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Universität Bern, IKAÖ, WS 2005/06 Vorlesung „Einführung in die Allgemeine Ökologie“ Der Syndrom-Ansatz Ein inter- und transdisziplinärer Ansatz der Erforschung des globalen (Umwelt-)Wandels Thomas Hammer [email protected] 23. und 30. Januar 2006 Thomas Hammer

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Universität Bern, IKAÖ, WS 2005/06Vorlesung „Einführung in die Allgemeine Ökologie“

Der Syndrom-Ansatz

Ein inter- und transdisziplinärer Ansatz der Erforschung des globalen (Umwelt-)Wandels

Thomas Hammer

[email protected]

23. und 30. Januar 2006Thomas Hammer

Lernziele

Sie …

… kennen die Entstehungsgeschichte, die Idee und die Methodik des Syndrom-Ansatzes,

… kennen die Syndrome des globalen Wandels und können einzelne beschreiben,

… verstehen die Stärken und Schwächen des Ansatzes,… kennen Beispiele von Forschungsarbeiten mit diesem Ansatz,… sind in der Lage, den Syndrom-Ansatz von andern

Forschungsansätzen abzugrenzen.

⇒ Vorlesung, Literaturstudium, Fragen und Diskussion

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Inhaltsübersicht

1. Erläuterung des Syndrom-Ansatzes

2. Methodik der Syndrom-Definition (am Beispiel des Sahel-Syndroms)

3. Lektüre/Diskussion Text WBGU

4. Aspekte der Syndrom-Forschung

5. Würdigung des Syndrom-Ansatzes

6. Begriffe

7. Literatur und Internet-Adressen

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

1. Erläuterung des Syndrom-Ansatzes

Wissenschaftlicher Beirat der Deutschen Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU, http://www.wbgu.de)

Hauptgutachten seit 1993 an die Bundesregierung

Entwicklung des Syndrom-Ansatzes durch den Wissenschaftlichen Beirat

Beschreibung des Forschungskonzepts im Jahresgutachten 1996

⇒ Lösungs- und anwendungsorientierter Forschungsansatz

⇒ Ziel: u.a. Strukturierung der Forschung in Deutschland

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Jahres- bzw. Hauptgutachten „Welt im Wandel“des WBGU

2004: Armutsbekämpfung durch Umweltpolitik2003: Energiewende zur Nachhaltigkeit2002: Neue Strukturen globaler Umweltpolitik1999: Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Biosphäre1998: Strategien zur Bewältigung globaler Umweltrisiken1997: Wege zu einem nachhaltigen Umgang mit Süßwasser1996: Herausforderung für die deutsche Wissenschaft1995: Wege zur Lösung globaler Umweltprobleme1994: Die Gefährdung der Böden1993: Grundstruktur globaler Mensch-Umwelt-Beziehungen

⇒ zusätzlich: Publikation von SondergutachtenDer Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Ausgangspunkte (Grundthesen)

Aus dem menschlichen Handeln ergeben sich globale Umweltveränderungen.

Globale Umweltveränderungen resultieren aus vielfältigen Transformationsprozessen.

Diese Transformationsprozesse bilden insgesamt den Globalen Wandel. (GB: umweltrelevante Transformationsprozesse)

Der globale Wandel kann nur verstanden werden, wenn die Erde als ein System begriffen wird.

Globaler Wandel ≠ Globale UmweltveränderungenDer Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Kernprobleme des Globalen Wandels I

• Die Veränderungen in der belebten und unbelebten Welt des Menschen.• Die gesellschaftlichen Veränderungen selbst.

Kernprobleme des Globalen Wandels (T-Prozesse)Natursphäre Anthroposphäre

Klimawandel Bevölkerungsentwicklung undBodendegradation -verteilungVerlust an Biodiversität Umweltbedingte Gefährdung derVerknappung und Verschmutzung Welternährungvon Süsswasser Umweltbedingte Gefährdung derÜbernutzung und Verschmutzung Weltgesundheitder Weltmeere Globale EntwicklungsdisparitätenZunahme anthropogen verursachterNaturkatastrophen

Quelle: WBGU 1996: 115-116 Thomas Hammer

Zwei grundlegende Forschungsprobleme

Hohe Komplexität der dynamischen Zusammen-hänge

Notwendigkeit eines integrativen Ansatzes(jedoch wenig praktiziert)

Notwendigkeit einer interdisziplinären Betrachtungsweise

Notwendigkeit der Ergänzung der sektoral geprägten Forschung durch einen systemaren Ansatz

Verknüpfung der verschiedenen disziplinären Forschungsstränge untereinander

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Methode der Ganzheitsbetrachtung I

Beschreibung und Analyse der Trends des globalen Wandels(Ziel: Auskünfte über die dominierenden Merkmale der globalen Entwicklung, der natürlichen und anthropogenen Prozesse)

Verwebung der Trends und Interaktionen zu einem Globalen Beziehungsgeflecht

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Das globale Beziehungsgeflecht (Horizontale Integration) Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 112 Thomas Hammer

Methode der Ganzheitsbetrachtung II

Regionalisierte Betrachtung des Erdsystems, der globalen Beziehungsgeflechte und der globalen Trends

Eruierung typischer regionaler Muster, die auch in andern Räumen erkennbar sind

Solche funktionale Muster = Syndrome des globalen Wandels

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Zuordnung von Kernproblemen des Globalen Wandels zu Syndromen

Quelle: WBGU 1996: 131 Thomas Hammer

Was ist ein Syndrom?

Ein Syndrom ist ein Krankheitsbild der Erde, das sich in verschiedenen Regionen der Erde vorfindet.

Ein Syndrom weist verschiedene Symptome bzw. Trends auf.

Ein Syndrom setzt sich aus verschiedenen Kernproblemen des globalen Wandels und meistens auch aus regionalen Problemen zusammen.

Ein Syndrom ist ein Querschnittsphänomen, das verschiedene Kernprobleme des globalen Wandels in sich vereinigt.

Ein Syndrom ist ein typisches Muster der Nicht-Nachhaltigkeit.

Ziel: Heilung des Patienten „Erde“, indem die Erdkrank-heiten geheilt bzw. die Syndrome gelindert werden

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Eigencharakterisierung des Ansatzes

Problemlösungs-orientierteForschung

Problemorientierung

Lösungsorientierung

Integrierte Forschung(interdisziplinäre

Zusammenarbeit und Forschung)

Orientierung am Leitbild der nachhaltigen

Entwicklung

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Eigenschaften von Syndromen

♦ Transsektoralität: Problemlagen gehen über einzelne Sektoren hinaus

♦ Direkter oder indirekter Bezug zu natürlichen Ressourcen

♦ Globale Relevanz, diese ist dann gegeben, ...- wenn Modifikation des Systems Erde,- wenn Beeinflussung der Lebensgrundlagen eines grossen Teils der Menschheit, und/oder- wenn Notwendigkeit eines globalen Lösungsansatzes

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Der Syndrom-AnsatzQuelle: WBGU 1996: 5 und 121Thomas Hammer

2. Methodik der Syndrom-Definition(am Beispiel des Sahel-Syndroms)

♦ Zentraler Mechanismus („Syndromkern“, „Teufelskreis“)

♦ Syndromspezifisches Beziehungsgeflecht und Teilgeflechte

♦ Die Verbreitung des Syndrom-Dispositionsraumes

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Zentraler Mechanismus des Sahel-Syndroms („Syndromkern“, „Teufelskreis“)Quelle: WBGU 1996: 140 Thomas Hammer

Quelle: WBGU 1996: 141

Syndromspezifisches Beziehungsgeflecht: 3 Teilgeflechte in rot, grün und blau (Ableitung von Fragenkomplexen)

Thomas Hammer

Der Syndrom-Ansatz

Die Verbreitung des naturräumlichen Sahel-Syndrom-Dispositionsraums

Naturräumlich bedingte Fragilität eines Standortes bezüglich landwirtschaftlicher Produktion

Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 144 Thomas Hammer

Die Verbreitung des sozio-ökonomischen Sahel-Syndrom-Dispositionsraums

Sozio-ökonomisch bedingte Fragilität eines Standortes (Kriterium Ausmass der Subsistenzökonomie)

Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 145 Thomas Hammer

Die Verbreitung des Sahel-Syndrom-Dispositionsraums insgesamt

Fragilität eines Standortes insgesamt („Weltschadenskarte“)

Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 146 Thomas Hammer

3. Lektüre/Diskussion Text WBGU 1996: 120-132

3 Syndromgruppen

- Welches sind Gemeinsamkeiten (Charakteristiken) innerhalb der Syndromgruppen und welches sind Unterschiede zwischen den Syndromgruppen?

- Auf welchen Annahmen fusst die Bildung der Syndromgruppen?

Auswahl eines Syndroms

- Welches sind die zentralen Charakteristiken des Syndroms?

- Welches ist das zentrale Wirkungsgefüge?

(zentraler „Ursachenzusammenhang“: „Syndromkern“, „Teufelskreis“)

- Wie könnte eine „Lösungsstrategie“ in groben Zügen aussehen?

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Syndrome des Globalen Wandels

Syndromgruppe „Nutzung“1. Landwirtschaftliche Übernutzung marginaler Standorte: Sahel-Syndrom2. Raubbau an natürlichen Ökosystemen: Raubbau-Syndrom3. Umweltdegradation durch Preisgabe traditioneller Landnutzungsformen: Landflucht-Syndrom4. Nicht-nachhaltige industrielle Bewirtschaftung von Böden und Gewässern: Dust-Bowl-Syndrom5. Umweltdegradation durch Abbau nicht-erneuerbarer Ressourcen: Katanga-Syndrom6. Erschließung und Schädigung von Naturräumen für Erholungszwecke: Massentourismus-Syndrom7. Umweltzerstörung durch militärische Nutzung: Verbrannte-Erde-Syndrom

Syndromgruppe „Entwicklung“8. Umweltschädigung durch zielgerichtete Naturraumgestaltung im Rahmen von Großprojekten: Aralsee-

Syndrom9. Umweltdegradation durch Verbreitung standortfremder landwirtschaftlicher Produktionsverfahren: Grüne-

Revolution-Syndrom10. Vernachlässigung ökologischer Standards im Zuge hochdynamischen Wirtschaftswachstums: Kleine-Tiger-

Syndrom11. Umweltdegradation durch ungeregelte Urbanisierung: Favela-Syndrom12. Landschaftsschädigung durch geplante Expansion von Stadt- und Infrastrukturen: Suburbia-Syndrom13. Singuläre anthropogene Umweltkatastrophen mit längerfristigen Auswirkungen: Havarie-Syndrom

Syndromgruppe „Senken“14. Umweltdegradation durch weiträumige diffuse Verteilung von meist langlebigen Wirkstoffen: Hoher-

Schornstein-Syndrom15. Umweltverbrauch durch geregelte und ungeregelte Deponierung zivilisatorischer Abfälle: Müllkippen-

Syndrom16. Lokale Kontamination von Umweltschutzgütern an vorwiegend industriellen Produktionsstandorten:

Altlasten-SyndromDer Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 5 Thomas Hammer

4. Aspekte der Syndrom-Forschung

♦ Allgemeines Vorgehen

♦ Integrationsprinzipien

♦ Ausgangsfragestellungen

♦ Aufgaben für die Wissenschaft

♦ Grundthese

♦ Syndrom-Ranking

♦ Bestimmung der Leitplanken und des Handlungsraumes

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Allgemeines VorgehenQuelle: WBGU 1996: 150 Thomas Hammer

Der Syndrom-Ansatz

Integrationsprinzipien

I-1: Raumbezug

I-2: Zeitbezug

I-3: Sozio-kulturelle Strukturen und Prozesse

I-4: Modellbildung und Simulation

I-5: Gemeinsame Instrumente

I-6: Interdisziplinäre Einrichtungen

I-7: Temporäre Verbünde

I-8: Förderstrukturen und Programme

I-9: Orientierung an internationalen Programmen

I-10: Ausbildung

I-11: Partizipation

I-12: Evaluation

Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 134-135 Thomas Hammer

Ausgangsfragestellungen

⇒ „Wie kommt es zu den Naturveränderungen und wie sind sie mit der globalen Entwicklungsproblematik verknüpft?

⇒ Wie kann man sie frühzeitig erkennen oder vorhersagen?

⇒ Welche Risiken sind mit ihnen verbunden?

⇒ Wie muss der Mensch handeln, um negative Entwicklungen auf globaler Ebene zu verhindern, um drohenden Gefahren zu begegnen bzw. die Folgen globaler Veränderungen zu minimieren?“

Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 4 Thomas Hammer

Aufgaben für die Wissenschaft

„Sie muss erklären,

... wie sich das System Erde durch anthropogene Eingriffe verändert,

... wie umgekehrt diese Prozesse durch die natürliche Veränderung des Erdsystems beeinflusst werden und schliesslich,

... ob und in welchem Masse Steuerungsmöglichkeiten des Globalen Wandels bestehen.“

„Erdsystemanalyse“ „globale Steuerung“Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 3 Thomas Hammer

Grundthese

Die komplexen globalen Umwelt- und Entwicklungsprobleme lassen sich auf eine überschaubare Anzahl von Umweltdegra-dationsmustern zurückführen.

Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 4 Thomas Hammer

Syndrom-Ranking IDer Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 136 Thomas Hammer

Syndrom-Ranking IIDer Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 137 Thomas Hammer

Prioritätenklassen für die Forschung

Der Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 137 Thomas Hammer

Leitplanken (Grenzflächen):

„Diese trennen den erlaubten Handlungs-raum vom Bereich der Nicht-Nach-haltigkeit ab, in dem sich das Syndrom manifestiert.

Bestimmung der Leitplanken und des Hand-lungsraumesDer Syndrom-Ansatz

Quelle: WBGU 1996: 119 Thomas Hammer

5. Würdigung des Syndrom-Ansatzes

♦ Stärken

♦ Schwächen

♦ Würdigung insgesamt

♦ Verbesserungsmöglicheiten

Quellen: - Hein & Fuchs (1998)- Kreibich & Simonis (Hrsg., 2000)- Krings (2002)- Reusswig (1999)

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Stärken

♦ Problemorientierung

♦ Globale Sicht der Erde als ein „Erdsystem“

♦ Systemare Betrachtungs- und Darstellungsweise (naturwissenschaftlich)

♦ Reduktion der globalen Umweltprobleme auf wenige Syndrome und Kernprobleme und deren Ursachenzusammenhänge

♦ Interdisziplinäres Denken (bzw. transdisziplinäres Denken)

♦ Integration von Wissen und Erkenntnissen aus verschiedenen Disziplinen

♦ Denken in „Ursache und Wirkung“ wird überwunden:-„Wirkungsgefüge“-„(Rück-)Wirkungsketten“- „Wirkungszusammenhänge“- „Selbstverstärkungseffekte“

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Schwächen I

♦ Relative Beliebigkeit der Syndromidentifikation (Begründung fehlt weitgehend)

♦ Beschreiben die 16 Syndrome wirklich die global relevanten Umweltprobleme und deren Ursachenzusammenhänge?

(„Mobilitäts-Syndrom?“, „Konsumgesellschaft-Sysndrom“?, „Wegwerfgesellschaft-Syndrom“?)

♦ Ausscheidung von Syndromen: Parzellierung globaler Zusammenhänge ⇒„Sisyphusstrategien“?

♦ Risikoreiche Grundannahmen (z.B. zunehmende Armut im Sahel)

♦ Gesellschaftliche Antriebskräfte werden kaum thematisiert.

♦ Negativ-Bestimmung von Nachhaltigkeit (implizit Modernisierungstheorie)

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Schwächen II

♦ Es wird von globalen Umweltproblemen, jedoch nicht von globalen Entwicklungsproblemen ausgegangen.

♦ Globale Entwicklungsprobleme werden kaum diskutiert. Grundsätzliche Entwicklungsfragen werden nicht gestellt.(u.a. Fordismus, Massenkonsumgesellschaft, Kolonialgeschichte, Disparitäten zwischen Nord und Süd, kapitalistisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, Liberalisierung und Globalisierung)

♦ Das westliche und nord-amerikanische Konsum- und Entwicklungsmodell wird nicht nur Diskussion gestellt.

♦ Implizit wird davon ausgegangen, dass die Umweltprobleme im Rahmen der jetzigen Systeme gelöst werden können.(v.a. ökologische Modernisierung, wenig ökologische Strukturanpassung: Bsp. Kleine-Tiger-Syndrom)

♦ Für die regionalisierten Syndrome werden kaum Erklärungszusammen-hänge höherer Ebenen (im sozialwissenschaftlichen Bereich) herangezogen.

♦ Ableitbare Lösungskonzepte bleiben rudimentär.

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Würdigung insgesamt

♦ Naturwissenschaftliche Öffnung: naturwissenschaftlicher Ansatz, der verschiedene humanwissenschaftliche Aspekte integriert („qualitativ-naturwissenschaftlicher“-Ansatz)

♦ Interdisziplinäres Analyseinstrumentarium (jedoch kein Handlungsmodell)

♦ Fortschritt: Verbindung der „Weltmodelle“ mit dem regionalen Fallstudienansatz in der Global-Change-Forschung

♦ Riskante Grundthese: Globaler Wandel im Umweltbereich lässt sich mit relativ schwach untereinander gekoppelten Syndromen beschreiben und erklären (globale Probleme als Summe regionaler Probleme?)

♦ Hintergrund des Ansatzes: modernisierungstheoretisches Paradigma: Demokratie, Technologie-Entwicklung, Technologietransfer, wirtschaftliches Wachstum, zunehmender Wohlstand, Frauenemanzipation, Markt-Mechanismen

♦ Machbarkeit?

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Verbesserungsmöglichkeiten

♦ Ergänzung um den Motoransatz (Hein & Fuchs 1998)- Analyse der aktuellen weltgesellschaftlichen Umbruchprozesse- Analyse der Triebkräfte der aktuellen Veränderungen- Vernetzung der Syndrome- Vernetzung von Globalisierung und nachhaltiger Entwicklung

♦ Verbindung mit Fragestellungen der Politischen Ökologie und derHandlungstheorie

♦ Ergänzung um Fragestellungen der globalen Strukturanpassung

♦ Komplementäre regionale Fallstudien zu den regionalisierten Syndromen

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

6. Begriffe

Wichtige Begriffe, die dem Syndrom-Ansatz des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) zugrunde liegen:

Globaler Wandel: Bezeichnet die Verschränkung von globalen Umweltveränderungen, ökonomischer Globalisierung und kultureller Transformation.

Leitplanke: Leitplanken grenzen den Entwicklungsraum des Mensch-Umwelt-Systems von den Bereichen ab, die unerwünschte oder gar katastrophale Entwicklungen repräsentieren und daher vermieden werden müssen. Nachhaltige Entwicklungspfade verlaufen innerhalb des durch die Leitplanken definierten Korridors.

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Syndrome des Globalen Wandels bezeichnen Muster von krisenhaften Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt in einem abgesteckten Raum. Es sind charakteristische, global relevante Konstellationen natürlicher und anthropogener Trends des Globalen Wandels sowie der Wechselwirkungen zwischen ihnen. Jedes Syndrom ist, in Analogie zur Medizin, ein „globales Krankheitsbild“; es stellt einen anthropogenen Ursache-Wirkungs-Komplex mit spezifischen Umweltbelastungen dar und bildet somit ein eigenständiges Muster der Umweltdegradation. Syndrome greifen über einzelne Sektoren wie Wirtschaft, Biosphäre oder Bevölkerung hinaus, aber auch über einzelne Umweltmedien wie Boden, Wasser oder Luft. Syndrome haben immer einen direkten oder indirekten räumlichen Bezug zu Naturressourcen. Ein Syndrom lässt sich in der Regel in mehreren Regionen der Welt unterschiedlich stark ausgeprägt identifizieren. In einer Region können mehrere Syndrome gleichzeitig auftreten.

Thomas Hammer

Der Syndrom-Ansatz

Syndromkonzept ist ein vom WBGU entwickeltes wissenschaftliches Konzept zur transdisziplinären Beschreibung und Analyse des Globalen Wandels. Wesentliche Elemente des Syndromkonzepts sind neben denSyndromen das Globale Beziehungsgeflecht, bestehend aus Trends und ihren Wechselwirkungen, und die Leitplanken.

Trends des Globalen Wandels sind im Syndromkonzept Phänomene in Gesellschaft und Natur, die für den Globalen Wandel relevant sind und ihn charakterisieren. Es handelt sich dabei um veränderliche oder prozesshafteGrößen, die qualitativ bestimmbar sind, wie etwa die Trends „Bevölkerungswachstum“, „verstärkter Treibhauseffekt“, „wachsendes Umweltbewusstsein“ oder „medizinischer Fortschritt“.

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

7. Literatur und Internetadressen

Hein, Wolfgang & Peter Fuchs (1998): Syndrom- oder Motoransatz zur globalen Umweltforschung? In: Jahrbuch Ökologie 1999. München 1998, S. 158-167.

Krings, Thomas (2002): Zur Kritik des Sahel-Syndromansatzes aus der Sicht der Politischen Ökologie. In: Geographische Zeitschrift, Jg. 90, Nr. 3-4, S. 129-141.

Lüdeke, M.K.B., G. Petschel-Held & H.-J. Schellnhuber (2004): Syndromes of Global Change: The First Panoramic View. In: GAIA 13/1, S. 42-49.

Petschel-Held, Gerhard (2001): Umweltmedien und Umweltschäden. In: SEF, Stiftung Entwicklung und Frieden (Hg.): Globale Trends 2002 - Fakten, Analysen, Prognosen. Bonn, S. 336-355

Petschel-Held, G., A. Block, M. Cassel-Gintz, J. Kropp, M.K.B. Lüdeke, O. Moldenhauer & F. Reusswig (1999): Syndromes of global change, a qualitative approach to assist global environmental management. Environmental Modelling and Assessment, no. 4, S. 315-326.

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Reusswig, Fritz (1999): Syndrome des Globalen Wandels als transdisziplinäresKonzept. Zur Politischen Ökologie nicht-nachhaltiger Entwicklungsmuster. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Jg. 43, Nr. 3-4, S. 184-201.

Schellnhuber, Hans-Joachim (2000): Erdsystemanalyse – Geokybernetische Optionen. In: Kreibich, Rolf & Udo E. Simonis (Hg.): Global Change - Globaler Wandel. Ursachenkomplexe und Lösungsansätze - Causal Structures and Indicative Solutions. Berlin, S. 145-158.

Schellnhuber, Hans-Joachim et al. (1997): Syndromes of Global Change. In: GAIA, Jg. 6, Nr. 1, S. 19-34.

WBGU, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (1996): Welt im Wandel – Herausforderung für die deutsche Wissenschaft. Jahresgutachten 1996. Berlin.

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Literatur zum Globalen Wandel

Kreibich, Rolf & Udo E. Simonis (Hg., 2000): Global Change - Globaler Wandel. Ursachenkomplexe und Lösungsansätze - Causal Structures and Indicative Solutions. Berlin.

SEF, Stiftung Entwicklung und Frieden (Hg.): Globale Trends – Fakten, Analysen, Prognosen. Bonn (v.a. Kapitel zu „Weltökologie“) (erscheint alle 2 Jahre).

Worldwatch Institute (Hg., jährlich): Zur Lage der Welt. Prognosen für das Überleben unseres Planeten. Frankfurt a.M. (orig.: Worldwatch Institute Report: State of the World. New York, London).

Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer

Der Syndrom-Ansatz im Internet

http://www.wbgu.de

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (jährliche Veröffentlichung eines Hauptgutachtens „Weit im Wandel" (1996: Forschung zum Globalen Wandel), zudem Veröffentlichung von Sondergutachten und weiteren Berichten.

http://www.nccr-north-south.unibe.ch

NCCR North-South: Research Partnerships for Mitigating Syndromes of Global Change (Nationaler Forschungsschwerpunkt, koordiniert vom Zentrum für Entwicklung und Umwelt des Geographischen Institutes der Universität Bern).

http://www.pik-potsdam.de/cp/quest/

Potsdam Institute for Climate Impact Research: An Expert System on Global Change: Qualitative Dynamics of Syndromes and Transition to Sustainability (Questions). Der Syndrom-Ansatz

Thomas Hammer