der graue block
TRANSCRIPT
7/30/2019 Der graue Block
http://slidepdf.com/reader/full/der-graue-block 1/2
84 4.201
KULTUR RUNDFUNKRÄTE
W
enn im kommenden Jahr der
neue Rundfunkrat des Südwest-
rundfunks zusammentritt, dann
sind Vertreter der Landesregierungen von
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
nicht mehr dabei. Eigentlich eine gute Nach-
richt, denn der öff entlich-rechtliche Rund-
funk hat staatsfrei zu sein – oder zumindest
staatsfern. Das zählt zu den eisernen Prinzi-
pien des Rundfunkrechts und dennoch: Der
Streit um die Zusammensetzung dieser
wichtigen Kontrollorgane schwelt, seit es
den öff entlich-rechtlichen Rundfunk gibt.
Das Bundesverfassungsgericht durfte
sich gleich in seiner ersten Rundfunkent-
scheidung mit dem Thema „Staatsfreiheitdes Rundfunks“ abmühen. Das war im Jahre
1961 – und es sollte nicht das letzte Mal
gewesen sein. Jüngster Fall: Die „Causa
Brender“, der ZDF-Chefredakteur, dessen
Amtszeit 2010 auslief, nicht verlängert wurde
und jetzt das Bundesverfassungsgericht
beschäftigt. Eines jedoch fällt auf: Immer
wenn es um die Staatsferne ging, drehte es
sich in Karlsruhe um jene Mitglieder des
Rundfunkrats, die direkt von Parlamenten
und Regierungen entsandt wurden. Stets
ging es um die sogenannte Staatsbank. Beim
Gegengewicht, den Vertretern der „gesell-
schaftlich relevanten Gruppen“, den soge-
nannten „Grauen“, schaute niemand genauer
hin.
Das Pluralismus-Modell im Rundfunk ist
bestechend einfach und jahrzehntealt:
Damit die Sender nicht zum Instrument des
Staates werden, ist die Zahl der Sitze für
Staatsvertreter in den Rundfunkräten be-
schränkt. Das Gros entsenden die „gesell-
schaftlich relevanten Gruppen“. Allerdings weiß nach gut 50 Jahren gesetzgeberischer
Praxis jeder: Die Zusammenstellung dieser
Gruppen wird von den Länderparlamenten
vollzogen, sie hat viel mit politischer Verbun-
denheit zu tun. Eine Revision gehört nach
einem Machtwechsel in den Ländern traditi-
onell zum parlamentarischen Eröff nungs-
programm. Zu wissen, zu welchen po
schen Lagern etwa Arbeitgeber- und
Gewerkschaftsvertreter zählen, gehör
allen Neutralitätsbeteuerungen zum A
der politischen Bildung. Dennoch: Dieschaftlich relevanten Gruppen wurde
als Gegengewicht zur sogenannten Sta
bank gesehen, eine Sichtweise, die nu
einer rigoros formalistischen Betracht
der Realität standhält. Die Vertreter di
Institutionen sind zwar als Rundfunkr
rechtlich vom Staat und den Institutio
die sie entsenden, unabhängig. Letzte
hängen jedoch oft am Geldtropf des S
manche sind sogar völlig abhängig vo
Zuschüssen. Wie frei ist ein Rundfunk
wenn die Institution, die ihn entsende
einhundert Prozent von Staatszuschü
abhängig ist? Wie frei kann er sein?
Ade Staatsferne
Dieser Frage sind wir nachgegangen u
haben die Rundfunkräte des Rundfun
Berlin-Brandenburg (RBB), des Bayeri
Rundfunks (BR) und von Radio Breme
unter die Lupe genommen. Das Ergeb
besorgniserregend: Zählt man die dire
und indirekten Staatsvertreter (von K
nen oder staatlichen Einrichtungen) s
jene Rundfunkräte zusammen, die voInstitutionen entsandt werden, die vo
staatlicher Finanzierung abhängig sin
(mehr als die Hälfte der Einnahmen),
kommt man in allen drei Gremien auf
teils satte Mehrheit. Ade Staatsferne.
Beim Rundfunk Berlin-Brandenbu
sind von 29 Mitgliedern allein sieben P
Der graueBlockDer Rundfunk in Deutschland ist vom Ziel der Staatsferne
weiter entfernt denn je. Nach Recherchen von liberal sind
staatsnahe Rundfunkräte eher die Regel als die Ausnahme.
Denn die unabhängigen Vertreter der sogenannten „gesell-schaftlich relevanten“ Gruppen werden oft von Institutionen
entsandt, die von staatlicher Finanzierung abhängig sind.
// TEXT // BORIS EICHLER // ILLUSTRATION // MARIO WAGNER
7/30/2019 Der graue Block
http://slidepdf.com/reader/full/der-graue-block 2/2
liberal 4.2013