfteunter dem Schlachtruf:Für Gott, Vaterland undEhregegendenKommunismus... HelddesTages war der Chef desRegiments... Cl. Celich ...: Ich bin gekommenin meinemeigenenNamen,umin Bolivien denKommunismusauszurotten.Er legtealle Bürsch- chenum, die er mit Waffen antraf ... Celich ist jetzt Innenministerundwird sicherdurchgreifen.Es ist zu erwarten,daßesnunetwasbesserwird, nachdemdie
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Muttergotteswirklich hier dem Kommunismusden Garausgemachthat.«18
NebenungezähltenVerwicklungender Kirchen in weitere»weltliche«Greuelwerdenspezifischklerika- le Aktivitäten desTerrorserfaßt,Heidenbekämpfung, Inquisition, Judenpogrome,Hexen-und Indianeraus- rottunget cetera,bis hin zu denFehdenderKirchen- fürsten,der Klöster, untereinander.Selbstdie Päpste erscheinenschließlichmit Helm,PanzerundSchwert. Sie habenihr eigenesHeer, ihre eigeneMarine, ihre Waffenschmieden– zähltedochnoch1935bei Mus- solinisÜberfall auf Abessinien,von denitalienischen Prälaten frenetisch gepriesen,zu den wichtigsten Kriegslieferanteneine vatikanischeMunitionsfabrik! Zur Ottonenzeitist die Reichskirchevöllig militari- siert, ihr Kampfpotentialmanchmaldoppeltso groß wie dasder »weltlichen«Herren.In allen Himmels- richtungen kommandierenKardinäle und Bischöfe ganzeArmeen,siefallen auf demSchlachtfeld,treten an die Spitze großer Parteien,sind Hofgeistliche, Staatsmänner,und kein Bistum, in demnicht der Bi- schof zuweilen jahrzehntelangFehdenführt; wobei mit demMachthungerdie Grausamkeitwächst,noch im Hochmittelaltermanchesunmöglichist, wasman späterpraktiziert.19
EingehendeErörterungengeltendemEntstehenund der Vermehrungdes Kirchenbesitzes(offiziell, zu-
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mindestseitPelagiusI., das»GutderArmen«)durch Kauf, Tausch,Zehnten,Doppelzehnten,durchErpres- sung,Betrug,Raub,durchUmfunktionierungdesger- manischenTotenkultsundderTotengabezumSeelen- kult, DurchbrechungdesgermanischenVerwandten- erbrechts(»Der Erbewird geboren,nicht gekoren«), durchAusnutzungderNaivität, desJenseitsglaubens, Ausmalenvon Höllenqualen,Himmelsseligkeit,wor- aus nicht zuletzt die Dotationen der Fürsten, des Adels, aberauch,besondersim Frühmittelalter,klei- ner Grundbesitzer,Zinsbauern,pro saluteanimaere- sultierten.
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auf.«Damalsbesitztdie christlicheKirche ein Drittel von Europa.Im Ostengehörtder orthodoxenKirche ein Drittel desriesigenrussischenReichesbis 1917. Und nochheuteist die Kirche Christi der größtepri- vate Grundeigentümerder Welt. »Wo die Kirche zu findensei?Natürlichda,wo sichFreiheitereignet...« (TheologeJanHoekendijk).20
Im Mittelalter fördertedie grundherrlichbestimmte Arbeitsverfassungsowie das territoriale Ausgreifen weltlicher und geistlicherHerrendie Unterdrückung großerBevölkerungsteile,die Ruinierungder paupe- res liberi hominesund minuspotentesdurchErober- ungspolitik, Kriegsdienst,Steuern,ideologisch-reli- giösenZwang,rigoroseGerichtsstrafen.All dies rief den individuellen und allgemeinenWiderstandder Bauernhervor,derenSchwurbündeund Erhebungen, deren »conjurationes« und »conspirationes«die abendländischeGeschichtevon Karl »demGroßen« bis tief in dieNeuzeitdurchziehen.
BesondereUntersuchungsobjektein diesemZusam- menhang:Das Sühnerecht,das brachiumsaeculare, die weltlichen Maßnahmenfür Verfehlungengegen Geboteund Anordnungender Kirche, wobei die Ka- pitalstrafe(durchEnthaupten,Strang,Feuer,Viertei- lung, Säckung,Pfählungund anderes)zunahm.Von den vierzehndie TodesstrafeverhängendenBestim- mungenKarls nach der blutigen Unterwerfungder
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Sachsenbetreffen zehn allein Vergehengegendas Christentum.Mit einemstereotypen»mortemoriatur« wird alles bedroht,was die Verkünder der Frohen Botschaftausmerzenwollen: Kirchendiebstahl,Lei- chenverbrennung,VerweigerungderTaufe,Fleisches- senwährenddes»heiligenvierzehntägigenFastens« et cetera.Nach dem alten polnischenStrafrechtriß man beim großen Fasten vor Ostern jedem des FleischessensÜberführtendieZähneaus.21
Fernerwerdendie kirchlichenStrafenfür Mißach- tung staatlicherGesetzeerörtert.Die geistlichenGe- richtewurdenimmerverhaßter.AusgiebigePräsenta- tion finden: die Bußpraxen(entwendetesKirchenver- mögenmußteim Mittelalter vierfach,nachdemale- mannischenRecht siebenundzwanzigfachzurücker- stattetwerden);die Kirchen-undKlostergefängnisse, bezeichnendergastulagenannt(ergastulahießenauch die Särge),die »Sünder«,Ungehorsameund Geistes- krankein gleicherWeisefesthielten,manchmalin un- terirdischenRäumenohne Türen und Fenster,stets wohlversehenabermit Fesselnaller Art, mit Schließ- böcken, Handschellen,Ketten. Das Exilieren wird ebensodokumentiertwie die Sippenhaft,bei Tötung einesKardinals ausdehnbarbis ins dritte Glied der männlichenErbfolge. Die Folter hatte eine große Zukunft. Häuftensich dochdie Leibesstrafen,zumal im Osten,dasAbschlagenvon Gliedern,Augenaus-
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stechen,Nasen-,Ohrenabschneiden.Und besonders beliebt, wie meist in theokratischenKreisen,wurde diekörperlicheZüchtigung,wasschoneineschwelge- rischeFülle von Namensignalisiert(corporiscastiga- tio, flagellum, flagelli disciplina, flagellorum poena, percussio,plagae,plagarumvirgae,verbera,verbera- tio, verberumvindictausw.).Die Prügelstrafe,bereits bei den kleinsten Verfehlungen angewandt, war hauptsächlichin Klöstern für Mönche,Nonnen,am meistenaberfür Knabenim Schwang,dochauchfür Priester,vor allem für niedereKleriker, die manalle zumindestvom 5. bis ins 19. Jahrhundertverhaute; wobeiBischöfeundÄbtemit Ruten,Riemen,Geißeln zuschlugen,zeitweiseauchBischöfeÄbte malträtier- tenundmandie Zahl derStreicheüberdasMaximum desmosaischenGesetzesvon 40 beziehungsweise39 Streichenansteigenließ, auf 72, 100, 200 Schläge, dieBestimmungdieserAnzahljedochder»Discretion desAbtes«überließundihm nur im Ausnahmefallge- stattete,»bis zum Totpeitschenvorzugehen«(Katho- lik Kober mit Bezugauf Reg. Magistri c. 13). Ver- mutlich gingennicht alle Oberenso weit, und wahr- scheinlichwar auchnicht jeder so grausamwie Abt Transmund,der im Kloster Tremiti Mönchen die Augenausriß,die Zungeabschnitt– und dender be- rühmt-berüchtigtePapstGregor VII. auch noch be- schützthat. Schloßdoch kein Geringererals Petrus
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Damiani,Kardinal,Heiliger undKirchenlehrer:wenn eine Disziplin von 50 Schlägenerlaubtund gut sei, müssedies mit einer Disziplin von 60, 100 bis 200, ja 1000 und 2000 Schlägenerst recht der Fall sein. So kam es währenddes ganzenMittelalters immer wieder zu Klosterrevolteninfolge rabiaterÄbte, die von ihren Mönchenblutig gestäupt,verstümmelt,ge- blendet,vergiftet, erdolcht wurden. Selbstvor dem Altar stachmanVorgesetztezusammenoder ließ sie von bezahltenBanditenermorden.Die Prügelstrafe aberwar im Früh-undHochmittelalterfür die Unter- schichtenderartregulär,daßder visitierendeBischof geradezufragenmußte,ob da jemandseineSklaven oderKolonennicht schlage.22
Ausführlich erfaßt wird ferner: die Stellung der Kirche zur Sklaverei,zur Arbeit. – Die Agrar-, Han- dels-,FinanzpolitikderMönche,derBankiersim frü- hen Mittelalter, derenKlöster (in Lothringen)schon im 10. und11. JahrhundertalsLeihinstitute,Banken, fungierten,überhauptwirtschaftliche Größenersten Rangeswaren.Doch geht die Agitation der Mönche in der Welt der Politik, desGeldes,stetigweiter,be- sonderswährendderdeutschenOffensivenim Osten, bei der Beteiligungder Ordenan der Siedlungs-und Kolonialgeschichte,derblutigenUnterjochungganzer Völker. Nochim frühen20.Jahrhundertkontrollieren alleindieJesuiteneinDrittel desgesamtenspanischen
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Kapitals; im späten20. Jahrhundertbesitzensie die größtePrivatbankder Welt, die Bank von Amerika, mit 51 Prozent.Und dasPapsttumist heuteeine fi- nanzpolitischeWeltmacht,die engsteKontakte mit derUnterweltpflegt,unteranderemüberdieals»Ma- fiabank«bekannteBankvon Sizilien, ein finanzielles InstrumentderKurie.
Der JesuitenzöglingMichele Sindona,»dererfolg- reichsteItaliener nachMussoloni«(Time) und Star- bankierderMafia (SchwerpunkteseinerFinanzpirate- rie: Italien, Schweiz,USA, Vatikan), ein Sizilianer, dermehrBankenalsandreMännerHemdenbesessen undeinenbeträchtlichenTeil seinesGeldesdemHan- del mit Heroinverdankthabensoll, wareinsehrguter FreunddesErzbischofsvon Messina,fernerdesErz- bischofsMarcinkus,desLeitersderVatikanbank»In- stitut für ReligiöseWerke«(»meineStellung inner- halb des Vatikans ist außergewöhnlich«,»einzigar- tig«), ein guterFreundauchPaulsVI. sowieFinanz- berater und enger Geschäftspartnerdes »Heiligen Stuhls«,dessenBankennochmit denschwarzenGel- derndesitalienischenGroßgangstertumsspekulierten. MafiosoSindona,»derwahrscheinlichreichsteMann Italiens« (Lo Bello), der »von PapstPaul VI. den Auftrag erhalten,die Kirchenfinanzenneuzuordnen« (SüddeutscheZeitung),wurde1980als Verantwortli- cher für den größtenBankenzusammenbruchin der
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Geschichteder USA zu 25 JahrenHaft verurteilt, dannanItalien ausgeliefert,dort aber1986zwei Tage nach seiner Verurteilung (wegen Anstiftung zum Mord) zu lebenslangerHaft im Gefängnis,trotz aller nur denkbarenAbsicherungen,durchZyankalivergif- tet. Vielsagendmeinteder zwölf JahreSindonasFi- nanzaktionen(allein in Italien eineinhalbMilliarden Mark Verluste) verfolgendeMailänder Staatsanwalt Guido Viola: »Wir habenden Dreck, der in diesem Topf kocht,auchmit demProzeßnicht ausgeräumt.« EbensogehörteRobertoCalvi, ein weiterer Mafia- Bankier,der 1982erhängtuntereinerThemsebrücke in Londonendete,unterPaulVI. zumexklusivenZir- kel der kurialen »uomini di fiducia« und verbreitete als »Bankier Gottes«,wie er in Italien hieß, »das Krebsgeschwürvatikanisch inspirierter Wirtschafts- kriminalität überdie ganzeWelt«. (Zum Beispielprä- sentierteder Leiter der Abteilung für Organisiertes Verbrechenund Korruption beimamerikanischenJu- stizministerium,Lynch, begleitet von Polizei- und FBI-Beamten,am 25. und 26. April 1973 im vatika- nischenStaatssekretariat»das Originalschreiben,in dem der Vatikan« bei der New Yorker Mafia, »ge- fälschteWertpapiereim fiktiven Gegenwertvonnahe- zu einerMilliarde Dollar bestellte«,»einedergrößten BetrügereienallerZeiten«,dieanscheinendkeinande- rer alsErzbischofMarcinkus,der»sehrguteFreund«
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Sindonas,»eingefädelthatte«[Yallop].) Der Vorgän- ger Pauls,PapstPiusXII., starb1958mit einemPri- vatvermögen– daser angeblichganzzur Rettungvon JudenunterHitler verwendethatte!– von 80 Millio- nenDM in Gold und Valuten.Der Nepotismusunter ihm hatte renaissancehafteAusmaße.Sicher an der Erlösungist nurderErlösdaraus.23
Die Habgierder Prälatenwird durchalle Jahrhun- derte belegt, die private Bereicherungvon Päpsten, Bischöfen,Äbtendokumentiert,ihr meistungeheurer Luxus,…